Griechisches Etymologisches Wörterbuch von Hjalmar Frisk, Heidelberg, 1954-1972.
Band I, pp. I-XXX, 1-938
[α-κο] (1960).
Band II, pp. 1-1154
[κρ-ω] (1970).
Band III, pp. 1-312 [Nachträge, Wortregister, Corrigenda] (1972).
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ἀ- verneinendes (privatives) Präfix (α στερητικόν); daneben, ursprünglich nur antevokalisch, ἀν-. — Durch Wegfall anlautender Konsonanten (ϝ-, σ-) ist die ursprüngliche Verteilung gestört worden: ἄισος (< *ἀ-ϝισος) neben neugebildetem ἄνισος hat Formen wie ἄ-οζος neben ursprünglichem ἄν-οζος (: Ast) hervorgerufen. ἀ(ν)- war im Griechischen wie in den übrigen idg. Sprachen anfänglich nur in Verbaladjektiven und Bahuvrihibildungen zu Hause. Frisk Adj. priv. 4ff., 44ff., Subst. priv. 8ff., Wackernagel Syntax 2, 284ff., 1, 282f., Puhvel Lang. 29, 14ff. — Über pleonastisches ἀ(ν)- s. zu ἀβέλτερος. Gr. ἀ(ν)- findet sich in den meisten idg. Sprachen wieder, z. B. aind. a(n)-, lat. in-, germ., z. B. got. un-, idg. *n̥-. Damit ablautend die Satznegation *nĕ in lat. ne-scio, ne-fas usw., gr. viell. νέποδες (s. d.) und νηλεής (s. ἔλεος). Mehrere Bildungen können altererbt sein, wie ἄν-υδρ-ος = aind. an-udr-á-, ἄγνωτος = aind. ájñāta-, lat. ignōtus. — Seltene Nebenformen von ἀν- sind ν- (ν-ήνεμος, ν-ωδός, vgl. νηλεής oben) und ἀνα-, s. Schwyzer 431f. Fragliche Ablautspekulationen bei Gray Language 1, 119ff.; dazu Nehring Glotta 16, 248. I-1
ἁ- kopulatives Präfix (α ἁθροιστικόν); durch Hauchdissimilation und Psilose auch ἀ-, das analogisch weiterwuchern konnte: ἅπαξ, ἁπλοῦς; ἄλοχος, ἀδελφός; ἄπεδος ‘eben’, ἄβιος ‘reich’. — Identisch mit aind. sa- (sá-nāman- ‘mit demselben Namen, gleichnamig’), lat. sem-, sim- (sim-plex), idg. *sm̥-, schwache Ablautform von *sem in aind. sám ‘zusammen’, lat. sem-el usw., s. εἷς; vgl. auch ὁμός, ἅμα. — Aus der Bedeutung ‘zusammen, mit etw. versehen’ erwuchs wahrscheinlich das sog. α ἐπιτατικόν (intensivum), z. B. ἄ-εδνον· πολύφερνον Hes., vgl. s. v. ἐν. Das Präfix ἀ- ist nicht immer vom prothetischen ἀ- oder von ἀ- in zweisilbigen Wurzeln zu trennen (vgl. ἀμέλγω, ἀνήρ, ἄημι). Schwyzer 433 und 411f., außerdem noch Sturtevant Language 15, 148ff. (zweifelhaft). I-1
ἀ- in kleinasiatischen Namen, z. B. Ἄθυμβρα: Θύμβρα. — Kretschmer ist geneigt, nach dem Vorgang Forrers darin ein (chattisches?) Artikel-Präfix zu sehen; Glotta 21, 86ff., 22, 108 A. 3, 24, 218f., 32, 182f., 200ff. — Über eine ähnliche Erscheinung im Illyrischen (’Απενέσται: Penestae usw.) Krahe IF 57, 126f. I-1
ἆ Interjektion (seit Il.), — elementare Bildung, vgl. Loewe KZ 54, 103ff., Björck Alpha impurum 152. Davon ἄζω ‘seufzen, stöhnen’. Schwyzer 716. I-1
ἀάατος ep. Wort unsicherer Bedeutung: νῠν μοι ὄμοσσον ἀ. Στυγὸς ὕδωρ Ξ 271 (‘unverletzlich’?), ἄεθλος ἀ. φ 91, χ 5 (‘untrüglich’?), κάρτος ἀ. A. R. 2, 77 (‘unüberwindlich’?). — Schon wegen der unklaren Bed. ist die Herkunft nicht sicher zu ermitteln. Gewöhnlich zu ἄτη gezogen; s. d. und ἀάω. Vgl. ἀάβακτοι· ἀβλαβεῖς H.? I-2
ἄαδα · ἔνδεια. Λάκωνες H. s. ἅδην. — ἀαδεῖν· ἀπορεῖσθαι, ἀσιτεῖν H. s. ἅδην; — im Sinn von ὀχλεῖν, λυπεῖσθαι, ἀδικεῖν s. ἁνδάνω, ἡδύς. I-2
ἀάζω ‘mit offenem Munde ausatmen’ (Arist.), davon ἀασμός (Arist.). — Wohl onomatopoetisch (Schwyzer Mélanges Pedersen 73 A. 2). Anders Solmsen Unt. 284 (zu ἄημι). Vgl. ἄζω aus ἆ. I-2
ἀάνθα · εἶδος ἐνωτίου παρὰ ’Αλκμᾶνι ὡς ’Αριστοφάνης H. — Nach Schulze Q. 38 als *αὐσανθα zu οὖς, was vor allem wegen der unklaren Bildung (vgl. οἰνάνθη; oder zu ἄνθος?? Chantraine Formation 369) sehr zweifelhaft ist. Vgl. auch Bechtel Dial. 2, 366. I-2
ἄαπτος in der epischen Formel χεῖρες ἄαπτοι, χεῖρας ἀάπτους (Hom., Hes.), danach κῆτος ἄ. Opp. — Nach den Scholien zu Α 567 und nach Eustathios soll Aristophanes ἀέπτους gelesen haben, das E. entweder mit εἰπεῖν oder mit ἕπεσθαι verbinden will. Bechtel Lex. s. v., der wie Wackernagel BB 4, 283f. ἄεπτος als die ursprüngliche Lesart ansieht, deutet χ. ἀ. als ‘Hände, deren Größe man nicht aussprechen kann’; wenig überzeugend. Vgl. ἄεπτος, ἀπτοεπής. I-2
ἄατος kontr. ἆτος ‘unersättlich’ — aus *ἄ-σᾰ-τος ep. neg. Verbaladjektiv zu ἄ-μεναι ‘sättigen’, s. ἅδην und ἆσαι. Vgl. ἄητος. I-2
ἀάω ‘schaden, verletzen’, Med. ‘in Verblendung handeln’, fast ausschließlich episch; außer ἀᾶται (Τ 91 = 129) nur Aoristformen ἄασα, -άμην, kontr. ἆσα, ἀάσθην. Primäres Verb, Aor. *ἀϝᾰ́-σαι mit themat. Präsens *ἀϝᾰ́-εται > ἀᾶται, dazu noch die σκ-Bildung ἀάσκει· φθείρει, βλάπτει H., κατέβασκε· κατέβλαψεν H. Verbalnomina: ἀϝᾰ́-τη (Alk. αὐάτα) > ἄτη ‘Schaden, Schuld, Verblendung’, s. d.; ἄασις in ἀασι-φόρος· βλάβην φέρων H. Vgl. noch ἀεσίφρων und Bechtel Lex. s. v. — Unerklärt. Hypothesen bei Bq s. ἄτη und WP. 1, 211. Vgl. γατάλαι. I-2
ἄβα · τροχὸς ἢ βοή H. — Im letzteren Sinn nach Specht KZ 59, 120f. zum hom. Ipf. αὖε ‘rief’. Specht zieht ferner heran ἀβήρει· ᾄδει und ἀβέσσει· ἐπιποθεῖ, θορυβεῖ H., außerdem noch ἀβώρ (ἄβωρ cod.) im Sinn von βοή. Sehr hypothetisch. Vgl. αὐδή, ἀείδω. I-2
ἄβαγνα · ῥόδα Μακεδόνες H. — Dunkel. Gehört hierher phryg. Ἄγνις, Ὕαγνις = ϝάγνις (N. eines phryg. Athleten)? Kretschmer Glotta 3, 156f., Pisani Rev. int. ét. balk. 3, 1 (5) 25 A. 3 (mit Lit.). I-2
ἀβακής nur Akk. sg. (äol.) ἀβάκην φρένα (Sapph.) ‘ἡσύχιον καὶ πρᾷον’ (EM). Davon ἀβάκησαν δ 249 ‘ἡσύχασαν’ (?) und ἀβακιζόμενος Anakr. Vom Nomen oder vom Verbum geht aus ἀβακήμων· ἄλαλος, ἀσύνετος H., vgl. Schwyzer 522 : 2, Chantraine Formation 173. — Wegen der nicht genau festzustellenden Bedeutung bleibt die Etymologie unsicher. Falls eigentlich = ‘ἄλαλος, stumm’ empfiehlt sich die alte Herleitung aus βάζω (βέβακται, βάξις). Die Anknüpfung an βάκτρον, βέβηκα, βάκται· ἰσχυροί H. (Walker Cl. Rev. 5, 448, Bechtel Lex. 3f. mit weiterer Lit.) wird von WP. 2, 104f. mit Recht in Zweifel gezogen. I-3
ἀβάντασιν · ἀνάβασιν H. — Aus *ἀμβάντασιν dissimiliert nach v. Blumenthal Hesychst. 2; kaum überzeugend. Schmidt ändert in ἀβάντεσσιν· ἀναβᾶσιν. I-3
ἄβαξ, -κος m. ‘Brett (zum Rechnen, Zeichnen, Spielen), Tafel’ (Kratin., Arist. usw.). Dem. ἀβάκιον (Lys. usw.), ἀβακίσκος. — Herkunft unbekannt. — Die Herleitung aus hebr. ’ābāq ‘Staub’ (s. Lewy Fremdw. 173) über ‘*mit Staub bestreute Zeichentafel’ ist semantisch willkürlich. Lat. LW abacus. I-3
ἀβαριστάν · γυναικιζομένην, καθαιρομένην καταμηνίοις. Κύπριοι H. — Unwahrscheinliche Hypothese von Schrijnen BSL 32, 57. I-3
ἀβαρύ · ὀρίγανον <τὸ ἐν> Μακεδονίᾳ H. — Vielleicht mit ἀμάρακον irgendwie zusammenhängend; s. d. W. mit Lit. I-3
ἄβεις · ἔχεις H. — Nach Bonfante RIGI 19, 167f. illyrisch mit β aus idg. gu̯h wie in νίβα· χιόνα. Krahe IF 58, 133 erwägt daneben Lautsubstitution von gr. φ durch illyr. b. I-3
ἀβέλτερος, woraus ἀβελτερία, ἀβελτερεύομαι, att. Wort, ‘einfältig, dumm’. — Wahrscheinlich mit pleonastischem Privativpräfix für βέλτερος ursprünglich ‘sittlich gut’, dann herabsetzend ‘gutmütig, schlicht, einfältig’, Wackernagel GGN 1902, 745ff.; vgl. Fraenkel Glotta 20, 94. Kaum mit Benfey Wurzellex. 1, 321, Osthoff IF 6, 6f., Seiler Steigerungsformen 93 als Bahuvrihi ‘ohne das Bessere’. Wieder anders Osthoff MU 6, 177, Hatzidakis Glotta 11, 175f. I-3
ἀβήρ · οἴκημα στοὰς ἔχον, ταμεῖον. Λάκωνες H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 2f. illyrisch (zu idg. bher- ‘tragen’), was von Kretschmer Glotta 20, 249 mit Recht abgelehnt wird. Wohl einfach mit ἀ(ϝ)ήρ ‘Luft’ identisch, vgl. schwed. vind 1. ‘Wind’ 2. ‘Boden’, Frisk Eranos 32, 54. I-3
ἄβιν · ἐλάτην, οἱ δὲ πεύκην H. — Zu lat. abies, s. W.-Hofmann. Nach Mayer KZ 66, 96f. aus idg. *ab- ‘Baum’, das in einer Reihe illyrischer und skythischer (iranischer) Namen wie Ἄβαι, Ἄβροι, ’Αβική = ‘Υλαία (St. Byz.) erhalten sein soll. I-3
ἀβλαδέως · ἡδέως H. — Wohl mit Vokalvorschlag zu βλαδύς und weiterhin zu ἀμαλδύνω, μέλδομαι. Näheres bei Winter Prothet. Vokal 31f. I-3
ἀβληχρός ‘schwach’, bei Homer immer im Versanfang, später auch im Versinnern (A. R. 2, 205), vereinzelt auch in der Prosa. Bei Nik. Th. 885 ἀβληχρής. — Sonst βληχρός, s. d. Das anlautende ("prothetische") ἀ- ist dunkel, vgl. Wackernagel Glotta 2, 1ff., Winter Prothet. Vokal 31. — Leumann Hom. Wörter 55, 340 betrachtet ἀβληχρός als die ursprüngliche Form, woraus βληχρός durch Verschiebung der Wortfuge entstanden wäre. I-4
ἀβλοπές · ἀβλαβές. Κρῆτες H. Dazu in kret. Inschr. ἀβλοπια (Vaxos) und καταβλαπεσθαι (Gortyn). — Zu βλάπτω, βλάβη, s. d. Das Schwanken von π ~ β ist wegen der unsicheren Etymologie nicht sicher zu deuten, vgl. Fraenkel Glotta 2, 36f. Abzulehnen v. Blumenthal Hesychst. 25. I-4
ἀβολεῖς · περιβολαὶ ὑπὸ Σικελῶν H. — Wohl zu ἀβόλλης (s. d.) durch Volksetymologie. Unwahrscheinlich v. Blumenthal Hesychst. 2: aus *ἀμφιβολεῖς mit Silbendissimilation, Assimilation und Vereinfachung der Doppelkonsonanz. I-4
ἀβολέω hellen. Epik (A. R., Kall.) = ἀντιβολέω. ἀβολῆσαι · ἀπαντῆσαι H. Davon ἀβολητύς ‘Begegnung’, -ήτωρ ‘der begegnet’ (Antim.). — Prellwitz Glotta 19, 126 vergleicht ἤβολον ἦμαρ· καθ’ ὅ ἀπαντῶσιν εἰς ταὐτόν, ἢ εὔκαιρον, ἱερόν H., das nach ihm ein Präfix ἠ- < idg. ā- enthalten soll. Wie ἀ- in ἀβολέω zu erklären ist, erfährt man nicht (nach Schwyzer 433 copulativum). I-4
ἀβόλλης ‘Art Mantel’ (Kaiserzeit). — Wird allgemein und wohl richtig als LW aus lat. abolla (seit Varro) erklärt, s. W.-Hofmann s. v. Gegen diese Annahme könnte allerdings die maskuline Form von ἀβόλλης sprechen, die aus dem fem. abolla nicht ohne weiteres verständlich ist, während gr. Maskulina auf -ης im Lat. in Feminina auf -a übergehen, Wackernagel Syntax 2, 44. Jedenfalls wohl urspr. sizilisch; vgl. ἀβολεῖς. I-4
ἀβριστήν · μαστιγίαν H. — Winter Prothet. Vokal 31 erwägt Anschluß an μήρινθος, μέρμις ‘Seil’ usw., was sowohl wegen der unerklärten Bildungsweise wie wegen der Bedeutung zweifelhaft scheint. I-4
ἁβρός ‘zart, weichlich’ alt, vorw. poetisch. Fem. ἅβρα ‘Lieblingszofe’ hell. u. spät (nach Lewy Fremdw. 68 u. anderen aus aram. ḥabrā ‘Genossin’). Abl.: ἁβρότης, ἁβροσύνη; denom. ἁβρύνομαι, -ω ‘weichlich leben, großtun, sich brüsten’, bzw. ‘weichlich behandeln’. — Von L. Meyer 1, 614, Debrunner GGA 1910, 9, Schwyzer 481 zu ἥβη (eig. ‘in Jugendkraft strotzend’) gezogen. Hypothetisch. I-4
ἀβροτάζω ‘jn. verfehlen’ nur Konj. Aor. ἀβροτάξομεν Κ 65. Abl. ἀβρόταξις H., Eust. — Vielleicht nur metrisch bedingte Umbildung von *ἀβροτῶμεν (Schwyzer Mél. Pedersen 70). S. ἁμαρτάνω. Zu -βρ- für -μβρ- s. Schwyzer 277. I-5
ἀβρότονον (ἁ-) (Thphr., Nik. usw.). n. ‘Stabwurz’ — Herkunft unbekannt; wohl (volksetymologisch umgeformtes) LW. Abzulehnen Hoffmann Die Makedonen 40f. m. A. 7. I-5
ἀβρυτοί · ἐχίνων θαλασσίων εἶδος H. Daneben ἄμβρυττοι· εἶδος ἐχίνων θαλασσίων und die kürzeren Formen βρύττος (Ar.) und βρύσσος (Arist.). — Kühne Vermutungen bei Winter Prothet. Vokal 30: zu μορμύρος N. eines Meerfisches und fernerhin zu βρύχιος ‘tief’ (?). I-5
ἀβυδόν · βαθύ H. — v. Blumenthal IF 49, 175 erwägt illyrische Herkunft (= ‘grundlos’, zu βυθός). I-5
ἀβυρτάκη f. N. einer Sauce, ‘ὑπότριμμα βαρβαρικόν’ (Kom.). — Herk. unbekannt. I-5
ἀγα- verstärkendes Präfix, vorwiegend in älterer Sprache, z. B. ἀγα-κλεής ‘mit großem Ruhm’. — Zur Funktion stimmt völlig das lautlich anklingende aw. aš-, z. B. aš-aoǰah- ‘mit großer Stärke’. Schwyzer KZ 58, 184 erwägt, -α nur als "phonetische Stütze" zu betrachten. Gewöhnlich wird ἀγα- mit μέγα verbunden; die dabei vorauszusetzende Grundform idg. *m̥ĝ(a)- ist wenig erfreulich. Mit ἀγα- verwandt ist ἄγᾱν ‘zu sehr’, viell. Akk. eines verschollenen Nomens; zum unklaren -ᾱ- s. zuletzt Björck Alpha impurum 44f. Davon ἀγάζειν in μηδὲν ἀγάζειν A. Supp. 1061 (: μηδὲν ἄγαν). — Ob ἄγαμαι ‘sich wundern’, auch ‘beneiden, entrüstet sein’ zu ἄγα- gehört, ist etw. unsicher. Es sieht jedenfalls aus wie ein primäres Verb auf zweisilbiger Wurzel, vgl. Schwyzer 680. Thematische Umbildung in ἀγάομαι (Hes., Alkm.), daneben ἀγαίομαι (ep. ion., Neubildung nach ἔνασσα : ναίω usw., Risch 284), ἀγάζομαι (Pind.). Aor. ἀγάσ(σ)ασθαι usw. Nominale Ableitungen: ἄγη ‘Verwunderung, Neid’ (Hom. usw.), ἀγάσματα (S. Fr. 885, vgl. Nauck z. St.), ἄγασ(σ)ις H., EM. — Vgl. ἀγάλλομαι, ἀγανακτέω, ἀγαυός. I-5
ἀγαθίς, -ίδος f. ‘Knäuel’, selten (Pherekyd. u. a.). — Etym. unbekannt. Hypothetisch Grošelj Živa Ant. 2, 65. Ältere Lit. bei Bq. Vgl. unter ἀγαθός. I-5
ἀγαθός ‘gut, tüchtig, trefflich’ im weitesten Sinn von Personen und Sachen, allgemein seit Hom. — Unerklärt. Seit Legerlotz KZ 8, 416 (zuletzt Bartoli Arch. glottol. it. 32, 97ff.) vergleicht man oft die germ. Sippe got. goþs, nhd. gut, mnd. gaden ‘passen’ usw., ferner (Bezzenberger BB 13, 243) aksl. godъ ‘(rechte) Zeit’, goditi ‘gefallen’ und — in der Annahme einer ursprünglichen Bed. ‘umklammern, festhalten’ — aind. gádhya- ‘was festzuhalten ist’ usw. (wozu ferner auch ἀγαθίς ‘Knäuel’ aus *sm̥-ghadhi-); alles höchst unsicher. — Eine Grundform *ghadh- hätte eigentlich zu ἀ-καθός führen müssen, einer Form die tatsächlich in ἀκαθόν· ἀγαθόν H. vorliegt. Das -γ- wäre nach Güntert BphW 37, 263 sekundär nach ἀγα- eingetreten. Nach Specht Ursprung 256 und Havers Sprachtabu 56 ist die ten. aspirata θ durch Gefühlsbetonung verursacht (?). Weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 531ff., 834. S. auch χάσιος. Von ἀγαθός werden in älterer Zeit keine Ableitungen gebildet. Erst seit dem Hellenismus (namentlich in der Septuaginta) erscheinen ἀγαθότης, ἀγαθωσύνη; ἀγαθόω mit ἀγάθωμα, ἀγαθύνω mit ἀγάθυνσις (früher dafür ἀρετή, ἀνδρεία usw.). Auch die Zusammensetzungen sind fast ausnahmslos spät (früher und allg. εὐ-). I-5-6
ἀγάλλομαι ‘stolz sein, sich freuen’ (seit Hom.), daneben ἀγάλλω ‘verherrlichen’ (Pi. usw.). Abl. ἄγαλμα eig. ‘πᾶν ἐφ’ ᾧ τις ἀγάλλεται’ (Schol. Ar. Th. 773) ‘Stolz, Schmuck, (Götter)statue’, vgl. Wilamowitz zu Eur. Her. 49, Porzig Satzinhalte 241; — in malam partem ἀγαλμός· λοιδορία H., vgl. u. ἀγαλλιάζει. — Für ἀγάλλομαι, -ω erscheint in späterer Sprache ἀγαλλιάομαι, -ιάω nach den Verben auf -ιάω (Schwyzer 732); davon ἀγαλλίασις, -ίαμα. Von ἀγαλλιάομαι ferner ἀγαλλιάζει· λοιδορεῖται H., vgl. zur Bildung Schwyzer 734, Mél. Pedersen 63ff.; daneben ἀγάλλιος· λοίδορος H. — Ob auch der Pflanzenname ἀγαλλίς (h. Cer., Nik.) zu ἀγάλλομαι gehört, sei dahingestellt; vgl. ἀναγαλλίς. ἀγάλλομαι sieht wie ein Denominativum von *ἀγαλός aus (Schwyzer 725); weitere Anknüpfungen (ἀγα- ?, μεγαλο- ??) zweifelhaft. Vielleicht ist ἀγανός (mit Stammwechsel λ ~ ν) verwandt. I-6
ἀγάλοχον n. ‘bitteres Aloeholz’ (Dsk. usw.). — Orientalisches LW, nähere Herkunft unbekannt. Vgl. Schrader-Nehring Reallex. 39f. I-6
’Αγαμέμνων, att. Vasen ’Αγαμέσμων, auch ’Αγαμέμμων, -μέν(ν)ων (Nachmanson Glotta 4, 246). PN — Nach Prellwitz BB 17, 171f. aus *Αγα-μέδμων ‘mächtig waltend’; s. noch Stolz Innsbrucker Festgruß 13ff. Kretschmer Glotta 3, 330f. zieht dagegen mit Curtius 311 das Hinterglied zu μένος und μένειν, indem er die Form mit -σμ- durch eine Art vulgärer Assimilation zu erklären sucht. S. auch Fiesel Namen 65ff. I-6
ἀγανακτέω ‘aufgeregt, entrüstet sein’, att. und spät; davon ἀγανάκτησις ‘Entrüstung’ — Nicht sicher erklärt. Vielleicht expressive Bildung auf -ακτέω wie ὑλακτέω (: ὑλάω) zu *ἀγανάω (vgl. ἀγάνημαι· ἀσχάλλω, ἀγανακτῶ H.) und weiterhin zu ἀγάομαι, ἄγαμαι (ἰσχανάω : ἴσχω usw.) im Sinn von ‘sich entrüsten’. Frisk Eranos 50, 8ff. I-6-7
ἀγά-ννιφος, -ον ‘mit vielem Schnee’, — dichterisches Kompositum äolischen Ursprungs. Vom Wurzelnomen νίφ- ‘Schnee’, in νίφ-α Akk. sg., s. νείφει. Zur Bildung des Hinterglieds s. Sommer Nominalkomp.64. I-7
ἀγανός ‘mild, sanft’, poet. (Il. usw.) und spät. — Ohne Etymologie. Die Anknüpfung an ἄγαμαι ist semantisch unbefriedigend. Anschluß an γάνος n. ‘Glanz’ (Bechtel Lex. nach Döderlein) erklärt u. a. das ἀ- nicht. S. auch ἀγάλλομαι. I-7
ἀγαπάω ‘gastlich aufnehmen, gern haben, lieben’ (seit Il.), erweiterte Form ἀγαπάζω (ep. u. lyr.). Daraus als retrograde Bildung ἀγάπη ‘(christliche) Liebe’ (spät, vor allem LXX und NT). Sonstige Ableitungen ἀγάπησις (Arist. usw.), ἀγαπησμός (Men.), ἀγάπημα (Kaiserzeit). — Dunkel. Anknüpfung an ἀγα- erklärt weder Bedeutung noch Bildung (Hinterglied zu πάομαι nach Prellwitz; dagegen u. a. Lagercrantz KZ 34, 383). I-7
ἀγαρικόν N. verschiedener Pilze (Dsk. u. a.), — nach dem ON. ’Αγαρία (Sarmatien). Strömberg Pflanzennamen 122. I-7
ἀγαυός etwa ‘verehrungswürdig, edel’, ep. und poet., späte Prosa, bei Homer immer von Königen und Herren. — Nach Schwyzer IF 30, 430ff. (gegen Schulze Q. 64) äolisch = ἀγα-ϝός; viell. zu ἄγαμαι. Anders Curtius 172, Solmsen KZ 29, 111. I-7
ἀγαυρός Epithet unsicherer Bed. (‘stolz’?, ‘verehrungswürdig’?), vereinzelt bei Hes., Hdt. u. a. — Umbildung von ἀγαυός nach γαῦρος. I-7
ἄγγαρος ‘reitender persischer Eilbote’ (X., Theopomp. Hist. usw.), vereinzelt auch als Adjektiv, z. B. ἄγγαρον πῦρ ‘Signalfeuer’ (A. Ag. 282). m. Ableitungen: ἀγγαρήϊος = ἄγγαρος (Hdt.), Subst. ἀγγαρήϊον ‘die Einrichtung der ἄγγαροι’ (Hdt. 8, 98, wo die Einrichtung beschrieben wird). Denominatives Verb ἀγγαρεύω ‘zur Frone (für den Beförderungsdienst) heranziehen’ (Ev. Matt., Pap., Inschr.); davon ἀγγαρευτής ‘zur Frone Herangezogener’ (Pap. VIp) und ἀγγαρεία ‘Fronleistung (für den Beförderungsdienst)’ (Pap., Inschr., vgl. Preisigke Fachwörter s. v.), pl. ἀγγαρεῖαι ‘cursus publicus’ (Inschr. IIIp); auf ἀγγαρεία bezogen ἀγγαρικός (Pap.). — Hellenist. und späte Nebenformen ἐγγαρεύω, -έω, -ία, wohl nach dem Präfix ἐν-, s. Ernault-Hatzfeld Rev. ét. anc. 14, 279ff. — Zunächst aus persischer Quelle, aber letzter Hand (ebenso wie die Institution) wahrsch. babylonisch (aus agru ‘Mietling’, s. Jensen bei Horn Grdz. d. Neupers. Etym. 28 und 254). Zur Sache Rostowzew Klio 6, 249ff., vgl. noch W.-Hofmann s. angarius. I-7-8
ἄγγελος m ‘Bote, Gesandter’ (seit Il.). Denominatives Verb ἀγγέλλω ‘Botschaft bringen, melden’, Nominalabstraktum ἀγγελία ‘Botschaft’. Hom. ἀγγελίης m. ‘Bote’ wurde wahrscheinlich von einem epischen Dichter durch falsche Interpretation des Genetivs (τῆς) ἀγγελίης geschaffen, s. Leumann Hom. Wörter 168ff. Danach ἡ ἀγγελίη im Sinn von ‘Botin’ bei Hes. Th. 781. Andere Ableitungen: von ἀγγελία : ἀγγελιώτης, -ῶτις ‘Bote, -in’ (poet. u. selten seit h. Merc. 296); von ἄγγελος : ἀγγελικός ‘zum Boten gehörig, engelhaft’ (spät); von ἀγγέλλω : ἄγγελμα ‘Meldung’ (E., Th. u. a.), ἀγγελτικός ‘meldend’ (spät), ἀγγέλτειρα ‘Botin’ (Orph. H. 78, 3; nicht ganz sicher). — Die frühere Zusammenstellung mit aind. áṅgiras-, N. mythischer Wesen, beruhte auf der Ansicht, daß diese Vermittler zwischen Göttern und Menschen wären. Da das ganz unsicher ist, bleibt diese Etymologie sehr fraglich. Vermutlich ist ἄγγελος auf unbekannten Wegen aus dem Orient eingedrungen. Vgl. ἄγγαρος. I-8
ἄγγος n. ‘Gefäß’ seit Hom., vorw. poetisch; davon ἀγγεῖον, das mit der Zeit das Grundwort, namentlich aus der Prosa, verdrängt. Dem. ἀγγίδιον (Thphr. usw., falsch -είδιον). Zur Bedeutung vgl. Brommer Hermes 77, 356 . — Unerklärt, viell. Mittelmeerwort (Chantraine Formation 418). Die Versuche, ἄγγος aus dem Indogermanischen zu erklären (s. Bq, WP. 1, 38; 60, Pok. 46f.), haben zu keinen sicheren Ergebnissen geführt. I-8
ἄγγουρα · ῥάξ, σταφυλή H. — Mit unerklärtem Nasaleinschub (wie in ngr. kret. ἄγγουρος ‘jung, Jüngling’, ἀγγούρι ‘Gurke’) und sekundärem spirantischem Übergangslaut zu ἄ-ωρος ‘unreif, grün’; vgl. ngr. ἄγωρος, ἄγουρος ‘unreif, grün, Jüngling’, ἀγουρίδα ‘unreife Traube’ usw. Aus dem Mittel- und Neugriechischen stammen mpers. angūr ‘Weintraube’, ägypt.-arab. ag ́g ́ūr ‘Gurke’. Kretschmer Glotta 20, 239f. — Ob ἄγγουρος· εἶδος πλακοῦντος H. (daneben γοῦρος ‘Kuchenart’ Sol.) damit etwas zu tun hat, sei dahingestellt. Zum letztgenannten Wort vgl. Winter Prothet. Vokal 46. I-8
ἀγείρω ‘versammeln’ (seit Homer). Mehrere Ableitungen, vor allem ἀγορά, s. d. W.; mit demselben Ablaut ἄγορος ‘Versammlung’ (E. in lyr.). Die übrigen Bildungen enthalten in weitem Umfang die Schwundstufe ἀγυρ-; darüber Schwyzer 351. So ἄγυρις ‘Versammlung, Menge’ (Il. usw.) mit der geläufigen Zusammensetzung πανήγυρις ‘Allversammlung, große (Fest)versammlung’, woraus weiterhin πανηγυρίζω, -ισμός, -ικός. Arkad. dafür πανάγορσις, παναγορία. — ἀγύρτης ‘Bettler’ mit den Denom. ἀγυρτάζω (Od. usw.) und ἀγυρτεύω (Str.), wovon ἀγυρτεία; mit dem Adj. ἀγυρτικός (Str., Plu. u. a.). — ἀγυρτήρ ‘Bettler’ mit ἀγύρτρια ‘Bettlerin’ (A. Ag. 1273). — ἀγυρμός und ἄγυρμα. Die Bildungen auf ἀγερ- haben die Verbindung mit dem Verbum besser gewahrt: ἄγερσις ‘das Versammeln, Mustern des Heeres’ (Hdt.), ἀγερμός ‘das Sammeln von Geld, Truppen usw.’ (Inschr., Arist.), ἀγερμοσύνη (Opp.), ἀγέρτας ‘Einkassierer’ (IG 14, 423 I 35; Taurom.). — Endlich findet sich ἄγαρ- in ἄγαρρις ‘Zusammenkunft’ (IG 14, 759, 12; Neapel). Auch ἄγορρις· ἀγορά, ἄθροισις H. kann, falls äolisch, dieselbe Stufe vertreten; vgl. Chantraine Formation 280. — ἀγείρω hat keine direkten Entsprechungen in anderen Sprachen. Es wird gewöhnlich und wohl mit Recht zu γέργερα· πολλά H., τὰ γάργαρα ‘Gewimmel, Haufe’ (s.d.) gezogen, wobei ἀ- verschieden beurteilt worden ist, vgl. Schwyzer 433 A. 5, WP. 1, 590, Winter Prothet. Vokal 14 — Eine mit -θ- erweiterte Form liegt in ep. ἠγερέθονται, -το, -θεσθαι vor; vgl. zur Bildung Schwyzer 703 A. 1 m. Lit. Die einmaligen Formen ἠγερέθονται (Γ 231) und ἠγερέθεσθαι (Κ 127 nach Aristarch) haben aus metrischen Rücksichten ihren gedehnten Anlaut aus dem gewöhnlichen ἠγερέθοντο bezogen; s. Schulze Q. 149, Wackernagel Dehnungsgesetz 38, Chantraine Gramm. homérique 98, 328. I-8-9
ἀγέλη ‘Herde, Schar’ seit Hom., in älterer Zeit vorwiegend poetisch, mit dem Adj. ἀγελαῖος ‘zur Herde gehörig’ (seit Hom.), dem Adverb ἀγεληδόν· ‘nach Herdenart’ (Il. u. a.), dem Subst. ἀγελάτας ‘Führer einer ἀγέλα von Knaben’ (Herakleid. Hist.), dem Verbum ἀγελάζομαι ‘sich versammeln’ (Arist.); vom letztgenannten die später belegten ἀγελαστικός ‘gregarius’ und ἀγέλασμα. Selten und spät ἀγελικός, ἀγελίζω, ἀγελισμός. — Isolierte Abzweigung von ἄγω, s. d. Ein l-Suffix tritt auch auf in lat. agilis (und aind. ajirá- ?) ‘beweglich, rasch’, agolum ‘Hirtenstab’, s. W.-Hofmann s. vv. m. Lit. I-9
ἀγέρδα (cod. -αα) · ἄπιος, ὄγχνη H. — Makedonisch für ἄχερδος. Fick KZ 42, 150, Fraenkel KZ 43, 211. I-9
ἀγέρωχος ‘hochherzig’, auch ‘hochmütig, stolz’ (ep. poet., auch späte Prosa). Davon ἀγερωχία f. ‘Hochherzigkeit, Hochmut, Anmaßung’ (LXX, Plb. usw.). — Wahrscheinlich Zusammenbildung von γέρας ἔχειν (Hom. usw.) mit α copulativum. Vgl. dor. γερωχία (Ar. Lys. 980); dazu Schwyzer Glotta 12, 9 und Gramm. 218 A. 1 m. Lit. I-9
ἀγέτρια · μαῖα. Ταραντῖνοι H. — Für *ἀγρέτρια, von ἀγρέω. McKenzie Cl. Quart. 15, 48. I-9
ἀγήνωρ ep. u. poet. Epithet unbekannter Bed. (‘mannhaft, mutig’?). Davon ἀγηνορίη (Hom. usw.), wozu noch ἀγηνορέω (Nonnos). — Das Vorderglied ist mehrdeutig; man hat darin sowohl ἄγω (Hoffmann Glotta 28, 32f.) wie ἀγα- und ἄγαμαι finden wollen; s. Sommer Nominalkomp. 169f., der für Verbindung mit ἄγαμαι eintritt. — Verfehlt Kuiper MAWNied. NR. 14: 5, 207. I-10
ἀγήρατον n. Pflanzenname, ‘Origanum onites’ (Dsk.). — Eig. ‘nicht alternd’, zu γηράσκω, γῆρας. Semantische Parallelen bei Strömberg Pflanzennamen 103. I-10
’Αγησίλας, (lak. ΗΑΓΕΗΙΛΑΣ). — von ἡγέομαι. Zur Psilose Schwyzer RhM 78, 215ff. I-10
ἅγιος ‘heilig, geweiht’, fehlt bei Hom., Hes. und den Tragikern (dafür ἁγνός). Neben ἅγιος (dreisilbig) steht seit Homer ἅζομαι (< *ἅγι̯ομαι) ‘verehren’ mit einer verschiedenen, durch die Wortlänge bedingten Lautentwicklung. Von ἅγιος ferner die späten Nomina ἁγιότης und ἁγιωσύνη (LXX u. a.), die Verba ἁγίζω ‘weihen, heiligen’ (Pi., S. u. a.) und ἁγιάζω (LXX usw.) mit den Nomina ἁγισμός ‘Totenopfer’ (D. S.), ἁγιασμός ‘Heiligung’ (LXX, NT), ἁγίασμα ‘Heiligung, Heiligtum’ (LXX); ἁγιστήριον ‘Weihkessel’ (Inscr. Perg. 255, 9), ἁγιαστήριον ‘Heiligtum’ (LXX) und ἁγιστύς ‘Zeremonie’ (Kall.). — Eine nominale Erweiterung auf -στ- (ἁγιστός nur Et. Gud. s. v. ἁγιστεία) wird auch vorausgesetzt von ἁγιστεύω ‘heilig, rein sein; heilig halten, weihen’ (Pl., E. usw.) mit den Ableitungen ἁγίστευμα ‘Heiligtum’ (Prokop.) und ἁγιστεία ‘Weihe, Heilighaltung’ (Isok. usw.). — Etymologisch nicht sicher erklärt. Die herkömmliche Zusammenstellung mit aind. yájati ‘durch Opfer und Gebete verehren’ läßt sich weder beweisen noch strikt widerlegen; das Gerundivum yájya-, formal = ἅγιος, findet sich nur bei dem Grammatiker Vopadeva (Debrunner GGA 1910, 9). Der Vergleich mit lat. sacer (Meillet BSL 21, 126f.), der einen Auslautwechsel k : g voraussetzt, ist kaum vorzuziehen. — Zur Bedeutung s. Williger Hagios. Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten 19 : 1 (1922), Nilsson Geschichte d. griech. Rel. 1, 61ff. (ἅγιος, ἁγνός, ἱερός), Roloff Glotta 32, 114ff. mit weiterer Lit. I-10
ἀγκ- — Stamm einer weitverzweigten Wortsippe, die im Griechischen wie in anderen idg. Sprachen durch zahlreiche Nomina vertreten ist. Das Aind. hat das primäre Verbum áñcati ‘biegen, krümmen’ (idg. *ánq-eti). — Neben ἀγκ- steht mit abweichendem Vokalismus ὄγκος. Zum Ablaut a : o vgl. außer Schwyzer 340 die Lit. zu ἅγω : ὄγμος. Die Bildungen ordnen sich am besten nach den verschiedenen Suffixen. Mit l-Suffix: ἀγκάλη f., gew. pl. ‘gekrümmter Arm, Armvoll’ (Archil., A. usw.). Demin. ἀγκαλίς, gew. -ίδες (Il. usw.), im Epos aus metrischen Rücksichten dem Grundwort vorgezogen. Die Lesung ἄγκαλον (Akk. sg.) ‘Armvoll, Bündel’ h. Merc. 82 ist nicht ganz sicher. — Von ἀγκάλη das Denominativum ἀγκαλίζομαι ‘auf die Arme nehmen’ (Semon. usw.) mit den Nomina actionis ἀγκάλισμα (Tim. Pers.), ἀγκαλισμός (Pap.). ἀγκύλος ‘gebogen, krumm’ (Il. usw.) mit den Denominativen ἀγκύλλω ‘zurückbiegen’ (Aret.) und ἀγκυλόω ‘biegen’ (Ar. u. a.); aus diesem ἀγκύλωμα ‘Schlinge’ (Gal.), -ωσις mediz. Terminus, Bez. krampfhafter od. gelähmter Zustände (Gal. u. a.). ἀγκύλη ‘Riemen, Schlinge (am Wurfspieß), Haken, Türangel usw.’ (B., Hp., S., E. usw.). Abl. ἀγκυλητός ‘mit ἀγκ. versehen’ (A.), ἀγκυλίς f. ‘Haken’ (Opp.) mit ἀγκυλιδωτός ‘mit Schlinge versehen’ (Hp. ap. Gal.), ἀγκύλιον ‘Schlinge’ usw. (Mediz.). — Zum υ-Formans vgl. ἄγκυρα unten, außerdem aind. aṅku-śá- ‘Haken’, aṅku-ra- ‘junger Sproß’ (Bed. wie awno. ōll ‘Keim’); zum l-Suffix noch ahd. angul ‘Fischhaken, Angel’, awno. ōl f. ‘Riemen’ (kann mit ἀγκύλη sogar identisch sein), ōll ‘Keim’ und mehrere andere germ. Wörter. — Eine l-Ableitung ohne vermittelnden Vokal liegt in ἀγκλόν· σκολιόν H. (richtig überliefert?) vor. Mit n-Suffix: ἀγκών, -ῶνος m. ‘Ellbogen’, Dat. pl. ἀγκάσι (Opp., Strat.), vgl. ἀγκάς unten, auch von mehreren hervorspringenden Gegenständen (seit Il.). Späte Deminutiva: ἀγκώνιον, -ίσκος, -ίσκιον. Denominativum ἀγκωνίζω ‘sich auf den Ellbogen lehnen’ (Com. Adesp., Gloss.) mit ἀγκωνισμός (Eust.). Femininbildung ἄγκοιναι ‘Arme’ (Hom. u. a.). — Mit alter e-Abtönung im Suffix ἐπ-ηγκενίδες pl. Benennung eines Schiffsteiles, s. Bechtel Lex. s. v. — Zum Nebeneinander der l- und n-Suffixe vgl. z. B. lat. umbō, -ōnis neben ὀμφαλός, umbilīcus. Mit r-Suffix: ἄγκῡρα ‘Anker’ (Alk. usw.) mit spärlich belegten Ableitungen wie ἀγκυρωτός ‘ankergeförmt’ (Ph. Bel.), ἀγκύριον (Ph. Bel. usw.), ἀγκυρίζω ‘jm. ein Bein stellen’ (im Ringkampf; alte Kom.). LW lat. ancora, vgl. Devoto Scientia 16, 32. Mit s-Suffix: ἄγκος n. ‘Bergschlucht, Felsental’ (Il. usw., selten), formal = aind. áṅkas- n. ‘Biegung, Krümmung’ (RV 4, 40, 4). Zum Kompositum μισγάγκεια Sommer Nominalkomp. 174f. m. Lit. Mit tro-Suffix: ἄγκιστρον ‘(Angel)haken’ (Od. usw.); Bildung unklar, s. Chantraine Formation 333f., Schwyzer 532, Specht Ursprung 142. Vereinzelt vorkommende Abl. ἀγκίστριον, ἀγκιστρεύω mit ἀγκιστρευτικός und ἀγκιστρεία. Mit ā-Suffix?: ἀγκάς· ἀγκάλας H. Wahrscheinlich durch Mißverständnis von Ψ 711 entstanden, Bechtel Lex. 7; vgl. unten. Zwei Adverbia: ἄγκαθεν ‘in die Arme (nehmend), auf den Ellbogen (gestützt)’ (A., vgl. Lejeune Les adverbes grecs en -θεν 323f.), und ἀγκάς ‘in die Arme’ (Hom., Theok., A. R.), davon ἀγκάζομαι ‘auf die Arme nehmen’ (Il. u. a.). Da ἀγκάς außer Ψ 711 nur vor Vokal erscheint, hat man darin entweder einen elidierten Dat. pl. mit Schwundstufe von ἀγκών (ἀγκάσι wie φρασί) oder eine elidierte Form von *ἀγκάσε sehen wollen. Bechtel Lex. 7, Schwyzer 631 A. 5. I-11-12
ἀγλαός formelhaftes Epithet, fast ausschließlich episch und lyrisch, etwa ‘glänzend, herrlich, stattlich’ od. ä. (Die kretische und kyprische Glosse ἀγλαόν· γλαφυρόν ist nach Leumann Hom. Wörter 272 A. 18 durch Mißverständnis einiger Homerstellen entstanden). Nominale Ableitung ἀγλαΐα ‘Pracht, Glanz’ (Il. usw., auch PN; zur Bed. vgl. Porzig Satzinhalte 208f.), denom. Verb ἀγλαΐζω ‘schmücken’, gew. Med. ‘glänzen, sich ergötzen’. Wohl als *ἀγλαϝός zu verstehen. — Wird gewöhnlich zu γαλήνη usw. gezogen; näheres bei Bechtel Lex., Winter Prothet. Vokal 14. Vgl. ἀγανός, ἀγαυός. I-12
Ἄγλαυρος Tochter des Kekrops, eine der Pflegerinnen des Erichthonios, eig. ‘die klares Wasser hat’, — von ἀγλαός und einem Wort für ‘Wasser’, das u. a. in ἄναυρος ‘wasserlos’ (s. d.) enthalten ist. E. Maaß Ath. Mitt. 35, 337ff., Kretschmer Glotta 4, 346. Vgl. Usener Götternamen I35ff., Nilsson Gr. Rel. 1, 294; 414. — Das bei Nik. Th. 62, 441 vorkommende Adj. ἄγλαυρος = ἀγλαός scheint durch eine willkürliche dichterische Umdeutung des PN entstanden zu sein. I-12
ἄγλῑς, -ιθος f. ‘Knoblauchkopf’ (Ar., Hp. usw.), Davon, mit suffixalem -ίδιον, ἀγλίδια· σκόροδα H. — wahrscheinlich mit γέλγις (s. d.) verwandt. Verfehlt Specht Ursprung 255. S. auch Winter Prothet. Vokal 14. I-12
ἀγλύεσθαι · βλάπτεσθαι H. — Nach v. Blumenthal IF 49, 176 hylläisch oder vielmehr messapisch, zu got. agls ‘schimpflich’ usw. (?). I-12
ἁγνός (Od. usw., vorw. poetisch) ‘heilig, rein’; zur Bedeutung Roloff Glotta 32, 114ff. m. Lit. Nominale Abl. ἁγνότης ‘Reinheit’ (NT u. a.). Verbale Abl. 1. ἁγνεύω ‘als heilig betrachten, rein sein, reinigen’ (ion. att.), wovon ἁγνεία ‘Reinigung’, ἅγνευμα, ἁγνευτήριος, ἁγνευτικός; 2. ἁγνίζω ‘reinigen, weihen’ (poet., sp.), wovon ἅγνισμα, -ισμός, -ιστικός u. a., aber auch ἁγνίτης ‘Reiniger’ (Lyk. u. a.) mit Anschluß an die Nomina auf -ίτης, vgl. Redard Les noms grecs en -της 11. — Mit ἅγιος verwandt (s. d.) und wie dies ohne sichere genaue Entsprechung in anderen Sprachen. Aind. yajñá- ‘Gottesverehrung, Opfer’ kann formal dazu stimmen. I-13
ἄγνος f. m. Baumname, ‘Vitex agnus castus’ (h. Merc. usw.). — Ohne Etymologie. Lidén IF 18, 506 vergleicht asl. jagnędь ‘Schwarzpappel’. Über volksetymologische Deutungen und falsche Lehnübersetzungen s. Strömberg Pflanzennamen 154. Kühne Spekulationen über die Bildung bei Specht Ursprung 173. S. auch Rohlfs WB s. v. I-13
ἄγνυμι, ἄξω, ἔαξα od. ἦξα, ἔᾱγα, ἅ̆γην od. ἐᾰ́γην (zu ἐά̄γη am Versende Λ 559 s. Wackernagel Unt. 141, Chantraine Gramm. hom. 18) ‘zerbrechen’. Seit Homer; gew. im Komp. καταγνυμι mit ᾱ aus -α-ϝαγ- (s. Björck Alpha impurum 42, 147 m. Lit.). Zahlreiche Verbalnomina: ἀγή (ᾱ- sicher A. R. 1, 554; 4, 941 und Numen. ap. Ath. 7, 305a im sechsten Fuße: κύματος ἀγῇ, bzw. ἀγῆς; dagegen ἀ̄γήν, bzw. περιᾱγήν Arat. 668 und 688, ebenfalls am Versende, vielmehr zu ἄγω) ‘Bruch(stück)’ (A., E. usw.); mit Reduplikation und Ablaut ἰωγή (< *ϝι-ϝωγ-ή) ‘Schutz gegen den Wind’, falls eig. ‘das Sichbrechen’ (des Windes; ξ 533), auch im Komp. ἐπιωγαί, -ή (ε 404 usw.) aus *ἐπι-ϝιϝωγαί dissimiliert (anders Bechtel Lex. s. v.) ‘geschützter Ort, wo sich Wind und Wogen brechen’. — ἀγμός m. ‘Bruch, steiler Abhang’ (Hp., E.), ἄγμα ‘Bruch(stück)’ (spät), ἄξος (vom σ-Aor.) = ἀγμός (Kreta, St. Byz.), als Stadtname ’Οάξος, d. h. ϝάξος (Hdt. 4, 154). — ἄγος n. H., EM. — Wohl als *ϝάγ-νυμι zu toch. wāk- etwa ‘bersten’, Kaus. ‘spalten, unterscheiden’, wākäm n. ‘Besonderheit, Vorzug’ (vgl. zur Form ἀγμός, aber davon unabhängig gebildet). Auch lat. vāgīna ‘Scheide’ könnte allenfalls hierher gehören, vgl. Scheide zu scheiden (Pisani REIE 3, 59ff., der auch vervāctum ‘Bruchacker’ aus *vēre vāctum heranzieht). — ἄγνυμι ist oft, aber falsch, mit ῥήγνυμι, unter Annahme eines idg. r-Wegfalls, zusammengestellt worden. I-13
ἀγνύς (Plu., Poll., Hdn.), pl. -ῦθες ‘Webersteine’ — Unerklärt. Verfehlt Prellwitz KZ 47, 305f. Vgl. Chantraine Formation 366. I-13
ἀγορά ‘(Volks)versammlung, -splatz, Markt, Handel, Verkehr’ (seit Hom.). Ableitungen: ἀγορητής ‘Redner’ (ep.), auch auf ἀγοράομαι zu beziehen, s. Fraenkel Nom. ag. 1, 25f., Redard Les noms grecs en -της 5f., 10. — Mehrere Denominativa: 1. ἀγοράομαι ‘(in der Versammlung öffentlich) reden’ (ep. ion. poet., aber nur in vereinzelten Formen) mit ἀγορητύς ‘Beredsamkeit’ (ep.) und ἀγορατρός ‘Redner’ (Delphi); 2. ἀγορεύω ‘ds.’ (seit Hom., als Simplex selten im Attischen, s. Wackernagel Unt. 220ff., Fournier Les verbes "dire" 41ff.), wovon die seltenen und späten Nomina ἀγορευτής ‘Redner’, -τήριον ‘Redestelle’, -σις ‘Rede’; 3. ἀγοράζω ‘auf dem Markte verkehren, einkaufen’ (ion. att.); davon ἀγόρασις ‘Einkauf’ (Pl. u. a.), boeot. ἀγόρασσις (s. Holt Les noms d’action en -σις 49f.), ἀγορασία ‘ds.’ (zur Bildung Chantraine Formation 85), ἀγορασμός ‘ds.’ (LXX u. a.), -ασμα, gew. ἀγοράσματα ‘Einkäufe, (eingekaufte) Waren’ (D. u. a.); ferner das Nomen agentis ἀγοραστής ‘Einkäufer’ (X. u. a.), fem. ἀγοράστρια (Pap.), mit ἀγοραστικός ‘zum Handel gehörig’ (Pl. u. a.). — Verbalnomen zu ἀγείρω, s. d. I-13-14
ἄγος n. ‘Fluch, (Blut)schuld’, auch ‘Sühne’ (Hdt., A., Th. u. a.), ἄγεα· τεμένη H. (lesbisch? Bechtel Dial. 1, 115). Zusammensetzung ἐν-αγής ‘fluch-, schuldbeladen’ (Hdt., S. u. a.); davon ἐναγίζω mit ἐναγισμός und ἐνάγισμα, ferner die seltenen und späten Adj. ἐνάγιος (nach ἅγιος) und ἐναγικός. Das Oppositum εὐ-αγής (Parm., S. usw.) ‘schuldlos’ wurde mit ἅγιος assoziiert, vgl. Εὐhαγης (Styra, Va). Daraus das Simplex ἁγής (Emp. 47; von der Sonne). — Unter der Annahme eines Ablautwechsels wird ἄγος allgemein mit aind. ā́gas- n. ‘Unrecht, Sünde’ verglichen. Diese ansprechende Etymologie schließt die sonst naheliegende Möglichkeit aus, mit den Lexikographen des Altertums (Et. Gud.) ἄγος als psilotische Form von ἅγος mit ἅγιος zu verbinden. I-14
ἀγοστός. — Bei Homer (Λ 425 usw.) nur in der Formel ἕλε γαῖαν ἀγοστῷ, gewöhnlich als ‘(die zum Fassen gekrümmte) Hand’ gedeutet. Hellenistische Nachahmer (A. R., Theok.) benutzen es daneben irrtümlich im Sinn von ‘Ellenbogen, Arm’. Im Suffix stimmt ἀγοστός zu den semantisch verwandten παλαστή ‘flache Hand, Breite von vier Fingern’, aind. hásta- ‘Hand’, nhd. Faust, aksl. grъstь ‘Handvoll’ usw., s. Solmsen Wortforschung 1ff., Frisk Suff. -th- im Idg. 17. Nach Solmsen a. a. O. als "Sammler" aus *ἀγορ-στος zu ἀγείρω, vgl. zunächst aksl. grъstь. Fragliche Kombinationen zur Stammbildung bei Specht Ursprung 225. Abzulehnen Ehrlich Betonung 44f. (zu γέμω). I-14
ἄγρα f. ‘Jagd, Beute’ (seit Od., vorw. poet.); ἀγρεύς ‘Jäger’ (Pi., A., E. u. a.); ἀγρεύω ‘erjagen’ (Hdt., S., E., X. u. a., gewöhnlicher als ἀγρεύς), wovon ἀγρευτής ‘Jäger’ (Sol., S. in lyr. usw.), ἀγρευτήρ ‘ds.’ (Theok., Kall. usw.), ἄγρευμα ‘Jagdbeute, -netz’ (Sol., A., E., X., u. a.); zu ἀγρέτης, Bed. unsicher, vgl. Redard Les noms grecs en -της 236 A. 58; — ἀγρώσσω ‘jägern’ (ε 53 usw.), vgl. Schwyzer 733 ζ. ἀγρέω ‘greifen’ (Hom. [nur Ipv. ἄγρει, -τε; aber vgl. Wackernagel Unt. 166f.], Sapph., Archil. u. a.), äol. Ipv. κατάγρεντον, Ptz. Aor. ἀγρέθεντα, -τες, Verbaladj. ἀγρεταί (Kos). Nom. ag. ἀγρέμων (-μών) ‘Jagdspieß, Jäger’ usw. (A., H., EM). Davon ἀγρέμιον ‘Beute’ (AP). Zusammensetzungen: auf -άγρα: πυράγρα ‘Feuerzange’ (Hom., Kall.), κρεάγρα ‘Fleischzange’ (Ar. usw.); — ὀδοντάγρα ‘Zahnzange’, ποδάγρα ‘Fußfessel, Podagra’, χειράγρα ‘Handgicht’, vorw. mediz. Termini; — auf -άγρετος: παλινάγρετος ‘was zurückzunehmen ist, widerruflich’ (ep. seit Il.), αὐτάγρετος ‘selbstgewählt’ (ep. seit Od.), ‘selbstwählend’ (Semon., Opp.). Die Komposita auf -άγρα und -άγρετος sind wahrscheinlich als Zusammenbildungen von einem Verbalstamm ἀγρ- zu betrachten. — Wie sich ἄγρα und ἀγρέω zueinander verhalten, ist nicht klargelegt. McKenzie Cl. Quart. 15, 47f. und 126 will, wenig überzeugend, ἀγρέω von ἄγρα, ἀγρεύω trennen. Er zieht die letztgenannten Wörter zu ἀγρός, wovon zunächst ἀγρεύς eig. ‘zum Felde gehörig’ mit nachträglicher Beziehung auf die Jagd, dann aus diesem ἀγρεύω und endlich daraus (nach θηρεύειν : θήρα) ἄγρα. Aber die Chronologie der Belege ist einer solchen Annahme nicht günstig. Ansprechender scheint seine Hypothese, ἀγρέω sei aus dem. Verbaladjektiv -άγρετος entstanden, das eigentlich zu ἀγείρω gehöre wie -αγρέτης in ἱππαγρέτης, κωλακρέτης (aus -αγρέτης, s. d.) u. a. Gegen ἀγρέω als Denominativum von ἄγρα mit Recht Schwyzer 727 A. 1. Eine Entscheidung wird dadurch erschwert, daß ἀγρέω und αἱρέω einander beeinflußt zu haben scheinen (αὐτάγρετος wie αὐθαίρετος, ἀγρέθεντα wie αἱρεθέντα, vgl. noch die Kontamination ’Εξαίγρετος auf kleinasiat. Münzen bei Imhof-Blumer 1, 165); da aber auch αἱρέω dunkel ist, bleiben die gegenseitigen Beziehungen ungewiß. — Zur Geschichte und Verwendung von ἀγρέω s. Vendryes Mél. Boisacq 2, 331ff., K. Wlaschim Studien zu d. idg. Ausdrücken für Geben und Nehmen. Diss. Wien 1927 (ungedruckt; vgl. Kretschmer Glotta 19, 207ff.). Aus anderen Sprachen werden zum Vergleich herangezogen: aind. ghāsé-ajra- ἅπ. λεγ. VS 21, 43, Bed. unsicher, gew. als ‘zum Verzehren antreibend’ erklärt; aw. azra- ἅπ. λεγ. im Ausdruck vəhrkąm azrōdaiδ īm ‘die auf Raub ausgehende Wölfin’ (Vid. 18, 45); außerdem eine keltische Gruppe, kymr. aer ‘Schlacht, Kampf’ (< *agrā, eig. *‘Hetze’), ir. ār n. ‘Niederlage’ (< *agrom), gall. Volksname Veragri. Vgl. auch ζωγρέω. I-15-16
ἀγρεῖφνα f. ‘Egge’ (AP 6, 297), ἀγρίφη f. ‘Egge, Harke’ (Hdn., H.). — Wohl mit Fick4 1, 404 zu γριφᾶσθαι· γράφειν. Λάκωνες. οἱ δὲ ξύειν καὶ ἀμύσσειν H. Das anl. ἀ- ist hier wie öfters nicht genügend erklärt. I-16
ἀγρήσκεται · πικραίνεται H. — Vielleicht für ἀγρίσκεται. Jedenfalls zu ἄγριος wie ἀγριαίνω; vgl. ἀλθαίνω : ἀλθίσκω und ἀλθήσκω. Verfehlt v. Blumenthal Hesychst. 24 (zu ἄκρος). I-16
ἀγρός m. ‘Feld, Acker’. Davon ἄγριος ‘agrestis, wild’ mit mehreren Ableitungen: ἀγριότης f. ‘Wildheit’ (Pl., D., X. u. a.), ἀγριόομαι, ἀγριόω, ἀγριαίνω ‘wild werden bzw. machen’. Ferner ἀγρότης m. (π 218, E., vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 57) und ἀγροτήρ m. ‘Landbewohner, ländlich’ (E. u. a.), auch ἀγρώτης (E., vgl. δεσμώτης usw.) und ἀγρώστης (S., E. usw.), Bildung unklar; gegen Anknüpfung an ed- ‘essen’ mit Recht Bechtel Lex. s. v. ἄγρωστις. Die Erweiterung ἀγροιώτης (Hom. usw.) ist wahrscheinlich am Versende entstanden, Risch 32. — Zum Komparativ ἀγρότερος Bechtel s. v. Über ἀγρέτης s. ἄγρα. — Altes Erbwort, das ursprünglich das unbebaute Feld bezeichnete und in mehreren Sprachen erhalten ist: aind. ajra-, lat. ager, germ., z. B. got. akrs, arm. art. Die allgemein verbreitete Ansicht, daß idg. *aĝros als ‘Trift’ eine Ableitung von *agō ‘treiben’ sei, ist nicht zu beweisen, aber sehr ansprechend. Die Ansicht Ungnads Language 13, 153, idg. *aĝros sei aus dem Sumerischen entlehnt, ist unhaltbar. — Das Kompositum ἀγροῖκος, ἄγροικος ‘Landmann, ländlich, bäurisch’ (< *ἀγρο-ϝοικος ‘der sein Haus auf dem Lande hat, auf dem Lande wohnend’) hat im Neugriechischen zum Oppositum γροικός = νοήμων Anlaß gegeben; davon ferner γροικῶ ‘verstehen, hören’ (Hatzidakis, s. Glotta 14, 208f.). I-16
ἄγρυπνος ‘schlaflos, wachsam’ (ion. att.). Ableitungen: ἀγρυπνία ‘Schlaflosigkeit, Wachsamkeit’, ἀγρυπνώδης ‘Schlaflosigkeit verursachend’ (Hp., vgl. Chantraine Formation 431), ἀγρυπνέω ‘schlaflos sein, wachen’ (Thgn. usw., LXX, NT) mit ἀγρυπνητήρ ‘Wächter’ (Man.) und ἀγρυπνητικός ‘wachsam (machend)’ (D. S., Plu., Pap. u. a.). — Die gleich gebildeten ἄγρ-αυλος ‘sein Lager auf dem Felde habend’ und ἀγρ-οῖκος (s. ἀγρός) führen auf die Deutung ‘seinen Schlaf auf dem Felde habend, auf dem Felde schlafend’, s. Wackernagel Verm. Beiträge 3f. Die schon früh eingetretene Anknüpfung an ἀγρέω hat die Bedeutung beeinflußt. I-16
ἄγρωστις, -ιδος, -εως ‘Feldkraut’ (ζ 90 usw.), — Fem. von ἀγρώστης, s. ἀγρός. Bechtel Lex. s. v., Strömberg Pflanzennamen 117. Vgl. auch Kalitsunakis bei Kretschmer Glotta 3, 315f. I-16
ἄγυια, pl. ἀγυιαί ‘Straße, Weg’ (seit Il., vorw. poetisch). Ableitungen: ’Αγυιεύς m. "Straßenhort", Bein. des Apollo (Kom., E. usw.), wovon der Monatsname ’Αγυίηος (Argos); ’Αγυιάτης m. ‘ds.’ (A.), auch ‘Stadtbewohner’ (Pharsalos), vgl. ἀγυιῆται· κωμῆται H.; fem. ἀγυιᾶτις (Pi., E. in lyr.). — ἄγυια, eig. "die hinfahrende’’ (intr.), ist der Form nach ein reduplikationsloses Ptz. Perf. Akt. zu ἄγω. Verfehlt Specht KZ 64, 62f. ("Stelle, auf der gefahren worden ist"). Zum Akzentwechsel Debrunner GGA 1910, 10, Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 118f. I-17
ἄγχι Adv. u. Präp. ‘nahe’ (poet. seit Il.). Daneben ἀγχό-θι, -θεν, ἀγχοῦ. Komp. ἆσσον, ἀσσοτέρω, Sup. ἄγχιστα, -ον, wozu das adjektivische ἄγχιστος (mit ἀγχιστεύω, -εία, -εύς u. a.), auch ἄσσιστα nach ἆσσον. Schwyzer-Debrunner 547 mit weiteren Hinweisen, außerdem Seiler Steigerungsformen 44ff. Von ἄγχιστα wurde ἀγχιστῖνος ‘nahe beieinander’ (Hom.) gebildet (Chantraine Formation 204, Schwyzer 491; unrichtig Fraenkel Gnomon 21, 38, Glotta 32, 20). Zu ἀγχιστέδᾱν (Lokroi) = ἀγχιστήδᾱν s. Fraenkel Glotta 20, 84f. — ἄγχι kann als erstarrter Lokativ eines Wurzelnomens (Bed.?) zu ἄγχω erklärt werden (Schwyzer 622), sofern man nicht vorzieht, darin eine direkte Bildung zu ἄγχω nach πέρι, ἄντι zu sehen. — ἀγχέ-μαχος (Il. usw.) wohl nach τηλέ-μαχος (nur als PN bekannt), s. Schulze Kl. Schr. 128, Trümpy Fachausdrücke 113f. I-17
ἀγχίλωψ ‘Art Geschwulst, die den Tränenkanal versperrt’ (Gal. 19, 438). — Nach Galenos von ἄγχι und ὤψ. Strömberg Wortstudien 95f., der ihm zustimmt, erklärt einleuchtend das -λ- aus dem synonymen αἰγίλωψ. Vielleicht hat ἀγχίλωψ sogar sein ganzes Hinterglied von αἰγίλωψ bezogen. Im Vorderglied steckt aber vielmehr das Verb ἄγχω ‘zuschnüren’. I-17
ἄγχουσα Pflanzenname, ‘Anchusa tinctoria’ (Thphr., Dsk.), auch κατάγχουσα (Ps.-Dsk.), vgl. noch ψευδάγχουσα (Plin.). — Die daneben bestehende Form ἔγχουσα (Ar., X.) scheint ursprünglichen Zusammenhang mit ἄγχω, der sich anscheinend begrifflich erklären läßt (Strömberg Pflanzennamen 64) zu verbieten. Durch Kontamination mit κύνωψ entstand ἀγχύνωψ (Dsk.), s. Strömberg 159. I-17
ἄγχω ‘zuschnüren, erdrosseln’ (seit Il.). Ableitungen: ἀγχόνη ‘Strick, das Erdrosseln’ (vorw. poetisch; Bildung wie περόνη, ἀκόνη und andere Werkzeugnamen); davon wiederum ἀγχόνιος ‘zum Erhängen dienend’ (E., Nonn.), ἀγχονάω ‘erdrosseln’ (Man.). Lat. LW angina (zuletzt Leumann Sprache 1, 205). — ἀγκτήρ, -ῆρος m. "Zusammenschnürer", Gerät für Zusammenschnürung von Wunden (Cels. Med., Plu. usw.), vgl. Björck UUÅ 1932 : 5, 82 m. A. 1. — ἄγχω hat eine genaue Entsprechung in lat. ango ‘zuschnüren, beengen’. Dagegen fehlt im Griechischen der weitverbreitete u-Stamm: aind. aṃhú- ‘eng’, got. aggwus, arm. anju-k, aksl. ǫzъ-kъ, lat. *angu- in angi-portum. Vgl. ἄγχι; auch ἀμφήν. I-17-18
ἄγω ‘treiben, leiten, führen; ziehen, gehen’. Zahlreiche Ableitungen, z. T. altererbt (s. unten), und Zusammensetzungen (ἀπ-, εἰσ-, ἐξ-, κατ- usw.). ἀγός ‘Anführer’ (poet. seit Il.), der Form nach mit aind. ajá- ‘Treiber’ identisch, aber trotzdem vielleicht griech. Parallelschöpfung, aus Zusammenbildungen wie στρατηγός (darüber Sommer Zum Zahlwort 12 A. 1) herausgelöst. — ἀγή ‘Transport’ (Chios), wohl auch im Sinn von ‘Lauf, Windung’ (Arat.); s. ἄγνυμι. — ἀγών, -ῶνος m. ‘Versammlung, Wettkampf usw.’ (Il. usw.) mit ἀγώνιος, ἀγωνία, ἀγωνιάω, ἀγωνιάτης; ἀγωνίζομαι, wovon ferner ἀγώνισις, ἀγώνισμα, ἀγωνιστής, ἀγωνιστικός u. a., vgl. Röttger Substantivbildung 51. — ἄκτωρ, -ορος ‘Führer’ (A.), auch EN (Il. usw.), lat. actor wohl davon unabhängig gebildet. — ἄγμα· κλέμμα H. — Reduplizierte Nomina: ἀγωγός m. ‘Führer, führend’ (ion. att.), ἀγωγή ‘Führung usw.’ (ion. att.) mit ἀγωγεύς, ἀγώγιμος, ἀγώγιον, ἀγωγαῖος, ἀγωγικά. — Über -αγέτης in Zusammenbildungen (ἀρχηγέτης usw.) s. Fraenkel Nom. ag. 1, 59ff., Sommer Zum Zahlwort 11f. — Mit Ablaut wahrscheinlich ὤγανον ‘Speiche’ (Frisk Indogermanica 17f.). — Vgl. noch ἄγυια, ἄξιος, ἄξων, ἀγέλη, ὄγμος; auch ἀγρός. — Eine Weiterbildung von ἄγω ist ἀγῑνέμεναι, ἀγινέω (ep. ion.), fast nur im Präsens, Bildungsweise unklar, vgl. Brugmann-Thumb 340, Schwyzer 696; s. auch Chantraine Étrennes Benveniste 14f. Daneben dor. ätol. ἀγνέω. — ἄγω ist ein altes thematisches Präsens mit genauen Entsprechungen in aind. ájati, aw. azaiti, arm. acem, lat. ago, air. -aig, awno. aka (nur intr. ‘fahren, reisen’), toch. āk- (B auch ăk-) ‘führen’. Das Verb war vielleicht ursprünglich nur im Präsens vorhanden, Specht KZ 63, 225 und 270 (Aor. u. Fut. ἤλασα, ἐλάω); gegen diese Suppletivtheorie wendet sich Bloch Suppl. Verba 14ff. I-18
ἀδαγμός · κνησμός H., auch S. Tr. 770 nach Phot. (codd. ὀδαγμός); ἀδακτῶ· κνήθομαι, ἀδαξῆσαι· κνῆσαι, ἀδαχᾷ· κνᾷ, κνήθει κεφαλήν. ψηλαφᾷ H. usw. — Durch Vokalassimilation aus ὀδα- entstanden (J. Schmidt KZ 32, 391ff.), s. ὀδάξ. I-18
ἀδαής, -ές ‘unerfahren, unkundig’ (Hdt., Pi. usw.). — Negatives Verbaladjektiv zu δαῆναι, s. d. (falls nicht zu einem verschollenen *δάος ‘Kunde’; vgl. δήνεα). Seit Homer auch die erweiterte Form ἀδαήμων im Anschluß an δαήμων. I-18
ἀδαλός · ἄσβολος H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 5 makedonisch für αἴθαλος. I-19
ἀδάμας, -αντος m. Bez. eines harten Metalls (‘Stahl’; seit Hes.), ‘Diamant’ (sicher bei Thphr. usw.). Ableitung ἀδαμάντινος (Pi., A. usw.). — Wegen der Bedeutung fremder Herkunft (mit volksetymologischer Angleichung) verdächtig. Falls echt griechisch, eig. ‘unbezwinglich’ (δάμνημι) und mit dem EN ’Αδάμας (Hom.) identisch. Zur Bildung vgl. ἀκάμας (Il. usw.) und Chantraine Formation 269, Schwyzer 526 : 3. I-19
ἀδάρεξα · εἰρήνη H. — v. Blumenthal Hesychst. 24 vergleicht ἀταραξία und nimmt illyrischen Ursprung an. Sehr unsicher. I-19
ἀδάρκη und -ης m., ἄδαρκος m., -ιον n. f. ‘Salzablagerung am Schilf’ (Dsk., Gal.). — Mit lat. adarca (seit Plin.) identisch und wie dies wahrscheinlich aus dem Gallischen entlehnt, vgl. ir. adarc ‘Horn’, aus bask. adar ‘Horn’ mit kelt. k-Suffix. Pokorny Zeitschr. celt. Phil. 14, 273; 16, 112. I-19
ἄδδαυον · ξηρόν. Λάκωνες H. — Von ἄζα und αὖος. Fraenkel Gnomon 21, 39, Glotta 32, 22 mit Fick u. a.; anders Peterson AmJPh. 56, 64ff.: aus *ἀδδαλέος (= ἀζ.) und αὖος. — Davon ἀζαυτός· παλαιότης καὶ κόνις H., vgl. Fraenkel ebd. I-19
ἀδελφεός att. ἀδελφός (wahrscheinlich durch Kürzung entstanden), ἀδελφεή, -φή ‘Schwester’ (seit Pindar [-εά]; vgl. Lommel Femininbildungen 11). ‘Bruder’ (Hom.) Davon ἀδελφιδέος, -δέη, att. -δοῦς, -δῆ ‘Neffe’, ‘Nichte’; außerdem ἀδελφίδιον Demin. (Ar. u. a.), ἀδελφικός ‘brüder- oder schwesterlich’ (Arist. usw.), ἀδελφότης ‘Bruderschaft’ (LXX usw.), ἀδελφίζω ‘zum Bruder annehmen’ (Hekat. u. a.) mit ἀδέλφιξις (Hp.). Aus α copulativum und einem Wort für Mutterleib, wahrscheinlich *δέλφος n., also *ἀ-δελφεσ-ός, vgl. H.: ἀδελφοί· οἱ ἐκ τῆς αὐτῆς δελφύος γεγονότες. δελφὺς γὰρ ἡ μήτρα. (Anders Wackernagel Unt. 52f. mit Solmsen KZ 32, 519ff. u. a.: aus -eio-, eig. Stoffadj.). — Die Entstehung und Bedeutungsentwicklung von ἀδελφός hängt mit dem Schicksal des ererbten idg. Wortes für ‘Bruder’, φράτηρ, zusammen, das auch von entfernteren Verwandten innerhalb der Großfamilie wie den Vettern gebraucht wurde und infolge der etymologischen Verknüpfung mit den als politischen Termini benutzten φράτρα, φρατρία selbst einen politischen Sinn erhielt. Im Gegensatz dazu hebt ἀδελφός die mutterliche Linie hervor und kann mit mutterrechtlichen Sitten innerhalb der vorgriechischen Bevölkerung Griechenlands in Zusammenhang stehen. Kretschmer Glotta 2, 201ff. (auch über Stammbildung), 27, 25f. (gegen die abweichende Auffassung Hermanns IF 53, 100f.). S. weiter s. v. δελφύς. I-19
ἀδευκής, -ές ep. Beiwort (Od., A. R. u. a.) unbekannter Bedeutung. — Wie Πολυ-δεύκης setzt auch ἀ-δευκής ein Nomen *δεῦκος n. voraus, dessen weitere Anknüpfungen (lat. dūco usw., Lagercrantz KZ 35, 276) man auf sich beruhen lassen muß. Vgl. δεύκει· φροντίζει H., ἐνδυκέως etwa ‘sorgfältig’; ἀδευκής also etwa ‘rücksichtslos’. In einem Scholion zu A. R. 1, 1027 wird δεῦκος mit γλεῦκος glossiert; ob echte Tradition oder Scholiastenkonstruktion, läßt sich nicht entscheiden. — Der Name Δευκαλίων kann aus *Λευκαλίων dissimiliert sein, s. Bechtel Lex. s. ἀδευκής. I-20
ἀδῆ · οὐρανός. Μακεδόνες H. — Mit gr. αἰθήρ identisch. I-20
ἀδημονέω ‘unruhig, ängstlich sein’ (Hp., Pl., X. usw.); davon ἀδημονία (Epikur., Plu. u. a.), ἀδημοσύνη (Demokr., X.). — Falls die bei Nik. Fr. 16 vorliegende Kürze des ἀ- auf alter Tradition beruht und nicht durch nachträgliche Assoziation mit dem α privativum entstanden ist, darf man mit Allen Cl. Rev. 20, 5 m. A. ἀδημονέω zu δαῆναι ziehen und mit Debrunner Mél. Boisacq 1, 266 als aus *ἀδαημονέω kontrahiert auffassen. Wagt man dagegen mit ursprünglicher Länge des ἀ- zu rechnen, liegt es nahe, darin einen Vertreter der Sippe von ἡδύς zu sehen. Leumann Hom. Wörter 309 A. 82 faßt das Ptz. ἀ̄δημονέων als eine epische (hexametrische) Erweiterung von *ἀ̄δήμων auf, das zu *ἀ̄δέω aus ἀηδέω (von ἀηδής) gebildet worden sei. Vgl. Bechtel Lex. s. ἀδέω, Dial. 3, 268. I-20
ἀδήν, -ένος f. m. ‘Drüse’ (Hp., Gal. u. a.). Ableitungen: ἀδενώδης (Plu., Mediz.), ἀδενοειδής (Mediz.). — Von de Saussure MSL 6, 53 mit lat. inguen, -inis (nach unguen, sanguen, abdōmen) ‘(Geschwulst in der) Schamgegend’ identifiziert, idg. *n̥gu̯ēn. Nisl. økkr m. ‘glans, glandula, tuber’ mit awno. økkvenn ‘glandulosus, tuberosus’ (Bugge BB 3, 115) kann eine, anders gebildete, damit ablautende Form, urg. *enku̯a-, idg. *engu̯o- darstellen. Dagegen kann νεφρός nur mit willkürlichen Kunstgriffen hierher gezogen werden. I-20
ἅδην (Il. usw.) ‘bis zur Sättigung, genug’ — vielleicht Akkusativ eines Substantivs, das in ἁδη-φάγος ‘gefräßig’ vorliegen könnte; vgl. noch ἄαδα unten. Davon ἀδαῖος ‘zur Sättigung führend, unangenehm’ (Sophr., H.). Das zugrunde liegende Verb ist in mehreren Formen belegt, wie ἄ̄μεναι (Il.), Aor. ἆσαι, ἄ̄σασθαι (ep.) ‘sich sättigen’, s. d., dazu das Verbaladjektiv ἄατος, s. d. — Der mit δ erweiterte Stamm liegt in zahlreichen Ableitungen vor: ἅδην s. oben. Hierher auch ἄαδα· ἔνδεια. Λάκωνες. οὕτω καὶ ’Αριστοφάνης ἐν γλώσσαις H. Davon (oder von *ἄαδος) ἀαδεῖν· ἀπορεῖσθαι, ἀσιτεῖν H.; s. Frisk Subst. priv. 16. — ἅδος m. od. n. ‘Sättigung’ (Λ 88). — ἁδινός ‘dicht gedrängt, reichlich’ (vorw. ep.). — ἁδρός, s. d. — ἀδμωλή, s. d. Unklar ist die Bildung von ἄση, s. d. — Der Stamm ἁδ- kann eine genaue Entsprechung in arm. at-ok‘ ‘voll, ausgewachsen’ (vgl. ἁδρός) haben, Frisk Etyma Arm. 16ff. In den übrigen Sprachen findet sich dafür eine t- Erweiterung: lat. satis, got. saþs ‘satt’ usw., s. Frisk a. a. O. I-20-21
ἀδίαντον auch ἀδίαντος m. n., Pflanzenname, ‘Adiantum’ (Thphr. usw.), eig. ‘was nicht benetzt werden kann’; — zur Erklärung Strömberg Pflanzennamen 74f. I-21
ἀδίκη ‘Nessel’ (Ps.-Dsk. 4, 93). — Bildung wie ἑλίκη ‘Weide’, aber sonst dunkel. Die Anknüpfung an Wörter für ‘Nessel’ in anderen Sprachen, z. B. ahd. nazza, nezzila, mir. ne-naid (Sütterlin IF 4, 92) steht und fällt mit der höchst unsicheren Herleitung aus einem idg. Grundwort mit anlautendem sonantischem n̥-: *n̥d-ikā. I-21
ἁδινός s. ἅδην und ἁδρός. I-21
ἄδις · ὡς ’Απίων, ἀθρόοι, ἢ ἐσχάρα H. — Im Sinn von ἀθρόοι falsch für ἅλις; im Sinn von ἐσχάρα nach v. Blumenthal IF 49, 179 makedonisch (= lat. aedes). I-21
ἀδμωλή · ἀπορία, ὀλιγωρία, ἄγνοια, ἡσυχία H. — mit Nebenform ἀδμωλία· ἡ ἄγνοια Suid. aus Kall. (Fr. 338), ἀδμολίη EM. Davon ἀδμωλῶ· ἀκηδιῶ Suid., ἀδμωλεῖν· ἀγνοεῖν ἢ ἀγνωμονεῖν ἢ ἀκηδιᾶν EM. Falls eig. ‘gesättigter Zustand’ (> ‘Überdruß, Gleichgültigkeit, Vernachlässigung’) zu ἅδην mit suffixalem -μωλ-. Frisk Eranos 41, 52, wo ausführlich über die Stammbildung. I-21
ἀδνόν · ἁγνόν. Κρῆτες H. — Wohl nur hyperkorrekte Aussprache, durch den bisweilen vorkommenden Übergang δν > γν (’Αριάγνη) verursacht. I-21
ἀ̄δολέσχης m. ‘Schwätzer, Plauderer’, — vgl. Björck Alpha impurum 142, 41 (alte Kom., Pl. usw.), auch (spät) ἀδόλεσχος. Davon ἀδολεσχία, -έω, -ικός. Vielleicht mit verbalem Vorderglied aus *ἀαδο-λέσχης zu ἀαδεῖν· ὀχλεῖν H. aus *ἀ-σϝᾰδεῖν, vgl. ἀαδής Thgn. 285 (aus ἀδαής verbessert). S. ἁνδάνω, ἡδύς. Boisacq s. v. nach Schulze Q. 452f. Andere Vorschläge bei Bq. I-21
ἀδραία · αἰθρία H. — Wohl makedonisch. Vgl. v. Blumenthal Hesychst. 5. I-21
Ἄδραστος ‘der nicht wegläuft’. — Über den Sinn dieses Namens s. E. Maaß Byz.-ngr. Jbb. 5, 179ff. I-21
ἀδράφαξυς s. ἀτράφαξυς. I-21
ἁδρός ‘voll, dicht, ausgewachsen, reif’ (ion. att.). Ableitungen: ἁδρότης ‘Stärke’ (hell. u. spät; über den homer. Akk. ἀ(ν)δροτῆτα s. ἀνήρ); ἁδρύνω ‘reif machen’, med. ‘reif werden’ mit ἅδρυνσις; vereinzelt auch ἁδρέω, ἁδρόομαι. Außerdem ἁδρώδης als Pflanzenname, Strömberg Pflanzennamen 82. Ableitung auf -ρο- von dem in ἅδην (s. d.) u. a. vorliegenden Stamm ἁδ-. — Näheres über die Bildung unbekannt; das nahverwandte ἁδινός könnte auf einen r-n-Stamm schließen lassen. Frisk Etyma Armen. 17f. m. Lit. I-21-22
ἄδρυα · πλοῖα μονόξυλα. Κύπριοι. ... Σικελοὶ δὲ ἄδρυα λέγουσι τὰ μῆλα, παρὰ δὲ ’Αττικοῖς ἀκρόδρυα. H. Auch οἱ τύλοι ἀρότρου, δι’ ὧν ὁ ἱστοβοεὺς ἁρμόζεται. H. — Steht für *ἅ-δρυα ‘aus éinem Baum bestehend’, aus ἁ- und δρῦς. Lit. bei Bq; zu dem Pflanzennamen s. auch Strömberg Wortstudien 46. I-22
Ἄδωνις, -ιδος, auch Ἄδων, -ος. — Die geläufige und sehr bestechende Ansicht, daß ’Αδωνις ein semitischer Name wäre (vgl. hebr. ’ādōn ‘Herr’), wird von Kretschmer Glotta 7, 29ff. bestritten. K. sieht stattdessen darin eine Ableitung von ἁδεῖν, ἁνδάνω. Für semitische Herkunft noch W. W. Graf Baudissin ZDMG 70, 423ff.; dagegen, mit neuen Argumenten, Kretschmer Glotta 10, 235f. (älteste Form Ἅδωνις, mit spir. asper, inschriftlich aus Tarentum belegt). Unhaltbar Pisani Rend. Acc. Lincei 6: 5, 5f., vgl. Kretschmer Glotta 20, 250f. I-22
ἄεθλος m., -ον n. ep. ion. poet., [ἄ]ϝεθλα ark. (IG 5 : 2, 75), att. kontr. ἆθλος, -ον ‘Mühsal, Wettkampf, Kampfpreis’. Ableitungen: ἀέθλιον ‘Wettkampf, Kampfpreis’ (ep.), ἀέθλιος ‘zum Wettkampf gehörig’ (Thgn., Kall.), ἄθλιος ‘unglücklich’ (att.) mit ἀθλιότης; — ἀ(ε)θλέω, -εύω ‘sich bemühen, wettkämpfen’ mit ἀ(ε)θλητήρ, -τής, ἀ(έ)θλημα, -σις, -τικός. Zur Bedeutung vgl. Trümpy Fachausdrücke 150f. — Unerklärt. Fruchtlose Deutungsversuche sind verzeichnet bei Bq; s. ferner WP. 1, 223, Pok. 84, Güntert Weltkönig 70f. I-22
ἀείδω, att. ᾄδω ‘singen, besingen’. Ableitungen: ἀοιδή, ᾠδή ‘Gesang, Lied’, woraus ἀοίδιμος, ᾠδικός. Nom. agentis ἀοιδός, ᾠδός ‘Sänger’. Davon (oder von ἀοιδή) ἀοιδιάω ep. = ἀείδω (vgl. Schwyzer 732 β); von ᾠδή ’Ωιδεῖον Gebäude (in Athen) für musische Wettkämpfe (vgl. Chantraine Formation 61). Ferner ἄεισμα, ᾆσμα n. ‘Gesang, Lied’ (ion. att.) mit ᾀσμάτιον (Pl. Kom.). ᾀσμός m. ‘ds.’ (Pl. Kom.). — Zu αὐδή, aber nähere Beziehungen unklar. Nach der geistreichen Annahme Wackernagels KZ 29, 151f. ist ἀείδω aus einem reduplizierten Aorist *ἀ-ϝε-ϝδ-εεν entsprungen, der zuerst durch Dissimilation *ἀ-ϝε-ιδ-εῖν ergeben hätte, wie (ϝ)ειπεῖν für *ϝε-ϝπ-εεν steht. Zu dem so neugeschaffenen Präsens ἀείδω ferner ἀοιδός usw. Aber nach ἀλκή, ἀλ-αλκ-εῖν (neben ἀλέξω) zu schließen, hätte man neben αὐδή einen Aorist *ἀϝ-αυδεῖν erwartet. — Die Zerlegung in eine Wurzel αὐ- (s. ἄβα) mit zwei Erweiterungen: ηι (> ει oder η) und δ: ἀϝ-εί-δ-ω, ἀϝ-η-δ-ών neben αὐ-δ-ή (Specht KZ 59, 119ff., Ursprung 281) ist sehr künstlich. Abzulehnen Diehl RhM 89, 96f., über den Gebrauch ebenda 91f. I-22-23
ἀείρω 1. att. αἴρω, wahrscheinlich zum Fut. att. ἀ̄ρῶ aus ἀερῶ neugebildet (anders Brugmann KZ 27, 196ff.) ‘emporheben, aufheben’. Verbalnomina: ἄρσις f. ‘Hebung’ (Arist. usw.; κάταρσις Th.); ἀρτήρ s. d. — Unerklärt. Gegen den sonst einleuchtenden Vorschlag von Buttmann Lexilogus 1, 260 A. 5 und von Bréal MSL 15, 149f., ἀείρω als Denominativum von ἀ̄ήρ abzuleiten wie nhd. lüften, nschw. lyfta von Luft, spricht die verschiedene Quantität des anlautenden ἀ-; doch ist dieser Einwand vielleicht nicht entscheidend (Frisk Eranos 32, 55f.). Verfehlt Margadant IF 50, 122. — Mit ἀείρω ist μετήορος, att. μετέωρος, äol. πεδάορος ‘in die Höhe gehoben’ semantisch verknüpft. Es kann aber auch eine Hypostase von ἀήρ sein. Vgl. αἰώρα, αἰωρέω; s. auch 2. ἄρμα. I-23
ἀείρω 2. (Κ 499 σὺν δ’ ἤειρεν ἱμᾶσι, Ο 680 πίσυρας συναείρεται ἵππους), vgl. ξυναίρεται· συνάπτεται H. nur mit σύν, ‘zusammenbinden, zusammenkoppeln’ Mit Solmsen Untersuchungen 289ff. wahrscheinlich von ἀείρω ‘heben’ zu trennen. Neben dem primären Verb steht ein Nominalstamm -αορ-, etwa ‘Band, Koppel’, in *τετρ(α)-άορος, τετρά̄ορος, kontrah. τέτρωρος ‘mit vier Koppeln, zu vieren gekoppelt, vierspännig’ (seit Od.); davon τετρᾱορία ‘vierspänniger Wagen’ (Pi.). Zu συναείρω ebenfalls συνά̄ορος, συνήορος ‘zusammengekoppelt, Gatte, Gattin’ (seit Od.) mit dem Denominativum συνωρίζω ‘zusammenkoppeln’ (E., Nik. u. a.) und der Ableitung att. συνωρίς, -ίδος f. ‘Zweigespann’; von συνωρίς stammt συνωρικεύεται ‘fährt mit einem Zweigespann’ (Ar. Nub. 15), das als Grundlage erwartete *συνωρικός fehlt; von συνωρίς ebenfalls συνωριαστής ‘Lenker e-r συνωρίς’ (Luk.), das eigentlich ein Verb *συνωριάζειν voraussetzt. — Als Kontrastbildung zu συνήορος dient παρήορος, παρά̄σρος (Il. usw.) ‘beigeschirrt(es Pferd)’, außerdem ‘ausgestreckt’ und ‘unvernünftig’ (darüber Leumann Hom. Wörter 222ff.); ebenso scheint neben συναείρω ein παραείρω existiert zu haben, allerdings nur in einer abweichenden Verwendung belegt: Π 341 παρηέρθη δὲ κάρη ‘der Kopf hing zur Seite’, vgl. Leumann a. a. O. Auch die vereinzelt vorkommenden ἀπήορος ‘weit entfernt’, ἐπήορος ‘darüber hängend’, κατήσρος ‘herabhängend’ (mit κατωρίς ‘herabhängendes Band’) werden von Solmsen hierhergezogen, aber wenigstens die beiden letztgenannten gehören vielmehr mit μετήορος, μετέωρος zusammen, s. ἀείρω 1. und ἀήρ. — Zu ἀείρω ‘anbinden’ gehört mit regelmäßiger o-Abtönung das Nomen actioms ἀορτή eig. *‘das Anbinden, das Anhängen’, konkret ‘angebundener, angehängter Gegenstand, Sack (zum Anhängen)’ (Men. usw.), als mediz. Ausdruck Bez. der Bronchien und der schlauchähnlichen Aorta (Hp., Arist. u. a.). Ferner das Nomen agentis od. instrumenti ἀορτήρ, -ῆρος m. eig. *‘Anbinder, Anhänger’, ‘das Koppel an dem das Schwert hängt, Wehrgehenk’; der o-Vokalismus ist nicht erklärt: nach ἄορ (Schulze Q. 206) oder ἀορτή?, kaum äolisch. — Daneben ἀόρτης (Pap., H.) und ἀορτεύς (H.). Eine denominative oder deverbative Bildung liegt im Ptz. ἀορτηθείς ‘aufgehängt’ (AP) vor. — ἄσρτρα n. pl. ‘Lungenlappen’ (Hp.) nach den Nomina auf -τρον, Chantraine Formation 331f. Unsicher ἄορ, -ορος n. ‘Schwert’, s. d. — Hierher ἀρτάω ‘aufhängen’, s. d. Vgl. noch ὄαρ. Eine überzeugende außergriechische Anknüpfung fehlt. Gewöhnlich wird ἀείρω ‘anbinden’ zu einer Wurzel u̯er- ‘binden, anbinden, anhängen, Schnur, Strick’ gezogen mit Vertretern im Baltischen und Slavischen, z. B. lett. veŕu, ver̃t ‘reihen, sticken usw.’, auch ‘einfädeln’, lit. virvė̃ ‘Strick’, aksl. obora (< ob-vora) ‘Strick’. In Betracht kommt auch alb. vjer ‘aufhängen’ (falls nicht zu ἀείρω ‘emporheben’), ferner mit anl. su̯- lit. sveriù und eine Menge anderer Wörter, die ungenügend untersucht sind, s. die Zusammenstellung bei WP. 1, 263ff. m. Lit., für das Albanesische noch Jokl Untersuchungen 194. — Zur Vokalprothese in ἀείρω Harl KZ 63, 18. I-23-24
ἀέλιοι · οἱ ἀδελφὰς γυναῖκας ἐσχηκότες H., — αἴλιοι· σύγγαμβροι H., daneben εἰλίονες bei Pollux 3, 32 (οἱ δὲ ἀδελφὰς γήμαντες ὁμόγαμβροι ἢ σύγγαμβροι ἢ μᾶλλον συγκηδεσταὶ καὶ παρὰ τοῖς ποιηταῖς εἰλίονες), das metrische Dehnung von *ἐλίονες (bzw. *ἑλίονες) sein kann. In αἴλιοι könnte itazistische Schreibung für *ἔλιοι (*ἕλιοι) vorliegen; anl. ἀ- in ἀέλιοι wohl kopulativ. Urverwandt mit awno. svilar m. pl. ‘Schwäger, deren Frauen Schwestern sind’, idg. *su̯e-lo-, su̯e-lii̯o(n)-, l-Ableitungen vom Reflexivum *su̯e. Vgl. Specht Ursprung 166, außerdem Mezger Word 4, 99. I-24
ἄελλα, ep. ἀέλλη, äol. αὔελλα ‘Sturmwind’. Ableitungen: ’Αελλώ, -οῦς f. N. einer Harpyie (Hes.); ἀελλαῖος, ferner auch ἀελλάς ‘sturmschnell’ (S.), ἀελλήεις (Nonn.), ἀελλώδης (Sch. Il.). Hierher ferner der Vogelname ἀελλός (H.) und ἄελλον· ταχύ EM; zu bemerken auch ἀελλής (κονίσαλος Γ 13), vielleicht nach ἄελλα aus ἀολλής umgebildet. Retrogrades Verb: ἀέλλεται· πνεῖ EM. — Bildung wie θύελλα von ἄημι (vgl. ἀε-τμός), zunächst zu einer l-Ableitung, die auch im Keltischen belegt ist: kymr. awel f. ‘Wind, Hauch’ u. a. Grundform also *ἀϝελ-ι̯ᾰ bzw. -ι̯ᾱ, vgl. ἀείλη· πνοή H. I-24-25
ἄεμμα n. ‘Bogen’ (Kall.). — Falls eigentlich ‘Bogensehne’ (vgl. νευρά ‘Bogensehne’, auch ‘Bogen’), wahrscheinlich künstliche Zerdehnung aus ἅμμα ‘Knoten, Band’. — Über den EN ’Εχέμμας (Kall.), eig. Kurzname für ’Εχέ-μηλος od. ä., aber vielleicht als ἔχων ἄεμμα gedeutet, s. Ziegler RhM 87, 74ff. I-25
ἀέξω s. αὔξω, αὐξάνω. I-25
ἄεπτος poet. Adj. unsicherer Bedeutung, vgl. ἄεπτον· ἰσχυρόν, ἀοίκητον (Abresch ἄθικτον) H. — In der Überlieferung durch ἄαπτος (s. d.) oder ἄελπτος (A. Supp. 908, Ag. 141 usw.) zurückgedrängt. Herkunft unsicher; neben ἔπος erwägt Wackernagel Stud. itfilcl. 5, 27ff. Verwandtschaft mit ἕπω ‘besorgen’. I-25
ἀεροπός · κοχλίας H. — Von Muller Mnemosyne 46, 153 erklärt als "aereis pedibus praeditus", von idg. *ai̯os ‘Bronze’. Unwahrscheinlich. Vgl. ἠερόφωνος. I-25
ἄεσα ‘zubringen’. ep. Aor., immer mit νύκτα(ς) verbunden, Dazu Präsens ἀέσκω, ἀέσκοντο (Hdn., H., EM). — Zu aind. vásati ‘verweilen’, got. wisan ‘sein’, arm. gom ‘ich bin’ usw. (L. Meyer KZ 22, 530ff.), fraglich dagegen heth. ḫuiš-zi ‘er lebt’ (Kuryɫowicz Ét. indo-eur. 74). Über das (prothetische?) ἀ- Solmsen Unt. 267. Die ursprüngliche Form ἄϝεσ-σα glaubt Bechtel Lex. in der Variante ἀέσσαμεν π 367 erkennen zu können. Vgl. ἄστυ, ἑστία. I-25
ἀεσίφρων (Hom., Hes.), — falsch für ἀασί-φρων ‘geschädigt am Verstande’ Buttmann Lexilogus 1, 212, Bechtel Lexilogus s. v. mit antiken Gewährsmännern. Davon ἀεσιφροσύνη (Hom., Hes.). Zu ἀάω; vgl. ἀασι-φόρος· βλάβην φέρων H. I-25
ἄζετον · ἄπιστον. Σικελοί H. Davon der Konjunktiv ἀζετωθέωντι (Delphi, SGDI 2034, 17). — Unerklärt. Vgl. Fraenkel Gnomon 21, 39, Hermann Mélanges Boisacq 1, 467. I-25
ἀζηχής, -ές Bei H. auch ἀζαχές und ἀζεχές· ἀδιάλειπτον. ‘ἄπαυστος, συνεχής, unablässig’ (Hom.). — Vgl. Suidas ἀζηχές· ἀδιεχές. Aus *ἀζαεχής, das überall bei Homer zulässig ist und für *ἀ-δια-εχής stehen kann. Schulze Q. 471, Bechtel Lex. I-25
ἄζον · μέλαν, ὑψηλόν H. — v. Blumenthal Hesychst. 33 schlägt ansprechend vor, statt μέλαν μέγαν zu lesen; sein Erklärungsversuch (aus *αγ-ι̯ον, zu ἄγαν und μέγας) ist dagegen sehr fraglich. I-25
ἄζω 1. ‘trocknen, dörren’ (poet. seit Il.); daneben ἄζα ‘Trockenheit, Hitze’ (hell. Dichter); im Ausdruck σάκος ... πεπαλαγμένον ἄζῃ (χ 184) gewöhnlich als ‘Rost, Schimmel’ erklärt. Bildungsweise und Verhältnis zu ἄζω unklar. — Ableitungen: ἀζάνομαι (h. Ven.), ἀζαίνω (Nik.) ‘austrocknen’, beide deverbativ. Adj. ἀζαλέος ‘dürr’ (Il. usw.), vgl. ἰσχαλέος, αὐσταλέος und andere Synonyme; das l-Suffix steht vielleicht mit dem n-Suffix in ἀζάνομαι, ἀζαίνω in Verbindung (Debrunner IF 23, 4 und 43, Chantraine Formation 253f.). — Über ἄδδαυον s. d. Ihre nächsten Verwandten haben ἄζω und ἄζα in čech. apoln. ozd ‘Malzdarre’, čech. slov. ozditi ‘Malz dörren’, idg. azd-. Daneben mit gutturalem Auslaut german. Wörter wie got. azgo, ahd. asca ‘Asche’. Idg. ā̆s- erscheint u. a. in lat. āreo ‘trocken sein’, wohl auch in āra, alat. āsa ‘Altar’ (wozu vielleicht auch heth. ḫašša- ‘Herd’ nach Pedersen Hittitisch 164), aind. ā́sa- m. ‘Asche, Staub’. Das nähere Verhältnis dieser Wörter zueinander ist nicht aufgeklärt; Spekulationen bei Specht Ursprung 201, 219, 232. Weitere Lit. bei Bq und Pok. 69. — Anders über ἄζα Fraenkel bei Winter Prothet. Vokal 7, Glotta 32, 22, Lexis 3, 55f. S. auch ἄσβολος. I-25-26
ἄζω 2. ‘seufzen, stöhnen’, s. ἆ Interjektion. I-26
ἀηδών, -όνος f. (m.) ‘Nachtigall’ (seit Od.), auch ἀηδώ, -οῦς f. (S. und Ar. in lyr.), aus *ἀϝηδών (ἀβηδόνα· ἀηδόνα H.). Ableitungen: ἀηδονίς f. (E. usw.), ἀηδονιδεύς m. (Theok. 15, 121 nach Valckenaer für ἀηδονιεύς), ἀηδόνιος (A., Ar.). — Zu ἀείδω, αὐδή; die näheren Beziehungen sind nicht festzustellen. Ansprechend ist der Vorschlag Solmsens Unt. 238, 266, ἀϝηδ-ών als Dehnstufe der in αὐδ-ή durch Schwundstufe vertretenen Wurzel (a)u̯ed- zu betrachten. Dann wäre ἀηδ-ών von χελι-δών, τενθρ-ηδών usw. morphologisch zu trennen. Anders Specht, s. ἀείδω. I-26
ἄημι ‘wehen’ (ep. poet.). Zum Formenbestand Schwyzer 680. Ableitungen: ἀήτη f., ἀήτης m. ‘Wind’, vgl. Leumann Hom. Wörter 268 A. 13; dazu noch die selteneren und ebenfalls poetischen ἄημα, ἄησις. Auf ein t-Suffix geht auch ἀήσ-υρος ‘luftig, windschnell usw.’ (poet.) zurück, vgl. aind. vātula- ‘windig’. Eine sekundäre Ablautstufe ἀε- (aus ἀϝε-, vgl. unten) liegt wahrscheinlich vor in ἀετμόν· τὸ πνεῠμα, woraus ἀτμός, s. d.; ebenso in ἄελλα, s. d. Neubildung ἄος· πνεῦμα ἢ ἄημα (cod. ἴαμα) H. Unverwandt dagegen ἀήρ. — ἄημι ist ein altes athematisches Präsens, bis auf ἀ- mit aind. vā́-ti ‘wehen’ identisch. Vgl. noch die germ. und slav. Wörter für ‘wehen’, got. wai-an, ahd. wā-jan, wāen, aksl. vě-jǫ. Neben der griechischen Ableitung auf -tā- in ἀήτη steht im Indoiranischen ein Substantiv auf -to-, aind. vā́-ta- m. ‘Wind’. Dafür bieten mehrere Sprachen eine (urspr. partizipiale?) Bildung auf -nt(o)- wie lat. ventus, got. winds, toch. A want, heth. ḫuu̯ant- ‘Wind’ mit anlautendem Laryngal (= ἀ- in ἄημι?). Näheres bei Solmsen Unt. 270ff., Persson Beiträge 7ff. mit teilweise unsicheren Verknüpfungen, Pok. 81ff. I-26-27
ἀ̄ήρ, ἠέρος ‘Nebel, Gewölk’ (so immer Hom., vgl. Louis Rev. de phil. 74, 63ff., Hes.) m. gew. ‘(niedere) Luft’ (ion. att.). Der Nominativ ἀ̄ήρ durch Dissimilation (Brugmann IF 38, 117), davon att. Gen. ἀ̄έρος; später ion. Nom. ἠήρ. Äol. αὔηρ, dor. ἀβήρ (= αὐήρ) H. f. Ableitungen: ἠερόεις, ἠεροειδής ‘dämmerig, umwölkt’; ferner αὔρ-α ‘frische Luft, leiser Luftzug’ (ε 469 usw., poet.). — ἀήρ gehört nicht zu ἄημι, sondern ist ein Wurzelnomen unbekannter Herkunft. Nach Meillet BSL 26, 7ff. eig. ‘suspension’, zu ἀείρω ‘emporheben’ (s. d.); Bedenken bei Frisk Eranos 32, 51ff. S. auch Fraenkel Glotta 32, 23. I-27
ἀήσυλος (ἅπ. λεγ. Ε 876 ἀήσυλα ἔργα). — Wahrscheinlich Umbildung von αἴσυλος ‘frevelhaft’ (αἴσυλα ῥέζειν Ε 403 usw.) nach unbekanntem Vorbild (ἄημι?, ἀήσυρος?). Andere Erklärungen bei Bechtel Lex. und Brugmann Sächs. Ber. 1901, 94. I-27
ἄητος in θάρσος ἄητον Φ 395 (θ. ἄᾱτον Q. S. 1, 217). — Vgl. H. ἄητοι· ἀκόρεστοι, ἄπληστοι, ἀήτους· μεγάλας. Hdn. Gr. 1,220 ἄητος· ὁ ἀκατάπαυστος. Die Erklärung durch ἀκόρεστοι, ἄπληστοι läßt auf Assoziation mit ἄμεναι, ἆσαι schließen; von ἄατος, ἆτος unterscheidet sich ἄητος somit durch die (sekundäre?) Verlängerung des Vokals. Vgl. auch αἴητος. I-27
ἀθᾰ́ρη (alte Kom.), auch ἀθήρη, -α f. (Hellanik., Sophr. usw.; von ἀθήρ beeinflußt?) f. ‘Weizenbrei, Speltgraupen’. Davon ἀθαρώδης (Ruf. Med.) und ἀθήρωμα ‘Art Geschwulst’ (Gal.). — Unerklärt; nach Plin. N. H. 22, 121 ägyptisch. Anschluß an ἀθήρ scheint weder lautlich noch begrifflich möglich zu sein. I-27
ἀθέλγειν · ἀμέλγειν H., EM. (ἐξ)αθέλγεται (Hp.), von Gal. mit παρίεται, διεκλύεται erklärt. — Erinnert an ἀθελβάζειν· διηθεῖν (H.), ἀθέλβεται· διηθεῖται (AB), ἀθέλδεται· διηθεῖται (Diokl. Com.) usw., s. Fick BB 16, 287, 290; 18, 142 und Solmsen Wortforschung 9 A. 1. Wegen ἀθέλβω erwägt Solmsen für ἀθέλδω eine Grundform *ἀθελgu̯-ι̯ω, doch liegen vielmehr verschiedenartige Kontaminationen vor, ebenso wie ἀθέλγω im Auslaut offenbar vom bedeutungsverwandten ἀμέλγω beeinflußt wurde. Im übrigen dunkel. I-27
ἀθερίζω ‘gering achten, verachten’ bei Homer nur im Präsensstamm u. zw. immer mit Negation; später auch im Aorist und in bejahenden Sätzen. Dazu ἀθέριστος· ἀφρόντιστος Zonar., A. Fr. 128 (cod. -ιτον). — Nicht sicher erklärt. Seit Leo Meyer Vgl. Gramm. 2, 23 oft aus einem *ἄθερος = aind. ádhara- ‘unten befindlich’ hergeleitet, s. Bechtel Lex. Persson Beiträge 52 vergleicht ansprechend ἀθερές· ἀνόητον, ἀνόσιον H. und erwägt Verwandtschaft mit aind. dhar- ‘festhalten, tragen’ usw. (s. θρόνος). I-27-28
’Αθήνη ep. poet.; dor. usw. ’Αθάνα, gemeinhellenische Stadtgöttin, die aus der gewappneten Palastgöttin der mykenischen Zeit hervorgegangen ist und letzten Endes auf eine hausschützende Schlangengöttin der minoischen Zeit zurückgeht. Nach der Göttin wurde die Stadt ’Αθῆναι, dor. ’Αθᾶναι, benannt. — Davon ’Αθηναῖος ‘athenisch, Athener’ (seit Il.) mit dem substant. Fem. ’Αθηναία, -η, das auch als Name der Göttin vorkommt (88mal im Epos). Daraus (über ’Αθηνάα) durch Kontraktion die attische Form ’Αθηνᾶ. — Wie die Göttin ist auch ihr Name vorgriechisch und unerklärt. Ausfuhrliche Darstellung bei Nilsson Gesch. d. griech. Religion 1, 433ff. mit weiterer Lit., außerdem Kretschmer Glotta 27, 243ff. m. Lit. — Verfehlt v. Windekens Le Muséon 63, 99ff. I-28
ἀθήρ, -έρος ‘Granne an der Ähre, Achel, Spreu’, auch ‘Schneide, Spitze einer Waffe’ (seit Hes.), ἀθηρηλοιγός ‘Worfschaufel’ (eig. "Achelverderber"?; Od.). m. Ableitungen: ἀθερίνη f., -ῖνος m. ‘Art Stint, Atherina hepsetus’ (Arist. usw.), vgl. Chantraine Formation 204, Thompson Fishes s. v.; ἀθερηΐς, -ίδος f. ‘stachelig’ (Nik.), ἀθερώδης (Thphr.). — Neben ἀθήρ stehen einige Wörter mit Nasal in ähnlichen Bedeutungen: ἀνθέριξ, -ικος m. = ἀθήρ, auch ‘Ähre, Halm’ (Il. usw.), ἀνθέρικος m. ‘Stengel des Asphodelos, Asphodelos-Pflanze’ (alte Kom., Thphr. usw.), davon ἀνθερικώδης (Thphr.). Mit dem ortsbezeichnenden Suffix -εών: ἀνθερεών, -ῶνος m. ‘Kinn’ (Il. usw.). Hinter ἀνθέριξ und ἀνθερεών liegt vielleicht ein Nomen ἀνθερο- (Bechtel Lex. s. ἀνθερεών, Krogmann Glotta 23, 220ff., der als Bedeutung ‘hervorragend’ ansetzt und auch ἄνθος anschließt, idg. andh- ‘hervorragen’; unbeweislich). — In Betracht kommen ferner ein paar Namen der Wespe oder Waldbiene: ἀνθρήνη, ἀνθρηδών, s. d. — Vgl. noch ἄνθρυσκον und ἄνθρωπος. — Etymologie unbekannt. Ob die nasalierten Formen durch volksetymologische Anknüpfung an ἄνθος zu erklären sind, bleibt unsicher; noch zweifelhafter ein idg. Ablautwechsel andh- : n̥dh- (> gr. ἀθ-). Frühere Erklärungsversuche bei Bq und WP. 1, 45; vgl. auch W.-Hofmann s. ador, das schwerlich mit ἀθήρ verwandt ist. I-28
ἀθραγένη Pflanzenname, ‘Clematis vitalba’ (Thphr.). — Morphologisch ganz dunkel. Das Vorderelement ἀθρα- erinnert an das folgende Wort und würde zu einem Schlinggewächs nicht schlecht passen. Andere Deutungsversuche bei Strömberg Pflanzennamen 108. I-28
ἄθρας · ἅρμα. ‘Ρόδιοι H. — Mit aind. vandhúra- m. ‘Wagenkorb (aus Geflecht)’ zu nhd. winden und verwandten Wörtern (WP. 1, 261). Idg. u̯endh- : u̯n̥dh- (> gr. [ϝ]αθ-). Lidén Streitberg-Festgabe 227. — Nach Bănăt̨eanu REIE 3, 149 dagegen kleinasiatisch. — Vgl. κάνναθρον. I-29
ἀθρέω ‘betrachten, anschauen, erwägen’ (seit Il., vorw. poet.). Ohne Ableitungen; nur von ἀν-, δι-αθρέω finden sich vereinzelt ἀν-, δι-άθρησις. — Nicht sicher gedeutet. Seit Ahrens Kl. Schriften 1, 447 und Fick4 1, 468 oft mit ἐνθρεῖν· φυλάσσειν H. zusammengestellt, wozu ferner θρήσκω· νοῶ H., θρησκεύω usw. Hoffmann Festschrift Bezzenberger 78f. geht von einem Nomen *ἀ-θρ-ος ‘auf ein Ziel gerichtet, loshaltend’ aus, das idg. dher- ‘halten’ (s. θρόνος) und α copulativum enthalten soll. Vgl. ἀθρόος. — Über Gebrauch und Bedeutung von ἀθρέω handelt Prévot Rev. de phil. 61, 246f. I-29
ἀθρόος und (att.) ἁθρόος (spiritus asper wiederhergestellt nach ἅπας, ἅμα) ‘zusammengedrängt, versammelt, insgesamt’ (seit Hom.). Davon ἀθροίζω (ἁ-) ‘versammeln’ (ion. att.) mit den Verbalnomina ἄθροισις, ἄθροισμα, -σμός und dem Adj. ἀθροιστικός vorw. Grammatikerterminus ‘kopulativ, kollektiv’. — Den besten Vergleich bietet aind. sadhríy-añc- ‘nach einem Ziele hingerichtet, vereinigt’ (Brugmann Totalität 14ff.); vgl. ἀθρέω, θρόνος. Die Bildungsweise von ἀθρόος ist aber nicht genügend aufgeklärt (abzulehnen Brugmann IF 38, 135ff.: *ἁ-θρο-ι-ος eig. ‘zusammenhaltend gehend’). — Risch 179 vergleicht ἀλλό-θροος; urspr. also "zusammenrufend"? I-29
ἀθύρω ‘spielen, sich belustigen’, vorw. poet. seit Il., nur im Präsensstamm. Ableitungen: ἄθυρμα ‘Spiel, Unterhaltung’ (seit Il.), im Plur. auch ‘Schmucksachen’, mit dem Deminutivum ἀθυρμάτιον. Ein Deverbativum ist ἀθυρεύεσθαι· παίζειν, μιγνύειν, σκιρτᾶν H. — Erwägenswert ist die Anknüpfung Perssons Beiträge 577 A. 1 an eine besonders im Baltischen und Slavischen vertretene Sippe, z. B. lit. padùrmai ‘mit Ungestüm’, russ. durь ‘Torheit’, idg. dhu̯er- ‘wirbeln, stürmen, eilen’. Das ἀ- wird gewöhnlich als Schwundstufe von idg. *en ‘in’ betrachtet. Vgl. θέω, θύω, θοῦρος. I-29
αἶα f. ‘Erde’ (poet. seit Il.). Ohne Ableitungen. — Nach Brugmann IF 15, 94ff., 29, 206ff. eigentlich ‘Mutter’ und mit lat. avia identisch, vgl. EM 27, 24 αἶα· ὑπὸ Κυρηναίων τηθὶς καὶ μαῖα. Sehr unsicher. Noch zweifelhafter Jacobsohn KZ 38, 295f., Philol. 67, 484f.: zu aind. sasyám ‘Feldfrucht’, kymr. haidd ‘hordeum’. Vgl. γαῖα und μαῖα; dazu Güntert Reimwortbildungen 126f. I-29
αἰάζω ‘ächzen, jammern, klagen’ (Tragg. u. a.). Davon αἴαγμα ‘das Ächzen’, αἰακτός ‘zu bejammern’, αἰαστής eig. ‘der Jammerer’, N. der Pflanze ὑάκινθος (Nik.). — Eig. ‘αἰ(αῖ) rufen’, von der Interjektion αἴ, die mit ähnlichen Bildungen in anderen Sprachen elementarverwandt ist. I-30
αἰᾱνής, ion. αἰηνής ‘grausig, düster’ (poet., ion. att.), im Sinn von ‘ewig’ (A., Lyk.) nach αἰεί umgedeutet. — Mehrere Deutungsvorschläge. Nach Wackernagel Verm. Beiträge 7 aus *σαιϝ-ᾱνής ‘mit grausigem Antlitz’ (: lat. saevus und ein Wort für ‘Antlitz’, s. ἀπηνής). Anders, weit unwahrscheinlicher, Froehde BB 7, 325, Flensburg Die Basis TER- 52ff., Prellwitz Glotta 19, 98 u. 104. I-30
Αἴας, -ντος N. von zwei homerischen Helden, 1. Αἴας Τελαμώνιος, A., Sohn des Telamon, Königs von Salamis, 2. Αἴας ’Οιλῆος, A., Sohn des Ofleus, Anführer der Lokrer. — Zur lat. Namensform Aiax (durch oskische Vermittlung?) s. Friedmann Die jon. u. att. Wörter im Altlatein 10f. m. Lit. — Nach Ansicht mehrerer Forscher (s. Kretschmer Glotta 15, 192f.) war Αἴας ein alter Erdgott; der Name wäre somit aus αἶα abzuleiten (vgl. Τελαμών — Τάνταλος — Ἄτλας). Nach Blumel IF 43, 2 72f. wäre Αἴας von αἶα in der ursprünglichen Bedeutung von ‘Mutter’ gebildet: Αἴας ‘Sohn der echten Frau, der Mutter’, im Gegensatz zu Τεῦκρος ‘Sohn der Kebse’ (τεῦχρος· ἀδελφὸς νόθος H.). S. auch Danielsson IF 14, 386ff., Kretschmer Glotta 33, 12f. I-30
αἰγανέη f. ‘Wurfspieß’ (Hom., AP). — Herkunft unbekannt. In formaler Hinsicht stimmt αἰγανέη zu den Baumnamen und Tierhautbezeichnungen auf -έη, -έα, μηλέη, πτελέη, κυνέη usw. (Chantraine Formation 91f.). Falls αἰγανέη nach dem Materiale benannt worden ist, bietet sich mit Schrader KZ 30, 461f. zum Vergleich der Name der Eiche, urg. *aik-, idg. *aig-, der sich auch in αἰγίλωψ (s. d.) und lat. aesculus verbergen kann. Unerklärt bleibt dabei das Element -αν-; Grundwort *αἴγανος wie πλάτανος? — Dagegen faßt Thumb IF 14, 345 αἰγανέη als Ableitung eines Nomens *αἴγανον ‘das Werfen, Wurfgeschoß’ (Bildung wie δρέπανον) mit Anschluß an idg. aig- ‘(sich) heftig bewegen’ (aind. éjati), das u. a. in αἶγες· κύματα (s. αἴξ) gesucht worden ist. — Wieder anders Bechtel Lex. (nach Düntzer: zu αἰχμή). [KN.: Ausführlich und anders jetzt S. Laser Gymnasium 60, 115ff.] I-30
αἴγειρος f. ‘Schwarzpappel’ (vorw. ep. und poet.). Abl. αἰγειρών ‘Pappelhain’, αἰγείρινος, αἰγειρίτης ‘zur Pappel gehörig’ (alle hell. und spät). — Die Zusammenstellung mit αἰγίλωψ, αἰγανέη (Schrader KZ 30, 461) kommt über eine allgemeine begriffliche und lautliche Ähnlichkeit nicht hinaus. Unwahrscheinlich über die Stammbildung Specht Ursprung 165 (αἴγει-ρος?). Nach Sommer IF 55, 260 ist αἴγειρος wie αἴγιθος und zahlreiche Eigennamen mit Αἰγ- (Αἴγινα, Αἰγαί usw.) vorgr.-kleinasiatisch. Wieder anders Winter Prothet. Vokal 46f. I-30-31
αἰγιαλός m. ‘Gestade’, auch als ON, z. B. die Küste von Achaja (seit Hom., ion. att. ). Ableitungen: αἰγιάλειος, αἰγιαλεύς, αἰγιαλικός, -λίτης, -λώδης, seit hell. Zeit belegt (Αἰγιαλεῖς als Name der Küstenbewohner von Achaja Hdt.). — Wird gewohnlich mit αἶγες· τὰ κύματα. Δωριεῖς H. (vgl. auch Artem. 2, 12: καὶ γὰρ τὰ μεγάλα κύματα αἶγας ἐν τῇ συνηθείᾳ λέγομεν) in Verbindung gebracht. Das Hinterstück wäre nach Hirt IF 37, 229f. Gen. von ἅλς und das Ganze aus einer Verbindung ἐν αἰγὶ ἁλός ‘an der Brandung des Meeres’ verselbständigt. Anders Kretschmer Glotta 27, 28f. mit Bechtel Lex.: zu ἅλλομαι als sog. Zusammenbildung wie ὠκύαλος, "von den am Strande sich brechenden Wellen". Von den morphologischen Schwierigkeiten abgesehen, setzen diese Erklärungen voraus, daß αἶγες = κύματα ein besonderes Wort sei und nicht einfach ein metaphorischer Gebrauch von αἴξ ‘Ziege’. — Ägäisch? (Chantraine Formation 248); vgl. zu αἴγειρος. I-31
αἰγίθαλλος, -θᾱλος m. ‘Meise (Parus)’ (Ar., Arist. usw.). Von αἴγιθος (αἰγίοθος) ‘Hänfling?’ (Arist. u. a.) nicht zu trennen; — Ursprung unbekannt. Vgl. Thompson Birds s. vv. I-31
αἰγίλιψ (πέτρη, λισσάς; ep. poet.). ‘hoch, steil’ — Seit Uljanov (s. Solmsen Untersuchungen 73 A. 1) wird -λιψ, gewiß richtig, mit lit. lìp-ti zusammengestellt und das Ganze als ‘(nur) von Ziegen erkletterbar’ gedeutet, was weit zweifelhafter erscheint. Vgl. ἄλιψ· πέτρα H., wohl eigentlich ‘unersteiglich’; das anscheinende Simplex λίψ· πέτρα ἀφ’ ἧς ὕδωρ στάζει dürfte aus dem Kompositum abstrahiert sein (Solmsen, vgl. Persson Beiträge 152 m. A. 1). Verfehlt Wecklein MünchSb 1911 : 3 (s. WP. 2, 403, Kretschmer Glotta 5, 302). — Seiner Bildung nach erinnert αἰγί-λιψ an αἰθί-οψ. I-31
αἰγίλωψ, -ωπος m. — Als Name einer Eichenart wird αἰγίλωψ allgemein mit dem Stammelement in αἰγανέη und αἴγειρος verglichen. Der Ausgang -λωψ wird von Kretschmer Glotta 3, 335 zu λώπη ‘Schale, Rinde’ gezogen (vgl. auch H. λώψ· χλαμύς), indem er an eine schon von Cuny IF 26, 21ff. zitierte Pliniusstelle erinnert (Hist. nat. 16, 6, 13): aegilops fert pannos arentes ... non in cortice modo, verum et e ramis dependentes. Andere Versuche mit dem Worte zurechtzukommen: Cuny a. a. O., Pisani Rend. Acc. Lincei 6 : 4, 351ff., beide unannehmbar. Über αἰγ- noch Specht Ursprung 89, KZ 68, 196 (phantastisch: zu αἰ(ϝ)ών mit Wechsel u̯ : g). — Strömberg Pflanzennamen 137 will nach Senn αἰγίλωψ von αἴγιλος ‘Flughafer’ (Theok., Babr.), eig. ‘Ziegenpflanze’, ableiten, was indessen nur auf αἰγίλωψ in derselben Bedeutung passen würde. eine Eichenart (Thphr.), auch ‘Flughafer’ (Thphr. u. a.), außerdem ‘Tränenfistel’ (Dsk., Gal.; zur Bedeutung Strömberg Pflanzennamen 87). I-31-32
αἰγίς f. ‘Ziegenfell’ (E. Kyk., Hdt. 4, 189); — Bildung wie νεβρίς usw., Locker Glotta 22, 71. Gewöhnlich (Il. usw.) Bezeichnung des Schutzmantels oder des Harnisches des Zeus und der Athena, der auch als Schild gebraucht wird. Bei dem Schütteln der αἴγις erschrecken Götter und Menschen. Nachhomerisch wird αἰγίς auch im Sinn von ‘Sturmwind’ gebraucht, z. B. A. Ch. 593 (lyr.). In dieser Bedeutung ist αἰγίς wahrscheinlich von ἐπ-αιγίζω ‘einherstürmen’ (vom Winde; Β 148, ο 293 usw.) beeinflußt. Neben ἐπ-αιγίζω auch κατ-αιγίζω ‘herabstürmen’ (A., spät); davon als retrograde Bildung καταιγίς ‘Fallwind’ (Demokr. usw.). Beide Verba lassen sich als Metaphern erklären. Schon Hdt. 4, 189 betrachtet die Aigis der Athene als ein Ziegenfell, eine Auffassung, die von vielen neueren Forschern mit Recht verteidigt worden ist. — Eine andere Deutung (s. zuletzt Kretschmer Glotta 27, 28) leitet αἰγίς von einem Verb *αἴγω her = aind. éjati ‘sich bewegen, erbeben’, wozu außer αἴγλη auch αἶγες· τὰ κύματα H. gehören soll. Auch Thumb IF 14, 314ff. geht von idg. aig- ‘schütteln’ aus (vgl. αἰγανέη), das aber volksetymologisch mit αἴξ und anderen Wörtern zusammengeworfen wäre. Zu αἰγίοχος Epithet des Zeus (Il. usw.) vgl. γαιάϝοχος. I-32
αἴγλη 1. f. ‘Glanz’ (ep. poet.). Ableitungen: αἰγλήεις ‘glänzend’ (ep. poet.), αἰγλάτας, -ήτης Beiname des Apollon (Inschr. Anaphe, Thera; A. R.); αἰγλάζω ‘glänzen’ (Man.). — Von Bechtel Üb. die Bezeichnungen der sinnl. Wahrnehmungen 119 und Thumb IF I4, 343f. mit aind. éjati ‘sich bewegen, erbeben’ (vgl. αἰγανέη) verbunden. Dann muß die Ähnlichkeit zwischen ’Απόλλων ’Ασγελάτας (Anaphe) und ’Απόλλων Αἰγλάτας (Anaphe, Thera) auf Zufall beruhen, oder aber das Appellativum αἴγλη ist vom Eigennamen Αἴγλα aus *Ἄσγλα (vgl. v. Wilamowitz Isyllos von Epidauros 92ff.) zu trennen. Falls wiederum ’Ασγελάτας mit αἴγλη zusammenhängt, steht dieses für urspr. *ἄσγλα; zum Lautlichen Schwyzer 276. Bechtels Versuch, Lex. s. v. (vgl. auch Prellwitz BB 23, 67 und Winter Prothet. Vokal 47), darin eine Zusammensetzung mit der Wurzel in γελάσαι zu sehen, ist schon wegen des dabei unaufgeklärten ersten Elementes anfechtbar. Vgl. auch seine Bemerkungen Dial. 2, 551f. I-32
αἴγλη 2. ‘Ring’. — Von Lewy KZ 59, 188ff. aus αἴγλας· ἀμφιδέας καὶ ψέλια. τὰ περὶ τὴν ὕνιν τοῦ ἀρότρου H.; αἰγ<ί>λια· δακτυλίδια H. und anderen lexikalisch belegten Wörtern erschlossen und aus hebr. ‘āgīl ‘(Ohr)ring’ als LW erklärt. Hypothetisch. In einigen der von Lewy angeführten Fälle kann es sich sehr wohl um metonyschen Gebrauch von αἴγλη ‘Glanz’ handeln. I-32-33
αἰγυπιός m. ‘Geier’ (vorw. poet.). — Kann von aind. r̥ji-pyá- Beiwort des Raubvogels śyená- (‘Adler, Falke’), aw. ərəzi-fya- m. ‘Adler’ (vgl. ἄρξιφος· ἀετὸς παρὰ Πέρσαις H.), arm. arciw, Gen. arcui (< *arci-wi) ‘Adler’ nicht getrennt werden. Die Form ergab sich durch volksetymologische Umwandlung nach αἴξ und nach γύψ (ein Vorderglied ἀργυ- = aind. r̥jú- anzunehmen, ist nicht notwendig). Brugmann IF 17, 361ff., wo auch eine unhaltbare Vermutung über das dunkle Hinterglied (zu ἐπιέναι; zum Vorderglied vgl. 1. ἀργός und ὀρέγω) ausgesprochen worden ist. Anders Pisani Rend. Ist. Lomb. 77, 539ff. Vgl. Thompson Birds s. v. I-33
αἰγωλιός oder αἰγώλιος m. N. einer Eulenart (Arist. u. a.). Daß die Lesart αἰτώλιος (Arist. ΗΑ 563a 31) unrichtig ist, geht aus den heutigen unteritalischen Formen agoléo usw. hervor; Rohlfs ByzZ 37, 55. — Etymologie unbekannt. Vgl. Thompson Birds s. v. I-33
ἀΐδηλος, -ον ‘verhaßt, verderblich’, auch (vorw. spät) ‘unsichtbar, dunkel’ (ep. poet. seit Ilias). — Zusammenbildung aus α privativum und ἰδεῖν mit ηλο-Suffix, also eig. ‘nicht anzusehen’. Unrichtig Bechtel Lex. und Frisk Adj. priv. 7 (nach Buttmann) *‘unsichtbar machend’ aus denominativem *ἀϝιδέω. Wieder anders Risch 101 und Thieme Studien 50 A. 3. I-33
Ἅιδης, -ου att., ’Ᾱΐδης jüngere ion. Poesie (Semon., Herodas), ’Ᾱΐδας, -α dor. (bei d. Tragg.); ’Ᾰΐδης, ’Ᾰΐδας, -αο, -εω ep. poet. Neben dem ā-Stamm kommen im Epos und in hellenist. Poesie auch Formen eines kürzeren Konsonantstammes Ἄϊδ- vor: Ἄϊδος, -ι, -α, wobei im Ausdruck Ἄ̄ϊδος εἴσω (vereinzelt auch sonst) der Anlautvokal metrisch gedehnt wird (dagegen z. B. ’Ᾰ́ϊδόσδε βεβήκει). Die u. a. von Thieme Studien 35ff. vertretene, an und für sich verlockende Annahme, der Konsonantstamm bezeichne ursprünglich die Unterwelt, der davon abgeleitete ā-Stamm dagegen den Gott der Unterwelt, läßt sich nicht ohne Willkür aufrechterhalten, s. Nilsson Gesch. der griech. Religion 1, 426. Ableitung: ’Αϊδωνεύς ep. poet., ohne erkennbaren Unterschied gegenüber dem Grundwort; vgl. Risch 145. Gott der Unterwelt bzw. die Unterwelt — Die Erklärung dieses schwierigen Wortes, das den Gott der Unterwelt bzw. die Unterwelt bezeichnet, dessen eigentliche Bedeutung indessen unbekannt ist, hängt vor allem von der Beurteilung des Anlautes ab. Wenn man die Vokalkürze als ursprünglich betrachtet, was ohne Zweifel am meisten für sich hat, und außerdem die Aspiration für sekundär hält, bietet sich die Analyse ἀ-ϝιδ(-ᾱ)- mit einer seit dem Altertum (Pl. Grg. 493b, Kra. 403 a) angenommenen Bedeutung ‘unsichtbar’ (oder vielmehr ‘nicht anzusehen’, vgl. ἀΐδηλος, außerdem ἀϊδής, ἀϊδνός). Um der att. Aspiration gerecht zu werden, setzt dagegen Thieme a. a. O. eine Grundform *ἁ-ϝιδ- an, die mit aind. sam-vid- ‘sich zusammenfinden, sich vereinigen’ (auch auf das Totenreich bezogen) identisch wäre und eigentlich das Sichzusammenfinden der Väter im Jenseits bezeichnet hätte. Da ϝιδ- im Sinn von ‘finden’ im Griechischen sonst unbekannt ist, müsse es sich um einen aus der idg. Vorzeit ererbten Ausdruck und eine ebenso alte Vorstellung handeln. Diese beiden Deutungen setzen voraus, daß die Vokallänge in ’Ᾱΐδης, Ἅιδης sekundär sei (Verallgemeinerung der epischen Dehnung? Schwyzer 266; anders Solmsen Unt. 7 4ff.). — Umgekehrt betrachtet Wackernagel Verm. Beiträge 4ff., weniger wahrscheinlich, die Vokalkürze als sekundär und erhält dadurch Anschluß an lat. saevus. Wieder anders Smyth Ionic 102: zu αἶα (darüber Wackernagel a. a. O.); Danielsson IF 14, 387f.: zu αἰόλος, ἀΐσσω als "der Eilige, Ungestüme, Gewaltige", Bez. eines Todesdämons. Weitere Lit. bei Fraenkel Nom. ag. 2, 168f. m. A. 2. Der Ausdruck Ἄϊδος κυνέη ‘Tarnkappe’ (Ε 845 usw.) kann (trotz Lamer RE 11, 2519, J. Roeger ΑΙΔΟΣ ΚΥΝΕΗ, Diss. Graz 1924, Kretschmer Glotta 15, 175f., Thieme o. c. 42) schwerlich vom Namen des Unterweltsgottes getrennt werden, s. Nilsson o. c. 426f. m. A. 1. Man hat somit schon in epischer Zeit ’Αϊδ(-ᾱ)- mit der Vorstellung des Unsichtbaren verknüpft. I-33-34
αἴδομαι ‘sich scheuen, verehren’ seltenes und poet. primäres Verb (αἴδεο, αἰδόμενος, αἴδετο, Hom. usw., vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 310f.) neben dem gewöhnlicheren αἰδέομαι, s. unten). Von αἴδομαι, bzw. von einem älteren athematischen Verb stammt αἰδώς f. ‘Scheu, Ehrfurcht’ (Il. usw.); zur Bedeutung und Geschichte dieses wichtigen Begriffes R. Schulz Αἰδώς, Diss. Rostock 1910; von Erffa Αἰδώς und verwandte Begriffe in ihrer Entwicklung von Homer bis Demokrit (Philol. Supp. 30 : 2, 1937); über αἰδώς bei Homer Verdenius Mnemosyne 1944, 47-60. Von αἰδώς gehen aus: 1. αἰδοῖος (< -οσ-ιος) ‘Scheu einflößend, verschämt’ (ep. poet. seit Il.) mit dem substantivierten Ntr. τὸ αἰδοῖον, gew. Plur. τὰ αἰδοῖα ‘Schamteile’ (seit Il.), wovon αἰδοιώδης und αἰδοϊκός. 2. das Kompositum ἀν-αιδής ‘schamlos’ (seit Il.) mit ἀναίδεια usw. 3. αἰδέομαι (aus αἰδέσ-ιομαι, vgl. Fut. αἰδέσομαι und ἀναιδής, -ές) ‘sich scheuen, verehren’ aber auch ‘sich versöhnen’ (ion. att. seit Hom.). Zu αἰδέομαι gehört αἴδεσις ‘Verzeihung, Begnadigung’ (D., Arist., vgl. Holt, Les noms d’action en -σις 52f., 157 A. 1), αἰδεστός ‘ehrwürdig’ (Plu.) mit αἰδεστικός (Schol.); ferner αἰδήμων ‘verschämt, bescheiden’ (X., Arist. usw., Chantraine Formation 173) mit αἰδημονικός und -μοσύνη (spät, selten). Der nachklass. Prosa gehört αἰδέσιμος ‘wovor man Achtung und Scheu hat’, daneben αἰδήσιμος (Orph.), s. Arbenz Die Adjektive auf -ιμος 95f., 89; nach dem Sinn und den Belegen zu schließen wurde αἰδέσιμος direkt zu αἰδέομαι, nicht zu αἴδεσις geschaffen; von αἰδέσιμος (in byz. Pap. auch als Titel) αἰδεσιμότης (Pap.). 4. αἰδοσύνη = αἰδημοσύνη (AB, Phot.). — Unter der unbewiesenen, aber nicht unmöglichen Annahme, daß αἰδ- für idg. aizd- steht, wird αἴδομαι seit Solmsen IF 13, 137, Walde KZ 34, 522 u. a. gewöhnlich mit got. aistan ‘sich scheuen vor’ und weiterhin mit aind. īḍé (< *izd-) ‘preisen, verehren’ verglichen. Wenn man d als Determinativ abtrennt, kann man ferner nhd. Ehre und verwandte germ. Wörter einbeziehen. Weiteres bei WP. 1, 13, Pok. 16, W.-Hofmann s. aestimo. I-34-35
ἀΐδυλος · θρασύς (H., EM). — Wohl mit Schmidt aus ἀΐδηλος (Ε 897) entstellt. Anders Leumann Glotta 32, 218 A. 4. I-35
αἴδωσσα (cod. αἰδῶσσα) · τῆς αὐλῆς τὰ τειχία H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 5f. illyrisch für αἴθουσα. I-35
αἰεί (ion. poet.), αἰϝεί (Kypros, Lokris, Phokis), ἀεί (att., auch dreimal bei Hom., s. Wackernagel Unt. 146; über αἰεί bei Hom. noch Marg Charakter 51ff.) . ‘immer’ Ableitung ἀ̄ΐδιος ‘ewig’ (ion. att.), wovon ἀϊδιότης ‘Ewigkeit’ (Arist., hell.). — Aus *αἰϝέσ-ι, Lok. eines s-Stamms, der in derselben Funktion ohne Endung in αἰές (dor.) und im Akk. αἰῶ erscheint. Neben dem s-Stamm steht der n-Stamm in αἰέν ‘immer’ (ep. poet.) und αἰών (s. d.). Zu αἰεί, -έν s. auch Björck Alpha impurum 91 u. ö. — Die s- und n-Stämme sind Erweiterungen eines u-Stamms, der dial. vorliegen kann, z. B. äol. αἶι(ν), ἄϊ(ν) aus *αἰϝ-ι(ν), kypr. ὑ-ϝ-αΐς ‘für immer’, s. Schwyzer 619 m. A. 6, Fraenkel IF 60, 142ff. Der u-Stamm ist als solcher auch im Indoiranischen bewahrt, z. B. aind. ā́yu- n. ‘Lebensdauer’; daneben 1. ein n-Stamm, Lok. ā́yun-i, der mit αἰέν, αἰών vielleicht direkt zu verbinden ist (Meillet MSL 9, 368); 2. ein s-Stamm ā́yuṣ- n., vgl. αἰές usw. Hypothesen über die Verteilung der n- und s-Stämme bei Specht Ursprung 539; vgl. auch s. αἰγίλωψ. Neben idg. *āi̯u-n- (ā̆i̯u̯-en-), āi̯u-s- (ā̆i̯u̯-es-) stehen *ai̯u̯-o- und ai̯u̯-i- in lat. aevum, bzw. got. aiwi-ns (Akk. Pl.). Der o-Stamm ist auch in tarent. αἰή ‘immer’ (Instr.) vermutet worden; außerdem noch, aber schwerlich mit Recht, in δην-αιός, s. d. — Über den vermuteten Zusammenhang mit der Sippe von lat. iuvenis s. Danielsson Gramm. u. etymol. Studien 1, 49 A. 1, Johansson Beitr. zur griech. Sprachkunde 139, Benveniste BSL 38, 107. I-35-36
αἰέλουρος m. f. Tiername, wahrscheinlich ‘Kater, Katze’, nach anderer Auffassung ‘Wiesel’ (Hdt., Ar. usw.), auch αἴλουρος (Arist. u. a.). — Wohl Kompositum von αἰόλος (< *αἰελος) und οὐρά : ‘mit beweglichem Schwanze’, Buttmann Lexilogus 2, 68, Schmidt KZ 32, 324 nach EM 34, 8 αἴλουρος παρὰ τὸ αἰόλλειν καὶ ἀνάγειν τὴν οὐρὰν καὶ κινεῖν, was allerdings sehr wohl auf Volksetymologie beruhen kann. Anders, gewiß nicht besser, Ehrlich Betonung 128ff.: aus *ϝαιϝέρουρος dissimiliert, zu lat. vīverra ‘Frettchen’, lit. vaĩveris ‘Männchen von Iltis od. Marder’ usw.; noch anders Schrader KZ 30, 462, BB 15, 128. I-36
αἰετός, att. auch ἀ̄ετός m. (vgl. Schwyzer 266) ‘Adler’, auch metaphorisch als term. technicus, z. B. ‘Giebel(feld)’. Mehrere Ableitungen, z. T. mit technischer Bedeutung: ἀετιδεύς m. ‘junger Adler’ (Ael., Aesop.), ἀετίτης (λίθος, Ael. u. a.), ἀετώδης (Philostr. usw.), αἰετόεις (Opp.); αἰετιαῖος ‘zum Giebelfeld gehörig’ (Inschr.); außerdem die Substantive ἀέτωμα ‘Giebelfeld’ (Hp., att. Inschr.; vgl. Chantraine Formation I87), ἀέτωσις ‘Giebelung, gewölbtes Dach einer χελώνη’ (Ath. Mech., vgl. die gleichgebildeten Denominativa bei Chantraine Formation 279, Holt Les noms d’action en -σις 152). — Zunächst für *αἰϝετος = αἰβετός· ἀετός. Περγαῖοι H. Wohl aus *αϝι-ετός zu lat. avis mit sekundärem (augmentativem) ετο-Suffix wie in νιφετός, πυρετός u. a.; Schulze Kl. Schr. 75 A. 5, Schwyzer 501. I-36
αἰζηός, episches Adjektiv unbekannter Bedeutung (etwa ‘kräftig, rüstig’). auch αἰζήϊος, Nebenform αἰζήεις (Theopomp. Kol.), αἰζᾶεν· εὐτραφὲς βλάστημα H. — Trotz der eingehenden Behandlung von Danielsson De voce αἰζηός quaestio etymologica (Upsala 1892) unerklärt. Andere Deutungsversuche s. Bq. I-36
αἴητος nur als Attribut von πέλωρ Σ 410; Bedeutung unbekannt. — Vielleicht metrisch bedingte Variante von ἄητος, s. d. I-36
αἰθάλη ‘Ruß’ (Hp., E., hell.), αἴθαλος m. als Adj. = αἰθαλόεις Nik. Th. 659. f., Mehrere Ableitungen: αἰθαλόεις (poet. seit Il.) ‘rußig, räucherig, rauchfarben’, auch vom Licht des Blitzes wie E. Ph. 183 (lyr., ob = ‘feurig, brennend’?); αἰθαλέος ‘ds.’ (A. R., Nik.); αἰθαλίων, -ίωνος (Theok. 7, 138, Beiwort der τέττιγες, wohl farbenbezeichnend; wahrscheinlich metrische Verlängerung im Versschluß); αἰθαλώδης ‘ds.’ (Arist., Gal.). Unklar ist αἰθαλίδες· τὰ ἐν τῶ σίτῳ γινόμενα, ἢ τοὺς ἐν τῷ ὕδατι σταλαγμοὺς τοῦ ἐλαίου H. — Denonunatives Verb αἰθαλόω, -όομαι ‘rußig machen’ bzw. ‘werden’ (E., Lyk. u. a.); davon, oder direkt von αἴθαλος (vgl. ἀέτωσις s. αἰετός), αἰθαλώσεις ‘Rußwolken’ (Max. Tyr. 41, 4). — Von αἴθω. — αἴθαλος wird von Fick u. a. wenig wahrscheinlich mit ahd. ītal ‘eitel’, ags. īdel ‘idle’ zusammengestellt. I-36-37
αἰθήρ, -έρος f. m. ‘(reine) Luft, (klarer) Himmel’ (seit Hom.). Mehrere Ableitungen: αἴθρη, -ᾱ ‘ds.’ (poet.); αἰθρίη, -ία ‘heiterer Himmel, schönes Wetter’ — Eine alte Ablautform liegt vor in ἰθαρός ‘heiter’ (Alk. usw.).(ion. att.) neben αἴθριος, -ον ‘zum Himmel gehörig, heiter’ (ion. att.); die Neutralform αἴθριον neben dem Deminutivum αἰθρίδιον wird in der Kaiserzeit als volksetymologische Wiedergabe von lat. ātrium gebraucht. — αἶθρος ‘frische kühle Luft’ (ξ 318 αἴθρῳ καὶ καμάτῳ δεδμημένον), auch = αἴθριον (Pap.). Vgl. αἰθρεῖ· χειμάζει H., αἰθρινόν· πρωϊνόν H. Daneben mit (sekundärer?) Hochstufe des Suffixes: αἰθέριος ‘in der Luft befindlich, zum Himmel gehörig’ (Trag. usw.), außerdem die vereinzelt und spät vorkommenden αἰθερώδης, αἰθεριώδης, αἰθερίτης; αἰθερόομαι. — Über αἰθήρ und αἴθρη als Hinterglied (ὑπαίθριος, ὕπαιθρος) Sommer Nominalkomp. 151f. — Ableitung von αἴθω, wohl nach Muster von ἀήρ (Meillet MSL 26, 17); Schwyzer 480 : 9a vermutet in αἰθήρ ein altes Neutrum. Über das angebliche aind. *īdhríya- Frisk Nom. 1 1f. m. A. 2, wo auch über indische Verwandte von ἰθαρός. Das danebenstehende Verb ἰθαίνειν (A. D., H.) läßt auf einen r-n-Stamm schließen. I-37
αἴθω = αἴθομαι (seit Il., vorw. poet.), ‘anzünden’, vereinzelt intr. ‘brennen, leuchten’ nur Formen des Präsensstammes. Neben dem Verb stehen zahlreiche nominale Ableitungen, die z. T. altererbt sein können: αἶθος m. ‘Brand’ (E.) = aind. édha- m. ‘Brennholz’, ahd. eit m., ags. ād ‘Glut, Scheiterhaufen’; αἰθός ‘funkelnd, glühend’, auch ‘brandfarbig, dunkel’, vgl. Sommer Nominalkomp. 119f., wo auch über αἶθοψ ‘funkelnd, dunkelfarbig’ gegen Hoffmann Glotta 28, 66f. — αἶθος n. ‘Brand’ (A. R.) = aind. édhas- n. ‘Brennholz’. — αἴθων, -ωνος (seit Il.) = αἶθοψ, αἰθός. — αἴθουσα f. "die glühende" = ‘wo die Sonne glüht’, ‘Säulenhalle’ (ep.); αἴθυια f. N. eines von der Farbe benannten Wasservogels (s. Thompson Birds s. v.), auch Beiname der Athene, s. Kiock Arch. f. Religionswiss. 18, 127ff. mit den Einwendungen Kretschmers Glotta 9, 229f. — αἰθήεις ‘brandfarbig’ (Nik.), αἰθής ‘brennend’ (Kratin. 88, falls nicht = αἰθῆς aus αἰθήεις); αἴθινος (H., EM). — Als Vorderglied αἰθι- in Αἰθί-οψ "mit verbranntem Gesicht", Volksname, mit Αἰθιοπίς, Αἰθιοπία usw.; Ableitung auf -ῑκ- in Αἴθῑκες thessal. Volksname, eig. Farbenbezeichnung, Schulze Kl. Schr. 125f. Über die r- (r- : n-) und l-Ableitungen s. αἰθήρ und αἰθάλη. Eine l-Ableitung ist auch in αἰθόλικες ‘Brandblasen’ (Hp., Gal.) verbaut; zur Bildung usw. vgl. πομφόλυξ ‘Wasserblase’ und Strömberg Wortstudien 91f.; unsichere Kombinationen bei Specht Ursprung 209. Eine Weiterbildung von αἴθω mit eigenartiger Bedeutungsentwicklung muß in αἰθύσσω ‘heftig bewegen’ (Sapph., Pi. usw., auch präfigiert: ἀν-, δι-, κατ-, παρ-) vorliegen; das Verbalnomen αἴθυγμα ‘Glanz, Funke’ (Plb. u. a.) hat im Gegensatz zu αἰθυκτήρ ‘sich heftig bewegend’ (Opp.) die metaphorische Entwicklung von αἰθύσσω nicht mitgemacht. Vgl. Debrunner IF 21, 239, der auch auf das wohl retrograde καταῖθυξ (ὄμβρος· ὁ καταιθύσσων H.) hinweist. — Ein anderer Ablaut erscheint in ἰθαρός, ἰθαίνω (s. αἰθήρ), vielleicht auch in κακ-ιθής, s. κέγκει. Eine genaue Entsprechung von αἴθω gibt es nirgendwo. Das Aind. kennt im Verb nur die Schwundstufe idh-, Präsens mit Nasalinfix i-n-ddhé ‘er entflammt’ (womit das Nasalsuffix in ἰθαίνω in entfernter Verbindung stehen könnte). Dagegen kann αἶθος m. und n. alt sein, s. oben. Das Latein liefert mehrere Nomina: aedes, aestas, aestus, ebenso die übrigen Sprachen, z. B. aw. aēsma- m. ‘Brennholz’, lit. íesmė ‘ds.’, ahd. eit (s. oben), awno. eisa f. ‘glühende Kohle’. Dagegen kann awno. eldr, ags. ǣled m. ‘Feuer’ wohl nur entfernt damit verwandt sein (idg. *ai-l-?). I-37-38
αἰκάζει · καλεῖ H. — Pisani IF 58, 243 vergleicht osk. aíkdafed, das er als ‘proclamavit’ erklärt. Eine andere, ebenfalls unsichere Kombination (lett. aîcinât ‘laden, rufen’) wird von Pok. 15 mit Recht in Zweifel gezogen. I-38
αἰκάλλω ‘schmeicheln, liebkosen’, nur Präsensstamm (Trag., Kom., hell. u. späte Prosa). — Sieht aus wie ein Denominativum von αἰκάλος· κόλαξ H., das aber ebensowohl eine retrograde Bildung sein kann. Ebenso αἰκάλη· ἀπάτη Zonar. — Etymologie unbekannt. Unwahrscheinlich Machek Listy filol. 72, 69f. I-38
ἀϊκής (ἀϊκῶς Χ 336), Trag. αἰκής aus *ἀ-ϝικ-ής neben ion. poet. ἀεικής. ‘unziemlich, schmählich’. — Privatives Verbaladj. zu ἔοικα, dual. ἔ-ϊκ-τον. Das -ει- in ἀεικής wohl nach εἰκάζω, εἰκών usw. (schwerlich als Bahuvrihi zu *εἶκος). S. εἰκάζω, ἔοικα. Davon ἀεικείη, αἰκεία, αἰκία ‘unziemliche Behandlung, Schmach’; ἀεικίζω, αἰκίζω, -ομαι ‘mißhandeln’ mit αἴκισμα (Trag., Lys.), αἰκισμός (D., LXX usw.). In ἀεικέλιος, αἰκέλιος (poet. seit Hom.) liegt eine Erweiterung des gleichbedeutenden ἀεικής, αἰκής vor, Frisk Adj. priv. 7. I-38
αἶκλοι · αἱ γωνίαι τοῦ βέλους H., s. αἰχμή. I-39
αἶκλον (ἄϊκλον) n. ‘Abendmahl der Spartiaten’ (Epich., Alkm. u. a.). Davon ἀναίκλεια· ἄδειπνα H. Daneben αἶκνον· δεῖπνον H., Suid. — Vgl. αἰκάζει· καλεῖ H. Sonst ungedeutet. Ob αἰκάλλω ‘schmeicheln’ damit zu verbinden ist, scheint fraglich. I-39
αἴλινος ‘Klaggesang’ (Trag. u. a.), vereinzelt auch adjektivisch gebraucht ‘klagend’ (E. Hel. 171), wovon αἴλινα als Adverb (Kall., Mosch.). m. — Etymologie unbekannt; Boisacq vermutet phrygische Herkunft (wie für ἔλεγος). Der Anklang an die Interjektion αἴ und an λίνος (s. d.) kann nicht zufällig sein. I-39
αἷμα n. ‘(flüssiges) Blut’, alt und häufig. In ähnlicher Verwendung kommen auch Komposita vor wie ἔναιμος, ὕφαιμος. Als denominative Verba sind zu nennen: 1. αἱμάσσω, -άττω ‘blutig machen od. sein’ (ion. att.); davon späte Substantiva: αἱμαγμός, αἵμαξις; außerdem die Adjektiva αἱμακτός, αἱμακτικός; 2. αἱματόω (ion. att.) mit αἱμάτωσις (Gal.); 3. αἱματίζω (A., Arist.). Ferner die Substantiva αἱμάς ‘Blutstrom’ (S.); αἱμάτιον Demin., auch Name eines Gerichts (Arr., M. Ant., Inschr. Kos, Milet u. a.), αἱματία ‘spartanische Blutsuppe’ (Poll.). Zahlreiche synonyme Adjektivableitungen, die aus dem Bedürfnis nach expressiven und nicht abgetragenen Ausdrücken entsprossen sind: αἱματόεις ‘blutig’ (ep. und poet.); αἱματηρός (poet.), auch αἱμηρός (Man.); αἱματώδης (Hp., Th., Arist., hell.), auch αἱμώδης (Luk., vgl. s. αἱμωδέω); αἱματικός (Arist. u. a.), αἱμάτινος (Arist.); αἱμαλέος (AP, Nonnos); αἵμων (E.), αἱμώνιος ‘blutrot’ (Ath.); αἱματίτης ‘blutähnlich’ (Hp., Thphr. usw.); αἱματωπός (E.), αἱμωπός (Ph. u. a.). — αἷμα hat, wahrscheinlich infolge sprachlicher Tabuvorstellungen, das alte Wort für Blut, ἔαρ, ersetzt. Sichere außergriechische Verwandte fehlen. Seit Fick wird αἷμα oft mit ahd. seim ‘Honigseim’ verglichen; vgl. auch Loewenthal PBBeitr. 49, 416, Oehl IF 57, 27. Anders Sommer Lautst. 29ff.: zu aind. iṣ- ‘Saft, Trank’ (ebenso Porzig IF 42, 258 und Havers Sprachtabu 182). Vgl. auch αἰονάω. I-39
αἱμασιά (seit Od.) ‘Umfriedigung, Zaun, Mauer’, aus Stein (so sicher Hdt. 2, 138), wohl auch aus Dornen, vgl. αἱμοί· δρυμοί. Αἰσχύλος Αἰτναίαις H. Ableitung αἱμασιώδης (Pl.). — Seit Froehde BB 17, 318 wird αἱμασιά gewöhnlich mit lat. saepes verglichen, so zuletzt Specht KZ 68, 124 mit dem Versuch, einen Wechsel p : m morphologisch zu begründen. Andere Vorschläge bei Bq und WP. 2, 464. — Zur Betonung vgl. Scheller Oxytonierung 87f., zur Bedeutung Picard Rev. Arch. 1946, 68f. I-39
αἱμύλος, auch (als metrische Variante) αἱμύλιος (ep. und poet.). Davon αἱμυλία (Plu.). Meist von Worten gebraucht und gewöhnlich mit ‘schmeichelnd’ wiedergegeben. — Zur Bildung vgl. στωμύλος ‘geschwätzig’. Direkter Zusammenhang mit ahd. seim ‘Honigseim’ (Schrader KZ 30, 463) ist semantisch ansprechend, aber natürlich ganz unsicher. — Von Güntert Götter und Geister 103 als "listig berechnend" zu αἵμων gezogen. I-40
αἱμωδέω ‘stumpfe Zähne haben, wie es durch Saures bewirkt wird’ (Hp., Kratin.), αἱμωδία ‘Stumpfheit der Zähne’ (Hp., Arist., Dsk. u. a.). Von αἱμωδία stammt αἱμωδιάω ‘αἱμωδία empfinden’ (Hp., Arist. usw., ngr. μουδιῶ, μουδιάζω), wovon wiederum αἱμωδιασμός H. Eine retrograde Bildung ist αἱμώδης im Sinn von ‘αἱμωδία habend’ (Gal.; daneben αἱμ-ώδης ‘blutig’, zu αἷμα). αἱμωδέω und αἱμωδία setzen zunächst ein *αἱμωδός voraus, sofern αἱμωδέω keine Zusammenbildung vom Typus πολιορκέω ist (vgl. Schwyzer 726). — Das Hinterelement ist von ὀδών ‘Zahn’ schwerlich zu trennen; im übrigen ist das Wort unklar. — Solmsen Wortforsch. 25ff. sieht im Vorderglied *αἱ-μος einen Verwandten von germ. *sai-ra- in got. sair, ahd. sēr ‘Schmerz’, awno. sār ‘Wunde’. I-40
αἵμων, -ονος nur Ε 49 Σκαμάνδριον αἵμονα θήρης, Bedeutung unsicher (‘eifrig’?, ‘kundig’?) — und somit auch etymologisch nicht zu erklären. Verzeichnis älterer Etymologien bei Bq, außerdem Fay IF 26, 27ff. (zu aemulor usw. als ‘raptor, rapax’), von Kretschmer Glotta 3, 335 abgelehnt. Das Wort kommt auch in thessalischen Namen, z. B. ‘Ιππαίμων Αἵμονος, zum Vorschein; Bechtel Dial. 1, 203. I-40
αἶνος ‘Rede, Lobrede’ (ep. ion. und poet., späte Prosa), auch ‘Beschluß’ (Inschr.). Vereinzelt αἴνη (Hdt.). — Neben αἶνος steht das primäre ἀναίνομαι ‘leugnen, sich weigern’ (vorw. poet. seit Il.) aus *ἀνα-αίνομαι (vgl. ἀνα-νεύω), Bechtel Lex.; unwahrsch. Stolz WSt 25, 133ff. (zur Neg. ἀν-, die aber nur präfigiert vorkommt). m. Ableitung αἰνέω, -ήσω usw., sekundär -έσω usw. (Wackernagel Unt. 180f.), ‘rühmlich erwähnen, loben, preisen’, auch ‘beschließen’, vorw. ep. ion. poet. (att. dafür ἐπαινέω), äol. (Hes.) αἴνημι. Davon αἴνεσις ‘Lob’ (LXX, NT), αἴνησις (Ph.). Selten ist die erweiterte Form αἰνίζομαι ‘loben’ (Hom.; vgl. Schwyzer 736), gewöhnlich das denominative (deverbative?) αἰνίσσομαι, -ττ-, ion. att. (späte Prosa auch αἰνίσσω), in der verschobenen Bedeutung (‘sinnvolle Rede halten’ >) ‘dunkel, in Rätseln sprechen’. Auf αἰνίσσομαι gehen mehrere Nomina zurück: αἴνιγμα ‘dunkle Rede, Rätsel’ (Pi., A., Pl. usw.) mit αἰνιγματώδης, αἰνιγματιστής, αἰνιγματίας, αἰνιγματικός; — αἰνιγμός ‘ds.’ (att.); αἴνιξις ‘ds.’ (Plot.). — αἰνικτήρ ‘der in Rätseln redet’ (S.), αἰνικτής (Timo), αἰνικτηρίως (A.). — Etymologie unbekannt. Frühere Bemühungen (Osthoff BB 24, 199ff.) s. Bq, WP. 1,2, Pok. 11. Zum Gebrauch von αἶνος s. E. Hofmann Qua ratione ἔπος, μῦθος, αἶνος, λόγος ... in antiquo Graecorum sermone adhibita sint. Diss. Göttingen 1922. I-40-41
αἰνός ‘schrecklich’ (ep. ion., poet.), gewöhnlich als Vorderglied in poet. Komposita, dagegen keine Ableitungen. — Über den Ausdruck αἰνόθεν αἰνῶς Leumann Hom. Wörter 258f., über adverbielles αἰνά ibid. 166. — Unerklärt. Bisherige Vermutungen sind notiert bei Bq, WP. 1, 2, Pok. 10. αἰνός kann vom synonymen δεινός formal beeinflußt sein. I-41
αἴνυμαι, nur im Präsensstamm, ‘greifen, nehmen’, vorw. ep., oft mit ἐξ- verbunden. Davon ἔξ-αιτος ‘ausgegriffen, auserlesen’ (Hom., A. R. usw.). — Zu αἴνυμαι gehört ein Nomen *αἶτος, wahrscheinlich altererbt (= aw. aēta- m. ‘Strafe’ als ‘der gebührende Teil’?; vgl. αἰτία), das ein Denominativum αἰτέω hervorrief, s. d. Zu toch. B ai- ‘geben’ (A e-), wie αἴνυμαι nur präsentisch, heth. p-ai ‘geben’; Frisk Indogermanica 8ff. Von idg. ai- ‘greifen’ vielleicht auch lat. ae-mulus ("der nach etw. greift", Frisk Eranos 41, 53), außerdem die PN Aetor (illyrisch? Krahe Glotta 23, 112f.) und Aimos (venet., Krahe ibid.). Zur Bedeutung von αἴνυμαι s. die Diss. von K. Wlaschim (Titel s. ἄγρα, ἀγρέω). Vgl. αἶσα, αἰτέω, αἰτία, δίαιτα. I-41
αἵνω, Aor. ἧναι ‘die Körner von der Spreu reinigen’, näherer Prozeß unbekannt (‘dreschen’, ‘worfeln’) (Pherekr., Hp.). Daneben ἀ̄νέω (Ar. Fr. 694, Lesung unsicher, Ath., Paus. Gr.), ἀφᾱνέω Ar. Eq. 394 (v. 1.), ἄφηνα· ἔκοψα, ἀφῆναι· τὸ τὰς ἐπτισμένας κριθὰς χερσὶ τρῖψαι H.; außerdem αἵνων· πτίσσων, ἥνας· κόψας und γάναι (= ϝᾶναι)· περιπτίσαι (cod. -πτύσαι, vgl. Solmsen Unt. 280). — Davon nach Fick KZ 42, 146f. Ἄνιος PN. Bechtel KZ 46, 374 zieht auch den Phratrienamen ϝανίδαι (Argos) heran. Zum Vergleich bietet sich lat. vannus ‘Futterschwinge’; ferner ahd. wintōn ‘worfeln’, got. dis-winþjan ‘λικμᾶν’, die aber beide wie lat. ventilare ‘worfeln’ von den Wörtern für ‘Wind’, ahd. wint, got. winds, ausgehen, mit denen αἵνω höchstens indirekt (als nasalerweiterte Tiefstufe von idg. u̯ē- ‘wehen’) verwandt sein kann. Die Bildung von ἀ̄νέω ist dunkel; die Herleitung aus *ἀ-ϝαν-έω (Solmsen Unt. 272) ein Notbehelf. S. noch Sommer Lautst. 54, 104, Brugmann IF 3, 259f. I-41
αἴξ, αἰγός f. ‘Ziege’ selten m. ‘Ziegenbock’ (seit Hom.). Auch übertragen als Name eines Wasservogels (dazu Janzén [s. u.] 17) und im Sinn von ‘Meteor’ (Arist.). Ableitungen: αἴγειος, αἴγεος ‘zur Ziege gehörig, Ziegen-’ (Hom. usw., vgl. Chantraine Formation 50, Schwyzer 467f.), später auch αἴγινος und αἰγικός (Pap.). — Außerdem αἰγίς ‘Ziegenfell’ s. d., αἰγίδιον Demin. von αἴξ (Pherekr., Antiph. usw.). Vgl. noch αἴγιλος s. αἰγίλωψ. Eine Metapher liegt wahrscheinlich vor in αἶγες· τὰ κύματα. Δωριεῖς H., s. αἰγιαλός. Inwieweit das Wort für Ziege in griechischen Ortsnamen enthalten ist (Αἰγαί, Αἰγαῖος, Αἴγινα usw.), ist strittig; vgl., außer der Literatur zu αἰγιαλός, Sommer IF 55, 259f. (vorgriechisch), V. Burr Nostrum mare (Würzb. Stud. zur Altertumswiss.) Stuttgart 1932. αἴξ ist mit arm. ayc ‘Ziege’ identisch. Es wird von Specht KZ 66, 13 (s. auch Die Ausbreitung der Indogermanen, 1944, 10f.) aus ungenügenden Gründen als gemeinsames Lehnwort der Indogermanen bei ihrem ersten Vorstoß auf die Balkanhalbinsel betrachtet. Als tiefstufige Form wird gewöhnlich aw. ī̆zaēna- ‘aus Leder’ beurteilt. — Höchst unsichere, z. T. entschieden verfehlte weitere Kombinationen bei A. Janzén Bock und Ziege (GHÅ 43 [1937 : 5]) 9ff. Anfechtbar auch Meillet Rev. d. ét. slav. 5, 9. Zu den vielen Namen der Ziege im Idg. s. Lidén Armen. Studien 13f. Zum a-haltigen Vokalismus Specht Ursprung 204 A. 1, Kuhn KZ 71, 145f. I-41-42
αἰόλος ‘schnell beweglich, schillernd, bunt’ (ep. poet.). Denominative Verba, alle selten: αἰόλλω (nur Präsens) ‘schnell hin und her bewegen’ (υ 27), ‘Farbe wechseln’ (Med., Hes. Sc. 399), ‘bunt machen’ (Nik. Th. 155). — αἰολέω = ‘ποικίλλω’ (Pl. Kra. 409a) mit αἰόλησις ‘schnelle Bewegung’ (Sch. Pi. P. 4, 412). — αἰολίζω ‘bunt ausstatten’ (S. Fr. 912) mit αἰόλισμα ‘Buntheit’ (S. Ichn. 319). — αἰολάομαι ‘rastlos sein’ (Hp. Mul. 2, 174b, Lesung unsicher). — Ferner spärlich belegte Sekundärableitungen : αἰολίας m. Fischname, vgl. Strömberg Fischnamen 23, Thompson Fishes s. v., αἰόλειος EM, αἰολίδας· ποικίλους, ταχεῖς H. — Etymologie unsicher. Nach Fraenkel Gnomon 22, 239 aus *(ϝ)αι-ϝόλ-ος mit dissimilatorischem Schwund des anl. ϝ- zu u̯el- ‘wälzen, drehen, wenden’ in εἰλέω (s. d.) usw. — Anders Fick, L. Meyer (s. auch Benveniste BSL 38, 107); noch anders Danielsson IF 14, 386ff., s. Ἅιδης. Das Kompositum αἰέλουρος setzt, falls hierher gehörig, ein älteres *αἰελος voraus, das durch Vokalharmonie seinen ε-Vokal umgefärbt hätte. Näheres bei Bechtel Lex. Zur Bedeutung vgl. W. Schulz Das Farbenempfindungssystem der Hellenen. Leipzig 1904. I-42
αἰονάω ‘befeuchten, bähen’ (Hp. u. a.). Davon die Verbalnomina αἰόνησις und αἰόνημα. — Etymologie unbekannt. Zwei vergebliche Deutungsversuche von Fick GGA 1894, 229 und Bezzenberger BB 27, 144. I-42-43
αἰπόλος m. ‘(Ziegen)hirt’ (seit Od.), Ableitungen: αἰπολέω (nur Präsensstamm) ‘(Ziegen) weiden’ (A., Lys., Theok. u. a.); αἰπόλια n. pl. (-ιον sg.) ‘(Ziegen)herde(n)’ (Il. usw.); αἰπολικός (Theok. u. a.). — aus *αἰγ-πόλος. — Wie βουκόλος (s. d.) ist αἰ(γ)-πόλος ein sog. synthetisches Kompositum, dessen Hinterglied zu πέλω, πέλομαι, lat. colo usw. gehört. De Saussure MSL 6, 161f. Weitere Lit. bei Bq. Abzulehnen Pedersen KZ 36, 88 und Lagercrantz Mélanges Boisacq 2, 59 (zu lat. ōpilio usw.). Über den Wegfall von -γ s. Schwyzer 398. — Die Hesychglosse αἰπόλος· κάπηλος παρὰ Κυπρίοις beruht nach Leumann Hom. Wörter 271f. auf willkürlicher Deutung von ρ 249f. I-43
αἶπος n. ‘steile, schroffe Höhe’ (A., E., Hp. u. a.); davon αἰπεινός (< *αἰπεσ-νός) ‘steil’ (poet. seit Il.). Dagegen ist αἰπήεις (αἰπήεσσαν Φ 87, danach A. R. 2, 721 und AP 7, 273) nur eine Erweiterung von αἰπύς (Schwyzer 527: 3; verfehlt Thieme Studien 71). — Neben αἶπος steht αἰπύς ‘steil, jäh’ (meist ep. und poet. seit Il.). Die abweichende Stammbildung in αἰπά (αἰπὰ ῥέεθρα Θ 369, Versende) und αἰπήν (πόλιν ... αἰπήν γ 130 usw., immer am Versende) ist offenbar metrisch bedingt. Hierher wahrscheinlich αἶψα, s. d. — Unerklärt; phantastisch Brugmann IF 37, 155 ff. I-43
αἶρα 1. f. ‘Schmiedehammer’ (Kall. Fr. 129). — Von H. auch mit ἀξίνη erklärt. Dunkel. Nach Prellwitz, dem Schwyzer 474 zustimmt, von αἴρω. Andere Versuche bei Bq. I-43
αἶρα 2. f., oft Plur. αἶραι ‘Unkraut im Weizen, Lolch’ (Kom., Arist., Thphr. u. a.). Ableitungen: αἴρινος ‘aus Lolch bestehend’ (Dsk. usw.), αἰρώδης ‘mit Lolch vermengt’ (Thphr.). Denominativum ἐξ-αιρόομαι ‘sich in Lolch verwandeln’ (Thphr.). — Unklar der Bildung nach ist αἰρόπινον n. ‘Sieb’ (Ar. Fr. 480); nach Grimme Glotta 14, 17 orientalischer Herkunft. — Die Zusammenstellung von αἶρα mit aind. erakā f. ‘eine Grasart’ hat Specht KZ 66, 12 in ein neues Licht bringen wollen, indem er annimmt, das Wort sei in beiden Sprachen aus einer orientalischen Quelle entlehnt. I-43
αἱρέω ‘greifen, nehmen’, Med. ‘an sich nehmen, wählen’, seit ältester Zeit als Simplex und mit Präverbien; Aorist, bis auf späte Formen (ἀν-ῄρησα Q. S. u. a.), ἑλεῖν. Ableitungen: αἵρεσις ‘Einnahme, Wahl, Partei’ (ion. att.) mit αἱρέσιμος ‘einnehmbar’ (X., vgl. Arbenz Die Adjektive auf -ιμος 63); αἱρετός ‘zu nehmen, zu wählen, erwählt’ (ion. att.), αἱρετικός ‘zu wählen, Parteiungen anstiftend’, auch auf αἵρεσις zu beziehen (spät); αἱρετής ‘Erwähler’ (Vett. Val.), auch Titel eines Bibliotheksbeamten (Pap.); καθαιρέτης ‘Zerstörer’ schon Th.; fem. αἱρετίς f. ‘Erwählerin’ (LXX), wohl retrograde Bildung von αἱρετίζω ‘auserwählen’ (hell. und spät), das als Denominativum von αἱρετός verständlich ist (Schwyzer 706 : 4). Von αἱρετίζω wiederum αἱρετιστής ‘Erwähler, Parteigänger’ (Plb., D. L. usw.). — Zum Gebrauch von αἱρέω s. die Diss. von K. Wlaschim (Titel s. ἄγρα); zur Bildung der Tempusstämme Fraenkel Nom. ag. 1, 228f. — Mehrere Erklärungsversuche, von denen keine befriedigt: Brugmann IF 32, 1ff. (zu ὁρμή usw., s. d.), McKenzie Cl. Quart. 15, 46f. (geht von ἐξ-αίρετος aus, das aus ἔξ-αιτος und -άγρετος kontaminiert wäre; ἐξαιρέω somit älter als αἱρέω, was zu den Tatsachen schlecht stimmt, vgl. Kretschmer Glotta 13, 272). — Kret. αἱλέω ist aus αἱρέω und ἑλεῖν kontaminiert; pamphyl. ἀγλέσθω aus ἀγρέω und ἑλεῖν; weitere Mischformen bei Vendryes Mél. Boisacq 2, 331ff. I-43-44
αἰρόπινον s. 2. αἶρα. I-44
αἶσα f. ‘Anteil, Lebenslos, Geschick, Gebühr’ (vgl. Krause Glotta 25, 145f.), ep. lyr. dial. (zur Verbreitung der ganzen Sippe s. Solmsen Wortforsch. 71ff.). Ableitungen: αἴσιος ‘gunstig, gebührend, billig’, auch mit ἐν-, ἐξ-, κατ-, παρ-, wovon αἰσιόομαι ‘als günstiges Zeichen aufnehmen’ (Plu., App.); αἴσιμος ‘vom Schicksal bestimmt, angemessen, vernünftig’ (ep. usw.) neben ἐν-αίσιμος und ἀναίσιμος ‘unangemessen’ (Emp.), vgl. Frisk Adj. priv. 14; zu αἴσιος und αἴσιμος Arbenz Die Adj. auf -ιμος 18ff. — Mit Präfix versehenes Denominativum ἀν-αισιμόω ‘(*den gebührenden Anteil) verbrauchen, verzehren’ (ion.), wovon ἀναισιμώματα ‘Kosten’ (Hdt.); καταισιμόω ‘gänzlich verbrauchen’ (Kom.; καταίσιμος = αἴσιμος H., also Hypostase von κατ’ αἶσαν). Von αἴσιμος ferner als Adjektivabstraktum αἰσιμίαι πλούτου ‘gebührende Anteile des Reichtums’ (A. Eu. 996). Zu αἰσιμνάω, αἰσυμνάω, αἰσυμνήτης s. bes. — Mehrere EN: Αἴσων, Αἰσίας usw., s. Solmsen a. a. O. — αἶσα gehört letzten Endes zu αἴνυμαι, ist aber zunächst als Femininableitung auf -ι̯α des in osk. aeteis ‘partis’, gr. *αἶτος (s. αἰτέω) vorliegenden t-Stammes zu verstehen, vgl. Krause a. a. O. Eine ablautende Form sucht Fick (Odyssee 20) in ἴσσασθαι· κληροῦσθαι. Λέσβιοι (H.) und im Gen. sg. ἴσσης (ι 42 = 549), wie er für das allein überlieferte ἴσης lesen will; letzteres jedenfalls etwas fraglich (zustimmend Bechtel Lex. s. v. ἴσσα und Schwyzer 474 : 3). I-44
αἴσακος · ὁ τῆς δάφνης κλάδος, ὅν κατέχοντες ὕμνουν τοὺς θεούς H. (Plu. 2, 615b). — Nach EM 38, 49 mit dem Vogelnamen ερίθακος synonym. Herkunft unbekannt, vielleicht vorgriechisches (kleinasiatisches) Lehnwort (Nehring Glotta 14, 183; Krause KZ 67, 214 m. A. 4). I-44-45
αἰσάλων m. ‘Falkenart’, vgl. Thompson Birds s. v. (Arist., Ael., Plin.), αἰσάρων· εἶδος ἱέρακος H. — Herkunft unbekannt. Nach Krause (s. αἴσακος) thrakisch. Nach Kretschmer Glotta 11, 281 aus einem pelasgisch-tyrrhenischen *αἴσαρος = ἱερός substantiviert. Aber das synonyme ἱέραξ gehört nicht zu ἱερός ‘heilig’, sondern, wie Kretschmer selbst hervorhebt, zu (ϝ)ιερός ‘rasch’. I-45
Αἴσηπος m. Fluß in Kleinasien. — Unwahrscheinliche Deutung von Krause KZ 67, 213f. (thrakisch; eig. "Wildwasser"). I-45
αἰσθάνομαι, vereinzelt αἴσθομαι, Aor. αἰσθέσθαι, Fut. αἰσθήσεσθαι ‘empfinden, wahrnehmen, bemerken’ (ion. att.). Ableitungen: αἴσθησις ‘Wahrnehmung, Kenntnis’ (ion. att., vgl. Holt Les noms d’action en -σις 121), seltener (Arist. usw., auch E. IA 1243) ‘(Gegenstand der) Empfindung’; auch αἰσθησίη (Aret.) = αἴσθησις. — αἰσθητός ‘wahrnehmbar’ und (auf αἴσθησις bezüglich) αἰσθητικός ‘der Wahrnehmung fähig’, beide vorwiegend als philosophische Termini gebraucht; — αἰσθητήριον ‘Sinnesorgan’ (Arist. usw.), αἰσθητής m. ‘Wahrnehmer’ (Pl.). — Wird allgemein auf *ἀϝισ-θ- mit Anschluß an ἀΐω ‘wahrnehmen, hören’ zurückgeführt; dieselbe idg. dh- Erweiterung kann auch in lat. audio, falls aus *au̯iz-dh-io, vermutet werden. Vgl. ἀΐω und W.-Hofmann s. audio. I-45
ἀΐσθων oder vielmehr ἀϊσθών (Π 468), ἄϊσθε (Υ 403) (θυμόν) ‘aushauchen’ — Mit ἄϊον (= τὸ ἀπέπνεον Eust.) in ἄϊον ἦτορ (Ο 252) irgendwie verwandt; weitere Anknüpfungen ganz unsicher. Vgl. Bechtel Lex. I-45
ἀΐσσω (ep. lyr. Hdt.), ᾄσσω (Pi., Trag.), ᾄττω (att. Prosa, selten), Fut. ἀΐξω (wonach spätes Präsens ἐπ-αΐζω, Zingerle Glotta 19, 74) ‘sich schnell bewegen, anstürmen, losfahren’, vereinzelt trans. ‘schwingen’ . Ableitung ἀϊκ-ή ‘Ansturm’ (Ο 709, Opp. H. 4, 651); außerdem das Wurzelnomen ἄϊξ in ἀνέμων ἄ̄ῑ̈κας A. R. 4, 820, als Hinterglied (Zusammenbildung?) in πολυ-άϊξ, κορυθ-άϊξ; auch τριχάϊκες? (s. d.). — Anl. ἀ- immer lang im Epos mit Ausnahme von ὑπαΐξει (Φ 126; wohl zufällige Kürzung, vgl. Chantraine Gramm. hom. 110; von Hermann IF 35, 170f. aus ungenügenden Gründen als Äolismus betrachtet), ἀΐξῃ (A. R. 3, 1302), sonst vorwiegend kurz. — Nicht sicher erklärt. Nach einer zuerst von Osthoff PBBeitr. 8, 271 vorgetragenen Deutung eine Intensivbildung *ϝαι-ϝικ-ι̯ω und mit aind. ve-vij-yá-te ‘zurückweichen’ zu vergleichen. Semantisch nicht unmittelbar einleuchtend; außerdem muß ϝ- dissimilatorisch gefallen sein, da jede Spur davon fehlt (Solmsen Unt. 189). Wegen der Länge des ῑ zieht Danielsson IF 14, 386ff. vor, von einem Nomen *αἰϝ-ῑκ- auszugehen, vgl. Ἅιδης und αἰόλος. I-45-46
αἴσυλος ‘ungebührlich, frevelhaft’ (Gegensatz αἴσιμος) vereinzelt bei Homer und anderswo (h. Merc. 164, AP 7, 624), dazu αἰσυλο-εργός (Max. Astrol.) nach αἴσυλα ῥέζειν (Hom.). — Unerklärt. Wertlose Versuche verzeichnet Bq. Vgl. ἀήσυλος. I-46
αἰσυμνάω, meg. αἰσιμνάω, ‘herrschen’, vorw. administrativer Terminus. Davon αἰσυμνητήρ (Ω 347 v. 1.) (Bed. unklar), αἰσυμνήτης (αἰσιμνάτας) Titel eines leitenden Beamten in verschiedenen Städten (Inschr., Arist. usw.), bei Homer θ 258 gewöhnlich als ‘Kampfordner, -richter’ erklärt. Fem. αἰσυμνῆτις (Suid.). Ableitung αἰσυμνητεία ‘Amt eines αἰσυμνήτης’ (Arist. u. a.); in derselben Bedeutung das Verbalnomen αἰσυμνητύς (Miletos). — Postverbal (falls nicht aus *αἴσυμνος, s. u.) ist αἰσύμνιον Bez. des βουλευτήριον in Megara (Paus.). — Die von Prellwitz und Brugmann Sächs. Ber. 1901, 94 vorgeschlagene Anknüpfung an αἶσα (über αἴσιμος, *αἰσίμων, *αἴσιμνος) ist von Solmsen Wortf. 36ff. und Fraenkel Nom. ag. 1, 172f. näher ausgeführt worden (-υ- für -ι- durch Assimilation an die folg. Labiale?; dagegen Schwyzer 275 Zus. 1 m. Lit.). Zweifel bei Chantraine Formation 216, der ebenso wie v. Blumenthal Hesychst. 33 an fremde (asianische) Herkunft denkt. I-46
αἶσχος ‘Schande’, pl. ‘Schandreden, -taten’; ‘Häßlichkeit’ (seit Il.). Daneben die primären Komparativ- und Superlativbildungen αἰσχίων, αἴσχιστος und, mit dem Wechsel zwischen ro- und u-Stamm, einerseits αἰσχρός ‘schändlich, häßlich’, anderseits das denominative αἰσχύνω ‘beschimpfen, häßlich machen’ Med. ‘sich schämen’ (seit Il.) mit dem retrograden αἰσχύνη ‘Schande, Scham’ (ion. att.). Der u-Stamm noch in Αἰσχύλος. Vgl. Leumann Glotta 32, 217 und Seiler Steigerungsformen 76f. n. Ableitungen: 1. Von αἰσχρός : αἰσχρότης ‘Häßlichkeit’ (selten: Pl. Grg. 525a, Ep. Eph. 5, 4), αἰσχροσύνη (Tz.). 2. Von αἰσχύνω (-ομαι): αἰσχυντήρ ‘Schänder’ (A. Ch. 998), αἰσχυν-τ-ηλός ‘schüchtern, bescheiden’, auch ‘schändlich’ (Pl., Arist.) mit αἰσχυντηλία (Plu.); das -τ- stammt aus dem Oppositum ἀν-αίσχυντος (Alk., att.) mit ἀναισχυντία, -τέω, -τημα; sekundär αἰσχυντός (Ps. Phok.). Daneben die noch selteneren αἰσχυντηρός und αἰσχυντικός. — Die Bedeutung, z. T. auch die Form legen einen Vergleich mit got. aiwiski n. ‘αἰσχύνη’ nahe. Die Grundformen werden indessen einigermaßen verwickelt (αἶσχος aus idg. *aigu̯zghos < aigu̯hs-qos, aiwiski aus idg. *aigu̯hes-qii̯om?). Vgl. außer Bq, wo ältere Lit., Brugmann-Thumb 117, Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. aiwiski. I-46-47
αἰτέω ‘fordern, begehren’ (ion. att.), oft mit Präverb, ἀπ-, ἐξ-, παρ-αιτέω usw. Ableitungen: 1. αἴτησις ‘Forderung, Bitte’ (ion. att., näheres bei Holt, Les noms d’action en -σις 126) mit αἰτήσιμος (Arbenz Die Adj. auf -ιμος 88f.); 2. αἴτημα ‘Forderung, Bitte, Postulat’ (Pl., Arist. usw.) mit αἰτηματικός und αἰτηματώδης; 3. αἰτητής ‘Bittsteller’ (Pap., D. C.); daneben αἰτητικός (Arist., D. L.), vielleicht direkt vom Verb oder von αἴτησις, 4. αἰτίζω = αἰτέω (ep. seit Od.). — αἰτέω ist ein Denominativum von *αἶτος, s. αἶσα und αἴνυμαι. I-47
ἀΐτης (Theok. 12, 14; 20), dor. ἀΐτας (Ar., Lyk., AP) . Fem. ἀῗτις (Alkm. 125, Hdn.). m. ‘Geliebter’ — Unklar. Gewöhnlich zu ἐνηής ‘mild, wohlwollend’ gezogen, s. d. Nach Diels Hermes 31, 372 und Bechtel Dial. 1, 203 zu ἀΐω ‘auf einen hören’. I-47
αἴτιος, -α, -ον ‘schuldig, verantwortlich, Urheber’ (ion. att.); davon (oder direkt von *αἶτος, s. unten) αἰτία ‘Schuld, Verantwortlichkeit, Anklage, Ursache’; auch ‘Krankheit’ (Bickel Glotta 23, 213ff., Björck Glotta 24, 251ff.). Von αἰτία (oder allenfalls von αἴτιος) das denominative αἰτιάομαι ‘beschuldigen, anklagen’, sekundär umgebildet αἰτιάζομαι (X., D. C. u. a.). — Weitere Ableitungen: Von αἰτιάομαι: αἰτίασις (Antipho, Arist. u. a.) und αἰτίαμα (A., Th.) ‘Beschuldigung, Anklage’; dagegen αἰτιατός (Arist., Plot.) ‘Ursache habend, bewirkt’ (τὸ αἰτιατόν ‘Wirkung, Bewirktes’ im Gegensatz zu τὸ αἴτιον ‘Ursache’) wegen der Bedeutung eher direkt von αἰτία; von τὸ αἰτιατόν geht aus ἡ αἰτιατικὴ πτῶσις eig. ‘Kasus des Bewirkten’ (Wackernagel Syntax 1, 19). — Von αἰτία (bzw. τὸ αἴτιον): αἰτιώδης ‘ursächlich usw.’ als philosophischer Terminus (hell. und spät), ebenso (Chantraine Formation 186f.) αἰτίωμα (Pap., Act. Ap.) = αἰτίαμα; mit demselben Vokalismus auch αἰτίωσις (Eust.) = αἰτίασις. Formal liegt es sehr nahe, in αἴτιος (und αἰτία) eine Ableitung des auch dem Verb αἰτέω zugrunde liegenden Nomens *αἶτος ‘Anteil’ (s. αἴνυμαι, αἰτέω) zu sehen. Auch begrifflich ist diese Herleitung gut möglich; vgl. besonders, mit ähnlicher Übertragung auf das Rechtswesen, aw. aēta- ‘Strafe’. — Zur Erhaltung des -τι- s. Schwyzer 270 : 3 m. Lit. I-47
αἴφνης Adv. ‘plötzlich’ (E. IA 1581, Hp. Int. 39), weit gewöhnlicher und älter ἐξαίφνης (Hom., Pi., Trag., att. Prosa, Arist. u. a.). Umgekehrt ist das Adj. αἰφνίδιος (A., Th., Arist. u. a.) gewöhnlicher und älter als ἐξαιφνίδιος (Pl., Gal.). Andere Bildungen: αἰφνηδίς, -δόν (Hdn.). — Wahrscheinlich mit αἶψα verwandt, s. d. Direkter Zusammenhang mit ἄφνω, ἄφαρ ist nicht glaubhaft. I-47-48
αἰχμή ‘Lanzenspitze, Lanze’, übertr. ‘Krieg’ (ep. poet., Hdt., sonst selten in d. Prosa; zum Gebrauch bei Homer s. Trümpy Fachausdrücke 52ff.). Ableitungen: αἰχμήεις ‘lanzenbewaffnet’ (A., Opp.); αἰχμητής ‘Lanzenschwinger’ (ep. poet.), daneben αἰχμητᾰ́ Ε 197 (zur Erklärung Schwyzer 560), fem. αἴχμητις EM; sekundär αἰχμητήρ (Opp., Q. S., Nonn.); — αἰχμητήριος ‘lanzenbewaffnet, kriegerisch’ (Lyk. 454 am Versende, vgl. Chantraine Formation 45). — Denominativum: αἰχμάζω ‘die Lanze schwingen’, auch ‘mit Lanze bewaffnen’ (ep. poet.). Ein festes Kompositum ist αἰχμ-άλωτος ‘Kriegsgefangener’ (ion. att.) mit mehreren Ableitungen: fem. αἰχμαλωτίς, Adj. αἰχμαλωτικός, Abstr. αἰχμαλωσία. Dazu zwei Denominative, beide hell. und spät: αἰχμαλωτίζω und (seltener) αἰχμαλωτεύω. Von αἰχμαλωτίζω: αἰχμαλωτιστής und αἰχμαλωτισμός. — Wegen αἶκλοι· αἱ γωνίαι τοῦ βέλους H. auf *αἰκ-σμᾱ zurückzuführen und mit lit. iẽšmas, apreuß. aysmis ‘Bratspieß’ (< -ḱ(s)m-) am nächsten verwandt. Schmidt Zur Geschichte d. idg. Vokalismus 1, 76, weitere Lit. bei Bq, WP. 1, 7f., Pok. 15. — Ein anderer Ablaut liegt vor in kypr. ἰκμαμένος (= ἰχμ-? oder sogar = ἰγμ-? Bechtel Dial. 1, 448) ‘verwundet’, ἰκτέα· ἀκόντιον H., ἴκταρ (ep. lyr.) ‘nahe’, eig. "anstoßend", vgl. zur Bed. aind. ghanám ‘nahe’ zu han- ‘schlagen’. In Betracht kommen ferner: ἴγδις f. (Sol., Dsk. u. a.), ἴγδη (Hp., Hdn.) ‘Mörser’, das von λίγδος ‘ds.’ beeinflußt worden ist (Osthoff bei Solmsen Wortf. 172, Güntert Reimwörter 158), auch ἴξ, s. d. Mit demselben Ablaut wahrscheinlich lat. ico ‘treffen, verwunden’, vgl. W.-Hofmann s. v. I-48
αἶψα Adv. ‘schnell, plötzlich’ (Hom., poet.), davon αἰψηρός ‘schnell, rasch’ (Hom., Pi. u. a.; zur Bildung Schwyzer 482:7, Chantraine Formation 232). — Wahrscheinlich mit Sommer IF 11, 243 zu αἶπος, αἰπύς ("jäh") als *αἰπ-σ-ᾰ; wegen des auslautenden -ᾰ vgl. Schwyzer 622f. Hierher wohl auch αἴφνης aus *αἰπ-σ-νᾱ-ς. I-48
ἀΐω ‘wahrnehmen, hören’ (ep. ion. poet., in att. Prosa nur ἐπαΐω ‘verstehen’, Björck Alpha impurum 149f.), Ipf. ἄϊον, nach Schulze KZ 29, 25Iff. = KL Schr. 344ff. urspr. Aorist mit hinzugebildetem Präsens ἀΐω; Spuren eines ursprünglichen Präsens *ἀείω vermutet Schulze u. a. in ἄει· ἀκούει, ἄετε· ἀκούσατε H. und in ἐπ-ᾴειν E. HF 773 (lyr.). S. noch Bechtel Dialekte 3, 191f. Von ἐπαΐω, ἐπᾴω ferner ἐπῇσα (ἐπήϊσα) und ἐπ-άϊστος ‘wahrgenommen, entdeckt’ (Hdt. u. a.). — Der ursprüngliche Aorist ἄϊον kann auf *ἄϝισ-ον zurückgehen und mit aind. āvíṣ Adv. ‘offenbar’ ablauten, vgl. auch aksl. (j)avě Adv. ‘kund, offenbar’. Mit heth. uḫḫi ‘ich sehe’, aušzi ‘er sieht’ besteht höchstens eine entferntere Verwandtschaft, desgleichen mit aksl. umъ ‘Verstand’ (aus *au-mo-). Vgl. außer Schulze 1. c. Schwyzer 686: ε, WP. 1, 17, Pok. 78 mit weiterer Lit. I-48-49
αἰών, -ῶνος m., auch f. ‘Leben(szeit), Zeit(dauer), lange Zeit, Ewigkeit’ (seit Hom.). Ableitungen: αἰώνιος ‘andauernd, beständig, ewig’ (Pl., hell., NT) mit αἰωνιότης ‘perpetuitas’ (Gloss.). — αἰωνίζειν ‘verewigen, ewig sein’ (Dam., Phot., Suid.) mit αἰώνισμα ‘Verewigung, Denkmal’ (Ostr.) — Aus *αἰϝών, einem n-Stamm, der auch in αἰέν vorliegt. Daneben der s-Stamm im Akk. αἰῶ (A. Ch. 350 für αἰῶνα nach AB 363 mit Ahrens) und αἰές, αἰεί; weiteres s. αἰεί. — Zur religiösen Bedeutung von αἰών und αἰώνιος s. Owen Journ.ofTheolStud. 37, 265ff., 390ff.; zum Begriff im allg. Stadtmüller Saeculum 2, 315ff. I-49
αἰώρα ‘Schwebe, Hängebett, Schaukel, schaukelnde Bewegung’ (Pl., D. H., Plu. usw.). Verbalabstrakta : αἰώρησις (vorw. mediz.), συν- (Pl.), ὑπερ- (Hp.); αἰώρημα (E. in lyr., Lyk.). Daneben αἰωρέω, gewöhnlicher -έομαι ‘erheben, hängen’, Med. ‘schweben, hangen’, auch übertragen (Pi., ion. att.). Zusammensetzungen : συν-, ὑπερ-αιωρέομαι, -έω. — Die einzigartige Grundform *ϝαι-ϝώρ-α enthält sowohl Intensivreduplikation wie Dehnstufe, ebenso *ϝαι-ϝωρ-έω, das als ein deverbatives Intensivum (Iterativum) zu verstehen ist, vgl. Schwyzer 423, 647 : a 1, 720 : 2. Davon wahrscheinlich als postverbales Nomen das später auftretende und seltenere *ϝαιϝώρα > αἰώρα. — Zu 1. ἀείρω ‘emporheben’; vgl. auch alb. vjer ‘aufhängen’ s. 2. ἀείρω ‘(zusammen)binden’. I-49
ἄκαινα ‘Spitze, Stachel’ (A. R., AP), auch als Längen- bzw. Flächenmaß von 10 (100) Fuß (Thessalien, Kleinasien, Ägypten). — Ableitung auf -ια des in ἄκων (s. d.) vorliegenden n-Stammes, vgl. Chantraine Formation 109, Schwyzer 475 : 4. I-49
ἀκακαλίς, -ίδος f. Name verschiedener Pflanzen (Dsk. u. a.); vgl. ἀκακαλλίς· ἄνθος ναρκίσσου. Κρῆτες H. — Orientalische (ägyptische) Herkunft wahrscheinlich; die Wörter mit ἀκ- (ἄκανθα usw.) haben die Form beeinflussen können. I-49
ἀκάκητα episches Epithet unbekannter Bedeutung, auf Hermes (Hom., Hes., Suid.) und auf Prometheus (Hes.) bezogen. Ableitung ἀκακήσιος (von Hermes; Kall.. Paus.). — Falls die Hesychglossen ἀκακίεις· συνίεις und ἀκακιεῖ· συνιεῖ auf echter Tradition beruhen, ergibt sich eine ansprechende Deutung als ‘συνετός’, zu ἀκή usw.; vgl. acūtus. Hoffmann BB 17, 328. Andere Deutungen s. Bq und Chantraine Formation 28. I-49-50
ἀκακία f. Baum- und Pflanzenname ‘Akazie’, ‘Ginster’ (Dsk., Aret.). — Fremdwort, vgl. zu ἀκακαλίς. I-50
ἀκαλανθίς = ἀκανθίς, s. ἄκανθα. I-50
ἀκαλαρρείτης nur im Vers ἐξ ἀκαλαρρείταο βαθυρρόου ’Ωκεανοῖο (Η 422, τ 434). — Für ἀκαλα-ρρεϝέ-της, eine Zusammenbildung von ἀκαλά und ῥέω mittels des Suffixes -της. Im selben Sinn auch ἀκαλάρροος (Orph.). Das als Adverb fungierende Vorderglied kommt nur noch vereinzelt vor (Hes., Sapph.), daneben Glossen wie ἀκαλόν· ἥσυχον, πρᾶον, μαλακόν H.; Adv. ἀκαλῶς Eust. — Gewöhnlich wird ἀκαλά als ein neutraler Plural angesehen (Bechtel Lex., Wackernagel Unt. 87), was jedoch nicht ganz sicher ist, s. die Fälle bei Schwyzer 622: 8. Zum Vergleich melden sich ἀκήν, ἀκέων (Buttmann Lexilogus 1, 11f.), ferner ἦκα (Bechtel Lex. 23). Adjektiva auf -αλο- sind selten: ὁμαλός, ἁπαλός u. a. (Chantraine Formation 245; zu ἀταλός vgl. s. v.). I-50
ἀκαλήφη ‘See-Anemone, Brennessel’ (alte Kom., Arist., Dsk. usw.), bei Thphr. HP 7, 7, 2 ἀκαλύφη. — Vielleicht unter Einfluß von ἄκανθα und anderen Wörtern mit ἀκ- umgebildet; Ursprung sonst unbekannt. Semitische Etymologie bei Lewy Fremdwörter 50. Beispiele von bh-Suffix in Baum- und Pflanzennamen bei Specht Ursprung 267. Vgl. Thompson Fishes s. v. — Nicht überzeugend Grošelj Živa Ant. 2, 205. I-50
ἄκανθα ‘Dorn, Distel’, Bez. verschiedener stacheliger Pflanzen (Strömberg Pflanzennamen 17), auch ‘Rückgrat’, (seit Od.) und ἄκανθος m. ‘Bärenklau’ (Acanthus mollis) . Aus ἄκανθα stammen mehrere Adjektiva : ἀκάνθινος, ἀκανθώδης, ἀκανθικός, ἀκανθηρός, ἀκανθήεις ‘aus ἄκ. bestehend’. Ferner die Substantiva ἀκάνθιον (Demin.), ἀκανθίας Art Haifisch, Art Heuschrecke (vgl. Strömberg Fischnamen 47, Wortstudien 17), ἀκανθίς Vogelname (‘Distelfink’ oder ‘Hänfling’, vgl. Thompson Birds s. v.), auch Pflanzenname, ἀκανθυλλίς Vogelname (Thompson s. v.), ἀκανθίων ‘Igel’, ἀκανθέα Pflanzenname, ἀκανθεών und -θών ‘Dorngebüsch, spinetum’, ἀκανθηλή Bed. unbekannt. — Denominatives Verb ἀκανθόομαι ‘Dornen erhalten’ (Thphr.). — Die Erklärung aus *ἀκαν-ανθα, bzw. *ἀκαν-ανθος von ἄκανος und ἄνθος ist hypothetisch, aber ein Kompositum *ἄκ-ανθα ‘Stachelblume’ (Kretschmer Einleitung 403 A. 1) ist nicht besser. Noch anders (ἄκαν-θα) Solmsen Wortf. 264. — Hierher gehört wohl auch ἀκαλανθίς = ἀκανθίς (Ar. u. a.); nach Niedermann Glotta 19, 8ff. durch Umstellung aus *ἀκανθαλίς, nach Bq durch Dissimilation aus *ἀκαν-ανθις. I-50
ἄκανος m. Distelart, ‘Atractylis gummifera’, ‘dorniger Fruchtkopf’ (Thphr.); daneben ἄκαν, -νος LXX (4. Kōn. 14, 9). Ableitungen: ἀκανικός, ἀκανώδης, ferner ἀκανίζω (alle Thphr.) und ἀκάνιον H. — Zur Bildung vgl. βάλανος, πλάτανος, ῥάφανος, πύανος usw.; zugrunde liegt das Element ἀκ- in ἀκή usw., zur n-Erweiterung vgl. noch ἄκαινα, ἄκων, ἀκόνη. I-51
ἀκαρής, -ές ‘winzig, kurz’, gewöhnlich in adverbiellen Redewendungen (von der Zeit) oder in sonstigen Maßbezeichnungen, z. B. ἐν ἀκαρεῖ (χρόνου), ἀκαρῆ (Ar., D., Luk. u. a.). Davon ἀκαριαῖος ‘winzig, gering’ (D., Arist. u. a.), zur Bildung vgl. Maßadjektiva wie σταδιαῖος, πλεθριαῖος usw. (Chantraine Formation 49). Hierher wahrscheinlich auch ἀκαρί n. ‘Milbe’ Arist. ΗΑ 557 b 8). — Nach alter Deutung zu κείρω, ἐκάρην (wie ἐμίγην : ἀμιγής) als ‘unscherbar’, vgl. τὸ βραχύ, ὅ οὐδὲ κεῖραι οἷόν τε H. — Vgl. καρός. I-51
ἄκαρον · τυφλόν H. — Unerklärt. Gegen Zusammenstellung mit lat. aquilus ‘dunkel’, lit. ãklas ‘blind’ (Fick KZ 19, 255f. u. ö.) s. W.-Hofmann s. v., Endzelin Don. nat. Schrijnen 399f. Vgl. ἄγχραν· μύωπα. Λοκροί H. (nach ἄγχι? WP. 1, 34). I-51
ἀκαρός · σημαίνει τὸν ἐγκέφαλον ἢ τὴν κεφαλήν. EM 45, 13. — Vgl. die gleichbedeutenden ἔγκαρος und ἴγκρος. Kann somit die schwache Form von ἐν enthalten (Schulze KZ 29, 263f. = Kl. Schr. 358). I-51
ἄκασκα Kratin. 126, ἀκασκᾷ Pi. Fr. 28 Adv. ‘sanft, ruhig’ = ἡσύχως, μαλακῶς, βραδέως H. Davon ἀκασκαῖος A. Ag. 741 (lyr.). — Zu ἀκήν, ἀκέων mit eigenartiger Bildung. I-51
ἄκαστος · ἡ σφένδαμνος H. — Falls aus *ἄκαρ-στος, urverwandt mit lat. ăcer, -ris ‘Ahorn’, ahd. ahorn (zum letztgenannten vgl. besonders ἄκαρνα· δάφνη H.), gallorom. *akar(n)os ‘Ahorn’ (Hubschmid Rev. celt. 50, 263f.). Ausführliche Behandlung bei Osthoff Etym. Parerga 1, 187ff., dazu W.-Hofmann s. 1. acer, Pok. 20. Zur Bildung vgl. zunächst πλατάνιστος; Näheres bei Chantraine Formation 302 (verfehlt Osthoff a. O.: -στο- zu sē- ‘säen’). I-51
ἄκατος f. (m.) ‘Nachen’ (Thgn., Pi., Hdt., Th. usw.), ‘nachenähnlicher Becher’ (Kom.), mit den Demin. ἀκάτιον, auch übertr. ‘Art Frauenschuh’, (Ar., Th., Plb.) und ἀκατηνάριον (Olsson Arch. f. Pap. 11, 219). Von ἄκατος ferner ἀκάτειος, τὰ ἀκάτεια (sc. ἱστία) ‘die kleineren, am Nebenmast befindlichen Nebensegel’ (X., Luk. usw.); ἀκατίς f. ‘Tausendfüßer’ (Steph. Med.). — Als technischer Terminus wahrscheinlich Lehnwort. Oft, aber ohne Grund, zu ἀκ- ‘spitz’ (s. ἀκή) gezogen. Anders Winter Prothet. Vokal 12: zu κητήνη· πλοῖον μέγα ὡς κῆτος H. (?). I-51
ἀκαχμένος ep. Ptz. (Hom., Opp.) ‘geschärft’. — Reduplizierte Bildung, wahrscheinlich aus *ἀκ-ακ-σ-μένος zu ἀκ-ή usw. (Lit. bei Bechtel Lex.). Anders (zu ἔγχος) Schwyzer Glotta 12, 10ff. I-52
ἀκεύει · τηρεῖ. Κύπριοι H. — Außerdem sehr unsichere Konjektur Leg. Gort. 2, 17. S. ἀκούω. I-52
ἀκέων, -έουσα, -έοντε ‘schweigend, stumm’, hom. Ptz., auch ἀκέων unflektiert (vgl. Leumann Hom. Wörter 167 m. A. 16). Von finiten Formen nur der nachträglich hinzugeschaffene Opt. ἀκέοις (A. R. 1, 765). Daneben ἀκήν hom. Adv. = ἀκέων, gewöhnlich im Ausdruck ἀκὴν ἐγένοντο σιωπῇ. Später auch als Objekt ἀκὴν ἔχεν (Mosch. 2, 18), ἀκὴν ἦγες· ἡσυχίαν ἦγες H. Bei Pi. P. 4, 156 der Instrumental ἀκα. — Ableitungen: ἀκήνιον· ἥσυχον EM 48, 1, ἀκαλός (s. ἀκαλαρρείτης), ἄκασκα sive ἀκασκᾷ (s. d.). — Damit lauten ab: ἦκα, ἤκιστος und, mit bewahrtem Spir. asper, ἥκιστος, ἥττων, s. dd. Unhaltbar über ἀκήν Prellwitz Glotta 19, 120f. (-ήν verstärkender Zusatz). I-52
ἀκή ‘ἀκμὴ σιδήρου’ Suid., H. (cod. αἰχμή). Daneben ἀκίς, -ίδος f. Bez. allerhand spitzer Gegenstände wie Nadel, Pfeil, Widerhaken, Meißel (ion. att.), wahrscheinlich Ableitung (Umbildung) eines verschollenen Wurzelnomens, vgl. Schwyzer 465. Von ἀκίς gehen mehrere Nomina aus: ἀκίδιον ‘kleiner Widerhaken’ (BCH 29, 572), ἀκιδώδης ‘spitz’ (Thphr.), ἀκιδωτός ‘ds.’ (Paul. Aeg. u. a.), auch Pflanzenname wie ἀκιδωτόν (Dsk.), außerdem das passive Verbaladj. ἠκιδωμένος (IG 2, 807) und das Komp. ἀκιδοειδής (Prokl.). — Dagegen ist ἀκίσκλων (Gen. pl. BGU 1028, 12; 16, IIp, Bed. unsicher) aus lat. acisculum ‘der kleine, spitze Hammer der Steinmetzen’ entlehnt, vgl. Schubart z. St. — Eine reduplizierte Form liegt in ἀκωκή vor (vgl. ἀγωγή) ‘Spitze (einer Lanze, eines Schwerts usw.)’ (Hom., Theok., Opp., späte Prosa). — ἀκή, ἀκίς, ἀκωκή enthalten alle ein Element ἀκ-, das u. a. in den bedeutungsverwandten ἄκαινα, ἄκανος, ἄκων, ἀκμή, ἄκρος, ἠκή vorliegt, s. dd. I-52
ἀκήρατος 1. ‘unversehrt, unbeschädigt’, auch ‘unbefleckt, rein’, in der letztgenannten Bedeutung von 2. ἀκήρατος ‘unvermischt, rein’ beeinflußt. Vorw. ep. und poet. Eine davon abgeleitete Nebenform ist ἀκηράσιος (h. Merc., AP u. a.). Ähnliche Bildungen: ἀκήριος ‘(von den κῆρες) unbeschädigt, unversehrt’ (ep. seit Od.), ἀκέραιος ‘unversehrt, unzerstört’ (ion. att.). Von ἀκέραιος: ἀκεραιότης (Plb.), ἀκεραιοσύνη (Suid.), ἀκεραιόομαι (Eust.). — Von diesen Privativa fußt ἀκήριος offenbar als Bahuvrihi auf κήρ, Pl. κῆρες ‘Tod(esgöttin)’; dasselbe dürfte auch bei ἀκήρατος der Fall sein (κηρ-αίνω A. Supp. 999, spät, von κήρ gebildet, kann nicht zugrunde liegen), sofern nicht metrische Dehnung für *ἀ-κέρα-τος unter Einwirkung von κήρ vorliegt, vgl. ἀκέραιος und 2. ἀκήρατος. Dagegen enthält ἀ-κέρα-ιος den Verbalstamm κερα-, der erweitert auch in κερα-ίζω erscheint (kaum denominativ mit Schwyzer 735 unten). — Ältere Lit. bei Bq. Weiteres s. κήρ. I-52-53
ἀκήρατος 2. ‘ungemischt, rein’, ποτὸν ἀ. A. Pers. 614, wohl auch ὕδωρ ἀ. Ω 303 (nach Schulze Q. 234ff. zu 1. ἀκήρατος). Davon abgeleitet ἀκηράσιος (οἶνος) ι 205. Im selben Sinne steht, wie Bechtel Lex. s. ἀκηράσιος bemerkt, β 341 ἄκρητον ποτόν, das offenbar zu κεράννυμι gehört. — An den obengenannten Stellen wurden somit ἀκήρατος und ἀκηράσιος mit κεράννυμι jedenfalls assoziiert und als ‘ungemischt’ gedeutet. Unsicher ist indessen, ob ein ἀκήρατος im Sinn von ‘ungemischt’ von Anfang an existiert hat. Dann muß es aus metrischen Rücksichten bzw. nach κήρ für *ἀ-κέρα-τος stehen (Bartholomae IF 3, 8). I-53
ἀκιδνός ‘schwach, winzig’ (ep., auch Hp.). — Unerklärt. Leere Vermutungen sind bei Bq notiert. Zur Bildung Schwyzer 489, Chantraine Formation 194. Nebenform ἀκιδρός (Kyrills Gloss.) mit ἀκιδρωπάζω· ἀμβλυωπῶ H. Vgl. ἀκιρός. I-53
ἀκῑνάκης m. ‘krummer Säbel der Perser und Skythen’ (Hdt., X., Luk. u. a.). — Aus dem Iranischen; nähere Herkunft unbekannt. Unter dem Einfluß von ἀκινάκης scheinen ἀκίναγμα = τίναγμα (Lyr. Adesp. 30 B) und ἀκιναγμός· τιναγμός, κίνησις H., evtl. durch *ἀκινάσσω = τινάσσω vermittelt, zunächst in der Sprache der Komödie aufgekommen zu sein (Mansion Les gutturales grecques 64). I-53
ἀκιρός - ἀκιρῆ· ἀσθενῆ, ἀκιρῶς· εὐλαβῶς, ἀτρέμας H. ‘schwach’ Theok. 28, 15 (ἄκιρος, äol.), Nik., als v. l. Hes. Op. 435, ΕΜ. — Dunkel; vgl. ἀκιδνός, ἀκιδρός. — Bei H. auch ἀκιρός· ὁ βορρᾶς. Vgl. Hoffmann Dial. 2, 222, Bechtel Dial. 1, 116. I-53
ἀκκώ, -οῦς f. ‘Popanz’ (Plu. 2, 1040b), nach anderen (Zen. 1, 53) ‘eitles Weib’. Auch EN (Plu. u. a.). Davon ἀκκίζομαι ‘sich verstellen, sich zieren’ (Pl., Men., Alkiphr., Luk. u. a.). — Lallwort der Kindersprache, vgl. lat. Acca (Larentia), aind. akkā (Gramm.), auch kleinasiatisch (Kretschmer Einleitung 351). Vgl. Güntert Kalypso 53f. I-53
ἀκμή ‘Spitze, Schärfe, Schneide, Höhepunkt, rechter Zeitpunkt’ (ion. att.); der Akkusativ ἀκμήν als Adv. ‘eben noch’, ngr. ἀκόμη, vgl. Kretschmer Glotta 22, 234f. gegen Hatzidakis ’Αθηνᾶ 41, 79ff. Ableitungen: ἀκμαῖος ‘voll ausgewachsen, rechtzeitig’ (ion. att.), ἀκμηνός ‘voll ausgewachsen’ (ψ 191, Paus.). Denominatives Verb ἀκμάζω ‘in voller Kraft, auf dem Höhepunkt stehen’ (ion. att.); davon 1. ἀκμαστής = ἀκμαῖος (Hdn.), οἱ ἀκμασταί N. eines gymnastischen Klubs in Thyatira (Inschr.); 2. ἀκμαστικός = ἀκμαῖος (Hp., Gal. u. a.). Ableitung auf -μή desselben Wurzelelementes wie in ἄκ-αινα, ἀκ-ή, ἄκ-ρος usw. — Dieselbe Bildung kann in schwed. dial. åm ‘Sumpfgras, Cladium mariscus’ vorliegen, dessen Zurückführung auf urgerm. *aχma- (idg. *ak-mo-) durch das finnische Lehnwort ahma ‘Equisetum’ wahrscheinlich gemacht wird (Lidén Sertum philol. Johansson 110). I-53-54
ἄκμηνος ‘nicht essend, nüchtern’, viermal in T, sonst nur bei hellen. Dichtern. — Nach einem Scholion zu Τ 163 von äol. ἄκμα, das von Hesych mit νηστεία, ἔνδεια erklärt wird. Bechtel Lex. vergleicht (nach Fick BB 28, 109) κομῶσα· γέμουσα H.; dann wäre ἄκμα als eine Zusammenbildung von α privativum und der Schwundstufe -κμ- zu betrachten. Sehr unsicher. Noch fraglichere Kombinationen sind bei Bq verzeichnet. Neuer Versuch von Pisani AnFilCl 5, 93. I-54
ἄκμων, -ονος m. ‘Amboß’ (ep. ion. poet.), vereinzelt auch ‘Meteorstein’ (Hes. Th. 722), = οὐρανός H., = ἀλετρίβανος. Κύπριοι H. Deminutivum ἀκμόνιον (Aisop.), zu bemerken ferner das Syntheton ἀκμό-θε-τον n. (Hom.) ‘Untersatz des Ambosses’, Zusammenbildung mit dem Verbalstamm von τίθημι durch Hinzufügung des Kompositionssuffixes -το-. — In derselben Bedeutung ἀκμο-θέ-της Poll. 10, 147. Altes Wort für ‘Stein’, das in mehreren Sprachen auftritt: aind. áśman- m. ‘Stein, Fels, Himmel’ (als Steingewölbe vorgestellt, Reichelt IF 32, 23ff., Fraenkel KZ 63, 183f., vgl. ἄκμων im Sinn von ‘Meteorstein’ und ‘Himmel’), wovon aśmar-a- ‘steinern’ mit Wechsel n : r; aw. asman- ‘Stein, Himmel’, apers. asman- ‘Himmel’; lit. ãšmens, lett. asmens m. pl. ‘Schneide’. Daneben ohne Palatalisierung lit. akmuõ, -eñs ‘Stein’. — Das Verhältnis der genannten Wörter zu aksl. kamy, -ene ‘Stein’ und zu der germanischen Gruppe awno. hamarr ‘Hammer’ (eig. aus Stein), auch ‘Felsenabsturz’ u. dgl. läßt sich auf keine bestimmte Formel bringen. Vielleicht ist ein Wort für ‘Stein’ mit der Gruppe idg. aḱ- in ἄκαινα usw. schon in uralter Zeit kontaminiert worden. Vgl. zu dieser schwierigen Frage H. Petersson Heteroklisie 26, Güntert WuS 11, 140, W.-Hofmann s. 2. ācer. I-54
ἄκνηστις ‘Rückgrat’ (A. R. 4, 1403 ἐπ’ ἄκνηστιν); als Pflanzenname Nik. Th. 52. — Das Wort ist durch falsche Zerlegung κατ’ ἄκνηστιν von urspr. κατὰ κνῆστιν (κ 161) entstanden. Wackernagel Glotta 2, 1, Fraenkel Glotta 4, 42, Leumann Hom. Wörter 49 mit weiterer Lit. I-54
ἀκοίτης, -ου m., ‘Lagergenosse, -in, Gatte, -in’ (ep. poet.) — sekundär zu ἄκοιτις f. gebildet (s. Chantraine REGr. 59-60, 225f.). Von α copulativum und κοίτη oder κοῖτος ‘Lager’ (zur Stammbildung Chantraine Formation 26ff. und 113f.; zum Akzent Schwyzer 385). S. κεῖμαι. I-54-55
ἄκολος m. ‘Bissen, Brocken’ (ρ 222, AP, J.); nach Stratt. 47, 7 böot. — Auf einer phrygischen Inschrift (Jahresh. 8 Beibl. 95) βεκος ακκαλος τι. Fremde Herkunft nicht unwahrscheinlich. Die Anknüpfung an aind. aśnā́ti ‘essen’ (seit Curtius 1 14) läßt die Bildung unerklärt. Vgl. ἄκυλος. I-55
ἀκόλουθος, -ον ‘begleitend, Begleiter, -in, entsprechend’ (att. und sp. Prosa, Kom.). Deminutivum ἀκολουθίσκος (Ptol. Euerg.). Abstraktbildung ἀκολουθία ‘Gefolge, Reihenfolge, Konsequenz’ (vorw. philosoph. Terminus). Denominatives Verb ἀκολουθέω ‘folgen’ mit dem Verbalsubst. ἀκολούθησις (Arist.) und dem Adj. ἀκολουθητικός (Arist. usw.). — Von α copulativum und κέλευθος ‘Pfad’ mit Ablaut wie in φρήν: ἄφρων, vgl. Schwyzer 355 Zus. 2. Nicht überzeugend Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 375. I-55
ἀκόνη ‘Wetzstein’ (Pi., alte Kom. u. a.). Davon das Verb ἀκονάω ‘wetzen, schärfen’ (ion. att.) mit den nominalen Ableitungen ἀκόνησις (H., Suid.), ἀκονητής (Ed. Diocl., Hdn.); ferner die Nomina ἀκόνιον Name eines Augenheilmittels (Dsk.), ἀκονίας Fischname (Numen. ap. Ath. 17, 326a). — Bildung auf -όνη wie περόνη, βελόνη usw. (Chantraine Formation 207) von ἀκ- in ἄκαινα, ἀκμή usw. Zum n-Suffix vgl. ἄκων. I-55
ἀκόνῑτον n. Giftpflanze, ‘Aconitum’ (Thphr., Dsk. u. a.). Davon ἀκονιτικός (X.). — Nach den Alten von ἀκονιτί ‘ohne (vorangehendes) Bestauben’, d. h. ‘ohne Kampf’ (ἀκόνιτος Q. S.), ‘mühelos’, also eig. ‘unbezwingbar’ wegen der nicht zu überwindenden tödlichen Wirkung. Semantisch unbefriedigend. Versuche dem Inhalt des Wortes gerecht zu werden bei Jüthner Glotta 29, 73ff. mit Lit., Strömberg Pflanzennamen 150 A. 1. — Verfehlt Lagercrantz Eranos 35, 35f. S. auch Kretschmer REIE 1, 171ff. I-55
ἄκορνα f. Distelart (Thphr.). — Strömberg Wortstudien 17 vergleicht κόρνος, nach H. sizilisch für κεντρομυρσίνη, und σκόρνος· κόρνος, μυρσίνη τὸ φυτόν; der Name sei volksetymologisch auf ἀκ- ‘spitz’ bezogen worden. Von ἄκορνα stammt nach Strömberg ἀκορνός (ὀκορνός) = ‘ἀττέλεβος, πάρνοψ’ (H., Phot.), weil die Heuschrecken unter den Disteln leben und sich von diesen nähren. Ebenso von κόρνος κόρνοψ ‘Art Heuschrecke’, vgl. auch ἀκανθίας von ἄκανθα. Zum Anlaut vgl. noch Winter Prothet. Vokal 12. I-55
ἄκορον n. ‘Wasser-Schwertlilie, Iris Pseudacorus’ (Dsk., Gal.). — Dunkel, von den Alten auf κόρη ‘Pupille’ bezogen, s. Strömberg Pflanzennamen 98. I-55-56
ἄκος n. ‘Heilung, Heilmittel’ (ep. ion. seit Il., vorw. poetisch). Denominatives Verb ἀκέομαι ‘heilen, ausbessern’ (ion. att.). Von ἀκέομαι stammen mehrere Nomina actionis und agentis (zu den letztgenannten s. Fraenkel Nom. ag. 2, 13ff.): 1. ἀκέσματα ‘Heilmittel’ (Il., Pi., A., Inschr., vgl. Chantraine Formation 183) und ἀκεσμός ‘Heilung’ (Kall.) mit ἀκέσμιον· ἰάσιμον H. 2. ἄκεσις ‘Heilung’ (Hdt., Inschr., vgl. Holt, Les noms d’action en -σις 111) mit ἀκέσιμος ‘heilend’ (Plu.) und ἀκέσιος Beiname des Apollon (Paus.), außerdem ἀκεσίας· ἰατρός Phot. — 3. ἀκέστωρ Beiname des Apollon (E. Andr. 900), fem. ἀκεστορίς (Hp. Flat. 1, ἅπ., vgl. Lejeune Rev. de phil. 76, 12); Nominalabstraktum ἀκεστορία ‘Heilkunde’ (A. R. u. a.). 4. ἀκεστήρ ‘sänftigend’ (χαλινός S. OC 714 lyr.) mit ἀκεστήριος ‘heilend’ (App.) und ἀκεστήριον ‘Schneiderwerkstatt’ (Lib.); außerdem ’Ακεστηρίδης EN (Styra). Mit den Nomina auf -τωρ, -τηρ stehen in Verbindung die Feminina ἀκεστρίς ‘Hebamme’ (Hp.) und ἀκέστρια ‘Schneiderin’ (Antiph., Luk.). 5. ἀκεστής m. ‘Flicker, Schneider’ (X., Lyk. usw.), fem. ἀκεστίδες ‘Eisenbarren in Schmelzöfen’ (Dsk. 5, 74). Nomina instrumenti: 6. ἀκέστρα f. ‘Stopfnadel’ (Luk., Pap.), aber 7. ἄκεστρον n. ‘Heilmittel’ (S.), vgl. Chantraine Formation 333. Hinzu kommen die Adjektiva: ἀκεστός ‘der Heilung fähig, heilbar’ (Ν 115, Hp., Antipho), ursprünglich von ἄκος gebildet, aber verbal umgedeutet und auf ἀκέομαι bezogen; ἀκεστικός: ἀκεστικὴ τέχνη ‘Flick-, Schneiderkunst’ (Demokr., Pl. u. a.). Neben ἄκος steht das seltene ἀκή ‘Heilung’ (Hp. Mochl. 21), das wahrscheinlich ein Postverbale von ἀκέομαι ist (Schwyzer 460). Von ἀκή vielleicht *ἄκιμος Cic. Att. 10, 12a, 4, s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 93, Thomas Stud. zur lat. u. gr. Sprachgeschichte 125ff. — Eine überzeugende Etymologie von ἄκος fehlt. Die Zulässigkeit einer Anknüpfung an air. hīcc ‘Heilung’, kymr. iach ‘gesund’ (Fick4 2, 222) hängt zunächst davon ab, ob ir. ī für urkelt. i̯a stehen kann, was unsicher ist, s. die Lit. bei Bq und WP. 1, 195. I-56
ἀκοστή ‘Gerste’ (Nik. Al. 106). — Nach H. kyprisch; nach Schol. Ζ 506 thessalisch als Benennung aller Lebensmittel, vgl. Bechtel Dial. 1, 204. Denominatives Verb im Ptz. ἀκοστήσας (ἵππος) Ζ 506, Ο 263. Außerdem ἀκόστιλα· ἐλάχιστα H. Mit Schwund des anl. Vokals κοσταί· κριθαί H. — Seit Prellwitz und Hoffmann Dial. 1, 278 als Ableitung des in lat. acus -eris n. ‘Granne, Spreu’ vorliegenden s-Stammes betrachtet, der auch von den germanischen Wörtern got. ahs, ahd. ahir n. usw. ‘Ähre’ vorausgesetzt wird. Etwas abseits liegen lit. akstìs ‘hölzerner Bratspieß’, russ. ostь ‘Spitze, Granne usw.’. Der Bildung nach wäre ἀκοσ-τή als substantiviertes Femininum ("die Grannige") mit lat. onus-tus, venus-tus (locus-ta?) zu vergleichen, was natürlich möglich ist, ebenso wie Anschluß an die große Gruppe der Bildungen von ἀκ- in ἄκαινα, ἀκμή usw. in Betracht kommen kann. S. auch ἄχνη. I-56-57
ἀκούω ‘hören’, auch ‘gehorchen, im Rufe stehen’. Zahlreiche Ableitungen: 1. ἀκουή (ep.), ἀκοή (zum Lautlichen vgl. ἀκήκοα und Schwyzer 348; ἀκουή vom Präsens abgeleitet? Porzig Satzinhalte 230) ‘Gehör, Kunde’, auch ‘Ohr’; zum Plural ἀκοαί ‘Ohren’ oder ‘Stimmen’ vgl. Wolters Hermes 49, 149ff., Weinreich Hermes 51, 624. Deminutiv ἀκοΐδιον ‘Öhrchen’ (Gloss.). Denominatives Verb ἀκοάζῃ· ἀκούεις H. (vgl. indessen ἀκουάζομαι unten) mit dem davon abgeleiteten Nom. ag. ἀκοαστῆρες· ἀρχή τις παρὰ Μεταποντίοις H. — 2. ἄκουσις ‘das Hören’, plur. ‘Laute’ (Arist., Phld., Plot.), ἀκούσιμος ‘zum Hören geeignet’ (S.), vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 81. ? 3. ἄκουσμα ‘das Gehörte, Laut, Gerücht, gehörte (= mündliche) Lehre’ (S. OC 518 lyr., X., Arist. usw.), vgl. Radermacher Festschrift Kretschmer 162f. Demin. ἀκουσμάτιον (Ps.-Luk. Philopatr.), Adj. ἀκουσματικός (Iamb.). — 4. ἀκουστής ‘Hörer, Schüler’ (Men., D. H., Phld. u. a.; für älteres ἀκροατής, vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 68) und ἀκουστήριον ‘Hörsaal, Zuhörerschaft’ (Gal., Them., Porph.). — 5. ἀκουστός ‘hörbar, audiendus’ (h. Merc., ion. att.) mit ἀκουστίζω (auch auf ἀκουστής bezüglich) ‘hören machen’ (LXX); daneben ἀκουστικός ‘auf das Hören bezüglich’ (Arist., Epik. u. a.). — Außerdem zwei Deverbative: ἀκουάζομαι (selten -άζω) ‘hören, lauschen’ (Hom., Hp.), vgl. Schwyzer 735 oben, Mélanges Pedersen 69, Chantraine Gramm. hom. 1, 338; formal könnte es auch von ἀκουή ausgehen. Desiderativum ἀκουσείω (S., H.). — Oft mit Präfix: ὑπακούω mit ὑπήκοος (zur Vokaldehnung Schwyzer 397f.), aber ohne Dehnung ὑπακοή (LXX, Ep. Rom., Pap. Masp.). Ebenso ἐπακούω, ἐπήκοος, κατακούω, κατήκοος usw. — Bei der Erklärung von ἀκούω sind zwei Wege geprüft worden: 1. Zusammenbildung ἀκ-ουσ-ι̯ω ‘scharfes Ohr hinhalten’, von ἀκ- in ἄκαινα usw. und οὖς (Fick BB 1, 334, Johansson IF 3, 199), vgl. ἀκροάομαι s. ἄκρος; 2. zu got. hausjan ‘hören’ (Delbrück KZ 16, 271), wobei ἀ- entweder Schwundstufe von idg. *en- ‘in’ sei (Prellwitz) oder für idg. *sm̥- stehe (Schrader KZ 30, 465) oder einfach prothetisch wäre (Benveniste BSL 32, 76, Meillet BSL 36, 107). Neben ἀκούω und hausjan, die nach Prévot REGr. 48, 70ff. als Desiderativa zu erklären sind, stände als primäres Verb ἀκεύει mit weiterem Anschluß an κοέω usw. (Prévot l. c., Bezzenberger BB 27, 145f., der das anlautende ἀ- dem lett. sa- in sa-just ‘fühlen, bemerken’ gleichsetzt). — Kretschmer KZ 33, 563ff., Glotta 27, 25 sucht die beiden Deutungen gewissermaßen zu vermitteln, indem er in hausjan Wegfall des Anlautvokals in idg. aḱ- ‘spitz’ annimmt. Wer ἀκούω nach 1. zu erklären vorzieht und dennoch ἀκεύει davon nicht trennen will, muß ἀκεύει als Neubildung nach der Proportion εἰλήλουθα : ἐλεύσομαι = *ἀκήκου[σ]α : *ἀκεύσομαι : ἀκεύει verstehen, was äußerst unwahrscheinlich ist. I-57-58
’Ακράγας, -αντος m. f. Fluß und Stadt in Sizilien, — wahrscheinlich illyrischen Ursprungs. Kretschmer Glotta 14, 87ff. I-58
ἀκρᾱής, -ές Beiwort des Windes (β 421, ξ 253, Hes. Op. 594, Cic. Att. 10, 17, 9, Adv. ἀκραεὶ πλεῖν Arr.) — als ‘scharf wehend’ gedeutet, aber ursprünglich wahrscheinlich = ‘auf den Höhen wehend’, von ἄκρος (ἄκρα, ἄκρον, s. d.) und ἄημι mit kompositioneller Dehnung und Übergang in die s-Stammflexion. I-58
ἀκραιφνής, -ές ‘lauter, rein, unversehrt’ (fast nur poet. und spät). — Unerklärt. Wertlose Vermutungen sind bei Bq verzeichnet. I-58
ἀκρά̄χολος ‘heftig zürnend’ (att.) mit ἀκρᾱχολία, ion. (Hp.) ἀκρηχολίη; denom. Verb ἀκρᾱχολέω (Pl.). — Eig. "mit ungemischter Galle", aus *ἀκρά̄τ-χολος, von *ἀκρά̄ς = ἄκρᾱτος, vgl. ἀκρητό-χολος (Hp.) und εὐκρά̄ς = εὔκρᾱτος ‘wohlgemischt’. Später (Arist. usw.) nach ἄκρος in ἀκρόχολος, -ία umgestaltet. Brugmann IF 17, 8, Fraenkel Nom. ag. 1, 84ff. Dasselbe Vorderglied wird von Brugmann a. a. O. 174ff. in ἀκρήπεδος· ἡ ἀγαθή (scil. γῆ) H. vermutet. I-58
ἀκρεμών, -όνος (Akzent nach Hdn. Gr. 1, 33; Hss. gew. -έμων) m. ‘Ast, Zweig’, zur Bedeutung Strömberg Theophrastea 141f., 54f. (Simon., E., Thphr. usw.). Davon ἀκρεμονικὴ (ἀπόφυσις) Thphr., vgl. Strömberg 98 A. 1. — Seit Benfey zu ἄκρος gezogen; zur Bildung Brugmann Grundriß2 2 : 1, 241, Schwyzer 522, Chantraine Formation 172f. Die apokopierte Form κρεμών (Eratosth.) kann durch Anschluß an κρεμάννυμι veranlaßt sein. I-58
ἀκριβής (-ῑ-), -ές ‘genau, sorgfältig, sparsam, streng’ (ion. att.); auch als Stilbegriff, s. Weßdörfer Die Φιλοσοφία des Isokrates 95f. Abstraktbildung ἀκρίβεια ‘Genauigkeit usw.’ (ion. att.). Mehrere Denominativa: 1. ἀκριβόω (Schwyzer 731f.) ‘genau ausführen, genau kennen’ (att. und spät), auch intr. ‘genau sein’ (Arist.). Davon ἀκρίβωσις ‘genaue Beobachtung’ (J.) und ἀκρίβωμα ‘genaue Ausführung, genaue Kenntnis’ (Phld., Epikur.). 2. ἀκριβεύω ‘richtig benutzen, genau unterrichten’ (S. E., Did., Pap.). 3. ἀκριβάζω mit ἀκριβασμός, -ασμα, -αστής ‘genau untersuchen’, auch ‘stolz sein’ (pass.), bzw. ‘genaue Untersuchung’, ‘Untersucher’, auch ‘Gebot, Gesetz’, ‘Gesetzgeber’ (LXX, Aq., Thd.). — Unerklärt. Nach Schwyzer Glotta 12, 12ff. zu ἄκρος und εἴβω mit frühem Itazismus; ältere Versuche, alle unbefriedigend, sind bei Bq zu finden. I-58-59
ἀκρίς, -ίδος f. ‘Heuschrecke’ (Φ 12, Ar., Arist., hell.). Deminutiv ἀκρίδιον (Dsk.). — Nicht sicher gedeutet. Strömberg Wortstudien 15ff. (wo über frühere Vorschläge) zieht ansprechend, auf mehrere Bedeutungsparallelen gestützt, ἀκρίς zu κρίζω ‘schreien’; der Anlautsvokal bereitet allerdings gewisse Schwierigkeiten. Winter Prothet. Vokal 15 vergleicht κέρκα· ἀκρίς H. I-59
ἄκριστιν · κλέπτριαν, ἀλετρίδα. Φρύγιοι H. — Dunkel. Zum phrygischen Suffix -(i)stis s. Kretschmer Glotta 22, 205f. I-59
ἀκροάομαι ‘(aufmerksam) hören, horchen’ (ion. att.), ὁ ἀκροώμενος auch ‘der Leser’ (Philostr.). Mehrere Ableitungen: ἀκρόασις ‘das Anhören, Gehorchen’, auch ‘Vorlesung, Hörsaal’ (ion. att.). — ἀκρόαμα ‘das Gehörte, Gegenstand des Hörens, Gerücht, Vorlesung, Gesang’ (X., Arist., Plb., vgl. Radermacher Festschrift Kretschmer 162f.), im Plur. auch personifiziert ‘Vorleser, Sänger’ (Plb. u. a.); davon ἀκροαματικός ‘(nur) zum Anhören bestimmt’ (Plu. u. a.); ferner die ngr. Denonunativa ἀκουρμάζω, κουρμαίνω ‘hören’ (Hatzidakis; s. Glotta 4, 333). — ἀκροατής ‘Zuhörer, Schüler’, auch ‘Leser’ (att., hell.) mit ἀκροατικός. — ἀκροατήριον ‘Hörsaal, Zuhörerschaft’ (Act. Ap., Ph., Plu.). — Eine Weiterbildung liegt in ἀκροάζομαι (Epich.) vor. — Schon Fick BB 1, 334 hat in ἀκροάομαι ein Kompositum von ἄκρος und οὖς erkannt. Das Wort ist eine sog. Zusammenbildung, d. h. eine Ableitung des Ausdrucks ἄκρον οὖς, eig. ‘die Ohrspitze machen, die Ohren spitzen’, Frisk GHÅ 56 : 3, 21. I-59
ἄκρος, -α, -ον ‘äußerst, oberst, höchst, an der Spitze befindlich’; daneben seit alters ἄκρα f., ἄκρον n. ‘das äußerste Ende, Spitze, Höhe, Vorgebirge’, ‘τὸ ἄριστον καὶ κάλλιστον’ EM; Hom. κατ’ ἄκρης (πόλιος) ‘von der oberen (Burg) hinab’, κατ’ ἄκρηθεν, att. κατ’ ἄκρας ‘gänzlich’, s. Leumann Hom. Wörter 56ff.; zu ἄκρον noch Krahe IF 58, 141; ἄκρος eig. adjektiviertes Substantiv? (Frisk IF 56, 113f.). Sehr gebräuchlich als Vorderglied wie in ἀκρόπολις (für älteres ἄκρη πόλις, Frisk IF 52, 282ff., Risch IF 59, 20), immer in lokalem Sinne; danach ἀκραής eig. ‘auf den Höhen wehend’. — Neben ἄκρος, -α, -ον steht ἄκρις, -ιος f. ‘Berggipfel’ (Od., h. Cer., immer im Plural; im Sing. nur Epigr. Gr. 1035, 8). — Ableitungen von ἄκρος (-α, -ον): ἀκραῖος, -αία ‘auf der Höhe, auf der Burg lebend’, Beiname verschiedener Götter, vgl. Paton ClRev. 21, 47f., auch = ἄκρος (Opp.). — ἀκρία· ἡ ’Αθηνᾶ ἐν Ἄργει H. (auch Name anderer Göttinnen), ἀκρίαι· τὰ ἄκρα τῶν ὀρέων H. — Substantiva: ἀκρότης ‘höchster Punkt, äußerste Grenze, Vollendung’ (Hp., Arist., Phld. usw.). — ἄκρων, -ωνος m. ‘Extremität’ (Hippiatr. 7), Demin. ἀκρωνάριον (ibid.), Abstraktbildung ἀκρωνία A. Eu. 188, wahrscheinlich ‘Verstümmelung’ (vgl. ἀκρωτηριασμός unten). — ἀκρωτήριον ‘der äußerste, vorragende Teil, Vorgebirge, Schiffsschnabel, Giebelvorsprung’, pl. auch ‘Extremitäten’ (ion. att.); wahrscheinlich direkt von ἄκρος gebildet mit Überspringung eines Zwischengliedes, vgl. etwa δεσμός : [δεσμώτης :] δεσμωτήριον, s. noch Fraenkel Nom. ag. 1, 204 A. 2, Schwyzer 470. Von ἀκρωτήριον: ἀκρωτηριάζω ‘die ἀκρ. entfernen, verstümmeln, amputieren’ (ion. att.; vgl. ἀκρωτερῆσαι· κόψαι ἢ ἀχρειῶσαι H.), auch ‘ein Vorgebirge bilden, wie ein Vorgebirge hinausragen’ (Plb., Str.). Davon die Verbalnomina ἀκρωτηριασμός (Dsk. u. a.), ἀκρωτηρίασις (Gloss.). — Von ἄκρος werden auch Verba gebildet: ἀκρίζω ‘auf den Fußspitzen gehen’ (E.), = ‘τἂ ἄκρα ἐσθίειν’ Sch. Φ 12; ἀκρώσσει· ἀκροᾶται, ἑκὼν οὐχ ὑπακούει, προσποιεῖται H., s. Frisk GHÅ 56 : 3, 22. — Es gibt in den übrigen idg. Sprachen viele r-Ableitungen des Elementes aḱ-, die mit ἄκρος, ἄκρις am nächsten verwandt sind: aind. áśri- f. ‘Ecke, scharfe Kante’, catur-aśra- ‘viereckig’ (vgl. indessen auch ὄκρις), lat. ācer, -ris, re (alte Vr̥ddhibildung? Frisk IF 56, 113f.), gall. EN Aχrotalus ‘mit hoher Stirn’, air. ēr ‘hoch’, alit. aštras, aksl. ostrъ ‘scharf’. Über akro- in illyrischen Namen s. Krahe Pannonia 1937, 310 A. 40, Karg WuS NF. 4, 183. — Heth. ḫekur ‘Fels(gipfel)’ bleibt fern, vgl. über dieses Wort Sommer Aḫḫijavā-Urk. 317f. — Weitere Verwandte s. ἄκαινα, ἀκή, ἀκμή usw., auch ὄκρις. I-59-60
ἀκταίνω (A. Eu. 36, στάσιν od. βάσιν; Trag. Adesp. 147, μένος), ‘aufrichten’ Aor. ἀκταινῶσαι (Anakr., Pl., vgl. Immisch Phil. Woch. 48, 908), ὑποακταίνοντο· ἔτρεμον H. als v. l. in ψ 3 für ὑπερικταίνοντο (πόδες). — Trotz der Bedeutung wohl am besten zu ἄγω als Erweiterung von *ἀκτάω oder *ἄκτω (s. über diesen Bildungstypus Schwyzer 705f., Mélanges Pedersen 70). Zu -αίνω vgl. besonders κρυσταίνω. Die von Boisacq herangezogenen τ-Bildungen ἀκολασταίνω : ἀκόλαστος, ἀλασταίνω : ἄλαστος sind als Ableitungen lebendiger Verbaladjektiva mit ἀκταίνω nicht vergleichbar. I-60
ἀκτέα, ἀκτῆ auch ἀκτέος m. f., ‘Holunder, Sambucus nigra’ (Emp., B., Hp., Thphr. usw.). Davon ἄκτινος (Thphr.). — Etymologie unbekannt. Daraus lat. acte (Plin., Ps.-Apul.), ahd. atuh, at(t)ah. I-60-61
ἀκτή 1. f. ‘Vorgebirge, Felsküste, schroffes Ufer, Landzunge, Kante’ (seit Il.; in der älteren Sprache vorwiegend poetisch). Ableitungen: ἀκταῖος, -α, -ον ‘an der Küste gelegen, zur Küste gehörig’ (Th., Hp., Kall. u. a.). Fem. ἀκταία auch Pflanzenname (Plin.); darüber und über die Pflanzennamen ἄκτιον und ἀκτίνη Strömberg Pflanzennamen 115. — ἄκτιος Beiname von Pan (Theok.) und Apollo (A. R.), ἄκτιον = ἀκτή (Ael.). — ἀκτίτης m. ‘Küstenbewohner’ (A. P.), ἀκτ. (λίθος) ‘Stein aus Piräus oder Argolis’ (IG, S.; vgl. Redard Les nom grecs en -της Index 266), πέτρος ἀκτῖτις (Ath. Mitt. 31, 143). Nach Plu. 2, 668 b gehört hierher auch ein Verb ἀκτάζω ‘schmausen’, eig. *‘am Ufer schmausen’. Es handelt sich aber vielleicht eher um eine Ableitung von 2. ἁκτή, die irrtümlich an 1. ἀκτή angeschlossen worden ist. — Nicht sicher gedeutet. Die herkömmliche Erklärung aus ἀκ- ‘spitz’ ist allenfalls möglich. Das Wort hat im Anlaut nicht Digamma besessen. I-61
ἀκτή 2. oft Δημήτερος oder ἀλφίτου ἀκτή. f. ‘Korn’ (ep. poet.), — Etymologie unbekannt. Keine Spur von anl. Digamma. Die vergeblichen Deutungsversuche sind bei Bq verzeichnet. I-61
ἀκτηρίς, -ίδος f. ‘Stab’ (Achae. 21), ‘Holzstange zum Stützen der Deichselstange’ (Poll. 10, 157). — Durch Univerbierung von ἀκταίνω (*ἀκτάω) und ἐρείδω entstanden? I-61
ἀκτίς, -ῖνος f. ‘Strahl, Licht’ (vorw. poetisch von Hom. an), auch ‘Speiche’ (AP). Ableitungen: ἀκτινωτός ‘mit ἀκτῖνες versehen’ (Inschr. Delos IVa Michel 815, Ph. u. a.), ἀκτινώδης ‘strahlenähnlich’ (Philostr.), ἀκτινηδόν Adv. ‘strahlengleich’ (Luk.). Öfters als Vorderglied. ἀκτίς ist wie δελφίς, γλωχίς, ὠδίς usw. gebildet und setzt wie diese ein Nomen voraus. — Am nächsten steht aind. aktú- ‘Strahlung, Nacht’ (zur Bedeutung s. Renou Monographies sanskrites 2, 6). Damit verbindet man seit Joh. Schmidt Pluralbild. 212ff. got. uhtwo f. (urg. *uŋχtwōn-) ‘Morgendämmerung’ und, mit anderem Ablaut, lit. ankstì ‘früh’. Weiterer Anschluß an die Wörter für ‘Nacht’ (s. νύξ) ist hypothetisch. Vgl. außer Schmidt und Renou die Literatur bei WP. 2, 338f., Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. uhtwo; außerdem Güntert Reimwortbildungen 66f. I-61
ἄκυλος m. und f. ‘die eßbare Eichel, Frucht der Steineiche’ (κ 242, Pherekr., Arist., Theok., Thphr. u. a.). — Von Solmsen KZ 34, 79 und Persson Beitr. 825f. mit aind. aśnā́ti ‘essen’ verbunden. Hypothetisch. Vgl. ἄκολος. I-61
ἄκων, -οντος (für älteres *-ονος) m. ‘Wurfspieß, Wurflanze’ (poet. seit Il., späte Prosa, vgl. Trümpy Fachausdrücke 52ff.). Auf ἄκων fußen mehrere Nomina: Demin. ἀκόντιον (h. Merc. 460, Hdt., Pl. usw.), ἀκοντίας m. ‘Schlangenart’, ‘Meteor’ (wegen der Schnelle; Nik., Plin. u. a.), ἀκοντίλος m. = ἀκοντίας (H., EM). Ferner das Verb ἀκοντίζω ‘einen Wurfspieß schleudern’ (seit Il., vgl. Trümpy 108f.) mit mehreren Verbalnomina: 1. ἀκοντιστύς ‘Speerkampf’ (Il., zur Bedeutung s. Benveniste Noms d’agent 70); 2. ἀκόντισις ‘Speerwerfen’ (X.); 3. ἀκοντισμός ‘Speerwerfen, Wurf’ (X., Str., Arr. u. a.); zum Verhältnis von ἀκόντισις und ἀκοντισμός (-μός konkreter gefärbt) s. Holt Les noms d’action en -σις 133f., Glotta 27, 182ff.; 4. ἀκόντισμα ‘Wurfweite’ (X.), ‘Wurfspieß’ (Str., Plu. u. a.); 5. ἀκοντισία = ἀκόντισις (SIG 1060, 1062), vgl. Chantraine Formation 86. — Nomina agentis: ἀκοντιστής m. ‘Wurfschütze’ (Il. usw.), vgl. Schwyzer 500α; ἀκοντιστήρ ‘ds.’ (E.), wohl Neubildung, vgl. Chantraine 325. Bei Opp. und Nonnos auch als Adj. gebraucht; über ἀκοντιστήρ im Sinn von ‘Springbrunnen’ Zingerle Glotta 19, 72f. — ἀκοντιστήριον ‘Wurfmaschme’ (Agath.). — ἀκοντιστικός ‘zum Speerwerfen gehörig’ (Pl., X. u. a.). — ἄκων ist eine n-Ableitung des in ἀκ-ή usw. vorliegenden Elements; vgl. insbesondere ἀκόνη, ἄκαινα, ἄκανος, ἄκανθα. Aus anderen Sprachen: aind. aśáni- ‘Pfeilspitze usw.’, lat. agna ‘Ähre’, germ., z. B. got. ahana ‘Spreu’, awno. ǫgn, pl. agnar ‘Spreu’. I-62
ἀλάβαστος, später ἀλάβαστρος m. und ἀλάβαστρον n. ‘Salbgefäß’, oft aus sog. Alabaster gemacht (Hdt., Kom., Inschr.). Demin. ἀλαβάστιον (Eub.). Sonstige Ableitungen: ἀλαβάστριον n. und ἀλαβαστρίνη (sc. λιθοτομία) ‘Alabasterbruch’ (Pap.); ἀλαβαστρίτης (λίθος) m. ‘Alabaster’, ἀλαβαστῖτις πέτρα (Kallix.), vgl. Redard Les noms grecs en -της 52; ἀλαβάστρινος (Pap.); ἀλαβαστρών m. ‘Alabasterbruch’ mit ἀλαβαστρωνίτης ‘Arbeiter eines Alabasterbruchs’ (Pap.), s. Redard 35. — Nach Sethe BerlAkSb. 1933, 888f. aus ägypt. *‘a-la-baste ‘Gefäß der Göttin Ebáste’ (= Bubastis). I-62
ἀλαζών, -όνος m. f. ‘Marktschreier, Prahler’ (ion. att.), auch adjektivisch gebraucht. Ableitungen: ἀλαζονικός ‘prahlerisch, stutzerhaft’ (Hp., X., Arist. usw.), ἀλαζονίας = ἀλαζών (Hdn.), ἀλαζοσύνη ‘Großtuerei’ (Aq.). — Verbum: ἀλαζονεύομαι ‘großtun, prahlen’ (Kom., Redner usw.). Davon ἀλαζονεία, ἀλαζόνευμα. ἀλαζών ist mit dem thrakischen Volksnamen ’Αλαζών identisch, der zum Appellativ geworden ist. Bonfante BSL 37, 77ff. I-62
ἀλαιθερές · χλιαρόν, ἡλιοθερές H. — Unhaltbare Spekulationen bei Prellwitz Glotta 19, 119. I-63
ἀλαλά Interj., auch personifiziert ’Αλαλά (Pi.); daneben ἀλαλαί (Ar.), das auch als pluralisches Subst. ‘(Kriegs)geschrei, Jubel’ (Pi.) vorkommt. Davon ἀλαλητός m. ‘(Kriegs-, Sieges-, Angst)geschrei’ (Il., Hsd., Pi. u. a.). — ie Auffassung Leumanns Hom. Wörter 211, daß ἀλαλητός eigentlich zu ἀλάλημαι ‘umherschweifen’ (s. ἀλάομαι) gehöre und durch Umdeutung von Π 78 auf ἀλαλά bezogen worden sei, ist nicht ohne Bedenken. — Denominatives Verb ἀλαλάζω (Schwyzer 716 : 3) ‘ἀλαλά rufen, ein Geschrei erheben’ (vorw. poetisch, außerdem X. und späte Prosa). Davon drei Nomina: ἀλαλαγμός (Hdt., E., Arr. u. a.), ἀλάλαγμα (Kall., Plu.), ἀλαλαγή (S.). Primäre Interjektion, elementarverwandt mit z. B. aind. alalā-bhávant- (RV., ‘munter rauschend’, vom Wasser). Vgl. Theander Eranos 15, 98ff. mit den Bemerkungen Kretschmers Glotta 9, 228ff. Ähnlich ἐλελεῦ, ὀλολύζω. I-63
ἀλάλυγξ, -υγγος f. etwa ‘Schlucken, Schluchzen’ (Nik. Al. 18). — Expressive Kontamination von λύγξ ‘Schlucken’ und einem anderen Wort, vgl. die Bildungen s. ἀλύω und ἀλάομαι. I-63
ἀλάομαι ‘umherirren, umherschweifen, in der Verbannung leben’, Aor. ἀλήθην (vorw. ep. und poet.). Daneben die indefiniten Perfektformen ἀλάλησθαι, ἀλαλήμενος (fast nur Hom.), beide mit Präsensbedeutung, womit der unregelmaßige Akzent zusammenzuhängen scheint, s. Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 117f. Eine Umbildung von ἀλάομαι ist ἀλαίνω (vgl. Schwyzer 733). Postverbales Nomen : ἄλη (Od., Hp., Trag., späte Prosa); daraus erweitert ἀλεία (AB, H.). — Nomen agentis: ἀλήτης m., auch Adj., dor. ἀλάτας, auch EN, vgl. Björck Alpha impurum 165, ἀλῆτις, -ιδος f. ‘Bettler, Flüchtling; umherirrend’ (Od., Hdt., Trag. usw.) mit ἀλητικός (D. Chr.). Von ἀλήτης das denominative ἀλητεύω ‘(als Bettler od. Flüchtling) umherirren’, davon ἀλητεία, ἀλατεία (A., E. in lyr., späte Prosa). Neben ἀλήτης vereinzelt ἀλητήρ als Name eines Tanzes (Arristox.), dazu bei H. ἀλήτωρ· ἱερεύς, wohl eig. "Bettelpriester". — Von ἀλάομαι auch ἀλήμων ‘umherschweifend’ (Od., AP) mit ἀλημοσύνη (Man. u. a.). — Nomina actionis: ἀλητύς ‘das Umherirren’ (Kall., Man.), vgl. Chantraine Formation 291; ἄλημα· ὁδοιπορία H. — Aus der reduplizierten Form stammt die ganz besondere Bildung ἀλάλαγξ· ἡ πλάνη H., nach Leumann Hom. Wörter 211 auch ἀλαλητῷ Π 78, was etwas zweifelhaft scheint, vgl. s. ἀλαλά. — ἀλάομαι ist ein altes Intensivum auf -άομαι, das in lett. aluôt ‘umherirren’ sein nächstes Gegenstück hat (Fick BB 2, 264). Ob auch lat. ambulo hierhergehört, ist strittig, s. W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. v. Vgl. 2. ἀλέα, ἀλύω, ἠλάσκω, ἅλιος. I-63-64
ἀλαός ‘blind’ (Hom., Trag. in lyr., A. R.). Denominatives Verb ἀλαόω im Aorist ἀλαῶσαι (Od., AP), vgl. Wackernagel Unt. 127. Davon ἀλαωτύς (ι 503) ‘Blendung, Blindheit’, vgl. Benveniste Noms d’agent 68. et. — Die abstrakt-logisch unanfechtbare Erklärung aus λάω ‘sehen’ (Bq s. λάω, Bechtel Lex. s. ἀλαός) hat gegen sich, daß man für den Begriff ‘blind’ einen anschaulicheren Ausdruck erwartet. I-64
ἀλαπάζω Aor. ἀλάπαξα, Fut. ἀλαπάξω. ‘zerstören, erschöpfen, plündern’ (vorw. Hom.), Davon ἀλαπαδνός mit analogisch eingeführtem -δ- (Schwyzer 489) ‘aufgerieben, schwach’, meistens mit Negation (Hom., Hes.). Ableitung ἀλαπαδνοσύνη (Q. S.). — Im selben Sinne gebraucht Aisch. zweimal (Th. 47, 531) das Futurum λαπάξειν (Ag. 130 zweifelhaft); das Präsens λαπάσσω wird von den Medizinern als terminus technicus ‘ausleeren’ verwendet. Bei A. Eu. 562 liest man nach Musgrave λαπαδνόν (cod. λέπ-) = ἀλαπαδνόν. Zu bemerken noch λαπάζειν· ἐκκενοῦν, ἀφ’ οὗ καὶ τὸ ὄρυγμα H. — Etymologisch dunkel; gegen Ficks (14, 5) Anknüpfung an aind. álpa- ‘klein’, lit. alpstù ‘verschmachten, ohnmächtig werden’ mit Recht WP. 1, 92, Pok. 33. Weitere Lit. ebenda und bei Bq. Ob das anl. ἀ- prothetisch hinzugefügt oder sekundär verlorengegangen ist, läßt sich kaum entscheiden. Vgl. λαπαρός. I-64
ἄλαστος ep. und poet. Beiwort von πένθος, ἄχος, auch als herabsetzende Anrede (ἄλαστε, z. B. Χ 261) gebraucht. Denominatives Verb ἀλαστέω (Hom., Kall. u. a.), ἐπαλαστήσας (α 252, A. R.), Bezeichnung einer Gemütserregung. Außerdem ἀλασταίνω· δυσπαθέω H.; EM. — Ursprüngliches Nomen agentis ἀλάστωρ, vgl. ἀνάκτωρ, δυνάστωρ, κτίστωρ usw., entweder von ἀλαστέω oder direkt von ἄλαστος gebildet (vgl. Schwyzer 531 : 1), hom. EN, Attribut von Göttern und Göttinnen, aber auch von Menschen, wahrscheinlich ionischen Ursprungs, Fraenkel Nom. ag. 1, 216f., 69. Nebenform ἀλάστορος (A., S. u. a.), Ableitung ἀλαστορία (J.). Seit Prellwitz BB 13, 145, Solmsen KZ 34, 445, IF 3, 92 wird ἄλαστος mit antiken Gewährsmännern gern als privatives Verbaladjektiv zu λανθάνομαι erklärt: *‘wer oder was nicht vergessen wird oder werden kann, unerträglich’; davon ἀλαστέω *‘etw. unerträglich finden, empört werden, zürnen’, eine formal tadellose, aber inhaltlich sehr hypothetische Deutung. Vgl. zur Bedeutung noch v. Wilamowitz zu Eur. Herakles v. 911. — Anders Muller Don. nat. Schrijnen 649ff., Mnemos. 57, 116ff.: zu λάω ‘sehen’ mit ἀ- aus *n̥-, Schwundstufe von ἐν ("invisus, invisor, qui invidendo nocet"). Wieder anders Prévot Rev. de phil. 61, 249ff.: zu λάω ‘sehen’ mit prothetischem ἀ-. Abzulehnen Prellwitz Glotta 19, 119. Weitere Lit. bei Bq (mit Add. et corr.). I-64-65
ἄλγος n. ‘Schmerz, Leid, Kummer’ (vorw. ep. poet.). Ableitungen: ἀλγεινός (aus *ἀλγεσ-νός), ep. ἀλεγεινός (vgl. ἀλέγω) ‘schmerzhaft, kummervoll’; ἀλγινόεις ‘ds.’ (poet.; metrische Umbildung s. Chantraine Formation 271, vgl. auch Schwyzer 527f.); ἀλγηρός ‘ds.’ (LXX) wohl eher auf ἀλγέω zu beziehen, vgl. Chantraine 231ff.; ἀργαλέος, dissim. aus *ἀλγαλέος ‘ds.’ (vorw. ep. poet., nicht bei den Tragg.), näheres bei Debrunner IF 23, 10f., Severyns Mélanges Boisacq 2, 239ff.; davon ἀργαλεότης (Ph., Eust.). — Denominative Verba: 1. ἀλγέω, -ήσω ‘Schmerz empfinden, leiden, bekümmert sein’ (ion. att.; Schwyzer 724: 1, vgl. auch Leumann Hom. Wörter 113). Davon ἄλγησις ‘das Leiden’ (S., Ar., späte Prosa) und ἄλγημα ‘das Leid’ (Hp., S., E., Men. usw.; zum Bedeutungsunterschied Holt Les noms d’action en -σις 148); ferner ἀλγηδών ‘Leid’ (ion. poet., Pl. usw.); über ἀλγηρός s. oben. — 2. ἀλγύνω, -ομαι ‘in Schmerz versetzen’, bzw. ‘Schmerzen empfinden’ (vorw. trag. und sp. Prosa). Von ἀλγύνω: ἄλγυνσις (Phlp., Olymp.) und ἀλγυντήρ (Zos.). — Neben ἄλγος stehen die primären Komparationsbildungen ἀλγίων und ἄλγιστος (Hom., Trag.; Schwyzer 539, Seiler Steigerungsformen 85f.). — Wahrscheinlich zu ἀλέγω, s. d. I-65
ἀλδαίνω ‘wachsen lassen, stärken’ (A.), Aor. ἤλδανε (σ 70 = ω 368). Daneben ἀλδήσκω ‘wachsen’ (Ψ 599), ‘wachsen lassen’ (Theok.) und ἀλδισκάνω (Hdn. Gr. 2, 716). Iterativpräteritum ἀλδήσασκε (Orph. L. 370). — Postverbal ἄλδη ‘Wachstum’ (Hdn. Gr. 1, 311); scheinbar davon abgeleitet, aber vielmehr vom Verb ausgegangen ist ἀλδήεις ‘wachsend’ (Max.), ebenso ἀλδήμιος ‘wachsen machend’ (Method. ap. EM). — Als Hinterglied findet sich -αλδής: ἀναλδής ‘nicht gedeihend, unfruchtbar’ (Hp., Ar., Arat.), νεαλδής (Opp.) und νεοαλδής (H.) ‘neu gewachsen’, alle direkt vom Verb gebildet. — ἀλδαίνω, ἤλδανε und ἀλδήσκω sind Umbildungen eines unbekannten Wurzelverbs, das eine δ-Erweiterung des in ἄναλτος (s. d.) vermuteten Verbalstamms enthält (Schwyzer 702: c α mit Nachtrag). Vgl. ἀλθαίνω. I-65
ἀλέα 1. (ἀλέα?, vgl. ἀλεαίνειν unten), ion. ἀλέη ‘Wärme’, insbes. ‘Sonnenwarme’ (ep., ion. att.). Ableitungen: ἀλεεινός ‘heiß, der Sonne ausgesetzt’ (ion., X., Arist. u. a.), nach φαεινός usw. gebildet (Chantraine Formation 196); ἁλυκρός ‘lauwarm’ (Nik., EM), nach θαλυκρός (oder daraus durch falsche Interpretation als θ’ἁλυκρός entstanden? Debrunner GGA 1910, 6), vgl. ἀλυκτρόν· εὔδινον H.; ἀλεόν· θερμὸν ἢ χλιαρόν H.; nicht völlig sicher ἀλεής (S. Ph. 859 lyr.; ἀδεής Reiske). — Denominative Verba: 1. ἀλεαίνω ‘erwärmen, sich wärmen’ (Hp., Archil., Ar., Arist., Men.), im Attischen nach Eust. 1636 aspiriert: ἁλ-; davon ἀλεαντικός ‘zur Erwärmung geeignet’ (S. E.). — 2. ἀλεάζω ‘warm sein’, auch ‘erwärmen’ (Arist., Gal., H.). — ἀλέα ist vermittels des Suffixes -έα von einem Verb abgeleitet, das im Griechischen verloren gegangen ist, aber im Germanischen und Baltischen fortlebt, z. B. ags. swelan ‘langsam verbrennen’, nhd. schwelen (Hochstufe), lit. svìlti ‘sengen’ (intr.; Schwundstufe wie im Griech.). Fick4 1, 580, Sommer Lautst. 111. Weiteres s. εἵλη. I-65-66
ἀλέα 2., ion. ἀλέη ‘das Ausweichen, Entrinnen, Schutz’ (ep.ion.) — aus *ἀλέϝ-ᾱ (nach φυγή? Porzig Satzinhalte 232). Verbalnomen von ἀλέομαι aus *ἀλέϝομαι, vgl. ἀλεύω (Trag. in lyr.), Aor. ἀλεύασθαι neben ἀλέασθαι ‘ausweichen, entfliehen’ (ep. ion.). Ein anderes Verbalnomen ist ἀλεωρή ‘das Ausweichen, Schutz’ (ep. ion., hell.), aus *ἀλεϝ-ωλή mit Dissimilation (Chantraine Formation 243, Schwyzer 258). Denominatives Verb: ἀλεείνω = ἀλέομαι (ep.), wahrscheinlich von einem Nomen *ἀλεϝ-εν- (vgl. Schwyzer 521); der komplettierende r-Stamm in ἄλεαρ· ἀλεωρίαν H. Eine Bildung auf -άζω, entweder denominativ von ἀλέα oder deverbativ von ἀλέομαι, ist bewahrt in ἀλεάζειν· κρύπτειν ἢ προβάλλειν, καὶ εἴργειν, ἀφανίζειν H. Neben *ἀλεϝ-ομαι steht mit anderem Ablaut in derselben Bedeutung ἀλύ-σκω (ep., trag., sp. Prosa), Fut. ἀλύξω mit analogisch eingeführtem ξ (Schwyzer 708 A. 5, vgl. Debrunner Mélanges Boisacq 1, 252f.). Erweiterungen davon: ἀλυσκάζω und ἀλυσκάνω (ep.). ἀλέομαι und ἀλύσκω werden gewöhnlich zu ἀλύω und weiterhin zu ἀλάομαι (Erweiterung ευ : υ) gestellt, s. dd. I-66
ἀλέγω, nur Präs., gew. mit Negation, ‘auf etw. achten, sich um etw. kümmern’ (ep. lyr.). Erweiterungen: ἀλεγίζω und ἀλεγύνω, beide nur Präs. und Impf., vgl. Schwyzer 736, bzw. Risch 253. — Von ἀλέγω das Hinterglied -ηλεγής (kompositionelle Dehnung) in den Syntheta δυσ-ηλεγής ‘schmerzvoll, rücksichtslos’ (ep.) und ἀν-ηλεγής ‘der sich um nichts kümmert, rücksichtslos’ (Q. S.), wahrscheinlich auch bei Homer für τανηλεγής einzusetzen (Bechtel Herm. 39, 155f., Leumann Hom. Wörter 45, der mir die semantischen Schwierigkeiten zu überschätzen scheint). Ein Substantiv *ἄλεγος anzusetzen, ist jedenfalls nicht notwendig, denn auch das Adj. ἀλεγεινός läßt sich anders, und zwar als eine Umbildung von ἀλγεινός nach ἀλέγω erklären. — ἀλέγω, eig. ‘Schmerz, Leid über etwas empfinden’ und ἄλγος ‘Schmerz, Leid, Kummer’ sind wegen der übereinstimmenden Bedeutung zusammenzuhalten unter der Annahme eines Ablautwechsels ἀλεγ- ~ ἀλγ- (vgl. ἀλέξω : ἀλκή). Dabei ist die ohnehin anfechtbare Zerlegung in ἀ- (Schwundstufe von ἐν-) und λέγω (Hermann IF 35, 171) aufzugeben. Weitere Beziehungen sind ganz unsicher, vgl. WP. 1, 160; 2, 423. I-66-67
ἄλεισον ἄλεισος m. (Ar.). n. ‘Trinkgefäß mit zwei Henkeln’ (s. Brommer Herm. 77, 356f., 363f.) (Hom., Kall., Ath.), — Die Zusammenstellung mit got. leiþu (Akk. sg.) ‘Obstwein’, ahd. lid ‘geistiges Getränk’ unter der Annahme einer Grundform *(ἀ)λειτϝ-ον (Schulze KZ 29, 255 = Kl. Schr. 358f., weitere Anknüpfungen bei Bq und WP. 2, 392) muß bei einem Gerätenamen dieser Art als höchst unsicher betrachtet werden. Eher Mittelmeerwort. I-67
ἀλείτης ‘Frevler’ (Hom., A. R.), ἀλεῖτις f. (Hdn.). m. Ableitung: ἀλειτεία· ἡ ἁμαρτία Suid. — Mit qualitativem Ablaut: ἀλοίτης ‘Rächer’ (Emp.), ’Αλοῖτις Beiname der Athena (Lyk. 936); ἀλοιτός ‘Frevler’ (Lyk. 136), ἀλοιταί· κοιναί, ἁμαρτωλαί, ποιναί H. Denominatives Verb: ἀλοιτεύειν· ἀλιτήριος εἶναι EM. ἀλοιτήεσσαν· κοινήν, ἄνανδρον H. — Mit Schwundstufe: ἀλιταίνω, Aor. ἤλιτον ‘freveln, sich an jn. versündigen’ (ep. poet.). Der Aoriststamm als Vorderglied z. B. in ἀλιτό-ξενος ‘gegen Freunde fehlend’ (Pi.), mit metrischer Dehnung z. B. ἠλιτό-μηνος ‘den (rechten) Monat verfehlend’, d. h. ‘zu früh geboren’ (Il. usw., vgl. Sommer Nominalkomp. 125ff.). — Ableitungen von ἀλιτεῖν : ἀλιτήμων ‘verwünscht, verderblich’ (Il., Kall., A. R.) mit ἀλιτημοσύνη ‘Frevel’ (Opp.); Subst. ἀλίτημα ‘Frevel’ (AP). Von ἀλιτεῖν wohl auch ἀλιτήριος ‘frevelnd, sündhaft’ (att.); *ἀλιτήρ nicht belegt, aber vgl. ἀλίτρια· ἡ ἁμαρτωλός Et. Gud. 2 und ἀλιτρός unten; ἀλιτηρός ‘ds.’ (S. OK 371, falls nicht falsch für -ήριος); erweitert in ἀλιτηριώδης ‘verwünscht, verderblich’ (Pl., D. C.). — Neben ἀλιταίνω steht ἀλιτρός ‘Frevler, Schelm’, auch Adjektiv (ep. poet., auch sp. Prosa); der Suffixwechsel kann auf einen alten r-n-Stamm hindeuten. Danach ἀλιτραίνω = ἀλιταίνω (ep. poet.), vgl. Fraenkel Arch. philol. 7, 21ff. Eine andere Verbalableitung ist ἀλιτρέω A. Eu. 316 (ἀλιτρῶν codd.: ἀλιτών Dorat). Abstrakta von ἀλιτρός: ἀλιτρία (S., Ar.), ἀλιτροσύνη (A. R., AP usw.). — Sichere Verwandte dieser wegen der Ablautsvariationen offenbar alten Wortsippe fehlen. Seit Fick4 1, 533 vergleicht man die germanische Gruppe ahd. leid, awno. leiđr ‘unangenehm, verhaßt’, nhd. Leid. WP. 2, 401. Zum anlautenden ἀ- (prothetisch?) Harl KZ 63, 18. I-67
ἀλείφω ‘einölen, salben’ (ion. att.). Mehrere Ableitungen. Verbalabstrakta : 1. ἄλειφαρ, -ατος ‘Salböl, Salbe’ (ep. ion. poet.), daneben ἄλειφα n. (älter?, Schwyzer 520: 8), wovon lat. adeps (W.-Hofmann s. v.); Ableitung ἀλειφατίτης (ἄρτος) ‘mit Öl gebackenes Brot’ (Epich.). — 2. ἀλοιφή ‘Salbung, Salbe, Schmiere’, auch ‘Rasur’, (ion. att.) mit dem Adjektiv ἀλοιφαῖος (Lyk. 579) und den ebenfalls seltenen ἀλοιφεῖον ‘Salbungszimmer’ (Eust., Chantraine Formation 60f.) und ἀλοιφάω ‘mit Pech beschmieren’ (Aq.). — 3. ἄλειψις ‘das Salben’ (ion. hell.). — 4. ἄλειμμα ‘Salböl, Salbe’ (ion. att.) mit ἀλειμμάτιον (Diog. ap. D. L.) und ἀλειμματώδης (Hp.). Daneben äol. ἄλιππα (EM 64, 40). — 5. ἀλειφάς f. ‘Ausstreichen, Rasur’ (Pap.). — 6. ἀλείφιον· ᾧ χρῶνται οἱ ἀλεῖπται H. — Nomina agentis: ἀλείπτης ‘Einsalber, Lehrer der Athleten’ (Arist., hell.) mit ἀλειπτικός (Plu. u. a.); ἀλειπτήρ ‘ds.’ (Man.) mit dem Fem. ἀλείπτρια (Lys., Kom.). Davon oder direkt von ἀλείφω das nomen loci und instrumenti ἀλειπτήριον (Alex. Kom. usw.). — ἀλειφεύς (Inschr. Priene). — ἀλείφω gehört nach allgemeiner Annahme zu λίπος (s. d.) usw., wovon es sich durch sekundäre Aspiration und Vokalprothese unterscheiden soll. I-67-68
ἀλεκτρυών, -όνος m. f. ‘Hahn, Huhn’ (ion. att.). Mehrere Ableitungen, alle spärlich belegt. Demin. ἀλεκτρυόνιον (Ephipp. Kom.); ἀλεκτρυόνειος (Hp.), ἀλεκτρυονώδης (Eunap.); ἀλεκτρύαινα f. ‘Huhn’ (von Ar. Nu. 666 gebildet), ἀλεκτρυονίς f. ‘Huhn’ (Schol. ibid.). — Das appellativisch gebrauchte ἀλεκτρυών ist aus dem gleichlautenden epischen Eigennamen entstanden. Bildung wie ἁλκυών, Γηρυών (Schwyzer 487); Grundwort ἀλέκτωρ, -ορος m. ‘Hahn’ (ion. poet., sp. Prosa) mit der Femininbildung ἀλεκτορίς ‘Huhn’ (ion. dor.) wie ἀηδονίς zu ἀηδών (Lejeune Rev. de phil. 76, 12). Weitere Ableitungen: Demin. ἀλεκτορίσκος (Babr. u. a.); ἀλεκτόρειος (Aët.), ἀλεκτοριδεύς ‘Küchlein’ (Ael., vgl. Chantraine Formation 364), ἀλεκτόριον n. ‘Hühnerhof’ (IGRom.). ἀλέκτωρ, eigentlich Nomen agentis von ἀλέξω ‘abwehren’ (s. d.), ist aus dem epischen Eigennamen ’Αλέκτωρ hervorgegangen, wohl ursprünglich als scherzhafte Bezeichnung dieses kampflustigen Tieres. Fick Curt. Stud. 9, 169; weitere Lit. bei Bq 1091f. und Pok. 32, bes. Fraenkel Nom. ag. 1, 154ff.; 2, 28 A. 1. — Anders Schlerath KZ 71, 28f. I-68
ἀλέξω — ἀλέξω ist mit aind. rákṣati ‘beschützen, bewahren’ identisch. Der einsilbige und s-lose Stamm ἀλκ- ist dagegen nirgends mit Sicherheit wiederzufinden. Der Vergleich mit ags. ealgian ‘schützen, verteidigen’ ist indessen erwägenswert, aber die übrigen german. und balt. Wörter, die herangezogen worden sind, z. B. got. alhs ‘Tempel’, lit. el̃kas, al̃kas ‘heiliger Hain’, liegen etwas abseits. Versuch, die Zusammenstellung semantisch zu motivieren, bei Meringer WuS 9, 107ff. — Bartholomae Sb. Heidelb. 1916 : 9, 10 erwägt Verwandtschaft mit miran. ark ‘Arbeit, Anstrengung, Mühe’. ‘abwehren, verteidigen’ (ep. ion. poet., X. usw.). Als Vorderglied oft ἀλεξ(ι-), z. B. in ’Αλέξανδρος, woraus nach Kretschmer heth. Alakšanduš (Glotta 13, 205ff., 21, 244ff., 24, 242ff., 33, 22f.). Auch Sommer hält diese Gleichung für möglich, aber nur unter der (wenig wahrscheinlichen) Voraussetzung, daß der Name ursprünglich kleinasiatisch sei und von den Griechen volksetymologisch zurechtgelegt wäre (IF 55, 187ff., Nominalkomp., bes. 186ff.); vgl. auch Björck Alpha impurum 333ff. Ableitungen: ἀλέξιον ‘Heilmittel’ (Nik.), ἄλεξις ‘Hilfe, Abwehr’ (Aristid., EM). Über ἀλέκτωρ, ἀλεκτρυών (aus ἀλεξ-τ-) s. bes. — Auf den mit -η- erweiterten Stamm (vgl. ἀλεξήσω) gehen mehrere Bildungen zurück : ἀλέξησις ‘Abwehr, Hilfe’ (ion.), ἀλέξημα ‘Abwehr, Heilmittel’ (ion. poet., sp. Prosa); ἀλεξητήρ ‘Verteidiger, Helfer’ (vorw. ep.) mit fem. ἀλεξήτειρα (AP, Nonn.) und den Abl. ἀλεξητήριος ‘abhelfend’, ἀλεξητήριον ‘Heilmittel’ (Hp., Thphr. usw.); daneben ἀλεξήτωρ (S.); außerdem ἀλεξητικός (Alex. Aphr.). I-69-70
ἀλέω, Aor. ἤλεσα, ep. ἄλεσσα ‘mahlen’ (ion. att.). Zahlreiche Ableitungen. Nomina actionis: 1. ἀλέ-ατα ‘(Weizen)mehl’ (Inschr. Miletos, VIa) aus *ἀλέ-ϝατα, woraus mit metrischer Dehnung ἀλείατα (Hom.), vgl. Schulze Q. 226 und Hdn. 2, 472, 12, wo der Sing. ἄλειαρ aus ἄλεαρ erklärt wird. Thematische Umbildung in ἄλε-υρ-ον, gew. pl. ἄλευρα ‘(Weizen)mehl’ (ion. att.); verfehlt Specht Ursprung 114. Davon ἀλεύρινος und ἀλευρώδης (Mediz.), ἀλευρίτης (ἄρτος), s. Redard Les noms grecs en -της 88. — 2. ἄλητον, -τα ‘Mehl’ (Hp., Sophr. u. a.) mit sekundärem η, wohl nach ἄμητος. Davon ἀλήσιον· πᾶν τὸ ἀληλεσμένον H., lakon. ἀλη‘ιον. — 3. ἀλετός m. (Plu.) und ἀλητός (Babr.) ‘das Mahlen’. — 4. ἄλεσις und ἄλησις ‘ds.’ (Gp.). — 5. ἀλεσμός ‘ds.’ (J.) und ἄλεσμα ‘Mahlgut’ (EM), beide mit unursprünglichem σ. — 6. ἄλημα n. ‘Mehl’, übertr. ‘ein durchtriebener Mann’ (S.). — Nomina agentis: 1. ὄνος ἀλέτης ‘der obere Mühlstein’ (Gortyn, X., vgl. Schwyzer 499 und Fraenkel Nom. ag. 2, 57f.), im selben Sinne ὄνος ἀλετών (Alexis). — 2. ἀλετρίς ‘Müllerin’ (ep. poet.), vgl. Chantraine Formation 329, mit ἀλετρεύω ‘mahlen’ (ep.). — Nomen instrumenti: ἄλεστρον ‘Mahlkosten’ (Pap.), s. Chantraine 332 m. Lit., Schwyzer 532. — Außerdem das Adj. ἀλετικός ‘zum Mahlen gehörig’ (Pap.). — Zum unklaren ἀλετρίβανος m. ‘Mörserkeule’ (Ar. u. a.) vgl. Schwyzer 263 und 438. — ἀλέω ist wahrscheinlich aus einem athematischen Präsens hervorgegangen (Schwyzer 682 : 4). Die in *ἄλεϝαρ, ἄλευρον vorliegende Bildung auf -ϝ(α)ρ- hat ihr genaues Gegenstück in arm. alewr ‘Mehl’. Auch das Verb kehrt, mit anderem Vokal im Stammauslaut, in arm. aɫam ‘mahlen’ wieder. Auch im Indischen und Iranischen ist diese Wortsippe vertreten, z. B. nind. (hindi, bengali) āṭā ‘Mehl’, npers. ārd ‘Mehl’, aw. aša- (< *arta-) ‘gemahlen’, vgl. Bailey Trans. Cambr. Philol.Soc. 1933, 60. (Unsicherer ist aind. áṇu- ‘fein, dünn’; unhaltbar darüber Specht Ursprung 125, wo weitere Lit.) Dagegen fehlt sie in den übrigen Sprachen; vgl. μύλη. I-70-71
ἀληθής, dor. ἀλᾱθής ‘wahr, wirklich’ (allg. seit Hom.). Adjektivabstraktum ἀληθείη, -είᾱ und ἀλήθειᾰ (jünger, Schwyzer 469) ‘Wahrheit, Wirklichkeit’. Zur Begriffsentwicklung Bultmann Zeitschr. f. neut. Wiss. 27, 113ff. — Denominative Verba: ἀληθεύω ‘die Wahrheit reden’ (ion. att.), ἀληθίζομαι ‘ds.’ (Hdt., sp. Prosa). Außerdem ἀληθίζω (PHolm.) in der technischen Bedeutung ‘mit (wahrem) Purpur färben’, vgl. ngr. dial. ἀληθινός ‘rot’ (Rohlfs ByzZ 13, 544); anders Lagercrantz ad loc. — Von ἀληθεύω weiterhin die spät belegten ἀλήθευσις ‘Wahrhaftigkeit’ (S. E.) und ἀληθευτής ‘der stets die Wahrheit spricht’ (Max. Tyr.); außerdem das Adj. ἀληθευτικός ‘wahrheitsliebend, aufrichtig’ (Arist. u. a.). — Neben ἀληθής stehen die erweiterten Bildungen ἀληθινός (ion. att., vgl. Chantraine Formation 201) und ἀληθικός (Ps.-Kallisth.). — ἀληθής kann ein Bahuvrihikompositum von α privativum und *λῆθος, dor. λᾶθος (Theok.), oder λήθη (seit Hom.) sein; direkte Beziehung auf λήθω (seit Hom.) ist indessen auch möglich. Eigentliche Bedeutung somit ‘wer nicht verborgen ist, offenbar’. Vgl. W. Luther "Wahrheit" und "Lüge" im ältesten Griechentum. Borna-Leipzig 1935, Frisk GHÅ 41 (1935 : 3), 18. I-71
ἁ̄λής (ἀ̄λής) ‘versammelt, zusammengedrängt’ (ion.). Denominatives Verb ἁλίζω ‘versammeln’ (ion. poet.). Abstraktbildung ἁλίη, dor. ἀλία ‘(Volks)versammlung’. Erweiterte Form dor. ἀλιαία ‘ds.’, att. ἡλιαία ‘Versammlung (der Richter), Volksgericht, Gerichtshof’ (zum Anlaut vgl. unten). — Davon ἡλιάζομαι ‘in der ἡλιαία sitzen’ (Ar.) mit ἡλιαστής (dor. ἀλ-) ‘Volksrichter’, falls nicht direkt vom Nomen nach Muster von δικαστής (von δικάζω, aber auch auf δίκη bezüglich) u. a.; Adj. ἡλιαστικός. — Nomina actionis: ἡλίασις ‘das Sitzen im Volksgericht, Gerichtsamt’ (att.), ἁλίασσις (Tegea) ‘Versammlung’; ἁλίασμα Bed. unklar (Gela). Ein urspr. Nomen agentis ist ἁλιακτήρ· τόπος ἐν ᾧ ἁθροίζονται οἱ Σικελοί H., viell. eig. Heroenname, s. Fraenkel Nom. ag. 1, 161. — Zu ἁλία auch der Monatsname ‘Αλιαῖος (Dreros). — In derselben Bedeutung wie ἁ̄λής findet sich im Äolischen ἀολλής (s. d.). Falls ursprünglich identisch, müssen ἁλής auf *ἁ-ϝαλνής und ἀολλής auf *ἀ-ϝολνής zurückgeführt werden; zum Lautlichen Schwyzer 283. Zugrunde liegt dann ein Substantiv *ϝέλνος, wozu *ἁ-ϝαλνής und *ἀ-ϝολνής (mit α copulativum) die Schwundstufe (idg. l̥) darstellen; eventuell kann diese Schwundstufe auch in das Substantiv eingedrungen sein. Eine andere Form der Schwundstufe liegt wahrscheinlich vor in ἀλανέως· ὁλοσχερῶς Ταραντῖνοι H. und in αϝλανεως Bed. unsicher (Elis). Hochstufe vielleicht erhalten in ἀελλής; vgl. indessen s. ἄελλα. — Das anlautende ἡ- in att. ἡλιαία usw. kann nur als falsche Ionisierung eines dorischen (argivischen) Lehnwortes verstanden werden, vielleicht im Anschluß an ἥλιος; s. Ed. Meyer Philol. 48, 187. — Das Substantiv *ϝέλ-νος ‘Gedränge, Menge’, mit demselben Suffix wie ἔθνος, σμῆνος usw. gebildet (Chantraine Formation 420), gehört zu εἴλω, s. d. Vgl. ἅλις, ἀολλής. WP. 1, 295f. m. Lit., besonders Solmsen Unt. 285ff. I-71-72
ἀλθαίνω, -ομαι ‘heilen’, bzw. ‘heil werden’ (ion. hell.), ἀλθεῖν· ὑγιάζειν (Hp. ap. Gal. 19, 76), ἄλθετο (Il.). Futurum ἀλθήσομαι, -σω (Il. usw.). Daneben ἀλθήσκω oder ἀλθίσκω (Hp.). — Postverbale Substantiva, beide nur lexikalisch belegt: ἄλθα· θεραπεία H., ἄλθος· φάρμακον EM. Dazu ἀλθεύς· ἰατρός H. Auch ἀλθήεις ‘heilsam’ (Nik.) ist direkt vom Verb gebildet. Hierher ferner der mythische Name ’Αλθαία und der damit identische Pflanzenname (Art Malve, Thphr. usw.; vgl. Strömberg Pflanzennamen 81 mit teilweise unrichtigen Schlüssen); daneben ἀλθίσκον (Ps.-Dsk.), vgl. das synonyme ἰβίσκος. — Das Fut. ἀλθέξομαι (Aret.) ist nach dem Oppositum πυρέξομαι (von πυρέσσω) gebildet; dazu ἄλθεξις ‘Heilung’ (Hp., Aret.). — Außerdem ἀλθεστήρια ‘Heilmittel’ (Nik.), vgl. χαριστήρια, ἱλαστήριον u. a. (Chantraine Formation 63f.). — Zum Eigennamen Ἄλθηπος, auch Ἄλθηφος, Bechtel Hermes 56, 228. — ἀλθαίνω beruht auf einer θ-Erweiterung des in ἄναλτος (s. d.) vermuteten Verbalstammes (Schwyzer 703 β). Vgl. ἀλδαίνω. I-72
ἀλίβας, -αντος m. ‘Leichnam, Gestorbener’ (Pl. R. 387 c, H.), auch von Styx (S. Fr. 790) und übertragen vom Weinessig (Hippon., Kall.). — Die antike Erklärung als ‘saftlos’ aus a privativum und λιβάς ist leere Spekulation; die modernen Erklärer sind aber nicht glücklicher gewesen. Lit.: Lawson ClassRev. 40, 52ff., 116ff.; v. Wilamowitz Herm. 54, 64; Immisch Arch. f. Religionswiss. 14, 449f.; Wahrmann Glotta 17, 252f.; Kretschmer Glotta 28, 269; Petersson Gr. u. lat. Wortstudien (1922) 3f.; zur Bildung vgl. noch Schwyzer 526 : 4. I-72
ἁλιβδύω ‘(sich) ins Meer versenken, verstecken’ (Lyk., Kall.). — Vom Etym. Gud. aus ἅλς und *βδύω, das äolisch für δύω wäre, erklärt. Andere, ebenso lose Vermutungen sind bei Bq verzeichnet. I-72
ἀλίγκιος ‘gleich, ähnlich’ (ep. poet.). — Unerklärt. Der Vergleich mit aksl. lice ‘Gesicht, Wange’ und anderen slavischen Wörtern (s. Bq) ist willkürlich, vgl. WP. 2, 399. Gewöhnlicher als ἀλίγκιος ist das ebenfalls poetische ἐναλίγκιος, dessen genaues Verhältnis zum "Simplex" sich nicht feststellen läßt; vgl. Strömberg Greek Prefix Studies 120ff. I-73
ἄλιζα · ἡ λεύκη τῶν δένδρων. Μακεδόνες H. ‘Populus alba, Silber pappel’. — Nach Kretschmer Glotta 15, 305f. und anderen (s. auch Kretschmer Glotta 22, 104f.) mit ahd. elira, got. *alisa in span. alisa, russ. olьcha ‘Erle’ identisch; vgl. noch alte germanische Orts- und Flußnamen, z. B. Alisa (Krahe Beitr. z. Namenforschung 3, 165ff.). Hierher auch mit Fick der thessalische Ortsname ’Ολιζών. Wahrscheinlich mit Hatzidakis Glotta 23, 268ff. als Lehnwort im Makedonischen aus einer nördlichen Sprache zu betrachten. Das Suffix wäre nach Hatzidakis dasselbe wie in ρίζα, φύζα, κόνυζα. Anders Barić und Pisani, s. Mayer Glotta 32, 46f. I-73
ἀλίη · κάπρος. Μακεδόνες H. — Unerklärt. — Nach E. Maaß RhM 74, 472 eig. = ἀσθενής, ἀδύνατος, zu ἄλιν· ἠλίθιον, μάταιον, κενόν, ἐλαφρόν H. (?). I-73
ἁλικάκκαβος Pflanzenname, ‘Physalis Alkekengi’ (Dsk., BGU 1 120, 37), — in ἁλι-κάκκαβος zu zerlegen; vgl. Strömberg Pflanzennamen 114. I-73
ἀλινδέω, ἀλίνδω, Aor. ἤλῑσα ‘wälzen’ (Ar., Herod., hell. und spät). Dazu ἄλινδον· δρόμον ἁρμάτων EM, H. — Verbalsubstantiva: ἀλίνδησις ‘das Wälzen’ (im Staub, von Athleten; Hp., Ruf.), ἀλινδήθρα ‘Wälzplatz’ (Ar., Phryn.). — ildung wie κυλινδέω, κυλίνδω. Näherer Ausgangspunkt unbekannt, jedenfalls zu derselben Wortsippe wie εἰλέω, ἴλλω usw. Zum Ablaut vgl. besonders ϝάλη (cod. ὑάλη)· σκώληξ H. und ἅλυσις. I-73
ἀλίνειν (cod. -νεῖν) · ἀλείφειν H. ἀλῖναι· ἐπαλεῖψαι H. ἰν-αλαλισμένα ‘eingeritzt’ (Kypros). Verbalnomen ἄλινσις τοῠ ἐργαστηρίου (Epid.), vgl. Holt Les noms d’action en -σις 137 A. 1. Zu ἀλιν[ν]όν s. ἀλέω. — ἀλίνω steht wahrscheinlich zunächst für *ἀλιν-ι̯ω und gehört zu lat. lĭno ‘beschmieren, bestreichen’, urspr. n-Präsens (Perf. lēvi) wie aind. lināti (Gramm.) ‘sich anschmiegen’, falls eigentlich ‘ankleben’; in Betracht kommt ferner air. lenaid ‘folgen’; Näheres bei WP. 2, 389. I-73
ἄλιξ, -κος m. ‘Speltgraupen’ (Chrysipp. Tyan. ap. Ath.). — Wohl mit Walde LEW2 25 zu ἀλέω; Bildung wie ἕλιξ, χόλιξ u. a. (Chantraine Formation 382f.). Anders, wenig überzeugend, Specht Ursprung 114: zu ἀλίφατα· ἄλφιτα (s. d.) usw. — Daraus entlehnt lat. alica. I-73
ἅλιος -α, -ον ‘fruchtlos, vergeblich’, wovon ἁλιόω ‘vereiteln’, beide ep. und poet. (S.). — Man pflegt ἅλιος mit ἠλίθιος, ἠλάσκω zu vergleichen und weiterhin zu ἀλάομαι zu ziehen. Der Spiritus asper bleibt aber dabei ungeklärt. Spuren von ϝ- sind nicht vorhanden, vgl. Sommer Lautst. 98. Schwyzer 461 A. 5 erinnert an den Ausdruck εἰς ὕδωρ γράφειν; somit zu ἅλς? I-74
ἅλις Adv. ‘in Menge, genug’ (fast nur ep. und poet.). Davon ἁλιδίως· ἱκανῶς, μετρίως H. — Die Form γάλι· ἱκανόν H. bestätigt die Zugehörigkeit zu εἴλω ‘zusammendrängen’, ἁλής, ἀολλής (s. dd.). In ἅλις sieht Solmsen Wortforsch. 1, 155ff. ansprechend einen erstarrten Nominativ, und zwar entweder eines Abstraktums ‘Gedränge’ oder eines Adjektivs ‘gedrängt’. Abweichend Meillet BSL 16 p. C (altes Adv. wie ἄνις, χωρίς, aind. bahíḥ). I-74
ἀλισγέω ‘verunreinigen’ (LXX). Davon ἀλίσγημα ‘Verunreinigung’ (Act. Ap.). — Expressives Wort unbekannter Herkunft. Bq erinnert an ἀλίνειν. Kontamination mit einem anderen Wort? I-74
ἁλίσκομαι, Aor. ἁλῶναι ‘gefangen werden’ (bei Hom. nur Aor., sonst ion. att.). Ableitungen: ἅλωσις ‘Einnahme, Gefangennahme’ (ion. att., vgl. Holt Les noms d’action en -σις 105) mit ἁλώσιμος ‘einnehmbar, faßlich’ (vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 61f.); ἅλωμα = ἀνάλωμα, ‘Aufwand’ (böot. Inschr.), vgl. ἀναλίσκω und Fraenkel Nom. ag. 1, 119. — ἀλωνάκη· ἀνάλωμα. Χαλκιδεῖς H. unklar; wahrscheinlich verdorben. — Thess. ϝαλίσσκε̄ται und ark. ϝαλόντοις bezeugen anlautendes ϝ-; Aor. ἑά̄λων somit aus *ἠ-ϝᾰ́λων; der Asper kann von αἱρεῖν, ἑλεῖν eingedrungen sein (Sommer Lautst. 101). — Das ι in ἁλίσκομαι kann zum Suffix gehören, ein Ablautswechsel mit ω (aus ωι) in ἁλῶναι (Schwyzer 709 : 4) ist wenig wahrscheinlich und jedenfalls nicht zu beweisen; ω auch nicht mit Schwyzer 743 : 2 aus ωυ unter Heranziehung von ἅλυσις (s. d.). — Gewöhnlich wird ϝαλίσκομαι als *‘gerissen werden’ zu lat. vello ‘rupfen, raufen’, got. wilwan ‘rauben’, arm. goɫanam ‘stehlen’ und weiterhin zu gr. οὐλή gezogen. Vgl. auch ἀναλίσκω und εἵλωτες. Zum Gebrauch von ἁλίσκομαι s. die Abhandlung von Wlaschim (Titel unter ἄγρα). I-74
ἀλίφαλος · γένος δρυός H. — Cuny MSL 19, 199ff. vergleicht ἁλίφλοιος ‘Meerkork, Meerrinde (einer Eichenart)’ und will dementsprechend ἀλίφαλος aus ἅλς und *φαλ(ο)- erklären mit Anschluß an φελλός, φλόος, φλοιός. Ebenso unbefriedigend Specht Ursprung 114 (zu ἀλωφός, ἀλφός usw.). I-74
ἄλιψ · πέτρα H., s. αἰγίλιψ. I-74
ἀλκή 1. ‘Abwehr, Hilfe’ S. ἀλέξω. I-74
ἄλκη 2. ‘Elch’ (Paus. 5, 12, 1; 9, 21, 3). — Wie lat. alcēs, alcē (seit Caesar) aus dem Germanischen entlehnt. Am nächsten steht ano. elgr aus urg. *alʒí-, woneben eine Form mit Anlautsbetonung anzunehmen ist, urg. *álχ-, auf die alcēs und ἄλκη zurückgehen. Die westgermanische Form lautet dagegen mit e- an: ahd. elho > nhd. Elch, ags. eolh, und weicht auch in der Stammbildung ab, urg. *élχa(n)-. Slavische Formen wie russ. losь ‘Elch’ führen auf idg. *olḱis zurück und können also mit ano. elgr identisch sein. Eine dritte Ablautsform wird in aind. ŕ̥śya- ‘Antilopenbock’ vermutet. — Unter Abtrennung eines suffixalen -ḱ- wird ἄλκη ebenso wie eine Menge anderer Wörter, u. a. ἔλαφος (s. d.), sehr hypothetisch und unwahrscheinlich auf eine idg. "Farbwurzel" *el-, *ol- ‘rot, braun’ zurückgeführt, WP. 1, 154f., Pok. 302ff., W.-Hofmann s. alcēs mit Lit. Noch kühnere Kombinationen bei Specht Ursprung 113ff. I-75
ἀλκυών -όνος und ἁλκυών (nach ἅλς), f. ‘Meereisvogel, Alcedo ispida’ (ion. att.). Davon ἀλκυονίς ‘ds.’ (A. R.), ἀλκυονίδες (ἡμέραι) ‘Tage der Wintersonnenwende, wo das Meer ruht und der Eisvogel sein Nest baut’ (Ar. u. a.), auch ἀλκυόνειοι (Arist.) genannt. — In ἁλκυδών umgebildet (Hdn. Gr. 2, 285) nach den übrigen Vogelnamen und sonstigen Bildungen auf -δων. — Daraus entlehnt lat. alcēdo. — Herkunft unbekannt; wertlose Spekulationen sind bei Bq und W.-Hofmann angeführt; s. außerdem Pok. 304. Ausführliche Darstellung bei Thompson Birds s. v. I-75
ἀλλά ‘aber, sondern’. S. ἄλλος. I-75
ἀλλᾶς, -ᾶντος m. ‘Wurst’ (Hippon., Kom. u. a.). — Nicht sicher gedeutet. Nach einer Hypothese von Kretschmer Glotta 1, 323 eig. *‘Knoblauchwurst’ aus *ἀλλᾱ-ϝεντ- von dor. *ἄλλᾱ aus dem Oskischen, vgl. ἄλλην· λάχανον. ’Ιταλοί H. (messapisch nach v. Blumenthal Hesychst. 15) und lat. ālium. I-75
ἀλλάσσω,-άττω, Aor. ἀλλάξαι ‘verändern, vertauschen’ (seit Hom.). Oft mit Präverb: δια-, ἐξ-, ἐν-, ἐπι-, κατα- usw. Ableitungen: ἀλλαγή (vgl. ἀλλαγῆναι) ‘Tausch, Wechsel’ (att. hell.); davon byz. ἀλλάγιον ‘permutatio, collegium militum’ > ngr. ἀλλάγι ‘feierlicher Zug, Reihenfolge’ (Psaltes ’Αρχ. ’Εφ. 27, 99ff.). — ἄλλαγμα ‘Austausch, Preis’ (Hp., LXX u. a.), ἀλλαγμός ‘ds.’ (Man.). — ἄλλαξις ‘Austausch, Tauschhandel’ (Arist.); davon, bzw. direkt von ἀλλάσσω, ἀλλάξιμα (scil. ἱμάτια) Pap.; Gloss. ‘mutatoria’, vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 97; erweiterte Form ἀλλαξιμάριον (Pap., Olsson Symb. Oslo. 4, 62f.). — ἀλλακτικός ‘zum Austausch gehörig’ (Pl., Arist. u. a.), ἀλλάγδην ‘abwechselnd’ (Hdn.), ἀλλάξ· ἐνηλλαγμένως H., ἐπ-, παρ-, ἀμφ-αλλάξ (Hp., Th., S., X. usw.). — ἀλλάσσω ist von ἄλλος abgeleitet, und zwar entweder durch Vermittlung eines nominalen Gutturalstammes (ἀλλάξ? ἀλλαχοῦ, -χῆ?; weder die weite Verbreitung von ἀλλάσσω noch die Bedeutung macht direkten Zusammenhang glaubhaft) oder, nach unbekanntem Vorbild, mit suffixalem -άσσω. Vgl. Debrunner IF 21, 218f., 227, Schwyzer 725 : 4. I-75-76
ἄλλιξ, -ῐκος f. ‘χλαμύς’, auch ‘ἐμπόρπημα’ H., EM, Suid., die das Wort als thessalisch betrachten und es aus hellenistischen Dichtern (Kall., Euph.) zitieren, vgl. Hoffmann Dial. 2, 224. — Dunkel, daraus entlehnt lat. ălicula, s. W.-Hofmann s. v. I-76
ἀλλοδαπός ‘von anderswoher, fremd’ (ion. att.). — Von ἄλλος mit derselben Bildungsweise wie τηλεδαπός, παντοδαπός, ποδαπός, ἡμεδαπός. Gewöhnlich als ἀλλοδ-απός erklärt mit altem neutralem (lat. aliud) oder analogisch eingeführtem -δ-. Das Hinterglied wäre mit lat. -inquus (longinquus usw.) identisch, idg. -ng/ku̯o-. Bechtel Lex., Schwyzer 604 A. 1 m. Lit. Anders Meillet BSL 28, 42ff.: -δαπός ein sonst unbekanntes Suffix (?). I-76
ἅλλομαι, ep. Aor. ἀλτο (Quantität unbekannt, vgl. Schwyzer 751 m. A. 1) ‘springen, hüpfen’ (seit Hom.). Verbalnomina ἅλμα ‘Sprung’ (ion. poet.), auch als Sportterminus, s. Jüthner WienStud. 53, 68ff.; ἅλσις ‘das Springen’ (Hp., Arist. usw.). — Aus *ἅλ-ιομαι und mit lat. salio identisch. Weitere Verwandte (WP. 2, 505) sehr fraglich. In Betracht kommt immerhin aksl. slьpati ‘ἅλλομαι’ mit slov. slâp (aus *solpo-) ‘Wasserfall, Schwall, Woge’. Verfehlt Specht KZ 68, 124: slav. p wechsele mit μ in ἅλμα, da das griechische Verbalnomen natürlich eine einzelsprachliche Neuerung ist. I-76
ἄλλος ‘anderer’. Abstraktbildung ἀλλότης f. (Arist. Komm.) — Adjektivbildung auf -οῖος (nach τοῖος, ποῖος, οἷος) ἀλλοῖος ‘andersartig, verschieden’ (ion. att.); davon ἀλλοιότης ‘Verschiedenheit’ (Hp., Pl.) und ἀλλοιώδης ‘von fremdem Aussehen’ (Aret., Vett. Val.). Denominatives Verb ἀλλοιόω ‘verändern’ (ion. att.) mit ἀλλοίωσις ‘Veränderung, Verschiedenheit’ (Pl., Arist. u. a.), ἀλλοίωμα ‘ds.’ (Damox.) und ἀλλοιωτικός (Arist., Gal.). — Über ἀλλάσσω s. bes. — Mehrere Adverbbildungen: ἄλλοθεν usw., ἀλλαχῇ usw. Zu ἀλλοδαπός s. bes. — Durch Wiederholung entstanden ἀλλήλων (Schwyzer 446 A. 8, 614). — Von einem Adverb auf -τρ-, das der Bildung nach aind. anyá-tra ‘anderswo’ entspricht, stammt ἀλλότριος ‘alienus, anderen gehörig, fremd’ (seit Il.). Davon wiederum ἀλλοτριότης (Pl., Arist. u. a.), ἀλλοτριόω (ion. att.) mit ἀλλοτρίωσις (Th., hell.). Schwyzer 326 Zus. 5, 630f. : 6. — Aus dem Neutr. ἄλλα stammt die Partikel ἀλλά (Schwyzer-Debrunner 578). — Über ἀλλο- in ἀλλο-φρονέω, ~-φάσσω vgl. ἠλάσκω. — ἄλλος, kypr. αἶλος entspricht ganz arm. ayl, lat. alius, got. aljis, air. aile ‘anderer’ (gall. Allo-broges), toch. B alye-k, A ālak (mit sekundärer Entpalatalisierung nach mättak ‘selbst’, Pisani Ist. Lomb. 75, 8). Fraglicher Versuch, ἄλλος mit aind. aryá- (urspr. Bedeutung unbekannt, eig. ‘fremd’?) zusammenzustellen bei Specht KZ 68, 42ff. Neben idg. *ali̯o- steht *ani̯o- in aind. anyá- ‘anderer’. Hypothesen über ihr gegenseitiges Verhältnis bei Debrunner REIE 3, 1ff. I-76-77
ἄλμα (Lyk. 319) = ἄλσος, s. d. I-77
ἀλοάω ‘dreschen’ s. ἀλωή. I-77
ἀλόη f. ‘Aloe’ (Dsk., Plu. u. a.). — Wie ἀγάλοχον (s. d.) orientalisches LW aus unbekannter Quelle. Vgl. außer der dort genannten Lit. auch Lewy Fremdw. 36. I-77
ἄλοξ, -κος ‘Furche’ (Trag., Kom.). Mehrere Nebenformen: αὖλαξ (Hes., Hdt., Pi. usw.) ὦλκα, -ας Akk. sg. und pl. (ep.), ὦλαξ EM 625, 37, als dorisch bezeichnet, aus der Lit. nur durch das Komp. ὁμ-ώλακες (A. R. 2, 396, nach den Scholl. dor.) bekannt. Ferner εὐλάκᾱ ‘Pflug’ mit dem lakon. Fut. inf. εὐλαξεῖν (Orac. ap. Th. 5, 16). Umbildung zum ā-Stamm mit gleichzeitiger Aspiration des Gutturals auch in αὐλάχα· ἡ ὕννις H. Außerdem ὄλοκες (cod. ὀλοκεύς)· αὔλακες H. f. Ableitungen: ἀλοκίζω ‘Furchen ziehen, pflügen’ (Ar., Lyk.); αὐλακίζω ‘ds.’ (Pap. usw.) mit dem Verbalnomen αὐλακισμός (Pap.). Außerdem von αὖλαξ die seltenen und späten Nomina αὐλακόεις (Max.), αὐλακώδης (Eust.), αὐλάκιον Demin. (Schol.). — Das Verhältnis der verschiedenen Formen zueinander kann nicht mit völliger Sicherheit festgestellt werden. Nach Solmsen Unt. 258ff. steht ep. ὦλκα(ς) für *ἄολκα(ς) aus *ἄϝολκα(ς) mit sekundärer Kontraktion (κατὰ ὦλκα Ν 707 für ursprüngliches *κατ’ ἄϝολκα). Durch Umstellung von *ἀολκ- wäre ἄλοξ entstanden. Neben der Vollstufe *ἀ-ϝολκ- stehe die Schwundstufe *ἀ-ϝλακ- in αὖλαξ und, mit verschiedener Vokalprothese, *ἐ-ϝλακ- in εὐλάκᾱ. Die übrigen Formen seien durch Verschränkungen hervorgegangen. (Verfehlt v. Blumenthal Hesychst. 43.) — Nach Pisani IF 53, 29 gehört αὖλαξ zu αὐλός und ist von ἄλοξ und den übrigen Formen zu trennen. ἄλοξ usw. gehört als altes ablautendes Wurzelnomen zu dem in lit. velkù, aksl. vlěkǫ, aw. varək- ‘ziehen, schleppen’ vorliegenden Verb, Grundbedeutung also ‘die (sich) Ziehende’. Eine Parallelbildung liegt in ἕλκω (idg. selq-) vor. Die Versuche, idg. u̯elq- und selq- in eine gemeinsame Grundform su̯elq- hineinzuzwingen (zuletzt Specht KZ 66, 25f.), haben wenig Wert; eher liegen alte Reimwörter vor. I-77
ἁλοσύδνη f. Beiwort der Thetis Υ 207, der NereidenA. R. 4, 1599, Name einer Seegöttin δ 404. Eigentliche Bedeutung unsicher; — oft mit ἅλς und ὕδωρ verbunden als "Meereswoge", s. ὕδωρ. — ὕδναι· ἔγγονοι, σύντροφοι und ὕδνης· εἰδώς, ἔμπειρος H. sind natürlich aus ἁλοσύδνη erschlossen. I-77-78
ἄλπνιστος Pi. I. 5 (4), 12; ἔπαλπνος Pi. P. 8, 84 = ἡδύς, προσηνής (Sch.); ἀλπαλέον· ἀγαπητόν H., woraus ἁρπαλέος durch Dissimilation entstanden sein kann, vgl. ἁρπάζω. Hierher auch nach Bechtel Namenstudien 5f. der Name ’Αλπονίδης (Inschr. Karthaia). — Statt ἄλπνιστος will Wackernagel KZ 43, 377 mit guten Gründen *ἄλπιστος lesen, das somit eine regelrechte, auf der Schwundstufe (vgl. unten) gebaute primäre Superlativbildung wäre und tatsächlich als Eigenname überliefert ist (A. Pers. 982; Text allerdings lückenhaft). Als Hinterglied enthält ἔπ-αλπνος einen r-n-Stamm *ἄλπαρ, ἀλπν-, woneben ἀλπαλέος wie πιαλέος neben πῖαρ, πίων (vgl. *Ἄλπων in ’Αλπονίδης). Vgl. Benveniste Origines 15; ungenügend Bechtel l. c. und Strömberg Greek Prefix Studies 94f. S. auch Seiler Steigerungsformen 79f. ἀλπ- aus *ϝαλπ- gilt als Schwundstufe von *ϝελπ- in ἔλπομαι, ἐλπίς, s. d. I-78
ἅλς, ἁλός ‘Salz’ (sehr oft Plur.), f. (nur Sing.) als poetische Benennung des Meeres (nach θάλασσα oder als Kollektivum?); seit Arist. ἅλας, -ατος n. aus dem Akk. plur., s. zuletzt Leumann Hom. Wörter 160f. m. Lit. m. Mehrere Ableitungen. 1. ἅλ-μη ‘Salzwasser, Salzlake’ (seit Od., vgl. Chantraine Formation 148) mit zahlreichen Ablegern: ἁλμαία ‘ds.’ (Ar., Nik.), ἁλμάς (ἐλαία) ‘eingepökelte Olive’ (Kom. usw.), ἁλμυρός ‘salzig, bitter’ (seit Od.), nach Schwyzer 482: 6 aus *ἁλυρός (vgl. ἁλυ-κός) umgebildet; von ἁλμυρός stammen ἁλμυρώδης, ἁλμυρότης und die Verba ἁλμυρίζω, ἁλμυρόω, außerdem noch ἁλμυρίς f. ‘salziger Boden, salzige Flüssigkeit’ usw., vgl. πλημυρίς und ἁλιμυρήεις (s. μύρομαι), außerdem Chantraine 231; von ἅλμη ferner ἁλμήεις (A.) und ἁλμεύω ‘einpökeln’ (Dsk.) mit ἅλμευσις, ἁλμευτής. — 2. ἅλιος, (-α), -ον ‘zum Meere gehörig’ (ep. poet.) mit ἁλιάς f. ‘Fischerkahn’ (Arist., D. S.). — 3. ἁλία f. ‘Salzfaß’ (Kom., hell.). — 4. ἅλινος ‘aus Salz bestehend’ (Hdt., Str.). — 5. ἅλιμος ‘zur See gehörig’ (Trag. adesp., LXX), ἅλιμον Pflanzenname, vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 20, Strömberg Pflanzennamen 97, 114. — 6. ἁλίτης ‘salzig, zur See gehörig’ s. Redard Les noms grecs en -της 39, 88, 110f. — 7. ἁλίζω ‘salzen’ (Arist. usw.) mit ἁλισμός (Sor.), dagegen nicht ἄλισμα ‘Alisma plantago’ (Dsk.), s. Strömberg 115 (unerklärt). — 8. Nach ἅλιος, ἅλινος u. a. und in Anlehnung an ἁλι- als Vorderglied (für ἁλ- nach den i-Stämmen, nicht lokativisch mit Schwyzer 476 : 5, 1; s. auch Boßhardt Die Nomina auf -ευς 32) ἁλιεύς ‘Fischer’ (seit Od.) mit ἁλιεύω ‘fischen’ (LXX, NT, Plu. usw.), -εύομαι (auch Kom.), und ἁλιευτικός ‘Fischern od. dem Fischen gehörig’ (Pl., X., hell.); von ἁλιεύω wiederum ἁλιευτής ‘Fischer’ (Kerk.), von ἁλιεύς oder ἁλιεύω : ἁλιεία ‘Fischfang’ (Arist., Str.), von ἁλιεύω : ἁλίευμα ‘ds.’ (Str.). — 9. ἁλι-άδης ‘Seemann’ (S. lyr.). — 10. ἁλι-αρός ‘salzig’ (Eust.). — 11. ἁλυ-κός ‘salzig’ (Hp., Arist. u. a.) mit ἁλυκότης (Arist.), ἁλυκίς f. ‘Salzquelle’ (Str. u. a.), ἁλυκώδης (Hp.; auch Thphr. HP 9, 11, 2 für codd. ἁλικώδης zu lesen), ἁλυκεία ‘das Einsalzen’ (Ptol.); die u-Erweiterung wird auch im Flußnamen Ἅλυς vermutet. — 12. Vom Neutr. τὸ ἅλας stammen die späten Bildungen ἁλάτιον (Demin.), ἁλάτινος, ἁλατίζω und ἁλατικόν ‘salarium’ (Gloss.). — Zur Bedeutung von ἅλς s. Lesky Herm. 78, 260ff., Blümner Philol. 26, 447, Kopp Das physikal. Weltbild d. frühen griech. Dichtung. Diss. Freiburg (Schweiz) 1939, 75. Altes Wort, das in den meisten idg. Sprachen erhalten ist: lat. sāl (sekundäre Längung), arm. aɫ (i-Stamm), lett. sāls, aksl. solь (i-Stamm, wohl sekundär neben dem Konsonantstamm in slanъ ‘gesalzen’ aus *solnъ), toch. B salyiye, A sāle. Eine d-Erweiterung in got. salt ‘Salz’ usw., arm. aɫt, und im Balt.-Slav., z. B. lit. sald-ùs ‘süß’, aksl. sladъ-kъ ‘ds.’; zur Bedeutung s. J. Schmidt Pluralbild. 182. Auf Grund von aksl. slanъ, air. salann ‘Salz’, gr. ἅλασιν ὕει (Suid.) setzt Schmidt a. a. O. einen obliquen Stamm *sal-n- neben den Nom. *sal-d oder *sal-i an, eine unsichere Annahme, für die jedenfalls der anscheinend späte griechische Ausdruck keine Stütze bilden kann. S. auch, mit teilweise hypothetischen Annahmen, Benveniste Origines (Index 217). — Das Wort fehlt im Indoiranischen, sofern nicht aind. salilá- n. ‘Meerflut’ als *‘salzig’ hierher gehört (Thieme KZ 69, 215 A. 1). I-78-79
ἄλσος n. ‘(heiliger) Hain, geweihte Stätte’ (seit Il.). Ableitungen: ἀλσώδης ‘zum Hain gehörig’ (E. in lyr., Thphr. usw.), ἀλσηΐδες νύμφαι (A. R., nach Νηρηΐδες usw.); ἀλσίνη ‘Parietaria lusitanica’ (Thphr., Dsk.); ἄλσωμα und ἀλσών = ἄλσος (Aq.). — Unerklärt. Der Name des hl. Tempelbezirks in Olympia Ἄλτις f., der nach Paus. 5, 10, 1 mit ἄλσος gleichbedeutend ist, legt für ἄλσος eine Grundform *ἄλτι̯ος nahe; das synonyme ἄλμα (Lyk.) erklärt sich formal am einfachsten aus ἀλ- ‘nähren’ (s. ἀλδαίνω, ἀλθαίνω). Ἄλτις und ἄλσος mithin eigentlich Verbalnomina "Wuchs, Wachstum", was indessen semantisch ziemlich blaß und nichtssagend wäre. S. außer Bq WP. 1, 90 A. 1, wo auch andere Deutungen erörtert werden. I-79
ἄλυζα · ἄλυπον H. — Hypothese bei v. Blumenthal Hesychst. 34 : aus *ἀ-λυγ-ι̯α zu λυγρός, λευγαλέος. I-79
ἀλυκτοπέδη (Hes., A. R., AP usw.) Bezeichnung einer Fessel, wahrscheinlich nach dem Vorbild von ἱστοπέδη (Od.) gebildet, s. Risch IF 59, 26 m. Lit. — Vorderglied nicht ganz klar; nach Schulze KZ 28, 280 (= Kl. Schr. 360) zu aind. ruj- ‘brechen’, was von Risch nicht ohne Grund bezweifelt wird, indem er dafür einer Kontamination von ἄλυτος und ἄρρηκτος (πέδας ... ἀρρήκτους ἀλύτους Ν 36f.) unter Mitwirkung von ἀλύσκω, ἀλύξω das Wort redet. I-80
ἅλυσις f. ‘Kette, Fessel, Kettenschmuck’ (ion. att.). Davon die hellen. Deminutiva ἁλύσιον und ἁλυσίδιον, außerdem ἁλυσιδ-ωτός ‘aus Ketten bestehend’ (Plb., D. S. usw.) und ἁλυσηδόν ‘in Ketten’ (Man.). — Eigentlich ‘Windung’ aus *ϝάλυ-τις, zu ϝέλυ-τρον ‘Umwindung’, εἰλύω ‘umhüllen’ (s. d.) usw. Frisk Eranos 43, 225ff. I-80
ἄλυσσον n. Pflanzenname (Dsk. usw.). — Von α privativum und λύσσα ‘Wut’, wegen der angeblichen Heilkraft des Samens (Dsk. 3, 91). Vgl. Strömberg Pflanzennamen 91. I-80
ἀλύτας m. = ῥαβδοφόρος ἢ μαστιγοφόρος (EM 72, 15), elische Polizeibehörde (Inschr., EM). Davon wahrscheinlich als Denominativum ἀλυτᾶται (cod. ἀλύταται)· παρατηρεῖ H. Kompositum ἀλυτάρχης ‘Befehlshaber der ἀλύται’ (Inschr., Luk.). — Aus *ϝαλυ-τᾱς "Stabträger" zu got. walus ‘Stab’, awno. vǫlr ‘runder Stab’ s. Bechtel Dial. 2, 863, Gött. Nachr. 1920, 247; nach Krahe Glotta 22, 123f. illyrischer Herkunft. I-80
ἀλύω nur Präsensstamm bis auf ἀλαλύσθαι· φοβεῖσθαι, ἀλύειν H., ‘außer sich sein’, vor Schmerz, vor Angst, gelegentlich auch vor Freude, ‘irren’ (poet. seit Il., späte Prosa). Nominale Ableitungen, vorwiegend von den Medizinern gebraucht: ἀλυσμός mit ἀλυσμώδης, ἄλυσις, ἀλύκη ‘Angst, Unruhe’; s. auch ἀλάλυγξ. Retrograde Bildung ἄλυς ‘Unruhe’, auch ‘Langeweile’ (Hp., Zeno, Plu. u. a.). — Verbale Bildungen: ἀλύσκω mit ἀλυσκάζω und ἀλυσκάνω s. 2. ἀλέα. — ἀλύσσω, Fut. ἀλύξω = ἀλύω (ep. ion.), -σσω wohl nur erweiternd; Stamm ἀλυκ-, vgl. ἀλύκη, jedoch nicht ausgeschlossen. Ein κ-Element auch in ἀλυκ-τέω, Perf. ἀλαλύκτημαι (ep. ion.) ‘sich ängstigen’ und in dem erweiterten ἀλυκτάζω ‘sich ängstigen, irren’ (B., Hdt.), vgl. Schwyzer Mélanges Pedersen 70, Bechtel Lex. s. ἀλύω. — Weiterbildungen auf -στάζω, -σταίνω (vgl. Schwyzer a. O., Gramm. 706 : 4) : ἀλυστάζω· ἀλύω H. und ἀλυσταίνω, ἀλυσθαίνω H., EM; die Form mit θ (auch Nik.) vielleicht in Anlehnung an ἀσθενής, -έω, vgl. ἀλυσθένεια· ἀσθένεια EM 70, 45. Außerdem ἀλυσθμαίνω ‘schwach, krank sein’ (Kall.) und ἀλυδμαίνειν· ἀλύειν, ἀπορεῖν H.; Näheres bei Debrunner IF 21, 23. — ἀλύω wird wie ἀλέομαι (s. 2. ἀλέα) als eine u-Erweiterung (Vorbild?) von ἀλ- in ἀλάομαι (s. d.) betrachtet. Über die verfehlte Zusammenstellung mit aind. roṣati ‘aufgebracht sein’ s. WP. 1, 88 A. 1, Pok. 27 A. 2. I-80-81
ἄλφα (Pl., Arist. usw.) n. — aus dem Sem.; vgl. hebr. ’aleph mit hinzugefügter Vokalstütze (Schwyzer 140 γ m. Lit.). Ebenso βῆτα vgl. hebr. bêth. Durch Zusammensetzung ἀλφάβητος m. f.; näheres bei Schwyzer KZ 58, 199ff. I-81
ἀλφάνω (Kom., E.), ἀλφαίνω (H., EM), Aor. ἀλφεῖν (seit Hom.) ‘verdienen, erwerben’. Ableitung: ἀλφή ‘Erwerb’ (Lyk.), ἄλφησις (Gloss.). — Hierher oder zu ἄλφι das in Opposition zu ὠμηστής gebildete ἀλφηστής in dem ep. Ausdruck ἀνέρες ἀλφησταί (Od. u. a.), auch als Fischname (Epich. u. a.), mit ἀλφηστικός (Arist. u. a.), vgl. Strömberg Fischnamen 56L, wo Zusammenhang mit ἀλφαίνω im Sinn von ‘ἀμείβω, ἀντικαταλλάσσω’ (unverwandt; zu ἀλφός?) vermutet wird. Der thematische Aorist ἀλφεῖν fällt bis auf den Akzent lautlich mit aind. árhati ‘verdienen’ zusammen und hatte vielleicht vor dem Aufkommen von ἀλφάνω präsentische Geltung. ἀλφή stimmt formal ganz zu lit. algà ‘Lohn’, ist aber damit nicht urverwandt, sondern parallele griechische Neubildung. Nach Fraenkel Gnonom 22, 236 enthalten die griech. Wörter sonant. l̥ im Gegensatz zu der Vollstufe (el-, ol-) der indoir. und balt. Wörter. — Ausführlich über ἀλφάνω Froehde BB 3, 12f. I-81
ἄλφι ‘Gerstengraupen, Gerstenmehl’ (h. Cer. 208), Pl. ἄλφιτα (seit Il.),woraus ein neuer Sing. ἄλφιτον, bei Hom. nur im Ausdruck ἀλφίτου ἀκτή. Ursprünglicher Plural vielleicht *ἄλφατα als i-n-Stamm wie aind. ásth-i, asth-n-ás ‘Knochen’, vgl. ἀλίφατα· ἄλφιτα ἢ ἄλευρα H. n. Ableitungen: ἀλφιτηρός (Antiph., Herod.), ἀλφιτεύς ‘Müller’ (Hyp.), ἀλφιτεύω ‘Gerste mahlen’ (Hippon.) mit ἀλφιτεία (Hyp., Poll.) und ἀλφιτεῖον (Poll., AB). Außerdem ἀλφιτισμός ‘das Einmischen von Gerstengraupen’ (Inschr. Delos) wie von *ἀλφιτίζειν; ἀλφιτηδόν (Dsk.). — ἄλφι kann mit alb. elp, elbi ‘Gerste’ (aus idg. *albhī N. pl.) identisch sein, s. zuletzt Jokl Festschrift Kretschmer 92. Hierher auch nach Vasmer Stud. z. alb. Wortforschung 1 (Dorpat 1921) 16ff. turko-tatar. usw. arba ‘Gerste’ aus iran. *arbi. ἄλφι hängt wahrscheinlich mit ἀλφός zusammen (vgl. λεύκ’ ἄλφιτα Σ 560), s. Osthoff IF 8, 66f. m. Lit., außerdem Specht Ursprung 68 und 114. Zur Bedeutung noch Moritz Class. Quart. 43, 113ff. I-81
ἀλφός m. ‘weißer Ausschlag, lepra’ (Hes., Hp., Plat., Thphr.). Ableitung ἀλφώδης ‘leprosus’ (Gal., Vett. Val.). Als Adj. bei Hesych: ἀλφούς· λευκούς, daneben ἀλωφούς· λευκούς. Davon ἀλφινία· ἡ λεύκη. Περραιβοί H. — ἀλφός ist mit lat. albus, umbr. alfu ‘alba’ identisch; eine Erweiterung mit idg. d-Suffix (s. κεμάς) liegt vor im germ. und slav. Wort für ‘Schwan’, z. B. ahd. albiz, aksl. lebedь. Unter den zahlreichen Ortsnamen, die hierhergezogen worden sind, sind besonders zu erwähnen die Flußnamen ’Αλφειός, lat. Albula, ferner lat. Albis = nhd. Elbe, auch ano. elfr ‘Fluß’ als Appellativ, falls eig. "Weißwasser" (vgl. Schulze BerlAkSb 1910, 797 = Kl. Schr. 120f.,WP. 1, 93, Pok. 30); zu den Flußnamen jetzt besonders Krahe Beitr. z. Namenforschung 4, 40ff. — Die Form ἀλωφός (H.) kann an und für sich an arm. aɫawni ‘Taube’ (idg. *alə-bh-n-) angeknüpft werden; auf eine zweisilbige Wurzel vor -bh- scheint auch die Intonation von serb. läbûd ‘Schwan’ zu führen (Pedersen KZ 38, 313). Hierher wohl auch ἄλφι (s. d.). Ausführlich über ἀλφός Osthoff IF 8, 64ff. — Da idg. bh als Suffix in Farbenbezeichnungen sehr verbreitet ist, öffnet sich die Möglichkeit, al(ō)- als Stammelement abzusondern, wodurch eine Brücke zu den verschiedenartigsten Farbenbezeichnungen und Bezeichnungen farbiger Gegenstände geschlagen wird, s. insbesondere die z. T. sehr abenteuerlichen Spekulationen bei Specht Ursprung 114f. I-81-82
ἀλωή f. ‘Tenne, bebautes Land, Garten’ (ep.), auch ‘Hof (um Sonne und Mond)’ (Arat.). — Herkunft unbekannt. Die kyprische Hesychglosse ἄλουα· κῆποι, womit kypr. a.la.vo (= ἀλϝω?) irgendwie zusammenhängt (Hoffmann Dial. 1, 71), läßt auf ein ursprüngliches *ἀλωϝη schließen, dessen Verhältnis zu ἅλως mehrdeutig ist; viell. ω aus ōu̯ (Schwyzer 479 : 7 mit A. 7). Nach Schwyzer l. c. eigentlich ‘Rund’, zu idg. u̯el(u)- ‘winden’, aber dann müssen die kyprischen Wörter ausscheiden. Weitere, noch unsicherere Anknüpfungen bei Bq, WP. 2, 407f. m. Lit., bes. Solmsen Unt. 104ff. Auch semantisch sind ἀλωή und ἅλως noch der Erklärung bedürftig. Daneben ἅλως, Gen. -ω, auch -ωος und -ωνος, zu welch letzterem ein neuer seltener Nom. ἅλων, ‘Tenne’, auch ‘Getreide auf der Tenne’ (Pap.), übertragen ‘Rundung’ von verschiedenen Gegenständen (Schildrand, Sonnen- und Mondscheibe, Vogelnest, Sonnen- und Mondhof usw.; ion. att.). — Ableitungen: ἁλωεύς ‘Landwirt, Bauer’ (A. R., Arat., bei Hom. als Eigenname); ἁλωεινός (AP) und ἁλώϊος (Nik.) ‘zur Tenne gehörig’, ‘Αλωιάς, Beiname der Δηώ (Nonn.). — ἁλων-ία ‘Tenne, Getreide auf der Tenne’ (Pap., Ath. u. a.), Demin. ἁλών-ιον (Gp., Hdn.); ἁλων-ικός (Pap., Ed. Diocl.). Denom. ἁλων-εύομαι (App.), ἁλωνίζω (H.) ‘auf der Tenne arbeiten’. — Vom Vokalstamm abgeleitet ἀλοάω, ep. ἀλοιάω ‘dreschen, zerschlagen’, auch als Hinterglied in πατρ-αλοίας usw. (att. und spät, Schwyzer 451 : 4). Davon ἀλοησμός ‘Dreschen’, ἀλοητής ‘Drescher’, ἀλόητρα pl. ‘Drescherlohn’, sämtliche aus den Pap. bekannt. Auch ἀλοιητήρ ‘Drescher’ (Nonnos, AP), ἀλο(ί)ησις (EM, Gloss.). I-82-83
ἀλώπηξ, -εκος f. ‘Fuchs’ (ion. att.). Mehrere Ableitungen, alle ziemlich spärlich belegt: Demin. ἀλωπέκιον (Ar.); ἀλωπεκέη, -ῆ ‘Fuchsbalg’ (Hdt. u. a.); ἀλωπεκία Name einer Haarkrankheit (Arist.), in dieser Bedeutung auch ἀλωπεκίασις (Gal.), vgl. Holt Les noms d’action en -σις 137 A. 3; ἀλωπεκίας m. ‘mit dem Zeichen des Fuchses gebrandmarkt’ (Luk.); ἀλωπεκίς f. = κυναλώπηξ (X.), auch ‘Kopfbedeckung aus Fuchsfell’ (X.) und ‘Art Weinrebe’ (Plin.); in der letztgenannten Bedeutung auch ἀλωπέκεως (H.), wohl mit Anspielung auf die Fabel des Aisopos (Strömberg Pflanzennamen 139); ἀλωπεκιδεύς m. ‘junger Fuchs’ (Ar.), vgl. Chantraine Formation 364; außerdem die Adjektiva ἀλωπέκειος (Gal. u. a.), ἀλωπεκώδης (H., EM). — Ferner das Denominativum ἀλωπεκίζω ‘sich als Fuchs benehmen’, d. h. ‘hinterlistig sein’. — ἀλώπηξ, -εκος entspricht bis auf den Stammauslaut arm. aɫuēs (ē sekundäre Dehnung), Gen. -esu ‘Fuchs’. In Betracht kommen auch andere Wörter für ‘Fuchs’ oder ähnliche Tiere, zunächst lit. lãpė und lett. lapsa (mit s aus idg. ḱ = gr. κ?). Aind. lopāśá- ‘Schakal’ und mp. rōpās ‘Fuchs’ weichen im Vokal ab (urspr. Diphthong). Noch entlegener sind lat. volpes ‘Fuchs’, lit. vilpišỹs ‘wilde Katze’. Es ist unmöglich, diese Wörter auf einen Nenner zu bringen. Falls alle überhaupt miteinander verwandt sind, muß es sich z. T. um Entlehnungen, vielleicht auch um absichtliche Verdrehungen in euphemistischer Absicht handeln. Lit., außer WP. 1, 317f., Nehring Glotta 14, 184, Lidén KZ 56, 212ff., Fraenkel KZ 63, 189f., Hermann KZ 69, 66. — Eine Kurzform ist ἀλωπά (Alk., H.), ἀλωπός (Hdn.), vgl. Schulze KZ 52, 311; eine Vermutung über die Entstehung bei Sommer Nominalkomp. 5 A. 5. Davon ἀλωπεύει· ἀνιχνεύει H., vgl. ngr. (Kreta) λαγονεύω ‘nachspüren’ von λαγώς, Kukules ’Αρχ. ’Εφ. 27, 70f. I-83
ἅμα ‘zusammen, zugleich’. Ableitung ἄμυδις (äol.) ‘zusammen’. — Enthält die Schwundstufe des in εἷς, ὁμός vorliegenden idg. sem-, som-. Über das unklare auslautende -α s. Schwyzer 622 : 8. Neben ἅμα steht dor. ἁμᾶ, eig. Instrumental, s. Schwyzer 550. — Vgl. 2. ἀμάομαι und die ebenda genannten Wörter. I-83
’Αμαζών, -όνος, gew. pl. (seit Il.) mit den Ableitungen ’Αμαζονίδες (Pi., Kall.), ’Αμαζονικός und ’Αμαζόνιος (beide spät). — Nicht sicher erklärt. Nach Lagercrantz Xenia Lidéniana (1912) 270ff. aus einem iranischen Volksnamen *ha-mazan- eig. Appellativ ‘Krieger’, vgl. ἁμαζακάραν (ir. kar- ‘machen’)· πολεμεῖν. Πέρσαι H. Vgl. μάχομαι. — Unwahrscheinlich Jacobsohn KZ 54, 278ff.: echthellenisch aus *a-mangi̯on- "die Mannlose", zu aksl. mǫžь ‘Mensch’ usw. I-83-84
ἄμαθος f. ‘Sand’ (ep.). Davon ἀμαθῖτις f. ‘im Sande lebend’ (κόγχος, Epich.), auch ON (J., s. Redard Les noms grecs en -της 164); ἀμαθώδης ‘sandig’ (Str.), ’Αμαθοῠς kypr. ON. Denominatives Verb ἀμαθύνω ‘zu Staub machen, (als Sand) zerstreuen’ (ep. poet.). — Wahrscheinlich mit Hauchdissimilation zu mhd. sampt aus idg. *samədho-; daneben mit urgerm. Assimilation md > nd nhd. sand usw. Gewöhnlicher als ἄμαθος ist ψάμαθος, das wie ψάμμος zu ψῆν usw. gehört; daneben das jüngere ἄμμος. Zwei ursprünglich verschiedene Wörter sind wahrscheinlich wechselseitig miteinander kontaminiert worden, s. Güntert Reimwortbildungen 119f. I-84
ἀμαιμάκετος, (-η), -ον episches Beiwort unsicherer Bedeutung; vom Epos drang es auch in die lyrische Sprache ein. — Wegen der nicht näher feststellbaren Bedeutung schweben alle Erklärungsversuche in der Luft (: μακρός, μαιμάω, μάχομαι?, s. Bechtel Lex., Debrunner GGA 1910, 12). Da das Wort wahrscheinlich schon den Rhapsoden nicht recht verständlich war, wurde es in verschiedenen Zusammenhängen ziemlich willkürlich gebraucht. I-84
ἀμαλδύνω ‘zerstören, schwächen, entstellen’ (ep. ion.). — Wahrscheinlich faktitives Denominativ von *ἀμαλδύς, bis auf den (prothetischen?) Anlautsvokal = lat. mollis (< *moldu̯is), aind. mr̥dú-; mit anderem Ablaut arm. meɫk. Falls nicht prothetisch, könnte ἀ- im Anschluß an die Privativbildungen hinzugefügt sein (oder nach ἀμαλός?). Neben *ἀ-μαλδύς steht, mit anderer Behandlung des sonantischen l, βλαδύς in βλαδεῖς (s. d.)· ἀδύνατοι ἐξ ἀδυνάτων H., wohl auch in βλαδέα (Konj. Hp. Aër. 20); ferner, nach einer glaubhaften Vermutung bei Gal. 19, 88, βλαδαρός < *μλαδ- ‘schlaff’, mit dem bekannten Suffixwechsel υ : ρο (αἰσχύνη : αἰσχρός). Vgl. μέλδομαι, μαλθακός, außerdem ἀμαλός und ἀμβλύς, des weiteren auch βλέννα und μύλη. Ältere Lit. bei Bq und WP. 2, 288. I-84
’Αμάλθεια, ion. -είη oder -ίη f. Mythisches Wesen (Jungfrau, Nymphe), aus dessen nie versiegendem Horn u. a. das Zeus-Kind ernährt wurde (ion. att.). Davon ’Αμαλθεῖον Landhaus des Atticus in Epirus (Cic.). Retrogrades Verb ἀμαλθεύω = τρέφω (S., H., EM). — ’Αμαλθείη geht wahrscheinlich auf ’Αμαλθεσ-ία zurück; durch sekundäre Umbildung entstanden ’Αμαλθίη und ’Αμάλθεια (Schwyzer 469: 4; kaum richtig Wackernagel Syntax 2, 288). Grundwort also *ἀ-μαλθής zu *μάλθος, das formal = aind. mŕ̥dhas- n. etwa ‘Vernachlässigung, Fehlschlag, Mangel’ sein könnte. Vgl. μαλθακός. I-84-85
ἄμαλλα f. ‘Garbe’ (Soph. u. a.). ἀμαλλοδετήρ ‘Garbenbinder’ Il. Davon ἀμαλλεύω ‘Garben binden’ (EM) und ἀμαλλεῖον (ἀμάλλιον) (Kall. Kom., H., Eust.). — Femininableitung auf -ι̯α von einem l-Stamm, der ehestens an ἀμάομαι ‘sammeln, häufen’ und ἅμα anzuknüpfen ist; zur Bildung vgl. lat. simul usw. Solmsen Wortforschung 193f. I-85
ἀμαλογία v. l. Alkiphr. 4, 18, 10, Gloss. f. (= ἀβδηριτισμός, garrulitas). Von ἀμαλόγος· φλύαρος, garrulus (Gloss.). — Nicht sicher erklärt. Nach Latte Glotta 32, 37f. (mit Wilamowitz) haplologisch für *ἀμαλλολογία eig. ‘Garbenlese’, dann ‘das dabei gesungene Lied’ = ‘Geschwätzigkeit’. Sehr hypothetisch. I-85
ἀμαλός ‘schwach, zart’ (ep. poet.). Davon wahrscheinlich ἀμαλ[λ]οῖ· ἀφανίζει H. und ἀμαλάπτω (S., Lyk.), nach βλάπτω, δάπτω, s. Debrunner IF 21, 212. — Nicht sicher gedeutet. Vielleicht zu einer Sippe ‘zerreiben, mahlen’ (s. μύλη) und mit ἀμαλδύνω (s. d.) indirekt verwandt. Man zieht hierher auch ἀμβλύς ‘kraftlos, stumpf’ aus *ἀ-μλ-ύς. In beiden Wörtern wäre somit ἀ- als prothetisch zu betrachten. Vgl. Winter Prothet. Vokal 31. S. auch μαλακός. I-85
ἀμάμαξυς, -υ(δ)ος f. ‘die an zwei Pfählen hochgezogene Weinrebe’ (Sapph., Epich.). — Unerklärt. I-85
ἁμαμηλίς, -ίδος f. ‘eine Baum- oder Strauchart mit eßbaren Früchten’, vielleicht ‘Mispel’ (Hp., Aristomen., Ath. 14, 650 c-e). — Aus der ausführlichen Beschreibung bei Ath. geht hervor, daß die Gewährsmänner über die Bedeutung uneinig waren, und ebenso, daß die Form wechselt (ὁμομηλίς, ἐπιμηλίς). Jedenfalls Femininableitung eines *ἁμά-μηλος mit Beziehung auf μῆλον. I-85
ἀμάναν · ἅμαξαν H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 34 aus einer unbekannten idg. Sprache (Grundform *sm̥-aks-nā) und mit ἅμαξα verwandt. Sehr fraglich. — Nach Bănăt̨eanu REIE 3, 145 kleinasiatisch. I-85
ἀμάνδαλον = ἀφανές (Hdn. aus Alk.), davon ἀμανδαλοῖ· ἀφανίζει, βλάπτει H. — Nach Hdn. zu ἀμαλδύνω; ebenso (zweifelnd) Brugmann Grundr.2 1, 437 (aus *ἀμάλδαλος dissimiliert). I-85
ἅμαξα f. ‘(vierrädriger Last)wagen’ im Gegensatz zu ἅρμα, dem zweirädrigen Streitwagen (ion. att. seit Il.). Mehrere Ableitungen: ἁμαξίς f. (Hdt., Ar.), ἁμάξιον (Arist.), beide demin.; ἁμαξιαῖος ‘wagenlastschwer’ (D., X., Arist. usw.), zum maßbezeichnenden Suffix -ιαῖος Chantraine Formation 49; ἁμαξικός ‘zum Wagen gehörig’ (Thphr.); ἁμαξήρης eig. ‘an den Wagen gefügt’ (A. Ag. 1054), mit völliger Verblassung des Hintergliedes ‘zum Wagen gehörig’ (E. Or. 1251); ἁμαξίτης ‘zum Wagen gehörig’ (AP), ἁμαξῖτις = ἄγρωστις (Ps.-Dsk.), ἁμαξεύς ‘Kutscher’ (D. Chr.), auch ‘Zugtier’ (Plu., Philostr.). — Verb: ἁμαξεύω ‘mit einem Wagen befahren’ (Hdt. u. a.), ‘in einem Wagen fahren’ (Philostr., AP), auch ‘Kutscher sein’ (Plu., in diesem Sinne von ἁμαξεύς). — Eine Zusammenbildung mit ἰ-έναι ‘gehen’ und dem το-Suffix ist ἁμαξιτός ‘mit Wagen befahrbar’ (ὁδός, Pi., X.), gewöhnlich Subst. f. ‘Fahrstraße’ (ep. ion., Pi., S., Inschr. usw.). — Von einer urspr. Bedeutung ‘Rädergestell’ (Ω 189, 266) als Bezeichnung der beiden Räderpaare samt den Achsen ausgehend sieht Kretschmer Glotta 9, 216; 12, 216f. darin eine Ellipse für ἅμαξα κύκλα (aus ἅμα und ἄξων) mit sekundärer Singularisierung und Übertragung auf den Wagen. Zustimmend Adrados Emerita 17, 146f. mit der ansprechenden Abänderung, daß ἅμαξα eine Zusammenbildung von ἅμα und ἄξων mittels des Suffixes -ι̯α darstelle. — Die Erklärung als "Einachser" (Mermger KZ 40, 217ff., Schrijnen Neophil. 4, 277ff., Reichelt WuS 12, 113) ist mit der Konstruktion der vierrädrigen ἅμαξα nicht vereinbar. — Bănăt̨eanu REIE 3, 136f. nimmt ohne Not kleinasiatischen Ursprung an. I-85-86
ἀμάρα (ἁμ- ?), ion. ἀμάρη f. ‘Graben, Kanal’ (vorw. ep. poet.). Ableitungen: ἀμαρήιος (ὕδωρ, Nonn.), ἀμαρία (H., EM); ἀμαρεύω ‘durch Kanäle leiten’ (Aristaenet., H.), wovon ἀμάρευμα· ἀθροίσματα βορβόρου H. — Die Anknüpfung an δι-, ἐξ-αμᾶν im Sinne von ‘auf-, ausgraben’, ἄμη ‘Schaufel, Hacke’ (Schulze Q. 365f., Solmsen Wortforschung 194ff.) mit demselben Suffix wie in χαράδρα, τάφρος u. a. stößt auf gewisse formale Schwierigkeiten. Crönert s. v. erinnert an kypr. ἀμιραφι. Auffallend ist der Anklang an heth. amii̯ar(a)- ‘Kanal’ (G. Neumann bei Friedrich Heth. Wörterbuch s. v.). Orientalisches Kulturlehnwort? — Anknüpfung an alb. âmë "Flußbett" und Flußnamen wie Amantia, Amana usw. sucht Krahe Beitr. z. Namenforschung 4, 52f. I-86
ἀμά̄ρᾰκον -ος m. n. ‘Origanum Majorana, Majoran’ (Pherekr., Thphr. usw.). Ableitungen: ἀμαράκινος ‘aus M.’ (Antiph. usw.), ἀμαρακόεις ‘M.-ähnlich’ (Nik.). — Vgl. ἀβαρύ· ὀρίγανον <τὸ ἐν> Μακεδονίᾳ H. Orientalisches LW, mit aind. maruva(ka)- ‘Majoran’ verwandt. Aus dem Griech. stammt lat. amaracum, -us, mlat. maioracus, maiorana, woraus die modernen Formen. Weitere Kombinationen bei Bertoldi Riv. fil. class. 60, 338ff. I-86
ἀμαρεῖν · ἀκολουθεῖν, πείθεσθαι, ἁμαρτάνειν H. — v. Blumenthal Hesychst. 34 zerlegt das Lemma in zwei gleichlautende Worte, von denen ersteres ein Denominativum von ἄμηρος H. = ὅμηρος im ursprünglichen Sinne von ‘Begleiter’ sei, letzteres zu ἁμαρτάνειν gehöre. Sehr hypothetisch. I-86-87
ἁμαρτάνω, Aor. ἁμαρτεῖν (äol. Ind. ἤμβροτον) ‘verfehlen, sich irren’ (ion. att.). Ableitungen: ἁμαρτία ‘Fehler, Irrtum, Versehen’ (att. hell.; zur Bedeutungsgeschichte s. Hey Philol. 83, 1ff., 137ff.); im selben Sinn ἁμάρτιον (A.), ἁμαρτάς (ion. und spät), ἁμάρτημα (att. hell.), ἁμαρτωλή (Thgn., Rhian. u. a.), ἁμαρτωλία (Hp., Kom.); sekundär ἁμαρτωλός ‘Sünder’ (Arist., hell., vgl. Frisk Indogermanica 15 A. 2). Privatives Adj. νημερτής, νᾱμ- (ep. poet.) ‘unfehlbar, untrüglich’ mit νᾱμέρτεια (dor.) ‘Unfehlbarkeit’ (S., vgl. Björck Alpha impurum 128f., 230). — Bildung und Herleitung unklar. Vermutungen von Froehde BB 20, 215ff., Osthoff IF 8, 11, Sommer Lautstud. 30ff., 38 sind bei Bq in Kürze referiert. I-87
ἁμαρτή (Aristarch, sonst unrichtig -τῇ geschrieben) ‘zugleich, gleichzeitig’ (Hom., Sol., E.). Davon ἁμαρτήδην (Schol. Φ 162, H., wahrscheinlich auch Ν 584 für ὁμαρτήδην zu lesen, Wackernagel Unt. 70). — Erstarrter Instrumental eines Verbaladjektivs *ἅμαρτος ‘zusammengefügt, -treffend’ (ἀραρίσκω), wovon andererseits das denominative ἁμαρτέω ‘zusammentreffen’ (poet. seit Il.). Bechtel Lex. s. v. Anders Pisani Ist. Lomb. 77, 545ff. — In der alexandrinischen Überlieferung dringt, namentlich beim Verbum, die vielleicht aus dem Attischen stammende Form ὁμ- durch, s. Wackernagel a. a. O. I-87
ἀμαρύσσω ‘funkeln, schimmern’ (h. Merc., Hes., hell. und sp. Epiker) nur im Präsensstamm belegt. Davon verschiedene Nomina actionis: ἀμάρυγμα, äol. -χμα ‘das Schimmern, das Funkeln’ (Hes., Sapph., B., Theok. u. a.), ἀμαρυγή (ῡ metr. gedehnt) ‘ds.’ (h. Merc. usw.), ἀμάρυγξ ‘ds.’ (Hdn., H., zur Bildung Schwyzer 498 : 7). Nasaliertes Suffix auch in ’Αμαρυγκεύς (Ψ 630) und in dem dunklen ἀμαρυγκυσία· βοστρυχία H. — Ein Nomen agentis ist ἀμαρύττα· τοὺς ὀφθαλμούς H.; falls richtig überliefert wohl kret. Dual = ἀμαρύκτα ‘die Funkelnden’. — Sichere Erklärung fehlt; gewöhnlich zu μαρμαίρω (s. d.) gezogen. Jedenfalls wird -ύσσω als rein griechisches Ableitungselement aufzufassen sein, wodurch der Vergleich mit lit. mérkti ‘die Augen schließen, blinzeln’ und anderen ähnlichen Wörtern (s. Bq mit Lit.) hinfällig wird. Der anlautende ἀ-Vokal ist wie öfters von problematischer Natur, vgl. Winter Prothet. Vokal 20. I-87
ἀματα, ἅπ. λεγ. im Bundesvertrag zwischen den Ätolern und Akarnanen (SIG 421 Α 5 und 26; IIIa), — nach Soteriades (z. St.) und Schwyzer RhM 72, 434ff. = ἀδόλως und mit Baunack Philol. 65, 317f. in ἄ-ματα (vgl. αυτόματος) zu zerlegen. S. auch Kretschmer Glotta 12, 188. I-87-88
ἀμαυρός (ep. ion., poet., hell. und sp.); ‘trübe, dunkel, schwach’ (zur Bedeutung vgl. v. Wilamowitz zu Eur. Herakles 124; formale Analyse unrichtig). Nominale Ableitungen nur die seltenen ἀμαυρότης (Gal. u. a.) und ἀμαυρία = caligo (Gloss.). Denominatives Verb ἀμαυρόομαι, selten ἀμαυρόω ‘trübe usw. werden bzw. machen’ (ion., poet., hell. und sp.). Davon ἀμαύρωσις ‘Verdunkelung, Trübung’ (Hp., Arist. u. a.) und ἀμαύρωμα ‘ds.’ (Plu.). — Die synonyme Bildung ἀμαυρίσκω = ἀμαυρόω (Demokr.) hat sich nicht durchgesetzt. Neben ἀμαυρός steht das seltene μαῦρος oder μαυρός (Hdn., Gal., H.), wahrscheinlich Rückbildung aus μαυρόομαι, -όω (Hes., Thgn., A.), das durch Wegfall des Anlautvokals (vgl. die Belege bei Strömberg Wortstudien 44f.) aus ἀμαυρόομαι entstanden ist. Wertlose Vergleiche bei WP. 2, 223. Vgl. ἀμυδρός. I-88
ἀμάω 1. ‘schneiden’, bes. in ἀπ-,διαμάω ‘ab-, zerschneiden usw.’, ‘mähen, ernten’ (ep. ion. poet. und späte Prosa). Ableitungen: ἄμητος m. ‘Ernte, Erntezeit’ (ep. ion. poet.), ἀμητύς f. (Hymn. Is.), ἀμητήρ ‘Schnitter’ (Il., Theok., Nonn.), ἀμήτειρα f. (EM), ἀμητρίς f. (Poll. 1, 222). Daneben ἀμητής (Porph.). Nom. instr. ἀμητήριον ‘Sichel’ (Max. Tyr.), Adj. ἀμητικός ‘zum Schneiden geeignet’. — Ob auch ἄμαλλα ‘Garbe’ und ἀμάρα ‘Graben, Kanal’ hierher gehören, bleibt fraglich, s. dd. Ebenso ist die Zugehörigkeit von ἄμη im Sinn von ‘Schaufel, Hacke’ (Ar., Xen., Geop.) wegen der Bedeutung etwas zweifelhaft und hängt davon ab, ob δι-αμάω, ἐξ-αμάω ‘aufreißen, aufgraben’ von ἀμάω ‘mähen’ zu trennen sind; s. die Lit. unten. — Wenn ahd. māen, ags. māwan ‘mähen’ ursprünglich ‘schneiden’ bedeutet haben, bieten sie sich zum Vergleich mit ἀμάω; ἄμητος wurde sich dann fast ganz mit mhd. māt, ags. mǣ́ð ‘das Mähen’ decken. Weitere Beziehungen (lat. meto, heth. ḫamešḫ(a)- ‘Frühjahr’ usw.) sind gänzlich unsicher, s. Bechtel Lex., WP. 2, 259, Benveniste Or. 157. — In ἄμη ‘Schaufel, Hacke’ sieht Schulze Q. 365 A. 3 ein anderes Wort, das von Solmsen Wortforschung 195 u. a. mit aksl. jama ‘Grube’ verbunden worden ist; Morgenstierne Acta orientalia 7, 200 vergleicht pashto yūm ‘Spaten’. I-88
ἀμάομαι 2. ‘sammeln, häufen’ (ep. ion. poet. und späte Prosa), vorw. in Komp. ἐπ-, κατ- usw. selten ἀμάω (spät). — Erklärt sich am einfachsten als Ableitung von ἅμα; es könnte aber auch ein schwundstufiges Deverbativum sein. Jedenfalls ist ἄμη, eig. ἅμη (> lat. hama, seit Cato) ‘Wassereimer’ (Plu.) nicht das Grundwort, sondern entweder eine retrograde Bildung oder unabhängig davon entstanden. Von ἅμη stammt ἁμίς f. ‘Nachtgeschirr’ (Ar. usw.). Als weitere Verwandte kommen in Betracht ἀμνίον und ἄντλος, wohl auch ἄμαλλα (s. dd.). An ἅμη erinnert begriffsmäßig lit. semiù, sémti ‘schöpfen’ mit sámtis ‘Schöpflöffel’; ferner wird lat. sentīna ‘Schiffsbodenwasser’ hierhergezogen. Es bereitet keine ernstliche Schwierigkeit, ἅμη und semiù mit ἅμα, ἀμάομαι auf ein gemeinsames idg. sem- ‘eins, zusammen’ zurückzuführen. Vgl. Bechtel Lex. m. Lit., bes. Solmsen Wortforschung 180ff., WP. 2, 487, 489ff. I-88-89
ἄμβη · ἡ τῆς ἴτυος ὀφρῦς τῶν κυλλῶν ἀσπίδων H.,‘erhöhter Schildrand, Wulst’ (Demokr., Hp., Gal.). — Vgl. ἄμβων. Verfehlt v. Blumenthal Hesychst. 4f. (illyrisch, zu φέρω). I-89
ἄμβιξ, -ικος auch ἄμβικος m. ‘φοξόχειλος κύλιξ’ (Ath. 11, 480 d), m., ‘Art Becher’, auch ‘Destillierhelm’ (Posid. usw.). — Ausgang wie in κύλιξ; das Stammelement wahrscheinlich auch in ἄμβη, ἄμβων (s. dd.). Kaum mit Chantraine Formation 376 aus dem Semit. entlehnt. I-89
ἀμβλακίσκω s. ἀμπλακίσκω; vgl. auch ἀμβλίσκω. I-89
ἀμβλίσκω (Pl.), -άνω (Max. Tyr. u. a.), (ἐξ-)αμβλόομαι, -όω (ion. att.), -ώω (Max.), -ώσκειν· τὸ ἀτελὲς γεννῆσαι, τὸ φθεῖραι βρέφος (Suid.), -ώσσειν· ὠμοτοκεῖν H., Aor. (ἐξ-)αμβλῶσαι ‘eine Fehlgeburt tun, die Leibesfrucht abtreiben’. Von ἀμβλόομαι, -όω gehen mehrere Ableitungen aus: ἄμβλωσις ‘Fehlgeburt, Abtreibung’ (Lys., Arist. u. a.) mit ἀμβλώσιμος (Max., vgl. Arbenz Adj. auf -ιμος 88), ἄμβλωμα (Antipho Soph., Aret.), ἀμβλωσμός (Aret.); ferner das Nomen instrumenti ἀμβλωτήριον (Orib.) und das Adj. ἀμβλωτικός (Gal.). Eigenartig ist die Bildung von ἀμβλωθρίδιον ‘fehlgeborenes Kind’ (Ph.), auch ‘abtreibende Arznei’ (Poll.), -ίδιος ‘Fehlgeburt verursachend’ (Aret.): an -θρο- ist ein neues Suffix -ίδιον hinzugefügt worden, vgl. Chantraine Formation 373 und 68ff. — Anknüpfung an μύλη ‘Mißgeburt’ (Hp., Arist.) und besonders an das fernliegende μέλεος (Fick KZ 20, 169f., Froehde BB 7, 327) ganz hypothetisch. I-89
ἀμβλύς, -εῖα, -ύ ‘stumpf, schwach’ (ion. att.). Metrische Erweiterung ἀμβλυόεσσα (ὀμίχλη, Man.). Ableitung ἀμβλύτης ‘Abstumpfung, Schwäche’ (Arist., Plu. u. a.). Denominative Verba: 1. ἀμβλύνω ‘abstumpfen, schwächen’ (ion. att.); davon ἄμβλυνσις (Arist.-Komm.), ἀμβλυντήρ (Poeta de herb.), ἀμβλυντικός ‘Schwäche verursachend’ (Dsk. u. a.). 2. ἀμβλυώσσω (-ώττω) ‘schwachsichtig sein’ (Pl., Hp., Plu., Luk.), eig. von *ἀμβλυ-ωψ, vgl. ἀμβλυ-ωπός, auch ἀμβλωπός, ἀμβλῶψ; Schwyzer 733 ζ, Sommer Nominalkomp. 3ff., Hoffmann Glotta 28, 24 A. 1. — ἀμβλύς steht wahrscheinlich für *ἀμλ-ύς, vgl. ἀμαλός, μύλη, μαλακός. WP. 2, 285; 292. I-89-90
ἀμβρόσιος s. βροτός. I-90
ἄμβων, -ωνος nach Gal. 18a 340 attisch für ion. ἄμβη, m. ‘Gefäßrand, Bez. verschiedener erhöhter od. ansteigender Gegenstände’ (in Anlehnung an ἀναβαίνω) (A., Eup. u. a.). — Zur Bildung s. Chantraine Formation 162, Schwyzer 487 : 4; sonst unklar. Die Anknüpfung an ἀναβαίνω (Prellwitz) ist ebenso anfechtbar wie der alte Vergleich mit lat. umbo. I-90
ἀμέθυστος, -ον, Zusammenbildung von ἀ privativum und μεθύω, als Adj. ‘dem Rausch nicht verfallend’ (Plu., Gp.) oder, aktiv, ‘rauschhindernd’ (Dsk.); als Subst. ntr. (fem.) ‘Heilmittel gegen Trunkenheit’ (Plu. u. a.), auch Pflanzenname (wegen der heilbringenden Wirkung gegen den Rausch, s. Strömberg Pflanzennamen 91). — Der Amethyst "ist benannt nach der lila-violetten Farbe des in so hohem Grade mit Wasser verdünnten Rotweins, daß er nicht mehr trunken machen kann" (Clausing Glotta 20, 292). I-90
ἀμείβω, -ομαι ̌v. ‘wechseln, (ver)tauschen, eintauschen’, med. auch ‘antworten, vergelten usw.’ (alt und häufig). Neben dem alten Verbalnomen ἀμοιβή (s. unten) erscheint seit der hell. Zeit (Plb., LXX) die Neubildung ἄμειψις ‘Wechsel, Austausch usw.’ mit ἀμειπτικός. Seit alters weit verbreitet war dagegen ἀμοιβή mit verschiedenen Bedeutungen und Sinnfärbungen: ‘Wechsel, Tausch (handel), Vergeltung, Dank, Antwort u. a.’. Von ἀμοιβή wiederum mehrere Ableitungen: ἀμοιβαῖος ‘abwechselnd’ (Pi., Emp., Hdt. usw.), ἀμοιβάδιος ‘ds.’ (Opp., Q. S., AP; vgl. ἀμοιβαδίς und andere Adverbia unten); ἀμοιβιμαῖον ‘Vergeltung, Lohn’ (IGRom., Lydien; zur Bildung Chantraine Mélanges Maspero 2, 219ff.). Ein vereinzeltes Substantiv ist ἀμοιβεύς "Vertauscher", Benennung des Poseidon bei Lyk. 617. — Mehrere Adverbia: ἀμοιβηδίς, (ἐπ)αμοιβαδίς (Hom. usw.), vgl. Schwyzer 631 : 9, usw. — Das Denominativum ἀμοιβάζω ‘vertauschen’ tritt erst spät auf (Men. Prot.). — Neben ἀμοιβή steht seit Il. das Nom. ag. (Adj.) ἀμοιβός ‘ablösend, zum Entgelt’, sowohl als Simplex wie vor allem als Hinterglied. — Späte Gelegenheitsbildung ἀμειβώ = ἀμοιβή (Eust.). — Ohne sichere und genaue Entsprechung. Seit Walter KZ 11, 430 vergleicht man u. a. lat. migrare ‘wandern’ als Denominativum von *migros ‘den Ort wechselnd’. Durch Abtrennung eines gu̯-Suffixes kann man auch lat. mū-nus usw. (idg. mei-) heranziehen. W.-Hofmann s. migro, WP. 2, 245. I-90
ἀμείνων ‘besser, tüchtiger, vorteilhafter’ (alt und häufig). — Enthält echtes ει, somit nicht aus *ἀμενι̯ων. — Unerklärt. Nach Osthoff MU 6, 303ff. aus einem Neutrum ἄμεινον, d. h. α privativum + Subst. *μεῖνον ‘Minderung’ hervorgegangen, das als Komparativ umgedeutet und als Komparativ flektiert worden wäre. Seiler Steigerungsformen 120, wo weitere Lit., führt ἀμείνων auf *ἀ-μεινι̯ων, zu *μινύς, zurück. I-91
ἀμείρω ‘berauben’ (Pi.), ἀπαμείρω (ρ 322 v. l., Hes. Th. 801, A. R., Nonn.). — Seit Solmsen KZ 29, 354 als Neubildung für ἀμέρδω zu ἀμέρσαι, ἀμερθῆναι gedeutet. Vgl. Leumann Hom. Wörter 162f. Die Erklärung ist allerdings von Solmsen selbst, Wortforschung 11 A. 1, angezweifelt worden. I-91
ἀμέλγω ‘melken’ (alt und häufig). Spärlich belegte Ableitungen: ἀμολγός (s. bes.), ἀμολγή (Hdn.), ἀμολγεύςund ἀμόλγιον ‘Milcheimer’ (Theok.), ἀμολγάδες βόες ‘Milchkühe’ (S. Ichn. 5). Zu ἀμολγαῖος, ἀμολγάζει s. ἀμολγός. Als Hinterglied u. a. in ἱππ-ημολγοί "Stutenmelker", Bez. skythischer und anderer Nomaden (Ν 5, Hes., Kall.). — ἄμελξις ‘das Melken’ (Pi., LXX); zum Pflanzennamen ἀμελξίνη (Ps.-Dsk.) s. Strömberg Pflanzennamen 160, der die gleichgebildeten ἀμερσίνη und ἑλξίνη vergleicht. — ἀμελκτῆρα H. als Erklärung von ἀρακτῆρα. — Altes Verb, das in ahd. melchan, ags. melcan ‘melken’ ein genaues Gegenstück hat. Daneben mit langem ē (das auch den griech. und germ. Formen ursprünglich zugrunde liegen kann) lit. mélžu, mit Schwundstufe aksl. mlъzǫ, mir. bligim. Lat. mulgeo kann entweder Schwundstufe oder alten o-Vokal enthalten. Vgl. noch alb. mjel (Mann Lang. 26, 382) und toch. A mālkant 3. pl. ‘Milch geben’ (Prät. Med.). Wahrscheinlich ist mit Meillet (vgl. auch Brugmann Grundr.2 2 : 3, 99) von einem ablautenden athematischen Wurzelpräsens *mēlĝ-mi, *ml̥ĝ-énti auszugehen, das sich formal mit ai. mā́rj-mi, mr̥j-ánti ‘abwischen’ völlig decken kann. Bei Urverwandtschaft muß in den europäischen Sprachen eine Bedeutungsverengung vorliegen. Anderseits kann ai. mā́rjmi von ὀμόργνυμι nicht getrennt werden. Zusammenfall von zwei verschiedenen Wörtern? I-91
ἄ̄μεναι ‘sich sättigen’ (Φ 70, 4. Fuß), s. ἆσαι. I-91
ἀμενηνός ‘kraftlos, schwach’ (ep. ion. poet., hell. und spät). Davon ἀμενήνωσεν Ν 562. — Wahrscheinlich aus ἀμενής (E.) erweitert, vielleicht nach dem Vorbild von ἀκμηνός (Od.). Kaum mit Bechtel Lex. aus *ἀμενεσᾱνός. Vgl. noch Schwyzer 490 : 6 m. Lit. I-91
ἀμέργω ‘abpflücken, ernten’ (lyr., hellen. Ep.), auch von den Oliven = ‘auspressen’? (Kom. Adesp. 437; ἀμέργω· τὸ ἐκπιέζω Hdn.). Davon nach allgemeiner Annahme ἀμόργη ‘Ölhefe’ (Hp., Thphr., Dsk.), woraus entlehnt lat. amurca, amurga (s. W.-Hofmann); Nebenformen ἀμόργης, ἄμοργος, ἄμοργις; ngr. μούργα, μοῦργος s. Kapsomenos ByzZ 36, 316f., vgl. auch Psaltes Festschrift Hatzidakis 66ff. — Nom. ag. in übertrag. Bed. ἀμοργοί· πόλεως ὄλεθροι Kratin. 214; ähnl. Emp. 84. — ἀμοργεύς ‘Ölpresser’ (Poll.), ἄμοργμα· σύλλεγμα, ἄρτυμα H. — Unklar ist die Herkunft von ἀμοργίς, -ίδος f. ‘der Stengel von Malva silvestris’ (Ar.); ob nach der Insel Amorgos benannt? — Adj. ἀμόργινος Beiwort von χιτών und anderen Kleidungsstücken (Kom., Aeschin.), vgl. ἀμόργεια· χρώματος εἶδος, ἀπὸ νήσου ’Αμοργοῦντος Suid. — Vielleicht mit ὀμόργνυμι ‘abwischen’, aind. mā́rj-mi ‘ds.’ (vgl. s. ἀμέλγω) verwandt. Aus dem Lat. wurden hierhergezogen mergae ‘Mähgabel’ und merges ‘Ährenbündel’; unsicher. Vgl. W.-Hofmann s. v., WP. 2, 283f. I-91-92
ἀμέρδω ‘berauben’ (ep. poet.); zur Bedeutung (auch ‘verletzen, schädigen’ oder sogar ‘blenden’?) Persson Beitr. 219f., Fraenkel Phil. 97, 172f. Davon nach Strömberg Pflanzennamen 65 ἀμερσίνη (Dsk.). Eine kürzere Form bei H.: μέρδει· κωλύει, βλάπτει, μερθεῖσα· στερηθεῖσα. — Sichere Verwandte fehlen: Anschluß an aind. mr̥ḍnā́ti, mardati ‘zerreiben, zerdrücken’ (vgl. μαραίνω und WP. 2, 278 m. Lit.) scheint allenfalls möglich. Bechtel Lex. 38 zieht auch βραδύς ‘langsam’ (aus *μραδύς) hierher. I-92
ἀμέσω · ὠμοπλάται H. — Nach Fick KZ 44, 336f. indisches Fremdwort (vgl. aind. áṃsau ‘die beiden Schultern’). Kritik bei Kretschmer Glotta 5, 302. I-92
ἀμεύσασθαι (Aor., Fut. ἀμεύσεσθαι) ‘übertreffen, überschreiten’, auch ‘Handel treiben’ (vgl. Bechtel Dial. 2, 778) (Pi., Euph., Gortyn). Ableitung: ἀμεύσιμος = πορεύσιμος (A. R. 4, 297 nach EM 82, 11; vgl. Arbenz Adj. auf -ιμος 100 und das Vorderglied in ἀμευσί-πορος, -επής, Pi.). Dagegen ἀμοιϝά ‘Tausch’ (Korinth) umgekehrte Schreibung für ἀμοιβά, s. Fraenkel KZ 43, 208 m. Lit. — Nur unsichere Anknüpfungen. Aus dem Griechischen vergleicht man ἀμύνω (s. d.), aus anderen Sprachen lat. moveo, lit. máuju ‘abstreifen, abreißen’, aind. mī́vati ‘schieben, drängen’ usw., WP. 2, 252f.; außerdem heth. maušzi ‘fallen’ (Pedersen Hittitisch 172 m. Lit.). I-92
ἀμήκωα · δεινά. Ταραντῖνοι H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 14 messapisch: a-mē-k-u̯-a, zu mē- ‘messen’. Äußerst hypothetisch. I-92
ἄμης, -ητος m. mit dem Deminutiv ἀμητίσκος ‘Kuchenart’ (Kom. u. a.). — Etymologie unbekannt. Vgl. ἄμιθα· ἔδεσμα ποιόν, καὶ ἄρτυμα ὡς ’Ανακρέων (139) H.; auch PHamb. 90, 18. I-92
ἀμία -ίας m. f., ‘Art Thunfisch, die in die Flüsse geht’ (Kom., Arist.). — Unerklärt. Thompson Fishes s. v. vermutet ägyptischen Ursprung (mehi, mḥit Fischname). Vgl. noch Strömberg Fischnamen 128. I-93
ἅμιλλα f. ‘Wettkampf, Kampf’ (ion. att., nicht bei Homer belegt). Denominatives Verb: ἁμιλλάομαι ‘wettkämpfen, sich eifrig bemühen’ (ion. att.); davon ἁμιλλητήρ ‘wettrennend’ (S.), ἁμιλλητήριος ‘zum Wettkampf gehörend’ (Philostr., Aristid.); ἁμιλλητικός ‘ds.’ (Pl.); ἁμίλλημα ‘Wettkampf’ (S. in lyr., Inschr. Kyr.). — Aus *ἅμ-ι̯λ-ια (vgl. θύελλα, ἄμαλλα usw., Schwyzer 475, Chantraine Formation 99, Specht Ursprung 328), ι̯α-Ableitung eines l-Stammes, der zu der Sippe von ἅμα, εἷς, ὁμός gehört; genauer Ausgangspunkt nicht bekannt. — Verfehlt Adrados Emerita 17, 119ff. (zu ἅμα und ἴλη). I-93
ἀμιχθαλόεσσα ungedeutetes Beiwort von Lemnos (Ω 753, h. Ap. 36), — danach Kall. Fr. 18, 8 ἀμιχθαλόεσσαν ... ἠέρα, von ihm also mit ὀμίχλη assoziiert und als ‘neblig’ verstanden. Nach einem Scholion zu Ω 753 dagegen = εὐδαίμων. Andere, ebenfalls unsichere Deutungen aus alter und neuer Zeit bei Leumann Hom. Wörter 214 A. 8, vgl. noch ibid. 273. I-93
ἄμμος f. ‘Sand’ (Pl., X. usw.). Ableitungen: ἀμμώδης (Hp.. Arist.), ἄμμινος (Peripl. M. Rubr.), ἀμμίτης m. (sc. λίθος), auch ἀμμῖτις f. ‘Sandstein’ (Plin., Isid.). Über ’Αμμίτης als Flußnamen Redard Les noms grecs en -της 130 usw. — Kontamination von ἄμαθος und ψάμμος, s. dd. I-93
ἀμνίον n. ‘Opferschale’ (γ 444), zur Bedeutung s. Brommer Herm. 77, 357 und 364. — Wahrscheinlich zur selben Sippe wie ἀμάομαι, aber die Bildungsweise ist nicht genügend aufgeklärt. Solmsen Wortforsch. 183 geht von einem Verbalnomen *ἅμων ‘Becher’, eig. "Sammler", aus, wovon ἀμνίον ein Deminutivum wäre. I-93
ἀμνός m. f. ‘Lamm’ (S., Ar., Theok., LXX usw.). Besondere Femininformen: ἀμνή, -ά (Kos, Gortyn u. a.), ἀμνάς (LXX usw.), ἀμνίς (Theok.). Adjektiva: ἀμνεῖος (Theok.), ἀμναῖος (Pap.) ‘aus Lamm(fell) gemacht’; daraus wohl übertragen ἀμνεῖον, ἀμνίον, auch ἀμνειός, ἄμνιος ‘inneres Häutchen des Fötus’ (Emp., Hippiatr., Sor., Gal.). — Unklar und zweifelhaft: ἀμνόα· πρόβατον, οἱ δὲ ἀμνός H. — ἀμνός kann mit lat. agnus urverwandt sein (gemeinsame Grundform idg. *agu̯nos). Im Keltischen, Germanischen, Slavischen kommen ähnliche Formen vor, die jedoch in Einzelheiten voneinander abweichen: air. ūan mit anlautendem ŏ-, aksl. agnę mit anl. ō- oder ā-, ags. ēanian, engl. yean ‘lammen’ aus urg. *aunōn mit mehrdeutigem Anlaut. Näheres Thurneysen A Gram. of Old Irish 137, WP. 1, 39, Pok. 9, W.-Hofmann s. agnus. I-93-94
ἄμοιος · κακός. Σικελοί H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 15f. illyrisch. Er vergleicht μοῖτος = χάρις (Soph. 168), nach Bechtel Dial. 2, 285 mit lat. mūto urverwandt (andere Auffassungen bei W.-Hofmann s. mūto). Wenn diese Deutung richtig ist, steht ἄ-μοιος (von *μοῖος) neben μοῖ-τος wie ἄ-φορος neben φόρ-τος (unrichtige Analyse bei v. Blumenthal). I-94
ἀμολγός, bei Homer nur im Ausdruck (ἐν) νυκτὸς ἀμολγῷ. Außerdem A. Fr. 69, 6 ἱερᾶς νυκτὸς ἀμολγόν und, als Adj., E. Fr. 104 ἀμολγὸν νύκτα (H.), vgl. unten. Orph. H. 34, 12 δι’ ἀμολγοῦ | νυκτὸς ἐν ἡσυχίῃσιν. Ableitung ἀμολγαῖος : μάζα ἀμολγαίη Hes. Op. 590 (vgl. unten), ἀμολγαῖον μαστὸν ἀνασχόμενος AP 7, 657 (Leon.). — Verb: ἀμολγάζει· μεσημβρίζει H. — Falls Verbalnomen von ἀμέλγω, muß ἀμολγός ursprünglich die "Melkung" bezeichnet haben (Oxytonierung dann allerdings sekundär). Die Beziehung auf Melkung und Milch ist im Leonidasepigramm bewahrt, vielleicht auch im Ausdruck μάζα ἀμολγαίη bei Hes., wo es indessen von Proklos und im EM s. μάζα als ἀκμαία gedeutet wird: τὸ γὰρ ἀμολγὸν ἐπὶ τοῦ ἀκμαίου τίθεται. Dieselbe Interpretation findet sich auch bei Eustathios zu Ο 324 wieder: ’Αχαιοὶ δὲ κατὰ τοὺς γλωσσογράφους ἀμολγὸν τὴν ἀκμήν φασι. Wahrscheinlich ist diese Erklärung nur aus dem Epos herausgelesen und hat somit keinen eigenen Wert (Leumann Hom. Wörter 274). Mehr Glauben verdient die Hesychglosse ἀμολγάζει· μεσημβρίζει. — Das Wort ἀμολγός war schon im Altertum umstritten, wie u. a. aus H. hervorgeht: ἀμολγὸν νύκτα· Εὐριπίδης ’Αλκμήνῃ ζοφερὰν καὶ σκοτεινήν. οἱ δὲ μέρος τῆς νυκτὸς καθ’ ὅ ἀμέλγουσιν. Eine sichere Deutung steht noch aus; nach Nilsson Primitive Timereckoning 35f. bezieht sich der Ausdruck auf die Melkstunde am Beginn oder am Ende der Nacht. Verfehlt Charpentier Symb. phil. Danielsson 13ff. (darüber, mit eigenen Deutungsvorschlägen, Kretschmer Glotta 22, 262f.), Sinclair ClassRev 39, 98ff., Jacoubet REGr 37, 399ff. Weitere Lit.: Kretschmer Glotta 11, 108; 13, 166f.; Wahrmann Glotta 13, 98ff., Leumann Hom. Wörter 164. I-94
ἀμόρα · σεμίδαλις ἑφθὴ σὺν μέλιτι H. Auch Philetas ap. Ath. 14, 646d. Davon ἀμορίτης ἄρτος (LXX), woneben die Schreibungen ἀμορβίτης (Ath.) und ἀμοργίτας· πλακοῠντας H., beide = ἀμορϝίτης; vgl. Redard Les noms grecs en -της 88. — Grundform somit *ἀμόρϝα. Unerklärt. I-94
ἀμορβός ἀμορβάς f. (A. R.); auch ἀμορβεύς (Opp.), wohl retrograde Bildung von ἀμορβεύω. m. f. ‘Begleiter(in), Hirt’ (Kall., Nik., Opp.), Abgeleitetes Adjektiv ἀμορβαῖος Beiw. von χαράδραι (Nik. Th. 28, 489), Bed. unsicher, von den Scholl. mit ποιμενικαί oder σκοτεινώδεις erklärt; vgl. dazu EM 85, 20: ἀμορβὴς καὶ ἀμορβές· σημαίνει τὸ μεσονύκτιον παρὰ τὴν ὄρφνην .... σημαίνει καὶ τὸν ἀκόλουθον. — Denominative Verba ἀμορβέω (Antim.) und ἀμορβεύω (Nik.) ‘begleiten’. — Dagegen ἀμορβίτης zu ἀμόρα. — Unerklärt. Über ältere und neuere Deutungsversuche s. Pisani Ist. Lomb. 77, 541, der selbst von *ἁμορ-β-ός ausgeht, zu ἁμαρ-τή (aus *ἁμαρ-στη[?]) und βῆναι (?). I-94-95
ἀμόργη, ἀμοργίς s. ἀμέργω. I-95
*ἁμός in οὐδαμός, ἁμοῦ, ἁμῆ, ἁμοῖ, ἁμωσ-γέ-πως usw., indefiniter Pronominalstamm, — mit aind. sama- (enkl.) ‘irgendeiner, jemand’, got. sums ‘ds.’ identisch. Zu ἅμα, εἷς. Vgl. Schwyzer 617 : 4b. I-95
ἄμοτον ep. Adv. (seit Il.), vielleicht ‘unaufhörlich, unermüdlich’, besonders im Ausdruck ἄμοτον μεμαώς. Daraus das Adj. ἄμοτος (Theok., Mosch.; unsicher Simon. 37, 16). — Da sich die Bedeutung von ἄμοτον nicht sicher feststellen läßt, sind alle Erklärungsversuche hypothetisch. Vgl. Bq s. v., Bechtel Lex., Pisani Ist. Lomb. 77, 547f. I-95
ἄμπελος f. ‘Weinstock, Weinrebe’ (alt und häufig). Zahlreiche Ableitungen. Deminutiva: ἀμπέλιον (Ar., Hp.), ἀμπελίς (Ar.), auch Vogelname = ἀμπελίων, s. unten. Adjektiva: ἀμπελόεις ‘rebenreich’ (ep.); ἀμπέλινος ‘vom Weinstocke’ (Hdt., Arist., Plb. usw.), ἀμπελικός ‘ds.’ (hell. und spät), ἀμπέλιος ‘ds.’ (Ph., Ach. Tat.), ἀμπελώδης ‘rebenreich’ (Poll., H.). ἀμπελῖτις (γῆ, χέρσος) ‘Weinbau’ (Pap. usw., Redard Les noms grecs en -της 107f.) mit ἀμπελιτικός (Pap.). — Substantiva: ἀμπελών m. ‘Weinberg’ (Alschin. 2, 156 [v. l.], hell. und spät), auch ἀμπελεών (Theok., AP), Demin. ἀμπελωνίδιον (Pap.); ἀμπελεία ‘ds.’ (Inschr. Cherson., nach φυτεία). — ἀμπελίων m. Name eines unbekannten Vogels (Dionys. Av., s. Thompson Birds s. v.). — Die Versuche, ἄμπελος aus dem Idg. oder dem Semit. zu erklären (s. Bq), sind erfolglos geblieben. Ohne Zweifel ist ἄμπελος ein mediterranes Kulturwort. — Über vorrom. *ampua und dessen eventuelle Beziehungen zu ἄμπελος s. Hubschmid Zeitschr. f. rom. Phil. 66, 15ff. I-95
ἀμπλακίσκω, auch ἀμβλακίσκω, spätes und seltenes Präsens zu Aor. ἤμπλακον (ἤμβ-), Perf. Pass. ἠμπλάκημαι ‘fehlen, sich vergehen, verlieren’ (poet., nicht Hom.). Nomina actionis: ἀμπλακία ‘Vergehen’ (poet.) mit ἀμπλακιῶτις f. = ἱερὰ νόσος (Poet. de herb.); daneben ἀμπλάκιον (Pi. P. 11, 26) und ἀμπλάκημα (poet. und späte Prosa). — Wenn die Schreibung mit -β- ursprünglich wäre, könnte man an ἀμβλίσκω, viell. auch an βλάξ ‘weich, schlaff’ denken (vgl. Ehrlich Betonung 55). Dies ist aber höchst zweifelhaft, s. J. Schmidt KZ 37, 28f., Schwyzer 210 : 4. Somit muß ἀμπλακίσκω als noch unerklärt gelten. I-95-96
ἀμπρόν (Akzent nach Et. Gen., H.) n. ‘Zugleine’ (Inschr. V-IVa.). Ableitung: ἀμπρεύω ‘mit einer Zugleine ziehen, schleppen’ (E. ap. Phot., Kall., Lyk.), ἐξ-αμπρεύω (Ar. Lys. 289), wovon als retrograde Ableitung ἔξαμπρον ‘Ochsengespann’ (Gloss.); συν-αμπρεύω (Arist.). — ἀμπρευτὴς ὄνος (S. ap. Phot.). — Technischer Terminus unbekannten Ursprungs. I-96
ἄμπυξ, -ῦκος f. m. ‘metallenes Stirnband (der Frauen, der Pferde)’, χρυσ-άμπυξ ‘mit goldenem Stirnbande’; später auch als ‘Zaum’ verstanden (ep. seit Il., poet.). Poetische Erweiterungen sind ἀμπυκτῆρες (A.), ἀμπυκτήρια und ἀμπυκώματα (S.). Ableitung: ἀμπυκάζω ‘(mit einem Stirnband) aufbinden’ (AP, EM). — Komponiertes Wurzelnomen (oder Zusammenbildung) aus ἀμ- = ἀνα- und -πυξ, zu πύκα ‘dicht, fest’, πυκνός. Urverwandt mit aw. pusā (idg. *puḱā) ‘Diadem’, zu dem sich ἄμπυξ verhält wie z. B. πρόσ-φυξ zu φυγή; vgl. auch ἄν-τυξ. Lidén Symb. phil. Danielsson 148ff., Benveniste BSL 34, CR. 41, der weitere iranische Formen ebenso wie das toch. LW psuk ‘Kranz’ heranzieht. Aus dem Iranischen stammt ebenfalls arm. psak ‘Kranz, Diadem usw.’. I-96
ἄμπωτις f. ‘Ebbe’ (ion., Arist., hell.). Ableitung: ἀμπωτίζω ‘ebben’ (Ph., Eust.). — Nebenform zu ἀνάπωτις (Pi., spät), eig. fem. Nomen agentis zu ἀναπίνω, ἄμπωτις (θάλασσα) = resorbens unda (Hor.). Schulze KZ 56, 287; 57, 275 (= Kl. Schr. 361). S. auch Fraenkel Nom. ag. 1, 116 m. A. 2. I-96
ἀμυγδάλη ‘Mandel’ (Kom., Hp., Arist. usw.), ἀμύγδαλον n. auch ἀμύγδαλος f. (Luk.). f., Mehrere Ableitungen: ἀμυγδαλίς f. = ἀμυγδάλη (Philox., Plu.), Dem. ἀμυγδάλιον (Hp.). Adjektiva: ἀμυγδάλινος ‘aus Mandel bestehend’ (X., Thphr.), ἀμυγδάλιος ‘mandelförmig’ (Pap.), ἀμυγδαλόεις ‘ds.’ (Nik.), ἀμυγδαλώδης ‘ds.’ (Thphr.). — ἀμυγδαλέα, -ῆ ‘Mandelbaum’ (Eup., Hp., Arist., Thphr. usw.), ἀμυγδαλίτης ‘Wolfsmilch’ (Dsk., Plin., vgl. Redard Les noms grecs en -της 69). — Fremdwort unbekannten Ursprungs. Frühere Erklärungsversuche s. Bq. Daraus entlehnt lat. amygdala, auch amiddula, amyndala, amandula, woraus ahd. mandala ‘Mandel’. I-96
ἀμυδρός ‘dunkel, schwer zu erkennen, schwach’ (ion. att.). Daraus erweitert ἀμυδρήεις ‘ds.’ (Nik.). Adjektivabstraktum ἀμυδρότης ‘Dunkelheit, Schwäche usw.’ (Ph., Gal., Plot.). Denominativ ἀμυδρόομαι, -όω ‘dunkel usw. werden’ bzw. ‘machen’ (Ph., Arist.-Komm.); davon ἀμύδρωσις (Arist.-Komm. usw.). — Unklar. Beziehung zu, bzw. Umbildung nach dem synonymen ἀμαυρός nicht unmöglich. Prellwitz denkt an aksl. iz-mъděti ‘schwach werden’. I-96-97
ἄμυλος ‘Kuchen (aus feinstem Mehl)’ (Ar., Theok. usw.), ἄμυλον n. ‘Stärke(mehl)’ (Dsk., Plin., Inschr., Pap.). m. Demin.: ἀμύλιον n. 1. ‘Kuchen’ (Plu.), 2. ‘Stärke’ (Hp., Arist.); von 1. ἀμυλᾶτον ‘Kuchen’ (Sch. Ar. Pax 1195); von 2. ἀμυλιδωτόν ‘Art Chiton’ (Hermipp.). Bildung wie ἁλυσιδωτός, χειριδωτός (Schwyzer 503 : 4, Chantraine Formation 305). — Eine Deutung als ‘ungemahlen’, von μύλη (vgl. ἄμυλον· στερρόν, ἄκλαστον EM), die sich formal aufdrängt, bleibt noch begrifflich zu rechtfertigen. I-97
ἀμύμων ep. Epithet, nie von den Göttern gebraucht, etwa ‘edel, herrlich, trefflich, schön’, eig. ‘untadelig’, — zu μῦμαρ, nach H. äolisch für μῶμαρ, μῶμος ‘Tadel’ (s. d.). — ἀμύμων : μῦμαρ wie ἀπείρων : πεῖραρ (r-n-Stamm). I-97
ἀμύνω ‘abwehren, helfen’, med. ‘sich verteidigen, sich rächen’, erweiterte Präteritalform ἠμύναθον (Imperf. oder Aor.?, s. Schwyzer 703 m. A. 6 m. Lit.). Ableitungen: ἀμύντωρ ‘Abwehrer, Helfer, Rächer’ (Hom., Simon., E. usw.), auch PN; ἀμυντῆρες ‘die nach vorn gekehrten Spitzen der anwachsenden Hirschhörner’ (Arist.); ἀμυντήριος ‘zur Abwehr geeignet’ (Pl., hell. und spät), wahrscheinlich direkt vom Verb gebildet ebenso wie das Nomen instr. ἀμυντήριον (Pl., hell. und spät); ἀμυντικός ‘ds.’ (Pl., Arist. usw.). — ἀμυντρόν (A. ap. Phot. ohne Erklärung). — ἀμύντης ‘Verteidiger’ (Phot., Hdn.), auch PN, vgl. κηρ-αμύντης (Lyk.); ἀμυνίας ‘ds.’ (Ar. Eq. 570, wohl mit Anspielung auf den PN). — ἄμυνα ‘Abwehr, Vergeltung, Rache’ (Theop. Kom., hell. und spät; Rückbildung, s. Schwyzer 475 : 5, Chantraine Formation 101; das Kompositum χειμ-άμυνα = χλαῖνα παχεῖα (A. Fr. und S. Fr.) ist als Zusammenbildung zu beurteilen. — Wie κλίνω, πλύνω ist ἀμύνω eigentlich ein Nasalpräsens (Schwyzer 694); zugrunde liegt also ein Element ἀμυ-, das man in ἀμεύσασθαι (s. d.) wiederzufinden glaubt (urspr. Bedeutung somit *‘wegschieben’). I-97
ἀμύς, -ύδος f. ‘Süßwasserschildkröte’ (Archig. ap. Gal.). — Nach Strömberg Fischnamen 81 Kontamination von ἐμύς ‘ds.’ und ἀμία ‘Thunfisch, der in die Flüsse geht’. I-97
ἀμύσσω ‘ritzen, zerkratzen’ (ep. ion., hell. und spät). Zahlreiche Ableitungen: 1. ἀμυχή ‘Riß, Wunde’, wovon ἀμυχιαῖος (Pl. Ax. 366a, Bed. unsicher; zur Bildung Chantraine Formation 49) und ἀμυχώδης ‘rissig, aufgesprungen’ (Hp., Thphr.), außerdem ἀμυχηδόν etwa ‘oberflächlich, leicht’ (EM); 2. ἀμυχμός ‘Wunde’ (Theok.), ἀμυγμός cj. in A. Ch. 24; 3. ἄμυγμα ‘das Zerraufen’ (S., E.); 4. ἄμυξις ‘das Zerkratzen’ (Orph., Ach. Tat. u. a.). — Adv. ἀμύξ (ἐμφῦσα Nik.) = μόλις (Euph.). — Adj. ἀμυκτικός ‘aufritzend, irritierend’ (Plu., Mediz.). — Außerdem ἀμυκάλαι· αἱ ἀκίδες τῶν βελῶν H., EM; zur Bildung Chantraine Formation 245ff., Schwyzer 483 : 4. — Ohne genaue Entsprechung. Seit Curtius 546 vergleicht man lat. mucro ‘scharfe Spitze, Schwert, Degen’ (von einem Adj. *muk-ros ‘spitz’), außerdem, noch unsicherer, lit. mùšti ‘schlagen’ (Vaniček) und ags. gemyscan ‘betrüben, plagen’ (Holthausen IF 48, 266). I-97-98
ἀμυσχρός ‘unbefleckt, rein’ (Parth., H., EM), auch ἀμυχρός (S. ap. Phot., Suid.) und ἀμυχνός, ἀμυγνός, ἀμύσκαρος (Suid.); ἄμουχα· καθαρεύουσα Λάκωνες H. — ἀμυσχῆναι· καθᾶραι, ἁγνίσαι H. — Expressives, vielfach umgebildetes Adjektiv. Zu μύσκος· μίασμα, κῆδος H. Vgl. ἀπομύσσω, μύξα. I-98
ἀμφασίη (ἐπέων) ‘Sprachlosigkeit’ (Ρ 695 = δ 704, A. R., Bion) — = ἀφασίη von ἄφατος (φημί), mit ἀμ- aus ἀν-, antevokal. Form für ἀ-, wohl nur aus metrischer Bequemlichkeit. Andere Erklärungen bei Bq. I-98
ἄμφην, -ενος (Theok. 30, 28, äol.) daneben nach Jo. Gramm. Comp. 3, 16 äol. αὔφην. = αὐχήν ‘Nacken’, — Nach Schulze GGA 1897, 909 A. 1 aus *ἀγχϝ-ήν, von *ἀγχύ- = aind. aṃhú- ‘eng’ usw. (s. ἄγχω); kaum überzeugend. Vgl. αὐχήν und Pok. 43. I-98
ἀμφί Adverb ‘herum, auf beiden Seiten’ (ep.), Präposition ‘um’; ἀμφίς Adv. ‘ringsum, auf beiden Seiten, auseinander’, seltener Präp. ‘ringsum, außerhalb’ (ep.), vgl. Schwyzer 631 : 9, Schwyzer-Debrunner 436ff. m. Lit., Solmsen Wortforschung 177ff. — Altererbtes Adverb (idg. *ambhi) u. a. mit lat. amb(i)-, am-, an-, alb. mbi ‘bei, auf, an’ identisch. Daneben mit Schwundstufe (idg. *m̥bhi) im Keltischen, Germanischen und Indoiranischen, z. B. gall. ambi-, air. imb- ‘um’; ahd. umbi ‘um’, aind. abhí-tas, aw. aiwitō ‘zu beiden Seiten’. Vgl. ἄμφω. — Durch Hauchdissimilation ἀμπ- in ἀμπ-έχω und ähnlichen Fällen. — Zu mehreren epischen und sonstigen Komposita mit ἀμφι-, ἀμφ-ηρεφής, ἀμφι-βρότη, ἀμφι-λύκη usw. s. außer Schwyzer-Debrunner a. a. O. Bechtel Lex. s. vv. und unten zu den betreffenden Hintergliedern. I-98
ἀμφιάζω ‘bekleiden, anziehen’ — hellenistische Neubildung nach den Verba auf -άζω für ἀμφιέννυμι neben ἀμφιέζω vom Aorist ἀμφι-έσαι. Ableitungen: ἀμφίασις, ἀμφίασμα, ἀμφιασμός ‘Anzug’ (hell. und spät). I-98
’Αμφιάραος, att. -άρεως, N. eines Sehers und Königs in Argos. — Nach Borgeaud Beitr. z. Namenforschung 1, 102ff. illyrisch aus *ambhi-sarāu̯os "qui habite sur les deux rives du *Sarāuos ou de la *Sarāua" (??). I-99
ἀμφίον od. ἄμφιον (Sch. D. T. 196) ‘Gewand’ (S., D. H., Inschr.). — Von ἀμφί oder (vielmehr) Abkürzung von ἀμφίεσμα u. dgl. Vgl. Coulon Phil. 95, 45f., Grégoire und Goossens Byzantion 13, 396ff. I-99
ἀμφίπολος (Hom., Hdt., vgl. Lommel Femininbildungen 2), f. m. ‘Dienerin, Diener’, auch (als Diener[in] der Götter und Göttinnen) ‘Priester(in)’ (ion. poet., zur Verbreitung s. Erika Kretschmer Glotta 18, 72). Ableitungen: ἀμφιπολεῖον ‘Wohnung eines ἀ.’ (IG 4, 39, Aigina, Va), ἀμφιπολία ‘Amt eines ἀ.’ (D. S.). — Denominativa : ἀμφιπολεύω ‘als ἀ. beschäftigt sein, besorgen, warten’ (ep., Hdt.), ἀμφιπολέω ‘ds.’ (Pi., B. usw.). — Altes Nomen agentis, mit lat. anculus ‘Diener, Knecht’ identisch; dieselbe Bildungsweise auch in aind. abhi-cara- ‘Diener’ (nur lexikalisch belegt); mit anderem Präfix pari-cará- ‘Diener’ (schon ved.). Zu ἀμφι-πέλομαι; s. πέλομαι, auch βου-κόλος. Über die Bedeutung usw. ausführlich Pax WuS 18, 1ff. I-99
ἀμφισβητέω (att., auch Hdt.), -βᾰτέω (ion., wohl auch äol., rhod.) ‘auseinander gehen, umstreiten, beanspruchen’. Ableitungen: ἀμφισβήτησις Rechtsausdruck: ‘Streit, Anspruch, Gegenbehauptung’ (att., hell. und spät) mit ἀμφισβητήσιμος ‘strittig, umstritten’, s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 54f., 58; ἀμφισβητητικός ‘zur ἀμφισβήτησις gehörend’ (Pl.). — ἀμφισβήτημα ‘Streitfrage, Streitigkeit’ (Pl., Arist. usw.) mit ἀμφισβητηματικός (Aps.). — Neben ἀμφισβατέω : ἀμφισβασίη (ion. usw.). — Zusammenbildung von ἀμφίς und βαίνειν (βῆναι) ‘auseinander gehen’, virtuell von einem (nie existierenden) *ἀμφισβή-της (vgl. ἐμπυριβή-της), bzw. *ἀμφισβάτης (vgl. παραι-βάτης). Vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 34 und 117 (teilweise abweichend). I-99
ἀμφορεύς (ion. att.), m. zweihenkeliger konischer Krug, auch als Maß für Flüssigkeiten gebraucht. Ableitungen: ἀμφορίδιον (oder -είδιον, s. Schwyzer 471 A. 4 m. Lit.) (Ar.), ἀμφορίσκος m. (D., Inschr.); ἀμφόριον (Gloss.); unklar ἀμφορείῳ· φορτίῳ H. — ἀμφορίτης als Adj. (ἀγών ‘Wettkampf mit einem ἀ. als Preis’, Kall. Fr. 80), als Subst. unsicherer Bed. PSI 5, 535, 31, s. Redard Les noms grecs en -της 106f.; ἀμφορικός (Schol.); ἀμφορίξ Adv. (Eust.), daraus ein Verb ἀμφορίζω irrig erschlossen (Eust.). — durch Haplologie aus ἀμφι-φορεύς (ep.) entstanden, Eigentlich = "Zweiträger", d. h. ein Krug, der beiderseits getragen wird, aber als Nom. instr. gebildet. Nicht mit Schwyzer 477 ein Bahuvrihi, aus *ἀμφί-φορος "was beiderseits einen Träger hat" erweitert. — Daraus entlehnt lat. amphora mit Dem. ampulla. I-99-100
ἀμφουδίς ἅπ. λεγ. ρ 237 ἀμφουδὶς ἀείρας. — Wahrscheinlich ist mit Fick Odyssee 312 ἀμφωδίς zu schreiben, aus *ἀμφωϝαδίς ‘an beiden Ohren’. Vgl. ἐξωβάδια· ἐνώτια. Λάκωνες H. — Bechtel Lex. s. v. I-100
ἄμφω ‘beide’, später durch ἀμφότερος ‘beidseitig, beide’ verdrängt. Davon ἀμφίας· γένος οἴνου H., s. Baunack Philol. 70, 356. — Mit lat. ambō identisch; ein ähnlicher Anlaut auch in toch. A āmpi (aber B antapi, ānpi). Die übrigen Sprachen zeigen nasallose Formen: aind. ubháu, aw. uva, aksl. oba, lit. abù; im Germanischen, z. B. got. bai, fehlt auch der Vokal. Eine sichere Erklärung des schwankenden Anlauts steht noch aus, s. WP. 1, 55, Pok. 34f., Ernout-Meillet s. ambō. — Zusammenhang mit ἀμφί ist augenfällig; Urverwandtschaft oder sekundäre Angleichung? I-100
ἄμωμον n. N. einer indischen Gewürzpflanze (Hp., Arist., Thphr. usw.). Ableitungen: ἀμωμίς f. ‘falsches Amomum’ (Dsk., Plin., Edict. Diocl.); ἀμωμίτης (λίβανος, Dsk.). — Orientalisches LW. Vgl. κιννάμωμον. I-100
ἀμώσας · κρεμάσας. Ταραντῖνοι H. — Nach Immisch Leipz. Stud. 8, 276 aus ἀνεμώσας als "Allegroform" entstanden. Zustimmend v. Blumenthal Hesychst. 13 ("wohl vom Trocknen der Wäsche genommen"). I-100
ἁμωσ-γέ-πως ‘auf irgendeine Weise’ (att.). S. *ἁμός. I-100
ἄμωτον = καστάνειον (Ageloch. ap. Ath. 2, 54d). — Herkunft unbekannt. I-100
ἄν (ion. att., ark.), Modalpartikel, — mit den Fragepartikeln lat. an, got. an etymologisch identisch. Vgl. Schwyzer-Debrunner 305f., 558 m. weiterer Literatur, Chantraine Gramm. hom. 2 (s. Index). I-100
ἀνά (ion. att.) Adverb, Präposition und Präverb, durch Elision und Apokope ἄν, ἀν; lesb. thess., ark. kypr. ὀν ‘hinauf, entlang’. — Altes Adverb, auch im Iranischen und Germanischen zu belegen: aw. ana, apers. anā ‘auf — hin, längs’; got. ana, ahd. an(a), ags. on ‘an’. Außerdem vielleicht in lat. an-hēlāre, an-testārī und in arm. am-baṙnam ‘erheben’ u. ä. Dagegen ist aind. ánu ‘entlang’ wahrscheinlich fernzuhalten, s. Wackernagel Symb. phil. Danielsson 389f.; vgl. ἄνευ. Näheres über den Gebrauch Schwyzer-Debrunner 439ff. — Neben ἀνά steht ἄνω, gewöhnlich Adverb, selten Präposition ‘hinauf, (nach) oben’; davon ἄνωθεν, ἀνωτέρω, ἀνωτάτω. Zum auslautenden -ω s. Schwyzer 550. I-100-101
ἀναγαλλίς, -ίδος f. (auch m. H.) Pflanzenname, ‘Anagallis’ (Dsk., Longos u. a.) — Dunkel. Nach Prellwitz von ἀνά und ἀγάλλω. Vgl. ἀγαλλίς s. ἀγάλλομαι. I-101
ἀνάγκη (seit Il.), ep. ion. Erweiterung ἀναγκαίη (vgl. Schwyzer 469) f. ‘Zwang, Notwendigkeit’. Ableitungen: ἀναγκαῖος ‘zwingend, nötig’, auch ‘blutsverwandt’ (seit Il.), wovon ἀναγκαιότης f. ‘Blutsverwandtschaft’ (att., hell.), auch ‘Notwendigkeit’ (S. E.); ἀναγκαιώδης ‘unentbehrlich’ (ἀναγκαιωδέστερα Sch.). — Denominatives Verb: ἀναγκάζω ‘zwingen, nötigen’ (ion. att., nicht bei Hom.), wovon ἀνάγκασμα ‘Zwang(smittel)’ (J.); ἀναγκαστήρ ‘Zwinger’ (Amorgos), ἀναγκαστήριος ‘zwingend’ (D. H.); ἀναγκαστικός ‘ds.’ (Pl., Arist. usw.). — Nicht sicher erklärt. Man vergleicht einige keltische Wörter für ‘Not(wendigkeit), Schicksal’ wie air. ēcen, kymr. angen (Fick4 2, 32); außerdem aus dem Germanischen z. B. ahd. āhta, nhd. Acht ‘feindliche Verfolgung’ (Brugmann Grundr.2 1, 382); dazu noch heth. ḫenkan ‘Tod’ (Kuryɫowicz Symb. Rozwadowski 1, 101, Pedersen Hittitisch 183f.), WP. 1, 60, Pok. 45 m. weiterer Lit., W.-Hofmann s. neco. — Die Vermutung, ἀνάγκη sei postverbal gebildet aus ἀναγκάζω, eig. *‘in die Arme nehmen’ (Schwyzer 734 A. 8), verstößt u. a. gegen die Chronologie der Belege (s. oben). — Andere Vorschläge: zu ἐνεγκεῖν (Güntert Weltkönig 185); aus ἀν- privativum und einem Wort für ‘Arm’ (vgl. ἀγκών; Grégoire Mél. Desrousseaux 185f., dazu Deny Mél. Boisacq 1, 295; nicht zu empfehlen). I-101
ἀνάγυρις -ος m., auch ὀνόγυρος (Nik., Ps.-Dsk., volksetymologisch nach ὄνος?, Strömberg Pflanzennamen 155), f., Pflanzenname, ‘Anagyris foetida’ (Ar., Gal., Dsk. usw.). Davon der att. Demenname ’Αναγυροῦς, Adv. ’Αναγυρουντόθεν u. a., Adj. ’Αναγυράσιος (Ar., Pl. u. a.). — Etymologie unbekannt. I-101
ἀναίνομαι s. αἶνος. I-101
ἀναισιμόω s. αἶσα. I-101
ἀνακῶς, ἔχειν τινός ‘Acht haben auf etwas’ (Hdt., Hp., Pl. Kom., Thuk. usw.). — Aus *ἀνα-κόως, von *ἀνα-κόος, Verbaladjektiv zu einem iterativen Verb *ἀνα-κοέω ‘auf etw. achten’, s. κοέω. Zur Kontraktion vgl. ἀμνο-κῶν eig. "Schafwächter", ‘Schafskopf’ (Ar.), aus *ἀμνο-κόων. Debrunner GGA 1910, 6 (mit Baunack und Meister). — Anders Schulze Q. 505, Kl. Schr. 674 und Fraenkel Nom. ag. 1, 96, Gnomon 23, 373: zu ἄναξ in dem hypothetischen Sinn von ‘Schützer, Helfer’. I-101
ἀναλεῖ · σχολάζει. Ταραντῖνοι H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 23 = ἀν-αλέγει ‘sich um nichts kümmern’, entweder durch Korruptel entstellt oder vielmehr durch Schwund des γ und Kontraktion. Verfehlt, weil Verba nie mit ἀ(ν)- privativum negiert werden. Latte ändert in ἀναλεαίνει. I-102
ἀνᾱλίσκω, Fut. ἀνᾱλώσω, Aor. ἀνήλωσα, wozu ein neues Präsens ἀνᾱλόω ‘aufwenden, verbrauchen, verschwenden’ (ion. att.). Ableitungen: ἀνά̄λωσις ‘Aufwand, Verbrauch’ (ion. att.), ἀνά̄λωμα ‘Aufwand, Ausgabe’ (vorw. att.), ἀνήλωμα (Pap., Inschr.), sekundäres Simplex ἄλωμα (böot., Fraenkel Nom. ag. 1, 119); Demin. ἀναλωμάτιον (Ph., Pap.). ἀναλωτής ‘Verschwender’ (Pl.); ἀναλωτικός ‘verschwenderisch, verbrauchend’ (Pl., Ph. u. a.). — Aus *ἀνα-ϝαλίσκω eig. ‘aufreißen’, bzw. ‘an sich reißen’, ‘verzehren’. Vgl. ἁλίσκομαι. I-102
ἄναλτος ‘unersättlich’ (γαστήρ Od., Kratin.). — Negiertes Verbaladjektiv von dem in lat. alo, air. alim, awno. ala ‘nähren’, got. alands ‘τρεφόμενος’ vorliegenden Verb, das im Griechischen auch in νεᾱλής ‘munter, stark’ vermutet worden ist (s. auch Baunack Phil. 70, 355f. mit einer sehr fraglichen Kombination), aber sonst nur mit Erweiterungen erscheint: ἀλδαίνω, ἀλθαίνω (s. dd.). — Aind. anala- ‘Feuer’, nach den indischen Etymologen eig. ‘der Unersättliche’, das von Schulze KZ 54, 306 (= Kl. Schr. 215) hierhergezogen worden ist, ist wahrscheinlich dravidisches LW, s. Schrader KZ 56, 125ff., Mayrhofer Wb. s. v. I-102
ἄναξ, urspr. ϝάναξ, -κτος Fem. (ϝ)άνασσα (aus *ϝανακ-ι̯ᾰ) ‘Herrin’ (poet. seit Hom.). m. ‘Herrscher, Herr, Fürst’ (eig. ‘Schützer, Helfer, Retter’? s. Leumann Hom. Wörter 42ff. mit Lit.), pl. (ϝ)άνακες N. der Dioskuren, (poet. seit Hom.). Abstraktum ἀναξία ‘Herrschaft, Befehl’ (Pi., A.), auch auf ἀνάσσω beziehbar; Adj. ἀνάξιος ‘fürstlich’ (Sch.). — Von (ϝ)άνακες : (ϝ)ανάκειον ‘Tempel der Dioskuren’ (att., nwgr. usw.), ’Ανάκεια pl. ‘Fest der Dioskuren’ (Lys. u. a.); ἀνακώσιος Adj. (Rhegion, s. Chantraine Formation 42). — Denominatives Verb ἀνάσσω ‘Herrscher sein, herrschen’ (poet. seit Hom.). — Zugehörigkeitsadj. auf -τερος (vgl. ἀγρότερος, ὀρέστερος) in ägäisch u̯a-na-ka-te-ro = ϝανάκτερος, -ον? — Unerklärt. Nach Meillet Mél. Glotz 2, 587ff. u. a. (z. B. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 22ff., wo auch über ἄναξ-βασιλεύς) Fremdwort. Die vorgebrachten Erklärungsversuche haben höchstens hypothetischen Wert: Schwyzer Glotta 6, 86 A. 1, Meringer WuS 9, 114, Ribezzo RIGI 12, 96, Pisani Rend. Acc. Lincei 6 : 6, 174 (auch zum Lautlichen), v. Windekens Le Muséon 61, 278ff. Über das (sekundär hinzu- getretene?) -τ- außerdem Doppler (s. Glotta 17, 245; abzulehnen). — Zu toch. B ñäkte, A ñkät, das fernzuhalten ist, Pedersen Tocharisch 31. — Phryg. vanaktei stammt aus dem Griechischen. I-102-103
ἀναρίτης — westgriechisch für νηρίτης (Magnien MSL 21, 59), s. d. I-103
ἀνα-ρριχάομαι auch ἀρριχάομαι (Hellanik., Ar., später Prosa; von Lukian als veraltetverpönt). Davon ἀναρρίχησις ‘das Emporklettern’ (Arist.). ‘mit Händen und Füßen emporklettern’, — Iterativ-intensive Ableitung von einem verschollenen primären Verb ohne sichere Entsprechungen. Unhaltbar Solmsen IF 13, 132ff.; vgl. noch Ehrlich Betonung 53. I-103
ἀνασταλύζω ‘aufweinen, aufschluchzen’ (Anakr. 43, 4). — Vgl. ἀσταλύχειν (zu lesen -ύζειν?)· ἀνα[β]λύζειν, κλαίειν H., νεόσταλυξ· νεοδάκρυτος H. Danach στάλυξ (postverbal) statt στάληξ zu lesen bei Zonar. = σταλαγμός. — Mit Prellwitz zu σταλάσσω, -άζω ‘träufeln, tropfen’. Zur Bildung vgl. γρύζω, ἰύζω, ὀλολύζω, ὀτοτύζω und andere Lautausdrücke. I-103
ἀναστίδωνος · ἀνατεταμένος H. — Unhaltbare Vermutung von Fick BB 18, 140: zu σπιδής = μακρός. Vgl. Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 23. I-103
ἀνασυρτόλις Hetärenbeiname (Hippon. 110). — Femininbildung zu einem Nomen auf -όλης von ἀνασύρομαι ‘die Kleider heraufziehen, sich aufdecken’; dasselbe Suffix u. a. im bedeutungsverwandten οἰφόλης, -λις. Das -τ- stammt wahrscheinlich aus einem Nomen auf Dental *ἀνασύρτης, -τις. Bechtel KZ 49, 118. I-103
ἄναυρος m. ‘Gießbach, Strom’ (Mosch., Nik.. Lyk. u. a.), auch thess. Flußname (Hes.). — Nach Persson IF 35, 199 und Kretschmer Glotta 10, 51ff. eig. "wasserlos", von dem im Sommer austrocknenden Wasserlauf; vgl. die Erklärung von ἄναυρος in EM: ὁ ἐξ ὑετῶν συνιστάμενος ποταμός; s. auch χαράδρα. — Von ἀν- privativum und einem Wort für ‘Wasser’, das als Simplex nicht belegt ist, aber sowohl in ἄγλαυρος (s. d.) wie (sehr hypothetisch) in θησαυρός und Κένταυρος gesucht wird (Kretschmer l. c.); vgl. noch den Quellnamen Αὔρα (Nonnos), den thrak. Flußnamen Αὔρας ebenso wie italische (illyrische) Flußnamen wie Metaurus, Pisaurus (Krahe IF 48, 216 A. 5), denen Pisani Beitr. z. Namenforschung 2, 65ff. noch Isaurus (Lucanus) hinzufügt. — Das Hinterglied wird als *αὔρα angesetzt (Persson, Kretschmer); möglich, aber keineswegs zwingend, vgl. ἄνυδρος : ὕδωρ : ὕδρος, -α. Jedenfalls war das Wort ursprünglich ein r-Stamm und mit aind. vā́r-(i), wahrscheinlich auch mit toch. A wär, B war nahe verwandt. Dasselbe Wort wird auch im Germanischen gesucht, z. B. awno. aurr m. ‘Naß, Wasser’ (Persson l. c.; die Bed. ist allerdings sehr unsicher). — Vgl. ἕρση, οὐρανός. WP. 1, 268f., Pok. 80f.; zu Αὔρας noch Brandenstein Archiv Orientální 17, 73f. m. Lit. — Anders angeschlossen (an FlN. Avara, Avantia, aind. avatá-, lett. avuõts u. a.) bei Krahe Beitr. z. Namenforschung 4, 49 (vgl. ebd. 115). I-103-104
ἁνδάνω, Aor. ἀδεῖν (ep. äol. Ind. εὔαδον), ep. Perf. ἕᾱδα (vorw. ion. und poet.). Zur Präsensbildung Schwyzer 699; att. ἥδομαι (s. d.), dor. viell. ἀ̄δάνω aus ἀδάνοντα· ἀρέσκοντα H. zu erschließen (Baunack Phil. 70, 353; vgl. ληθάνω). ‘gefallen’ Ableitungen: ἅδος ‘Beschluß’ (Halik., Thasos), ἅδημα· ψήφισμα H.; außerdem ϝάδιξις ‘Beschluß’ in γάδιξις· ὁμολογία und ἄδιξις· ὁμολογία παρὰ Ταραντίνοις H., zunächst zu *ϝαδίζομαι mit weiterem Anschluß an (ϝ)άδος; Bechtel Dial. 2, 419. — Genaue Entsprechungen zu den griechischen Formen liegen nirgends vor. Das Altindische hat ein damit eng verwandtes thematisches Wurzelpräsens svádati, -te ‘sich gefallen lassen, gefallen’; lat. suādeo ‘raten’ weicht dagegen in Form und Bedeutung stark ab. Der ϝ-Laut wird außer durch äol. εὔαδε (< *ἔ-σϝαδ-ε) auch durch kret. ἔϝαδε und lokr. ϝεϝαδηq_ότα bestätigt. — Verwandt sind ἥδομαι, ἡδύς (s. dd.). S. auch ἄσμενος und αὐθάδης. I-104
ἄνδηρα, τά (selten sing. ἄνδηρον) ‘erhöhte Ufer oder Ränder der Flüsse und Gräben; Erdaufwurf, Rabatte, Weinbeet’ (Hyp., buk., hell. u. spät). Davon ἀνδηρευτής ‘Rieselmeister des Weinlandes’ (Pap.). — Unerklärt. I-104
ἄνδινος · περίπατος (cod. περὶ παντός) H. (<παρὰ Ταραντίνοις> e sequenti linea huc revoc. Hemsterhusius). Davon ἀνδινέω (cod. ἀναδινίω)· περιπατῶ H. — Nicht sicher erklärt. Nach Pokorny Zeitschr. celt. Phil. 21, 101 illyrisch und mit ἀν-ήνοθε usw. urverwandt. Pisani Ist. Lomb. 75 : 2, 32f. zieht vor, es als messapisch mit ital. andare ‘gehen’ zusammenzustellen. I-104
ἀνδράποδον n. ‘Kriegsgefangener der als Sklave verkauft worden ist’, ‘Sklave’ im allg. (ion. att.; zur Verbreitung E. Kretschmer Glotta 18, 76). Ableitungen. Deminutivum ἀνδραπόδιον (Hyp., Diph., Pap.). — Adj. ἀνδραποδώδης ‘sklavenmäßig’ (Pl., Arist. usw.), wovon ἀνδραποδωδία ‘Sklavengesinnung’ (Arist., Plu.). — Denominatives Verb ἀνδραποδίζω, -ομαι ‘in Knechtschaft versetzen, als Sklaven verkaufen’ (ion. att.). Davon sind abgeleitet: ἀνδραπόδισις ‘Knechtung’ (Xen.), -ισμός ‘ds.’ (att.). — ἀνδραποδιστής ‘Sklavenhändler’ (att.); ἀνδραποδιστικός ‘zum Sklavenverkauf, -händler gehörig’ (Pl., Eup.); ἀνδραποδιστήριος ‘ds.’ (Tz.). — Der Plural ἀνδράποδα (urspr. Konsonantstamm; Dat. pl. ἀνδραπόδεσσι Η 475) "Menschenfüßler", woraus sekundär der Sing. ἀνδράποδον, wurde nach τετράποδα ‘Vierfüßler’ geschaffen; Brugmann Grundr.2 2 : 1, 21, Wackernagel KZ 30, 298, Sommer Nominalkomp. 35, Leumann Hom. Wörter 157f. I-104-105
ἀνδράχνη f. ἄνδραχνος f. (Paus.); auch mit Dissimilation ἀνδράχλη (Thphr. u. a.), ἄνδραχλος (EM, Thphr. v. l.). Pflanzenname, ‘Portulaca oleracea’, auch ‘Sedum stellatum’ (Thphr., Dsk. u. a.), — Unerklärt. I-105
ἀνδρεϊφόντῃ, ‘Ενυαλίῳ ἀ. (Il.) — im Versschluß nach ἀργεϊφόντης (s. d.); v. Wilamowitz Hom. Unt. 299 A. 10, vgl. Wackernagel Unt. 172. I-105
’Ανδρομάχη Die Gemahlin Hektors (Il. usw.); — so genannt, weil ihr Mann in der Männerschlacht zu Hause ist, wie Hektors Sohn seinen Namen ’Αστυάναξ, d. h. ‘Stadtherrscher, Stadtschützer’, nach den Taten seines Vaters erhielt. Kretschmer Glotta 12, 103. Anders über ’Αστυάναξ Roussel REGr. 32, 482ff. I-105
ἄνεμος m. ‘Wind’ (seit Il.). Mehrere Ableitungen: ἠνεμόεις ‘windig, windreich’ (metr. Dehnung, wonach dor. ἀ̄νεμόεις; ep. poet.); ἀνεμώλιος ‘eitel, unnütz’ (ep.), aus *ἀνεμώνιος durch Dissimilation, bzw. nach dem Synonym ἀποφώλιος (Bechtel Lex., Chantraine Formation 43; Risch 113 erinnert an ἀπατήλιος); ἀνεμώδης ‘windig’ (Hp., Arist., hell. u. spät); ἀνεμιαῖος ‘windig, eitel’ (Pl., Kom., Alkiphr. u. a.), nach den Maßadj. auf -ιαῖος? (worüber Chantraine 49). — ἀνεμώτας· ὄνος ἄφετος, ἱερός, τοῖς ἀνέμοις θυόμενος ἐν Ταραντίνοις H.; ἀνεμῶτις Epithet von Athene (als Windstillerin; Paus.). — ἀνεμία ‘Blähung’ (Hp.). — ἀνεμώνη s. d. — Denominative Verba: ἀνεμόομαι ‘vom Winde aufgebläht werden’ (Hp., Pk. usw.); ἀνεμίζομαι ‘mit dem Winde treiben’ (Ep. Jak.). — Gr. ἄνεμος ist mit lat. animus formal identisch; auch aind. ánila- m. ‘Wind, Luft’ kann dazu stimmen, falls aus *anima- dissimiliert. Zum mo-Suffix Porzig Satzinhalte 285f. In Betracht kommt ferner arm. hoɫm ‘Wind’ (mit Dissimilation aus n-m), aber der Anlaut macht Schwierigkeiten; s. darüber Lidén Armen. Stud. 39 A. 1, Petersson KZ 47, 246, Meillet BSL 26, 11. Eine andere Bildung im Keltischen, z. B. kymr. anadl ‘Atem’ (mit tlo-Suffix). — Zugrunde liegt ein zweisilbiges Wurzelverb, aind. áni-ti ‘atmet’; vgl. got. us-anan ‘ausatmen’ und Schwyzer Mél. Boisacq 2, 231ff. — S. auch ἄσθμα und ἄνται. I-105
ἀνεμώνη (Kom., Thphr. usw.). Pflanzenname, ‘Windblume’ (Lehnübersetzung), Ableitung ἀνεμωνίς f. = ἀνεμώνη ἥμερος (Nik., Nonnos). — Prellwitz’ Herleitung aus ἄνεμος sucht Strömberg Pflanzennamen 77 mit verschiedenen Argumenten zu stützen. Unwahrscheinliche semitische Etymologie bei Lewy Fremdw. 49. I-105-106
ἀνενετεῖ · ἀρνεῖται H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 34 = *ἀναινετεῖ; vgl. ἀναίνομαι und αἰνετός. Eher mit Cocceius aus ἀναίνεται entstellt. I-106
ἄνευ Nebenformen: ἄνευν (Epidauros), ἄνευς (Olympia), ἄνις (Megara, hell. Dichter), vgl. Schwyzer-Debrunner 535 : 4a. ‘fern von, ohne’ (seit Il.). Davon ἄνευθε(ν) (ep. lyr.) und ἀπάνευθεν (ep.), auch als Adverbia ‘fern ab’ gebraucht. — Seiner Bildung nach erinnert ἄνευ an den alten Lokativ eines u-Stamms; es ist aber ohne genaue Entsprechung. Man vergleicht einerseits die germanische Gruppe got. inu ‘ohne’ (< *ĕnu), ahd. ānu = ohne (< *ēnu) und aind. ánu ‘entlang’, ānu-ṣák ‘nach der Reihe’; anderseits aind. sanu-tár ‘abseits’, lat. sine usw. Bei der letzten Annahme wäre ἄνευ entweder eine psilotische oder eine "s-lose" Form; das eine ebenso unwahrscheinlich wie das andere. Literatur bei Bq, W.-Hofmann 1, 677 (s. ignosco), WP. 1, 127f., Pok. 318, Wackernagel Symb. phil. Danielsson 390 A. 1. Vgl. s. ἄτερ. I-106
ἀνεψιός m. ‘Vetter’ (seit Il.) mit sekundärem Fem. ἀνεψιά ‘Base’ (Isok., Xen. usw.). Andere Ableitungen: ἀνεψιαδοῦς (vgl. ἀδελφιδοῦς) m. ‘Sohn des Vetters’ (Kom., D. u. a.), auch ἀνεψιάδης (Pachnemunis, Iamb.); dazu ἀνεψιαδῆ ‘Tochter des Vetters’ (Ar.). Abstraktbildung ἀνεψιότης, -ητος f. ‘Vetterschaft’ (Pl., Lex ap. D.). — Bis auf das anlautende, gewiß prothetische ἀ- (anders Schwyzer 433 : 4) entspricht ἀνεψιός völlig aw. naptya- ‘Abkömmling’, aksl. netьjь ‘Neffe’, idg. *nept-ii̯o-, das eine Ableitung des Wortes für ‘Enkel, Neffe’, aind. nápāt, lat. nepōs usw., idg. *nepōt-, darstellt; vgl. νέποδες. I-106
ἄνεῳ, ἄνεω ‘schweigend, still’, ep. Prädikat zu pluralen Subjekten bis auf ψ 93 ἄνεω ἧστο. Davon ἀνεοστασίη· θάμβος H. — Von Eust. zu Ψ93, im allg. auch von den Neueren, als Adverb aufgefaßt (so vielleicht schon Aristarch, s. Buttmann Lexilogus 2, 2); die gewöhnliche Schreibung ἄνεωι wäre dann wegen der angeblichen adjektivischen Funktion bei pluralen Subjekten eingeführt. Vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 249 m. Lit. — Das Wort ist dunkel; die bisherigen Erklärungsversuche (s. Bq mit Add., Bechtel Lex., WP. 1, 114) sind erfolglos geblieben. Vgl. zuletzt Grošelj Živa Ant. 4, 168. I-106
ἄνηθον (-νν-), -τον n. ‘Dill’ (äol., att., hell. u. spät). Ableitung ἀνήθινος ‘aus Dill gemacht’ (Theok., Dsk. u. a.), ἀνηθίτης (οἶνος, Gp.). — LW unbekannten Ursprungs; vgl. λάπαθον und andere Pflanzennamen auf -θον (-θος) bei Chantraine Formation 368. I-106
ἀνήνοθεν Λ 266 (ρ 270) ep. Plusquamperfekt (Perfekt) s. ἐνθεῖν. Vgl. auch ἄνθος am E. I-107
ἀνήρ, ἀνδρός, ἄνδρα (ep. auch ἀνέρα, wonach ἀνέρος usw.; zur Flexion s. Schwyzer 568β) ‘Mann, Mensch’ (seit Il.). Über Sinn und Gebrauch s. Vock Bedeutung und Verwendung von ἀνήρ und ἄνθρωπος. Diss. Freiburg (Schweiz) 1928; Chantraine REGr. 59-60, 219ff.; auch Sommer Nominalkomp. 177ff. Zahlreiche Ableitungen: Demin. ἀνδρίον (Kom., E. Theok.); daraus vielleicht, mit denominalem ντ-Suffix, ἀνδριάς, -άντος ‘Menschenbild, Statue’ (Pi., ion. att.), vgl. Kretschmer Glotta 14, 84ff., weitere Literatur bei Schwyzer 526 : 3 u. 4; verfehlt Szemerényi KZ 71, 215); ἀνδρίς f. ‘Weib’ (Sm.); ἀνδρ(ε)ών m. ‘Männergemach’ (ion. att.) mit ἀνδρώνιον (Delos) und ἀνδρωνῖτις ‘ds.’ (Lys., X. usw., vgl. Redard Les noms grecs en -της 110). Abstrakta: ἀνδρεία (-ηίη, -ία) ‘Mannhaftigkeit, Tapferkeit’ (ion. att.); ἀνδροτής, -τῆτος ‘Manneskraft’ (Π 857, Ω 6), viell. als *δροτῆτα zu lesen, vgl. δρώψ und Leumann Hom. Wörter 221 m. Lit. ἠνορέη ‘ds.’, ion. Umsetzung von äol. ἀ̄νορέα (aus -ρία), vom Metrum begünstigt (Kretschmer Glotta 24, 245f.), wahrscheinlich aus einem Kompositum (vgl. εὐανορία Pi.) abgetrennt, s. Leumann Hom. Wörter 109f., 123 m. Lit.; daraus ἀ̄νόρεος (S.). — Adjektiva: ἀνδρεῖος (ion. usw. ἀνδρήϊος, vgl. Chantraine Formation 52, Schwyzer 468 : 3) ‘männlich, mannhaft, mutig’, wovon ἀνδρειότης ‘Männlichkeit’ (X., Ti. Lokr.) und das Denominativum ἀνδρειόω ‘mutig machen’ (LXX), -όομαι ‘Mann werden’ (Prokl.), wovon wiederum ἀνδρείωμα (Metrod.); — jünger ἀνδρικός ‘zum Manne gehörig, männlich, mannhaft’ (vorw. att.; zu ἀνδρεῖος — ἀνδρικός Chantraine Formation 389, 391f.); ἀνδρόμεος ‘menschlich’ (ep.; -μεος wohl = aind. -maya-); ἀνδρώδης ‘mannhaft’ (Emp., Isok. usw.); ἀνδρῷος ‘zum Manne gehörig’ (Muson., Gal. u. a.). — Denominativa: ἀνδρόομαι ‘Mann werden’ (Hdt., Hp., E. usw.), -όω ‘zum Manne machen’ (Lyk.); ἀνδρύνομαι ‘Mann werden’ (Ps. Kallisth.); ἀνδρίζομαι ‘Mann werden, sich als Mann zeigen’ (att. usw.), -ίζω ‘zum Manne machen’ (X.); davon ἄνδρισμα (Max. Tyr.) und ἀνδρισμός (Poll.) ‘männliches Auftreten’. — Über ἀνήρ als Hinterglied (-ήνωρ, -ανδρος) ausführlich Sommer Nominalkomp. 160ff. mit weiterer Lit. und kritischer Erörterung anderer Auffassungen; s. auch zu ’Αλέξανδρος s. ἀλέξω. — Kuiper MAWNied. NR. 14 : 5 will, wenig wahrscheinlich, in -ήνωρ und in νῶρ-οψ ein altes Abstraktum *ἄνερ, *ἄναρ ‘vital energy’ (idg. *ner-; auch in aind. sū-nára- u. a.) finden. — ἀνήρ ist mit arm. ayr, Gen. aṙn ‘Mann’ identisch (zum Lautlichen Bonfante Mélanges Pedersen 20 A. 1) und entspricht bis auf ἀ- aind. nā́ (Stamm nar-), ital. ner- in osk. ner-um ‘virorum’, lat. sab. Ner-ō usw. (s. W.-Hofmann s. neriōsus), kymr. ner ‘chef, maître’ (Loth Rev. celt. 41, 207L), alb. njer ‘Mann, Mensch’ (vgl. Mann Lang. 28, 38). Dagegen muß die Heranziehung von heth. innar-, luw. annar- in innarau̯atar etwa ‘(Lebens)kraft, hoheitliche Macht’ und anderen Bildungen (zuletzt Kammenhuber Münch. Stud. z. Sprachwiss. 3, 36) immer als sehr hypothetisch betrachtet werden. — Anl. ἀ-, das auch in neuphryg. αναρ erscheint, stellt entweder eine Prothese dar oder beruht auf altem Ablaut. Es fehlt in δρώψ· ἄνθρωπος H., falls, wie wahrscheinlich, aus *νρ-ώψ. — Vgl. νωρει̃. I-107-108
ἀνθερεών, ἀνθέριξ s. ἀθήρ. I-108
ἀνθίας, -ου m. Fischname, ‘Labrus anthias’ (Anan., Kom., Arist.). — Wegen der Farbe so genannt, zu ἄνθος, s. Strömberg Fischnamen 26. I-108
ἄνθος n. ‘Blume’, oft übertragen (seit Il.). Sehr zahlreiche Ableitungen. 1. Substantiva. Deminutiv ἀνθύλλιον (M. Ant., Dsk. usw., zur Bildung Leumann Glotta 32, 214ff.), auch Pflanzenname wie ἀνθυλλίς (Dsk., Plin.) und ἄνθυλλον (Ps.-Dsk., Plin.); ἀνθήλιον v. l. für ἀνθύλλιον (Dsk. 3, 156; 4, 121), auch = κανθήλιον (Charax); ἀνθάλιον Pflanzenname, vgl. Chantraine Formation 74; ἀνθάριον· ἐρύθημα H. (deminutiv-hypokoristisch). — ἀνθήλη ‘die Federkrone der Blumen’ usw. (Thphr., Dsk.), auch auf ἀνθέω zu beziehen; davon ἀνθηλᾶς m. etwa ‘Blumenhändler’, vgl. Olsson Aegyptus 6, 247ff. — ἀνθεών m. ‘Blumenflur, Garten’ (Amasia), ἀνθών (Gloss.). — ἀνθηδών f. ‘Biene’ (vgl. ἀνθρηδών und Chantraine 361), auch Pflanzenname. — ἀνθοσύνη ‘Blüte’ (AP). — ἀνθίας s. bes. — ’Ανθεστήρια n. pl. ‘Blumenfest, Frühlingsfeier’ (ion. att., vgl. Chantraine 63, Schwyzer 470 : 7) mit dem Monatsnamen ’Ανθεστηριών. — Eine unabhängige Parallelbildung ist ἄνθεμον n. ‘Blume, Rosette, Palmette’ (poet. seit Sappho); kaum mit Leumann Hom. Wörter 249ff. aus dem in der Ilias für den Versschluß geschaffenen ἀνθεμόεις (-όεντα, -όεντι; Vorbild ἠνεμόεντα, -όεσσαν) und πολυ-άνθεμος (Sapph.) rückgebildet; dazu sind die Ableitungen zu zahlreich. Davon ἀνθεμώδης ‘blumenreich’ (poet. seit Sapph.), ἀνθεμωτός ‘ds.’ (Attika), ἀνθεμίς Pflanzenname, auch ‘Blümchen’ (Nik., J. u. a.), ἀνθεμίσιον Pflanzenname (Alex. Trall.), ἀνθέμιον ‘Blüte, bes. als Verzierung gebraucht’ (X., Thphr. u. a.); auch die hom. PN ’Ανθεμίων und ’Ανθεμίδης (Leumann a. a. O.), ferner der ON ’Ανθεμοῦς (Makedonien). Aus ἄνθεμον ferner die poetischen Verba ἀνθεμίζομαι und ἐπανθεμίζω (A., bzw. S. in lyr.). — 2. Adjektiva. ἄνθινος ‘aus Blumen bestehend, stammend, blumig, bunt’ (ι 84, Hp., Arist. usw.); ἀνθηρός ‘blumenreich’, vorw. übertr. ‘frisch, glänzend, üppig’ (S., E., Ar., Isok., X. usw.), viell. eher von ἀνθέω (Chantraine Formation 232, Schwyzer 482 : 7); davon ἀνθηρότης (Sch.). Die übrigen Adjektiva sind vereinzelt und spät: ἀνθήεις ‘hellfarbig’, ἀνθήμων ‘blumenreich’ (vgl. auch ἀνθέω), ἀνθικός ‘mit Blumen versehen’, ἄνθιμος ‘aus Blumen stammend’; vgl. Arbenz Adj. auf -ιμος 102. — 3. Verba. ἀνθέω ‘blühen’ mit verschiedenen Präverbien, sehr oft übertragen (λ 320 ἀνθῆσαι, ion. att.); davon ἄνθησις ‘Blüte’ (Thphr., Plu.), ἐξ-ανθέω mit ἐξάνθησις (Hp., Th. u. a.) und ἐξάνθημα (Hp., Arist. usw.), ἄνθημα (Sch.); — retrograde Ableitung ἄνθη ‘das Blühen, Blüte’ (Pl., Nik., Ael.); verbales Adj. ἀνθητικός = ἀνθικός (Thphr.). — ἀνθίζω ‘mit Blumen bedecken, bunt machen, färben’ mit verschiedenen Präverbien (Hdt., S., E., Arist. usw.); davon ἀνθισμός ‘Glanz’ (PHolm.). — ἄνθος ist mit aind. ándhas- n. ‘Kraut’ formal identisch; die übrigen bei Pok. 40f. angeführten Gleichungen sind unbeweisbar (alb. ënde ‘Blüte’, s. G. Meyer Alb. Wb. 5) oder verfehlt (arm. and ‘Feld’, toch. A ānt, B ānte ‘Fläche’, s. Lidén Mél. Pedersen 89ff.). In Betracht kommt dagegen altfries. åndul ‘Marschgras’ usw. (Schwentner KZ 69, 244 nach Holthausen); weit unsicherer ahd. usw. andorn (Loewe, s. Schwentner KZ 71, 32). Zusammenhang mit ἀνήνοθεν (so auch Schwyzer 339) ist nicht zu beweisen; vgl. zu diesem Wort s. ἐνθεῖν. I-108-109
ἄνθραξ, -ᾰκος gew. pl. ἄνθρακες m., ‘Glutkohle’, übertr. ‘Karfunkel, Karbunkel’ (ion. att.). Mehrere Ableitungen: Demin. ἀνθράκιον (Thphr., Inschr. usw.); ἀνθρακιά ‘Glutkohlenhaufen’ (I 213 usw.), vgl., außer Chantraine Formation 82 und Schwyzer 469: 5, Scheller Oxytonierung 66f.; ἀνθρακίας "Kohlenmensch" (Luk., vgl. Chantraine 93); ἀνθρακίτης m. N. eines Edelsteins (Plin.), -ῖτις f. ‘Art Kohle’ (Plin.), vgl. Redard Les noms grecs en -της 45, 50 und 52; ἀνθρακών m. ‘Kohlenhaufen’ (Hdn.), ἀνθράκωμα ‘ds.’ (Dsk.); zur nominalen Ableitung Chantraine 187; ἀνθρακάριος· carbonarius (Gloss.). — Adjektiva: ἀνθρακώδης ‘kohlenähnlich’ (Hp., Arist. u. a.), ἀνθρακηρός ‘zu Kohlen gehörig’ (Alex., Delos), ἀνθράκινος ‘aus Karfunkel, karfunkel-farbig’ (LXX, Pap.). — Denominative Verba: 1. ἀνθρακόομαι ‘zu Kohlen verbrannt werden’ (A., E., Thphr.), auch ‘ein Geschwür bilden’ (Aët.); davon ἀνθράκωσις ‘Verkohlung’ (Dsk.), auch ‘Geschwür, Karbunkel’ (Paul. Aeg., Gal.). — 2. ἀνθρακεύω ‘Kohlen verbrennen, verkohlen’ (Ar., Thphr. u. a.); davon postverbal (evtl. von ἄνθραξ) ἀνθρακεύς ‘Kühler, Kohlenbrenner’ (App., Aesop., Them.); φιλανθρακεύς schon Ar., vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 50; ferner ἀνθρακευτής ‘ds.’ (And., Ael.), ἀνθρακεία ‘das Kohlenbrennen’ (Thphr.). — 3. ἀνθρακίζω ‘auf Kohlen rösten oder dörren’ (Ar., Pap.); davon als retrograde Bildung ἀνθρακίδες ‘kleine Fische zum Rösten’ (Philyll.); vgl. ἐπανθρακίδες ‘ds.’ (Ar.) von ἐπανθρακίζω. — Unklar. Vgl. indessen arm. ant‘-el ‘Glutkohle’, wozu noch georg. *nt‘ in v-a-nt‘-ab ‘ich entzünde’ (Vogt NTS 9,333); bildungsmäßig weichen allerdings die Wörter stark voneinander ab. — Verfehlt Winter Prothet. Vokal 45. I-109-110
ἀνθρηδών, -όνος f. ‘Hornis’ (D. S., H.); ἀνθρήνη f. ‘Waldbiene, Wespe’ (Ar., Arist.), woraus ἀνθρήνιον n. ‘Wespennest’ (Ar. u. a.) mit ἀνθρηνιώδης ‘wie ein Wespennest gebaut, röhrig’ (Plu.). — Neben ἀνθρηδών, ἀνθρήνη stehen τενθρηδών f. (Arist., Dsk.), τενθρήνη (Nik.) mit τενθρήνιον (Arist.) und τενθρηνιώδης (Hp., Demokr., Plu.; in der Überlieferung stark entstellt, teilweise zweifelhaft). — Zu beachten ferner πεμφρηδών f. ‘Art Wespe’ (Nik.) und ἀνθηδών f. ‘Biene’ (Damokr. ap. Gal. u. a.), nach ἄνθος umgebildet. Auch die übrigen Wörter haben einander formal beeinflußt und entziehen sich deswegen einer genauen Analyse. — Für ἀνθρήνη und ἀνθρηδών kommt Verwandtschaft mit ἀθήρ, ἀνθέριξ usw. in Betracht (näheres bei WP. 1, 45; Pok. 41); τενθρήνη und τενθρηδών können aus τερθρ- dissimiliert sein und eine Reduplikationssilbe enthalten (vgl. θρῶναξ· κηφήν. Λάκωνες H.) und gehören dann zu θρέομαι, θόρυβος usw.; vgl. dazu (mit teilweise irrigen Schlüssen) Winter Prothet. Vokal 45. — Anders, wenig überzeugend, Ehrlich Betonung 143: eig. "mit Stachel versehen", von τέρθρον ‘Ende (einer Segelstange)’; er vergleicht besonders τεθρηδών· πρωρεύς H., das aber eine scherzhafte Bildung der Seemannssprache nach den Tiernamen auf -ηδών (Chantraine Formation 360f., Schwyzer 529) sein dürfte. I-110
ἄνθρυσκον, auch ἔνθρυσκον n. ‘Kerbel’ (Sapph., Kom., Thphr.). Bei Pollux 6, 106 ἀνθρίσκος m., wovon ἀνθρίσκιον· λάχανον ἔχον ἄνθος, ὡς ἄνηθον. ἢ τὸ ἄννησον H. — Unerklärt. Vielleicht zu ἀθήρ, ἀνθέριξ wegen der stacheligen Früchte. I-110
ἄνθρωπος m. ‘Mensch’, auch ‘Mann’ (seit Il.); vereinzelt f. (meistens verächtlich) ‘Weib’. Lit. s. ἀνήρ. Mehrere Deminutiva, gewöhnlich mit verächtlichem Nebensinn: ἀνθρώπιον (E., Kom., D., X.), ἀνθρωπίσκος (E., Ar., Pl. u. a.), ἀνθρωπάριον (Kom., Demad., Arr.). — Weitere Ableitungen: ἀνθρωπώ· ἡ γυνὴ παρὰ Λάκωσιν H. (zweifelhaft); ἀνθρωπέη, -πῆ f. ‘menschliche Haut’ (Hdt., Poll., vgl. Chantraine Formation 91); ἀνθρωπότης f. ‘Menschlichkeit’ (Ph., S. E. usw.). — Adjektiva: ἀνθρώπειος, ion. usw. -ήϊος (Chantraine 52, Schwyzer 468 : 3) ‘menschlich’ (meist in höherem Stil), ἀνθρώπινος ‘ds.’ (ion. att., vorw Kom. und Prosa), ἀνθρωπικός ‘ds.’ (Pl., Arist. usw.). — Denominative Verba: 1. ἀνθρωπίζομαι ‘sich wie ein Mensch benehmen’ (Ar., Luk.); davon (falls nicht direkt von ἄνθρωπος, vgl. Chantraine 142f.) ἀνθρωπισμός ‘Menschheit’ (Aristipp.); — 2. ἀνθρωπεύομαι ‘sich wie ein Mensch benehmen’ (Arist. u. a.); — 3. ἀνθρωπόομαι ‘Mensch sein’ (Plu.). — Trotz wiederholter Anstrengungen nicht aufgeklärt (s. die Zusammenfassung bei Seiler Glotta 32, 225ff.): 1. Aus *ἀνδρ-ωπ-ος ‘mit Mannesgesicht begabt’ (Hartung, Pott, s. Curtius 307). Dabei bleibt θ für δ unerklärt; unwahrscheinlich Devoto IF 60, 63ff. (illyrisches Wort; θ für δ übertriebene Reaktion gegen die nördliche Abstammung); unwahrscheinlich ebenso Kretschmer Glotta 28, 245f. (*ἀνδρ-ὡπος mit Spir. asper nach ὁράω). 2. Aus *ἀνδρ-ὡπος ‘mit männlichem Aussehen’; das Hinterglied zu got. saiƕan ‘sehen’ usw. (Brugmann IF 12, 25ff.). 3. *ἀνθρ(ο)-ωπος ‘mit bärtigem Gesicht’ (vgl. rum. bărbat ‘Mann’); das Vorderglied zu ἀνθερεών, ἀνθέριξ, s. ἀθήρ (Güntert Sb. Heidelberg 1915 : 10). 4. Verbalnomen zu ἀνατρέπω ‘der Aufrechte’ (G. Meyer Gr.3 210). 5. Verbalnomen zu ἀνατρέφω ‘der Zögling, der Genährte, der Körperliche’ (Brugmann Festgabe Kaegi 29ff., Pisani Rend. Acc. Lincei 6 : 4, 361ff., Acme 1 : 3, 272). Noch anders Holthausen KZ 47, 312 (zu ἀνθηρός); Fick BB 18, 136 (zu ahd. muntar); Ribezzo RIGI 16, 72ff. (*ἄνθρω + πός "die unten Lokalisierten", zu aind. ádhara- usw. mit ἀν- aus n- [?]). — S. noch Pisani Studitfilcl. 12, 300, Petersen AmJPh. 56, 64ff., Prellwitz Glotta 15, 128ff., 16, 151f., Krogmann Glotta 23, 220ff., Kretschmer Glotta 19, 220, Chantraine Mélanges Cumont 121ff., Grošelj Živa Ant. 4, 168, Schwyzer 426 A. 4. — An ἄνθρωπος erinnert entfernt heth. antuḫšaš ‘Mensch’ (Kretschmer Glotta 9, 231f.); Versuch, die beiden Wörter zusammenzubringen, von W. Petersen AmJPh 56, 59f. I-110-111
ἀνί̄̆α, -ί̄η f. ‘Plage’ (ion. att. seit Od., äol. ὀνία). Ableitungen: ἀνιαρός, -ηρός (ion. att. seit Od.) ‘lästig’, auch (selten) ‘betrübt’; ἄνια n. pl. ‘ds.’ (A. Pers. in lyr.), retrograde Bildung nach Muster von φιλία : φίλιος. — Denominative Verba: ἀνιάω ‘beleidigen, belästigen’ (ion. att. seit Od.); daneben ἀνιάζω (ep. seit Il.; zur Bildung Schwyzer 734 θ). — Nicht sicher gedeutet. Am meisten empfiehlt sich Leo Meyers und Wackernagels (Glotta 14, 54f.) Vergleich mit aind. ámīvā f. ‘Plage’, der indessen eine Dissimilation der Labiale m-u̯ zu n-u̯ voraussetzt. Weniger glaubhaft zu lat. onus usw., s. WP. 1, 132f. m. Lit., Pok. 321f. I-111-112
ἀνιγρός ‘lästig’ (Nik., Kall., Opp. u. a.); ἀνιγρόν· ἀκάθαρτον, φαῦλον, κακόν, δυσῶδες, ἀσεβές H. — Unerklärt. Zusammenhang mit νίζω (J. Baunack RhM 37, 474, v. Blumenthal Hesychst. 34; zum Lautlichen vgl. Schwyzer 299 : 6) wenig glaubhaft. Noch unwahrscheinlicher Ehrlich Sprachgesch. 61f. (zu lat. niger; vgl. zu diesem s. νεβρός). I-112
ἀννίς daneben ἀνώ im Akk. ἀνών IG 9 : 2, 877 (Larisa). · μητρὸς ἢ πατρὸς μήτηρ H., IG 7, 3380 (Böotien); — Ehestens elementarverwandt mit heth. annaš ‘Mutter’, vgl. auch ḫannaš ‘Großmutter’, lyk. χñna ‘Mutter’ (Pedersen Lykisch und Hittitisch 26 m. A.); ferner mit arm. han ‘Großmutter’, lat. anna ‘Pflegemutter’, ahd. ana ‘(Ur)großmutter, Ahne’ u. a. Näheres m. Lit. Pok. 36f. I-112
ἀνοκωχή, ἀνακωχή (s. unten) f. ‘das Anhalten, die Hemmung’, bes. ‘Waffenstillstand’ (Th. u. a.). Denominative Verba: ἀνοκωχεύω, ἀνακ- ‘anhalten’ (tr. u. intr.), ‘zurückhalten, hemmen’ (Hdt., S., Arist. usw.); daneben ἀνακωχέω (Hp.), wovon ἀνακώχησις = σύμπτωσις, ἀνοχή usw. (Bacch. usw. ap. Erotianos s. v.). — Reduplizierte Bildung von ἀνέχω wie δι-οκωχή von διέχω; s. ἔχω. Die weit verbreitete Form ἀνακωχή, -εύω, -έω, nach ἀνα- in antekonsonantischer Stellung, war durch die Verdunkelung der Bildungsweise bedingt; vgl. Chantraine Étrennes Benveniste 12f. I-112
ἀνόπαια (α 320) Bed. unbekannt. ’Ανόπαια f. (Hdt. 7, 216) der Teil des Oeta, der durch den Verrat des Ephialtes bekannt geworden ist, und der steile Pfad, der über ihn führte. Daneben ἀνόπαιον (Emp. 51) mit unklarer Bedeutung, vgl. Diels ad loc. — Schon im Altertum ein dunkles Wort ist ἀνόπαια früh verschiedentlich erklärt worden. Bechtel Lex. sieht darin nach dem Vorgang Wörners Gurt. Stud. 6, 349ff. eine Hypostasierung des Ausdrucks ἀνὰ τῇ ὀπῇ ‘oben an der Dachluke’ und deutet es als ‘Obergeschoß’. I-112
ἄντα, ἄντην Adv. ‘gegenüber, ins Gesicht’ (ep., zum Gebrauch Bolling Lang. 27, 223ff.). Ableitungen: ἀντά̄εις ‘feindlich’ (Pi., dor.). Denominatives Verb ἀντάω ‘entgegenkommen, -gehen’ (ep. poet.) mit ἀντήσεις· ἱκεσίαι, λιτανεῖαι, ἱκετεῖαι H. (dem Sinne nach zu ἄντομαι, s. unten). Daneben ἀπ-αντάω (att., ion. usw.) mit ἀπάντησις ‘Begegnung’ (S., Arist. usw.) und ἀπάντημα ‘ds.’ (E., LXX). — Scheinbar primär, aber in Wirklichkeit von dem Wurzelnomen *ἀντ- (s. unten und Schwyzer 722 : 8) abgeleitet ist ἄντομαι ‘begegnen, angehen, flehen’ (ep. poet.). ἄντα ist als Akkusativ eines alten Wurzelnomens anzusehen, von dem der Lokativ in ἀντί (s. d.) vorliegt; ἄντην wie δήν, πλήν usw. Ursprüngliche Kasusfunktion noch in ἔν-αντα (= ἐν ἄντα) usw., s. Schulze Kl. Schr. 669, Wackernagel Syntax 2, 225. Vgl. got. and(a)- ‘entgegen’, lit. añt, alit. u. dial. antà ‘nach — hin, auf, über’. I-112-113
ἄνται · ἄνεμοι. ἀντάς· πνοάς H. — Wahrscheinlich mit Scaliger in ἀῆται, ἀήτας zu ändern. Sturtevant (s. Lang. 19, 308) verteidigt die Lesung der Hs. und betrachtet ἄνται als eine Ableitung von *an- ‘atmen’, s. ἄνεμος. I-113
ἀντακαῖος m. ‘Art Stör’ (Hdt., Lynk., Ael.), auch adjektivisch (appositiv) gebraucht (Antiph.). — Etymologie unbekannt, wahrscheinlich zurechtgelegtes Fremdwort, vgl. Hdt. 4, 53: κήτεά τε μεγάλα ἀνάκανθα, τὰ ἀντακαίους καλέουσι (scil. οἱ Βορυσθενεῗται). I-113
ἀντάτας ‘Bürge’ (Kreta). — Eig. "der, welcher an Stelle eines anderen Schaden (ἄτη) leidet", als Bahuvrihikompositum. E. Kretschmer Glotta 18, 91 (nach Blaß und Fraenkel). I-113
ἀντηρίς, -ίδος f. ‘Strebepfeiler, Stütze’ (E., X., hell.). Deminutivum ἀντηρίδιον (hell.). — Durch Rückbildung aus ἀντερείδω ‘dagegen stützen, sich entgegenstemmen’ mit Vokaldehnung in der Kompositionsfuge abgeleitet; vgl. Fraenkel Glotta 4, 34, der indessen irrtümlich in -ηρίδ- die Schwundstufe von ἐρείδω (vgl. Hom. ἐρηρίδαται, -το; Hss. falsch -ρεδ-) sucht unter Hinweis auf καλαΐς zu καλὰ ἀείδειν, wo aber eine derartige Schwundstufe fehlt. Somit ist -ιδ- vielmehr als Suffix abzutrennen mit Verstümmelung des Verbalstamms bzw. Haplologie ähnlich wie z. B. in ἐγκλίς zu ἐγκλίνω, ἐμπίς zu ἐμπίνω oder, noch härter, ἐγκρίς ‘Kuchen aus Öl und Honig’ zu ἐγκεράννυμι, s. Strömberg Wortstudien 14f. (wo indessen ἐγκρίς mit Unrecht zu ἐγκρίνω gezogen wird). Zu ἀντηρίς hat man dann eine Bildung auf -ιος gewagt: ἀντήριος· στήμων, καὶ κανὼν ὁ προσκείμενος τῇ θύρᾳ H., nach Muster von παγίς : πάγιος, βωμίς : βώμιος usw. I-113
ἄντηστις nur in κατ’ ἄντηστιν θεμένη περικαλλέα δίφρον (υ 387) ‘gegenüber’. — Zusammenbildung zu ἄντην ἵστασθαι, wobei die "Stammform" ἄντη- als Vorderglied eingetreten ist. Als Hinterglied fungiert die antevokalische Schwundstufe -στ- mit suffixalem -ι-, vgl. ἔξαστις aus *ἔξ-αν-στ-ις. Schwyzer IF 30, 434ff. (wo indessen einer etwas abweichenden Analyse der Vorzug gegeben wird), Bechtel Lex. s. v. I-113
ἀντί Präposition und Präverb, außerdem als Adverb in Bahuvrihikomposita ‘angesichts, gegenüber, anstatt’. Zusammensetzungen : ἔναντι, ἀπέναντι, κατέναντι (dor. hell., Wackernagel Hell. 3ff.) mit ἐναντίος ‘gegenüberstehend’ (ion. att., vgl. auch ἔναντα und Strömberg Greek Prefix Studies 118). Ableitung ἀντίος ‘gegenüberstehend, entgegengesetzt’ (alt u. häufig; att. Prosa jedoch lieber ἐναντίος, s. unten). Davon ἀντιάδες f. pl. ‘Tonsillen’ (Mediz.). Denominativ ἀντιόομαι ‘sich entgegenstellen’ (ion. poet., att. Prosa dafür ἐναντιόομαι). Vom Ntr. pl. ἀντία ‘gegenüber’ (Adv.) ἀντιάω (mit ep. Zerdehnung ἀντιόω), nachhom. ἀντιάζω (zur Bildung Schwyzer 734θ, Chantraine Gramm. hom. 1, 357) ‘entgegenkommen, an etw. teilnehmen, angehen’ (ep. ion. poet.). Zusammensetzungen : ἔναντι, ἀπέναντι, κατέναντι (dor. hell., Wackernagel Hell. 3ff.) mit ἐναντίος ‘gegenüberstehend’ (ion. att., vgl. auch ἔναντα und Strömberg Greek Prefix Studies 118). — Zusammensetzungen : ἔναντι, ἀπέναντι, κατέναντι (dor. hell., Wackernagel Hell. 3ff.) mit ἐναντίος ‘gegenüberstehend’ (ion. att., vgl. auch ἔναντα und Strömberg Greek Prefix Studies 118). ἀντί, mit aind. ánti ‘gegenüber’, lat. ante ‘vor’, heth. ḫanti ‘getrennt, gesondert’ identisch, ist eigentlich Lokativ eines Substantivs, das in heth. ḫanza (= ḫant-s) ‘Vorderseite, Front’ bewahrt ist. Eine andere Kasusform ist ἄντα, s. d. Einzelheiten bei WP. 1, 65ff., Pok. 48ff. mit weiterer Lit. S. auch ’Αταλάντη mit hypothetischen Kombinationen. I-113-114
ἀντιάνειρα f. Beiwort der Amazonen (Il.), als Nachbildung davon Beiwort der Athena (Koluth.), außerdem nur Pi. Ol. 12, 16 στάσις ἀντιάνειρα. — Bildung wie κυδι-άνειρα, βωτι-άνειρα, Hypostase von ἀντί und ἀνήρ, eig. ‘männergleich’ (vgl. ἀντίθεος ‘götterähnlich’) aber auch als ‘Männern entgegentretend, männerfeindlich’ aufgefaßt (vgl. ἀντίθεος spät auch ‘gottfeindlich’), außerdem als Bahuvrihi: στάσις ἀντιάνειρα ‘Kampf in dem Männer gegeneinander auftreten’. Snell Gnomon 10, 417, Sommer Nominalkomp. 171 mit Lit. I-114
ἀντικρύ (ep.), ἄντικρυς und καταντικρύ (att., hell. u. spät) ‘gerade gegenüber, geradeaus’. — Zu ἀντί, aber sonst unklar. Nach Kretschmer Glotta 4, 356 zu ἀντικρούω ‘entgegenstoßen’; dagegen erwägt Chantraine Gramm. hom. 2, 148 Zusammenhang mit κάρη. Zur Bildung vgl. Schwyzer 620a I. I-114
ἄντλος m. ‘Schiffsbodenwasser, Kielwasser’ (ep. poet.). Ableitungen: ἀντλία ‘Kielraum, Kielwasser’ (Ar. u. a.), auch ‘Behälter’ (Pap.), ἀντλίον ‘ds.’ (Ar.). Denominatives Verb: ἀντλέω ‘(das Schiffsbodenwasser) schöpfen, pumpen, ausschöpfen, erschöpfen’ (vorw. ion. poet.) mit mehreren späten Verbalnomina: ἄντλησις ‘das Ausschöpfen’, ἀντλησμός ‘ds.’, ἄντλημα ‘Schöpfeimer’. — ἀντλητήρ ‘Ausschöpfer, Schöpfkelle’ mit dem Fem. ἀντλήτρια (Schol.) und dem Adj. ἀντλητήριος; ἀντλητής m. ‘ds.’. — ἀντλητικός ‘zur Bewässerung dienend’ (Pap.). ἄντλος steht wahrscheinlich psilotisch (als ionisches Wort, Chantraine Étrennes Benveniste 23) für *ἅντλος mit Hauchdissimilation und Assimilation des μ für *ἅμ-θλο-ς (Solmsen Wortforsch. 189; vgl. Chantraine Formation 375); vgl. lat. sentina ‘Schiffsbodenwasser’ und lit. semiù ‘schöpfen’; weiteres s. 2. ἀμάομαι. I-114
ἀντόμους ἄντομος ‘Palisade, Zaun’ (Tab. Heracl.). · σκόλοπας. Σικελοί H., — Für ἀνάτομος, zu ἀνατέμνω. Sehr zweifelhafte Anknüpfung an lat. antemna ‘Rahe’ (s. zu diesem Worte W.-Hofmann) bei v. Blumenthal Hesychst. 16. I-115
ἄντρον n. ‘Höhle, Grotte’ (Od., poet.). Ableitungen: ἀντρώδης ‘höhlenreich’ (X., Arist. usw.), ἀντραῖος ‘in Höhlen hausend’ (E.), ἀντριάδες f. pl. ‘Grottennymphen’ (AP, Phryn.), vgl. κρην-ιάδες, ὀρεστιάδες; ἀντρηΐς f. ‘in Höhlen hausend’ (Antip. Sid.), zur Bildung Chantraine Formation 345f., Schwyzer 464 : 3. — ἄντρον, woraus als LW lat. antrum, ist wahrscheinlich mit arm. ayr ‘Höhle’ identisch, Pisani KZ 68, 161f. Die umstrittene Herleitung aus idg. an- ‘atmen’ (s. ἄνεμος) wird aufs neue von Schwyzer verteidigt (Mél. Bq 2, 234 A. 1, KZ 68, 222, Gramm. 532 : 3: = "wo es dunstet"). I-115
ἄντυξ, -γος f. ‘Schildrand, Wagenkranz’, ‘Rundung’ überhaupt (Il., poet.); zur Bedeutung s. Delebecque Cheval 177f. — Bildung wie ἄμπυξ (s. d.), aus ἀνά und einem Wz. nomen -τυξ zu τεύχω, τετυκεῖν. Vgl. zur Bildung auch καταῖτυξ ‘Sturmhut, Sturmdeckel’ (K 258). I-115
ἄνυμι, themat. ἀνύω, ἁνύω; *ἄνϝω > ἄ̄νω; mit Dentalerweiterung ἀνύτω, att. ἁνύτω (Schwyzer 704 : 1), Aor. ἤνυσα (sekundär, s. unten) ‘zustande bringen, vollenden’ (alt u. häufig). Ableitungen: ἄνυσις ‘Vollendung, Erfolg’ (ep. poet., sp. Prosa), wovon ἀνύσιμος ‘erfolgreich, fördernd’ (X., Pl. usw., vgl. Arbenz Die Adjektive auf -ιμος 35 u. 37); ἄνυσμα ‘ds.’ (Schol.). — ἀν-ήνυ(σ)τος ‘unausführbar, endlos’ (seit Od.); danach das positive ἀνυστός (ἁν-) ‘tunlich’ (E., X. usw.), ἀνυ(σ)τικός ‘wirksam’ (X., Arist. usw.). — ἀνυτής = lat. exactor (Just.). — Das Präsens ἄνυμι ist mit aind. sanóti ‘gewinnen’ im Grunde identisch, s. Schwyzer 696β. Mit diesem Verb ist auch heth. šanḫ-zi ‘er sucht, er strebt’ verglichen worden, s. z. B. Pedersen Hittitisch 185. — Vgl. αὐθέντης. I-115
ἄνωγα ‘befehlen’ (ep. ion. poet.), Perf. mit Präsensbed.sekundäres Präsens ἀνώγω (vgl. Schwyzer 767d : α). Ableitung ἀνωγή ‘Befehl’ (A. R., Argos). — Aus ἄν-ωγα ‘laut aussagen’, mit ἦ ‘er sprach’ (aus *ēĝ-t) ablautend; eine dritte Ablautform im Lateinischen und Armenischen: lat. aio (aus *ăĝ-i̯ō), adagio ‘proverbium’; arm. aṙ-ac ‘proverbium’, Präs. asem ‘sagen’ (mit sekundärem s aus idg. ḱ). Vgl. ἠμί. Einzelheiten bei WP. 1, 114, Pok. 290f., W.-Hofmann s. aio. I-115
ἀξί̄νη f. ‘Axt, Beil’ (seit Il.). Deminutiva: ἀξινάριον, ἀξινίδιον (J.). — Alter Waffenname, mit lat. ascia ‘Axt’ und germanischen Wörtern für ‘Axt’, got. aqizi usw. verwandt, aber im einzelnen unklar, wahrscheinlich Wanderwort. Morphologischer Deutungsversuch bei Specht Ursprung 150, 239, 326f. Weiteres bei W.-Hofmann s. ascia, Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. aqizi, WP. 1, 39, Pok. 9; s. auch Vasmer Zeitschr. f. slav. Phil. 15, 119f. I-115-116
ἄξιος ‘würdig, wert’ (alt u. häufig). Abstraktbildung ἀξία (aus ἀξι-ία Frisk Eranos 43, 220) ‘Wert, Lohn’ (ion. att.). Denominatives Verb ἀξιόω, -όομαι ‘für würdig, wert erachten, verlangen’ (ion. att.). Davon die Verbalnomina 1. ἀξίωμα ‘Wertachtung, Würde, Verlangung’ (att. hell. u. spät) mit dem Demin. ἀξιωμάτιον (Arr.) und dem Adj. ἀξιωματικός ‘würdevoll’ (hell. usw.); 2. ἀξίωσις ‘Wertachtung, Anspruch, Ansicht’ (Hdt., Th., E. usw., vgl. Holt Les noms d’action en -σις, s. Index). — Allgemein zu ἄγω im Sinn von ‘wiegen’ (vgl. lat. agīna ‘die Schere an der Waage’ und W.-Hofmann s. v.) gezogen, zunächst zu einer nominalen τ-Erweiterung, viell. *ἄξις ‘Gewicht’; somit eig. ‘wichtig’. I-116
ἄξων, -ονος m. ‘Radachse, Achse’ (seit Il.). Ableitungen: Deminutiva ἀξόνιον, ἀξονίσκος (hell.); Adj. ἀξόνιος ‘zur Achse gehörig’ (AP). — Alter Begriff und altes Wort; vgl., mit abweichender Stammbildung, aind. ákṣ-a- m. ‘Achse’; lat. ax-is = lit. aš-ìs = aksl. os-ь ‘ds.’; ahd. ahsa f. ‘Achse’; l-Erweiterungen z. B. in awno. ǫxull m., kymr. echel f. ‘Achse’, lat. āla (aus *aks-lā) ‘Achsel, Flügel’. Alle diese Wörter setzen einen s-Stamm voraus, der vom Verb aĝ- ‘treiben, in Bewegung setzen’ (s. ἄγω) ausgeht; vgl. die Ausführungen bei Benveniste Origines (s. Index). — Vgl. ἅμαξα; außerdem WP. 1, 37, Pok. 6, W.-Hofmann s. āla mit weiterer Lit. I-116
ἄοζος ἄοζοι· ὑπηρέται, θεράποντες, ἀκόλουθοι H. m. ‘Diener (eines Gottes)’ (A. Ag. 231 [lyr.], Kall. Fr. 353 [= Del. 249?], IG 9 : 1, 976 [Korkyra, metr.]). Ableitungen: ἀοζία ‘Bedienung (eines Gottes)’ (Epigr.); denominatives Verb ἀοζέω ‘dienen’ (A. Fr. 54, H.). — Im selben Sinn ὄζος im ep. Ausdruck ὄζος Ἄρηος, falls = θεράπων Ἄ., vgl. ὀζεία (cod. ὀζειέα)· θεραπεία H. — ὄζος ‘Begleiter’, mit ὄζος ‘Ast’ homonym, kann wie dieses aus idg. *o-zd-o-, d. h. Präfix o- und Schwundstufe von sed- ‘sitzen’, auch ‘Platz nehmen’ (vgl. ὁδός), entstanden sein, also eig. ‘comes, Begleiter’. ἄ-οζος kann ein verdeutlichendes α copulativum enthalten, vielleicht unter Einfluß von ἀοσσέω (s. d.), ἄοσσος. Brugmann IF 19, 379 gegen Schulze Q. 498, wo (mit Bernhardt und Pott, vgl. Curtius 241), formal etwas abweichend, aber an sich auch möglich ἄοζος aus *ἀ-σοδ-ι̯ο-ς erklärt wird. Vgl. auch Fraenkel Nom. ag. 1, 189. I-116
ἀολλής, -ες ‘zusammengedrängt, in geschlossenen Massen’ (ep. poet.). Ableitungen: ἀολλίζω ‘zusammendrängen, versammeln’ (ep. poet.) und ἀολλεῖ· συνάγει H., woraus ἀόλλησις (EM). Adverb ἀολλήδην ‘zusammen’ (Mosch., Opp. u. a.). — ἀολλής wahrscheinlich aus *ἀ-ϝολνής, äol. für *ἀ-ϝαλνής; weiteres s. ἁ̄λής. I-117
ἄορ, -ορος ἄορας Akk. pl. ρ 222 (wahrscheinlich für ἄορα aus Hiatusscheu eingeführt, s. Sommer Nominalkomp. 137 m. Lit., Leumann Hom. Wörter 283 A. 37) n., ‘Schwert’ (poet. seit Il.) zum Gebrauch s. Trümpy Fachausdrücke 60ff.; in späterer Poesie (Kall., Opp.) auch auf andere Waffen bezogen. Keine Ableitungen. Kompositum χρυσάορος, χρυσάορ -α, -ι ep. poet. — Beiwort verschiedener Götter und Göttinnen, auch des Orpheus, ‘mit goldenem Schwert’, nach anderen ‘mit goldenem Tragband, Gehänge’ (vgl. unten), auch EN Χρυσάωρ (Hes. u. a.). ἄορ wird gewöhnlich als Wurzelnomen von ἀείρω mit der ursprünglichen Bedeutung von ‘Gehänge’ gedeutet (Prellwitz, Solmsen Unt. 292), was für χρυσάορος an einigen Stellen unzweifelhaft gut paßt. Der o-Vokalismus ist entweder ursprünglich oder äolische Schwundstufe; letzteres ist mit Rücksicht auf das neutrale Genus vorzuziehen. Vgl. 2. ἀείρω. I-117
ἄορον · μοχλόν, πυλῶνα, θυρωρόν. Κύπριοι H. — Aus *sm̥-u̯oros ‘verschließend’ (s. εἷς); vgl. zunächst aksl. za-vorъ ‘μοχλός’, russ. za-vórъ ‘mit Stangen gesperrter Durchgang’ (Solmsen Unt. 297), Verbalnomen zu aksl. za-vrěti ‘schließen’; weiterhin lit. su-vérti ‘schließen’, aind. api-vr̥ṇoti ‘verschließen’, lat. operio ‘ds.’ usw.; s. Schulze Kl. Schr. 672, Bechtel Dial. 1, 445, WP. 1, 280ff. I-117
ἀορτή, ἀορτήρ s. 2. ἀείρω. I-117
ἀοσσέω, nur im Aor. ἀοσσῆσαι belegt (Mosch. 4, 110), ‘helfen, beistehen’. Ableitung ἀοσσητήρ m. ‘Helfer, Beschützer’ (Hom., A. R. u. a.; vgl. Benveniste Noms d’agent 36); vgl. ὀσσητῆρα· βοηθόν und ἐοσσητήρ· ἐπίκουρος, τιμωρός, ἀντὶ τοῦ ἀοσσητήρ H.; dazu Fraenkel KZ 42, 128f. — ἀοσσέω kann entweder ein iteratives Deverbativum oder ein Denominativum sein, in letzterem Falle von *ἄοσσος, das schon von Curtius 460f. mit ἕπομαι, lat. sequor zusammengestellt wurde und somit als *ἄ-οσσος auf idg. *sm̥-soqu̯-i̯os (vgl. lat. socius) zurückzuführen ist. S. ἕπομαι und ὀπάων. Weitere Lit. bei Bq und Bechtel Lex. s. v. ἀοσσητήρ. I-117
ἁπαλός ‘zart, weich’ (ion. att.). Davon ἁπαλία ‘Zartheit’ (Gp.) und ἁπαλίας ‘saugendes Ferkel’ (D. L. 8, 20; nicht ganz sicher); außerdem ἁπάλιον· θῦμα δελφάκιον H. — Denominatives Verb ἁπαλύνω ‘weich machen’ (X., Hp. usw.) mit ἁπαλυσμός (Hp.) und ἁπαλυντής (Zonar.). — Zur Bildung vgl. ὁμαλός, ἀταλός, ἀκαλός (in ἀκαλαρρείτης) u. a. bei Chantraine Formation 245. Sonst dunkel; die zahlreichen unsicheren Vermutungen verzeichnet Bq. I-117-118
ἅπαξ ‘einmal’ (seit Od.). — Aus ἁ < *sm̥- ‘ein’ (vgl. εἷς) und -παξ, von πήγνυμι (vgl. ὀδάξ, λάξ, ἀναμίξ usw.). Nähere Analyse unsicher. Nach Schwyzer 620a 1 ist -ς adverbial (bzw. genetivisch-ablativisch) = ‘eines Steckens’; nach Brugmann IF 27, 259 u. a. Nominativ ‘ein Stecken vornehmend’; nach Schulze KZ 33, 395 = Kl. Schr. 314 A. 1 antevokalischer Lokativ aus *ἁπακτι̯ [?]. I-118
ἀπαργία f. N. einer Pflanze, die ihre Blätter auf der Erde hat (Thphr. HP 7, 8, 3). — Nach Strömberg Wortstudien 30f. von ἀργός ‘weißglänzend’ (vgl. auch ἄργεμον, ἀργεμώνη) wegen der Farbe, von der allerdings nichts bekannt ist. I-118
ἅπας ‘all, ganz’ (alt und häufig). — Aus ἁ- (vgl. εἶς) und πᾶς, s. d. I-118
ἀπάτη f. ‘Täuschung, Betrug’ (ion. att. seit Il., zur Bedeutung s. Luther "Wahrheit" und "Lüge", bes. 97ff.). Ableitungen: ἀπατηλός ‘betrügerisch’ (ion. att. seit Il.), vielleicht von ἀπατάω, s. Chantraine Formation 241f., Schwyzer 484, ἀπατήλιος ‘ds.’, metrische Variante zum Vorherigen (Od., Nonn.); ἀπατεών, -ῶνος m. ‘Betrüger’ (Hp., Demokr., Pl. usw.), vgl. Chantraine 163. — Zu ἀπάτυλλα (Kerk., POxy. 1082 Fr. 39) vgl. ἐξαπατύλλω (Ar.) und Leumann Glotta 32, 219 A. 3. — Denominatives Verb: ἀπατάω ‘täuschen, betrügen’ (ion. att. seit Il.). Davon ἀπάτησις ‘Täuschung’ (LXX, Phld.), ἀπάτημα ‘Trug’ (Gorg. u. a.), ἀπατήμων ‘trügerisch’ (Orac. ap. Zos.), ἀπατητικός ‘ds.’ (Pl., Arist. usw.), ἀπατητής ‘Betrüger’ (Gloss.). — Vereinzelt ἀπατεύω = ἀπατάω (Xenoph. 11). — Unerklärt. Semantisch ansprechend und morphologisch allenfalls möglich ist Kuipers (Glotta 21, 283) Anknüpfung an ἠπεροπεύς in der Annahme, ἀπάτη stehe für *ἀπν̥-τᾱ von einem r-n-Stamm *ἄπαρ, *ἀπνός. Seine weiteren Kombinationen (zu ἰάπτω, ἴπτομαι und sogar aind. áka- n. ‘Leid, Schmerz’) sind aber entschieden verfehlt. Die Heranziehung von πόντος, πάτος, got. finþan usw. (Pedersen Cinq. décl. lat. 65 A. 1, Moorhouse Class. Quart. 35, 93ff., s. noch Bq) überzeugt nicht. I-118
’Απατούρια n. pl. ‘Apaturienfest’, altes Nationalfest der Ionier, bei dem die neuen Geschlechtsmitglieder in die Phratrien eingeführt wurden (ion. att.). Daneben, als Namen der Aphrodite, ’Απατουρία, ’Απατουριάς, auch (retrogr.) ’Απατούρη (Troizen, Pantikapaion, Phanagoria), außerdem ’Απάτουρον ‘τὸ τῆς ’Αφροδίτης ἱερόν’ (Str. 11, 2, 10). Ferner als Monatsname an verschiedenen Orten ’Απατουριών, -εών, auch ’Απατοριών (Amorgos). — In letzter Instanz aus α copulativum und πατήρ, zunächst wohl als Ableitung eines adj. Kompositums ἀπάτουρος gebildet, vgl. Kretschmer Glotta 2, 210; 4, 336. Wenn, wie wahrscheinlich, ἀπάτουρος eine ionische Form ist, liegt es nahe, eine Grundform *ἀπατορϝος = ὁμοπάτωρ ‘von demselben Vater’ anzusetzen. Aber die Funktion des ϝ ist dunkel; zum lautlichen Vergleich melden sich indessen aind. pítr̥vya- ‘Vatersbruder’ (Schulze Q. 79 A. 3), lat. patruus ‘ds.’ und andere Formen mit u̯-Suffix; s. μητρυιά und W.-Hofmann s. pater. I-118-119
ἀπαφίνιον · Λάκωνες κάρδοπον λιθίνην ... H. — Enthält nach Grošelj Živa Ant. 3, 195f. ein vorindogermanisches Wort für ‘Stein’, παφ-, πεφ-, das auch in dem Inselnamen Πέφνος, vielleicht auch in Πάφος bewahrt worden ist (?). I-119
ἀπαφίσκω (παρ-, ἐξ-), Aor. ἀπαφεῖν, spät ἀπαφῆσαι ‘täuschen, betrügen’ (ep. poet.). — Das Präsens ist wahrscheinlich zum reduplizierten Aorist neugebildet worden, s. Chantraine Gramm. hom. 1, 317, 398. Zur Bedeutung Luther "Wahrheit" und "Lüge" 101ff. — Dunkel. Von Curtius zu ἅπτω usw. gezogen. Dazu vielleicht ἀποφώλιος, s. d. I-119
ἄπαφος · ἔποψ τὸ ὄρνεον H. — Onomatopoetische Bildung mit dem in Tiernamen gewöhnlichen Suffix -αφος. Chantraine Formation 263, Specht Ursprung 266. Vgl. lat. upupa. I-119
ἀπειλή gewöhnl. im Plur., f., ‘ruhmredige Verheißung’, gew. ‘Drohung’ (ion. att. seit Il.). Daneben, wahrscheinlich als denominative Ableitung (vgl. unten), ἀπειλέω ‘prahlend verheißen’, gew. ‘drohen’ (ion. att. seit Il.). — Davon sind abgeleitet: ἀπειλητήρ m. ‘Großsprecher, Droher’ (poet. seit Il.) mit dem Fem. ἀπειλήτειρα (Nonn.); später ἀπειλητής ‘ds.’ (D. S., J.). Adjektiva: ἀπειλητήριος ‘drohend’ (Hdt.) und ἀπειλητικός ‘ds.’ (Pl., X.). Nomina agentis: ἀπειλήματα ‘Drohungen’ (S.), ἀπείλησις ‘ds.’ (Phld.). — Wegen der mehrdeutigen Form etymologisch unklar. Chantraine Gramm. hom. 1, 353 erwägt Identität mit ἀπ-ειλέω ‘zurückdrängen’, wobei ἀπειλή postverbal wäre. Die Bedeutung ‘prahlend verheißen’ ist dieser sonst ansprechenden Annahme nicht ganz günstig. — Im Anschluß an die Ausführungen Froehdes BB 19, 240ff., laut denen eine Grundform *ἀπελ-νι̯- anzusetzen wäre, wobei ferner ἀ- einer Präposition *n̥- (vgl. α copulativum) entsprechen würde, vergleicht Bezzenberger BB 27, 149 lett. pel̃t ‘schmähen, verleumden’; weiterhin kommen in Betracht (mit "beweglichem" s-) got. spill n. ‘Sage, Fabel’ und die entsprechenden germanischen Wörter ebenso wie arm. aṙa-spel ‘Sage, Sprichwort’ (Lidén GHÅ 39 : 2, 46ff.). S. noch WP. 2, 676f, W.-Hofmann s. 2. appellō. I-119-120
ἀπειρέσιος, ἀπερείσιος ‘endlos, unermeßlich’ (ep. poet.). — Metrische Dehnungen, die miteinander rhythmisch abwechseln (Chantraine Gramm. hom. 1, 101), für *ἀπερέσιος, eine erweiternde ιο-Ableitung von *ἀ-περ-ετος, das ein privatives Verbaladjektiv zum Präsens πείρω (s. d.) darstellt. Schulze Q. 245. — In derselben Bedeutung steht ἀπείριτος (κ 195, Hes. Th. 109 u. a.) mit unklarem -ι-. Die Erklärung aus *ἀπερι-ι-τος (zu ἰέναι, Schulze Q. 116 A. 3, Bechtel Lex.) überzeugt nicht. Vgl. noch Schwyzer 106 A. 3 (wenig befriedigend). I-120
ἀπελλαι (Akzent?) (IG 5: 1, 1144, 21; 1146, 41; Gytheion Ia), f. pl. nach H. = σηκοί, ἐκκλησίαι. Ableitungen: ’Απελλαῖος, -αιών dor. Monatsnamen (Delphi, Epidauros, bzw. Tenos); ἀπελλαῖα, τά ‘Opfer, die bei der Versammlung einer Phratrie dargebracht werden’ (Delphi); ἀπελλακάς· ἱερῶν κοινωνούς H. — Denominatives Verb ἀπελλάζω, lakon. für ἐκκλησιάζω (Plu., H.). — Nach Solmsen Wortforsch. 18f. aus idg. *n̥-pel-i̯ă, Schwundstufe von ἐν und einem dem lat. pello ‘stoßen’ entsprechenden Verb, also eig. ‘das Hineinstoßen, Hineintreiben’. Dagegen mit nicht triftigen Argumenten Lagercrantz Mélanges Boisacq 2, 57ff., der als ursprüngliche Bedeutung ‘das Herausrufen’ ansetzt und dadurch bei lat. appello, populus, got. spill (vgl. ἀπειλή) Anschluß findet. Idg. Grundform somit *apo-pelia, in der die Präposition wenig angemessen erscheint. Noch andere Erklärungen bei Bq. — Verfehlt Barić (s. Mayer Glotta 32, 75): makedonisch, zu ὀφέλλω. I-120
ἄπελος n. ‘Wunde’ (Kall. Fr. 343). — Unerklärt. Man erwägt Zusammenhang mit πέλας ‘Haut’ usw. oder mit lat. pello ‘stoßen’. Näheres bei Bq und bei WP. 2, 58f. m. Lit. I-120
ἀπ-εράω ‘ausgießen’ (Thphr., Str. usw.). Davon ἀπέρασις (Thphr., Plu. u. a.). Daneben ἐξ-εράω ‘ausspeien, ausschütten’ (ion. att.) mit ἐξέραμα ‘das Ausspeien’ (NT u. a.), ἐξέρασις ‘Farbflüssigkeit’ (PHolm. 15, 39). Außerdem δι-, κατ-, κατεξ-, μετ-, συν-εράω, alles hell. u. spät. — Wahrscheinlich mit Debrunner IF 48, 282 denominativ zu ἔρα ‘Erde’ (vgl. ἔραζε) mit einem Scholion zu Ar. Vesp. 993: ἐξεράσω· εἰς τὴν γῆν μεταβαλῶ. ἔρα γὰρ ἡ γῆ. Somit bedeutet ἐξερᾶν eigentlich ‘auf die Erde ausschütten’. Bei der Bildung der späteren Komposita war der Zusammenhang mit dem obsoleten ἔρα abhanden gekommen. I-120-121
ἀπερείσιος s. ἀπειρέσιος. I-121
ἀπήνη f. ‘(vierrädriger) Wagen’ (ep. poet. u. spät); zur Bedeutung (mit ἅμαξα synonym) Delebecque Cheval 174f. — Dunkel. Verbindung mit πῆνος ‘Gewebe’, lat. pannus ‘Tuch’ (Bezzenberger BB 27, 149, Meringer KZ 40, 228) ist abzulehnen. Zu bemerken das synonyme Reimwort καπά̄νᾱ (Xenarch. 11, thess.), vgl. Güntert Reimwortbildungen 152; dazu das apokopierte πήνα· ἀπήνη bei H., vgl. Strömberg Wortstudien 45; abweichend Winter Prothet. Vokal 13. — Nach Bănăt̨eanu REIE 3, 141 kleinasiatisch. I-121
ἀπηνής, -ές ‘unfreundlich, hart’ (vorw. ep. u. späte Prosa). Ableitung ἀπήνεια f. ‘Unfreundlichkeit, Härte’ (Thphr., A. R. u. a.). — Vgl. zur Bildung πρᾱνής (πρηνής) und προσηνής (προσᾱνής). Zusammensetzung von ἀπό (bzw. πρό, πρός) mit einem nicht sicher zu bestimmenden Hinterglied, bzw. Suffix. Nach Benfey Or. u. Occ. 1, 193 und anderen (s. Kretschmer Glotta 22, 246f.) von *ἦνος n. ‘Gesicht’ = aind. *ānas- n. ‘ds.’, vgl. ā́nana- n. ‘Mund, Gesicht’. Nicht besser Brugmann Grundr.2 2 : 3, 332f. (zu got. ansts ‘Gunst’ usw.); noch unwahrscheinlicher Prellwitz Glotta 19, 94ff. I-121
ἄπιον n. ‘Birne’, ἄπιος f. ‘Birnbaum’ (nicht immer auseinandergehalten, vgl. Wackernagel Synt. 2, 17; Pl., Kom., Thphr. usw.). — Wie lat. pirum, pirus mediterranes Kulturwort unbekannten Ursprungs. Das anlautende ἀ- ist nach Kretschmer Glotta 21, 89, Boisacq Rev. de l’instr. publ. 55, 1ff. (wo auch Lit.) ein vorgriechisches Präfix. S. auch Winter Prothet. Vokal 13. I-121
ἄπιος (ἐξ ἀπίης γαίης Hom.) s. ἀπό. I-121
Ἆπις, -εως, -ιδος, -ιος m. N. eines in Ägypten verehrten göttlichen Stiers (Hdt.); N. eines mythischen Königs von Argos (A.). — Herkunft unbekannt. Vgl. die Einwände Kretschmers Glotta 19, 176 gegen Vürtheims Anknüpfung an ἅπτω. I-121
ἁπλόος, ἁπλοῦς, auch ἁπλός (vgl. Brugmann IF 38, 128ff.) ‘einfach, simplex’ (alt und häufig; fehlt zufällig bei Homer; vgl. die Ableitung ἁπλοΐς unten). Gegensatz διπλόος, διπλοῦς, auch διπλός ‘zweifach, doppelt, duplus’ (seit Hom.). Ableitungen: ἁπλοΐς f. (χλαῖνα, Hom., AP) mit dem Deminutivum ἁπλοΐδιον (Pap.); ἁπλοϊκός ‘einfach, schlicht’ (hell. u. spät). — Abstraktbildung ἁπλότης f. ‘Einfachheit, Schlichtheit’ (X., Arist. usw.). — Denominative Verba 1. ἁπλόω ‘entfalten, ausbreiten’ (spät) mit den vereinzelt belegten, ebenfalls späten ἅπλωσις und ἅπλωμα, ebenso wie ἁπλωτικός; 2. ἁπλοΐζομαι ‘einfach, ehrlich handeln’ (X., D. C. u. a.). — ἁπλός, mit lat. simplus formal identisch, kann damit urverwandt sein und ein idg. *sm̥-pl-o-s (vgl. εἷς) fortsetzen. Dasselbe Hinterglied erscheint, außer in δι-πλός, lat. du-plus, auch im Germanischen, z. B. got. twei-fl (Akk.) ‘Zweifel’. (Nicht hierher dagegen mit Hahn Lang. 18, 90ff. heth. šanna-piliš ‘leer, allein’, das aus dem Adverb šanna-pi ‘vereinzelt’ abgeleitet ist). Es handelt sich entweder um ein Wurzelnomen ‘Falte’ (wobei das Ganze ein Bahuvrihikompositum wäre) oder um ein Verb ‘falten’; in diesem Falle haben wir es mit einer Zusammenbildung zu tun (vgl. δίφρος). S. WP. 2, 55f. s. pel- ‘falten’. — Die Form ἁπλόος ist noch nicht befriedigend erklärt. Kretschmer Glotta 12, 218 erwägt volksetymologischen Anschluß an -πλόϝος ‘fahrend’, zu πλέω. Anders Brugmann IF 38, 128ff. (Kritik bei Kretschmer a. a. O.) und Persson Beitr. 750. Vgl. διπλάσιος. I-121-122
ἀπό (ἄπο) ‘fern, weg, (fern) von’ Adv. und Präp. — Altererbtes Adverb und Präverb = aind. ápa, air. apa ‘von — weg’, lat. ab, germ., z. B. got. af ‘ab’; unsicher dagegen heth. appa ‘darnach, zurück, hinter, nach’ (vielmehr zu ὄπι-θεν?, vgl. Friedrich Heth. Wb. s. v. m. Lit.). Zum Gebrauch Schwyzer-Debrunner 444ff. — Davon ἄπο-θεν neben ἄπωθεν ‘von ferne, fern von’ (vgl. Schwyzer 628, Lejeune Les adverbes grecs en -θεν 332). — Von ἀπό vielleicht ebenfalls nach der antiken Deutung das Adjektiv ἄπιος im Ausdruck (τηλόθεν) ἐξ ἀπίης γαίης (Α 270, Γ 49, η 25, π 18). Zweifel bei Schwyzer 461. — Die Vokallänge in ἀ̄πίαν γαῖαν S. OC 1685 (lyr.) ist durch Vermischung mit dem alten Namen des Peloponnesos ’Ᾱπία (γῆ) verursacht. Vgl. Buttmann Lexilogus 1, 63ff. I-122
άπο-διδρά̄σκω, Aor. ἀπ-έδρᾱν ‘weglaufen’ (alt u. häufig; nicht Il., vgl. indessen Ἄδρηστος unten); daneben ἐκ-διδράσκω; das Simplex ist dagegen fast nirgends sicher belegt. Ableitungen: ἀπόδρᾱσις ‘das Weglaufen’ (ion. att.); δρᾱσμός ‘das Ausreißen, die Flucht’ (ion. att., vorw. poetisch). — ἄδρᾱστος intr. ‘der nicht wegläuft’ (Hdt. u. a.), auch als EN Ἄδρηστος, Ἄδραστος (Il. usw.); Fem. ’Αδρά̄στεια N. der Nemesis ‘der man nicht entfliehen kann’ (A., Pl.; zur Bildung Schwyzer 475 m. Lit.); auch ’Αδρηστίνη, vgl. Schwyzer 465, Schwyzer-Debrunner 177. — Erweiterte Verbform δρασκάζω = ἀποδιδράσκω (Lex ap. Lys. 10, 17; Zen.), ἀποδρασκάζω (Tz.); davon δράσκασις H. — δρᾱπέτης m. ‘Flüchtling, entlaufen’ (ion. att.); Herkunft des -π- unbekannt; direkter Zusammenhang mit dem aind. Kausativum drāpayati ‘zum Laufen bringen’ unwahrscheinlich; Vermutungen bei Specht KZ 68, 122ff. Mehrere Ableitungen, vorwiegend spät: δραπέτις, δραπετίδης, δραπετίσκος, δραπετικός, δραπετίνδα. Denominatives Verb δραπετεύω ‘ausreißen, davonlaufen’ (att. u. spät) mit δραπέτευμα (Diokl. Kom.) und δραπετεία H. Abgekürzte Form δράπων H. — Dem athematischen Wurzelaorist ἔ-δρᾱ-ν entspricht formal das aind. Wurzelpräsens drā́-ti ‘er entläuft’ (daneben auch die Intensivbildung dári-drāti). Sonstige Anknüpfungen sind unsicher (: ahd. zittarōn ‘zittern’, slav. *dropy ‘Trappe’ in poln. čech. drop usw., Machek Zeitschr. f. slav. Phil. 17, 260). — Vgl. δραμεῖν, δρόμος. I-122-123
ἀπό-ερσε s. ἀπούρας. I-123
ἀπόθεστος vom Hunde des Odysseus (ρ 296), etwa ‘verachtet, verwahrlost, ungepflegt’; danach Lyk. 540, Kall. Fr. 302, Plu. 2, 159f. — Das Oppositum πολύ-θεστος ‘viel-erfleht’ (Kall.) ebenso wie EN, z. B. ’Ερμό-θεστος, böot. Θιό-φειστος, wozu noch ἄ-θεστος (’Ερινύς H.) zu stellen ist, sprechen entschieden für die Zerlegung ἀπό-θεστος zu θέσσασθαι (Doederlein Hom. Gl. 3, 366 usw.). Wegen der (kaum ernstlichen) Schwierigkeit, der Präposition ἀπο- gerecht zu werden, zieht Leumann Hom. Wörter 64f. die antike Auflösung in ἀ- πόθεστος, zu ποθέω, vor, was wegen der erwähnten Parallelen bedenklich scheint. Auch bei dieser Deutung gehört ἀπόθεστος letzten Endes zu der Wortsippe von θέσσασθαι, s. d. I-123
ἄποινα pl. ‘Wergeld, Lösegeld, Buße’ (vorw. poet. seit Il.), sg. ἄποινον metr. Inschr. (IG 14, 1389, 1, 10). Denominatives Verb ἀποινάω, -άομαι ‘Wergeld fordern’ (Lex ap. D. 23, 28, E. Rh. 177). — Haplologische Substantivierung von *ἀπόποινος, zu ἀποτίνω gebildet nach Muster des Paares ποινή : τίνω. Vgl. Fick BB 18, 136; 138. I-123
ἀπόκυνον n. Pflanzenname, ‘Cynanchum erectum’ (Dsk., Paul. Aeg., Gal.), nach H. auch = μάζα μεμιγμένη φαρμάκῳ πρὸς ἀναίρεσιν κυνῶν. — Eigentlich Substantivierung eines Adjektivs *ἀπόκυνος ‘dem Hunde abgewandt, feindlich’. Näheres bei Strömberg Wortstudien 26. I-123
ἀπολάντιον n. wahrsch. Pflanzenname (σπάρτα ἀπολαντίου PMag. Lond. 1, 121, 209, IIIp). — Unhaltbare Anknüpfung an λέντιον ‘leinenes Tuch’ bei Strömberg Wortstudien 27. I-123
ἀπολαύω ‘genießen’ (ion. att., "von Haus aus kein feines Wort" Wackernagel Unt. 229). Davon die Verbalnomina ἀπόλαυσις (att., s. Holt Les noms d’action en -σις 193 mit Hinweisen), ἀπόλαυσμα (sp.) ‘Genuß’ und das Adjektiv ἀπολαυστικός ‘dem Genuß ergeben, genießbar’ (Arist., Plb. usw.). — Ein entsprechendes Verb ist außerhalb des Griechischen nicht anzutreffen. Gewöhnlich wird ἀπολαύω mit λεία, dor. λᾱίᾱ (aus *λᾱϝ-ίᾱ) ‘Beute’ zu einer indogermanischen Wort- sippe lāu̯- ‘erbeuten, genießen’ gezogen, die vorwiegend in verschiedenen isolierten Nomina vorliegt wie lat. lucrum (aus *lu-tlo-m) ‘Gewinn’, germ., z. B. got. laun n. ‘Lohn’, aksl. lovъ ‘Fang, Jagd’, loviti ‘fangen, jagen’ u. a. m. (dagegen aind. lotra-, lota- ‘Beute’ wohl mind. aus loptra-, vgl. Wackernagel Ai. Gramm. 1, 91). Curtius 362 mit älterer Lit.; näheres bei WP. 2, 379f., W.-Hofmann s. lucrum. I-123-124
ἀπολεῖν[α] · ἀποστρέφειν. Λάκωνες H. — Aus ἀπο-πολεῖν nach Thurneysen Glotta 12, 145. Vgl. ἀπυλιῶναι. I-124
’Απόλλων, -ωνος Göttername. Dialektische Nebenformen: ’Απέλλων (dor.), ’Απείλων (kypr.), Ἄπλουν (thess.). — Seit J. Schmidt KZ 32, 327ff. wird die Form ’Απόλλων als analogisch nach dem Vok. Ἄπολλον erklärt, der seinerseits durch Vokalharmonie aus Ἄπελλον entstanden wäre, vgl. noch die PN ’Απελλίων, ’Απελλῆς usw. Aus kypr. ’Απείλων läßt sich eine Grundform *’Απέλι̯ων erschließen, die auch dor. ’Απέλλων, aber nicht thess. Ἄπλουν erklärt. m. Ableitungen: ’Απολλώνιος ‘zu A. gehörig’ (Pi. usw.), substantiviert in verschiedenen Bedeutungen, auch EN, fem. -ιάς; ’Απολλωνιακός ‘ds.’ (Ph. u. a.); Deminutivum ’Απολλωνίσκος (Delos, Ath.); ’Απολλωνιών Monatsname (Halikarnassos); ’Απολλωνιασταί m. N. der Apolloverehrer (Rhodos), vgl. z. B. ’Αρτεμισιασταί und Chantraine Formation 317. — Etymologie unbekannt. Die Versuche, ’Απόλλων aus dem Indogermanischen zu erklären, haben zu keinem überzeugenden Ergebnis geführt. Von den verschiedenen Hypothesen ist immer zu nennen die auf Prellwitz BB 24, 214ff. zurückgehende und u. a. wiederholt von Kretschmer (Glotta 13, 242 A. 1; 15,191; 18, 205; 27, 32; 31, 102) befürwortete Zusammenstellung mit einem Substantiv *ἄπελος ‘Kraft’, das in ὀλιγηπελίη ‘Ohnmacht’ (s. d.) usw. vermutet wird und im Germanischen u. a. in awno. afi n. ‘Kraft’ vorliegen soll; dazu noch mehrere illyrische PN, wie Mag-aplinus, Aplo usw. (Krahe IF 57, 117f.). (Kritik dieser Deutung bei Sommer IF 55, 176 A. 2 und bei Nilsson, s. unten). — Anders Solders Arch. f. Religionswiss. 32, 142ff.: zu ἀπέλλαι· σηκοί H., eig. etwa "Steinfügung", von α copulativum und πέλλα· λίθος H.(?), wegen der großen Bedeutung, die die heiligen Steine im Kult des Apollon hatten; Einwände bei Kretschmer Glotta 27, 32. — Ganz unannehmbar Ehrlich Sprachgesch. 32f., Hopfner KZ 49, 253ff. Ältere Deutungen bei Bq. Da der Gott Apollon zweifellos aus Kleinasien stammt, ist wahrscheinlich auch der Name kleinasiatischer Herkunft. Zu vergleichen ist in erster Linie lyd. Pλdans Artimuk (vgl. s. Ἄρτεμις). Unsicher aber möglich ist die von Forrer erwogene und namentlich von Kretschmer Glotta 24, 203ff. verfochtene Identität mit heth. ] .ap-pa-li-u-na-aš, das wahrscheinlich einen Gott bezeichnet, aber vorn verstümmelt sein kann, vgl. Sommer IF 55, 176ff. — Auf vier Altären aus dem inneren Kleinasien hat Hrozný Archiv Orientální 8, 171ff. einen Namen Apulunas in hethitischer Hieroglyphenschrift erkennen zu können geglaubt; die Lesung muß aber als sehr hypothetisch betrachtet werden. — Näheres bei Nilsson Gr. Rel. 1, 498ff. (bes. 523ff.) mit ausführlichen Literaturnachweisen; s. noch Chantraine L’Ant. class. 22, 68 m. Lit. I-124-125
ἀπόμελι n. ‘Met-art, die von dem Wasser bereitet wurde, mit dem man die Honigwaben wusch’ (Dsk., Gal. u. a.). — Das Präfix drückt eine Abart mit pejorativem Nebensinn aus, s. Strömberg Wortstudien 29f. I-125
ἀπομύσσω s. μύσσομαι. I-125
ἀπούρᾱς Aor. Ptz. act. ‘wegnehmend, beraubend’ (Il. 9mal, außerdem ν 270 und Pi. P. 4, 149 [: ἀπούραις]) für *ἀπο-ϝρᾱς (zur Schreibung vgl. Schwyzer 224, Lejeune Traité de phonétique 154 u. 197). — Umstrittene Form. Vielleicht wie (κατα-)κτά̄ς zu ἔκτᾰ (sekundär ἔκτᾱ), ἔκτᾰμεν Neubildung zum ep. asigmatischen Aor. 3. Sg. ἀπ-ηυρᾱ̆ (= ἀπ-η-ϝρᾱ̆ mit gedehntem Augment), Ptz. med. ἀπουρᾰ́μενος Hes. Sc. 173. Barytonese wohl nach dem σ-Aorist; anders (äolisch) Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 119; vgl. Schwyzer 385. Zu ἀπηύρᾱ weiterhin 1. Sg. ἀπηύρων (nach dem Typus ἐτίμα : ἐτίμων); Einzelheiten mit Lit. und Kritik abweichender Ansichten bei Schwyzer 740 A. 5; vgl. noch Chantraine Gramm. hom. 1, 356 u. 379f., Sinclair ClassRev. 39, 99f. — Ein entsprechender σ-Aorist wird in hom. ἀπό-(ϝ)ερσε ‘riß los’ vermutet; für eine Wurzel ϝερ- ‘reißen, greifen’ bietet das Indogermanische mehrere Anhaltspunkte (s. WP. 1, 286f. und 280 zu 12. u̯er- ‘aufreißen, ritzen’ und 6. u̯er- ‘ergreifen, nehmen’), die aber für das Verständnis und die Beurteilung des griechischen Wortes wenig abgeben; vgl. indessen zu 1. ἀρύω und εὑρίσκω. I-125
ἀποφράς, -άδος f., auf ἡμέρα bezogen, ‘unglücklicher Tag, an dem keine Volksversammlung und kein Gericht gehalten wird’ (Pl., Lys., Plu., Luk.), als Übersetzung von nefastus Plu. 2, 518b (ἀποφράδες πύλαι = portae nefastae); selten auf maskuline Begriffe bezogen: ἀποφρὰς ἄνθρωπος Eup. 309; βίος Luk. Pseudol. 32. — Wird allgemein mit φράζω, φραδή, φράδμων verknüpft, wobei -φράς als ein postverbales Wurzelnomen im Anschluß an die Nomina auf -άς zu beurteilen ist, Chantraine Formation 351, Schwyzer 507 (unklar Strömberg Greek Prefix Studies 38f.). Vgl. auch verstümmelte bzw. haplologische Bildungen wie ἀντηρίς, s. d. I-125
ἀποφώλιος ep. und poet. Adj. (seit Od.) unsicherer Bedeutung, von den Alten als ‘ἀνεμώλιος, μάταιος’, d. h. ‘nichtig, eitel’, erklärt. — Zum Vergleich bieten sich einerseits ὄφελος (Schulze Q. 242), anderseits, u. z. besser, ἀποφεῖν· ἀπατῆσαι H. (Doederlein Hom. Gl. 3, 55, Fick KZ 41, 198ff.); somit eig.·trügerisch’. Noch anders Bezzenberger BB 5, 318, Ehrlich Sprachgesch. 29f. Zur Bildung vgl. Chantraine Formation 43. S. auch ἀπαφίσκω, das von ἀποφεῖν nicht getrennt werden kann. Zum ο-Vokalismus (äolisch?) s. Chantraine Gramm. hom. 1, 25f. m. Lit. I-126
ἀποχειροβίοτος (falsch -βίωτος, s. Wackernagel Glotta 14, 55) eig. ‘den Lebensunterhalt von den Händen bekommend’ = ‘von seinen Händen lebend’ (Hdt., X.), — eine Zusammenbildung von βίοτος und ἀπὸ χειρῶν. Daneben, im selben Sinne, ἀποχειρόβιος (Poll., H., Suid.). I-126
ἄππα ‘Vater’ (Kall., Pap., nach EM 167, 32 makedonisch). — Hypokoristisches Lallwort, vgl. πάππα, ἄττα, ἄπφα. — "Grammatikalisierte" Form ἄππας Titel eines Priesterbeamten (Magnesia, Lydien) = τροφεύς H. Vgl. toch. B appa-kke ‘Vater’. I-126
ἀπρίγδα (A. Pers. in lyr.), ἀπρίξ (S., Pl. usw.) ‘fortwährend, festhaltend, unablässig’, — Adv. auf -(γ)δα bzw. -ξ, Schwyzer 620 und 626. Syntheton aus α intensivum und πρίω ‘sägen, mit den Zähnen packen’. — Nach EM 132, 53 auch γένος τι ἀκάνθης (Κύπριοι); vgl. aber ἄρπιξ s. ἄρπεζα. I-126
ἀπροξίς, -ίδος f. N. eines Strauches, ‘Dictamnus albus’ (Pythag. ap. Plin. HN 24, 158). — Unerklärt. I-126
ἀπτερέως ‘flugs, schleunigst’ (Hes., Parm., A. R.). — Zu ἄπτερος ‘beflügelt, schnell’ (Trag. Adesp., H.), von ἀ copulativum und πτερόν, mit metrisch bedingtem -έως. Rupprecht Philol. 78, 395f. gegen Fraenkel Glotta 2, 29ff. — Davon ἀπτερύσσομαι ‘mit den Flügeln schlagen’ (Archil.; nach πτερύσσομαι von πτέρυξ) mit Neubildung ἀπτερύομαι (Arat.; nach ἀφύω : ἀφύσσω usw., s. Fraenkel l. c.). I-126
ἀπτοεπής Beiwort der Hera (Θ 209) unsicherer Bedeutung. — Vielleicht mit Wackernagel BB 4, 2 83f. (vgl. auch Eulenburg IF 15, 162) kontrahiert aus *ἀ-επτο-επής ‘der Worte ausspricht, die nicht gesprochen werden sollten’. I-126
ἅπτω ‘haften, (an)knüpfen, anzünden’, gew. Med. ἅπτομαι ‘anfassen, berühren’ (seit Il.). Ableitungen: ἁφή ‘das Anzünden, das Berühren, der Griff usw.’ (Hdt., Pl., Arist. usw.); davon, oder vielmehr als Deverbativum von ἅπτω, ἀφάω ‘betasten’ nur Präs. (Il., Opp., AP); erweiterte Formen ἀφάσσω ‘ds.’ (ion. hell.) und ἀφάζει· ἀναδέχεται H. — ἅψις ‘das Berühren’ (Hp., Pl., Arist.); ἅψος n. ‘Verbindung’, pl. ‘Gelenke’ (ep.); zur Bildung Schwyzer 513; ἅμμα ‘Schlinge, Knoten, Band’ (ion. poet.) mit dem späten Denominativum ἁμματίζω, wovon ἁμματισμός, und dem Deminutivum ἁμμάτιον (Gal.). — ἁψίς, -ῖδος f. s. bes. — ἅπτρα f. Demin. ἅπτριον ‘Docht einer Lampe’ (Schol.). ἁπτώδιον ‘Spange’ (als Schmuckstück; Pap.), wohl nach ἐνώδιον = ἐνώτιον. — Vielleicht auch ἄφθα, s. d. — Vgl. noch αὐαψή. — Unerklärt. Vgl. die kritischen Erörterungen Kretschmers Glotta 7, 352. — Nach Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 28 aus *ἅπϝω zu aw. āfənte ‘sie werden erreicht’. I-126-127
ἀπυλιῶναι IG 5 (2) p. xxxvi D 1, 20 (Tegea IVa) — steht nach Thurneysen Glotta 12, 145 haplologisch für *ἀπυ-πολιῶναι ‘zurückerstatten’; vgl. s. ἀπολεῖν. I-127
ἄπφα (Eust.), ἀπφίον (Eust.), ἀπφάριον (Xenarch., Smyrna), ἀπφίδιον (Schol.); auch ἀπφία (Poll., H.), ἀπφῦς m. (Theok.). Schmeichelnde Anrede an den Vater und an andere Personen, auch unter Liebenden. Elementarschöpfung, vgl. das unaspirierte ἄππα usw. — Dazu Chantraine REGr. 59-60, 245, Kretschmer Glotta 16, 184 m. Lit.; zum Lautlichen Lejeune Traité de phonétique 61. I-127
ἄρα, ἄρ, enklit. ῥα, woraus mit Elision ῥ’. Daneben kypr. ἔρ(α) H. ‘natürlich, eben, dann; also’ (seit Il.). — Zu lit. ir̃, lett. ìr ‘und; auch, sogar’ aus idg. *r̥; daneben hochstufig lit. ar̃, lett. ar Fragepartikel; vgl. das ebenfalls hochstufige ἔρ(α). Näheres bei Schwyzer-Debrunner 558f.; s. noch Hoenigswald Lang. 29, 288ff. Zu ἀραρίσκω, ἄρτι (s. dd.). — Zum auslautenden -α vgl. auch Schwyzer 622f. m. Lit. I-127
ἀ̆ρά, ion. ἀ̄ρή f. ‘Gebet, Fluch’ (ion. att.). Ableitungen: ἀραῖος ‘zum Gebet, zum Fluch gehörig, fluchbeladen’ (trag.); ἀρατός, -η- ‘fluchbeladen, Gegenstand des Gebets ausmachend, erwünscht’ (poet. seit Il.) mit ἀρατικός (Stoik.). Denominatives Verb ἀράομαι ‘beten, verwünschen’ (poet.), oft in Komposita ἐπ-, κατ-αράομαι (ion. att. usw.). Davon wiederum ἀρητήρ m. ‘Beter, Priester’ (Il. usw.), f. ἀρήτειρα (Kall., A. R. u. a.), ἀρητήριον ‘Ort zum Beten, zum Fluchen’ (Plu.). — Aus ark. κάταρϝος ‘verwünscht’ ist eine Grundform *ἀρϝά zu erschließen, die die wechselnde Quantität des ἀ- erklärt. Das auslautende -α in att. ἀρά ist wahrscheinlich aus dem Verb (-)ἀράομαι oder dem gewöhnlichen Plural ἀραί eingeführt; vgl. die Lit. bei Schwyzer 188 A. 2. Unerklärt. Nicht mit Sturtevant Comp. gr. 1 87, 2 35 zu heth. aruu̯āi- ‘sich niederwerfen, anbeten, huldigen’. Ältere Deutungsversuche bei Bq s. v., WP. 1, 182. I-127
ἄραβος m. ‘Getöse, Gerassel, Klappern (der Zähne)’ (Κ 375, Hes. Sc. 404, Kall. Del. 147, Hld. 5, 3). Daneben, wohl denominativ, ἀραβέω ‘rasseln, erklirren, klappern’ (ep. seit Il.). — Zum Suffix vgl. θόρυβος, κόναβος usw. (Schwyzer 496, Chantraine Formation 260), zum Stamm ἄραδος, ἀράζω. Onomatopoetisch; vgl. Güntert Reimwortbildungen 145f. I-128
ἀράγδην, ἄραγμα, ἀραγμός s. ἀράσσω. I-128
ἄραδος m. ‘heftige Bewegung im Leibe, Herzklopfen’ (Hp., Nik.). Davon ἀραδ<ήσ>ει· θορυβήσει, ταράξει und ἀράδηται· κεκόνηται (?), συγκέχυται H.; vgl. noch ἀράζουσιν· ἐρεθίζουσιν H. — Zur Bildung vgl. κέλαδος, ὅμαδος usw. (Chantraine Formation 359, Schwyzer 508). Onomatopoetisch, vgl. ἄραβος. S. auch WP. 1, 139, Pok. 330 mit fragwertigen außergriechischen Anknüpfungen, außerdem noch Bechtel Dial. 3, 281. I-128
ἀράζω, auch ἀρράζω ‘knurren (vom Hunde)’ (D. H., Ael., Poll., Plu.). Daneben ἀρρίζω (AB) und das reduplizierte ἀραρίζω (Ammon.). — Onomatopoetisch, vgl. ἄραβος und ἄραδος. I-128
ἀραιός (ἁρ- Hdn. Gr.; auch hss.-lich überliefert) ‘dünn, schwach, schlank’, als term. techn. auch ‘locker, porös’ (ep. ion. poet. hell.). Mehrere Ableitungen: ἀραιότης ‘Lockerheit’ (Gegensatz πυκνότης; Hp., Arist. usw.); ἀραιώδης ‘porös’ (Gal.). Faktitives Verb ἀραιόω ‘locker machen’ (Hp., Arist.) mit den Nomina ἀραίωμα, ἀραίωσις. — Unerklärt. Da das Wort wahrscheinlich mit ϝ- anlautete (Sommer Lautst. 114, Uhlenbeck PBBeitr. 30, 261), hat es Specht KZ 59, 63, wenig überzeugend, als *ϝαρασιι̯ός, Positiv zu ῥᾷστος aus *ϝρά̄σιστος (‘dünn’ > ‘leicht zu tun’ [?]) erklären wollen. I-128
ἁράκη, Außerdem ἀρά<κ>η<ν>· φιάλην H. nach Ath. 11, 502b äolisch für φιάλη. — Etymologie unbekannt. I-128
ἄρακος m., auch n. eine Hülsenfrucht, ‘Lathyrus annuus’ (Ar., Thphr. usw.), auch als Konsonantstamm ἄραξ m. (Pap.). Deminutiva: ἀρακίς, ἀρακίσκος (Gal.), ἀράκιον (Gal., Pap.). Adjektiva: ἀρακώδης ‘ἄρακος-ähnlich’ (Thphr.), ἀρακικός ‘aus ἀ. bestehend’ (Pap.). — Etymologie unbekannt. Nach Gehring Glotta 14, 1 kleinasiatisch. Lat. arinca ‘Art Spelt’ bleibt fern. I-128
ἀραρίσκω, Aor. 2 ἀραρεῖν, Aor. 1 ἄρσαι, Perf. ἄρᾱρα (intr.) ‘zusammenfügen, verfertigen, ausrüsten’ (seit Il.). Neben ἀραρίσκω stehen mehrere Nomina, die von einer Wurzel ἀρ- ausgehen, ohne sich direkt auf ἀραρίσκω zu beziehen. So ἅρμα, αρμός, ἁρμονία, ἁρμόζω, ἁρμαλιά, ἀρτύς, ἄρθρον (s. dd.). Direkt von ἄραρα: ἀραρότως ‘fest angefügt’ (A., E., Pl. usw.). — Außerdem sind zu erwähnen: ἄρμενος ‘passend, ausgerüstet’, isoliertes mediales Wurzelpartizip (poet. seit Il.) mit dem substantivierten n. pl. ἄρμενα, s. d. — Ferner ἀρθμός ‘Verbindung, Bund, Freundschaft’ (h. Merc. 524 u. a.) mit ἄρθμιος ‘verbunden, befreundet’ (ep. ion.) und ἀρθμέω ‘sich vereinigen’ (Il., A. R.); vgl. Porzig Satzinhalte 237 (nach θεσμός), Trümpy Fachausdrücke 187. — ἁρμή ‘Vereinigung’ (Hp., Chrysipp., Q. S.); ἄρμᾱ f. ‘Vereinigung, Beischlaf’ (delphisch, Plu., H.). — ἄρσιον· δίκαιον H. ist wahrscheinlich aus ἀν-άρσιος herausgelöst, s. Frisk Adj. priv. 7, Trümpy 182f. — S. noch ἀριθμός, ἀρείων, ἀρέσκω und ἀρετή, ἄρτι, ἁμαρτή, ὄαρ. — Der reduplizierte Aorist ἀραρεῖν, woneben das alte Perfekt ἄρᾱρα, hat sein nächstes Gegenstück im armen. Aorist arari ‘ich machte’ (Präs. aṙnem). Das Präsens ἀραρίσκω ist neugebildet, s. z. B. Chantraine Gramm. hom. 1, 317. Das Wurzelelement ἀρ- ist sonst in einer Reihe von Bildungen verschiedener Sprachen zu Hause, s. die einzelnen Wörter und WP. 1, 69ff., Pok. 55f. I-128-129
ἀράσσω, Aor. ἀράξαι ‘schlagen, stoßen, klopfen’ (vorw. poet. seit Il.), öfters in Komposita wie ἀπ-, συν-, κατ-αράσσω. Davon die Nomina ἀραγμός ‘das Schlagen, das Gerassel’ (Trag., Lyk., H.), ἄραγμα (E., Sor.); Adv. ἀράγ-δην ‘mit Getöse’ (Luk.). An diese Nomina mit γ schließt sich an das sekundär entstandene ἀράγειν· σπαράσσειν H. — Etymologisch unklar, vielleicht onomatopoetisch; vgl. ἄραβος. Ob ῥά̄ττω, ῥήσσω ‘schlagen’ damit verwandt ist (Bechtel Lex. 293 nach J. Schmidt), bleibt fraglich. I-129
ἀρασχάδες Daneben ἀρέσχαι· κλήματα, βότρυες H. und ὀρεσχάς· τὸ σὺν τοῖς βότρυσιν ἀφαιρεθὲν κλῆμα H. · τὰ περυσινὰ κλήματα H. — Dunkel. Strömberg Wortstudien 53f. versucht die erwähnten Wörter mit dem synonymen ὄσχη (nach Harpokration s. ὀσχοφόροι = κλῆμα βότρυς ἐξηρτημένους ἔχον) in Verbindung zu bringen. Vgl. αὐροσχάς. I-129
’Αράτυος m. lokrischer Monatsname = November (- Dezember) SIG2 855. — Zunächst aus *’Αράτυια n. pl. ‘Ackerfest’, von *ἀρα-τύς, Verbalnomen von ἀρό-ω ‘pflügen’; vgl. zum α-Vokalismus kret. ἄρα-τρον = ἄρο-τρον usw. Schwyzer Glotta 12, 1f. Über Bildung und Bedeutung noch Benveniste Noms d’agent 73. I-129
ἀράχιδνα f. N. einer Hülsenfrucht, ‘Lathyrus amphicarpus’ (Thphr.). — Vgl. ἄραχος, ἄρακος; sonst dunkel. Vgl. Chantraine Formation 109. I-129
ἀράχνη ‘Spinne, Spinnengewebe’ (Hp., A., Arist. usw.), ἀράχνης m. ‘Spinne’ (Hes., Pi. usw.), woneben ἄραχνος m. (A. Supp. 887). f. Mehrere Ableitungen: ἀράχνιον ‘Spinnen- gewebe’ (Od., Kom., Arist. usw.), auch als Deminutivum ‘kleine Spinne’ (Arist.), mit ἀραχνιώδης ‘spinngewebe-artig’ (Hp., Arist., Dsk.) und dem Denominativum ἀραχνιόομαι, -όω ‘mit Spinnengewebe überzogen werden, bzw. überziehen’ (Arist., Nonn.). Von ἀράχνη ferner die Adjektiva ἀραχνώδης ‘spinngewebe-ähnlich’ (Arist., Ael.), ἀραχνήεις (Nik.) und ἀραχναῖος (AP) ‘zur Spinne gehörig’, ebenso wie das Denominativum ἀραχνάομαι ‘ein Spinnengewebe spinnen’ (Eust.). — ἀράχνηκες· ἀράχναι H. ist eine Umbildung nach σφῆκες, μύρμηκες, σκώληκες usw. — ἀράχνη, falls, wie wahrscheinlich, aus *ἀρακ-σνᾱ, hat ein genaues Gegenstück in lat. arāneus m. ‘Spinne’, arānea f. ‘Spinngewebe’ aus *arak-sneios. Weitere Verwandtschaft mit ἄρκυς (s. d.) usw. ist nicht wahrscheinlich. Näheres bei W.-Hofmann s. arāneus. I-129-130
ἄραχος (Gal.) m. — spätere Form für ἄρακος (s. d.). I-130
ἄρβηλος Vgl. auch ἄρβηλοι γὰρ τὰ δέρματα H. s. v. ἀνάρβηλα. m. ‘rundes Schustermesser’ (Nik. Th. 423), auch übertragen von einer geometrischen Figur (Papp.); näheres darüber Thompson ClRev. 56, 75f., Beazley ibid. 116. — Fremdwort unbekannten Ursprungs. I-130
ἀρβίννη · κρέας. Σικελοί H. — Zu lat. arvīna ‘Fett, bes. um die Eingeweide’, aus dem es wahrscheinlich entlehnt ist (Ribezzo RIGI 12, 196). Nach v. Blumenthal Hesychst. 16 messapisch und mit arvīna urverwandt. Vgl. W.-Hofmann s. arvīna. I-130
ἀρβύλη f. ‘Schuh, der den ganzen Fuß bis an den Knöchel bedeckte’ (Hp., A., E.). Deminutivum ἀρβυλίς (Theok., APl.), Adjektiv ἀρβυλικός (Delos IIIa). — Orientalisches LW aus unbekannter Quelle. Vgl. ἄρμυλα und außerdem ἀρβύκη· τοῦ ὑποδήματος H., das kaum richtig überliefert sein kann. S. auch Knauer Glotta 33, 114 A. 1. I-130
’Αργαδεῖς (-ῆς) m. pl. N. einer der vier ionischen Phylen in Attika und anderswo, nach Plutarchos Solon 23 = τὸ ἐργατικόν. — Herkunft unbekannt; vgl. die Bemerkungen von Frisk bei Nilsson Cults 147 A. 17, wo u. a. die dunkle Hesychglosse ἀργάδες· εἶδος φυτοῦ herangezogen wird. S. auch Fraenkel Nom. ag. 2, 180f. m. Lit. I-130
ἀργαλέος Davon ἀργαλεότης f. (Ph., Eust.). — aus *ἀλγαλέος dissimiliert, zu ἄλγος, s. d. I-130
’Αργεϊφόντης Epithet des Hermes (Hom. usw.). — Metrische Umbildung von *’Αργοφόντης (Kretschmer Glotta 10, 45ff.). Nicht sicher gedeutet. Die antike Erklärung als "Argostöter" wird von Kretschmer Glotta 24, 236f. und 27, 33 (gegen Chantraine Mélanges Navarre 69ff., der es als vorgriechisch ansieht) verteidigt: "Töter eines örtlichen autochthonen Ungeheuers, des Eponymen der Landschaft Argos, und Befreier der Welt von dem Übel." — Ganz anders Heubeck Beitr. z. Namenforschung 5, 19ff. (mit weiterer Lit.): "sich durch ἄργος (d. h. ‘schnell sich verbreitenden Glanz, strahlende Schnelligkeit od. ä.’) auszeichnend" (zu εὐθένεια usw.); kaum einleuchtend. I-130-131
ἄργελλα woneben ἄργιλλα, ἄργῑλα f. ‘unterirdische Wohnung’ (Magna Graecia, Ephor. u. a.). · οἴκημα Μακεδονικόν, ὅπερ θερμαίνοντες λούονται Suid., — Daraus alb. ragál ́ ‘Hütte’ nach Jokl IF 44, 13ff. Sonst unerklärt. Beziehung zu ἄργιλλος ‘weißer Ton’ scheint fraglich. I-131
ἀργέλοφοι (Ar. V. 672). m. pl. Nach den Sch. und nach AB 8 ‘die Füße des Schaffells’, attisch für ποδεῶνες, auch ‘unbrauchbarer Abgang’ im allg. — Vielleicht mit Bq eine scherzhafte Zufälligkeitsbildung des Ar.; die antike Herleitung aus ἀργός und λόφος kann jedenfalls unmöglich richtig sein. I-131
ἄργεμον auch -ος m. n., ‘weißer Fleck im Auge, albugo’ (Hp., S., Thphr. usw.), auch Pflanzenname (Plin.). — Verhält sich zu *ἄργος in ἀργεστής, ἀργεννός wie ἄνθεμον zu ἄνθος. Vgl. Chantraine Formation 132. Weitere Beziehungen s. 1. ἀργός. — Ob die mohnartige Pflanze ἀργεμώνη ‘Papaver Argemone’ (Krateuas, Dsk. u. a.), die nach Dioskurides als Heilmittel gegen weiße Flecken in den Augen gebraucht wurde (vgl. Strömberg Pflanzennamen 87), ihren Namen wirklich von der Augenkrankheit bezogen hat, sei dahingestellt. Zur Bildungsweise sind dann ἀνεμώνη, ἰασιώνη usw. (Chantraine 208) zu vergleichen. Volksetymologische Umbildung eines Lehnworts ist natürlich nicht ausgeschlossen. Die Erklärung aus hebr. ’argāmān ‘roter Purpur’ (Lagarde Gött. Abh. 35, 205, vgl. Lewy Fremdw. 49f.) ist allerdings semantisch wenig befriedigend. I-131
ἀργεννός, ἀργεστής s. ἀργός. I-131
ἀργής, -ῆτος usw., ep. auch -έτι, -έτα, spätes fem. ἀργέτις ‘blendend weiß, glänzend’ (poet. seit Il.). — Poetische Erweiterung ἀργησ-τής ‘ds.’ (B., A., Theok.), vielleicht nach ὠμηστής (Schwyzer 500 A. 1; anders Fraenkel Nom. ag. 1, 142f.). — Bildung wie γυμνής usw. (Chantraine Formation 267, Schwyzer 499) und zu 1. ἀργός ‘glänzend’ (s. d.), ἀργεστής, ἀργεννός usw. gehörig, aber schwerlich direkt auf den σ-Stamm *ἄργος (vgl. auch ἐναργής, -οῦς) zurückzuführen. I-131
ἀργιλιπής (Archil. 160, Beziehung unsicher wegen der schwankenden Überlieferung), ἀργίλιπες pl. (Nik. Th. 213, von ἔχιδναι, nach den Scholl. = ἔκλευκοι, d. h. ‘weißlich’). — Zu ἀργι- in ἀργι-κέραυνος usw. (s. ἀργός) und λιπεῖν, somit eig. "der das Weiße verlassen hat" mit Umstellung der Glieder für *λιπ-αργής, vgl. λιπ-αυγής usw. I-131-132
ἄργιλλος, ἄργῑλος ‘weißer Ton’ (Arist., Thphr., Opp.), ἄργιλλα f. ‘ds.’ (Gal.). f. Davon ἀργιλ(λ)ώδης ‘tonartig’ (Hdt.usw.). — Wahrscheinlich zur Sippe von 1. ἀργός mit λ-Suffix, vgl. Chantraine Formation 249, Schwyzer 483. Lat. argilla ist griechisches LW. I-132
Ἄργος n. N. mehrerer Städte, von denen die Hauptstadt in Argolis die bekannteste ist (seit Il.). Davon ’Αργεῖοι, sg. -ος ‘Bewohner von Argos’ (seit Il.), — wovon lat. Argīvī nach Achīvī. — Unerklärt, sicher vorgriechisch. v. Windekens L’Ant. class. 19, 400f., Le Pélasgique 18f. usw. erwägt "pelasgische" Herkunft (zu gr. ἀρκέω, lat. arx usw.). I-132
ἀργός 1. ‘weißglänzend’, auch ‘schnell beweglich’ (vgl. aind. r̥jrá- unten; seit Il.). Ableitungen: ἀργαίνω ‘weiß sein’ (E., Opp., Nonn.); ἀργῖτις (ἄμπελος Verg., Plin.); ferner ἀργᾶς, -ᾶ m. (Achae., Aeschin. u. a.), ἀργόλας m. (Suid.), Bez. verschiedener Schlangenarten. — Dazu als EN mit regelmäßig verschobenem Akzent Ἄργος m. (seit Od.) und ’Αργώ f. "die Schnelle", N. eines bekannten mythischen Schiffes (seit Od.). — Neben ἀργός hat es einen neutralen σ-Stamm gegeben, der außer im Kompositum ἐν-αργής in zwei Ableitungen bewahrt ist: 1. ἀργεσ-τής m. Attribut des Südwindes (νότος, Il.), des Westwindes (Ζέφυρος, Hes.) ‘hell, klar’ (in faktitativem Sinne), auch (mit regelmäßig verschobenem Akzent) ’Αργέστης als Name dieses Windes (Arist. usw.); nur Erweiterung von ἀργής bei Nik. Th. 592; 2. ἀργεννός aus *ἀργεσ-νός ‘weißglänzend’, äol. Form (Il.); aus dem Epos von anderen Dichtern (E. in lyr. usw.) übernommen; — dagegen ist ἀργήεις, dor. ἀργάεις, kontr. ἀργᾶς -ᾶντος ‘weißglänzend’ (A. in lyr., Pi., Orph.) nur eine Erweiterung von ἀργής (s. d.), s. Schwyzer 528. — Das als Vorderglied auftretende ἀργι- (s. unten) liegt dem ep. ἀργι-όεις (v. l. ἀργινόεις) zugrunde (Β 647, 656); ἀργινόεις auch A. R. 4, 1607 und AP 7, 23, vgl. noch ’Αργινοῦσσαι, mit demselben ν-Suffix wie in ἀργεννός; zum Ausgang vgl. φαιδιμόεις und andere erweiterte Formen bei Schwyzer 527 Mom. 3. Zum Vorderglied ἀργι- in ἀργί-πους, ἀργι-κέραυνος, ἀργι-όδων usw. stimmt der Funktion und Bedeutung nach aind. r̥ji- in r̥ji-pyá- (vgl. αἰγυπιός). Diesem Vorderglied entspricht als Simplex r̥j-rá- ‘glänzend, schnell’. Da ἀργι- und ἀργός sich auf dieselbe Weise zueinander verhalten, muß ἀργός durch Dissimilation aus *ἀργ-ρός entstanden sein (Wackernagel Verm. Beiträge 8f.; zum Wechsel ι : ρο Schwyzer 447 mit weiterer Lit.). — Das wurzelhafte Element ἀργ-, das in einer Reihe griechischer Wörter vertreten ist (s. ἄργεμον, ἀργής, ἄργυρος usw.), findet sich in zahlreichen anderen Sprachen wieder, z. B. lat. argentum (s. ἄργυρος), aind. árjuna- ‘weiß, licht’, toch. A ārki, B arkwi ‘weiß’, heth. ḫarkiš ‘weiß, hell’, illyr. Flußname Argao (Krahe IF 58, 211f.). Ein anderer Ablaut muß in aind. r̥jrá- und somit auch in ἀργός vorliegen. — Ob ἀργός ‘rasch’ = aind. r̥jrá- ‘ds.’ ein anderes Wort darstellt (zu lat. rego usw., WP. 2, 362f. mit Persson Beitr. 828 A. 1), ist strittig. Nach Bechtel (s. Lex. 57) ist der Begriff des Leuchtens aus dem der schnellen Bewegung geflossen, was an und für sich ohne Zweifel möglich ist. In Anbetracht der weit verbreiteten und offenbar uralten hierhergehörigen Farbwörter müßte es sich dann um eine sehr früh eingetretene Bedeutungsverschiebung handeln, bei der die Vorstellung der Bewegung ganz in den Hintergrund gedrängt wäre. Eher ist von einer ursprünglichen Anschauung auszugehen, der sowohl das Leuchten wie die schnelle Bewegung inhäriert; Pok. 64 nach Schulze Kl. Schr. 124 A. 6. I-132-133
ἀ̄ργός 2. ‘untätig, unwirksam’ (ion. att.). Davon ἀ̄ργία ‘Untätigkeit’, ἀ̄ργέω ‘untätig, unwirksam sein’ (beide ion. att.) und mit rein formaler Erweiterung ἀ̄ργώδης ‘untätig’ (Aesop.). Außerdem ἀ̄ργίς f. "die Unwirksame" = ‘Nacht’ (Orph.) und ἀ̄ργεύομαι = ἀ̄ργέω (Gal.). — Durch Kontraktion aus ἀ-(ϝ)εργός (seit Il.) entstanden, Bahuvrihikompositum von α privativum und (ϝ)έργον (s. d.). I-133
ἄργυρος m. ‘Silber’ (seit Il.). Mehrere Ableitungen: ἀργύρεος, ἀργυροῦς ‘silbern’ (seit Il.), ἀργύρειος ‘ds.’ (att.), ἀργυρώδης ‘reich an Silber’ (X.). — ἀργύριον ‘Silber(münze), Geld’ (ion. att.; zur Bildung Chantraine Formation 58) mit ἀργυρικός ‘Geld betreffend’ (hell. u. spät). Deminutivbildung, meistens verächtlich, ἀργυρίδιον (Kom , Isok. u. a.). — Ferner ἀργυρίς ‘silbernes Gefäß’ (Pi., Pherekr. usw.), ἀργυρίτης, f. -ῖτις ‘Silber enthaltend’, als Pflanzenname "Silberkraut" (Strömberg Pflanzennamen 26), auch ‘Geld betreffend’ (X., Plb. usw.), ἀργύριος m. Pflanzenname (H.), auch äol. = ἀργύρεος (Alkm.), ἀργυρωταί pl. N. einer Behörde in Sillyon, vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 170. — Denominative Verba: 1. ἀργυρόομαι, -όω ‘mit Silber bedeckt od. versehen werden’, bzw. ‘versilbern’ (Pi., Dialex. usw.) mit dem Verbalnomen ἀργύρωμα ‘Silbergeschirr’ (Lys., Antiph. usw.; kann auch direkt von ἄργυρος gebildet sein), wovon das Deminutivum ἀργυρωμάτιον (Arr.) und das Adj. ἀργυρωματικός (Ephesos). 2. ἀργυρίζομαι ‘Geld erpressen’ (Din., J. usw.) mit ἀργυρισμός (Str., Ph. usw.). 3. ἀργυρεύω ‘nach Silber graben’ (D. S., Str.); unabhängig davon (wohl nach χαλκευτική, vgl. Chantraine Formation 396) ἀργυρευτική f. (sc. τέχνη) ‘Silberschmiedekunst’ (Eustr.). — Öfter als Vorderglied, z. B. ἀργυρό-πεζα (Il. usw.), von Thetis u. a., nach Pisani Rev. ét. anc. 37, 145ff. ‘mit einem Fuß von Silber’ wie kelt. ’Αργεντόκοξος. — ἄργυρος hat eine unmittelbare Entsprechung in messap. argorian (: ἀργύριον) und argora-pandes (aus *arĝuro-pondios? Krahe Sprache 1, 39; s. außerdem Mayer Glotta 24, 192 gegen Ribezzo, der Entlehnung aus dem Griechischen annimmt). Es geht zunächst von demselben u-Stamm aus, der in ἄργυ-φος (s. d.) und weiterhin in aind. árju-na- ‘weiß, licht’, lat. argū-tus usw. vorliegt (dagegen kaum in toch. B ārkwi, s. Pedersen Tocharisch 109, und noch weniger mit Specht Ursprung 114 in ārc-une mit suffixalem -une). Andere Sprachen haben dafür einen n-Stamm, der in lat. argentum klar hervortritt und mit Recht auch in aw. ərəzatəm und aind. rajatám angenommen wird (Vermutungen über den Wechsel bei Specht a. a. O., der aber in seinen Kombinationen weit über das Beweisbare und Wahrscheinliche hinausgeht); wieder anders arm. arcat‘ (wie erkat‘ ‘Eisen’). — Die formale Variation läßt vermuten, daß der Gebrauch des Silbers bei den Indogermanen jedenfalls wenig eingebürgert war, schließt aber dessen Kenntnis nicht aus. Das Germanische, Baltische und Slavische haben ein anderes Wort irgendwoher entlehnt (Silber, lit. sidãbras, aksl. sьrebro usw.). Vgl. Schrader-Nehring Reallex. 2, 394, Ipsen Stand und Aufgaben 228. I-133-134
ἄργυφος ‘weißglänzend’ (Hom.), ἀργύφεος ‘ds.’ (Hom., Hes. usw.). — Von demselben Stamm wie ἄργυ-ρος vermittels des φο-Suffixes gebildet, das u. a. in Farbenadjektiven zu Hause ist, Chantraine Formation 263, Schwyzer 495 m. Lit. Unwahrscheinliche Vermutung über -υ- (äolisch für -ο-?) bei Chantraine Gramm. hom. 1, 25. I-134
ἄρδᾰ f. ‘Schmutz’ (Pherekr. 53). Daneben ἄρδαλος ‘ds.’ (Erot., H.); nach Erot. auch = ἄνθρωπος ὁ μὴ καθαρῶς ζῶν; ἀρδάλους· εἰκαίους H. (?). Vgl. Wörter wie αἴθαλος, πτύαλον (Chantraine Formation 245). Denominatives Verb ἀρδαλόω ‘beschmutzen’ (Hp., LXX u. a.). — Dunkel. Die semantisch mögliche Anknüpfung an ἄ̄ρδω ‘benetzen’ (Curtius 229) wird durch die Kürze des anlautenden ἀ- in ἄρδα erschwert. Der Ausgang ist mehrdeutig: entweder aus -ρδι̯ᾰ (> -ρzδᾰ > -ρδᾰ) oder mit sekundärer Kürzung aus -η nach Schwyzer 476 Mom. 6 (mit weiterer Lit.). I-134
ἄρδις, -ιος f. ‘Pfeilspitze’ (Hdt., A. Pr. 880 [lyr.]), ‘Pfeil’ (Lyk.). Davon ἀρδικός· φαρέτρα H. — Nicht sicher erklärt. Vielleicht zu air. aird (aus *ardi-) ‘Punkt, Spitze, Himmelsrichtung’ (Fick4 2, 19; 1, 356), anord. erta (aus *artjan) ‘aufstacheln, anreizen’, mind. aḷi (aus *aḍi, idg. *r̥di-) ‘Biene, Skorpion’ (Lüders Schriften 429). I-134-135
ἄ̄ρδω (ἀ̄- nach Hdn. Gr. 2, 109) ‘bewässern’ (ion. att.). Ableitung ἀρδμός ‘Tränkplatz’ (ep. seit Il.), erweiterte Form. ἀρδηθμός (Lyk., Nik.; vgl. Chantraine Formation 137, Schwyzer 493). Außerdem ἀρδάνιον ‘Wasserkrug usw.’ (Gramm.), ἀρδάλια· τοὺς πυθμένας τῶν κεραμίδων, οὕς ἔνιοι γοργύρας καλοῦσιν H. — Eine formale Erweiterung ist ἀρδεύω (A. Pr. 852, Arist., hell. u. spät, Schwyzer 732 mit A. 7 m. Lit.) mit mehreren Ableitungen: ἀρδεία ‘Bewässerung’ (Str., Plu. usw.), ἄρδευσις ‘ds.’ (Plb. u. a.) mit ἀρδεύσιμος (H., vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 86); ἀρδευτής m. ‘Bewässerer’ (Man.). Zu bemerken noch das Kompositum νεο-αρδής (Φ 346). — Etymologie unbekannt. Die anlautende Länge will Kretschmer Glotta 3, 294f. aus *ἀ-ϝάρδω erklären mit prothetischem Vokal vor dem Digamma, das durch das Kompositum νεοαρδής nahegelegt wird. Die Anknüpfung an ἐρράδαται (aus *ϝεϝράδαται) mit Curtius u. a. und an lett. werdīt ‘sprudeln’, lit. versmė̃ ‘Quelle’ (Ehrlich Sprachgesch. 30f.) ist kaum haltbar, erstens weil δ in ἐρράδαται (zu ῥαίνω) wahrscheinlich sekundär entstanden ist (Schwyzer 672), zweitens wegen der stark abweichenden Bedeutung der baltischen Wortsippe. — Weitere Literatur bei WP. 1, 148f. und 268f. I-135
’Αρέθουσα f. Name verschiedener Quellen, z. B. auf Ithaka (ν 408), vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 186. Davon ’Αρεθούσιος (AP). — Zwei verschiedene Hypothesen sind vorgeschlagen worden : 1. zu ἀρέσκω, ἀρετή als "die Gefällige", vgl. Schönbrunn, ngr. καλοβρύσι (Aly Glotta 5, 57f.); 2. zu idg. *redhō etwa ‘quellen, fließen’, das in mehreren europäischen Flußnamen, z. B. Radantia (> nhd. Rednitz), gespürt werden kann (Krahe PBBeitr. 71, 476f., Beitr. z. Namenforschung 2, 230f.). I-135
ἀρειή f. ‘Verwünschung, Drohung’ (Il.). Davon ἀρειάω ‘drohen’ (Hippon.). Ein stammverwandtes Kompositum ist ἐπήρεια (gemeingr. ē), s. d. — Gewöhnlich mit aind. irasyā́ ‘Übelwollen, Neid (?)’ (RV. 5, 40, 7) identifiziert, was nicht unmöglich, aber sowohl wegen der Form als auch der Bedeutung etwas bedenklich ist. Vgl. ἀρή. I-135
ἀρείων ‘besser, tüchtiger, edler’ (Hom. und ältere Poesie), — primärer Komparativ neben dem schwachstufigen Superlativ ἄριστος, s. d. — Die Möglichkeit der von Güntert IF 27, 67 vertretenen Auffassung, ἀρείων sei wie λωΐων u. a. ein unechter Komparativ, der durch Umformung eines Positivs ἄρειος entstanden wäre, hat Seiler Steigerungsformen 116ff. im Prinzip zugegeben, jedoch mit der wesentlichen Abänderung, daß er anstatt des von Güntert angenommenen ἄρειος ‘kriegerisch’ ein gleichlautendes *ἄρειος im Sinn von ‘Vorteil, Nutzen bringend’ (zu ἄρος· ὄφελος H.) anzusetzen geneigt ist. I-135-136
ἀρέσκω, Aor. ἀρέσαι ‘befriedigen, gefallen’ (seit Il.). Vom Präsensstamm: ἄρεσκος ‘gefällig, schmeichlerisch’ (Arist., Thphr.) und auch (nach den zahlreichen Abstrakta auf -εία, vgl. Chantraine Formation 89f.) ἀρεσκεία ‘gefälliges, schmeichelndes Wesen’ (Arist., hell.). Eine retrograde Ableitung von ἀρεσκεία ist ἀρεσκεύομαι ‘sich schmeichlerisch betragen’ (Klearch., Plu., M. Ant.) mit ἀρέσκευμα (Plu., Epikur.) und ἀρεσκευτικός, (M. Ant.). — Vom Verbalstamm: ἄρεσις ‘Gefälligkeit’ (Priene IIa). Ebenso, mit "anorganischem" σ (Schwyzer 503, Chantraine 305), ἀρεστός ‘angenehm, beliebt’ (ion., poet., hell.) und ἀρεστήρ m. "Versöhner", N. eines Opferkuchens zur Sühnung eines Gottes (Inschr., Ael. Dion. u. a.) mit ἀρεστήριος ‘versöhnend’ (D. H.), ἀρεστηρία (θυσία) und ἀρεστήριον (Inschr.); dazu noch ’Αρέστωρ PN (Hes. u. a.) und ἀρέσμιον ‘honorarium’ (Stiris, vgl. Schwyzer 493 A. 10). — Das Präsens ἀρέ-σκω und der Aorist ἀρέ-σαι fußen auf einer zweisilbigen Wurzel, die auch in ἀρείων und ἀρετή (s. d.) vorliegt und eine Wechselform zu dem einsilbigen ἀρ- in ἀραρίσκω, ἀραρεῖν usw. (s. d.) darstellt. Vgl. die Lit. bei Schwyzer 708 A. 8. I-136
ἀρετή f. ‘Tüchtigkeit, Stärke usw.’ (seit Il.). Davon die seltenen Denominativa ἀρετάω ‘gedeihen’ (Od. und späte Prosa) und ἀρετόομαι ‘tüchtig sein’ (Simp.). — Die Bildung von ἀρετή ist nicht ganz klar. Man kann es entweder als eine primäre Bildung von ἀρε- in ἀρέ-σκω, ἀρέ-σαι oder aber, u. zw. wegen der Bedeutung besser, als eine sekundäre Bildung vom Nominalstamm in ἀρε-ίων auffassen. Vgl. die Lit. bei Schwyzer 501; außerdem Prellwitz Glotta 19, 88f. (= "das Gut-sein", Abstraktbildung von idg. *aro-s ‘füglich, gut, passend’; hypothetisch). Anders Brandenstein Archiv Orientální 17 : 1, 81f. (‘Fügung, Fug’, zu ἀραρίσκω). — Zur Bedeutung s. u. a. noch Keyßner Gottesvorstellung und Lebensauffassung im griech. Hymnos, Stuttgart 1932, S. 50 u. 160ff. I-136
ἀρή f. ‘Schaden, Unheil, Verderben’ (Hom., Hes., A. in lyr.). Verwandte Bildungen sind das ep. Partizip ἀ̄ρημένος ‘βεβλαμμένος’ (Hom.) und ἄρος· βλάβος ἀκούσιον H., mit ἀπ-αρές· ὑγιές H., wohl auch der Göttername Ἄρης, s. d. Wenig wahrscheinlich betrachtet Porzig Satzinhalte 321 ἀρή als eine Neubildung zu ἀ̄ρημένος für das altererbte ἄρος und für ἀρειή. Spekulationen über die Stammbildung (alter ē-Stamm?) bei Bechtel Lex. — Hierher ἀρειή (s. d.); weitere Beziehungen unsicher, vgl. WP. 1, 151, Pok. 337, Duchesne-Guillemin BSL 41, 155, der toch. A rse etwa ‘Haß’ hinzufügt. Ältere Literatur bei Bq. Verfehlt Ehrlich Sprachgesch. 31f. (aus *ϝαρά zu (ϝ)έρρω, got. wairsiza ‘schlimmer’). I-136-137
ἀρήγω ‘helfen, beistehen (gegen etw.)’, vorwiegend poet. seit Il.; zur Verbreitung usw. s. Erika Kretschmer Glotta 18, 99f. Ableitungen: ἄρηξις ‘Hilfe, Beistand’ (A., S.), ἀρηγών, -όνος m. f. ‘Helfer, -in’ (poet. seit Il.) mit ἀρηγοσύνη ‘Hilfe’ (AP, Epigr.). Mit altem Ablaut ἀρωγή ‘Hilfe, Beistand’ und ἀρωγός, -όν ‘Helfer, helfend’ (beide vorw. poet. seit Il.); Versuch, ἄρηξις und ἀρωγή semantisch zu differenzieren, bei Holt Les noms d’action en -σις 145f. — Nicht sicher erklärt. Wird gewöhnlich mit einer germanischen Wortsippe, ahd. geruohhen, as. rōkjan, awno. rø̄kja usw. ‘Sorge tragen, Rücksicht nehmen’ (mit altem ō-Vokalismus) verglichen und weiterhin, in der sehr hypothetischen Annahme einer Bedeutungsentwicklung ‘aufrichten’ > ‘Sorge tragen’, zu lat. rego, gr. ὀρέγω (s. d.) usw. gezogen. Die daraus folgende Gleichung ἀρηγών = aind. rā́jā ‘König’ (Schulze Kl. Schr. 172 A. 3 mit Fragezeichen) bleibt aber auch unter dieser Voraussetzung recht zweifelhaft. — Zur Vokalprothese s. Harl KZ 63, 18. I-137
ἀρήν (Gortyn ϝαρήν), Gen. ἀρνός usw., neugebildete Nominative ἀρνός (Aesop.), ἀρής, ἄρνον (Pap.) ‘Schaf, Lamm’ (seit Il.). Ableitungen: ἄρνειος ‘vom Schaf od. Lamm’ (ion. att.), wie αἴγειος, βόειος usw. (Chantraine Formation 50f.); ἀρνέα f. ‘Schaffell, -pelz’ (Hdn.), ‘Schafzucht’ (POxy. 2, 297, 8; richtig übersetzt?) wie αἰγέα usw. (Chantraine 91); ἀρνεῖον ‘Metzgerei’ (Didym.), wie κναφεῖον usw. (Chantraine 61). Deminutivum ἀρνίον ‘Lämmchen’, auch ‘Schaffell’ (Lys.usw.); volkstümliche Erweiterung ἄριχα (Akk.)· ἄρρεν πρόβατον H., βάριχοι (= ϝ-)· ἄρνες H. (Chantraine 403). — Außerdem ἀρνακίς ‘Schafpelz’ (Ar., Pl., Theok. usw.), wohl haplologisches Femininum von *ἀρνό-νακος (adj. Bahuvrihi von νάκη; Schwyzer 263). — Fraglich dagegen ἀρνειός, ἀρνευτήρ (s. d.). Vgl. noch *ῥήν, das aus Komposita wie πολύ-ρρην (aus *πολύ-ϝρην) herausgelöst werden kann (zur Form des Hintergliedes s. Sommer Nominalkomp. 66ff.). — ἀρήν, aus ϝαρήν, ist mit arm. gaṙn, -in (n-Stamm) ‘Lamm’ identisch. Eine Erweiterung davon liegt vor in aind. úraṇ-a- m. ‘Widder, Lamm’, falls aus *u̯uraṇa- (Hübschmann Pers. Studien 150 A. 2); ebenso in npers. barra ‘Lamm’ aus *u̯arnāka, vgl. mpers. varak ‘Widder’; idg. *u̯r̥ren-. Entfernter damit verwandt ist lat. vervēx ‘Hammel’. Alle diese Wörter kommen Ableitungen eines Wortes für ‘Wolle’ sein, das in aind. ura-bhra- m. ‘Widder’ (eig. "Wollträger"?) vermutet worden ist. In Betracht kommt noch εἶρος ‘Wolle’ aus *ἔρϝος, falls aus *ϝέρϝος dissimiliert, s. d. I-137-138
Ἄρης, Ἄρεως usw. (zur Flexion Schwyzer 576), böot. lesb. Ἄρευς, der griech. Kriegsgott, auch Rache- und Schwurgott (Arkadien, Athen usw., s. Kretschmer Glotta 11, 195ff.), metonymisch für ‘Krieg’ (Trümpy Fachausdrücke 152f.). Davon das Femininum Ἄρεια in ark. τὰν ’Αθάναν τὰν Ἄρειαν und das Adjektiv Ἄρειος, ion. ’Αρήϊος, lesb. ’Αρεύϊος (Ζεὺς Ἄρειος Epirus, Ἄρειος πάγος Athen). Außerdem der Name ’Αρητάδης (Bechtel Namenstud. 11). — Vgl. noch Kretschmer Glotta 15, 197. Wahrscheinlich mit den alten Grammatikern und Lexikographen (z. B. EM 140) zu ἀρή ‘Schaden, Unheil, Verderben’, vgl. noch mit Schulze Q. 454ff. ἄρος· βλάβος ἀκούσιον H. Die Stammbildung ist indessen noch nicht aufgeklärt: weder der Versuch von Schulze l. c., die verschiedenen Flexionsformen auf verschiedene Stammformen zurückzuführen, noch die Hypothese Bechtels l. c., darin (wie in ἀρή) einen alten ē-Stamm zu sehen, kann als überzeugend betrachtet werden. — Verfehlt Fennell ClassRev. 13, 306; Ehrlich KZ 38, 90ff. I-138
ἀρθμός s. ἀραρίσκω. I-138
ἄρθρον n. ‘Glied, Gelenk’, auch als grammatischer Terminus ‘Glied, Artikel’ (Hdt., Hp., S., E., Arist. usw.). Ableitungen: ἀρθρῖτις (νόσος) ‘Gicht’ (Hp. usw.) mit ἀρθριτικός (Hp., Gal. usw.; auch direkt auf ἄρθρον zu beziehen); ἀρθρικός ‘zum Gelenk, zum Artikel gehörig’ (Gal., Gramm.); ἀρθρώδης ‘mit Gliedern versehen’ (X., Arist., Gal.) mit ἀρθρωδία (Gal.). Denominatives Verb: ἀρθρόομαι, -όω ‘gegliedert sein, gliedern’ (Hp., Hermipp., X. usw.) mit ἄρθρωσις ‘Gliederung’ (Phld., Str. u. a.). — Von ἀρ- in ἀραρίσκω usw. (s. d.) mittels des θρο-Suffixes (Schwyzer 533, Chantraine 374). I-138
ἀρι- untrennbares verstärkendes Präfix ‘gut, sehr’ (vorw. poetisch seit Il.) in ἀρί-γνωτος, -δείκετος, -πρεπής usw. — Wohl zu ἄριστος (s. d.) usw. — Die verlockende Gleichung mit aind. ari- in ved. ari-gūrtá-, ari-ṣtutá- (Reuter KZ 31, 594 A. 1, Neisser Zum Wörterbuch des RV 1, 98ff., 2, 19ff.) hängt von der Bedeutung des umstrittenen aind. Präfixes ab; außerdem kommt dafür auch das synonyme ἐρι- in Betracht. — Gegen die Zusammenstellung mit aind. ari- m. ‘Fremder, Fremdling’ (Thieme Der Fremdling im R̥gveda 159ff.) mit Recht Specht KZ 68, 42f. I-138
ἀρι-δείκετος ‘hochberühmt’ (ep. seit Il.), — wahrscheinlich nicht zu δείκνυμι, sondern mit metrischer Dehnung für *ἀρι-δέκετος (Schulze Q. 242), thematisches Verbaladjektiv bzw. Zusammenbildung auf -ετο- von δεκ-, s. δηδέχαται. I-138-139
ἀρί-ζηλος ep. (seit Il.) für ἀρί-δηλος ‘sehr deutlich, leicht erkennbar’. — Nach Fick 1, 454 und Schulze Q. 244 A. 1 (vgl. noch Bechtel Lex. s. v.) aus *-δι̯ηλος zu δέατο usw., s. d. Wohlbegründeter Zweifel an dieser Erklärung bei Shipp Studies 50ff. I-139
ἀριθμός ‘Zahl, Anzahl, Zählung’ (allg. seit Od.); durch Metathese ἀμιθρός, -έω (ion., vgl. Schwyzer 268). m. Nominale Ableitung ἀρίθμιος ‘zur Zahl gehörig’ (spät). Denominatives Verb ἀριθμέω ‘zählen’ (seit Il.) mit den Nomina actionis ἀρίθμημα (A., Secund.), ἀρίθμησις (ion. hell.) ‘Zählung’ (vgl. Holt Les noms d’action en -σις 126) und dem Adjektiv ἀριθμητικός ‘zur Zählung gehörig’, vorw. als t. t. ‘arithmetisch’ (Pl., Archyt., Arist. usw.); ferner das Nomen agentis ἀριθμητής ([Pl.] Just. 373b neben μετρητής). — Ableitung auf -θμο- des in νήρι-τος ‘zahllos’ vorliegenden Wurzelelements ἀρι-; vgl. noch die PN ’Επήριτος, ark. Πεδάριτος und das ark. Appellativum ’Επάριτοι ‘die Auserlesenen’, Wackernagel Unt. 250 m. Lit., Philol. 86, 133ff. — Außergriechische Beziehungen unsicher; man vergleicht die germ. Sippe awno. rīm n. ‘Rechnung’, ahd. rīm m. ‘Reihe(nfolge), Zahl’, air. rīm ‘Zahl’; außerdem noch lat. rītus ‘Gebrauch, Sitte usw.’, die alle auf eine Wurzel rī- zurückführen, von der also gr. ἀρι- eine (vokalprothetische?) Variante darstellen würde. I-139
ἀρίς 1. -ίδος f. ‘Drillbohrer’ (Hp., Kall. Kom. usw.); — term. techn. unbekannter Herkunft. Die Bildungsweise ist dieselbe wie in ἀκίς, δοκίς, σανίς usw. (Chantraine Formation 337, Schwyzer 465). I-139
ἀρίς 2. -ίδος f. Pflanzenname, ‘δρακοντία μικρά’ (Ps.-Dsk., Gal. u. a.). — Deminutivum von ἄρον; vgl. auch ἀρίσαρον. I-139
ἀρίσαρον n. Pflanzenname, ‘Arisarum vulgare’ (Dsk.). — Hängt irgendwie mit ἄρον (s. d.) zusammen und scheint den Ausgang von ἄσαρον und anderen Pflanzennamen bezogen zu haben (Strömberg Pflanzennamen 157f.); die Einzelheiten bleiben dunkel. I-139
ἀριστερός ‘der linke, links’ (seit Il.), — mit dem kontrastbildenden (differenzierenden; vgl. Benveniste Noms d’agent 115ff.) Suffix -τερο- zum selben Grundwort wie ἄρισ-τος. Davon der Pflanzenname ἀριστερεών (Plin., Ael.) = περιστερεών und Umbildung nach diesem; s. Strömberg Pflanzennamen 153.251f. — Die linke Seite wurde ursprünglich als glückverheißend aufgefaßt; so auch in lat. sinister, ahd. winister, aw. vairyastāra- ‘links’ (sofern nicht ein uralter Euphemismus vorliegt). Für die Griechen waren die linksseitigen Omina ungünstig. Zum Problem im allg. s. J. Cuillandre La droite et la gauche dans les poèmes homériques. Paris 1944. — Anders über ἀριστερός, wenig überzeugend, Ribezzo RIGI 9, I-139-140
ἄ̄ριστον n. ‘Frühstück’, in der klass. Zeit am Mittag eingenommen, "déjeuner" (seit Il.). Davon zwei Denominativa: 1. ἀ̄ριστάω ‘frühstücken’ (ion. att.) mit ἀριστητής ‘Frühstücker’, d. h. der zweimal täglich ißt (Hp.), ἀριστητικός ‘der das Frühstück liebt’ (Eup.), ἀριστητήριον ‘Refektorium’ (BCH 15, 184). 2. ἀριστίζω ‘mit einem Frühstück bewirten’ (Ar. usw.), -ίζομαι ‘frühstücken’ (Hp.); zur Bedeutung Schwyzer 736. — Eig. "Frühessen", Zusammenbildung aus einem Lokativ ἆρι (aus *αἴερ-ι, s. ἦρι) und der Schwundstufe der Wurzel ἐδ- ‘essen’ (s. ἐσθίω) vermittels eines το-Suffixes: *αἰερι-δ-τον; näheres Bechtel Lex. s. v. I-140
ἄριστος ‘der beste, erste, vornehmste’ (seit Il.). Davon ἀριστίνδην Adv. ‘nach Geburt und Rang’ (att. usw.; zur Bildung Schwyzer 627), woraus durch Substantivierung ἀριστίνδᾱς m. (Sparta). — Eine substantivierende Umbildung nach den Berufsnamen auf -εύς (βασιλεύς usw.) bzw. Rückbildung aus ἀριστεύειν (Leumann Hom. Wörter 138 mit Boßhardt Die Nomina auf -ευς 25) ist ἀριστεύς, vorw. Plural, Hom. ἀριστῆες ‘optimates’ (seit Il., vgl. Schwyzer 476). Von ἀριστεύς oder direkt von ἄριστος (vgl. Schwyzer 732) kommt ἀριστεύω ‘der erste usw. sein, sich auszeichnen’ (seit Il.) mit ἀριστεία f. ‘Heldentat’ (Gorg., Pl., S. usw.) und ἀριστευτικός ‘auf den ἀριστεύς, bzw. das ἀριστεύειν bezüglich’ (Max. Tyr., Plu.), die auch von ἀριστεύς ausgehen können (vgl. Chantraine Formation 88ff., 396). Ebenso ἀριστεῖα, ion. ἀριστήϊα n. pl. ‘Heldenlohn, Siegespreis’, selten sg. ἀριστεῖον. Dagegen ἀριστεῖος ‘zu den ἄριστοι gehörig’ (D. H., Plu.) direkt von ἄριστος, vgl. Chantraine 52. — Späte Bildungen von ἀριστεύω sind ἀριστευτής m. ‘Verbesserer’ (Secund.) und ἀρίστευμα ‘Heldentat’ (Eust., Gp.). — Zahlreiche Eigennamen: ’Αρίστων, ’Αριστίων u. a. — ἄριστος gehört als primärer Superlativ zum hochstufigen Komparativ ἀρείων (s. d.). Als Verwandte kommen in erster Linie in Betracht das Präfix ἀρι- und das Nomen ἀρετή. Weitere Beziehung zu ἀραρίσκω (Güntert IF 27, 58) bleibt hypothetisch; vgl. noch Schwyzer 538 A. 11. I-140
ἀριχάομαι s. ἀναρριχάομαι. I-140
ἀρκάνη · τὸ ῥάμμα ᾧ τὸν στήμονα ἐγκαταπλέκουσι διαζόμεναι H. — Seit Curtius 341 zu ἄρκυς (s. d.) gezogen mit demselben Suffix wie in δρεπάνη, καπάνη, θηγάνη und anderen Gerätenamen (Chantraine Formation 198f., Schwyzer 489f.). Vgl. noch ἄρκευθος. I-140-141
’Αρκάς, ’Αρκάδες pl. Volksname, vgl. s. ἄρκτος. I-141
ἄρκευθος f. ‘Wacholder, Juniperus’ (Hp., Theok., Thphr. usw.). Davon ἀρκευθίς, -ίδος f. ‘Wacholderbeere’ (Hp., Thphr. usw.) mit ἀρκευθιδίτης (οἶνος) ‘Wein aus Wacholderbeeren’ (Dsk. 5, 46 ed. Sprengel, vgl. Redard Les noms grecs en -της 95); Adj. ἀρκεύθινος ‘aus ἄ.’ (LXX, Dsk.). — Wegen der zum Flechten verwendbaren Zweige vielleicht nach Lidén IF 18, 507f. zu ἄρκυς ‘Netz’ mit griechischer θ-Erweiterung eines u-Stamms (vgl. Chantraine Formation 368, Schwyzer 510f.). Jedenfalls nicht besser mit Persson Beitr. 964 (nach Endzelin KZ 44, 59ff.) zu lett. ē(r)zis ‘Wacholder’, aind. r̥kṣara- m. ‘Spitze, Dorn’. Fremder Ursprung ist natürlich keineswegs ausgeschlossen. I-141
ἀρκέω, Fut. ἀρκέσω, Aor. ἀρκέσ(σ)αι ‘abwehren, helfen; genügen, hinreichen’ (seit Il.). Davon die Verbalnomina ἄρκεσις ‘Hilfe’ (S., Thera) mit ἀρκέσιμος ‘helfend’ (Syrien; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 93) und ἄρκεσμα H. (als Erklärung von ἄρκος). Auch ἄρκος n. ‘Abwehr’ (Alk., H.), das wie ein Grundwort von ἀρκέω aussieht, ist vielmehr wegen der geringen Verbreitung eine (postverbale) Ableitung davon. — Unklar ist dagegen die Bildung, z. T. auch die Bedeutungsentwicklung von ἄρκιος (ep. seit Il.), ursprünglich wohl ‘zuverlässig, sicher’, aber auch (sekundär nach ἀρκέω?) ‘hinreichend, genügend’, vgl. Buttmann Lexilogus 2, 35ff., Perrotta Studitfilclass. 4, 253; vielleicht ist von einem primären Verb oder einem Wurzelnomen unbekannten Sinnes auszugehen. — Vgl. noch ποδάρκης. — Da ἀρκέω kaum als ein Denominativum von ἄρκος anzusehen ist (s. oben), steht nichts im Wege, es mit lat. arceo ‘verschließen, abwehren’ gleichzusetzen. Aus anderen Sprachen gehört hierher das armen. Verbalnomen argel ‘Hindernis’; unsicher dagegen das primäre hethitische Verb ḫark- ‘halten, haben’ (s. Friedrich Heth. Wb. 56); noch zweifelhafter lit. rãktas ‘Schlüssel’, ahd. rigil ‘Riegel’. Näheres bei Pok. 65f. mit weiterer Literatur. I-141
ἄρκτος f. (m.), jüngere Form mit Erleichterung der Konsonantengruppe, evtl. unter volksetymologischem Anschluß an ἀρκέω, ἄρκος m. f. (seit LXX) ‘Bär, Bärin’, auch als N. eines Sternbildes ‘Ursa maior’, ‘der Norden’ (seit Il.; vgl. Scherer Gestirnnamen 131ff.). Deminutive Ableitungen: ἀρκτύλος (Poll.), ἄρκυλλος (Sch. Opp.), ἄρκιλος (Eust.); letzteres nach Bechtel Dial. 2, 780f. auch zu lesen bei H. für ἄρκηλα· ... Κρῆτες τὴν ὕστριχα (= ‘Igel, Stachelschwein’); aber ἄρκηλος ist auch überliefert bei Kallix. und Ael., und zwar im Sinne von ‘Pantherjunges, Art Panther’. — Auch die übrigen Ableitungen, die sich vorwiegend auf das Sternbild und den Norden beziehen, sind ziemlich sparsam belegt: ἀρκτικός ‘nördlich’ (Arist. usw.), okkasionell ‘zum Bären gehörig’ (Pap.); ἀρκτῷος ‘ds.’ (Luk., Lib., Nonn.; nach ἑῷος von ἕως); ἄρκ(τ)ειος ‘zum Bären gehörig’ (Dsk., D. Chr. usw.; nach αἴγειος, βόειος usw.); ἀρκτῆ (aus -έη) f. ‘Bärenfell’ (Anaxandr.; nach παρδαλέη usw.); ἄρκτιος ‘nördlich’ (Nonn.), ἄρκτιον n. Pflanzenname, ‘Inula candida’ (Dsk., Nik., Plin.; nach dem Bären genannt, s. Strömberg Pflanzennamen 118). — Denominatives Verb ἀρκτεύω, -εύομαι ‘als Bärin (im Dienst der Artemis Brauronia) auftreten’ (Lys., Sch. Ar. Lys. 645). — Ob der Volksname ’Αρκάδες als "Bärenmänner" hierhergehört, ist dagegen sehr zweifelhaft, s. Sommer A. u. Sprw. 63f. m. Lit. u. Kritik anderer Ansichten. — ἄρκτος ist der griechische Vertreter einer alten Bezeichnung des Bären, die in einer Reihe idg. Sprachen erhalten ist: aind. ŕ̥kṣa-, aw. arša-, arm. arǰ, lat. ursus, kelt., z. B. mir. art. Unsicher dagegen heth. ḫartagga- N. eines Raubtiers. Im Germanischen und Baltisch-Slavischen wurde der alte Name durch Tabu von anderen Bezeichnungen verdrängt; vgl. darüber zuletzt Emeneau Lang. 24, 56ff. Daß der alte Name des Bären, gr. ἄρκτος usw., seinerseits auf dieselbe Weise in uralter Zeit entstand, ist sehr wahrscheinlich. Die alte Deutung als "Zerstörer, Schädiger" (zu aind. rákṣas- n. ‘Zerstörung, Beschädigung’, aw. raš- ‘beschädigen’; so zuletzt Specht KZ 66, 27, Ursprung 7 u. 37) ist lautlich haltbar, sofern man rákṣas- von ἐρέχθω (s. d.) trennen will. — Ältere Literatur bei WP. 1, 322. I-141-142
ἄρκυς, -υος f., meist im Plur., ‘Netz’ (ion. att.), ἄρκυον ‘ds.’ (EM, nach δίκτυον), außerdem ἄρκυλον· δίκτυον H. — Keine weiteren Ableitungen. — Nicht sicher gedeutet. Nach Lidén IF 18, 507f. als "das Geflochtene, das Gewobene" mit ἄρκευθος und ἀρκάνη (s. dd.) zum slavischen Wort für ‘Weide’, russ. rokíta, serb. ràkita, slovak. rakýta usw., urslav. *orkytā, idg. *arqū-tā, wozu nach Bezzenberger BB 21, 295 A. 1 noch lett. érkuls ‘die Spindel, das Ärmchen am Spinnrade, darum der Flachs gewickelt wird’. Dagegen kaum hierher ἀράχνη usw. (Walter KZ 12, 377 usw.; s. Curtius 341). — Es liegt kein Anlaß vor, mit Grimme Glotta 14, 17 ἄρκυς und ἀρκάνη als orientalische Lehnwörter zu betrachten. — Ältere Literatur bei Bq. S. auch ἀφάρκη. I-142
ἅρμα 1. n. (pl.) ‘Wagen’, bes. ‘Streitwagen’, ‘Gespann’ (vorw. poet. seit Il.; zum Gebrauch bei Hom. Delebecque Cheval 170f.). Davon ἁρμάτειος ‘zum (Streit)wagen gehörig’ (E., X. usw.; vgl. Chantraine Formation 52), ἁρματόεις ‘ds.’ (Kritias), ἁρματίτης ‘im Wagen fahrend’ (Philostr., Pap., vgl. Redard Les noms grecs en -της 111), Demin. ἁρμάτιον (Gloss.). Zwei okkasionelle Denominativa: ἁρματεύω ‘einen Wagen treiben, fahren’ (E. Or. 994), ἁρματίζομαι ‘in einen Wagen hinstellen’ (Lyk.). ? Zu ἅρμα als Hinterglied s. Sommer Nominalkomp. 11ff. — Verbalnomen von ἀρ- ‘fügen’ in ἀραρίσκω; wegen des Spiritus asper ist vielleicht ein ursprüngliches Suffix -σμα anzunehmen (Schwyzer 523, Chantraine Formation 175); der Spiritus asper findet sich indessen auch in den übrigen Bildungen mit μ-Suffix : ἁρμός, ἁρμόζω, ἁρμονία, ἁρμαλιά; vgl. dazu Meillet MSL 10, 140 A. 1, Sommer Lautst. 133ff. — Die außergriechischen zahlreichen Wörter mit m-Suffix von ar- ‘fügen’, z. B. lat. arma pl. ‘Waffen, Rüstung’, armentum ‘Herde, Großvieh’ (formal zu ἅρμα stimmend, aber davon unabhängig gebildet), arm. y-armar ‘passend, angemessen’; mit anderem Ablaut aind. īrmá- m. ‘Vorderbug’, lat. armus m. ‘der oberste Teil des Oberarms’, got. arms ‘Arm’ usw., haben für das Verständnis der griechischen Wörter kein unmittelbares Interesse. — Bănăt̨eanu REIE 3, 138f. hält ohne Grund ἅρμα ebenso wie die meisten anderen gr. Wörter für ‘Wagen’ für kleinasiatisch. I-142-143
ἄρμα 2. n. ‘Speise, Nahrung’, nach Hellad. ap. Phot. p. 533 B von Hp. benutzt; im Plur. schwach bezeugte v. l. (für ἅρμενα) bei Hes. Th. 639. — Falls überhaupt richtig, entweder zu αἴρω, -ομαι im Sinn von ‘ergreifen, zu sich nehmen’ (φορβὰν ἱερᾶς γᾶς σπόρον ... αἴρων S. Ph. 707) oder zu ἀραρίσκω, vgl. ἄρμενα im Sinn von ‘Speise’ und ἁρμαλιά. — Außerdem bei H. als Erklärung von νωγαλεύματα ἢ νωγαλίσματα· τὰ κατὰ λεπτὸν ἐδέσματα. οἱ δὲ τὰ μὴ εἰς χορτασίαν, ἀλλὰ τρυφερὰ ἄρματα, womit ngr. (Pont., Kapp.) ἄρματα ‘weiblicher Schmuck’ zu vergleichen ist (Kukules ’Αρχ. ’Εφ. 27, 61ff.). I-143
ἁρμαλά Daneben ἁρμαρά (Pap.). Pflanzenname, ‘Raute’, = πήγανον ἄγριον (Dsk.); nach Ps.-Dsk. 3, 45 syrisch für πήγανον κηπαῖον. — Aus dem Semitischen, vgl. arab. harmal ‘Raute’. I-143
ἁρμαλιά f. ‘zugeteilte Nahrung, Speise’ (Hes., Theok., A. R., Pap.). Daneben, im Vokal nach ἁρμόζω usw. umgebildet, αρμολια, -εα (Pap.), außerdem ἄρμωλα· ἀρτύματα. ’Αρκάδες H., das im Suffix mit ἁρμαλιά ablauten kann, s. Hoffmann Dial. 1, 101, Bechtel Dial. 1, 388. Die übrigen bei H. überlieferten Formen, ἀρμόγαλα· τὰ ἀρτύματα. Ταραντῖνοι (an falscher Stelle) und ἀρμώμαλα (s. ἄρμωλα) können schwerlich richtig sein. Kühne Erklärungsversuche bei v. Blumenthal Hesychst. 26. — Zu notieren noch das denominative ἡρμαλώσατο· ἔλαβεν H. — ἁρμαλιά enthält ein suffixales Element -μαλ-, das seinerseits aus einem μ-Suffix erweitert sein kann (Frisk Eranos 41 50ff.) Der dadurch gewonnene Anschluß an ἁρμός usw. leuchtet semantisch nicht unmittelbar ein; vgl. indessen ἄρμενα im Sinn von ‘Speise’. Scheller Oxytonierung 88, wo näheres über die Bildung, erinnert noch an 2. ἄρμα ‘Speise, Nahrung’. Zu den Bildungen auf -ιά noch Chantraine Formation 82 und Schwyzer 469 und 483. I-143-144
ἄρμενα n. pl. (selten sg.) ‘Segel, Takelwerk; Werkzeuge, Instrumente; Speise’ (ep. ion. seit Hes.), eig. ‘das Ausgerüstete, Ausrüstung’, Substantivierung von ἄρμενος, s. ἀραρίσκω. Davon ἀρμενίζω ‘segeln’ (Gloss.), ngr. auch ‘besorgen, leiden u. a.’ (Papageorgiou ’Αθ. 24, 459ff). — Die Auffassung Leumanns Hom. Wörter 311, nach der ἄρμενον, -α aus einem homerischen Dichterausdruck entwickelt wäre, ist kaum zu halten. I-144
ἁρμόζω, att. -όττω, Aor. ἁρμόσαι, dor. ἁομόξαι, ‘zusammenfügen, -passen, verbinden’ (seit Il.). Ableitungen: ἁρμοστής, dor. -τήρ m. Amtstitel, insbes. der spartanischen Statthalter in den von Sparta abhängigen Städten (Inschr., Th., X. usw.), ἁρμόστωρ (ναυβατῶν A. Eu. 456) etwa ‘Befehlshaber’, vgl. Benveniste Noms d’agent 31 und 45, außerdem die seltenen Nomina agentis ἅρμοσμα ‘zusammengefügtes Werk’ (E. Hel. 411), ἅρμοσις ‘das Stimmen eines Instruments’ (Phryn., Theol. Ar.) mit ἁρμοστικός (Theol. Ar.). — Daneben, mit -γ- (vgl. dor. ἅρμοξα, ἅρμοκται) : ἁρμογή ‘Zusammenfügung’, vorw. als term. techn. der Literatur, der Musik, der Medizin, der Malerei (Eup., Plb., D. H. usw.). — Seiner Bildung nach ist ἁρμόζω ein denominatives Verb, dessen genauer Ausgangspunkt allerdings unbekannt ist. Das darin enthaltene μ-Suffix erscheint u. a. in ἁρμός ‘Fuge, Gelenk, Nagel’ (S., E., Ph. Mech. usw.) mit dem lokativischen Adverb ἁρμοῖ ‘soeben, jüngst’ (A., Pi., Hp. usw.; vgl. Persson Eranos 20, 82ff.) und in ἁρμόδιος ‘zusammenpassend, angemessen, bequem’ (seit Thgn.), dessen -δ- von dem -ζ- in ἁρμόζω schwerlich zu trennen ist. Vgl. noch ἁρμοίματα· ἀρτύματα H. und Schwyzer 467 A. 4; außerdem Specht Ursprung 340. Weitere Verwandte s. 1. ἅρμα und ἀραρίσκω. I-144
ἁρμονία f. ‘Fügung, Fuge, Bund, Ordnung usw.’, oft als musikal. term. techn. (seit Il.; zur Bedeutung im allg. s. Porzig Satzinhalte 209f.; ausführlich B. Meyer ‘Αρμονία. Bedeutungsgeschichte von Homer bis Platon. Zür.-Diss. Freiburg [Schweiz] 1932). Davon (nach den Adjektiven auf -ικός) in musikalischem Sinne ἁρμονικός (Pl. usw.); außerdem die seltenen ἁρμόνιος, -ίως ‘passend, harmonisch’ (LXX, J., Ph. usw.), ἁρμονιώδης (Sokr. Ep.). — Denominatives Verb ἁρμονίζω ‘zusammenfügen, bilden’ (AP). — Das Adjektivabstraktum ἁρμον-ία (zur Bildung im allg. Schwyzer 468f., Chantraine Formation 78f.) setzt ein Adjektiv ἅρμων voraus, das nur als EN belegt ist und als solches im Patronymikon ‘Αρμονίδης (Ε 60) enthalten ist. Es liegt außerdem als Hinterglied im Kompositum βητ-άρμων ‘Tänzer’ (θ 250, 383; s. d.) vor und kann auch als Grundlage von ἁρμόσυνοι vermutet werden, nach H. ἀρχή τις ἐν Λακεδαίμονι ἐπὶ τῆς εὐκοσμίας τῶν γυναικῶν. Es ist wie 1. ἅρμα (s. d.) von ἀρ- ‘fügen’ mittels eines Suffixes -men-, mon- abgeleitet. — Vgl. ἀραρίσκω. I-144-145
ἄρμυλα · ὑποδήματα. Κύπριοι H. — Die Ähnlichkeit mit ἀρβύλη (s. d.) kann natürlich nicht zufällig sein. Entweder haben wir es mit verschiedener Wiedergabe ein und desselben Fremdwortes zu tun oder ist ἄρμυλα aus ἀρβύλη durch volksetymologische Angleichung an die Sippe ἁρμόζω usw. entstanden. Alter indogerm. Suffixwechsel β : μ (Specht Ursprung 269) ist selbstverständlich ausgeschlossen. I-145
ἀρνειός, richtiger ἀρνηός (s. unten), att. ἀρνεώς m. ‘Schafbock, Widder’ (seit Il.). Att. ἀρνεώς läßt auf ein ursprüngliches ionisches ἀρνηός schließen, das in der Homerüberlieferung von ἀρνειός verdrängt wäre (Wackernagel Akzent 32). — Fem. pl. ἀρνηάδες, -άδων (äol., Del.3 644, 15); dazu ἀρνηΐς, -ΐδος f. Name eines Festes in Argos (Ael.). Hierher auch ’Αρνιάδᾱς (Kerk., Thumb IF 9, 302). — Seit alters zu (ϝ)ἀρήν gezogen, wobei die digammalose Form mit Meister HK 200 als ein Element der lebenden Sprache der Dichter gegenüber dem traditionellen ϝαρήν zu erklären ist. Sowohl wegen des fehlenden Digamma wie wegen der Bedeutung hat aber Meillet IF 5, 328f., wahrscheinlich richtig, ἀρνειός aus *ἀρσνειός (d. h. *ἀρσν-ηϝός), zu ἄρσην, als das männliche Tier erklärt, vgl. ὄϊν ἀρνειόν im Gegensatz zu θῆλυν κ 572. Näheres über die Wortbildung Bechtel Lex.; zur Bedeutung Benveniste BSL 45, 103. S. auch ἀρνευτήρ. I-145
ἀρνέομαι, Aor. ἀρνήσασθαι ‘leugnen, verneinen, abschlagen’ (seit Il.). Ableitungen: ἄρνησις ‘das Leugnen, die Verneinung; die Negation’ (Trag., Pl., D., Gramm.; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 146f. u. a.) mit ἀρνήσιμος (S.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 81; nach ἀμφισβητήσιμος?) und ἀρνητικός ‘verneinend, negativ’ (Chrysipp., Numen. usw.). Außerdem die wahrscheinlich postverbalen ἄπ-αρνος und ἔξ-αρνος (ion. att.) von ἀπ-, ἐξ-αρνέομαι. — Nicht sicher erklärt. Die Zusammenstellung mit arm. uranam ‘verneinen’ (Bugge Beitr. zur etym. Erläuterung d. arm. Sprache 38f.) hat Meillet BSL 26, 19f. wieder aufgenommen. Sie setzt einen Ablautswechsel ar : ōr voraus (arm. uranam kann aus idg. *ōr- entstanden sein, muß es aber nicht). Kühne Hypothesen bei Mayrhofer KZ 71, 75ff. (: zu aw. rah- ‘abtrünnig sein’, intens. rārəšyeiti, kaus. rā̊ŋhayeiti [?]) und bei Müller-Graupa PhilWoch. 61, 43ff., 91ff., 167 (: zu ἀρήν ‘Bock’ [?]). I-145-146
ἀρνευτήρ, -ῆρος m. ‘Taucher’, auch als Vogelname (Hom., Arat., H., auch Hdt. durch Entlehnung aus dem Epos, Fraenkel Nom. ag. 1, 207). Ableitung ἀρνευτήρια n. pl. ‘Taucherkünste’ (Arat.). — Daneben die jüngere Bildung ἀρνευτής m. als Epithet eines Fisches (Numen. ap. Ath., Eust.; vgl. Strömberg Fischnamen 50 m. Lit.). — ἀρνευτήρ setzt als Nom. agentis zunächst ein Verb ἀρνεύω voraus, das tatsächlich bei Lykophron belegt ist; ob alte Bildung oder aus ἀρνευτήρ von neuem rückgebildet (so Fraenkel Nom. ag. 1, 9f.), sei dahingestellt. Die antike Herleitung aus ἀρήν (Sch. AT zu Μ 385: ἀρνευτὴρ ὁ κυβιστήρ, παρὰ τοὺς ἄρνας· οὗτοι γὰρ κυβιστῶσιν ὥσπερ τὸν ἀέρα κυρίττοντες) dürfte im Prinzip richtig sein; nur ist das Grundwort nicht ἀρήν, sondern ἀρνειός (s. d.) aus *ἀρσνηϝός; ἀρνεύω also eig. ‘mache einen Bocksprung’. Ein Zwischenglied *ἀρνεύς vorauszusetzen (Bechtel Lex. 63), ist in Anbetracht der stark produktiven Verba auf -εύω nicht notwendig; vgl. Fraenkel a. a. O. I-146
ἄρνυμαι, Aor. ἀρέσθαι ‘erlangen, erwerben, gewinnen’ (vorw. poet. seit Il.). Verbalnomen ἄρος n. ‘Nutzen’ (A. Supp. 885, Lesung zweifelhaft; H., Eust.). Aus dem Ausdruck μισθὸν ἄρνυσθαι ist das Kompositum μισθαρνέω ‘um Lohn dienen’ (ion. att.) erwachsen; das vermittelnde Nomen μίσθαρνος (μισθάρνης) ist tatsächlich bei Poll. 4, 48 und bei H. s. v. πελάται (bzw. Phot., H., Suid.) belegt, aber vielleicht trotzdem als postverbal zu betrachten. — ἄρνυμαι ist ein altes schwachstufiges νυ-Präsens (s. Schwyzer 696), das in arm. aṙnum (Aor. aṙi) ‘nehmen’ sein genaues Gegenstück hat und auch in aw. ərənav- ‘gewähren, zuweisen’, heth. arnuzi ‘hin-, herbringen’ vorliegen kann (falls nicht zu ὄρνυμι, aind. r̥ṇóti; s. die Lit. bei Friedrich Heth. Wb. s. v.). I-146
ἄροκλον = φιάλη (Nik.Fr. 129). — Unerklärt. I-146
ἄρον n. Pflanzenname, ‘Arum, Natterwurz, Art Schilfrohr’ (Thphr., Dsk. usw.). — Nicht sicher erklärt. Oft zu lat. (h)arundo ‘Rohr’ gezogen, s. W.-Hofmann s. v. mit Lit. — Vgl. 2. ἀρίς und ἀρίσαρον. I-146
ἄρος 1. = ὄφελος H., s. ἄρνυμαι; 2. = βλάβος ἀκούσιον H., s. ἀρή. I-147
ἄροτρον, kret. ἄρατρον (vgl. unten) n. ‘Pflug’ (seit Il.). Zahlreiche, meistens späte Ableitungen, die z. T. mit den primären Bildungen von ἀρόω semantisch konkurrieren: ἀροτρίτης (falsch -ήτης) ‘zum Pflug gehörig’ (AP, vgl. Redard Les noms grec en -της 37), ἀροτραῖος ‘agrestis’ (AP), ἀρότριος Epithet des Apollo (Orph., auch auf ἀροτήρ bezüglich). — Denominative Verba: 1. ἀροτρεύω ‘pflügen’ (Pherekyd., Lyk., Nik., Babr.) mit ἀροτρεύς ‘Pflüger’ (Theok., Bion, Arat.; Versende, vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 67), ἀροτρευτήρ ‘ds.’ (AP) und ἀρότρευμα ‘das Pflügen, das Säen’ (Poet. ap. Stob.); 2. ἀροτριάω = ἀρόω (Kall., Thphr. usw., vgl. Schwyzer 732) mit ἀροτρίασις (LXX u. a.) und ἀροτρίαμα ‘gepflügtes Land’ (Sch. Ar.); 3. ἀροτριόω = -ιάω (LXX); 4. ἀροτριάζω ‘pflügen’ (Pap.) mit ἀροτριαστής (EM) und ἀροτριασμός (Sch. Opp.). — ἄροτρον, mit -ο- wie in ἀρόω usw. für älteres (?) ἄρατρον (kret.), ist ein altes Nomen instrumenti, das als Benennung des Pfluges in zahlreichen idg. Sprachen erhalten ist: arm. arawr, lat. arātrum (mit sekundärem ā nach arāre), mir. arathar, awno. arðr. Daneben stehen andere Bildungen: lit. árklas, aksl. ralo, beide mit l-Suffixen (*arə-tlo-, bzw. -dhlo); noch anders toch. AB āre (mehrdeutig). — Vgl. ἀρόω, ἄρουρα. I-147
ἄρουρα f. ‘Ackerland, Land’ (vorw. poet. seit Il.), auch als Maßbezeichnung (in Ägypten; Hdt., Pap.). Davon einige Ableitungen: ἀρουραῖος ‘ländlich’ (ion. att.), ἀρουρίτης ‘ds.’ (Babr., vgl. Redard Les noms grecs en -της 22); zwei Deminutiva: ἀρούριον (AP) und ἀρουρίδιον (Pap.); außerdem die zur Maßbezeichnung gehörenden ἀρουρηδόν n. ‘Fläche, die nach dem Arurenmaß vermessen ist’ (Substantivierung eines Adverbs *ἀρουρηδόν), ἀρουρισμός ‘Vermessung nach ἄρουραι’ (als von *ἀρουρίζειν), beide aus Ägypten durch die Papyri bekannt ebenso wie das latinisierte ἀρουρατίων ‘Flureinteilung’ (VIp). — ἄρουρα ist eine feminine Ableitung auf -ι̯α von einem Verbalnomen *ἄρο-ϝαρ ‘das Pflügen’, zu ἀρόω (s. d.), und heißt somit eigentlich ‘Land zum Pflügen, Bauen’ (s. Schwyzer 520 oben). Mit *ἄροϝαρ, einem alten r-n-Stamm, ist zunächst zu vergleichen mir. arbor (aus *aru̯r̥), Gen. (air.) arbe (aus *aru̯ens) ‘Getreide’; vgl. Benveniste Or. 20f., 112f.; s. noch W.-Hofmann s. arvus und WP. 1, 70f., Pok. 63. — Die Zusammenstellung mit aind. urvárā f. ‘Fruchtfeld, Saatland’, aw. urvarā f. ‘Pflanze’ (zuletzt Otrębski KZ 66, 246f.) ist nicht haltbar. I-147
ἀρόω, Aor. ἀρόσαι ‘pflügen, ackern, pflanzen, bauen’ (seit Il.). Mehrere Ableitungen. Nomina agentis: ἀροτήρ m. ‘Pflüger usw.’ (seit Il.; vgl. Benveniste Noms d’agent 35 und 44), sekundär ἀρότης m. (ion. att., poet.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 215). — Nomina actionis: 1. ἄροτος m. ‘das Pflügen, (gepflügtes) Land, Saatland, Saat(zeit)’ (seit Il.); davon ἀροτήσιος (ὥρη Arat. 1053, nach den Zeitadjektiven auf -ήσιος, s. Chantraine Formation 42) und ἀροτικός ‘zum Pflügen brauchbar’ (Gal.; auch auf ἀρόω direkt bezüglich); 2. ἄροσις ‘das Pflügen usw.’ (Arist., Arat., Ael.), schon in alter Zeit konkretisiert ‘Ackerland’ (Hom. usw., vgl. Benveniste Noms d’agent 75, Porzig Satzinhalte 336; nicht richtig Holt Les noms d’action en -σις 78: "possibilité de labourer"), wovon ἀρόσιμος ‘anbaubar’ (Thphr., Str. usw.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 47); vereinzelt mit sekundärer Länge ἄρωσις (Pap.) und ἀρώσιμος (S. Ant. 569; durch das Metrum gefördert, vgl. Arbenz 48); 3. ἄρωμα ‘bebautes Land, Saatfeld’ (S., Kom.; nach den hochstufigen Bildungen auf -ωμα, -ημα; vgl. Specht KZ 63, 210); 4. ἀροσμός ‘das Ackern’ (Pap.); 5. *ἀρατύς im Monatsnamen ’Αράτυος, s. d. ? Ein altererbtes Nomen instrumenti ist ἄροτρον, s. d. — S. noch ἄρουρα. — ἀρόω ist ein altes primäres Verb auf zweisilbiger Wurzel, in der -ο die Tiefstufe (idg. ə) repräsentiert ebenso wie -ᾰ in den dorischen Formen ἄρατρον, ’Αράτυος (s. dd.), Fut. herakl. ἀράσαντι, ther. rhod. ἐνάρατον (vgl. dazu Schwyzer Glotta 12, 1f.). Eine sichere Erklärung des Wechsels -o : -ă steht noch aus; s. Schwyzer 362 und 683 m. Lit., außerdem Specht KZ 66, 21l. — Aus anderen Sprachen sind zu erwähnen 1at. arāre (ursprünglich athematisch mit wahrscheinlich sekundärem ā für ă aus idg. ə) und die i̯-Präsentia mir. airim, got. arjan, lit. ariù (Inf. árti), aksl. orjǫ (Inf. orati). Die Bedeutung ist überall ‘pflügen, ackern’; die Zurückführung auf eine Wurzel erə- ‘zertrennen’ (Specht KZ 68, 42 A. 2) ist gelinde gesagt hypothetisch und ohne jedes Interesse. I-147-148
ἁρπάζω, Aor. ἁρπάξαι (Hom., Pi. usw.), ἁρπάσαι (ep. ion., att.) ‘raffen, rauben’ (seit Il.). Neben ἁρπάζω steht in einigen Nomina ein Gutturalstamm, der dem Verb zugrunde liegen kann: ἅρπαξ f. ‘Raub’ (Hes. Op. 356), m. ‘Räuber’ (Ar., Myrtil. usw.), auch attributivisch (adjektivisch) gebraucht mit dem Superlativ ἁρπαγίστατος (Leumann Mus. Helv. 2, 11); ἁρπαγή ‘Raub, Beute’ (seit Sol.), ἁρπάγη ‘Harke, Rechen’ (E., Men. usw.); ἅρπαγος m. ‘Haken’ (A., S.), auch EN. — Von ἅρπαξ bzw. ἁρπαγή wahrscheinlich ἁρπαγεύς ‘Räuber’ (Them.; vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 73), wohl auch *ἁρπαγών im lat. LW harpagō ‘Enterhaken’ (seit Plaut.; Leumann Sprache 1, 210f.; vgl. harpaga, harpax). — Von ἁρπάζω dagegen ἁρπακτήρ m. ‘Räuber’ (ep. seit Il.) mit der seltenen Ersatzform ἁρπακτής (Kall.); ferner die Nomina actionis ἁρπαγμός ‘Raub, (unerweiterte) Beute’ (Plu., Vett. Val.; Ep. Phil. 2, 6, wozu Jaeger Hermes 50, 587ff.), ἅρπαγμα ‘ds.’ (Lyk., LXX), ἁρπακτύς f. ‘Raub’ (Kall.; vgl. Benveniste Noms d’agent 72). — ἁρπάγιον ‘Art Gefäß, an die κλεψύδρα erinnernd’ (Alex. Aphr.). — Diesen Nomina schließen sich einige Adjektiva an: ἁρπάγιμος ‘geraubt, gestohlen’ (Kall., AP u. a.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 100), erweiterte Form ἁρπαγιμαῖος ‘ds.’ (Orph. u. a.; vgl. Chantraine Mélanges Maspero 2, 219ff.); ἁρπακτικός ‘räuberisch’ (Luk. usw.), ἁρπακτήριος ‘ds.’ (Lyk.). Außerdem das Adverb ἁρπάγδην ‘hinraffend, gierig’ (A. R., Opp., Aret.). Im Vergleich zu den Gutturalbildungen sind die an den Aorist ἁρπάσαι anzuknüpfenden Formen weniger stark belegt : ἅρπασμα (Pl., Men. usw.), ἁρπασμός (Plu.), ἅρπασις (Phryn.), ἁρπαστικός (Arist., Phld.), ἅρπασος N. eines Raubvogels (Ant. Lib.). — Wie erwähnt, läßt sich ἁρπάζω unschwer als ein Denominativum zu einem Gutturalstamm ἁρπαγ- erklären. Hinter diesem nominalen Gutturalstamm liegt wahrscheinlich ein einsilbiges Element ἅρπ- (wovon ἁρπάζω an und für sich eine formelle Erweiterung auf -άζω sein könnte, s. Schwyzer 734). Dies kann in ἅρπη ‘Sichel’, auch N. eines Raubvogels, vermutet werden, s. d. Dagegen ist das poetische und späte Ptz. ἁρπάμενος (AP, Nonn.) eine sekundäre Bildung nach den Aoristptz. auf -άμενος. — Vgl. noch ἅρπυς, ἅρπυια, ἁρπαλέος. I-148-149
ἁρπαλέος -έως ‘mit Wohlbehagen, gern’; auch ‘heftig, wegraffend’ (Ar. Lys. 331 [lyr.], A. R., AP usw.) . ‘reizend, erwünscht, angenehm’ (poet. seit Od., vgl. Debrunner IF 23, 17), — Durch Kontamination von ἁρπαλ- und ἁρπαγ- scheint ἁρπάλαγος m. N. eines Jägerwerkzeugs (Opp. K. 1, 153) entstanden zu sein. ἁρπαλέος ist durch Dissimilation aus ἀλπαλέος, zu ἄλπνιστος (s. d.), ἔπαλπνος entstanden. Die undissimilierte Form ist tatsächlich bei Hesych ἀλπαλαῖον (leg. -έον)· ἀγαπητόν bewahrt. Sekundärer Anschluß an ἁρπάζω erklärt sowohl den Spiritus asper wie die Bedeutungsentwicklung. Debrunner GGA 1910, 14, Wackernagel KZ 43, 377f. Daraus erweitert ἁρπάλιμα· ἁρπακτά, προσφιλῆ H. (nach καρπάλιμος, Arbenz Die Adj. auf -ιμος 29); außerdem ἁρπαλά· ἁρπακτικά H. Denominatives Verb ἁρπαλίζω ‘gern aufnehmen, willkommen heißen’ (A.), ἁρπαλίζομαι· ἀσμένως δέχομαι H. I-149
ἀρπεδής (ἁρ-) ‘eben, flach’ (Nik. Th. 420). Erweiterte Form ἀρπεδόεις (Antim. Kol., H.). Denominatives Verb ἀρπεδίσαι· ὁμαλίσαι, ἐδαφίσαι H. — Anknüpfung an πέδον liegt nahe (vgl. ἄ-πεδος ‘eben, flach’), aber die Herleitung aus ἀρι-πεδής (Did., Hdn., Hoffmann Dial. 2, 235) überzeugt nicht. — Daneben mit abweichendem Anlaut ἐρπεδόεσσα· ἐπίπεδος H.; vgl. s. ἔρθυρις. I-149-150
ἁρπεδόνη ‘Seil, Faden des leinenen Brustharnisches, Strick um Wildbret zu fangen, Bogensehne usw.’ (Hdt., X. usw.), auch -εδών f. (AP, J. usw.). Zur Bildung vgl. die Werkzeugnamen auf -δών und -όνη (Schwyzer 529f. und 490, Chantraine Formation 361f. und 207). f. Davon ἁρπεδονίζειν· λωποδυτεῖν. καὶ διὰ σπάρτου θηρᾶν H. — Unerklärt. Der Vergleich mit aind. arpáyati ‘anbringen, einstecken, befestigen’ (seit Curtius 341) ist semantisch wenig zutreffend; außerdem ist arpáyati ehestens als eine indische Neubildung zu betrachten. Anschluß an ἅρπη, ἁρπάζω befriedigt auch nicht für den ältesten Gebrauch des Wortes. Die bei H. gegebenen Erklärungen sind offenbar durch nachträgliche Assoziation mit ἁρπάζω bedingt. I-150
ἄρπεζα etwa ‘Hecke, Zaun’ (Nik., pl.; vgl. ἀρπέζας· τοὺς αἱμασιώδεις τόπους. οἱ δὲ τείχη καὶ περιβόλους. οἱ δὲ τὰ κλιμακώδη χωρία H.). ἄρπεζος f. ‘ds.’ (Mylasa). f. Daran erinnern ἄρπισαι· αἱμασιαί. ἢ τάφρους und ἄρπιξ· εἶδος ἀκάνθης. Κύπριοι H. — Etymologie unbekannt. Die Anknüpfungen an ἅρπη, ἁρπεδόνη, ἁρπάζω (Prellwitz, L. Meyer, s. auch Schwyzer 473 A. 5) überzeugen nicht. I-150
ἅρπη (seit Il.) f. ‘Sichel’, auch N. eines Raubvogels (metonymisch nach den sichelförmigen, gekrümmten Krallen; näheres bei Bechtel Lex., Thompson Birds). Daneben bei H. das maskulinisch umgebildete ἅρπης ("Sichler")· εἶδος ὀρνέου. ἢ ἰκτῖνος. Κρῆτες. Nach Leumann Hom. Wörter 294 ist der Vogelname (auch in Kreta) der Homerinterpretation entsprungen; kaum überzeugend. Wegen des als kretisch gegebenen ἅρπης sieht Bechtel Dial. 2, 781, schwerlich mit Recht, darin einen alten ē-Stamm. — ἅρπη ist bis auf den Auslaut mit aksl. srъpъ, lett. sirpe ‘Sichel’ lautlich identisch und wahrscheinlich urverwandt. Aus anderen Sprachen können hierher gehören lat. sarpiō und sarpō, sarpere ‘die Weinstöcke beschneiteln’ und ahd. sarf ‘scharf, rauh’. Näheres bei W.-Hofmann s. sarpiō. Für ἅρπη orientalische Entlehnung anzunehmen (Grimme Glotta 14, 17), ist somit überflüssig. — Aus ἅρπη oder einem nahestehenden Grundwort stammen wahrscheinlich ἅρπαξ (eig. "mit Krallen versehen"?) und ἁρπάγη, die ihrerseits die Grundlage des Verbs ἁρπάζω (s. d.) haben bilden können; vgl. WP. 2, 501 gegen Wood ClassPhil. 3, 74. I-150
ἁρπίς, -ῖδος (-ίδος) f. ‘Art Schuh’ (Kall., Suid.). Nach EM 148, 36 = κρηπίς . — Unerklärt. Etwa zu ἅρπη nach der Form? I-150
‘Αρποκράτης (’Αρπ-), auch Καρποκράτης (Inschr., Pap. u. a.), — aus ägypt. Ḥar-pe-chrot. Sittig KZ 45, 242ff., Lévy REGr. 26, 262. I-151
Ἅρπυια f., gewöhnl. im Plur., ‘die Harpyien’, unheimliche Dämonen, die mit dem Sturmwind verknüpft werden (seit Il.). Daneben die offenbar alte Dualform ’Αρεπυίᾱ (Aigina). — Reduplikationsloses substantiviertes Partizip auf -υια wie ἄγυια, αἴθυια usw. (Schwyzer 541). Die zweisilbige Stammform in ’Αρεπυίᾱ (das neben Ἅρπυια steht wie ὀρόγυια neben ὄργυια) ist für die sonst naheliegende Anknüpfung an ἅρπη, ἁρπάζω (von denen indessen der Spiritus stammt) nicht günstig. Der Ausdruck Ἅρπυιαι ἀνηρέψαντο (ξ 371 = α 241) läßt vielmehr auf Verwandtschaft mit ἐρέπτομαι ‘raufen, abrupfen, fressen’ (s. d.) schließen. Bechtel Lex. I-151
ἅρπυς ἅρπυν· ἔρωτα. Αἰολεῖς H. ‘Liebe’ (Parth.). — Nach EM 148, 35 παρὰ τὸ ἁρπάζειν τὰς φρένας, was semantisch zweifellos möglich ist. Man muß dann eine Art Rückbildung mit Abstreifung des Verbsuffixes annehmen. I-151
ἀρράβη · θύρα. οἷον γέρ<ρ>ον H. — Nach Lewy Fremdw. 130 semitisch, zu hebr. ’ārab ‘flechten’. Verfehlt H. Petersson Från filol. fören. i Lund. Språkliga uppsatser IV (Lund 1915) 139f.: zu ἄρριχος, lit. rẽzgis ‘Korb’, lat. restis. I-151
ἀρ(ρ)αβών, -ῶνος m. ‘Handgeld, Unterpfand’ (Antiph., Is. usw.). Davon ἀρραβωνίζεται· ἀρραβῶνι δίδοται H. — Semitisches LW, vgl. hebr. ‘ērābōn ‘Unterpfand’; näheres bei Lewy Fremdw. 120, s. auch Schwyzer 153, 316. — H. glossiert ἀρραβών auch mit ἄγκιστρον. Unwahrscheinlicher Erklärungsversuch bei Lewy Fremdw. 130. I-151
ἄρρατος = ἀμετάστροφος (Pl. Kra. 407d; außerdem R. 535c, Ax. 365a; ἀνέρος ἀρράτοιο Euph. 24 mit falscher Länge). — Aus *ἀ-ϝρᾰτ-ος, zu idg. u̯ert- ‘wenden, drehen’, s. ῥατάναν. Schwyzer RhM 80, 209ff., Sommer Nominalkomp. 86. I-151
ἀρρηνής Theok. 25, 83 ζάκοτόν τε καὶ ἀρρηνές (scil. θηρίον; vom Hunde); nach H. ἄγριον, δυσχερές. Davon ἀρρηνεῖν· λοιδορεῖν. καὶ γυναικὶ πρὸς ἄνδρα διαφέρεσθαι H. — Expressives Wort unbekannter Herkunft. Ob von ἀρ(ρ)άζω ‘bellen, heulen’ (so Prellwitz Glotta 19, 104) mit Bildung nach στρηνής, ἀπηνής? I-151
ἀρρηφόρος f. N. der Mädchen, die in Athen die Symbole der Göttin Athena in Prozession trugen (Paus., Plu. usw.). Davon das Abstraktum ἀρρηφορία ‘Prozession der ἀρρηφόροι’ (Lys.; ausführlich darüber Adrados Emerita 19, 117ff.) und das Denominativum ἀρρηφορέω (Ar., Din. u. a.). Außerdem das substantivierte τὰ ἀρρηφόρια (Sch. Ar., EM). — Daneben mit anderem Anlaut ἐρρηφόρος, -έω (Inschr., näheres bei Meisterhans3 15 A. 67); ferner ἐρσηφόρος, -ία (auch ἐρσε-, ἐρσο-; Inschr., Sch. Ar.). — Nicht sicher gedeutet. Schon die Alten erklärten es aus ἄρρητος ‘ungesagt, geheimnisvoll’ (mit unverständlicher Unterdrückung der Silbe -το-; für ein athematisches ἀρρητ- fehlt jede Stütze), bzw. aus ἔρση ‘Tau’, auch N. einer der Töchter des Kekrops. Vgl. G. Meyer Gr.3 353 A. mit Lit., Debrunner GGA 1910, 14f. Verfehlt Fick KZ 43, 132f. (ἄρρη attisch für ἔρση). I-151-152
ἀρριχάομαι s. ἀναρριχάομαι. I-152
ἄρριχος f. (m.) ‘Korb’ (Ar., Thphr., AP), ἄρσιχος (D. S., Marm. Par., Amorgos). Deminutivum ἀρριχίς f. (Ath.). — Unerklärt. Verfehlt Petersson KZ 47, 256f. (s. WP. 2, 374) und Specht Ursprung 251 und 256. Dasselbe Suffix wie im synonymen σύριχος u. a. (Schwyzer 498, Chantraine Formation 402). I-152
ἄρσεα · λειμῶνες H. — Nicht sicher gedeutet. Nach Schwyzer 513 (mit Curtius 298 und Froehde BB 21, 191) zu ἄρδω mit suffixalem -σος wie in ἄλσος usw. Specht Ursprung 319 hält ἄρσος für eine alte Nebenform zu ἄλσος mit indogermanischem Schwanken zwischen l und r; nicht zu empfehlen. I-152
ἀρσενικόν, ἀρρενικόν auch ἀρρενική f. n. ‘Arsenik’ (Arist., Thphr., Str. usw.). — Orientalisches LW, letzter Hand aus mpers. *zarnīk ‘golden, goldfarbig’ (vgl. npers.-arab. zarnīx, zarnīq ‘Arsenik’ und s. zu χλόη, χλωρός), wohl durch semitische Vermittlung (syr. zarnīkā ‘Arsenik’) mit volksetymologischem Anschluß an ἀρσενικός, ἀρρενικός ‘männlich’. Lewy Fremdw. 55 nach Lagarde; vgl. noch Hübschmann IF 19, 457 m. A. 4, Schrader-Nehring Reallex. s. v. I-152
ἄρσην, -ενος (ep.), ἄρρην (att.), ἔρσην (ion. lesb. kret. usw.), ἄρσης (lak.) ‘männlich’. Komparationsformen ἀρρέντερος ‘männlich’ (ark.), ἐρσεναίτερος (el.), beide vielleicht sekundär für ἄρσην gegenüber θηλύτερος (Benveniste Noms d’agent 117f.). — Ableitungen: ἀρσενικός, -ρρ- ‘männlich’ (hell. u. spät), ἐρσενικός (Pap.), ἀρσένιος (Teuthis); ἀρσένιον n. ‘männliches Kind’ (Pap.) — Adverb ἀρρενωδῶς ‘männlich’ (LXX). — Abstrakta: ἀρρενότης f. ‘Männlichkeit, masculinum’ (Stoik. usw.), ἀρσένωμα ‘männlicher Same’ (Sch. Opp.), vgl. die ähnlichen denominalen Bildungen auf -(ω)μα bei Schwyzer 523, Chantraine Formation 187. — Denominatives Verb: ἀρρενόομαι ‘Mann werden, sich als Mann benehmen’ (Luk., Ph. usw.). — Ion. usw. ἔρσην ist mit aw. apers. aršan- ‘Mann, Männchen’ identisch; die Tiefstufe in ἄρσην, ἄρρην erscheint in dem abgeleiteten aind. r̥ṣa-bhá- ‘Stier’. Dazu ferner nach aller Wahrscheinlichkeit aind. árṣati ‘fließen’; vgl. die synonyme Reimbildung aind. vŕ̥ṣan- zu várṣati ‘regnen’ (s. zu ἔρση, οὐρανός, οὐρέω); dazu Benveniste BSL 45, 100ff. — Die weiteren Anknüpfungen bei Bq, WP. 1, 149ff., Pok. 336 sind hypothetisch, z. T. verfehlt. — Vgl. ἀρνειός, ἀρνευτήρ. I-152-153
ἀρτάβη f. N. eines persischen und ägyptischen Maßes (Hdt., Pap.). — Das Wort ist wahrscheinlich ägyptischen Ursprungs. Vgl. Hultsch P.-W. s. v. Davon in den Papyri mehrere Ableitungen: ἀρτάβιος ‘eine A. messend’, ἀρταβιαῖος ‘ds.’ (nach den Maßadjektiven auf -(ι)αῖος Chantraine Formation 49), ἀρταβίειος od. -ιεῖος ‘ds.’; vgl. zur Bildung κοτυλίειος (-ιεῖος), von κοτύλη, usw. (Mayser Pap. I 3, 95); Abstraktum ἀρταβιεία (-βεία, -βία) ‘Abgabe von einer Artabe’. I-153
ἄρταμος m. ‘Metzger, Koch’ (S., X., Epikr. usw.). Davon ἀρταμέω ‘schlachten, zerstückeln’ mit ἀρτάμησις ‘das Schlachten’ (Thebe). — Nach Eustathios 577, 45 = ὁ εἰς ἄρτια τέμνων und somit haplologisch für *ἀρτί-ταμος, bzw. *ἀρτό-ταμος ‘kunstgerecht zerschneidend’ (durch Zusammenbildung). Eine bessere Erklärung ist jedenfalls nicht gefunden. Vgl. J. Schmidt Kritik 83f.; s. ἄρτι und ἄρτος; außerdem Ἄρτεμις. I-153
ἀρτάω ‘anbinden, an-, aufhängen, abhängen’ (ion. att.). Davon die Nomina actionis ἄρτημα Bezeichnung verschiedener Gegenstände wie ‘Ohrgehänge’ (Hdt.), ‘angehängtes Gewicht’ (Arist. u. a.) usw.; ἄρτησις ‘das Aufhängen’ (Papp.), ἀνάρτησις ‘ds.’ (Thphr. usw.), ἀρτησμός ‘ds.’ (AB). — Außerdem das konkrete ἀρτάνη ‘Strick, Schlinge (zum Hängen)’ (A., S.), nach dem synonymen πλεκτάνη und anderen Gerätenamen auf -άνη (Schwyzer 489f., Chantraine Formation 197ff.). — ἀρτάω aus *ἀϝερτάω ist eine sekundäre Verbalbildung, die sich zum primären ἀείρω ‘anbinden, aufhängen’ (s. d.) verhält wie z. B. lat. gestāre zu gerere. Die Entstehungsweise ist im einzelnen nicht aufgeklärt, s. Schwyzer 705f. mit Lit. Vgl. noch ἀρτήρ, ἀρτηρία. I-153
ἀρτεμής ‘frisch, gesund’ (ep. seit Il.) Davon zwei späte Ableitungen: ἀρτεμέω ‘gesund sein’ (Nonn.), ἀρτεμία ‘Gesundheit’ (Max., AP, Prokl.). — Unerklärt. Mehrere vergebliche Deutungsversuche: haplologisch aus *ἀρτι-δεμής (zu δέμας, Prellwitz); ἀρ- = ἀρι- (vgl. ἀρπεδής) und *τέμος (zu τημελέω, Fick-Bechtel Personennamen 439, vgl. Hoffmann Dial. 2, 235). Noch anders Ehrlich Betonung 43 A. 2. I-153
Ἄρτεμις, dor. Ἄρταμις, -ιδος, -ιτος f. Göttinnenname (seit Il.). Ableitungen: ’Αρτεμίσιος, ’Αρταμίτιος m., auch ’Αρτεμισιών, Monatsname (Th. usw.), -ον n. ‘Artemistempel’ (Hdt., Ar. usw.), auch ‘(kleines) A.-bild’ (Hyp.); ’Αρταμίτια n. pl. ‘A.-feier’ (Delphi). — ἀρτεμιδήϊον n., ἀρτεμισία f. Pflanzennamen, vgl. Strömberg 100. — ’Αρτεμισιασταί m. pl. N. der A.-verehrer (Athen), wie von *ἀρτεμισιάζω; vgl. ’Απολλωνιασταί usw. (Chantraine 316). — Der Name Ἄρτεμις erscheint auch in lydischen Inschriften (Artimuś, Artimuλ, Artimu-k; vgl. zu ’Απόλλων); ob aber der Name deswegen als lydisch anzusehen ist (v. Wilamowitz Hellenistische Dichtung 2, 50; Glaube 1, 324), bleibt fraglich. Noch zweifelhafter ist die Annahme illyrischer Herkunft (aus illyr. *artos ‘Bär’, Sánchez Ruipérez Emerita 15, 1ff. und Zephyrus 2, 89ff.). Kretschmer Glotta 15, 177 erwägt sog. "protindogermanischen" Ursprung. Die Erklärungen aus dem Griechischen selbst sind ebenfalls hypothetisch. Gegen die Deutung als "Bärengöttin" (zu ἄρκτος ‘Bär’; zuletzt Pisani Rev. ét. anc. 37, 149f.) s. Kretschmer Glotta 27, 34, der an der Anknüpfung an ἄρταμος ‘Schlächter’ festhält. Aber die Schreibung Ἄρταμις mit -α- ist vielmehr auf Volksetymologie zurückzufuhren, vgl. Schwyzer 256. Wertlos Glaser Mitt. d. Vereins klass. Phil. in Wien 6, 55ff. — Näheres bei Nilsson Gr. Rel. 1, 451ff.; vgl. noch die Einzelheiten bei Sánchez Ruipérez 1. c., außerdem Chantraine L’ant. class. 22, 67. I-153-154
ἀρτέμων, -ονος m. ‘Bramsegel, Bramstange’ od. ähnl. (Act. Ap. 27, 40, vgl. Moulton-Milligan Vocabulary s. v.), Bed. unsicher bei Lyd. Mens. 2, 12. Deminutivum ἀρτεμώνιον (Tz. ad Lyk. 359). — Lat. LW artemo(n) seit Lucil. als Name eines Segels od. ähnl., bei Vitr. 10, 2, 9 außerdem = ‘der dritte Kolben im Flaschenzuge’. Technisches Wort, dessen Sinn und Geschichte noch der Aufklärung bedarf. Die lautlich naheliegende Anknüpfung an ἀρτέομαι oder ἀρτάω nach den Geratenamen auf -μων (Chantraine Formation 172, vgl. Schwyzer 522) entbehrt bisher einer semantischen Motivierung. I-154
ἀρτέομαι ‘sich rüsten, bereit machen’, auch in Komp. ἀν-, παρ-αρτέομαι (Hdt., Arr.). Ableitung ἄρτησις (Hdt. 1, 195; aber v. l. ἄρτισις, von ἀρτίζω). — Daneben ἀρτίζω (vgl. αἰτέω : αἰτίζω) ‘bereit machen, ausrüsten’ (Theok., D. S. u. a., καταρτίζω Hdt. usw.), das indessen auch auf ἄρτι (s. d.) zurückgehen kann. — Letzten Endes geht ἀρτέομαι auf ἀρ- in ἀραρίσκω zurück; als Zwischenglied diente wohl eine nominale Bildung auf -τ-, vgl. Schwyzer 705f. Direkte Ableitung von ἄρτι ist nicht glaubhaft. Vgl. noch ἐπαρτής ‘gerüstet’ (Od., A. R.), wohl von ἐπαρτίζω (Hp., A. R.). Ein neutrales Subst. *ἄρτος anzusetzen (Schwyzer 512), ist unnötig. — S. auch ἀρτέμων. I-154
ἀρτήρ m. 1. "der Erheber", Gegenstand womit etwas getragen wird (LXX Ne. 4, 17 [11]): aus *ἀϝερ-τήρ, zu 1. ἀείρω ‘erheben’; 2. eine Art Schuhe (Pherekr. 38, H.): kann als "Anbinder, Angebundenes" zu 2. ἀείρω ‘anbinden’ gehören; allenfalls auch zu ἀρτάω mit Haplologie für *ἀρτη-τήρ. Dazu ngr. (pont.) ὀρτάρια ‘Socken’; Amantos ’Αρχ. ’Εφ. 28, 85ff. I-154-155
ἀρτηρία f. ‘Arterie’, auch ‘Luftröhre’ (Hp., Pl., Arist. usw.); zur Bedeutung vgl. Strömberg Wortstudien 60. Davon ἀρτηριακός (Mediz.) und ἀρτηριώδης (Gal. usw.); außerdem ἀρτηρίασις ‘Bronchitis’ (Isid. Etym. 4, 7, 14) als von einem Krankheitsverbum *ἀρτηριάω (Schwyzer 732), nach ψωρίασις, ἐρυθρίασις usw., vgl. Holt Les noms d’action en -σις 137 A. 3. — Wie das semantisch nahestehende ἀορτή (s. 2. ἀείρω) wahrscheinlich zu ἀείρω ‘anbinden, aufhängen’ aus *ἀερτηρία; somit zunächst Abstraktbildung von *ἀ(ϝ)ερ-τήρ mit konkreter Bedeutung wie in λαυκανίη ‘Kehle’, κοιλία, καρδία und anderen Körperteilbenennungen, s. Chantraine Formation 81. Die Bedeutungsentwicklung scheint in ähnlichen Bahnen wie bei ἀορτή verlaufen zu sein. I-155
ἄρτι Adv. ‘gerade, eben, erst’ (als Simplex nicht bei Homer; vgl. indessen unten). Davon ἄρτιος (seit Il.) ‘angemessen, richtig, bereit’, auch ‘grad’ (von Zahlen), mit dem Nomen ἀρτιότης f. (Arist.), dem Adverb ἀρτιάκις ‘gerademal’ (Pl.) und dem Verb ἀρτιάζω ‘grad oder ungrad spielen’ (Ar. usw.); davon wiederum ἀρτιασμός (Arist.). — Von ἄρτι ferner (falls nicht Nebenform von ἁρτέομαι, s. d.) ἀρτίζω, gewöhnl. ἀπ-, ἐξ-, καταρτίζω ‘ordnen, einrichten, ausrüsten’ mit mehreren nominalen Ableitungen; vom Simplex ἀρτιστῆρες pl. Beamtenbezeichnung in Elatea. Als Vorderglied findet sich ἄρτι in zahlreichen Zusammensetzungen, gew. mit temporaler Bedeutung ‘eben, jüngst’. Einige hauptsächlich alte Komposita zeigen indessen einen abweichenden Sinn: so ἀρτι-επής, ἀρτί-φρων, ἀρτί-πος (Hom. usw.); ἀρτί-χειρ, ἀρτι-μελής (Pl. usw.), wo ἄρτι ehestens adjektivisch als ‘richtig, gerade’ zu deuten ist. Anders Knecht Τερψίμβροτος 16: eig. ‘nahe’, vgl. lit. artì ‘nahe bei’; zu ἀρτιεπής s. auch Bechtel Lex., schwerlich richtig; zum ganzen Bildungstypus außerdem Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 33ff. m. Lit. — ἄρτι hat eine genaue Entsprechung in arm. ard ‘soeben, jetzt’, das wie ἄρτι auch als Vorderglied benutzt wird, z. B. ard-a-cin ‘soeben geboren, ἀρτι-γενής’. Es erklärt sich am einfachsten als erstarrter Lokativ eines Konsonantstamms *ἀρ-τ-, etwa ‘Fügung, Ordnung’, von ἀρ- in ἀραρίσκω. Schwyzer 622. Anders Benveniste Or. 1, 98: -ι Akk. sg. n. — Nahe verwandt ist lit. artì ‘nahe bei’, vgl. oben. I-155
ἀρτίαλα n. pl. N. eines Ohrenschmucks, ‘Ohrringe’ od. ähnl. (äol., Poll. 5, 97). — Unerklärt. Ob zu ἄρτιος mit suffixalem -αλο-, das in mehreren technischen Termini zu Hause ist (Schwyzer 483f., Chantraine Formation 245f.)? I-155-156
ἄρτος m. ‘Brot’ (seit Od.). Davon das seltene Deminutiv ἀρτίσκος m. (Hp., Dsk., Gal.) und ἀρτίσκιον (Damokr.). Von den sehr zahlreichen Komposita mit ἄρτος als Vorderglied ist zu erwähnen ἀρτο-κόπος ‘Brotbäcker’ (ion. att.); das Hinterglied zu πέσσω, πέπων (s. dd.), wohl mit Metathese derselben Art wie in lit. kepù ‘backen’ für *pekù = aksl. pekǫ, aber davon unabhängig. Lit. bei Schwyzer 298f. und Bq s. ἄρτος. Ursprüngliche Lautfolge mit bewahrtem Labiovelar in ägäisch a-to-po-qo = ἀρτοποqu̯οι? — Nicht sicher gedeutet. Zugehörigkeit zu ἀρ- ‘zusammenfügen, verfertigen’ als Verbalnomen auf -τος (Prellwitz) ist wohl nicht ganz ausgeschlossen (vgl. ἄρμενα und 2. ἄρμα), aber sehr unsicher. Nach Pisani Ricerche Linguistiche 1, 141 ist ἄρτος aus einem iranischen *arta- ‘Mehl’ entlehnt, vgl. aw. aša- ‘gemahlen’, npers. ārδ ‘Mehl’, zu idg. al- ‘mahlen’, s. ἀλέω. Hubschmid Sardische Studien (Bern 1953) 104 erinnert dagegen mit Recht an bask. arto ‘Mais(brot)’, aspan. artal ‘especie de empanada’ usw. und betrachtet dementsprechend ἄρτος als Substratwort. I-156
ἀρτύω ‘zurüsten, bereiten’, auch von der Speise ‘würzen’, oft mit Präfix wie ἐξ-, κατ-αρτύω (seit Il.). Davon einige Verbalnomina : 1. ἄρτυμα ‘Würze, Gewürz’ (ion. poet., spät) mit den späten Ableitungen ἀρτυμάτιον, ἀρτυματώδης, ἀρτυματικός; ἀρτυμᾶς und ἀρτυματᾶς m. ‘Gewurzhändler’ (Pap.; zur Bildung Chantraine Formation 31f., Schwyzer 461 mit Lit.; außerdem Petersen ClassPhil. 32, 121ff.). — 2. ἄρτυσις ‘das Zurichten, Würzen’ (Ph., D. S. usw.). — 3. ἀρτυτήρ N. eines Beamten (Thera). — 4. Außerdem das Adj. ἀρτυτικός ‘zum Würzen geeignet’ (Sch.); ἀρτυτικόν n. ‘Würze’ (Sammelb. 5224, 50). — Neben ἀρτύω steht seit alters, vorw. episch, mit sekundärer ν-Erweiterung (δύω : δύνω usw., Schwyzer 727f.; zum Aspekt [determinativ?] Brunel Aspect verbal 88) ἀρτύνω mit der postverbalen Bildung ἀρτύνᾱς m. N. eines Beamten in Argos und Epidauros (Th.); auch ἄρτυνος (Plu. u. a.), vgl. Schwyzer 491. ἀρτύω muß seiner Bildung gemäß ein denominatives Verb sein; das vorauszusetzende Nomen ist indessen nur bei H. belegt: ἀρτύς· σύνταξις, ἀρτύν· φιλίαν καὶ σύμβασιν ἢ κρίσιν, ist aber wohl trotzdem alt. Mit diesem ἀρτύς stimmt nämlich arm. ard, Gen. ardu ‘Ordnung’ und lat. artus -ūs m. ‘Gelenk, Glied’ formal gänzlich überein. Es kann somit eine vorgriechische tu-Ableitung von ar- ‘fügen’ in ἀραρίσκω vorliegen; >vgl. noch die verwandten aind. r̥tú- m. ‘bestimmte Zeit, Ordnung usw.’, aw. ratu- m. ‘Richter(spruch), Zeit(abschnitt)’. Porzig Satzinhalte 338ff. I-156-157
ἄρυα · τὰ ‘Ηρακλεωτικὰ κάρυα H. — Die formale Beziehung von ἄρυον zu dem geläufigen synonymen κάρυον liegt auf der Hand; vgl. Strömberg Pflanzennamen 155f. H. bringt noch αὐαρά· τὰ Ποντικὰ κάρυα. — Mit ἄρυα vergleicht G. Meyer Alb. Wb. 17 alb. ar̄ε f. ‘Nußbaum’, aksl. orěchъ ‘Nuß’, wozu weiterhin lit. ríešas, ríešutas ‘Nuß’, lett. riẽksts ‘(Hasel)nuß’, apreuß. buccareisis ‘Buchecker’ (Trautmann Altpreuß. Sprachdenkm. 314, Balt.-slav. Wb. 241). Das nähere Verhältnis dieser Wörter zueinander bleibt noch aufzuklären; die morphologische Analyse bei Specht Ursprung 62, 146, 236 ist allzu schematisch, um überzeugen zu können, da späte Entlehnung und sekundäre Angleichung in Betracht zu ziehen sind. Vgl. die Ausführungen Fraenkels Gnomon 22, 238, wo parallele Entlehnung aus unindog. Quelle vermutet wird. I-157
ἀρύβαλλος m. ‘Sack, Beutel, der zusammengeschnürt werden kann’ (Stesich., Antiph.), ‘kugelförmige Gießkanne mit schmalem Hals’ (Ar., Ath.). Deminutivum ἀρυβαλλίς f. (H., EM). — Nach H. und Fraenkel Glotta 4, 35 aus ἀρύειν und βάλλειν durch asyndetische Verbalverbindung. — Die Erklärung setzt u. a. voraus, daß die Bedeutung ‘Gießkanne’ gegenüber ‘Sack’ primär sei, was sehr zweifelhaft ist. Wahrscheinlich entweder ägäisches oder vielmehr mit Krahe (brieflich) nordbalkanisches (illyr., maked.) Lehnwort; vgl. zu βαλλάντιον. I-157
ἀρύω 1. mit τ-Erweiterung (Schwyzer 704) in att. ἀρύτω, lesb. (Alk.) ἀρυτήμενοι, Aor. ἀρῠ́σαι ‘schöpfen’ (seit Hes.). Mehrere Ableitungen: ἀρυστήρ, -ῆρος m. ‘Löffel, Kelle’, auch als Flussigkeitsmaß (Alk., Semon., Hdt. usw.); daneben ἀρυτήρ (Dsk., Pap.). Fem. ἀρυστρ-ίς, -ίδος (AP), gewöhnl. ἀρύταινα ‘ds.’ (Ar., Antiph., Thphr., Pap.) mit direkter Anlehnung an ἀρύτω, s. Chantraine Formation 109; Deminutivum ἀρυταίνιον (Lebena IIa). — ἄρυσ-τις f. ‘Löffel’ (S.); zur Bildung und zum Lautlichen Schwyzer 504, Chantraine 275f.; dagegen in Komposita ἐτν-, ζωμ-, οἰν-ήρυσις (Kom. usw.; das Simplex ἄρυσις nur Afric. Kest.). Deminutivum ἀρύστιχος m. (Kom., Aegina). — Im selben Sinn noch ἀρυσάνη (Timo), vgl. λεκάνη und andere Gerätenamen Chantraine 198, außerdem Stang Symb. Oslo. 2, 65f.; ἀρυσᾶς (Delos), wohl ehestens Berufsbezeichnung ‘Schöpfer’ (Schwyzer 461 m. Lit.); in der Bedeutung dagegen abweichend ἄρυσος m. ‘Weidenkorb’ (Hdn.), vgl. τάμισος, πέτασος und andere griechische, bzw. fremde Nomina auf -σος Schwyzer 516, Chantraine 435. — Dazu noch die Adjektiva ἀρυτήσιμος (wie von *ἀρύτησις, AP) und ἀρύσιμος ‘schöpfbar, trinkbar’ (Sch.), vgl. Arbenz, Die Adj. auf -ιμος 100f.; ἀρυστικός ‘zum Schöpfen dienend’ (Ael.). — ἀρύω steht wahrscheinlich für *ϝαρύω (vgl. (ϝ)αρυσσάμενος Hes. Op. 550) und kann als primäres zweisilbiges Verb (mit sekundärem σ in ἀρυστήρ u. a.) zu arm. gerem ‘(gefangen) nehmen’, weiterhin zu εὑρίσκω ‘finden’ und air. fūar ‘inveni’ gehören, vielleicht auch zu mir. feraim ‘ausgießen’. Ablautsmäßig verhält sich (ϝ)αρύω zu εὑρίσκω wie βαρύς zu βρίθω; zu (ϝ)αρύω : arm. gerem vgl. καλύπτω : air. celim. — Frisk Eranos 50, 1ff. mit semantischen Parallelen und Kritik anderer Erklärungsversuche. S. auch εἴρερον. I-157-158
ἀρύω 2. ‘sprechen, rufen’ nur lexikalisch belegt: ἀρύει· ἀντὶ <τοῦ> λέγει, βοᾷ; ἀρύουσαι· λέγουσαι, κελεύουσαι; ἀρύσασθαι· ἐπικαλέσασθαι H. Nach EM 134, 12 syrakusanisch. — Unerklärt. Von Meillet BSL 26, 19f. zu ἀρνέομαι (s. d.) gezogen. Man könnte auch bei (ϝ)ερῶ usw. ‘sagen’ Anschluß finden. I-158
ἀρχή f. 1. ‘Anfang, Ursprung’ (seit Il.); 2. ‘Herrschaft, Regierung’ (seit Pi.; vgl. Deubner Herm. 43, 640). Ableitungen : Von 1 : ἀρχαῖος ‘ursprünglich, altertümlich, alt’ (seit Pi.; vgl. Sandsjoe -αῖος 7 m. A. 1) mit dem Abstraktum ἀρχαιότης f. ‘Altertümlichkeit’ (Pl., D. H. usw.) und zwei späten Denominativa: 1. ἀρχαΐζω ‘altertümlich sein’, vom Stil usw. (D. H., Plu.) mit ἀρχαϊσμός ‘Altertümlichkeit’ in Stil und Sprache (Men., D. H. usw.); 2. (ἀρχαιόομαι :) ἀρχαιωθείς (χρόνος) ‘veraltet’ (Pap. VIp). Von ἀρχαῖος auch ἀρχαϊκός ‘altmodisch’ (Ar., Antiph. usw.; vgl. Chantraine Formation 393). — Von 2: ἀρχικός ‘zur Herrschaft gehörig, zum Herrschen befähigt’ (A., Th., Pl. usw.; vgl. Chantraine 386), später auch auf 1. ἀρχή bezogen (Phld. u. a.). Ferner das Deminutivum (in verächtlichem Sinn) ἀρχίδιον (Ar., D.) und die gewöhnliche Ortsbezeichnung ἀρχήϊον, ἀρχεῖον ‘Regierungsgebäude’, sekundär ‘Behörde’, mit ἀρχειώτης (Dig.) und ἀρχειωτικός (Lyd.); das dorisierte ἀρχέτας m. ‘Herrscher, zum Herrscher gehörig’ (E.), das auch auf ἄρχω zurückgehen könnte (Schwyzer 500); drei Titel von Priesterinnen: ἀρχῖτις (Thasos), ἀρχίνη (Syros), beide falsch mit -ει- geschrieben, und ἀρχηΐς (Amyklai). — Das denominative ἀρχεύω ‘der erste sein, gebieten’ (ep. seit Il.), auch als beamtlicher Terminus (Paphos, Kos), gehört wohl eher zu ἀρχός, s. d., falls nicht einfach eine Erweiterung von ἄρχω nach βασιλεύω, ἀριστεύω. — ἀρχή ist Verbalnomen von ἄρχω, s. d. I-158
ἀρχός 1. — Verbalnomen von ἄρχω, s. d. I-158
ἀρχός 2. m. ‘Mastdarm, After’ (Hp., Arist.). — Etymologie unbekannt. Oder einfach = 1. ἀρχός als scherzhafte Ironie in euphemistischer Absicht? — Verfehlt Prellwitz KZ 47, 295, s. WP. 1, 143. Nach Froehde BB 21, 325 und Specht Ursprung 238 (vgl. auch 254) Nebenform zu ὄρρος; ganz willkürlich. I-158-159
ἄρχω Aor. ἄρξαι ‘der erste sein’ = 1. ‘anfangen, beginnen’ (zum Gebrauch bei Homer s. Bradač PhilWoch. 50, 284f., Porzig Satzinhalte 46ff.; attisch gewöhnl. Medium); = 2. ‘herrschen’ (seit Il.). Davon das Nomen agentis ἀρχός m. ‘Führer, Anführer’ (ep. poet. seit Il.) mit dem denominativen ἀρχεύω ‘der erste sein, gebieten’ (ep. seit Il.), auch als amtlicher Terminus (Paphos, Kos), vgl. Leumann Hom. Wörter 295; es könnte allerdings auch eine Erweiterung von ἄρχω nach βασιλεύω, ἀριστεύω sein. Gewöhnlicher ist das partizipiale ἄρχων, -οντος m. ‘Befehlshaber’, N. der höchsten Beamten, namentlich in Athen, ‘Archont’; Fem. ἀρχοντίς (Cat. Cod. Astr.) kürzere Form ἀρχίς (Tenos). Seltene und späte Ableitungen: ἀρχοντικός ‘zum Archonten gehörig’ (AP, Pap. usw.), ἀρχοντεύω ‘Archont sein’ (Olbia), ἀρχοντιάω ‘zu herrschen wünschen’ (Sch., Lyd.). — ἄργματα n. pl. ‘Erstlingsopfer’ (ξ 446) = ἀπάργματα (Ar. u. a.), ἀπαρχαί; daneben ἄρχματα H. mit analogisch bewahrtem -χ-. — Zu ἀρχή s. bes. — Unerklärt. — Die bisherigen Deutungsversuche, alle wertlos, sind bei Bq und bei Schwyzer 685 A. 4 verzeichnet. — Vgl. ὄρχαμος. I-159
ἄρωμα n. ‘Gewürz, wohlriechendes Kraut’ (Hp., X., Arist. usw.). Davon einige hellenistische und späte Ableitungen: ἀρωματικός, ἀρωματίτης, ἀρωματώδης und das Denominativum ἀρωματίζω ‘würzen, nach Gewürz riechen oder schmecken’. — Unerklärt. Hypothese bei Wood ClassPhil. 21, 63ff. I-159
ἆσαι Aor. Inf., ‘(sich) sättigen’ (Hom.). daneben ἄ̄-μεναι, wahrscheinlich als athematischer Wurzelaorist aufzufassen (die Länge kann metrisch sein) mit dem Konj. ἕωμεν (aus *ἥ-ο-μεν); Fut. ἄσειν. Außerdem bei Hes. Sc. 101 das thematische Präsens ἅ̆εται (so cod. Laur.; die übrigen Hss. ἄαται, das für athematisches oder kontrahiertes ἆ-ται stehen muß, vgl. ἆται· πληροῦται H.). Näheres bei Solmsen Unt. 93f. Negiertes Verbaladjektiv ἄ-ατος > ἆτος s. d. — Altes Verb, das nur in vereinzelten Formen erhalten ist. Ableitungen davon sind ἅδην und ἄση (s. dd.), die sich vom Verb ganz losgelöst haben. Andere idg. Sprachen haben nur isolierte Bildungen bewahrt, die wie die griechischen Formen entweder auf eine idg. Hochstufe sā- oder auf eine Tiefstufe sə- zurückgehen, s. zu ἅδην und ἄση. I-159
ἀσαλής nach EM l51, 49 bei A. (Fr. 319) = ‘ἄφροντις, ἀμέριμνος’ als Attribut von μανία. Davon nach EM bei Sophron (113) ἀσάλεια (cod. ἀσαλέα) = ‘ἀμεριμνία καὶ ἀλογιστία’. — Nach EM von σάλη = ‘φροντίς’, aber eher von σάλος (mit Übergang zum σ-Stamm), nach H. u. a. auch = ‘φροντίς, ταραχή’, das mit σάλος ‘unruhige Bewegung’ identisch ist, s. d. Von ἀσαλής und ἀσαλεῖν (cod. ἀσάλειν)· ἀφροντισθῆναι ist σάλη, auch σάλα (H., Phot., Suid.) dann eine retrograde Bildung. I-159-160
ἀσάμινθος f. ‘Badewanne’ (Hom., davon vereinzelt auch in der übrigen Lit.). — Ägäisches LW mit demselben νθ-Suffix wie in den vorgr. Ortsnamen Κόρινθος, Ὄλυνθος usw. (Chantraine Formation 371, Schwyzer 510). Sonst unklar. — Gaerte PhW 1922, 888 und v. Blumenthal IF 48, 50 erinnern an sumer. babyl. asam ‘Tongefäß für Wasser’, v. Blumenthal auch, u. zwar weit weniger überzeugend, an den Flußnamen und ON Asamus, bzw. Anasamus in Moesia inferior. Auch die Anknüpfungen an verschiedene andere Namen bei Güntert Sb. Heidelb. 23 : 1, 23f. und bei Alessio Stud. italfilclass. N. S. 20, 121ff. sind als sehr hypothetisch oder als irrig zu betrachten. Verfehlt ebenfalls Pisani Rend. Acc. Lincei 6 : 5, 5f. Erklärung aus dem "Pelasgischen" bei van Windekens Le Pélasgique 3 usw. — Vgl. Kretschmer Glotta 20, 25l; 22, 253. Ältere Versuche sind bei Bq registriert. I-160
ἄσαρον Kürzere, nicht gräzisierte Form ἄσαρ (Aët., Suid.). n. ‘Haselwurz, Asarum europaeum’ (Krateuas, Dsk. usw.). Davon ἀσαρίτης (οἶνος; Dsk., Gp.). — Dunkel. Nach Prellwitz von ἄση, nach Lewy Fremdw. 47 semitisch, nach Krause KZ 67, 213 wiederum thrakisch (zu idg. aḱ- ‘Spitze’, entweder von den Blättern oder eher von dem scharfen Aroma [?]). — Vgl. noch ἀρίσαρον und Strömberg Pflanzennamen 158. I-160
ἄσβεστος Verbaladj. von σβέννυμι, ‘unlöschbar, ungelöscht’ (seit Il.). — Als Subst. entweder vom "ungelöschten" Kalk (τίτανος) oder von einem brennbaren Mineral unbestimmter Art. Dagegen niemals ‘Asbest’ (= ἀμίαντος). DielsKZ 47, 203ff. I-160
ἄσβολος ἀσβόλη f. (Semon., Dsk., Gal.; zur Form Schwyzer-Debrunner 32 A. 4). - f. (m.) ‘Ruß, Kohlenstaub’ (Hippon., Ar. usw.), — Unklar. Zum Vergleich sind einige Wörter für ‘Asche’, ‘trocken’ usw. herangezogen worden, z. B. gr. ἄζω ‘dörren, trocknen’, got. azgo, ahd. asca ‘Asche’, arm. ačiwn ‘Asche’, azazim ‘dörren’, die miteinander z. T. starke Ähnlichkeiten aufweisen. Die morphologische Analyse von ἄσβολος ist schwierig. Ob darin wirklich als Hinterglied das Substantiv βόλος ("Aschen-wurf") steckt (Prellwitz u. a.; auch Pok. 69, Fraenkel Lexis 3, 57 und Schwyzer 440 mit verschiedenen Deutungen des angeblichen Vordergliedes), ist sehr zweifelhaft. Vgl. ἄζω und die dort zitierte Literatur. Davon vereinzelt belegte Ableitungen: ἀσβολώδης ‘rußig’ (Dsk.), ἀσβολόεν· μέγα, ὑψηλόν, μέλαν H., offenbar von einem Gebäude, und die Denominative (ἀσβολόομαι) ἠσβολωμένος (Macho u. a.), ἀσβολάω (Aesop.), ἀσβολαίνεται· fuscatur (Gloss.). I-160-161
’Ασγελάτας Epithet des Apollo (Anaphe). Vgl. s. 1. αἴγλη. I-161
ἀσελγής ‘ausgelassen, schwelgerisch, frech’ (att.). Davon ἀσέλγεια ‘Ausgelassenheit usw.’ (att., hell.). Denominatives Verb ἀσελγαίνω (wie ὑγιαίνω zu ὑγιής usw.) ‘ἀσελγής sein’ (att.); vereinzelt ἀσελγέω (Sch.); davon wahrscheinlich unabhängig (vgl. Chantraine Formation 178) ἀσέλγημα (Plb., Pap. u. a.). — Unerklärte Nebenform: ἀσάλγαν· ὕβριν, ἀμέλειαν; ἀσαλγάνας· φοβερός H.; vgl Havers IF 28, 194ff. — Mehrere vergebliche Erklärungsversuche: Havers l. c. (: böotisch für *ἀθελγής; Bedeutung nicht günstig); Prellwitz KZ 47, 295f. (: lett. tulzums ‘Geschwulst’ usw. [?]); Pisani KZ 68, 163f. (: arm. eɫc ‘verdorben, schlecht’, z-eɫc ‘ausschweifend, unzüchtig’; lautlich unmöglich). I-161
ἄση, äol. ἄσᾱ f. ‘Ekel, Unbehagen, Verdruß’ (äol. ion., Pl., E. usw.). Abgeleitete Adjektive ἀσηρός (-ᾱ-) ‘ekelhaft, lästig’ (äol., ion. usw.), ἀσώδης ‘ds.’ (Hp., Plu. u. a.). Verb, wahrscheinlich denominativ (vgl. unten), ἀσάομαι (-άω Thgn.) ‘Ekel usw. empfinden’ (äol. ion., Arist. u. a.). — Mit einer ursprünglichen Bedeutung ‘Übersättigung’ gehört ἄση zu ἆ-σαι, ἄ̄-μεναι, aber die Bildungsweise ist unklar. Nach Solmsen Wortforsch. 242ff. mit analogisch bewahrtem oder wiederhergestelltem σα-Suffix zur Tiefstufe ἀ̆-, idg. *sə-. Die Identifizierung von ἀσάομαι mit lat. satiāre (Brugmann-Thumb 350), wobei ἄση postverbal wäre, setzt eine im Griechischen sonst nicht vorhandene t-Erweiterung voraus, um von anderen Bedenken zu schweigen, s. Solmsen l. c., wo auch gegen eine Grundform idg. *sə-ti̯ā. Bessere Stütze im Griechischen hätte ein ursprüngliches *ἄδσ-ᾱ, Erweiterung vom σ-Stamm in ἅδος ‘Sättigung, Überdruß’ (Il.); die Vereinfachung des -σ- in den äolischen Formen (bis auf das unsichere ἀσσαροτέρας Sapph. 77) wäre dem epischen Einfluß zuzuschreiben; s. Schwyzer 321 m. Lit. — Vgl. ἆσαι, ἅδην, ἀδμολίη. I-161
ἄσθμα n. ‘schweres, kurzes Atmen, Keuchen’, als mediz. Terminus ‘Asthma’ (ion. poet. seit Il.). Davon das von den Medizinern gebrauchte Adj. ἀσθματικός, vereinzelt ἀσθματίας, ἀσθματώδης; ferner das Denominativum ἀσθμαίνω ‘schwer atmen, keuchen’ (seit Il.); daneben die späte Bildung ἀσθμάζω (AB); unsicher ἀσθμάομαι (Pap., vgl. Kapsomenakis Voruntersuchungen 26 A. 4), wovon immerhin ἄσθμησις (Gloss.). — Die Bildung von ἄσθμα ist im einzelnen etwas unklar. Jedenfalls ist es eine θμα-Ableitung (vgl. ἴ-θμα usw.), wahrscheinlich von an(ə)- ‘atmen’ in ἄνεμος (s. d.). In der so gewonnenen Grundform *ἄνσθμα (vgl. die Literatur bei Schwyzer 337) bleibt das -σ- noch zu rechtfertigen; vgl. indessen ἰ-σθμός; ähnlich lat. hālāre ‘hauchen’, falls nach geläufiger Auffassung aus *an-slā- (denominativ). — Ältere Erklärungen bei Bq. I-161-162
ἄσιλλα f. ‘das über dem Nacken auf beiden Schultern ruhende Tragholz’ (Simon., Pap. u. a.). — Unerklärt, wahrscheinlich LW (vgl. Schwyzer 308). Unwahrscheinliche semitische Etymologie bei Lewy Fremdw. 110. "Pelasgische" Erklärung bei van Windekens Le Pélasgique 7 1ff. I-162
ἀσίρακος m. Art Heuschrecke (ohne Flügel; Dsk., Gal.). — Ägyptisches LW? Vgl. Strömberg Wortstudien 16. I-162
ἄσις, -ιος f. ‘Schlamm, Unrat’ (Φ 321, Nik., Charito). Davon ἀσώδης (A. Supp. 31 [lyr.]); für *ἀσιώδης nach dem Homonym von ἄση?; vielleicht auch ἄσιος als Epithet von λειμών Β 461 (mit Eust.), falls nicht einfach zu ’Ασία. — Nicht sicher erklärt. Von Schulze BerlAkSb. 1910, 793 (= Kl. Schr. 11 6f.) mit ai. ásita- ‘dunkelfarbig, schwarz’ (vgl. ai. hári- ‘gelb’ neben hári-ta- ‘ds.’) zusammengestellt unter Heranziehung zahlreicher semantischer Parallelen (die indessen nicht alle stichhaltig sind). Dabei muß ἀ- (= ai. a-) aus idg. n̥- erklärt werden, wodurch sich idg. s in ἄσις gehalten zu haben scheint, vgl. Schwyzer 307. — Unannehmbar Krause KZ 67, 211f.: ἄσις eig. ‘spitzer Flußsand, Steingrieß’ zu aḱ ‘Spitze’ als thrakisches LW. Ältere verfehlte Erklärungen bei Bq; s. noch van Windekens Le Pélasgique 13 usw. I-162
ἀσκάλαβος Eidechsenart (GDI 3123 [Korinth], Nik., Ant. Lib.). Daneben die längere (ursprünglichere?) Form ἀσκαλαβώτης (Ar., Arist.), vgl. γαλεώτης neben γαλεός; ohne anlautenden Vokal σκαλαβώτης (Orak. ap. Eus. PE 5, 12); besser beglaubigt καλαβώτης (LXX, Pap.). Außerdem bei H. καλαβύστης (argivisch) und sogar ἀσκόλαχα (?); vgl. Chantraine Formation 403; dazu κωλώτης (Arist., Babr.; s. κῶλον). m. — Unerklärt; wahrscheinlich ägäisches LW. Der Ausgang -βος findet sich in mehreren Wörtern unbekannten Ursprungs, darunter in einigen Tiernamen; s. Chantraine 2 60ff. Verfehlt Prellwitz s. v. — Die schwankende Form läßt auf volkstümlichen Ursprung schließen; vgl. Winter Prothet. Vokal 18f. Zur Benennung der Eidechse s. Schrader-Nehring Reallex. 230f. I-162
ἀσκάλαφος m. N. eines unbekannten Vogels, vielleicht einer Eulenart (Arist., vgl. Thompson Birds s. v.). Daneben κάλαφος· ἀσκάλαφος. Μάγνητες H. — Das Suffix -φος ist in Tiernamen wohlbekannt; im übrigen dunkel. Zum Anlaut vgl. Winter Prothet. Vokal 17. I-163
ἀσκαλώνιον (κρόμυον) n. ‘Zwiebel aus Askalon’ (Palästina). — Vgl. Strömberg Pflanzennamen 125. I-163
ἀσκάντης m. ‘schlechtes Bett, Totenbahre’ (Ar., Luk., AP). — Unerklärt. I-163
ἀσκαρίζω s. σκαίρω. I-163
ἀσκαρίς, -ίδος f. ‘Eingeweidewurm, Springwurm, Stechmückenlarve’ (Hp., Arist.). Ableitung: ἀσκαριδώδης (Hp.). Daneben σκαρίδες· εἶδος ἑλμίνθων H. — Nach L. Meyer, Prellwitz, Strömberg Wortstudien 24 postverbal zu ἀσκαρίζω ‘springen, hüpfen’; semantisch nicht ganz überzeugend. — Dt. Springwurm ist Lehnübersetzung. I-163
ἄσκαρος Vgl. ἀσκηρά· εἶδός τι τῶν καστανίων H. m. Art Fußbekleidung, auch ein musikalisches Instrument, ‘Klapper, κρόταλα’ H. Ähnlich Poll. 4, 60. — Unerklärt. I-163
ἀσκελής (κ 463), als Adverb ἀσκελές (α 68, δ 543), -έως (Τ 68), Bedeutung unsicher. — Gewöhnlich zu σκέλλω ‘ausdörren’ und einem unbelegten *σκέλος ‘Dürre’ gezogen; also entweder mit α privativum ‘nicht ausgetrocknet, weich’ (vgl. περι-σκελής ‘ringsum getrocknet, hart’) oder mit α copulativum ‘ausgetrocknet’ = 1. ‘saft- und kraftlos’, 2. ‘hart’. Keine dieser Deutungen paßt ohne gewisse Schwierigkeiten an sämtlichen Stellen. Vermutlich war das Wort schon zur Zeit der epischen Dichter der lebendigen Sprache fremd und die Bedeutung somit schwankend. Bechtels Versuch, Lex. s. v., von der ersten Bedeutung aus dem tatsächlichen Gebrauch gerecht zu werden, ist nicht ganz überzeugend. S. auch Winter Prothet. Vokal 18 m. A. 2, der auf ἀσκαλεῶς· ἄγαν σκληρῶς H. (falsch für ἀσκελέως?) aufmerksam macht. I-163
ἀσκέρα f. ‘Winterschuh mit Pelzfutter’ (Hippon., Herod., Lyk.). Deminutivum ἀσκερίσκος m. (Hippon.). — Nach Prellwitz zu ἀσκέω; vielmehr Fremdwort (lydisch?, vgl. Kretschmer Glotta 27, 37; s. auch Schwyzer 61). I-163
ἀσκέω, Aor. ἀσκῆσαι Mehrere Ableitungen, Nomina actionis: ἄσκησις f. ‘(gymnastische) ?bung’ (ion. att.) ‘Lebensführung, Askese’ (helh.usw.; s. Pfister Festgabe für Ad. Deißmann [1927] 76ff.; vgl. auch Holt Les noms d’action en -σις 123); ἄσκημα n. ‘Übung’ (Hp., X. usw.); ἀσκεία (H.); postverbale Bildung ἄσκη f. = ἄσκησις (Pl. Kom.). — Nomina agentis : ἀσκητής m. ‘der künstlich und beruflich Eingeschulte’, bes. ‘der Athlet’ (att.), ‘Eremit’ (Ph.); unsicher ἀσκητήρ (Poet. ap. Gal. Protr. 13) mit Fem. ἀσκήτρια ‘Nonne’ (Cat. Cod. Astr.). — Adj. (von ἀσκητής oder von ἄσκησις oder sogar direkt von ἀσκέω) ἀσκητικός ‘arbeitsam’ (Pl. Lg. 806a), ‘zum Athleten gehörig’ (Ar.), ‘asketisch’. — Keine Etymologie. Ältere Erklärungsversuche bei Bq. ‘verarbeiten, schmücken’ (vorw. ep. ion. poet.), ‘üben, ausüben’ (vorw. ion. att. Prosa und Kom.). Vgl. H. Dreßler The usage of ἀσκέω and its cognates in Greek documents to 100 A. D. (The Cath. Univ. of Am. Patristic Studies 78) Washington 1947. I-163-164
ἀσκηθής (ξ 255 nach Eustathios ἀσκεθέες für ἀσκηθέες = -θεῖς, kaum richtig; vgl. Leumann Hom. Wörter 263 A. 3 m. Lit.) ‘unversehrt, wohlbehalten’ (vorw. ep. aber auch Tegea und Epidauros). — Scheint ein Substantiv *σκῆθος n. ‘Schaden’ vorauszusetzen, das mit einer germ.-kelt. Wortsippe, got. skaþis n. ‘Schaden’, ir. scathaim ‘verstümmeln, lahmen’ zusammengestellt worden ist (Osthoff PBBeitr. 13, 459), was möglich ist unter der Voraussetzung, daß θ die idg. tenuis aspirata th vertreten kann. I-164
’Ασκληπιός, Urspr. Heros (Il.), dann Heilgott, anfänglich in Epidauros beheimatet. Ausführlich darüber E. u. L. Edelstein, Asclepius. A Collection and Interpretation of the Testimonies. 1-2. Baltimore 1945. dor. -ᾱπιός; dialektale Nebenformen Αἰσκλαπιός (epid. u. troiz.), ’Ασχλαπιός (böot.), ’Ασκαλαπιός (thess.), ’Ασκαλπιός (gort.), Αἰσχλαβιός (Erzfigur aus Bologna mit korinthischen Schriftzeichen), vgl. Kretschmer Glotta 30, 116. m Davon das Patronymikon ’Ασκληπιάδης m. (seit Il.), mit ’Ασκληπιάδειος N. eines Metrums usw. (Heph. u. a.); ’Ασκληπίεια (-ίδεια) n. pl. ‘A.-fest’ (Pl. usw.); ’Ασκληπιεῖον n. ‘A.-tempel’ (Plb., Str.); ’Ασκληπιακός (Aristid., Dam.); ’Ασκληπιασταί (-ᾱπ-) m. pl. N. der A.-verehrer (Rhodos usw.; vgl. zu ’Αρτεμισιασταί s. Ἄρτεμις). — ἀσκληπιάς f. Pflanzenname (Dsk., Gal.; vgl. Strömberg Pflanzennamen 99). — Die zahlreichen älteren Versuche, ’Ασκληπιός aus dem Griechischen zu erklären, worüber P.-W. 2, 1643, Grégoire (s. unten) 40ff., müssen als gescheitert angesehen werden. Einen neuen Versuch dieser Art macht H. Grégoire (unter Mitwirkung von R. Goossens und M. Mathieu) in der Arbeit Asklèpios, Apollon Smintheus et Rudra. Bruxelles 1949 (Mém. Acad. Roy. de Belgique. Classe des lettres. 2. sér. 45), indem er ’Ασκληπιός als "le héros-taupe" zu σκάλοψ, ἀσπάλαξ ‘Maulwurf’ zieht mit Hinweis auf die behauptete Ähnlichkeit zwischen dem Tholos in Epidauros und dem Bau des Maulwurfs. In sprachlicher Hinsicht steht dieser Vergleich auf sehr schwachen Füßen, da die wechselnden Formen des Heilgottnamens, die nach Kretschmer l. c. auf pelasgisch-tyrrhenischen Ursprung des Namens schließen lassen, mit den ebenfalls wechselnden Namen des Maulwurfs nur eine entfernte Ähnlichkeit aufweisen. I-164-165
ἀσκός m. ‘die abgezogene Haut’, gew. ‘der daraus gefertigte lederne Schlauch’ (seit Il.). Deminutiva: ἀσκίον (Hp., Krates Kom. u. a.), ἀσκίδιον (Ar., Posidon.). — Weitere Ableitungen: ἀσκίτης (sc. ὕδρωψ) m. ‘Art Wassersucht, Patient dieser Krankheit’ (Epikur, Mediz.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 104); — ἄσκωμα ‘lederne Polsterung’ (als Ruderunterlage; Ar., Ruf. u. a.; zur Bildung vgl. Chantraine Formation 187, außerdem Morrison ClassQuart. 41, 126f.); Demin. ἀσκωμάτιον (Hero). — Zu ἀσκώλια s. bes. — Denominatives Verb ἀσκώσατο· ἠχθέσθη H.; vgl. ngr. ἀσκοφυσῶ = φουσκώνω, ὀγκοῦμαι ‘vor Zorn (wie ein Schlauch) aufschwellen’ Kukules ’Αρχ. ’Εφ. 27, 61ff. — Dunkel. Ältere Erklärungen bei Bq (darunter ein Versuch von Baunack Stud. 1, 258ff., ἀσκός und ἀσκέω zu verknüpfen). Die Neueren sind kaum glücklicher gewesen: H. Petersson Et. Miszellen 15 (zu νάκος· s. Kretschmer Glotta 15, 197), Specht KZ 66, 220 (zu aind. átka- ‘Bekleidung, Gewand’; sowohl Form wie Bedeutung erregen Bedenken). — Zu bemerken ϝασκώνδας böot. EN; aber bei Homer fehlt jede Spur von ϝ- in ἀσκός. Vgl. Kretschmer Glotta 9, 21 5f. I-165
ἄσκρα · δρῦς ἄκαρπος H. — Hubschmid Sardische Studien (Bern 1953) 83f. vergleicht treffend bask. azkáŕ ‘Art Eiche’, wozu noch (vor)lat. aesculus ‘Berg-, immergrüne Wintereiche’. Es würde sich somit um ein Substratwort unbekannter Herkunft handeln. I-165
ἄσκυρον (-ος H.) n. ‘Art Johanniskraut, Hypericum’ (Dsk., Gal.). — Unerklärt. I-165
ἀσκώλια n. pl. ‘Schlauchfest’ zu Ehren des Dionysos, der zweite Tag der ländlichen Dionysien (Sch. Ar. Pl. 1129). Daneben ἀσκωλιάζω (Ar. Pl. 1129), nach den Sch. ‘an den ἀ. auf eingefetteten Schläuchen hüpfen’, wovon nach Poll. 9, 121 ἀσκωλιασμός, sonst (Arist. u. a.) ‘auf einem Bein hüpfen’. Die Deutung von ἀσκωλιάζω als Denominativ von ἀσκώλια kommt auch bei Poll. vor und liegt unzweifelhaft am nächsten; eine Herleitung von ἀσκώλια aus ἀσκός mittels eines (ō)lo-Suffixes (vgl. Chantraine Formation 243f., Schwyzer 484; anders, nicht vorzuziehen, Wackernagel Gött. Nachr. 1902, 140) leuchtet auch unmittelbar ein. — Unter Berufung einerseits auf σκωλοβατίζω ‘auf Stelzen gehen’ (Epich.), anderseits auf ἀγκωλιάδεν· ἅλλεσθαι Κρῆτες (AB 1, 327, 5), ἀγκωλιάζων· ἁλλόμενος τῷ ἑτέρῳ ποδί H. will Schulze Q. 141 A. 2 (vgl. auch Debrunner GGA 1910, 6) ein Grundwort *ἄσκωλος < *ἄν-σκωλος ansetzen. Aber dann wäre entweder ἀσκώλια von ἀσκωλιάζω zu trennen, was nicht zu empfehlen ist, oder das Wort wäre — falls überhaupt authentisch und nicht Scholiastenerfindung — als retrograde Bildung nur volksetymologisch auf ἀσκός bezogen (so Liddell-Scott-J.). Eher ist anzunehmen, daß ἀγκωλιάζω das lautähnliche ἀσκωλιάζω im Sinn von ‘auf einem Bein hüpfen’ semantisch beeinflußt hat. — ἀσκωλίζω (Pl. Smp. 190 D) ist nach den zahlreichen Verba auf -ίζω umgebildet. I-165-166
ἄσμενος ‘erfreut, froh’ (ion. att. seit Il.). Davon ἀσμενίζω ‘mit Freude aufnehmen, zufrieden sein’ (hell. u. spät) mit ἀσμενισμός ‘Zufriedenheit’ (Ph.). Daneben ἀσμενέω (Din.). — Isoliertes Partizip unsicherer Herkunft. Nach Buttmann Ausf. Sprachl. 2, 10 und J. Schmidt KZ 27, 320, denen sich u. a. Schwyzer 749 A. 3 anschließt, als sigmatischer Aorist aus *ϝάδ-σ-μενος zu ἁνδάνω, ἥδομαι (s. dd.); zu beachten indessen, daß sowohl die hss. Überlieferung wie gewisse Grammatikernachrichten für den Lenis sprechen, s. McKenzie ClassQuart. 20, 193f. — Anders Wackernagel Verm. Beiträge 6: zu νέομαι aus *n̥s-s-menos, indem er, auf einige Homerstellen gestützt, als ursprüngliche Bedeutung ‘gerettet’ ansetzt, was indessen kaum nötig ist, s. Bechtel Lex. s. v. Andere, nicht überzeugende Motivierung für Anschluß an νέομαι Meringer WuS 9, 116f. I-166
ἀσπάζομαι, Aor. ἀσπάσασθαι ‘freudig empfangen, begrüßen, küssen’ (seit Il.). Davon die Verbalnomina ἀσπασμός (Thgn. usw.), ἄσπασμα (E., Ph. usw.), ἀσπαστύς f. (Kall.; vgl. Benveniste Noms d’agent 72f.) ‘Gruß, Liebkosung’. — Ein altes Adjektiv (seit Il.) ist ἀσπάσιος ‘willkommen, freudig’, von ἀσπάζομαι nach den zahlreichen Adjektiven auf -σιος gebildet (Schwyzer 466, Chantraine Formation 41). Außerdem (neben dem alten Verbaladj. ἀσπαστός) auch ἀσπαστικός ‘freudig, freundlich’ (Plb. usw.). — Über die expressive und volkstümliche Infixbildung ἀσπακάζομαι (Kom. Adesp.; = τὸ ἀσπάζομαι. πέπαικται H.), wozu ἀσπακῶς· φιλοφρόνως H., s. außer Schwyzer 417 A. 1 und 644 m. Lit. auch Frisk Nom. 62ff. — Nicht sicher erklärt. Vielleicht zu σπάω als "an sich ziehen" mit neugebildetem Präsens; anlautendes ἀ- dann entweder mit Radermacher WienStud. 41, 1ff. prothetisch oder mit Kretschmer Glotta 12, 189f. aus *ἀν-σπάζομαι. — Ältere Literatur bei Bq. I-166
ἀσπαίρω ‘zucken, zappeln’, nur Präsens (ion. poet. seit Il.). Keine nominalen Ableitungen. — Erweiterte Form (wie von einem Verbalstamm *ἀσπαρ-) ἀσπαρίζω (Arist.), vgl. ἀσκαρίζω : σκαίρω. — Das damit gleichbedeutende, aber erheblich später und sparsamer belegte σπαίρω (Arist., A. R. usw.) will Güntert Reimwortbildungen 146 durch Kontamination mit σκαίρω erklären; es kann aber auch direkt mit lit. spiriù ‘mit dem Fuße stoßen’ gleichgesetzt werden. Jedenfalls ist ἀ- in ἀσπαίρω ein sekundäres Element und als solches eher als rein lautliche Vokalprothese (Literatur bei Schwyzer 412) als mit Kretschmer KZ 33, 566, Glotta 12, 189f. aus präfigiertem ἀν- = ἀνα- zu erklären. I-166-167
ἀσπάλαθος f. (m.) N. verschiedener dorniger Sträucher (Thgn., Kom., Pl. usw.); zur Bedeutung s. Dawkins Journ. of HellStud. 56, 7. — Etymologie unbekannt. Der Versuch Solmsens Wortforsch. 21 A. (m. Lit.; s. auch Persson Beiträge 2, 803), ἀσπάλαθος durch Anknüpfung an σπαλύσσεται· σπαράσσεται, ταράσσεται H.; σφαλάσσειν· τέμνειν, κεντεῖν H. usw. (s. ἀσπάλαξ) aus dem Indogermanischen zu erklären ("woran man sich reißt, ritzt, Zupfer, Reißer"), hat höchstens hypothetischen Wert. Eher LW (Schwyzer 510, Chantraine Formation 368). — Ältere, ganz unbefriedigende Erklärungen bei Bq. I-167
ἀσπάλαξ, -ακος ‘Maulwurf’ (Arist., Antig., Ael. usw.; zur Bedeutung Thompson ClRev. 32, 9ff.). Daneben σπάλαξ m. f. (Arist., LXX, Ael.), ἀσφάλαξ m. (Babr., Str., Hdn.) und σφάλαξ (Paus.). m. — Da -αξ in Tiernamen ein gewöhnliches Suffix ist (κόραξ, σκύλαξ, πόρταξ, ὕραξ usw., Schwyzer 486, Chantraine Formation 378), kann man für (ἀ)σπάλαξ Anschluß bei einer sehr weitverzweigten Wortsippe, idg. sp(h)el- ‘spalten, absplittern, abreißen’ (WP. 2, 677ff. m. Lit.), suchen, die im Griechischen u. a. durch σπολάς ‘abgezogenes Fell, Harnisch’ (s. d.) vertreten ist. Mithin wäre (ἀ)σπάλαξ "der Aufreißer" od. ähnl. Anlaut. ἀ- ist dabei prothetisch (Schwyzer 412, Kretschmer Glotta 21, 89); nach Winter Prothet. Vokal 19 ist dagegen für die Kurzform eher Apokope anzunehmen. — Hierher wird auch gezogen σφαλάσσειν· τέμνειν, κεντεῖν H., das sogar ein Denominativum des in σφάλαξ vorliegenden Gutturalstammes sein könnte, sofern -άσσειν nicht als ein einheitliches Suffix zu beurteilen ist (Schwyzer 733). — Das synonyme σκάλοψ ist damit nicht verwandt, s. d. I-167
ἀσπάλους - Daneben ἀσπαλιεύς ‘Fischer’ (Nik., Opp.) und ἀσπαλιεύω ‘fischen, angeln’ (Aristaen., Suid.) mit ἀσπαλιευτής ‘Fischer’ (Pl.). Diese Formen, deren gegenseitiges Verhältnis mehrdeutig ist (vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 65f.), scheinen nach ἁλιεύς usw. gebildet worden zu sein (nicht mit Schwyzer 476 A. 5 aus *ἀσπαλ-αλιεύς). Auch ἀσπαλία· τοῦ ἁλιέως ἐργασία (H., Suid.) kann für ἀσπαλιεία stehen und somit von ἀσπαλιεύω ausgehen. · τοὺς ἰχθύας. ’Αθαμᾶνες H. Direkt von ἄσπαλος dagegen wohl ἀσπαλίσαι· ἁλιεῦσαι, σαγηνεῦσαι (AB 183). Vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 62f. — Unklar. Von Solmsen Wortforsch. 21 A. wird ἄσπαλος zu lat. squalus N. eines großen Fisches, awno. hvalr ‘Walfisch’, apreuß. kalis ‘Wels’ unter Annahme von prothetischem ἀ- gezogen. Wieder anders Fick BB 18, 141; s. WP. 2, 541. — Eher mit Huber Comm. Aenip. 9, 21 Mittelmeerwort. I-167-168
ἀσπάραγος s. ἀσφάραγος. I-168
ἀσπάσιος s. ἀσπάζομαι. I-168
ἀσπερχές Adv. ‘eifrig, heftig, unablässig’ (Hom.). — Mit a copulativum (intensivum) direkt von σπέρχω ‘drängen, einherstürmen’ (s. d.) gebildet; vgl. Chantraine Formation 427. I-168
ἄσπετος ‘unendlich, unermeßlich’ (ep. poet. seit Il.). — Eigentlich ‘unsäglich’, ἄ-σπ-ετος, als negiertes Verbaladjektiv zu ἐννέπω (aus *ἐν-σέπω), ἐνι-σπ-εῖν (s. d.). I-168
ἀσπιδής etwa ‘ausgedehnt, geräumig’, nach gewissen Gewährsmännern (vgl. Fraenkel KZ 43, 202ff.) in Λ 754 δι’ ἀσπιδέος πεδίοιο zu lesen statt διὰ σπιδέος π. — Wenn richtig, ehestens aus α copulativum (intensivum) und einem Nomen *σπίδος bzw. einem dazugehörigen Verb (s. σπίδιος), s. Fraenkel l. c. Nach Bechtel Lex. s. ἀσπίς dagegen aus *ἀν-σπιδής ‘entlang gebreitet’. — Die Lesung σπιδέος erklärt sich am einfachsten aus einem Adj. *σπιδύς, vgl. Schwyzer 513 A. 11 m. Lit. Unwahrscheinlich Leumann Hom. Wörter 58ff.: (ἀ)σπιδέος durch Mißverständnis von ἀσπίδας Π 774 entstanden. I-168
ἀσπίς 1., -ίδος f. ‘Schild’, eig. ‘Rundschild’ (im Gegensatz zu σάκος, Trümpy Fachausdrücke 20ff.; seit Il.). Deminutivbildungen: ἀσπίδιον (Hermipp., Men. u. a.), auch Pflanzenname (Dsk.; vgl. Strömberg Pflanzennamen 55), ἀσπιδίσκη und -ίσκος (LXX, Inschr. usw.), ἀσπιδίσκιον (Inschr. u. a.), ἀσπιδισκάριον (Lyd.). — Andere Ableitungen: ἀσπιστής ‘schildtragend(er Krieger)’ (Il.), sekundär ἀσπιστήρ (S., E.) und ἀσπίστωρ (A. Ag. 404 [lyr.]), vgl. Chantraine Formation 327 u. 325f., Fraenkel Nom. ag. 1, 22 u. 137; 2, 29; dazu ἀσπιστικός (D. H.). — Daneben ἀσπιδίτης (S. Fr.), wohl nach ὁπλίτης; gewöhnlicher ἀσπιδιώτης (Il., Theokr., Plb., AP), ursprünglich metrisch bedingt (Meister HK 30), aber auch durch στρατιώτης gestützt; vgl. Redard Les noms grecs en -της 41; — ἀσπιδόεις ‘aus Schilden bestehend’ (Opp.), aber vgl. zu 2. ἀσπίς. — Außerdem ἀσπιδεῖον Bed. unsicher (Inschr., Pap.); vgl. die zahlreichen Bildungen auf -εῖον bei Mayser Pap. I 3, 12ff., außerdem ἀσπιδεῖα· τὰς πτυχὰς τῶν ἀσπίδων H. — Seltenes Denominativum: ἀσπίζω ‘schirmen’ (Lydien, H., Suid.). — Herkunft unsicher. Die Deutung als "die dem Kämpfer entlang gebreitete Fläche" aus *ἀν-σπίς, zu σπίδιος usw., s. ἀσπιδής (Bechtel Lex.), überzeugt nicht; auch die Zusammenstellung mit lit. skỹdas ‘Schild’ (Bezzenberger BB 1, 337f. usw., s. Bq und Pisani Ist. Lomb. 73: 2, 23) muß als unbefriedigend betrachtet werden, s. WP. 1, 50 A. 1. — Der Gedanke, in ἀσπίς einen Baumnamen zu suchen (Schrader BB 15, 285), ist an und für sich ansprechend; die Anknüpfung an ahd. aspa ‘Espe’ usw. scheitert indessen daran, daß in diesem Wort die ursprüngliche Lautfolge -ps-, nicht -sp-, war; s. WP. 1, 50. — So liegt denn die Vermutung nahe, daß die ἀσπίς im Gegensatz zu dem einheimischen σάκος wie viele andere Waffengeräte von einem fremden Volke mitsamt der Benennung übernommen wurde; vgl. Trümpy a. a. O. I-168-169
ἀσπίς 2. -ίδος f. N. der ägyptischen Kobra ‘Coluber haie’ (Hdt., Ar. usw.). Davon ἀσπιδόεις (Poet. ap. S. E., Opp.). — Falls nicht Fremdwort, wohl = 1. ἀσπίς wegen des beim Angriff schild- oder scheibenähnlich erweiterten Halses. — Unannehmbar Holthausen IF 39, 64. I-169
ἄσπληνον, -ος m. Daneben ἀσπληνίς· βοτάνης εἶδος H. n., Pflanzenname. — Von a privativum und σπλήν wegen der vermuteten Fähigkeit der Pflanze, die Milzsucht zu heilen. I-169
ἄσπρις f. Eichenart, ‘Quercus Cerris’ (Thphr.) — Unerklärt. Nicht zu ahd. aspa ‘Espe’ usw. (Hoops Waldbäume 122) wegen lett. apsa und anderer Formen, die die ursprüngliche Lautfolge -ps- bewahrt haben, s. WP. 1, 50. I-169
ἄσσα, att. ἄττα n. pl. = τινὰ, ἅττα = ἅτινα. S. τίς. I-169
ἀστακός m. ‘Meerkrebs’ (Philyll., Arist. usw.). Daneben ὀστακός (Aristom. u. a.; nach Ath. 3, 105b attisch), woraus ἀστακός durch Vokalassimilation (J. Schmidt KZ 32, 390). — Eig. "mit Knochen versehen, Knochentier", alte κ-Ableitung des in ai. asthán-, asthn- (z. B. Gen. asthn-áḥ) vorliegenden n-Stammes (Nom. ásthi, vgl. ὀστέον). Idg. Grundform wäre somit *osthn̥-qó-s. Dasselbe Suffix erscheint als kompositionelles Element im aind. Bahuvrihi an-ástha + ka- ‘ohne Knochen’. Zur Bedeutung vgl. mind. aṭṭhi-taco ‘Krebs’ aus *asthi-tvacas- ‘knochenhäutig’ (Schulze KZ 43, 380 = Kl. Schr. 376 m. Lit.). — Vgl. außer ὀστέον auch ἀστράγαλος, ὄστρακον. I-169
ἀσταφίς, -ίδος ‘getrocknete Weintraube, Rosine’ (Tegea, ion. att.), daneben ὀσταφίς (Kratin., Nikopho) und σταφίς (Hp., Theok., LXX usw.). f. Ableitungen: ἀσταφιδῖτις (ῥῶξ; AP, vgl. Redard Les noms grec en -της 111, Schulze KZ 62, 258); σταφίδιος und σταφιδίτης (οἶνος; Hp. bzw. Orib., vgl. Redard 99); auch σταφιδευταῖος (Hp.; wie von *σταφιδευτής, *σταφιδεύω). Denominatives Verb σταφιδόω ‘Weintrauben trocknen, Rosinen bereiten’ (Dsk., Gp.). — Bildung wie κεδρίς, κεφαλίς und andere Pflanzenteile bzw. -produkte; der Stamm erinnert an σταφυλή ‘Weintraube’ (s. d.); sonst unklar. Zur Frage des Anlauts (prothetischer Vokal oder Vokalwegfall?) Winter Prothet. Vokal 19 und 21 m. Lit. I-169-170
ἄσταχυς m. ‘Kornähre’ (ep. ion.). — Prothetische Form von στάχυς, s. d. Winter Prothet. Vokal 19 glaubt eher an Apokope. I-170
ἀστεμφής Adv. ἀστεμφέως (Od.) ‘fest, starr’ (poet. s. Il.). — Von einem verschollenen Nomen *στέμφος, bzw. Verb *στέμφω etwa ‘stützen, drücken, pressen’; vgl. στέμφυλα n. pl. ‘ausgepreßte Oliven’, s. auch στόμφος und στέμβω. Das ἀ- ist dabei copulativ aufzufassen: ‘zusammengedrückt, -gepreßt’ (Bq); anders Bechtel Lex. mit Curtius u. a.: ‘der nicht gedrückt, nicht gepreßt werden kann’. I-170
ἀστεροπή f. ‘Blitz’ (Κ 154 v. l., Pi., Ar.). Ableitungen: ἀστεροπητής, -οῦ m. Beiname des Zeus (Il. usw.); daneben ἀστεροπῆτα κεραυνόν (IG 14, 641) nach hom. ἀργῆτα κεραυνόν; — ἀστεροπαῖος (Corn.). — Neben ἀστεροπή steht das gewöhnlichere στεροπή (seit Il.), außerdem noch ἀστραπή (Hdt. usw.) mit ἀστράπτω (seit Il.), s. d.; dieselbe "schwache" Stammform auch in στροπά· ἀστραπή. Πάφιοι und στορπάν (cod. -τιάν)· τὴν ἀστραπήν H., woraus das Zeusepithet Στορπᾶος (Tegea); vgl. Porzig Satzinhalte 255f. — Wahrscheinlich mit Curtius eig. "Stern-auge" von ἀστήρ und ὀπ- (in ὄψ ‘Auge’, ὄψομαι usw.) mit dem Kompositionssuffix -η (ὀπή ‘Öffnung, Loch’!), eine Deutung, die durch arm. p‘ayl-akn ‘Blitz’ (von p‘aylem ‘glänzen’, bzw. p‘ayl ‘Glanz’ und akn ‘Auge’) und areg-akn ‘Sonne’ (von arew ‘Sonne’ und akn) sehr an Wahrscheinlichkeit gewinnt (Meillet Handes Amsorya 41, 757ff., s. Idg. Jb. 13 VIII 98; BSL 34, 131). — Ganz anders Winter Prothet. Vokal 35. — Die Form στεροπή kann entweder die einsilbige Stammform enthalten, die in ahd. Stern usw. vorliegt (wobei ἀστεροπή als sekundärer Anklang an ἀστήρ zu erklären ist), oder durch Apokope entstanden sein. Vgl. Scherer Gestirnnamen 20f. I-170
ἄστηνος ‘elend, unglücklich’ (Rhenea IIa). Denominativ ἀστηνεῖ· ἀδυνατεῖ H. Der "athemat." Plural ἀστῆνες· ταλαίπωροι, δυστυχεῖς H. ist wahrscheinlich verderbt. — Nach EM 159, 11 παρὰ τὸ μὴ στάσιν μηδ’ οἴκησιν ἔχειν. Von α privativum und demselben Hinterglied wie in δύστηνος, s. d. I-170
ἀστήρ, -έρος im Plur. gewöhnl. ἄστρα, sekundärer Sing. ἄστρον (Schwyzer 581 Zus. m. Lit.) m., ‘Stern’, auch übertragen in verschiedenen Bedeutungen (seit Il.). Zahlreiche Ableitungen, vorw. hell. u. spät. Deminutiva: ἀστερίσκος, oft übertragen (Kall., Thphr. usw.) mit ἀστερίσκιον (Apollon.); ἀστηρίδιον ‘sternartiges Ornament’ (Pap.). — Adjektiva: ἀστερόεις ‘gestirnt, mit sternartigen Verzierungen’ (Il. usw.); ἀστερωτός ‘ds.’ (Inschr. IIIa); ἀστέριος ‘gestirnt, sternartig usw.’ (Arat., Kall. usw.) mit Ntr. ἀστέριον, u. a. als Pflanzenname (Krateuas usw., vgl. Strömberg Pflanzennamen 48, 50); ἀστεριαῖος ‘sternähnlich’ (Kleom. u. a.); ἀστερικός ‘zu den Sternen gehörig’ (Theol. Ar.), ἀστερώδης (Sch.). — Substantiva: ἀστερίας Fisch- und Vogelname (Philyll., Arist., vgl. Strömberg Fischnamen 28, Thompson Birds 57); ἀστερίτης (λίθος) N. eines mythischen Steins (Ptol. Heph. u. a., vgl. Redard Les noms grecs en -της 52), fem. ἀστερῖτις Pflanzenname (Ps.-Apul., Redard 69). — Zur Schwundstufe in ἄστρα (ἄστρον): ἄστριον ‘sternartiges Ornament’ usw. (Inschr. usw.); ἀστρῷος ‘gestirnt, zu den Sternen gehörig’ (AP, Phlp.); ἀστρικός zu den Sternen gehörig’ (Philostr. usw.); ἀστραῖος ‘gestirnt’ (Nonn. u. a.). — Zwei seltene Denominativa: ἀστερίζω ‘in Konstellationen ordnen’ usw. (Hipparch. u. a.); ἀστερόω ‘in Sternen verwandeln, mit Sternen versehen’ (Placit., Sch.). — ἀστήρ stimmt im Anlaut zu arm. astɫ ‘Stern’, im Stammauslaut zu dem entsprechenden Wort im Keltischen, Germanischen und Tocharischen, z. B. bret. sterenn, got. staírno, toch. B ścirye. Die übrigen Sprachen, die das Wort bewahrt haben, lassen sowohl idg. -r wie -l zu: aw. Akk. sg. stār-əm, aind. Nom. pl. tā́raḥ, Instr. stŕ̥-bhiḥ, lat. stella aus *stēr-lā oder (wohl besser) *stēl-nā. — Die Anknüpfung dieses alten Wortes für ‘Stern’ an ein idg. Verb ster-, stel- ‘ausbreiten, ausstreuen’, z. B. lat. sterno, aksl. steljǫ (seit Kuhn KZ 4, 4), ist ganz hypothetisch. Verfehlt Krogmann KZ 63, 256ff. und v. Windekens Revue belge de phil. 21, 141ff. (zu idg. ā̆s- ‘brennen’). Herkunft aus dem Sumerisch-Babylonischen (Ištar ‘Venus’; z. B. Ipsen IF 41, 179ff.) muß als völlig unbewiesen und äußerst unwahrscheinlich betrachtet werden, vgl. Schrader-Nehring Reallex. 2, 481, Specht KZ 62, 249 m. A. 3, Scherer Gestirnnamen 23. — Lett. stars ‘Ast, Strahl’ und damit verwandte Wörter (Fraenkel Gnomon 22, 236) sind schon wegen der stark abweichenden Bedeutung fernzuhalten; s. dazu WP. 2, 628 und 637 mit anderen Kombinationsmöglichkeiten. — Ausführlich über die ganze Wortgruppe Scherer Gestirnnamen 18ff. I-170-171
ἀστραβδα (Akz. unsicher) παίζειν (Herod. 3, 64). Bedeutung unbekannt. — Bildung wie κρύβδα, κύβδα, μίγδα usw. (Schwyzer 626). Dunkel; in Betracht kommen: ἀστράπτω, ἀστράβη, auch στρέφω. Lit. bei Bq. I-172
ἀστράβη f. ‘bequemer Sattel, Mauleselsattel’ (att.). Davon ἀστραβεύω (Pl. Kom. 39), ἀστραβίζω (A. Supp. 285). — Herkunft unbekannt, wahrscheinlich technisches LW, vgl. Chantraine Formation 262 : 8. Verwandtschaft mit ἀστραβής (Prellwitz) ist nicht zu begründen. I-172
ἀστραβής, -ές ‘gerade, fest’ (Pi., Hp., Pl., Thphr. usw.). Davon ἀστραβίζειν· ὁμαλίζειν, εὐθύνειν H. mit ἀστραβιστήρ. Erweiterte Form ἀστραβαλίζειν (EM), nach den Verba auf -αλίζειν (τροχαλίζειν u. a.). — Zu στραβός (s. d.), στρεβλός, στρόβιλος usw. Das jedenfalls privative Adjektiv kann entweder von einem neutralen s-Stamm oder direkt von einem Verb ausgehen. I-172
ἀστράγαλος ‘Halswirbel, Sprungbein, (daraus gemachter) Würfel’ (seit Il.), ἀστραγάλη f. ‘ds.’ (Anakr., Herod.). m. Mehrere nominale Ableitungen: Demin. ἀστραγαλίσκος (Delos IIa u. a.). Ferner ἀστραγαλωτός ‘aus ἀ. gemacht’ (Krates Kom. usw.) mit dem Femm. ἀστραγαλωτή Pflanzenname (Philum. u. a.); zu den Bildungen auf -(ω)τός von Nomina s. Schwyzer 503 : 4, Chantraine Formation 305 par. 243, außerdem Krahe IF 48, 224f.; — ἀστραγαλώδης ‘ἀ.-ähnlich’ (Tz.), ἀστραγάλειος ‘talaris’ (Aq.). — Außerdem ἀστραγαλῖτις ‘Art Iris’ (Gal.), ἀστραγαλῖνος ‘Goldfink’ (Dionys.). — Vom Denominativum ἀστραγαλίζω ‘würfeln’ (Kom., Pl.) stammen ἀστραγάλισις ‘das Würfeln’ (Arist.), ἀστραγαλιστής ‘Würfelspieler’ (Kom.), Adj. ἀστραγαλιστικός (Eust.). — Eine hypokoristische Subtraktionsbildung ist ἄστρις f. = ἀστράγαλος (Kall.) mit ἀστρίζω (Poll.); dazu, mit volkstümlichem (hypokoristischem) χ-Suffix, ἄστριχος m. (Antiph.), vgl. Schwyzer 498. — ἀστράγαλος ist mittels eines λ- Suffixes (vgl. Chantraine Formation 247) von einem alten Wort für Knochen gebildet, das auch dem Wort für Meerkrebs ἀστακός zugrunde liegt und einen r-n-Stamm enthält, der im Griech. in ὄστρ-ακον, ὄστρ-ειον, im Altind. in asthn-áḥ (Gen.) zutage tritt. Daran ist ein -γ angefügt, das wahrscheinlich aus dem Nominativum stammt und mit dem gutturalen Element in den altind. r-n-Stämmen, z. B. ásr̥-k, Gen. asn-áḥ ‘Blut’ (vgl. ἔαρ) identisch ist. Das anlautende ἀ- ist wie in ἀστακός durch Vokalassimilation (Vokalharmonie) entstanden. Außer der Lit. bei Bq und WP. 1, 185f. s. bes. Benveniste Or. 7 und 28. Unannehmbar Winter Prothet. Vokal 37ff. — Vgl. ἀστακός, ὄστρακον, ὀστρύς, ὀστέον. I-172
ἀστραλός · ὁ ψαρὸς (= ‘Star’) ὑπὸ Θετταλῶν H. — Erinnert auffallend an das lat.-germ. Wort für Star, lat. sturnus, ahd. stara f. usw. (Curtius, Fick). Anknüpfung an den in sturnus verbauten n-Stamm (über *ἀστρν̥λός, s. Schwyzer 483 : 4) ist dann nicht ausgeschlossen. Nach Wood u. a. (s. WP. 2, 649) zu ἀστήρ. Vgl. W.-Hofmann s. sturnus, außerdem Winter Prothet. Vokal 19, Thompson Birds s. v. I-173
ἀστραπή f. ‘Blitz’ (Hdt., A., Pl. usw.; Epos dafür (ἀ)στεροπή, wohl aus metrischen Gründen). Davon ἀστραπαῖος (Arist. usw.) und ἀστράπιος (Orph.); außerdem ἀστραπηδόν (Aristobul.). — Neben ἀστραπή steht, mit dem Aussehen eines Denominativs, ἀστράπτω, Aor. ἀστράψαι ‘blitzen’ (seit Il.) mit den spärlich belegten ἄστραψις (Suid.) und ἀστραπτικός (Sch.). Später belegte poetische Nebenform στράπτω (S., A. R. u. a.), dazu neugebildet στραπή (EM). — Wenn, wie seit alters angenommen wird, ἀστραπή zu (ἀ)στεροπή gehört, muß die innere Silbe einen alten Ablaut (vgl. ἀστρά-σι) enthalten, vgl. Schwyzer 360. Der Wegfall des ὀ- im Hinterglied bleibt indessen etwas auffällig, wenn auch eine idg. Tiefstufe (ə)qu̯- möglich ist; man hätte *ἀστροπή, *ἀστρόπτω erwartet. Oder wurde *ἀστρόπτω von ἀστράπτω nach Muster von den zahlreicheren Verba auf -άπτω abgelöst, wozu sekundär ἀστραπή? — Vgl. ἀστεροπή mit Lit. I-173
ἄστρις, ἄστριχος s. ἀστράγαλος. I-173
ἄστυ, -εος, att. -εως n. ‘Stadt’ (seit Il.). Ableitungen: ἀστικός ‘städtisch’ im eigtl. Sinn (A., Th., Lys. usw.) mit produktivem ικο-Suffix, auch aufἀστός (s. unten) bezüglich; mitunter ἀστυκός, in Anlehnung an ἄστυ, vgl. Schwyzer 498, Chantraine Formation 394; — ἀστεῖος ‘städtisch’ in übertragenem Sinne, ‘fein gebildet, hübsch usw.’ (att., Arist. usw.), vgl. zu diesem Begriff Lammermann Von der att. Urbanität und ihrer Auswirkung in der Sprache. Diss. Göttingen 1935. Davon die späten ἀστειότης (Vett. Val. u. a.) und ἀστειοσύνη (Lib.), das denominative ἀστεΐζομαι (Str., J. usw.) mit ἀστεϊσμός (Demetr. Eloc., D. H. usw.) und ἀστέϊσμα (Tz.), außerdem noch ἀστεϊεύομαι (Sch.). — ἀστίτης m. ‘Mitbürger’ (S.) nach πολίτης. — Eine sehr eigenartige Bildung ist ἄστυρον ‘Stadt, Städtchen’ (Kall., Nik.). — Früher belegt als die schon genannten Ableitungen ist ἀστός m. ‘Bürger, Mitbürger’ (seit Il.), das für *ἀστϝ-ός, mit Anknüpfung an die hochfrequente Nom.-Akk.-Form, stehen muß, vgl. thess. ϝαστϝός unten. Davon ἄστιος = ἀστικός (Kreta, Stymphalos, Delos). ἄστυ aus ϝάστυ (in böot. ϝάστιος Gen., ark. ϝασστυ-όχω (Gen.), vgl. thess. ϝαστϝός usw.) entspricht bis auf die Quantität aind. (ved.) vā́stu n. ‘Wohnstätte’ (daneben das erheblich später belegte und wahrscheinlich jüngere vastu n. ‘Ort, Ding’), wozu sich noch messap. vastei (Dat., Krahe Glotta 17, 100) und toch. A waṣt, B ost ‘Haus’ gesellen. Dieser Bildung zugrunde liegt ein altes Verb, das u. a. in ai. vásati ‘verweilen, wohnen’, got. wisan ‘verweilen, sein’, vielleicht auch in heth. ḫuiš-zi ‘er lebt’ erhalten ist. Das Griech. hat dagegen nur die zweisilbige Form ἄεσα (Aor.), s. d. — Neben der tu-Ableitung in ἄστυ usw. stehen andere nominale Bildungen, z. B. got. wists f. ‘Wesen, Natur’ (aus *u̯es-ti-s, vgl. ‘Εστία), air. foss ‘Ruhe’ (aus *u̯os-to-s). — Unerklärt bleibt der griech. α-Vokal, der zu der sonst herrschenden e-o-Serie (z. B. got. wisan : was) nicht stimmt. — Zum Lenis s. Schwyzer 227 m. Lit. I-173-174
’Αστυάναξ vgl. s. ’Ανδρομάχη. I-174
ἀσυρής ‘unrein, schmutzig, häßlich’ (Plb., LXX, Phld.). — Etymologie unsicher. Vielleicht aus α copulativum und *σύρος, Verbalnomen zu σύρω ‘schleifen, zerren’ mit derselben Bedeutungsverschiebung wie in σύρμα, συρφετός ‘Kehricht, Unrat’. I-174
ἀσύφη f. Art κασία (Peripl. M. Rubr. 12, Dsk. 1, 13). — Fremdwort unbekannter Herkunft. I-174
ἀσύφηλος Adj. unbekannter Bedeutung, etwa ‘rücksichtslos, beschimpfend’ oder ‘töricht’? (Ι 647, Ω 767, Q. S.). — Nach den Schol. zu Ven. A und Bechtel Lex. zu σοφός. Curtius 512 vergleicht noch Σίσυφος, σέσυφος· πανοῦργος H., σαφής. Andere Versuche, alle sehr unwahrscheinlich oder unmöglich, bei Bq. I-174
ἄσφαλτος -ον n. f. (m.), ‘Asphalt, Erdharz’ (Hdt., Hp., Arist. usw.). Davon ἀσφάλτιον ‘Asphaltklee’ (Dsk.; vom Geruch, s. Strömberg Pflanzennamen 62); ἀσφαλτῖτις ‘erdharzig’ (βῶλος usw., Str., D. S. u. a., Redard Les noms grecs en -ίτης 108); ἀσφαλτώδης ‘dem A. ähnlich, voll von A.’ (Arist., Str. u. a.) mit ἀσφαλτωδεύομαι ‘mit A. überziehen’. — Denominatives Verb ἀσφαλτόω ‘mit A. bestreichen’ (LXX) mit ἀσφάλτωσις (Suid.); auch ἀσφαλτίζω ‘wie A. riechen’ (Dsk.). — Negiertes Verbaladjektiv von σφάλλεσθαι. "Der Asphalt ist dasjenige Bindemittel, das die Mauern vor dem σφάλλεσθαι, dem Umgestoßenwerden, schützt." Diels KZ 47, 207ff. mit Kritik semitischer Etymologien. Zur "kausativen" Bedeutung des Verbaladjektivs vgl. ἀμέθυστος. I-174
ἀσφάραγος 1. m. ‘Schlund, Kehle’ (Χ 328, Plu., Q. S.). Vgl. σφάραγος· βρόγχος, τράχηλος, λαιμός, ψόφος H., = φάρυγξ (Apion ap. Phot.). — Unerklärt. Vielleicht mit 2. ἀσφάραγος identisch als *‘(hohler) Stengel, Röhre’, s. Persson Beitr. 1, 444. Die apokopierte Form durch Assoziation mit σφαραγέομαι ‘prasseln, zischen’? — Nach Fick 1, 574 zu lit. springstù, spriñgti ‘würgen’ (intr.). Unannehmbar Winter Prothet. Vokal 20. I-174-175
ἀσφάραγος 2. auch ἀσπάραγος m. ‘Spargel, junger Trieb’ (Kom., Thphr., Plb. usw.). Davon ἀσφαραγία ‘Wurzelstock des Spargels’ (Thphr., vgl. Strömberg Theophrastea 84, 114) und ἀσφαραγωνία ‘Spargelkranz’ (Plu.), vgl. βρυωνία, ῥοδωνία usw. Hatzidakis ’Αθ. 28, 114. — Unter den vielen Wörtern, die als nähere oder entferntere Verwandte in Betracht kommen (s. WP. 1, 672ff.), seien erwähnt: gr. σφαραγέομαι ‘strotzen, voll sein’, lit. spùrgas ‘Sproß’, ai. sphū́rjati ‘hervorbrechen’. Die näheren Beziehungen dieser Wörter sind aber schwierig festzustellen sowohl wegen der schwankenden Form wie vor allem wegen der mannigfachen Sinnfärbungen. Für ἀσφάραγος kommt außerdem Entlehnung in Betracht. I-175
ἀσφόδελος m. lilienartige Pflanze, ‘Asphodill’ (Hes., Arist. usw.). Ableitungen: ἀσφοδελός Adj. ‘mit A. bewachsen’ (Od., h. Merc.; zum Akzentwechsel Schwyzer 420); ἀσφοδελώδης ‘A.-ähnlich’ (Thphr.), ἀσφοδέλινος ‘aus A.’ (Luk.). — Fremdwort unbekannter Herkunft. Ältere Deutungsversuche bei Bq. I-175
ἀσχαλάω (Hom., auch Archil. und E.), gewöhnlicher ἀσχάλλω (ion. att. seit Od.), beide nur im Präsensstamm (mit Ausnahme vom vereinzelten Fut. ἀσχαλεῖ) ‘sich ärgern, betrübt sein’. — Wohl mit L. Meyer und Curtius (s. Bq und Bechtel Lex.) von einem (nur virtuell existierenden?) Adjektiv *ἄσχαλος ‘der sich nicht halten kann’, Zusammenbildung von α privativum und dem Aoriststamm σχ-εῖν mittels eines αλο-Suffixes. I-175
ἀσχέδωρος m. ‘der wilde Eber’ (A. Fr. 191, Skiras 1) — Wahrscheinlich mit Kretschmer KZ 36, 267f. dorisch für *ἀν-σχε-δορϝ-ος ‘der Lanze widerstehend’, "Trotzespeer" als ursprüngliches Epithet; vgl. μεν-έγχης, μεν-αίχμης; s. auch zu ἀλέκτωρ (s. ἀλεκτρυών). I-175
ἀσχίον n. ‘Trüffel’ (Thphr. HP 1, 6, 9). — Unerklärt. Unhaltbar Prellwitz KZ 46, 172. Semitische Etymologie bei Lewy Fremdw. 31. I-175
ἀταβυρίτης (ἄρτος) eine Art Brot (Sopat.). — Von ’Αταβυρία, alter Name von Rhodos. Vgl. Redard Les noms grecs en -ίτης 88. I-175
’Αταλάντη f. N. einer mythischen Jungfrau, aus Arkadien und Böotien bekannt (seit Hes.). — Etymologie unsicher. Die naheliegende und schon früh laut gewordene Erklärung als Femininum von ἀτάλαντος, also ‘die gleichwertige (Frau)’, d. h. ‘männergleich’ wie ἀντιάνειρα, hat Kretschmer Glotta 3, 266ff. und 22, 251 unter Kritik anderer Ansichten wieder aufgenommen. Hoffmann Makedonen und nach ihm Brandenstein Atalante (Wien 1949) deuten es als ‘mit zartem Antlitz’, von ἀταλός und *ἀντ- ‘Vorderseite, Antlitz’ (s. ἀντί), unter Vergleich von PN wie Εὐ-άντα, ’Αρί-αντος. — Volksetymologische Umbildung eines ungriechischen Namens? I-175-176
ἀταλός ‘kindlich, jugendlich, zart’ (poet. seit Il.). Denominatives Verb ἀτάλλω (nur Präsensstamm) ‘munter umherhüpfen’, trans. ‘aufziehen’ (poet. seit Il.) mit ἀτάλματα· παίγνια H. — Mit innerer Reduplikation (Schwyzer 648) ἀτιτάλλω ‘aufziehen, pflegen’ (poet. seit Il.). Davon ἀτιτάλτας m. ‘Pflegevater’ (Gortyn), vgl. Debrunner IF 21, 90. — Nicht sicher erklärt. Nach Leumann Glotta 15, 153ff. und Hom. Wörter 139ff. ist ἀταλός aus dem Ausdruck ἀταλὰ φρονέων ausgelöst, der seinerseits durch Zerlegung von ἀταλαφρονέων entstanden ist. Wie δολοφρονέων aus δολό-φρων usw. ist ἀταλαφρονέων aus ἀταλάφρων erweitert, das wiederum als Gegenstück zu ταλάφρων geschaffen wurde. — Diese scharfsinnige aber etwas verwickelte Hypothese hat vor allem den Vorzug, daß sie den sonst schwerverständlichen Kompositionsvokal α erklärt. Vgl. die Bemerkungen von Bolling Lang. 27, 74. — Ältere Etymologien, alle gänzlich unbefriedigend, bei Bq. I-176
ἀτάλυμνος f. = κοκκυμηλέα, ‘Pflaumenbaum’ (Nik. Al. 108). — Herkunft unbekannt, ohne Zweifel Fremdwort; vgl. Solmsen Wortforsch. 64 A. 3. Zur Bildung Schwyzer 524, Chantraine Formation 216. I-176
ἀτάρ adversative Konjunktion ‘dagegen, aber usw.’ (vorw. poet. seit Il.). — Zusammenfügung aus *ἀτ = lat. at (wohl auch in got. aþ-þan ‘aber’) und ἄρ (s. d.). Vgl. αὐτ-άρ und W.-Hofmann s. at. Zum Gebrauch Schwyzer-Debrunner 559, Chantraine Gramm. hom. 2, 344, 352f. I-176
ἀτάρβακτος ‘unerschrocken’ (Pi., B.). — Privatives Verbaladjektiv von einem unbelegten *ταρβάσσω oder *ταρβάζω, zu τάρβος, ταρβέω (s. d.), sofern nicht einfach eine expressive Umbildung von ἀταρβής, ἀτάρβητος. — Vgl. ἀτάρμυκτος (Euph., Nik.) von ταρμύσσω ‘erschrecken’ (Lyk.), s. d. I-176
ἀταρπιτός, ἀταρπός s. ἀτραπός, ἀτραπιτός. I-176
ἀταρτηρός ep. Adj. (seit Il.) unsicherer Bedeutung, ‘rücksichtslos, verderblich’ (?). Daneben ἀταρτᾶται· βλάπτει, πονεῖ, λυπεῖ H., Bildung wie ἀρτάω (s. d.). — Sonst dunkel. Stürmer IF 47, 299 geht von einem unbelegten *ἄταρτος ‘unzerreiblich’ (vgl. ἀτέραμνος, τείρω) aus; ähnlich schon Bechtel Lex. mit allerlei morphologischen Kombinationen. Über andere Hypothesen s. bei Bq. I-176
ἀτάσθαλος ‘unbesonnen, übermutig, frevelhaft, verblendet’ (äol. und ion. seit Il., auch späte Prosa). Davon ἀτασθαλίαι pl. (so immer Hom.), sg. -ίη, -ία (Hes., Hdt., Pi. usw.) und ἀτασθάλλω (nur Präs. Ptz., σ 57, τ 88). — Unerklärt. Hypothese bei Frisk Eranos 31, 21ff.: Ableitung auf -αλος von *ἄτασθος mit Hauchversetzung für *ἄ-θαρστος = ai. á-dhr̥ṣta- ‘unwiderstehlich’, zu θάρσος, θρασύς, vgl. ἀτάσθαλα ἐθρασύνετο (Ael.). — Oft, aber mit Unrecht, zu ἄτη gezogen (Hesychios, Schwyzer, Lagercrantz, Pisani); dagegen Frisk a. a. O. und Leumann Hom. Wörter 215 A. 10, wo auch andere Vorschläge besprochen werden. — Unhaltbar Pisani IF 54, 295ff. I-177
ἀτειρής poet. Adj. (seit Il.) unsicherer Bedeutung, etwa ‘unversehrt, hart’. — Schon wegen der nicht feststellbaren Bedeutung etymologisch mehrdeutig. Gewöhnlich zu τείρω ‘aufreiben’, lat. tero gezogen, u. zwar entweder mit der in τέρυ, τρύω vorliegenden u-Erweiterung aus *ἀτερϝ-ής (Froehde BB 20, 218, Ehrlich KZ 39, 570, Bechtel Lex.) oder etwa mit der i-Erweiterung in lat. trīvī (und τείρω??, Specht) aus ἀτερι̯-ής (Specht KZ 66, 212) oder endlich mit metrischer Dehnung für *ἀτερής (Schwyzer 286). — Nach Wackernagel Verm. Beiträge 14ff. aus *ἀτερσ-ής zu τέρσομαι ‘trocken werden’, also eig. *‘nicht trocken, frisch’; ähnlich (aus *ἀτερσ-ι̯ής) Brugmann-Thumb 148. I-177
ἀτέμβω nur Präsens ‘in Schaden bringen, berauben’, Med. ‘zu Schaden kommen, verlustig gehen’ (ep. seit Il.), auch ‘schelten’ (A. R. durch falsche Interpretation von φ 312, s. Leumann Hom. Wörter 33). Davon ἀτέμβιος· μεμψίμοιρος EM. — Nicht sicher erklärt. Vielleicht mit Bezzenberger BB 1, 69 zu aind. dabhnóti ‘beschädigen’, dambhá- m. ‘Betrug’ mit Verlust der Aspiration nach Nasal wie in θάμβος gegenüber τέθηπα, ἔταφον usw. und mit derselben Entwicklung wie in πύνδαξ gegenüber ai. budhná- ‘Grund, Boden’ (Schwyzer 333). Anl. ἀ- dann wohl "copulativ". Die Einzelheiten bleiben unklar, vgl. WP. 1, 850f. m. Lit.; s. auch Pisani Rev. intern. ét. balk. 3, 18 A. 3. Ältere Literatur bei Bq. I-177
ἀτενής, -ές ‘straff, unverwandt, aufmerksam’ (Hes., Pi. usw., vorw. poet.). Davon ἀτενίζω ‘starren, mit unverwandtem Blick hinsehen’ (Hp., Arist. usw.) mit ἀτενισμός (Thphr. u. a.) und ἀτένισις (Paul. Aeg.). — Eig. ‘mit Spannung’ aus a copulativum (ion. Psilose) und einem Subst. *τένος n. ‘Spannung’, formal = lat. tenus n. ‘Schnur mit Schlinge’, wohl auch = Adv. tenus ‘bis an’, eig. ‘Erstreckung’, ai. tánas- n. ‘Nachkommenschaft’, s. Solmsen Wortforsch. 22f., Fraenkel KZ 43, 206. Vgl. τείνω. I-177
ἄτερ Präp. ‘ohne, fern von’ (ep. ion. trag., auch späte Prosa). Davon ἄτερθε(ν), äol. ἄτερθα ‘ds.’ (Pi., A. u. S. in lyr., Hdn.) und mit ἀπό kombiniert (vgl. Schwyzer 632 : 2) ἀπάτερθεν, auch als Adv. (Il. usw.). — ἄτερ, psilotisch für *ἁτέρ (äol. Barytonese oder Proklise? Schwyzer 385) ist mit dem german. Adv. ahd. suntar ‘abgesondert, aber’, nhd. sonder(n) usw. identisch; idg. *sn̥-tér. Daneben, mit anderer Stammform, aber im Suffix übereinstimmend, ai. sanu-tár ‘abseits von, weit weg’. — Lit. bei Bq und WP. 2, 494f. Vgl. ἅτερος (s. ἕτερος). I-178
ἀτέραμνος ‘hart, unerbittlich’ (ion. poet. seit Od., Arist. usw.). Davon die Abstrakta ἀτεραμνία (Hp.), ἀτεραμνότης (Thphr.) und das erweiterte Adj. ἀτεραμνώδης (Gal.). — Von α privativum und einem Nomen *τέραμα (s. τείρω, τέρην), eig. ‘ohne Aufreibung’; s. Frisk Adj. priv. 5f., Sommer Nominalkomp. 11 A. 2. — Neben ἀτέραμνος steht in derselben Bedeutung das themavokallose ἀτεράμων (Ar., Pl., Thphr. u. a.). I-178
ἅτερος dor. usw. für ἕτερος s. d. I-178
ἀτέων isoliertes Ptz. (Υ 332, Hdt. 7, 223, Kall. Fr. 537). — Von Bechtel Lex. zu ἄτη gezogen (vgl. Schwyzer 705 : 3) und mit ‘verblendet, tollkühn’ od. ähnl. wiedergegeben. Dann ist Υ 332 ἀ̄τέοντα mit Synizese oder sogar ἀ(ϝ)α-τέοντα zu lesen, s. v. Blumenthal Herm. 75, 427f. — Ältere Hypothesen bei Bq. I-178
ἄτη f. ‘Schaden, Schuld, Verblendung’, auch personifiziert (ion. poet. seit Il.), ‘Buße’ (Gortyn). Zur Bedeutung Havers KZ 43, 225ff. (ursprünglich ‘Schlag’?), außerdem Stallmach Ate. Diss. Göttingen 1950. Ableitungen: ἀτηρός ‘verblendet, unheilbringend’ (Thgn., A. usw.) mit ἀτηρία (Pl. Kom., X.); ἀτάομαι (ἀϝατάομαι, s. unten) ‘Schaden leiden’ (S., E.) ‘einen Prozeß verlieren, eine Geldstrafe erleiden’ (Gortyn, Gytheion). Kompositum ἄν-ατος, auch ἄπ-ατος (Gortyn). — Aus ἀϝάτη kontrahiert, wie aus αὐάτα (Alk., Pi.) und dem Denominativum ἀϝατᾶται (Gytheion; außerdem ἀγατᾶσθαι [= ἀϝα-]· βλάπτεσθαι H.) hervorgeht. Somit ist anlautendes ἀ- als lang anzusehen, wozu indessen Archil. 73 (v. Blumenthal Herm. 75, 427f. dafür ἄση; aber s. Leumann Hom. Wörter 215 A. 10) und A. Ag. 131 (Hermann ἄγα) im Widerspruch stehen. — ἀϝἀ-τη ist ein Verbalnomen von *ἀϝά-σαι, s. ἀάω. — Der Vorschlag, ἄτη in zwei Wörter zu zerlegen (Bechtel Lex. s. ἀτέω, Benveniste Mélanges Pedersen 498), ist nicht zu empfehlen. I-178
ἀτημελής s. τημελέω. I-178
ἀτίζω, Aor. ἀτίσ(σ)αι ‘nicht achten, unbesorgt sein, verachten’ (Il., Trag., A. R. u. a.). — Bildung auf -(ί)ζω zu dem in τίω (s. d.) vorliegenden Stamm; vgl. das synonyme οὐκ ἀλεγίζω; das vermittelnde privative Adjektiv fehlt und ist vielleicht nur virtuell vorhanden gewesen. Vermutungen darüber (von Froehde BB 20, 220f. und Schulze Q. 64 A. 4) bei Bq. Vgl. Risch 166 und das später und weit spärlicher belegte ἀτίω. I-178-179
ἀτιτάλλω s. ἀταλός. I-179
ἀτίω ‘nicht ehren’ (Thgn. 621, Orph. L. 62). — Zufallsbildung, antithetisch zu τίω geschaffen nach Muster von τιμάω : ἀτιμάω (von ἄτιμος ausgehend, aber nach τιμάω umgebildet). Vgl. das früher belegte ἀτίζω. I-179
Ἄτλας, -αντος m. ‘Atlas’ (Od., Hes., Hdt., A. usw.), N. eines Gottes, der die Säulen des Himmels trägt; ursprünglich wahrscheinlich N. eines arkadischen Gebirges, der dann durch das Epos allgemein verbreitet wurde und besonders (durch ionische Seefahrer?) auf das Atlasgebirge in Westafrika übertragen wurde, s. Solmsen Wortforsch. 24; über Atlas als Personifikation der Weltachse Tièche Mus. Helv. 2, 65ff. Davon ’Ατλαντίς f. (Hes. usw.), u. a. Name einer mythischen Insel, nach Brandenstein Atlantis (Wien 1951, = Arb. Inst. Sprachw. 3) = Kreta; ferner ’Ατλαντικός (E., Pl., Arist. usw.) und ’Ατλάντειος (Kritias). — Zusammenbildung von α copulativum und dem in τλῆ-ναι vorliegenden Stamm τλᾱ-, wobei Umbildung nach den ντ-Stämmen in Betracht kommt (zu bemerken ’Ατλᾱγενέων Hes. Op. 383), vgl. Schwyzer 526 und Kretschmer Glotta 7, 37 A. 1. — Der Name des afrikanischen Atlasgebirges ist indessen auch mit berberisch ádrār ‘Berg’ in Beziehung gebracht worden, so namentlich Steinhauser Glotta 25, 229ff., wobei sich der Verf. bemüht, die phonetischen und morphologischen Schwierigkeiten zu beheben. Ähnlich Brandenstein Archiv Orientální 17 : 1, 69ff. (mit vielen abenteuerlichen Spekulationen): volksetymologische Umbildung von berb. ádrār nach dem griechischen Namen. I-179
ἀτμήν, -ένος m. ‘Diener, Sklave’ (Kall. u. a.). Daneben ἄτμενος m. (Archil., s. POxu. 8, 1087 Kol. 2, 38, Kall. Fr. 538), auch Adj. = δουλικός (H.). Femin. ἀτμενίς ‘Dienerin’ (EM), auch ἀδμενίδες (EM) nach δμώς, δμωή (Wackernagel GGN 1914, 119, Fraenkel Glotta 32, 24; Lexis 3, 55ff.). Andere Ableitungen ἀτμενία ‘Sklaverei’ (Man., AP), ἀτμένιος ‘mühsam’ (Nik.). Denominativum ἀτμεύω (für *ἀτμενεύω, Nik.). — Unerklärt; wahrscheinlich kleinasiatisch, von der alexandrinischen Kunstpoesie aufgegriffen, s. Fraenkel Gnomon 21, 39; s. auch Debrunner GGA 1910, 6f. I-179
ἀτμός ‘Dampf, Dunst, Rauch’ (A., Arist. usw.), ἀτμή f. ‘ds.’ (Hes. Th. 862). m. Ableitungen: ἀτμίς f. (zur Bildung Schwyzer 464f.) ‘feuchter Dampf, Dunst’ (Hdt., Pl., Arist. usw.) mit ἀτμιδώδης (Arist. u. a.) und ἀτμιδόομαι ‘in Dampf verwandelt werden’ (Arist.). — ἀτμώδης (Arist., Thphr. u. a.), ἀτμίζω ‘dampfen, dunsten’, auch auf ἀτμίς beziehbar (S., X., Arist. u. a.). — Aus ἀετμός kontrahiert, vgl. ἀετμόν· τὸ πνεῦμα, ἄετμα· φλόξ H. Durch Abtrennung eines suffixalen Elements -τ-μο- (vgl. Schwyzer 493, Chantraine Formation 136) erhält man Anschluß an ἄελλα (s. d.) aus *ἄϝε-λ-ι̯ᾰ und letzter Hand wahrscheinlich an ἄημι; anderseits meldet sich auch ἀυτμή (s. d.) zum Vergleich. Zu einem fraglichen Ablaut ἀϝε- : ἀ(ϝ)υ- s. besonders Solmsen Unt. 271f. — Außerhalb des Griechischen ist an ai. ātmán- ‘Seele’, ahd. ātum ‘Atem’ zu erinnern, die, obgleich unverwandt, eine ähnliche Bildungsweise zeigen. Vgl. Bq und WP. 1, 221f. I-179-180
ἆτος — aus ἄατος kontrahiert, s. d. I-180
ἀτρακίς, -ίδος f. Distelart (Gal.). — Von ἄτρακτος mit (dissimilatorischer?) Erleichterung der Konsonantengruppe, vgl. ἄρκος neben ἄρκτος. Zur Bildung s. Chantraine Formation 344, vgl. auch Strömberg Pflanzennamen 105. — Eine andere Deminutivbildung ist ἀτρακτυλλίς, s. ἄτρακτος. I-180
ἄτρακτος m. (f.) ‘Spindel’ (Hdt., Pl., Ar., Arist. usw.), auch ‘Pfeil’ (S.; ἄ. τοξικός A. Fr. 139), nach Th. 4, 40 lakonisch. Deminutivum ἀτράκτιον (Epic. anon. in Arch. Pap. 7, 9, Fr. 10; auch POxy. 14, 1740, 2). Ferner ἀτρακτυλ(λ)ίς, -ίδος ‘Spindeldistel’ (Arist., Thphr., Theok. u. a.); zur Bildung vgl. Schwyzer 485, Chantraine Formation 252, Leumann Glotta 32, 214ff. — Die Ähnlichkeit mit ai. tarku- ‘Spindel’ springt in die Augen. Beiden Wörtern scheint ein (nirgends belegtes) primäres Verb der Bedeutung ‘drehen, winden’ zugrunde zu liegen, zu dem lat. torqueo ein Intensivum darstellt (Leumann Lat. Gramm. 318). Wie in στρατός, σπάρτον u. a. ist in ἄτρακτος der Tiefstufe ein το-Suffix hinzugefügt worden, vgl. Chantraine Formation 300f. Anl. ἀ- bleibt wie oft dunkel. Gr. κ gegenüber lat. qu in torqueo ist regelmäßig, wenn man mit Schwyzer 299 gr. κ aus idg. qu̯ vor Konsonant entstanden sein läßt oder mit Walde lat. qu in velares q + u̯-Suffix zerlegt; letzteres jedenfalls etwas fraglich. — Hierher u. a. noch alb. tjerr ‘spinnen’ (Pedersen Zur tocharischen Sprachgeschichte 19; sehr zweifelhaft dagegen das daselbst angeführte toch. tsärk- ‘quälen’); weitere Verwandte bei WP. 1, 735, W.-Hofmann s. torqueo. — Vgl. ἀτρεκής. I-180
ἀτραπός, ep. ἀταρπός f. ‘Pfad, Fußsteig’ (ion. att. seit Il.). Davon ἀτραπίζω ‘durchwandern’ (Pherekr.). — Erweiterte epische Form ἀταρπιτός (ρ 234), nach ἁμαξιτός, s. d. und Kretschmer KZ 38, 129. Verbalnomen, wohl als Zusammenbildung aus α copulativum und einem Verbalstamm τραπ- bestehend, der auch in τραπέω ‘keltern’, eig. ‘austreten’ (s. d.), mit o-Stufe in τροπέοντο· ἐπάτουν H. vorliegt. I-180-181
ἀτράφαξυς, -υος ‘Gänsefuß, Atriplex’ (Hp., Ar., Thphr. usw.). Nebenformen, z. T. volksetymologisch bedingt: ἀδράφαξυς (ἀδρ-), ἀνδράφαξυς, ἀτράφαξις, vgl. Hdn. Gr. 1, 539; 2, 49; 467 und Strömberg Pflanzennamen 160 m. A., wo weitere Lit. f. — Etymologie unbekannt. Daraus entlehnt lat. atriplex, vgl. W.-Hofmann s. v. I-181
ἀτρεκής, -ές, -έως Adv. ‘genau, bestimmt, zuverlässig’ (ep. ion. poet., hell.); über Bedeutung und Gebrauch Luther "Wahrheit" und "Lüge" 43ff., s. auch Becker Das Bild des Weges 105ff. und Leumann Hom. Wörter 304f. Ableitungen: ἀτρέκεια, -είη (-ίη) ‘der genaue Sachverhalt, Wahrheit’ (ion., Pi. usw.); ἀτρεκότης ‘ds.’ (Sch.). Denominatives Verb ἀτρεκέω ‘genau usw. sein’ (E. Fr. 315). — Wohl als *‘unverdreht’, ‘unumwunden’ mit Curtius und Benfey (s. Bechtel Lex. s. v.) zu ἄτρακτος (s. d.) und ai. tarku- ‘Spindel’ aus α privativum und *τρέκος n. ‘Drehung’. Ein Problem bietet des Gutturals wegen lat. torqueo; die Zerlegung von qu in q und suffixalem u̯ ist ein Notbehelf. — Andere Erklärungen bei Bq. I-181
ἀτρέμα, ἀτρέμας s. τρέμω. I-181
ατροπανπαις daneben πρατοπανπαις. Adj. unsicherer Bedeutung (IG 5 (1) 278f.; lakon. Knabenagoninschr.); — Wohl mit Kretschmer Glotta 3, 269f. ἁδροπάμπαις zu lesen = ‘der reife, ausgewachsene πάμπαις’. S. auch Bechtel Dial. 2, 324 und v. Blumenthal Hesychst. 24f. I-181
ἀτρύγετος ep. Beiwort des Meeres, auch des Äthers, später (AP) auch auf andere Begriffe übertragen, — von den Alten als ‘unfruchtbar’, zu τρυγάω, gedeutet, aber auch (Hdn. Gr. 2, 284) im Sinn von ‘unermüdlich wogend’ zu τρύω gezogen ("παρὰ τὸ τρύειν πλεονασμῷ"), eine Deutung, die in neuerer Zeit u. a. von Wecklein MünchAkSb 1911 : 3, 27 aufgenommen worden ist: *ἀτρύετος zu ἄτρυτος wie ἀτίετος zu ἄτιτος; von *ἀτρύετος durch Entfaltung eines γ-Lautes ἀτρύγετος; ganz willkürlich. — Dagegen nach Brandenstein PhilWoch 56, 62f. von τρύξ ‘ungegorener, trüber Wein’ vermittels eines davon abgeleiteten Verbs, also ‘nicht getrübt, rein, abgeklärt’; morphologisch nicht ganz befriedigend. — Unhaltbar Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 41ff. — Von diesen Deutungen scheint die als ‘unfruchtbar’ den Vorzug zu verdienen, wenngleich das formale Verhältnis zu τρυγάω noch der Aufklärung bedarf. Zur Bildung vgl. Schwyzer 502, Chantraine Formation 300; s. noch Leumann Hom. Wörter 214 A. 8. I-181-182
ἄττα 1. Vok. ‘Väterchen’ (Hom.). — Familiäres Lallwort elementarer Natur, das u. a. in mehreren indogerm. Sprachen wiederkehrt und ohne Zweifel ein gemeinsames Erbstück darstellt: lat. atta und, mit durchgeführter Flexion, heth. attaš, germ., z. B. got. atta, -ins usw.; mit suffixaler Erweiterung aksl. otьcь. Vgl. Chantraine REGr. 59-60, 244. S. auch ἄππα und W.-Hofmann s. atta. I-182
ἄττα 2. = τινὰ, ἅττα = ἅτινα. S. τίς. I-182
ἀτταγᾶς, -ᾱ (Ar., Hippon. u. a.), ἀτταγήν, -ῆνος (Arist., Thphr.), auch ἀτταγῆς, -έος (Opp.) ‘Art Rebhuhn, Tetrao francolinus’, vgl. Thompson Birds s. v. — Zur Bildungsweise Schwyzer 461 und m. 487, Chantraine Formation 31 und 167; zum Lautlichen Björck Alpha impurum 63 und 272. Deminutivum ἀτταγηνάριον (Gramm.) und, mit Anlautsverlust, ταγηνάριον (Suid., Lex. de Spir.) wie ταγήν = ἀτταγήν (Suid.); vgl. Strömberg Wortstudien 45. Eine andere Ableitung ist der Fischname ἀτταγῖνος (Dorio ap. Ath., Hs. -εινός), wohl nach der Farbe, s. Strömberg Fischnamen 120. Zur Bildung vgl. κορακῖνος, ἐρυθρῖνος usw., Schwyzer 491, Chantraine Formation 204. —Unerklärt; nach Ael. N. A. 4, 42 onomatopoetisch nach dem Geschrei. — Hesych bietet ein anklingendes ἀτταβυγάς· εἶδος ὀρνέου. I-182
ἀττάκης, -ου und ἀττακύς (LXX), ἄττακος m. (Aristeas, Ph.). m. Art Heuschrecke. — Unerklärt. Vgl. zu ἀττέλαβος. I-182
ἄττανα · τήγανα. καὶ πλακοῦς ὁ ἐπ’ αὐτῶν σκευαζόμενος H. Deminutivum ἀττανίδες· πλακοῦντες ἔνθρυπτοι H. Andere Ableitung ἀττανίτης ‘Art Kuchen’, neben τηγανίτης (Hippon.) und ταγηνίτης (Ath.); vgl. Redard Les noms grecs en -της 87f. und Lambertz Glotta 6, 4 A. 5. — nerklärt. Nach Ernout BSL 30, 92 etruskisch. I-182
ἀττάραγος m. ‘Brosamen, Bißchen, τὸ ἐλάχιστον’ (Ath., Kall., H.). — Volkstümliches Wort ohne Etymologie. I-182
ἀττέλαβος, -εβος m. ‘kleinflügelige, eßbare Heuschrecke’ (Hdt., Eub., Arist. usw.). — Unerklärtes Fremdwort. Semitische Etymologie bei Lewy Fremdw. 17 A. 1. Vgl. noch Strömberg Wortstudien 16, der sowohl für ἀττέλαβος wie für andere Namen der Heuschrecke mit ägyptischer Herkunft rechnet. I-182
ἀττηγός m. ‘Bock’ (Magn. Mae. IIa; Eust. ad ι 222). — Nach Eust. war ἀττηγός unter gewissen Ioniern im Gebrauch; Arnobius 5, 6 bezeichnet das Wort attagus ‘hircus’ als phrygisch. I-182
ἄττομαι ‘das Gewebe anzetteln’ (Hermipp. 2). Davon ἄσμα ‘Kettenfaden’ (AB) neben gewöhnlicherem δίασμα (Kall., LXX, Nonn. u. a.) von διάζομαι = ἄττομαι (Nikophon), s. unten. — ἄττομαι steht für ἄτ-ι̯ομαι; daneben δι-άζομαι durch analogische Entgleisung nach den außerpräsentischen Tempora (Debrunner IF 21, 216). — Herkunft unsicher. Nach Bezzenberger BB 5, 313, Bechtel Lex. 130f. zu ἤτριον, s. d. Anders G. Meyer BphW 1891, 570 und Alb. Stud. 3, 24: zu alb. ent, int ‘das Gewebe anzetteln’ (dazu auch Mann Lang. 17, 21), wozu außerdem noch ai. átka- m. ‘Gewand, Mantel’ (?). I-183
ἀτύζομαι, Aor. Pass. ἀτυχθείς, spätere Epik ἀτύζω, Aor. ἀτύξαι ‘erschrecken’ (itr., bzw. tr.; ep. lyr. seit Il.). Davon ἀτυζηλός ‘schrecklich’ (A. R.). — Nicht sicher gedeutet. Benveniste Mélanges Pedersen 496ff. und Sapir Lang. 12, 175ff. vergleichen heth. ḫatugi- ‘schrecklich, furchtbar’, Mann Lang. 28, 32 alb. tus ‘erschrecken’. Ältere Erklärungsversuche, alle verfehlt, bei Bq. I-183
αὖ Adv. ‘wieder, abermals, hingegen’ (vorw. poet. seit Il.), als Präfix in αὐ-χάττειν· ἀναχωρεῖν, ἀναχάζεσθαι H. — Mit lat. au- in au-fugio usw., balt. au-, aksl. u- ‘weg, ab’ identisch, außerdem wahrscheinlich mit aind. áva ‘(her)ab’ verwandt. — Das idg. Adv. *au ‘zurück, wieder’ ist sowohl im Griechischen wie in anderen Sprachen Verbindungen mit anderen Adverbien und Partikeln eingegangen: so αὖ-τε (vgl. αὐ-τ-άρ, ὅ-τε usw.), αὖ-τι-ς, αὖ-τι-ν (vgl. αὐ-τί-κα), αὖ-θι, αὖ-θι-ς, αὖ-θε (näheres bei Schwyzer 629); vgl. aus anderen Sprachen osk. auti = lat. aut; lat. autem; sehr fraglich dagegen got. auk (= gr. αὖ γε??) ‘denn, aber, auch’ und sonstige damit identische germanische Partikeln. I-183
αὐαίνω, αὐαλέος s. αὖος. I-183
αὐαψή = αὐαντή ‘ξηραντικὴ νόσος, Dörrsucht’ (Hipp. gloss.), — Kontamination von αὖος, αὐαίνω, bzw. αὐαντή, und ἅπτω ‘angreifen, entzünden’, vgl. χορδαψός ‘Darmverschluß, Darmverschlingung’ mit den Bemerkungen Strömbergs Wortstudien 100f. I-183
αὐγή f. ‘Lichtstrahl’ (im Plur., vgl. Schwyzer-Debrunner 43), ‘Licht, Glanz’ (vorw. poet. seit Il.). Ableitungen: αὐγήεις ‘lichtäugig’ (Nik.), αὐγίτης (λίθος) N. eines Edelsteins (Plin.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 52f.); αὐγῖτις Pflanzenname = ἀναγαλλὶς ἢ Φοινικῆ (Ps.-Dsk.; vgl. Redard 67, 70 und Strömberg Pflanzennamen 25). — Denominative Verba: 1. αὐγάζομαι, -άζω ‘klar sehen, bestrahlen, leuchten’ (poet. seit Il., LXX usw., vgl. Prévot Rev. de phil. 61, 252f.) mit den seltenen Verbalnomina αὔγασμα (LXX) und αὐγασμός (Placit.), außerdem αὐγάστειρα ‘Licht gebend’ (Orph.). 2. αὐγέω ‘leuchten’ (LXX). — Für sich steht αὖγος bei H. als Erklärung von ἠώς, wohl postverbal, und Αὐγώ f. N. eines Hundes (X.), wohl Kosename, s. Schwyzer 478, Chantraine Formation 115ff. — Wahrscheinlich altes Verbalnomen zu einem verschollenen primären Verb. Dazu zieht man alb. agój ‘tagen’, agume ‘Morgenröte, Morgen’ (Persson Beitr. 369 A. 2); in Betracht kommt auch aksl. jugъ ‘Süden, Südwind’ (Berneker IF 10, 156, Fick KZ 20, 168; anders über jugъ Berneker Etym. WB 458). I-183-184
αὐδή f. ‘(menschliche) Stimme, Laut, Rede’ (poet. seit Il.). Ableitungen: αὐδήεις ‘mit (menschlicher) Stimme begabt’ (poet. seit Il.); denominatives Verb αὐδάω, Aor. αὐδῆσαι ‘reden, sprechen, einen anreden’ (vorw. poet. seit Il.) mit der erweiterten Form αὐδάζομαι, -άζω, Aor. αὐδάξασθαι und αὐδάσασθαι ‘ausrufen’ (Hdt., Kall., Lyk. usw.). — Nebenform äol. αὔδω f. (Sapph.), Neubildung nach den Nomina auf -ώ. — Zur Bedeutung und Gebrauch von αὐδή und Ableitungen s. Fournier Les verbes "dire" 229f. — αὐδ-ή geht als Verbalnomen von einer einsilbigen Tiefstufe der Wurzel au̯ed- aus, deren Dehnstufe in ἀ(ϝ)ηδ-ών vorliegen kann und die auch in ἀείδω erscheint, wenngleich die nähere Analyse strittig bleibt. Eine andere einsilbige Wurzelvariante bildet das Hinterglied in ‘Ησί-(ϝ)οδος und findet sich noch in ϝοδόν (geschr. γοδόν)· γόητα und ϝοδᾶν (geschr. γ-)· κλαίειν H.; s. noch οὐδήεσσα. Dazu die Schwundstufe in ὑδέω usw. — Dieselbe einsilbige Wurzelform erscheint in aind. vádati ‘sprechen, reden’ mit der Schwundstufe ud-, z. B. im Ptz. ud-itá-, und in lit. vadinù ‘rufen, nennen’; Dehnstufe z. B. aind. vāda- m. ‘Laut, Ruf’, aksl. vada ‘calumnia’, ahd. far-wāʒan ‘verneinen’. Sehr fraglich dagegen toch. A wätk-, B watk- ‘befehlen’. — Vgl. s. ἀηδών, ἀείδω, ὑδέω, οὐδήεσσα m. Lit., außerdem WP. 1, 251f., Pok. 76f. m. Lit. I-184
αὐερύω, Aor. αὐερύσαι ‘zurückziehen’ (Hom., Pi. u. a.). — Äol. aus *ἀν-ϝερύω über *ἀϝ-ϝερύω, Bechtel Lex. s. v., Schwyzer 106 und 224 m. Lit. Weiteres s. ἐρύω. I-184
αὐθά̄δης, -ες ‘selbstgefällig, anmaßend’ (ion. att.). Davon αὐθάδεια, auch -ία (Suffixübertragung, Schwyzer 469, Chantraine Formation 88) ‘Selbstgefälligkeit, Anmaßung’ (att., hell. u. spät); αὐθαδικός (Ar.). Denominative Verba αὐθαδίζομαι (Pl., Them.) mit αὐθάδισμα (A.) und αὐθαδιάζομαι (J. usw.) ‘selbstgefällig usw. sein’. — Aus *αὐτο-ϝᾰ́δης, Zusammenbildung von αὐτός und dem Verbalstamm in ἁδ-εῖν durch Krasis in der Kompositionsfrage; ion. (kontrahierte) Nebenform αὐτώδης nach A. D. Pron. 74, 9 und H. Weiteres s. ἁνδάνω. I-184-185
αὐθέντης, -ου m. ‘Urheber, Ausführer, Selbstherr’, auch ‘Mörder’, vgl. unten (Hdt., Trag., Antipho, Thuk., Plb. usw.). Ableitungen, alle nachklass. und spät: Fem. αὐθέντρια = κυρία (Lydien; zur Bildung Chantraine Formation 106); αυθεντία ‘Machtvollkommenheit, Selbstherrschaft’ (LXX, Pap. usw.); αὐθεντικός ‘zuverlässig, richtig, authentisch’ (Pap. u. a.). Denominativa : 1. αὐθεντέω ‘Herr sein über etwas, zu etw. berechtigt sein’ (Pap., NT) mit αὐθέντημα· auctoramentum (Gloss.); 2. αὐθεντίζω trans. ‘etw. in seinem Machtbereich haben’ (BGU 103, 3). — Die Nebenform αὐτο-έντης (S. OT 107, nach den Sch. auch El. 272) ebenso wie das gleichgebildete συνέντης· συνεργός H. lassen auf ein Hinterglied *ἕντης schließen, das die Vollstufe der in ἁνύω ‘zustande bringen, vollbringen’ vorliegenden Wurzel enthalten kann; αὐθέντης wäre somit eine Zusammenbildung von αυτός und dem betreffenden Verb mittels des Suffixes -της = ‘der selbst etw. vollbringt’. Die Bedeutung ‘Mörder’ kann entweder als Euphemismus erklärt werden oder durch Assoziation mit θείνω entstanden sein, s. Fraenkel Nom. ag. 1, 237ff., wo ausführlich über Bedeutungsgeschichte und Verbreitung. — Anders Kretschmer Glotta 3, 289ff. (s. auch 4, 340) : in αὐθέντης seien zwei Wörter zusammengefallen, *αὐτο-θέντης zu θείνω (durch Haplologie) und *αὐτ-ἕντης mit unklarem Hinterglied. — Zur Geschichte von αὐθέντης im Neugr. und Türkischen s. auch Maidhof Glotta 10, 10 m. Lit. I-185
αὖθι ‘gleich hier, dort, sogleich’ (ep. seit Il.), später mit αὖθις kontaminiert ‘wieder’ (Kall., Lyk. u. a.). — Wahrscheinlich durch Haplologie aus αὐτόθι entstanden (Meillet MSL 20, 106f.). — Att. αὖθις, rhegin. αὖθιν scheinen aus einer Mischung von αὖθι und αὖτις bzw. αὖτιν hervorgegangen zu sein (Schwyzer 629). Zu den adverbiellen Endkonsonanten -ς und -ν, die letzten Endes mit alten Kasusendungen in Zusammenhang stehen, s. Schwyzer 619f. I-185
αὐίαχοι (Ν 41 φλογὶ ἶσοι ἀολλέες ἠὲ θυέλλῃ || ἄβρομοι αὐίαχοι) — äol. für *ἀ-ϝίϝαχοι mit Verschiebung der Silbengrenze (Schwyzer 224) zu ἰαχή (aus *ϝιϝαχή) und ἀ-, nach Aristarch copulativum (intensivum) ‘mit vereintem (lautem) Geschrei’; nach Apion und Hesych, weniger wahrscheinlich, privativum ‘ohne Geschrei, lautlos’; βρόμος wird öfters von Feuer, Wind und ähnlichen Begriffen gebraucht. I-185
αὐκήλως · ἕως ὑπὸ Τυρρηνῶν H. — Nach Kretschmer Glotta 14, 310 in αὐσήλως oder αὐσήλ zu ändern und zu etr. usil ‘Sonne’ = angebl. sabin. *ausel in Auselii, Aurelii zu ziehen; *ausel wird von Kretschmer Glotta 13, 111 als Kontamination von idg. *ausōs (s. ἕως) und *sāu̯el (s. ἥλιος) erklärt. Berechtigter Zweifel bei Fraenkel KZ 63, 172. I-185-186
αὐλή f. ‘äußerer oder innerer Hof, Wohnung’ (seit Il.). — αὐλή, αὖλις sind λ-Ableitungen der in ἰαύω ‘ruhen, übernachten’ (s. d.) vorliegenden Wurzel, die auch in arm. aw-t‘ ‘Stelle des Übernachtens’ und ag-anim ‘übernachten’ vorliegt. Eine Weiterbildung des in αὐλή, αὖλις erscheinenden l-Stamms ist vielleicht toch. B aulāre, A olar ‘Genosse’ (Schneider IF 57, 199); anders v. Windekens Lexique étymologique s. v. — Ob auch ἄεσα (s. d.) hierher gehört, bleibt sehr unsicher. Ableitungen: αὔλειος ‘zum Hof gehörig’ (seit Od.), wohl nach ἕρκειος gebildet; selten und spät αὐλαῖος (LXX) mit der Substantivierung αὐλαία f. ‘Vorhang’ (Hyp., Thphr. usw.), auch αὐλεία (Andania); — αὔλιον n. ‘Landhaus, Hürde, Grotte’ (h. Merc. u. a.); Adj. αὔλιος ‘zur αὐλή bzw. zum αὔλιον gehörig’ (A. R. u. a.); αὐλία· ἔπαυλις ἢ ἡ μικρὰ αὐλή (AB 463); — αὐλικός ‘zum Hof gehörig’ (Plb., Phld. u. a.). — Deminutivum αὐλίδιον (Thphr.). — αὐλίτης (αὐλήτης H.) ‘Meier, Verwalter des Viehhofes’ (S., A. R.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 37). — αυλ-ιάδες (νύμφαι, APl.), vgl. κρην-ιάδες u. a. Chantraine Formation 357, Schwyzer 508; anders, kaum richtig, Jüthner ’Επιτύμβιον Swoboda 113 (zu αὔλιον ‘Grotte’). — Denominatives Verb αὐλίζομαι, Aor. αὐλίσασθαι ‘im Hof liegen, im Freien übernachten, lagern’ (ion. att.) mit den seltenen und späten Verbalnomina αὔλισις (Ael.), αὐλισμός (Sm., H.), αὔλισμα (Sch.), außerdem mit dem Nomen loci αὐλιστήριον (Herm., Aq.). Neben αὐλή steht mit anderer Stammbildung αὖλις, -ιν, -ιδος f. ‘Nachtlager (im Freien)’ (poet. seit Il.). I-186
αὐλός m. ‘Röhre, röhrenartiger Körper, Flöte’ (seit Il.). Ableitungen: Deminutivum αὐλίσκος ‘Röhrchen, kleine Flöte’ (Thgn., Hp., S., Arist. usw.), αὐλίδιον (Alex. Trall.). — αὐλών m. f. ‘höhlenartige Gegend, Schlucht, Tal, Graben’ (ion. att.); zum lokalbezeichnenden (augmentativen?) ών-Suffix s. Schwyzer 488, Chantraine Formation 164, Humbert Mélanges Boisacq 2, 1ff., Petersen ClassPhil. 32, 121ff.; davon Demin. αὐλωνίσκος m. (Thphr.), αὐλων-ιάδες (νύμφαι, Opp.; vgl. αὐλ-ιάδες zu αὐλή), Αὐλωνεύς Beinanne des Dionysos (Attika), αὐλωνίζω H. — αὐλωτός ‘mit Röhre versehen’ (A.). — Denominatives Verb αὐλέω ‘(die Flöte) blasen’ (ion. att.), wovon wiederum mehrere Nomina: αὔλησις ‘Flötenspiel’ (Pl., Arist.; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 127 A. 4), αὔλημα ‘Flötenstück’ (Pl., Ar.); αὐλητής (ion. att.) und αὐλητήρ (ion.) ‘Flötenspieler’ mit den Femininbildungen αὐλητρίς (ion. att.), Demin. αὐλητρίδιον (Theopomp. Hist. u. a.), und αὐλήτρια (D. L.); von αὐλητής das Adj. αὐλητικός ‘den Flötenspieler, bzw. das Flötenspiel, die Flöte betreffend’ (Pl., Arist. usw.; auch auf αὐλέω, αὐλός bezüglich). — Dazu die Nomina loci αὐλητήριον ON (H.) und αὐλητηρία· αὐλῶν θήκη H. — Eine Bildung für sich ist αὖλιξ (cod. αὐλίξ)· φλέψ H.; zur Bildung vgl. besonders χόλιξ, aber auch αὐλίξαι im Sinn von δραμεῖν H., nach Baunack Philol. 70, 361 vom Ablaufen des Wassers; daneben αὐλίξαι· στασιάσαι H. von αὐλή. — Zur Bedeutung des unklaren αὐλῶπις, Beiw. des Helms (Il.), vgl. Krischen Philol. 97, 184ff., Trümpy Fachausdrücke 44. — αὐλός hat mehrere nahe Verwandte in anderen idg. Sprachen. Formal damit identisch sind lit. aũlas m. ‘Stiefelschaft’, nnorw. aul ‘der hohle Stengel der Angelica’, wahrscheinlich auch lat. alvus ‘Höhlung’ (mit Metathese; näheres bei W.-Hofmann s. v.); hierher ferner mit geringen Abweichungen in der Bildung z. B. lit. aulỹs, aksl. ulьjь m. ‘Bienenstock’ (eig. ‘hohler Baumstamm’); apr. aulis ‘Schienbein’, aulinis ‘Stiefelschaft’; aksl. ulica f. ‘Gasse’. Ob dagegen arm. uɫ, uɫi ‘Weg’ mit Pedersen KZ 39, 459 hierher gehört, ist sehr fraglich, da der Anlaut mehrdeutig ist. Falls hierher, ist ein Ablaut ū̆ anzusetzen. Beiseite bleibt jedenfalls yɫi ‘schwanger’, s. Meillet Esquisse2 48 mit Lit. und einer anderen (unsicheren) Deutung. Alter Ablaut (ēu- ?) muß ebenfalls vorliegen in awno. huann-jōli ‘der hohle Stengel der Angelica’. — Pok. 88f., WP. 1, 25f. mit weiterer Lit.; vgl. noch Güntert Reimwortbildungen 154 (αὐλός : lit. aũlas, καυλός : lit. káulas vorgr. Reimwörter). S. auch ἔναυλος. I-186-187
αὔξω, erweitert αὐξάνω (ion. att.; zum Aspekt [determinativ?] Brunel Aspect verbal 6), ἀέξω (poet. seit Il.), αὐξύνω (Aesop.), Aor. αὐξῆσαι, spät (Nonnos u. a.) ἀεξῆσαι ‘mehren, fördern; wachsen’ (zur Bedeutung s. auch Gonda Ancient-Indian ojas 77f.). Mehrere Ableitungen. Nomina actionis: αὔξησις (ion. att.), αὐξησία (personifiziert; Hdt. u. a.), αὔξημα (Hp., E.), αὔξη (Pl. u. a.), αὖξις (H., v. l. Pl. Phlb. 42d) ‘Vermehrung, Wachstum’. Nomen agentis αὐξητής m. ‘Vermehrer’ (Orph.), außerdem als Bez. der Göttin des Wachstums Αὑξώ (Paus., Poll.; zur Bildung Schwyzer 478, Chantraine Formation 115ff.). — Außerdem αὐξίς, -ίδος f. ‘das Junge des Thunfisches’ (Phryn. Kom., Arist., Nik.; vgl. Strömberg Fischnamen 127), von αὔξω oder αὔξη. — Adjektiva: αὐξητικός ‘wachsend, mehrend’ (Hp., Arist. usw.), αὔξιμος ‘ds.’ (Hp., A. u. a.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 50ff.), αὐξηρός (Nik.; unsicher); die beiden letzteren wohl eher von αὔξη als von αὔξω. — αὔξω und ἀ(ϝ)έξω stellen zwei miteinander ablautende Wechselformen eines und desselben Stammes dar, der seinerseits eine (ursprünglich wahrscheinlich nur präsentische) s-Erweiterung einer idg. Wurzel aug-, au̯eg- ist, die in ihrer einsilbigen Form mehrfach vorliegt: lat. augeo, germ., z. B. got. aukan ‘sich mehren’, awno. auka ‘vermehren’, lit. áugti ‘wachsen’ (dessen Stoßton die Zweisilbigkeit der Wurzel verrät). Die s-Erweiterung, die übrigens mit dem s-Stamm in lat. augus-tus, aind. ójas- n. ‘Kraft, Stärke’ in Verbindung stehen kann, erscheint in lat. auxilia n. pl. ‘Verstärkungen’, auxilium ‘Hilfe’, lit. áukštas ‘hoch’, toch. B auks-, A oks- ‘wachsen’. — Die zweisilbige Form au̯eg-s- ist in dieser Gestalt außerhalb des Griechischen nicht nachweisbar, sondern nur in der einsilbigen Variante u̯eg-s-: germ., z. B. got. wahsjan, aind. vakṣáyati ‘wachsen lassen’, aw. vaxš- ‘wachsen (lassen)’ zu belegen. Es liegt nahe, lat. vegeo als die s-lose Form davon zu betrachten, wozu dann weiter mit Dehnstufe ai. vā́ja- m. etwa ‘Kraft, Gewinn’ od. ähnl., germ., z. B. got. wokrs m. ‘Zins’, nhd. Wucher. Da aber vegeo und Verwandte, nach den mutmaßlichen altiranischen Vertretern der Sippe, z. B. ap. vazraka- ‘groß’, zu schließen, palatales ĝ enthalten, muß das als sehr zweifelhaft betrachtet werden. Anderseits begegnet eine Schwundstufe ug-s- in den aind. Ptz. Präs. úkṣant-, ukṣámāṇa- und im awest. Präsens uxšyeiti ‘wächst’; die s-lose Form endlich in aind. aw. ugrá- ‘gewaltig, stark’ mit demselben r-Stamm wie in aw. aogarə n. ‘Kraft’ neben dem s-Stamm in aw. aoǰah- = aind. ójas- n. ‘Kraft’, lat. augus-tus. — Zum Ablautwechsel vgl. besonders ἀλκ-ή : ἀλέξ-ω. — Weitere Lit. bei WP. 1, 22f. und bei Pok. 84f. I-187-188
αὖος, att. αὗος ‘dürr, trocken’ (seit Il.). Mehrere Ableitungen. Adjektivabstraktum αὐότης f. ‘Trockenheit’ (Arist.); als solches fungiert auch αὐονή (Archil., A. in lyr., Herod.), Bildung wie καλλονή, ἡδονή usw. (Schwyzer 490, Chantraine Formation 207), aber näheres Vorbild unbekannt. — Erweiterte Adjektivformen: αὐαλέος ‘dürr, trocken’ (poet. seit Hes.) nach ἀζαλέος, ἰσχαλέος u. a.; vgl. auch αὐαίνω (Schwyzer 484, Chantraine Formation 253); αὐηρός (AP), vgl. αὐστηρός unten; außerdem αυσόν· ξηρόν H. mit demselben s-Suffix wie in ρυσός, γαυσός usw. (Schwyzer 516, Chantraine 454). — Denominatives Verb: αὐαίνω, αὑαίνω (Komp. ἀπ-, ἀφ-, κατ-, καθ-αυαίνω) ‘trocken machen, dörren’; davon αὔανσις ‘das Austrocknen’ (Arist.; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 136 A. 1), αὐασμός ‘ds.’ (Hp., AB), vgl. μαραίνω : μαρασμός und Schwyzer 493, Chantraine 141f.; außerdem αὐαντή (sc. νόσος) ‘Dörrsucht’ (Hp.), vgl. Strömberg Wortstudien 100; s. auch αὐαψή. — Das bei Hdn. belegte αὕω· ξηραίνω (außerdem ἀφαύει Ar. Eq. 394, das indessen Solmsen Unt. 277 in ἀφᾱνεῖ, von ἀ̄νέω = αἵνω, ändern will) sieht wie ein primäres Verb aus, ist aber wahrscheinlich sekundär nach einem uralten denominativen Bildungstypus (Schwyzer 723) neben αὗος entstanden. — Davon αὖσις (EM). — Neben αὖος aus idg. *saũsos (vgl. unten) stehen zwei bedeutungsverwandte Adjektive: αὐσταλέος ‘struppig, schmutzig’ (ep. seit Od.; vgl. αὐαλέος usw. oben und Bechtel Lex. s. v.) und αὐστηρός ‘herb, streng’ (Hp., Pl. usw.) mit αὐστηρία, αὐστηρότης, die von einem mit -τ- gebildeten Nomen (*αὖστος n.? Schwyzer 482 A. 14) auszugehen scheinen; zu beachten immerhin das synonyme καύστ-ειρα. — αὖος, αὗος geht über hαῦος (Dissimilation) bzw. über *αὖhος (Dissimilation und Hauchversetzung, vgl. Schwyzer 220 oben) auf *hαῦhος zurück und ist mit lit. saũsas, aksl. suchъ, ags. sēar, mnd. sōr ‘trocken’ identisch: idg. *saũsos ‘trocken’. Dagegen ist aind. śoṣa- (aus *soṣa- assimiliert) m. ‘das Austrocknen’, auch Adj. ‘trocken machend’, obwohl damit formal identisch, sowohl wegen der abweichenden Bedeutung wie wegen des späten Auftretens als ein neugebildetes Verbalnomen zu śúṣyati (s. unten) zu betrachten. Hierher noch alb. ϑań ‘trocknen’, denominativ aus *sausniō (vgl. das davon unabhängige αὐαίνω). — Neben idg. saus- steht, damit ablautend, sus- in aind. śúṣ-ka- (aus *suṣ-ka-, vgl. oben) = aw. huška-, apers. uška- ‘trocken’, wahrscheinlich auch in lat. sūdus ‘trocken, sonnig’ aus *suz-do- (anders WP. 2, 520). Derselbe Ablaut auch in mehreren Verbalformen, z. B. aind. śúṣ-yati, lett. sust ‘trocken werden’. Weiteres bei WP. 2, 447f., W.-Hofmann s. sūdus m. Lit. — S. auch αὐχμός. I-188-189
αὐρι · ταχέως (AB 464). Als Vorderglied in αὐρι-βά-τᾱς ‘schnellschreitend’ (A. Fr. 280), Zusammenbildung von αὖρι βαίνειν (βῆναι) mit dem Suffix -της. — Etymologie unbekannt. Vgl. αὐροί. I-189
αὔριον Adv. ‘morgen’ (seit Il.). Davon αὐρίζειν· τὸ εἰς αὔριον ὑπερτίθεσθαι (H., EM), αὐρινός Adj. ‘morgend’ (Gloss.). — Erweiterung (nach σήμερον?) aus *αὖρι, einem erstarrten Lokativ eines r-Stammes, der auch als Hinterglied in der Zusammenbildung ἄγχ-αυ-ρος (νύξ) ‘dem Morgen nahe’ (A. R. 4, 111) vorliegen könnte. Diese einmalige Form erklärt sich aber unschwer als eine leichte Modifikation von *ἀγχ-αύριος, Hypostase des Ausdrucks ἄγχι τῆς αὔριον. — Sein nächstes Gegenstück hat αὔριον aus *αὔσρι-ον (vgl. Schwyzer 282 und 349) in lit. aušr-à ‘Morgenröte’, das ebenfalls auf ein idg. Nomen *ausr- zurückgeht. Daneben mit anderem Ablaut aind. usr-á- ‘morgendlich’. Weiteres s. ἕως; vgl. auch ἠϊκανός. I-189-190
αὐροί · λαγοὶ [ἴσαυροι] H. — Vielleicht zu αὖρι· ταχέως H. — Nach Keil Herm. 23, 317 und Latte Glotta 32, 41f. ist ἁυροί (= ἁβροί)· λάγ<ν>οι zu lesen. Nach Pisani Rend. Acc. Lincei 6 : 8, 342f. (mit Kritik anderer Ansichten) ligurisch; sehr hypothetisch. S. auch Lagercrantz Symb. phil. Danielsson 146f. (mit unhaltbaren textkritischen Schlüssen). I-190
αὐροσχάς, -άδος f. N. einer Weinsorte (Parth.), auch = τὸ κατὰ βότρυν κλῆμα (Eratosth.). Ableitung auf -άς (vgl. ὀρχάς, κοτινάς und andere Pflanzennamen auf -άς bei Chantraine 353) von einem *αὔρ-οσχος, — Bahuvrihikompositum mit ὄσχος, ὄσχη ‘junger Zweig der Weinrebe mit Trauben’ als Hinterglied? Das Vorderglied ist freilich unklar. Vgl. ἀρασχάδες und Strömberg Wortstudien 53. I-190
αὐσταλέος, αὐστηρός s. αὖος. I-190
αὐτάρ ‘aber, hinwieder’ (ep. kypr.), αὖτε ‘abermals, wiederum’ (poet. seit Il.). S. αὖ und ἀτάρ. I-190
ἀϋτέω, ἀϋτή s. 1. αὔω ‘schreien, rufen’. I-190
αὐτίκα Adv. ‘auf der Stelle, sogleich’ (seit Il.). — Zeigt denselben Ausgang wie τηνίκα, ἡνίκα, πόκα, ὅκα usw.; zum Anfang vgl. αὖ, αὖτι-ν, auch αὐτός. Im einzelnen unklar, vgl. Schwyzer 629 Zus. 1 m. Lit. I-190
ἀϋτμή ‘Atem, Hauch, Dunst’ (Hom., Q. S., Opp.). Daneben ἀϋτμήν, -ένος m. (Ψ 765, γ 289). f. — Erinnert nach Form und Bedeutung stark an ἄετμα· φλόξ, ἀετμόν· τὸ πνεῦμα H., die einerseits schwerlich von ἀτμός (s. d.) getrennt werden können, anderseits mit ἄημι verwandt zu sein scheinen. Aber die Einzelheiten bedürfen noch der Aufklärung; unbefriedigend Solmsen Unt. 271 und Schwyzer 493. I-190
αὐτόδιον Adv. oder Adj. im Akk. (θ 449) unklarer Bedeutung, wahrscheinlich ‘auf der Stelle, sogleich’. — Nach einer antiken Deutung = ἐξ αὐτῆς τῆς ὁδοῦ ἐλθόντα, nach Schulze KZ 29, 258 aus *αὐτό-διϝον mit Hinweis auf αὐτ-ῆμαρ ‘am selben Tage’ und auf aind. sa-dívaḥ ‘sogleich’; also zu lat. dies und zu Ζεύς, s. d. Geistreich, aber unsicher; vgl. auch Sommer Nominalkomp. 75 A. 5. I-190
αὐτοκράτωρ, -ορος m. f. ‘Selbstherrscher, mit unumschränkter Gewalt versehen’ = lat. imperator (att. hell.; vgl. Fraenkel KZ 42, 116ff.). Davon die in der Kaiserzeit gebildeten αὐτοκρατορία, αὐτοκρατορικός, αὐτοκρατορεύω usw., zur Wiedergabe der entsprechenden lat. Begriffe imperium, imperatorius, imperare usw. Fem. αὐτοκράτειρα (Orph.). — Statt αὐτοκρατής (zu κράτος, κρατέω) nach den Nomina agentis auf -τωρ umgebildet; Schwyzer 531 A. 11 (mit Lit.). I-190-191
αὐτόματος, (-η), -ον ‘aus eigenem Antrieb, von selbst geschehend’ (seit Il.). Abstraktbildung: αὐτοματία N. der Glücks- und Zufallsgöttin (Plu.); denominatives Verb: αὐτοματίζω ‘eigenmächtig handeln’, Med. ‘von selbst geschehen’ (Hp., Xen. usw.) mit αὐτοματισμός ‘was ohne menschliches Zutun geschieht, Zufall’ (Hp., Alkid., D. H. usw.); außerdem αὐτοματεῖν H. als Erklärung von αὐτοφαρίζειν. — Alte Zusammenbildung von αὐτός und der Schwundstufe der in μέ-μον-α, μέ-μα-μεν, μένος (s. dd.) vorliegenden Wurzel mittels des Suffixes -τος. Phonetisch stimmt -ματος zum Hinterglied in lat. com-mentus und zu den selbständigen Partizipien ai. matá-, lit. miñtas ‘gedacht’ usw. Zum Bildungstypus s. Chantraine Formation 303f., Schwyzer 502f. m. Lit. I-191
αὐτός ‘selbst’ (seit Il.), in den obl. Kasus auch als anaphorisches Pronomen der 3. Person gebraucht. (ὁ) αὐτός ‘derselbe, der nämliche’ Ableitungen: αὐτίτης (sc. οἶνος) Bed. strittig, s. Redard Les noms grecs en -της 96, auch ‘alleinig’ (Arist.); αὐτότης f. ‘Identität’ (S. E.); — ταὐτότης f. ‘ds.’ (Arist. u. a.); denominative Verba ταὐτόομαι ‘identifiziert werden’ (Dam., Prokl.), ταὐτίζω ‘als Synonyme benutzen’ (Prokl., Eust.). — Sehr zahlreiche Komposita, worüber Vintschger Die αὐτο-Komposita sprachwissenschaftl. klassifiziert. Progr. Gmunden 1899; vgl. noch die Ausführungen bei Sommer Nominalkomp. 83ff., 153ff. — αὔτως Adv. (mit oppositivem Akzent, vgl. οὑτῶς neben οὗτος usw.; Schwyzer 384) ‘gerade so, für sich allein, lediglich usw.’ mit verschiedenen modalen Sinnfärbungen. Teilweise können diese in einer älteren konkreten Bedeutung von αὐτός wurzeln, die bei seiner Grammatikalisierung verlorenging, aber auch in der Ableitung αὔσιος ‘eitel, vergeblich’ (Ibykos) erhalten blieb. Ein zwingender Grund, wegen gewisser Homerstellen ein besonderes αὔτως ‘eitel, nichtig’ neben αὔτως ‘gerade so, für sich allein’ (zu αὐτός) anzunehmen (Doederlein, Froehde, s. Bechtel Lex., ebenso Schwyzer 614), scheint nicht vorzuliegen. — Da die grammatische Bedeutung ‘selbst’ jedenfalls aus einem älteren konkreten Gebrauch hervorgewachsen ist, dieser aber unbekannt bleibt, haben alle etymologischen Versuche einen sehr beschränkten Wert, vgl. die Lit. bei Bq und bei Schwyzer 613f. So könnte an und für sich das von Froehde BB 20, 193ff. für αὔτως ‘eitel, nichtig’ zum Vergleich herangezogene germanische Adjektiv, got. auþs, auþeis, nhd. öde usw., auch für αὐτός in Betracht kommen. — Vgl. Mezger Word 2, 229. I-191-192
αὐχέω ‘sich rühmen, prahlen’ (Hdt., A. usw., vorw. poet.). Verbalnomina: αὔχημα ‘Prahlerei, Zierde’ (Pi., S., Th. usw.) mit αὐχηματίας ‘Prahler’ (Sch., Eust.) und αὐχηματικός (Eust.); αὔχησις ‘ds.’ (Th., Aq.); retrograde Bildungen 1. αὔχη ‘ds.’ (Pi.; αὐχάν· καύχησιν H.; verfehlt Güntert Reimwortbildungen 153f.) mit αὐχήεις (Opp., AP), falls nicht vielmehr direkt von αὐχέω; 2. αὖχος ‘ds.’ (Sch.). Andere Ableitungen: αὐχαλέος ‘ruhmredig, stolz’ (Xenoph., H., vgl. besonders θαρσαλέος zu θάρσος, θαρσεῖν), αὐχητής m. (Poll.), αὐχητικός (Sch.). — Zusammensetzung (mit verbalem Hinterglied) κενε-αυχής ‘eitel prahlend’ (Il. usw.). — Unerklärt. εὔχομαι, εὐχή lassen sich lautlich damit nicht verknüpfen. I-192
αὐχήν, -ένος m. ‘Nacken, Hals’, auch übertragen von einer Land- oder Meerzunge usw. (seit Il.). Ableitungen: αὐχένιος ‘zum Nacken gehörig’ (Od. usw.); Demin. αὐχένιον (An. Ox., Eust.), αὐχενίας m. ‘mit Stiernacken versehen’ (Gloss.). — Denominatives Verb αὐχενίζω ‘den Hals abschneiden’ (S.), ‘am Hals greifen od. binden’ (Ph., Hippiatr.) mit αὐχενιστήρ m. (Lyk., Hippiatr.). — Neben αὐχήν steht äol. ἄμφην (Theok.), außerdem noch αὔφην bei Jo. Gramm. Comp. 3, 16, das aber sehr zweifelhaft ist, vgl. Solmsen Wortforsch. 118 A. 2. Das gegenseitige Verhältnis dieser Formen zueinander bleibt unklar. Daß sie ursprünglich zusammengehören, ist nicht zu bezweifeln; vielleicht sind sie sogar im Grunde identisch. Schwyzer 296 setzt für ἄμφην (nach Schulze GGA 1897, 909 A. 1; vgl. auch Solmsen Wortforsch. 118 m. A. 1) eine Grundform *ἀγχϝ-ήν, zu aind. aṃhú- ‘eng’ usw. (s. ἄγχω), an, die durch Vorwegnahme des Labials auch αὐχήν ergeben hätte; vgl. noch Pisani Ricerche Linguistiche 1, 182ff. Aus dem Armenischen gehört jedenfalls hierher awji-k‘ (Pl.) ‘Hals’, s. Adontz Mélanges Boisacq 1, 10 m. A. 2. I-192
αὐχμός m. ‘Trockenheit, Dürre, Schmutz’ (ion. att.). Ableitungen: αὐχμηρός ‘trocken, schmutzig’ (ion. att.; zur Bildung Chantraine Formation 232f.) mit den seltenen αὐχμηρότης, αὐχμηρία, αὐχμηρώδης; αὐχμώδης ‘ds.’ (Hdt., E., Arist. usw.); dazu die einmaligen oder sehr seltenen αὐχμήεις (h. Hom. 19, 6; vgl. Schwyzer 527, Chantraine 272f.) und αὐχμαλέος (Choeril., Amynt.; nach ἀζαλέος u. a.; Chantraine 253f.). — Denominatives Verb αὐχμέω, auch αὐχμάω, ‘trocken, schmutzig sein’ (ion. att. seit Od.). — αὔχμωσις ‘Schmutz’ ([Gal.] 16, 88), eher aus αὐχμός erweitert (vgl. Chantraine 279) als von einem unbelegten *αὐχμόομαι abgeleitet. — Eine späte Nebenform ist αὐχμή f. (Q. S., Phryn.). — Zu αὖος (Curtius usw.) mit einem suffixalen Element -χμ-, über dessen Entstehung und weitere Beziehungen allerlei unsichere Vermutungen vorgebracht worden sind, s. WP. 2, 447f., Schwyzer 493 A. 4 m. Lit. I-192-193
αὔω 1. (nur Ipf. αὖε), Aor. ἀῧσαι, Fut. ἀΰσω ‘laut schreien, rufen’ (poet. seit Il.). Davon ἀϋτή ‘Geschrei, lautes Rufen’ (vgl. Trümpy Fachausdrücke 153ff.), woneben ἀϋτέω = αὔω (beide poet. seit Il.); ἀϋτέω, das bis auf das späte ἠΰτησα (Nonn., Epigr. Gr.) nur im Präsensstamm vorkommt, kann sowohl denominativ von ἀϋτή wie deverbativ von αὔω sein (Schwyzer 705f.). — αὐονή ‘Geschrei’ (Semon. 7, 20; vgl. Marg Charakter 17). — Die expressive Bedeutung von αὔω usw. läßt onomatopoetischen Ursprung vermuten. Entfernter Zusammenhang mit ἰυγή, ἰύζω (s. d.) ist wohl nicht ausgeschlossen; im übrigen dunkel. Hypothesen sind notiert bei WP. 1, 210, Bq s. ἀυτέω. — Specht KZ 59, 121 trennt αὖε von ἀῧσαι, ἀϋτή usw. und zieht es zu αὐδή, ἀείδω, ἄβα· τροχὸς ἢ βοή H.; s. dd. I-193
αὔω 2. ‘Feuer holen’ (ε 490, Med. Arat. 1035). Mehrere Komposita, vor allem ἐν-αύω ‘anzünden’, Med. ‘Feuer holen’, auch übertr. (ion. att.) mit ἔναυσμα ‘Funke’ usw. (hell. u. spät) und ἔναυσις (Plu. Kim. 10; auch vom Wasserholen); — ἐξ-αῦσαι· ἐξελεῖν (H., auch Pl. Kom.) mit ἐξαυστήρ ‘Feuerzange, κρεάγρα’ (A., Inschr., Poll. usw.); — κατ-αῦσαι· καταντλῆσαι (cod. καταυλῆσαι), καταδῦσαι H.; vgl. noch καθαῦσαι· ἀφανίσαι H.; unsicher καταύσεις (Alkm. 95); — προσαύω ‘anbrennen’ (S. Ant. 619, lyr.). — Außerdem πυραύστης m. "Feuerholer", ‘Lichtmotte’ (A., Arist., Ael.), πυραύστρα f. ‘Feuerzange’ (Attika), πύραυστρον n. ‘ds.’ (Herod., cod. πύραστρον), alles Zusammenbildungen aus πῦρ αὔειν. — Dazu mit analogisch geschwundenem σ γοιν-αῦτις· οἰνοχόη H. — Falls, wie wahrscheinlich, die Beziehung auf das Feuer sekundär ist, kann αὔω aus *αὔσω bzw. *αὔσι̯ω mit ano. ausa bzw. lat. hauriō (mit sekundärem h-) identisch sein. Der Vergleich mit lit. sáuja ‘Handvoll als Maß’ (Schulze Kl. Schr. 191) könnte auf Zusammenfall von zwei verschiedenen Verba hindeuten. Zur Sache s. besonders Schulze a. a. O.; ältere Lit. bei WP. 1, 27f. Vgl. W.-Hofmann s. hauriō. — Vgl. auch ἀφύσσω. I-193
αὔω 3. = ἰαύω (Nik. Th. 263, 283), s. d. I-193
αὕω 4. · ξηραίνω (Hdn.) s. αὖος. I-193
ἀφαδία ‘Mißfallen, Feindschaft’ (Eup. 34). - Daneben ἄφαδος ‘verhaßt, verfeindet’ (EM) und ἀφάδιος ‘ds.’ (Hdn.). f. — Ableitungen von ἀφανδάνω, ἀφαδεῖν (Od. usw.), s. ἁνδάνω. I-194
ἀφάκη auch ἄφακος (Schwyzer-Debrunner 30) f., ‘Wicke, Vicia angustifolia’ (Pherekr., Arist. usw.). — Von Dsk. und Gal. nach Aussehen und Gebrauch mit φακός ‘Linse’ verglichen. Das anlautende ἀ- sucht Strömberg Wortstudien 46f. als privativ-pejorativ zu deuten; auch Haplologie aus *ἀπο-φάκη (vgl. ἀπό-λινον, ἀπό-μελι usw.) könnte in Betracht kommen (Frisk Subst. priv. 20). Die Stammbildung bereitet gewisse Schwierigkeiten, die Strömberg zu beseitigen versucht. — Anders Prellwitz und Lewy, s. Strömberg a. a. O. Vgl. auch Winter Prothet. Vokal 13. I-194
ἀφαμιῶται m. pl. Bez. der Sklaven in Kreta (Str., Ath.). — Eig. ‘Leute die im Zustande der ἀφαμία (= ἀφημία) leben, von denen es keine φήμη gibt’, Bechtel Gött. Nachr. 1920, 252f.; s. noch Redard Les noms grecs en -της 9, 29. Vgl. ἀφημοῦντας· ἀγροίκους H. I-194
ἄφαρ Adv. ‘sofort, sogleich’ (ep. lyr. seit Il.). Davon ἀφάρτερος komp. Adj. (Ψ 311) ‘schneller’; ἀφαρεί· ταχέως καὶ ἀκόπως (EM, H., Suid.). — Nicht sicher erklärt. Wahrscheinlich mit ἄφνω verwandt; vielleicht urspr. neutraler r-n-Stamm. Vgl. Schwyzer 519, 624 A. 5. I-194
ἀφάρκη f. N. eines immergrünen Baumes, ‘Arbutus hybrida’ (Thphr.). — Nicht sicher erklärt. Nach Strömberg Wortstudien 27ff. als "Netzpflanze" zu ἄρκυς, ἀρκάνη, wobei ἀπο- eine Relation ausdrücken soll; vgl. die ähnlichen Bildungen ἀπό-λινον, ἀπό-μελι, in denen indessen ἀπο- ehestens privativ-pejorativ ist (dagegen in ἀπό-σπληνος ‘Rosmarin’ privativ-aufhebend: ‘gegen Milz(leiden) schützend’, vgl. ἀπό-κυνον). Die Aspirierung ἀφ- erklärt sich nach S. durch die aspirierte Form ἅρκυς (Et. Gen., Paus. Gr.). — Alles sehr unsicher. — Über das mit ἀφάρκη irgendwie (über *ἀφαρκίς, *ἀφαρκιδεύω?) in Verbindung stehende ἀφαρκίδευτον· ἀγρευτόν, ἀθυσίαστον H. s. Strömberg a. a. O. I-194
ἀφάσσω, ἀφάω, s. ἅπτω. I-194
ἀφαυρός ‘schwach, ohnmächtig, kraftlos’ (ep. ion. poet. seit Il.). Davon ἀφαυρότης f. (Anaxag.). Denominatives Verb ἀφαυροῦται (Erot., v. l. ἀμαυροῦται) als Erklärung von ἀμαλδύνεται. — Unklar. Wahrscheinlich aus ἀμαυρός und einem bedeutungsähnlichen Wort (φαῦλος, φλαῦρος?) kontaminiert. Risch 64 denkt fragend an πιφαύσκω, φάος. Ältere Versuche bei Bq. I-194
ἀφελής, -ές ‘einfach, schmucklos’ (ion. att.). Ableitungen: αφέλεια, -είη f. (Hp., Antiph. usw.); spät ἀφελότης f. (Act. Ap., Vett. Val.), vgl. Chantraine Formation 298. — Nicht sicher erklärt. Nach Persson Beitr. 2, 797 A. 3 eig. "ohne Unebenheit", von α privativum und *φέλος n., das u. a. auch in φελλεύς ‘unebener, steiniger Boden’ (s. d.) vorliegen soll. Ebenso Pisani Ist. Lomb. 73, 494. I-194-195
ἄφενος (auch m., wohl nach πλοῦτος, vgl. Fehrle Phil Woch. 46, 700f). n. ‘Reichtum, Vermögen’ (ep. poet. seit Il.). Davon (mit Vokalsynkope und auffallender Endbetonung) ἀφνειός, ἀφνεός ‘reich, begütert’ (poet. seit Il.; über Gebrauch und Bedeutung Hemelrijk Πενία en Πλοῦτος. Diss. Utrecht 1925). Daraus durch Rückbildung ἄφνος n. (Pi. Fr. 219). — Erweiterte Form ἀφνήμων (Antim.) nach πολυκτήμων und anderen Adj. auf -ήμων. — Als Hinterglied in den EN Δι-, Κλε-, Τιμ-αφένης. — Denominatives Verb ἀφνύει, ἀφνύνει· ὀλβίζει H.; ῥυδὸν ἀφνύνονται· πλουτοῦσιν Suid. (vgl. Schwyzer 728). — Unerklärt. Die Zusammenstellung mit ai. ápnas- n. ‘Besitz, Reichtum’ (Bréal MSL 13, 382f.; vgl. s. ὄμπνη) ist u. a. von Pisani Ist. Lomb. 73, 515 wieder aufgenommen worden unter Annahme einer Grundform *apsnos- (> ἄφνος), die die offenbar ältere Form ἄφενος nicht berücksichtigt. — Ältere Versuche bei Bq und WP. 1, 679. "Pelasgische" Erklärung bei van Windekens Le Pélasgique 74f. I-195
ἀφήτωρ, -ορος m. Epithet des Apollon (Ι 404), von ἀφίημι, s. Fraenkel Nom. ag. 1, 14f., 42, somit eig. "Entsender", aber nähere Bedeutung unklar. — Die antike Erklärung als ‘Bogenschütze’ ist von Kraus WienAkAnz. 87, 516ff. in Zweifel gezogen worden; nach ihm vielmehr "Aussender" = ‘der Gott, dem man vor der Ausfahrt opfert’ (?). — Nach Eustathios und den Scholl. (alternativ) = ‘Prophet’ (Eust. ὁμοφήτωρ), also aus α copulativum und φημί, eine unrichtige Deutung, die auch bei H. ἀφητορεία· μαντεία erscheint. I-195
ἄφθα, ἄφθαι f. gew. im Plur. Art Kinderkrankheit, ‘Mundschwamm’. Davon ἀφθώδης und ἀφθάω (Hp.) mit ἄφθησις (Hippiatr.). — Unklar; vielleicht zu ἅπτω. I-195
ἀφία f. ‘Feigwurz, Ranunculus ficaria’ (Thphr. HP 7, 7, 3). — Unerklärt. Die volksetymokogische Anknüpfung an ἀφιέναι (τὸ ἄνθος) bei Thphr. sucht Thiselton-Dyer JournofPhil. 33, 206f. mit zweifelhaftem Erfolg semantisch zu begründen. Eher LW. I-195
ἀφίας · βωμός H. — Wertloser Deutungsversuch von E. Maaß Arch. f. Religionswiss. 23, 228. I-195
ἄφλαστον n. ‘der Ausläufer des Schiffshecks, der Knauf am Schiffshinterteile’ (Ο 717, Hdt. 6, 114 u. a.) — Nach Diels KZ 47, 209f. (m. Lit.) und Bechtel Dial. 3, 285 eig. "das was die Zertrümmerung verhütet oder verhüten soll", von α privativum und φλάω ‘zertrümmern’, was unzweifelhaft wie eine Volksetymologie klingt. Wohl eher mit Hermann Gött. Nachr. 1943, 1f. vorgriechisch. Verfehlt Winter Prothet. Vokal 16. — Daraus lat. aplustra, -ōrum. I-195-196
ἀφλοισμός m. ‘Schaum, Geifer’ (Ο 607). — Verbalnomen auf -σμός zu ἔφλιδεν· διέρρεεν, διαπέφλοιδεν· διακέχυται, πεφλοιδέναι· φλυκταινοῦσθαι H. usw., s. φλιδάω. Anlaut. ἀ- ist als copulativ (intensiv) zu erklären, sofern man nicht vorzieht, Kontamination mit dem synonymen ἀφρός anzunehmen. I-196
ἄφνω Adv. ‘jählings, plötzlich’ (A., E., Eup., Th., D. usw.), selten und spät ἄφνως (Epigr. Gr. 468; vgl. Schwyzer 405, 624 A. 5). — Wahrscheinlich mit ἄφαρ verwandt (s. d.) und wie dieses aus einer erstarrten Kasusform eines nominalen r-n-Stammes hervorgegangen (Schwyzer 520). Dazu zwei Nebenformen bei H.: ἀφνός· ἐξαίφνης und ἀφνίδια· ἀφνίδαν, ἄφνω; letzteres aus αἰφνίδιος kontaminiert, vgl. αἴφνης. — Ältere Deutungen bei Bq. I-196
ἀφόρδιον n. ‘Exkremente’ (γαστρός, Nik.). — Aus *ἀφόδιον (von ἄφοδος ‘Exkremente’) euphemistisch (nach φόρος) oder drastisch (nach πορδή) verdreht? I-196
ἄφρα f. ‘Art Pflaster’ (Aët. 15, 14). — Ohne Etymologie. I-196
ἄφρισσα f. Pflanzenname = ἀσκληπιάς, d. h. ‘Feigwurz’ (Apul. Herb. 15). — Unerklärt. Ob Bildung auf -ισσα zu ἀφρός? I-196
’Αφροδίτη f. die Göttin der Liebe (seit Il.). Davon die Deminutiva ’Αφροδιτάριον N. einer Augensalbe (Gal.), ’Αφροδιταρίδιον ‘Liebling’ (Pl. Kom.). Ferner das Adj. ’Αφροδίσιος ‘zu A. gehörig’ (ion. att.) mit den substantivierten ’Αφροδίσιον ‘A.-tempel’, ἀφροδίσια n. pl. ‘Liebesgenuß usw.’; zum letzteren das Adj. ἀφροδισιακός und das Denominativ ἀφροδισιάζω ‘der Liebe genießen’ (ion. att.), wovon ἀφροδισιασμός, ἀφροδισιαστής ‘Wollüstling’, ἀφροδισιαστικός; dagegen ’Αφροδισιασταί N. der Aphroditeverehrer (Rhodos) von’Αφροδίτη, vgl. ’Απολλωνιασταί, s. ’Απόλλων. — Herkunft unbekannt. Unhaltbare Erklärungen aus dem Griechischen (Kretschmer KZ 33, 267), bzw. aus dem Indogermanischen (E. Maaß N. Jb. f. d. klass. Altertum 27, 457ff.; dazu die Kritik Kretschmers Glotta 6, 305f.). — Da die Göttin selbst aus dem Orient oder dem östlichen Mittelmeergebiet stammt, ist ihr Name zweifelsohne vorgriechisch. Der semantisch naheliegende Vergleich mit der semitischen Göttin der Fruchtbarkeit Aštoret, Astarte (Hommel N. Jb. f. klass. Philol. 125 [1882], 176), die von Grimme Glotta 14, 18 wieder aufgenommen worden ist (allerdings mit der wenig überzeugenden Annahme, die Göttin sei durch hethitische Vermittlung zu den Griechen gekommen), muß in sprachlicher Hinsicht immer als möglich gelten, da bei diesem Namen mit starker volksetymologischer Angleichung zu rechnen ist. — Abzulehnen Hammarström Glotta 11, 21 5f.: ’Αφροδίτη eig. ‘Herrin, Vorsteherin, Fürstin’, vorgriechisch zu dem ebenfalls vorgr. πρύτανις, etr. (e)prϑni. — Ausführlich über Aphrodite Nilsson Gr. Rel. 1, 489ff. I-196-197
ἀφρός m. ‘Schaum, Geifer’ (seit Il., vorw. poet.). Ableitungen: ἀφρώδης ‘schäumend’ (Hp. usw.), ἀφριόεις ‘ds.’ (Nik. u. a.; metrisch bedingt, s. Chantraine Formation 272). ἀφρῖτις, -ιδος f. ‘Art ἀφύη’ (Arist. usw., s. Redard Les noms grecs en -της 81 m. Lit.). Mehrere Denominativa : 1. ἀφρέω ‘schäumen’ (Il., Hp.); 2. ἀφρίζω ‘ds.’ (ion. att.) mit ἀφρισμός (Mediz.) und ἀφριστής m. (AP, codd. falsch ἀφρηστής; Sch.); 3. ἀφριάω ‘ds.’ (Opp.; zur Bildung Schwyzer 732); 4. ἀφρόομαι ‘ds.’ (Theol. Ar.). — Auch ἀφρίους· ἀθέρας H. ist gewiß hierherzuziehen. — Nicht sicher erklärt. Die Zusammenstellung mit dem reduplizierten arm. p‘rp‘ur ‘Schaum’ (Meillet BSL 31, 51f., wozu weiterhin, sehr zweifelhaft, σπείρω usw.), wobei ἀ- prothetisch wäre, ist verlockend, aber nicht strikt zu beweisen. — Die alte Gleichung mit aind. abhrá- n. ‘Wolke’, ὄμβρος usw. (s. Bq) ist wegen der abweichenden Bedeutung aufzugeben. I-197
ἀφύη f. ‘Fischbrut, kleine Fische verschiedener Art’ (Epich., Ar. usw.; im Att. nur im Plur. nach H. s. ἀφύων τιμή; zum Sachlichen ausführlich Thompson Fishes s. v.). Ableitungen: Demin. ἀφύδιον (Ar.; zum Lautlichen Schwyzer 199); ἀφυώδης ‘weißlich’ (Hp.). Denominatives Verb ἀφύω ‘weißlich, bleich werden’ (Hp.), wahrscheinlich retrograde Ableitung aus ἀφυώδης nach δάκνω : δακνώδης u. a. (Chantraine Formation 431). — Unerklärt. Die Zurückführung auf α privativum und φύω (woraus die Mittelmeerbez. nonnats) ist wohl als Volksetymologie zu verstehen. Unrichtig Bechtel Dial. 3, 285: ἀφύη nach der Farbe benannt, vgl. ἀφυώδης und ἀφύω (die ja im Gegenteil aus ἀφύη stammen). Noch andere Versuche bei Bq. I-197
ἀφυσγετός m. Bed. unsicher, ‘Schlamm’? (Λ 495, Opp.), von Nik. adjektivisch gebraucht als Epithet der Wassersucht und des Nektars (Al. 342 bzw. 584; auf ἀφύσσω bezogen). — Bildung wie συρφετός usw. (Schwyzer 501, Chantraine Formation 300); sonst dunkel. I-197
ἀφύσσω, woneben ἀφύω in ἐξ-αφύοντες (ξ 95), ἐξαφύουσιν· ἐξαντλήσουσιν H., Aor. ἀφύσ(σ)αι, Fut. ἀφύξω ‘schöpfen’ (ep. poet.). Davon einige spärlich belegte Ableitungen: ἀφυσμός (Suid.) und ἀφύσιμος (Sch.), auch ἀφύξιμος (Nik.; vgl. den Gutturalstamm des Fut.). Vom Präsensstamm ἄφυσσαν· τὴν κοτύλην <παρὰ> Ταραντίνοις H. Unsicher ἀφύστα· κοτύλη, στάμνος H. und ἀφυτρίς (cod. ἀφύτρις)· ἀρύταινα (cod. ἅρπαινα) H. — Unerklärt. Unglaubhafte Deutungsversuche bei Bezzenberger BB 27, 151 (zu lat. imbuo) und Oehler (s. Schulze Q. 311: ἀφ + υσ-, Schwundstufe von αὐσ- in 2. αὔω ‘Feuer holen’). Das Präsens ἀφύσσω ist wahrscheinlich vom Aorist aus gebildet (Schwyzer 717 m. Lit.), ebenso ἀφύω (Debrunner Mus. Helv. 2, 199). I-197-198
’Αχαιμένης, -εος, -ους m. Ahnherr des ältesten persischen Königshauses (Hdt. usw.) = apers. Haxāmaniš. Davon ’Αχαιμενίδαι pl. Nachkommen des ’Α., vornehmer persischer Clan, aus dem die persischen Könige hervorgingen (Hdt. usw.); ’Αχαιμένιος ‘persisch, Perser’ (A. Pl. usw.); ’Αχαιμενία ein Teil Persiens (St. Byz.); ’Αχαιμενῖτις f. Beiname Babylons (Epiphan.), vgl. Redard Les noms grecs en -της 188. — ἀχαιμενίς, -ίδος f. Pflanzenname (Ps.-Dsk., Plin.); zum Namenstypus Strömberg Pflanzennamen 134ff. — Gr. -αι- in ’Αχαι-μένης gegenüber -ā- in apers. Haxā-maniš ist wahrscheinlich von Ταλαι-μένης, Πυλαι-μένης usw. eingedrungen (vgl. Schwyzer 448 m. Lit.). Anders Jacobsohn KZ 54, 261f.: -αι- von der Stammform haxāi- = aind. sakhāy- (?); dazu Kretschmer Glotta 18, 226. I-198
ἀχαίνη f. ‘Art Brot, das von den Weibern an den Thesmophorien gebacken wurde’ (Semus 13). — Ohne Etymologie. I-198
ἀχαΐνης ‘Hirsch im zweiten Lebensjahre, Spießer’; ἀχαΐνη f., auch ἀχαιΐνη ‘Reh’ (Arist., Babr. u. a.). m. Ableitung ἀχαιινέη f. ‘Hirsch- od. Rehfell’ (A. R., Opp.). — Unerklärt. I-198
’Αχαιοί pl. m. N. eines griechischen Stammes, ‘Achäer’, sg. ’Αχαιός ‘achäisch’ (seit Il.), f. ’Αχαιαί, sg. -ά (vgl. Schwyzer 460 m. A. 4). Ableitungen: ’Αχαιΐς, -ίδος f. ‘das Achäerland’ (sc. γαῖα) oder ‘die Achäerin’ (sc. γυνή), auch ’Αχαιϊάς f. (seit Il.); ’Αχαιϊκός, att. ’Αχᾱϊκός (vgl. zum Lautlichen Schwyzer 265f.) ‘achäisch’; ’Αχαιΐη, att. ’Αχᾱΐα f. N. einer thessalischen und peloponnesischen Landschaft ‘Achaja’, auch Stadtname (Rhodos usw.), vielleicht als ’Αχαία (dreisilbig) zu lesen, vgl. unten. — Denominatives Verb ἀχαΐζιεν· ἑλληνίζειν H. — Der Volksname ’Αχαιοί aus ’Αχαιϝοί (wovon lat. Achīvī) ist auch aus ägypt. Quellen bekannt: ägypt. ’q’jw’š’, gewöhnlich als Aqaiwaša gedeutet. Ebenso haben viele Forscher, namentlich Kretschmer (vgl. unten), in heth. Aḫḫijavā griech. ’Αχαιΐα aus *’Αχαιϝία (bzw. *’Αχαίϝα; diese Form noch in dem Stadtnamen ’Αχαία?; vgl. Kretschmer Glotta 21, 227) wiedererkennen wollen. Gegen eine voreilige Identifikation von Aḫḫijavā und ’Αχαιΐα hat vor allem Sommer wiederholt das Wort ergriffen (Aḫḫijavā-Urk., A. u. Sprw., IF 55, 169ff.). — Referat der früheren Diskussion bei Schwyzer 7 9f.; dazu bes. die neue Behandlung von Kretschmer Glotta 33, 1ff., wo nach Schaeffer Aḫḫijavā mit der mykenisch-achäischen Niederlassung Enkomi auf Kypros identifiziert wird. Da der ursprüngliche Sinn des Namens ’Αχαιοί unbekannt ist, sind alle Etymologien leere Spekulationen. Nach Güntert Weltkönig 73, WuS 9, 130ff. soll es als *"die Gefährten, Freunde" mit aind. sákhā, apers. haxā- (vgl. s. ’Αχαιμένης) ‘Genosse, Freund’ identisch sein; dazu Kretschmer Glotta 15, 190; 17,250. I-198-199
ἀχάλιον n. Pflanzenname, = σιδηρῖτις, ἀλθαία (Hippiatr.). — Ohne Etymologie. I-199
ἀχά̄νη f. N. eines Maßes = 45 μέδιμνοι (Ar., Arist.); ‘Kasten’ (Phanod., Plu.). — Unerklärt. I-199
ἀχαρνώς, -ώ auch ἄχαρνος, ἀχάρνᾱς (Kallias Kom., Ath., Arist.) Andere, ähnliche Formen: ἀχάρνα, ἀχέρνα (cod. -λα) H.; ἀκαρνάν (Ath.), ἀκάρναξ· λάβραξ H. m., Fischname = ὀρφώς, viell. ‘Barsch’. — Zum ρν-Element, wohl fremd, Chantraine Formation 208f., Schwyzer 491. Sonst unklar. — Zur Sache Thompson Fishes 6f. I-199
ἀχά̄της, -ου m. ‘Achat’ (Thphr. usw. ) — Unerklärtes Fremdwort. Semitische Etymologien bei Lewy Fremdw. 56. — Der Fluß Achates auf Sizilien ist wahrscheinlich nach dem Stein benannt, nicht umgekehrt. Auch der PN Achates stammt vom Steine. Vgl. Lewy ebd. I-199
ἄχερδος f. (m.) ‘wilder Birnbaum, Pyrus amygdaliformis’ (Od., S., Theok. usw.). — Zur Bildung Chantraine Formation 359, Schwyzer 508. — Nicht sicher erklärt. Von Bugge BB 18, 184 und Mann Lang. 28, 34 mit alb. darδe ‘Birne’ verglichen; von Jokl Festschrift Kretschmer 89ff. weiterhin zu idg. ĝher(s)- ‘starren’ (WP. 1, 610; Pok. 445f.) gezogen unter der ganz hypothetischen Annahme einer Bedeutungsentwicklung ‘Dorngebüsch’ > ‘wilder Birnbaum’. Anlaut ἀ- wäre kopulativ. — Älterer Versuch bei WP. 1, 608 und Bq s. ἀχράς; vgl. d. W. S. auch Schrader-Nehring Reallex. 147. I-199
ἀχερωΐς, -ίδος f. ‘Weißpappel, Populus alba’. — Da ἀχερωΐς in erster Linie als eine Ableitung auf -ίς zu beurteilen ist, kann das Endelement -ωΐς (aus *-ωσις?) schwerlich direkt mit lit. úosis und anderen baltisch-slavischen Wörtern für ‘Esche’ verglichen werden (Prellwitz BB 24, 106f.; weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 184 A. 1). Zu der im übrigen ansprechenden Zusammenstellung mit ’Αχέρων s. d. — Abzulehnen Machek Lingua Posnaniensis 2, 152. I-199-200
’Αχέρων, -οντος m. N. mehrerer Flüsse, auch mythischer Strom der Unterwelt (seit Od.). — Vielleicht ντ-Ableitung von einem Nomen *ἄχερος ‘Teich, See’, das auch in einigen baltisch-slavischen Wörtern, lit. ẽžeras, ažeras, apreuß. assaran, aksl. jezero ‘See’, gesucht worden ist (s. zuletzt Krahe Beitr. z. Namenforschung 2, 235f. mit älterer Lit.; anders Vaillant BSL 29, 38ff.); hierher noch nach Jokl in Eberts Reallexikon 6, 39 und 43 der Volksname Oseriates (Ober-Pannonien; Plin., Ptol.); vgl. Mayer Glotta 24, 189. Somit wäre ’Αχέρων eigentlich ‘teichbildend, sumpfbildend’. Aber die Hesychglosse ἀχερούσια· ὕδατα ἑλώδη ist natürlich vom Namen des Unterweltsstromes gebildet und somit kein direktes Zeugnis für die ursprüngliche Bedeutung des Appellativs. — Zur ντ-Ableitung s. bes. Kretschmer Glotta 14, 97f. Von *ἄχερος vielleicht auch (mit unklarer Bildung) ἀχερωΐς, s. d. Ableitungen: ’Αχερούσιος (A., Th. usw.), f. -ιάς (Pl., X.); jüngere Bildung ’Αχερόντ(ε)ιος, f. -ιάς (E. usw.). I-200
ἀ̄χήν, -ῆνος m. ‘arm, dürftig’, nach der Form zu urteilen (Chantraine Formation 166f., Schwyzer 487) wohl eigentlich ein substantivisches Appellativum, etwa "Habenichts, gueux" (Theok., Epigr.). Davon ἀ̄χηνία ‘Armut, Entbehrung’ (A., Ar.). Erweiterte (umgebildete) Form ἀχηνεῖς· κενοί H. — Neben diesen dorischen Formen haben Lexikographen dasselbe Wort in ion. att. Lautgestalt bewahrt: ἠχῆνες· κενοί, πτωχοί H.; dazu, mit anderer Stammbildung, ἠχ-άνω· πτωχεύω Suid. (vielleicht als *ἰ̄χάνω zu lesen, vgl. unten); als Hinterglied (nach den adj. σ-Stämmen) in κτεαν-ήχης· πένης H. — Die Form ἀεχῆνες· πένητες H. beruht auf Volksetymologie (α privativum und ἔχω). Unsicher ob hierher ἀχαιος (IG 3, 1385). — Neben ἀ̄χήν usw. steht mit anderem Vokalismus ἰ̄χανάω ‘begehren’ (Hom., Babr., Herod.), wozu vielleicht noch das unsichere ἴχαρ (A. Supp. 850, lyr.). Auch im Indoiranischen scheint derselbe Vokalwechsel ā (aus āi?) : ī vorzuliegen; vgl. einerseits aind. ī́hate ‘begehren’, aw. izyeiti ‘streben, verlangen nach’, anderseits aw. āzi- m. ‘Gier, Begierde’ usw. Vgl. Wackernagel Verm. Beiträge 11f.; weitere Einzelheiten bei WP. 1, 40f. — Toch. A ākāl, B akālk ‘Wunsch, Begierde’ (v. Windekens Lexique étymologique 11) sind mehrdeutig; abzulehnen der Vergleich mit toch. B yoko ‘Durst’ (Pedersen Tocharisch 42). I-200
ἄχθομαι, Aor. ἀχθεσθῆναι ‘beladen, belastet sein’, gew. übertr. ‘sich gedrückt fühlen, betrübt sein’ (seit Il.). — Nicht sicher erklärt. — Wenn man in ἄχθομαι, ἄχθος das θ als verbal-nominales Formans abtrennt, was unzweifelhaft am nächsten liegt (vgl. z. B. βρίθω : βρῖθος : βριαρός; πλήθω : πλῆθος : πίμπλημι), bleibt ein Gutturalstamm ἀχ-, bzw. ἀκ- oder ἀγ- übrig. Dadurch erhält man Anschluß an ἄχομαι, ἄχνυμαι ‘betrübt sein, trauern’ (Curtius 63 und 190; danach Brugmann, Schwyzer u. a.), wobei indessen die konkrete Bedeutung ‘beladen sein’, bzw. ‘Ladung’ sich schwerlich erklären läßt. Walde in WP. 1, 40 A. 2 (ähnlich schon Prellwitz) ist deshalb geneigt, von ἄγω im Sinn von ‘fortschaffen’ auszugehen, wovon ἄχ-θος ‘Ladung’, ἄχθομαι ‘beladen sein’; die übertragene Bedeutung ‘sich gedrückt fühlen’ wäre durch Assoziation mit den lautähnlichen ἄχομαι, ἄχνυμαι begünstigt. Vgl. auch ὀχθέω. Daneben ἄχθος n. ‘Ladung, Last, Bürde’, auch übertr. ‘Beschwerde, Mühe’ (vorw. poet. s. Il.); Verhältnis zu ἄχθομαι unklar, vgl. Schwyzer 723. — Mehrere Ableitungen, meist spärlich belegt. Von ἄχθος : ἀχθεινός ‘lästig, unangenehm’ (E., X. usw.), wozu noch die seltenen ἀχθηρός (Antiph. 94, unsicher), ἀχθήεις (Mark. Sid. 96), ἀχθήμων (Man. 4, 501); letzteres kann auch von ἄχθομαι ausgegangen sein. Denominatives Verb ἀχθίζω ‘laden’ (Babr.), außerdem ἀχθήσας (zu lesen ἀχθίσας?)· γομώσας, ἤγουν πληρώσας H., wie von *ἀχθέω. — Von ἀχθομαι, evtl. aus ἄχθος erweitert: ἀχθηδών, -όνος f. ‘Last, Belästigung’ (A., Th., Pl. usw.); zur Bildung vgl. ἀλγηδών u. a., Schwyzer 529f., Chantraine Formation 361. I-200-201
’Αχιλλεύς, ep. auch ’Αχιλεύς Sohn des Peleus und der Thetis (seit Il.). Davon ’Αχιλλήϊος, f. ’Αχιλληΐς, att. ’Αχίλλειος. — Das Schwanken λλ ~ λ, das in dem entsprechenden Schwanken σσ ~ σ in ’Οδυσ(σ)εύς ein Gegenstück hat, ist nicht sicher erklärt. Nach Sjölund Metrische Kürzung im Griechischen (Diss. Uppsala 1938) 29ff. ist ’Αχιλεύς durch metrische Kürzung veranlaßt; ähnlich Chantraine Gramm. hom. 1, 110. Zweifel bei Debrunner IF 57, 149. Schulze Q. 230 A. 2 sieht in ’Αχιλ(λ)εύς zwei hypokoristische Wechselformen eines unbekannten Vollnamens. — Die antike Herleitung aus ἄχος ‘Schmerz, Trauer’ hat Kretschmer Glotta 4, 305ff. wieder aufgenommen, indem er ein vermittelndes *ἄχιλος (vgl. ὀργίλος von ὀργή usw.) ansetzt. Eher ist vorgriechischer Ursprung anzunehmen, s. z. B. Debrunner l. c. Vgl. die Ausführungen bei Boßhardt Die Nomina auf -ευς 139f. I-201
ἀχλύ̄ς(später -ῠς), -ύος f. ‘Nebel, Finsternis, Dunkel’ (ion. poet. seit Il., hell. u. späte Prosa). Ableitungen: Adjektiva: ἀχλυώδης ‘neblicht, trübe’ (Hp., Arist., hell. usw.); ἀχλυόεις ‘trübe, dunkel’ (Epigr. ap. Hdt., hell. u. späte Epik). Denominative Verba: ἀχλύω ‘dunkel werden oder machen’ (ep. seit Od.) mit ἄχλυσις ‘Verdunkelung’ (Syn. Alch.); ἀχλύνομαι ‘dunkel werden’ (Q. S.); zur Bildung Schwyzer 727 (unten) f., 733 ε; ἀχλυόομαι, -όω ‘dunkel werden, bzw. machen’ (Thphr. u. a.). — Für sich steht ἀχλυδιᾶν· θρύπτεσθαι H. nach den Krankheitsverben auf -ιᾶν (Schwyzer 732), anscheinend mit einer hiatustilgenden δ-Erweiterung; wahrscheinlich liegt eine Kontamination mit χλιδᾶν (χλιδιᾶν) vor. — ἀχλύς kann bis auf das Genus und die darauf beruhende Vokallänge mit apreuß. aglo n. (u-Stamm; Pauli, s. Kretschmer KZ 31, 332) identisch sein. ? Die Heranziehung des reduplizierten arm. aɫǰ-a-m-uɫǰ-k‘ (pl.) ‘Finsternis’ (Meillet MSL 10, 279; vgl. H. Petersson Arische und armen. Studien 124ff.) setzt, außer der an sich möglichen Metathese von idg. gh-l, noch eine Palatalisierung des gh in ǰ voraus. Alb. vágull ‘dunkel, schwachsichtig’ (Mann Lang. 28, 38) muß wegen des Anlauts ausscheiden. I-201-202
ἄχνη f. ‘Spreu, Schaum, Flaum’ (poet. seit Il., auch Hp.). Davon ἀχνῶδες· ἄχνῃ ὅμοιον H. — Zum Vergleich melden sich einerseits — mit anderem Suffix — ἄχυρον ‘Spreu’, anderseits — im Suffix dazu stimmend, aber im Guttural abweichend — lat. agna (aus *ac-nā) ‘Ähre’, got. ahana ‘Spreu’ usw. (vgl. zu ἄκων). In letzterem Falle wäre also für ἄχνη eine Suffixform -snā (vgl. Schwyzer 327) anzusetzen mit Anlehnung an einen s-Stamm (vgl. zu ἀκοστή), falls man nicht Einfluß von ἄχυρον mit ursprünglicher Aspirata annehmen will. Weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 30 m. A. 3. — Vgl. ἄχυρον. I-202
ἄχνυμαι, ἄχομαι, ep. Ptz. auch ἀχεύων, ἀχέων (vgl. unten); Aor. ἀκαχέσθαι, ἀκαχεῖν, ἀκαχῆσαι, Perf. ἀκάχημαι, wozu ein neues Präs. ἀκαχίζομαι, -ίζω; es kommen hinzu die seltenen Präsentia ἀκαχύνω (Antim.), ἀκάχομαι (Q. S.) und ἀχνάσδημι (Alk. 81), Umbildung auf -άζω von *ἄχνημι, *ἄχναμαι (neben ἄχνυμαι, vgl. Schwyzer 693 A. 4, 716 Mom. 4). ‘betrübt sein, trauern’, Akt. ‘betrüben’ (ep. lyr. seit Il.); Daneben als altes Verbalnomen ἄχος n. ‘Trauer, Leid, Schmerz’ (vorw. ep. lyr. seit Il.); außerdem ἀχνύς, -ύος f. (Kall.) nach ἄχνυμαι. — Der neutrale s-Stamm ἄχος hat eine genaue formale Entsprechung in dem ursprünglichen neutralen s-Stamm got. agis n., ags. ege m. ‘Furcht, φόβος’; der Bedeutungsunterschied ist aber nicht zu übersehen. Zu dieser und anderen nominalen Bildungen gesellt sich das primäre thematische Ptz. got. un-agands ‘furchtlos, ἀφόβως’, das zu dem ebenfalls thematischen ἄχομαι stimmt; parallele Neubildungen sind indessen bei so produktiven Formkategorien natürlich keineswegs ausgeschlossen, vgl. Jacobsohn KZ 45, 342. — Das Präteritopräsens got. ōg ‘ich fürchte’ ebenso wie air. ad-āgor ‘ich fürchte’ (beide aus idg. ā oder ō) bestätigen die aus anderen Gründen wahrscheinliche Annahme, daß ἄχνυμαι die bei den νυ-Präsentia zu erwartende schwundstufige Wurzelform enthält. — In ἀχεύων könnte der Rest eines nasallosen athematischen Präsens *ἀχευ-μι (neben ἄχ-ν-υ-μαι) bewahrt sein; das daneben stehende ἀχέων kann sich zu ἄχος wie κρατέων zu κράτος verhalten, s. Schwyzer 696 β, 724 Mom. 1. Anders urteilt über diese mehrdeutigen Formen Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 366f.: ἀχέων aus *ἀχέϝ-ων, ἀχεύων dagegen aus *ἀχεύ-ι̯ων; letzteres auch Schulze Q. 64; vgl. noch Fraenkel Lexis 2, 194f. Nach K. Meister HK 33 ist das immer am Versende (gegenüber ἀχέων im Versinnern) auftretende ἀχεύων vom Metrum verursacht. I-202-203
ἀχράς, -άδος f. ‘wilder Birnbaum und seine Frucht, Pyrus amygdaliformis’ (Kom., Arist. usw.). Davon ἀχράδινος (Dsk.) und der parodierende Demos-name ’Αχραδούσιος (Ar. Ec. 362). — Bildung wie οἰνάς, ἐρινάς und andere Baum- und Pflanzennamen (Chantraine Formation 356f.), aber sonst dunkel. Ob das ausgesprochen suffixale δ in ἀχρ-άδ- mit dem δ in dem synonymen, aber ganz anders gebildeten ἄχερδος (s. d.) zusammenhängt, ist zweifelhaft. Vielleicht umgebildetes Fremdwort. I-203
ἀχρεῖον Akk. sg. n. Bedeutung unsicher (ἀχρεῖον ἰδών Β 269; ἀ. δ’ ἐγέλασσε σ 163; ἀ. κλάζειν Theok. 25, 72); als Vorderglied in ἀχρειό-γελως Adj. (Kratin.); ἀχρείως γελᾶν (APl.). — Wohl einfach mit ἀχρεῖος ‘nutzlos, eitel’ (s. χρή) identisch. Zum Syntaktischen s. Schwyzer-Debrunner 77 ζ. — Andere Auffassungen sind bei Bq notiert. I-203
ἄχρι, ἄχρις (zum Auslaut Schwyzer 404f., 620) Adv., Präp. und Konj. ‘bis zum Ende, völlig; bis (zu); so lange als’ (seit Il.); ἄχροι (Korkyra; nach den Adv. auf -οι). — Vgl. μέχρι, das sich durch das dazu genau stimmende arm. merj ‘nahe’ als alt erweist. Wahrscheinlich ist ἄχρι durch Kontamination von μέχρι und einem unbekannten synonymen Adverb entstanden. Näheres s. μέχρι. I-203
ἄχυρα n. pl., selten -ον sg., ‘Spreu’ (ion. att.); kollektiver Sing. ἀχυρός oder ἄχυρος m. ‘Spreuhaufen’ (Kom.). Mehrere vereinzelt belegte Ableitungen: ἀχυρώδης (Arist. u. a.), ἀχύρινος (Plu.), ἀχυρικός (Sammelb.), ἀχυρῖτις, -ιδος f. (AP; zweifelhaft); Subst.: ἀχυράριος m. ‘Eintreiber der ἄχυρον-Steuer’ (Ostr.), ἀχυρών, -ῶνος m. ‘Vorratshaus für Spreu’ (Delos), ἀχύριος m. ‘Spreuhaufen’ (Heraklea). Denominatives Verb ἀχυρόω ‘mit Spreu bestreuen oder mischen’ (Arist., Thphr. usw.); davon ἀχύρωσις (Arist.). — Für sich steht, mit unklarer Bildung, ἀχυρμιαί f. Pl. ‘Spreuhaufen’ (Ε 502, AP 9, 384, 15; auch byzant. und neugr.; s. Scheller Oxytonierung 4ff., 85ff., auch über die Bildung m. weiterer Lit.; dazu noch Fraenkel Glotta 32, 18); dieselbe Bildung auch in ἀχύρμιος (Arat. 1097, Attribut von ἄμητος), vielleicht aus ἀχυρμιαί dichterisch neu geschaffen; zweifelhaft ἀχυρμός (Ar. V. 1310; Konjektur von Dindorf für ἀχυρός). — In Form und Bedeutung erinnert ἄχυρον an ἄχνη, das alt zu sein scheint (s. d.), aber vielleicht von ἄχυρον beeinflußt worden ist. Sonst dunkel; Zusammenhang mit ἄχωρ (s. d.) immerhin denkbar; s. zuletzt Benveniste Or. 20 und 36 (ἄχυρον : ἄχνη alter r : n-Stamm?). Abzulehnen Petersson KZ 47, 267f. (s. WP. 2, 510). I-203-204
ἀχυρμιαί s. ἄχυρα. I-204
ἄχωρ, -ορος (Ar. Fr. 410, Hdn. Gr. 2, 937), ἀχώρ, -ῶρος (Alex. Trakl., Dsk. usw.) m. ‘Grind, Schorf, Kopfausschlag’. Ableitungen: ἀχωρώδης (Aët., Hp. Liqu. 6 als v. l.); ἀχωρέω od. -ιάω (coni. in Paul. Aeg. 3, 3) ‘von ἄχωρ leiden’. — Hierher auch ἄχορα· τὰ πίτυρα. ἔνιοι δὲ κρανίον H. — Unerklärt. Nach Güntert Götter und Geister 102f. zu ’Αχέρων usw. (s. d.). Über eine ebenfalls verfehlte Deutung Bezzenbergers s. WP. 1, 64. Vgl. ἄχυρον. I-204
ἄψ Adv. ‘zurück, rückwärts, wieder’ (ep. seit Il.). Davon ἄψερον = ὕστερον, πάλιν (Alk., H., Zonar.), nach ὕστερον erweitert. — Mit lat. abs ‘fort, zurück’ identisch. Verhältnis zu ἀπό unklar. Zum auslautenden -ς vgl. ἐξ und die übrigen bei Schwyzer 620 angeführten Adverbia auf -ς (-ξ, -ψ). I-204
ἀψίνθιον auch ἄψινθος f. (m.) und ἀψινθία f. n., ‘Wermut, Artemisia Absinthium’ (Hp., X. usw.). Ableitungen: ἀψίνθινος (Alex. Trall.), ἀψινθίτης οἶνος (Dsk. usw., s. Redard Les noms grecs en -της 96); außerdem ἀψινθᾶτον ‘Trank aus Wermut bereitet’ (Aët., Alex. Trall.) und ἀψινθάτιον (Pap.; nach den Nomina auf -άτιον); vgl. lat. absinthiātum (vinum). — Schon das νθ-Element läßt auf vorgriechischen Ursprung schließen, vgl. Schwyzer 61. I-204
ἁψίς, -ῖδος f. ‘Masche eines Netzes, Radfelge, Gefüge usw.’ (Kretschmer Glotta 10, 233f.). — Erweiterung bzw. Umbildung auf -ιδ- eines unbekannten Verbalnomens zu ἅπτω, s. d. I-204
ἄψορρος Adj., -ον Adv. ‘zurückgehend, zurück’ (poet. seit Il.). — Eig. wohl "mit dem ὄρρος abgewandt", vgl. παλίν-ορσος; dazu Wackernagel Unt. 1 A. 2 (wo für ρρ statt ρσ in ἄψορρος Dissimilation erwogen wird) und 226 A. 1. Anders Bechtel Lex. s. v. : ἄψορρος falsch für ἀψόροος. — Die Form ἀψόρροος in ἀψορρόου ’Ωκεανοῖο (Σ 399, υ 65) ist entweder aus ἄψ und ῥόος mit dem Kompositionsvokal -ο- selbständig gebildet oder vielmehr von ἄψορρος nach ῥόος umgestaltet. Weiteres s. ὄρρος. I-204-205
ἄω ‘(sich) sättigen’ s. ἆσαι. I-205
ἀών, -όνος Art Fisch (Epich., H.). Auch (im Plur.) Name eines Gewandes (PAmh. 2, 3a II 21; IIIp). — Unerklärt. I-205
ἄωροι 1. πόδες von Skylla gesagt (μ 89), außerdem im Gegensatz zu den ὀπίσθιοι πόδες (Philem. 145). — Nach Aristarch = ἄκωλοι; "τοὺς γὰρ Ἴωνας λέγειν φασὶ τὴν κωλῆν ὥρην καὶ ὡραίαν" (Sch. μ 89). Nach SIG 1037 (Miletos IV-IIIa) ist ὥρη ein Teil des Opfertieres, aber von der κωλῆ getrennt. Bechtel (s. Lex.) vergleicht lat. sūra (Näheres bei W.-Hofmann s. v.) und übersetzt: ‘Beine, die keine Waden haben’ (?). I-205
ἄωρος 2. m. ‘Schlaf’ (Sapph. 57); unsicher Kall. Fr. 177, 28 Pfeiffer. — Nach EM 117, 14 = ὦρος, "κατὰ πλεονασμὸν τοῦ ᾱ μηδὲν πλέον σημαίνοντος. ὦρος γὰρ ὁ ὕπνος". — Weiteres s. ὦρος; vgl. auch ἀωτέω. I-205
ἀωτέω, nur Präsens, mit ὕπνον als Objekt Κ 159, κ 548, als ‘schlafen’ erklärt, — wobei ὕπνον als Akk. des Inhalts fungiert (vgl. Schwyzer-Debrunner 75f.); in derselben Bedeutung absolut Simon. 37, 5. — Von H. wird dagegen der Ausdruck ἀωτεῖτε (γλυκὺν ὕπνον, κ 548) mit ἀπανθίζετε τὸν ὕπνον glossiert; von ἄωτος, s. d. — Die Übersetzung ‘schlafen’ legt, falls richtig, Zusammenhang mit (dem allerdings unklaren) ἄωρος ‘Schlaf’ nahe; die Stammbildung bleibt indessen dunkel (vgl. Schulze Q. 72 und 99, außerdem Bechtel Lex.). Oder verbirgt sich hinter dem -τ- ein r : n-Stamm vom Typus ὕδωρ : ὕδατος ? I-205
ἄωτος -ον n. m., ‘Flocke, Flaum, feine Wolle; das Feinste in seiner Art’ (ep. lyr. seit Il.). Ableitung ἀωτεύειν· ἀπανθίζεσθαι H., ὑφαίνειν AB. — Seit Buttmann Lexilogus oft als ursprüngliches Verbalnomen (*"das Wehen") zu ἄημι gezogen; semantisch und formal gewiß möglich. Die dabei voraussetzende ō-Abtönung ist sonst nirgends belegt (got. Prät. waiwō ist Analogiebildung). I-205
βᾶ 1. Interjektion, das Blöken eines Lamms imitierend (Hermipp. 19). — Elementarschöpfung. I-205
βᾶ 2. A. Supp. 892 (lyr.) — wird als Kurzform von βασιλεῦ gedeutet. Vgl. Schwyzer 423 A. 2. Var. lect. πᾶ. I-205
βαβάζειν Daneben βαβίζω, -ύζω (Zenod.). · τὸ <μὴ> διηρθρωμένα λέγειν. ἔνιοι δὲ βοᾶν H. Nominale Formen: βάβαξ m. ‘Plauderer’ (Archil., Lyk.); βάβακοι· ὑπὸ ’Ηλείων τέττιγες, ὑπὸ Ποντικῶν δὲ βάτραχοι H. — Onomatopoetische Elementarschöpfungen wie viele andere ähnliche Bildungen; vgl. u. a. βαβαί, βάζω, βαΰζω, βαβράζω, βάβαλον; auch βάρβαρος, βαβύρτας, βόμβος usw. Über entsprechende Bildungen in anderen Sprachen s. z. B. Pok. 91, W.-Hofmann s. babit. I-206
βαβαί Ausruf der Verwunderung (E., Ar., Pl. usw.); erweiterte Form βαβαιάξ (Ar.), — vgl. Kretschmer Glotta 22, 254. Elementarschöpfung; vgl. βαβάζω und παπαῖ. Daraus lat. babae. I-206
βάβακα · τὸν γάλλον H. — Mit βάβαξ ‘Plauderer’ (wegen des Geschreis) identisch. Vgl. E. Maaß RhM 74, 469ff. I-206
βαβάκινος · χύτρας εἶδος H. — Unter Heranziehung von ἐμβακανίτης· τὸ μετὰ τοῦ ταρίχους καὶ στέατος σκευαζόμενον βρῶμα H. erschließt Latte Glotta 32, 41 eine unreduplizierte Form *βάκινος (-ον), die, selbst vielleicht kleinasiatisch, in lat. bacchinon (Greg. Tur.) vorliegen soll (woraus frz. bassin). — Hypothetisch; vgl. W.-Hofmann s. baccīnum. I-206
βαβάκτης m. Beiwort des Pan (Kratin.), des Dionysos (Corn.); nach EM 183, 45 und H. teils = ὀρχηστής, μανιώδης, teils = λάλος, κραύγασος. — Vgl. βαβάξαι· ὀρχήσασθαι bzw. βαβάζω, s. d. Im Sinn von ὀρχηστής bzw. ὀρχήσασθαι nach Bechtel BB 23, 248 zu βέμβιξ ‘Kreisel, Wasserstrudel, Hummel’ (?), s. d. Vgl. noch v. Windekens Beitr. z. Namenforschung 4, 126 mit kühnen semantischen Kombinationen. I-206
βάβαλον · κραύγασον. Λάκωνες H. — Onomatopoetisches Lallwort, vgl. βαβάζω usw.; zur Liquida vgl. λάλος und Bildungen auf bal- bei Pok. 91f. — Zum lautähnlichen spätgr. Lallwort βαβάλια ‘Wiege’ Oehl IF 57, 11. — βάβαλον· αἰδοῖον ist, falls richtig überliefert, eine nasallose Variante von βάμβαλον· ἱμάτιον. καὶ τὸ αἰδοῖον. Φρύγες; vgl. Latte ad loc. mit Lit. S. auch βαλλίον. I-206
βαβήρ · ὁ Ἄρης H. — Phantastische Hypothese bei Grošelj Živa Ant. 3, 196. I-206
βαβράζω ‘zirpen’, von den Zikaden (Anan., H.). — Onomatopoetische Reduplikationsbildung, vgl. βαβάζω mit weiteren derartigen Fällen. I-206
βαβρήν · ὑπόστασις ἐλαίου κατὰ Μακεδόνας H. — Nach Hoffmann Maked. 73f. zu βάπτω. Er zieht auch heran βαβύας· βόρβορος, πηλός, nach EM 186, 1 tarentinisch. Für letzteres erwägt v. Blumenthal Hesychst. 20 messapischen Ursprung (Endung -uos). — Alles hypothetisch. I-206
βαβύρτας · ὁ παράμωρος H., auch PN (s. Latte ad loc.), — Nomen agentis auf -τᾱς (vgl. Chantraine Formation 319) von einem Verb *βαβύρω, bzw. Umbildung eines Nomens, vgl. lat. baburrus ‘stultus, ineptus’; reduplizierte Elementarschöpfung. Vgl. die ähnlichen Bildungen oben und die Beispielsammlung bei W.-Hofmann s. babit, wo auch Literatur. I-207
βαγαῖος · ὁ μάταιος. ἢ Ζεὺς Φρύγιος. μέγας. πολύς. ταχύς H. — Die Glosse ist nicht in Ordnung, s. Solmsen Wortforschung 139 A 1. Sowohl die Zusammenstellung mit apers. baga- ‘Gott’ usw. (vgl. βάγος) als auch die mit *bhāgos ‘Buche’ (vgl. Ζεὺς φηγωναῖος, Torp IF 5, 193f. Kretschmer Einl. 198f.) entbehren daher der Grundlage. Möglicherweise ist der bithynische Ζεὺς Βαληος (s. βαλήν) gemeint. I-207
βάγος · κλάσμα ἄρτου <ἢ> μάζης. καὶ βασιλεὺς καὶ στρατηγός. Λάκωνες H. — Wohl mit Latte (z. St.) als Kontamination von ϝάγος (zu ἄγνυμι) und ἀγός zu erklären. Dagegen nach Pisani KZ 67, 111 im Sinn von βασιλεύς = apers. baga- ‘Herr, Gott’ (vgl. den Volksnamen Βαγαδάονες Kretschmer Kleinas. Forsch. 1, 1ff., Glotta 18, 232). Kritik bei Petersen AmJPh 56, 64ff., der wenig überzeugend eine Kontamination von ἀγός und βασιλεύς annimmt. Vgl. auch Belardi Doxa 3, 197. I-207
βαδᾶς · κίναιδος ὡς ’Αμερίας H. S. βάταλος. I-207
βάδην Adv. ‘Schritt für Schritt, langsam’ (seit Il.). Davon βαδίζω ‘einherschreiten, marschieren’ (ion. att., fast ausschließlich Prosa) mit mehreren Nomina: βάδισις ‘das Einherschreiten’ (ion. att.), βαδισμός ds. (Pl.; vgl. Chantraine Formation 147), βάδισμα ‘ds.’ (X., D. u. a.) mit βαδισματίας m. (Kratin.; volkstümliche Bildung, s. Chantraine 93); postverbales Nomen βάδος in βάδον βαδίζειν (Ar. Av. 42), s. Fraenkel IF 28, 224f. — Außerdem das Nomen agentis βαδιστής m. ‘Fußgänger’ (E.), ὄνος βαδιστής ‘Paßgänger, Zelter’ (Pap.) und das Adjektiv βαδιστικός ‘zum Schreiten geeignet usw.’ (Ar., Arist. usw.). — Adv. auf -δην, wohl ursprünglich Akkusativ eines Nomens (vgl. Schwyzer 626), von βαίνω; s. d. I-207
βάζω ‘schwatzen, sprechen’ (poet. seit Il.; zur Bedeutung und Gebrauch Fournier Les verbes "dire" 49ff.), vorw. im Präsensstamm; βέβακται θ 408. Davon βάξις ‘Sage, Ruf, Kunde’ (lyr. u. trag.), βάγματα pl. (A. Pers. 637 in lyr.). — Eine parallele Bildung ist βάσκειν· λέγειν (zu tilgen mit Latte?), κακολογεῖν H.; vgl. das bedeutungsähnliche λάσκειν. Herleitung aus *βάκ-σκειν (Schwyzer 708; vgl. Βάκις) ist möglich, aber kaum notwendig. Von βάσκειν ist βάσκανος (s. d.) schwerlich zu trennen. S. auch ἀβακής. Onomatopoetisch, vgl. βαβάζω. I-207-208
βαθύς ‘tief, hoch’, übertr. ‘reichlich usw.’ (seit Il.). — Die etymologische Einreihung von βαθύς hängt von der Beurteilung des hochstufigen βένθος ab. Wenn man diese Form als eine analogische Neuerung ansieht (nach πένθος, Schwyzer RhM 81, 201 mit Thurneysen, Risch 125f.; dagegen Seiler l. c.), kann βαθύς die Tiefstufe von βῆσσα (s. d.) enthalten. Andernfalls bleibt es ohne Anknüpfung. S. auch βάσσος und βυθός. Komp. und Sup. βαθύτερος, -τατος; vereinzelt βάθιον, βάσσον, βάθιστος (Seiler Steigerungsformen 52). Davon βαθύτης ‘Tiefe’ (Phld., Luk. u. a.). Faktitives Verb βαθύνω ‘vertiefen, aushöhlen’ (seit Il.); itr. ‘in die Tiefe gehen, sinken’ (Ph. u. a.); davon βάθυσμα ‘Vertiefung’ (Thphr.). Zu Βαθύλος, -υλλος s. Leumann Glotta 32, 218. — Neben βαθύς stehen βένθος n. ‘Tiefe’ (poet. seit Il.) und das geläufigere, aber später auftretende βάθος n. (ion. att.), auch als ethischer Begriff, s. Zucker Philol. 93, 31ff. I-208
βαΐα f. ‘Amme’ (Str., Inschr., s. Wilhelm Glotta 16, 277). — Ausdruck der Kindersprache ohne Etymologie. I-208
βαῖβυξ m. ‘Pelikan’ (Hdn. Gr., H. ex Philet., Choerob.). — Zum Suffix vgl. ὄρτυξ, ἶβυξ usw. (Chantraine Formation 397). Sonst ohne Anknüpfung. I-208
βαίνω nur Präsensstamm, Nicht hierher βαμβαίνων (Κ 375); s. d. Als Jotpräsens steht βαίνω zunächst für *βάν-ι̯ω, weiterhin für *βάμ-ι̯ω (vgl. unten) mit antevokalischer Form der Schwundstufe vor dem Halbvokal neben der antekonsonantischen Form in βά-σκω ebenso wie in mehreren nominalen Ableitungen: 1. βάσις ‘Schritt, Gang, Grund, Boden’ (seit Pi. und A., in Komp. seit Il.) = aind. gáti-, s. unten. Davon βάσιμος ‘gangbar, zugänglich’ (S., Tim. usw.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 46ff.). 2. βατήρ, -ῆρος m. "der Treter" = ‘Schwelle, Basis usw.’ (Amips., Inschr. usw.). 3. -βάτης, -ου m. zu Komposita: ἀνα-, ἀπο-, ἐμ-, κατα(ι)-, παρα(ι)-βάτης usw. (seit Il.) als Ableitungen von ἀναβαίνω usw., außerdem in Zusammenbildungen mit nominalem Vorderglied, z. B. στυλο-βά-της; daneben -βατήριος, ebenfalls zu den komponierten ἀνα-, ἀπο-βαίνω usw.; das Simplex βατήριον (λέχος) nur Ps.-Phok., außerdem das Fem. βατηρίς (κλῖμαξ) AP. 4. -βατος zu Komposita (ἀναβαίνω usw.): ἀνα- (ἀμ-)βατός usw. (seit Il.); βατός als Simplex (sehr selten) ‘gangbar, zugänglich’ (X., Arr. u. a.); darüber z. B. Chantraine Formation 302ff. Zu -βάτης und -βατος gehören als Nominalabstrakta Bildungen auf -σία, z. B. ὑπερβασία ‘Übertretung, Frevel’ (ep. lyr.). Ferner sind als Denominativa davon abgeleitet Verba auf -εύω und -έω, z. B. ἐμβατεύω ‘betreten, einen Besitz antreten’ (trag., D. usw.); selten Simplex βατέω ‘besteigen’ (Theok., AP), βατεύω ‘zertreten’ (Pap.); 5. -βάς, -άδος f. in ἐμβάς; s. d. 6. βάθρον ‘Grund(lage), Stufe, Sitz, Fußgestell’ (ion. att.), auch βάθρᾱ (Ar. u. a.), mit βαθρικόν, βάθρωσις (Inschr.) und anderen seltenen Ableitungen. 7. βαθμός und βασμός m. ‘Stufe, Ehrenstufe, Schwelle usw.’ (hell.; βαθμίς f. ‘Stufe, Schwelle, Fußgestell’ schon Pi.); davon βαθμώδης und βαθμηδόν (spät). Neben dem geläufigen βαίνω gibt es mehrere andere, vereinzelt belegte Präsentia: 1. βάσκω, nur in dem hauptsächlich als Interjektion gebrauchten Ipv. βάσκε, -τε ‘auf!’ (vorw. Il.; zur Bildung vgl. unten); ferner die reduplizierten 2. βιβάσκω (seit Il.), gewöhnl. Kausativ (Schwyzer 707 A. 2; weitere Einzelheiten bei Wackernagel Unt. 18 A. 2); 3. βίβημι (βίβᾱμι), -άω (zu ἔβην, s. unten) in βιβάς, βιβῶν, βιβᾷ ‘schreiten’ (ep. dor.; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 300); daraus erweitert 4. βιβάζω (nachhom.) kausativ ‘bringen usw.’; 5. βιβάσθων in μακρὰ β. (Il.), metrische Verlängerung von βιβάς am Versende (Pisani Ist. Lomb. 77, 535ff. m. Lit., außerdem Fraenkel IF 60, 144f., Chantraine Gramm. hom. 1, 327, Shipp Studies 37). ‘gehen’ (seit Il.), mit zahlreichen Komposita: ἀνα-, ἀπο-, ἐκ-, ἐμ-βαίνω usw. — Die außerpräsentischen Tempora von βαίνω, βάσκω werden von einer anderen Wz. βη- (βᾱ-) gebildet: ἔβην (das auch als Aorist zu εἶμι und ἔρχομαι dienen kann, Bloch Suppl. Verba 63ff.), βήσομαι (faktitive Neubildungen ἔβησα, βήσω nach ἔστησα, στήσω), βέβηκα (seit Il.). Davon die Ableitungen βῆμα, βᾱ͂μα n. ‘Fußtritt, Stufe, Rednerbühne usw.’ (h. Merc. usw.; = aw. gāman- n. ‘Schritt’) mit βηματίζομαι ‘ausschreiten’ (hell.) und βηματιστής m. (Olympia IVa, Ath.); ferner βηλός (βᾱλός) m. ‘Schwelle’ (Il., A. u. a.), βηλά n. pl. = πέδιλα (Panyas.); zum Suffix Chantraine Formation 240. Außerdem -βήτης, -ου m. in Zusammenbildungen wie ἐμπυριβή-της (τρίπους) ‘über dem Feuer stehend’ (Ψ 702); auch in διαβή-της m. ‘Zirkel, Bleiwaage usw.’ (Ar., Pl. u. a.; von διαβῆναι) usw., s. Fraenkel Nom. ag. 1, 33f.; vgl. noch ἀμφισβητέω. Das Jotpräsens βαίνω ist mit lat. venio identisch (zur Bedeutung ‘gehen’ und ‘kommen’ vgl. Porzig Satzinhalte 330f.); ebenso entsprechen einander die sḱ-Präsentia βάσκε und aind. gácchati ‘er geht’ (wozu noch lit. gìmstu ‘geboren werden’, falls mit Leumann IF 58, 120 -stu aus idg. -sḱō; zur Bed. unten; unsicher dagegen toch. A kumsam ‘ich komme’, 3. pl. kumseñc; wegen 3. sg. kumnäṣ usw. wohl aus -na-sḱ- mit Wegfall des n zwischen m und s; vgl. Pedersen Tocharisch 170). In beiden Fällen liegt Tiefstufe der Wz. gu̯em- vor mit sekundärem Übergang von -m in -n; darüber Schwyzer 309. Die Hochstufe erscheint z. B. in got. qiman ‘kommen’, aind. á-gam-am ‘ich ging’ (Aor.), wahrscheinlich auch in lit. gemù ‘geboren werden’, falls eig. ‘(zur Welt) kommen’; zur Bed. außer Leumann a. a. O. noch Porzig Gliederung 209; hierher somit auch ἐβάθη· ἐγεννήθη H.? — Unter den hierhergehörigen Nomina ist alt βάσις = aind. gáti-, beide vorwiegend in Komposita gebraucht wie die entsprechenden Bildungen im Lat. (z. B. con-ventio) und Germ. (z. B. got. ga-qumþs). Alt ebenfalls -βατος = aind. (-)gata-, lat. -ventus. Das reduplizierte βίβημι hat ein genaues Gegenstück in aind. jígāti ‘er geht’; ebenso stimmt der Aor. ἔβην völlig zu aind. á-gā-m ‘ich ging’; das Nomen βῆμα zu aw. gā-man- n. ‘Schritt’. — Wie sich die idg. Wurzelformen gu̯em- und gu̯ā- zueinander verhalten, ist unklar; wahrscheinlich liegen uralte Kreuzungen vor. An gu̯ā- erinnert, gewiß nicht zufällig, die bedeutungsverwandten drā- (s. ἀποδιδράσκω) und sthā- (s. ἴστημι); vgl. dazu WP. 1, 678. Näheres über diese sehr weitverzweigte Wortsippe WP. l. c., Pok. 463ff., außerdem Ernout-Meillet und W.-Hofmann s. veniō. Vgl. noch βέβαιος, βέβηλος, βωμός, βαστάζω, βητάρμων. I-209-210
βαιός Hom. dafür ἠβαιός; s. d. ‘klein, gering’ (ion. poet.); Davon βαιών, -όνος m. N. eines kleinen Fisches = βλέννος (Epich.), vgl. Strömberg Fischnamen 32, Chantraine Étrennes Benveniste 10; im Sinn von ‘μέτρον παρὰ ’Αλεξανδρεῦσι’ (H.) falsch für βάϊον, s. βάϊς. — Unerklärt. I-210
βάϊς, -ιν βάϊον (βάϊν) n. ‘ds.’, auch ‘Meß-stange’ (Ev. Jo., Pap.). f. ‘Palmblatt’ (LXX, Pap.), Davon Adj. βάϊνος (Sm.) ‘aus Palmblatt’, βαΐνη f. ‘Palmzweig’ (LXX). — Aus kopt. bai; vgl. Schwyzer 582. I-210
βαίτη f. ‘(Ziegen)fell, Rock oder Zelt aus Fell’ (Hdt., Sophr., Theok. usw.), auch übertr. ‘warme Stube einer Thermenanlage’ (Magnesia, Mantinea; vgl. v. Wilamowitz Hermes 35, 540 A. 2). Davon βαίτωνα· τὸν εὐτελῆ ἄνδρα und βαιτάς· εὐτελὴς γυνή H. Dagegen βαίτιον· βοτάνη ἐμφερὴς δικτάμνῳ, ἤγουν γλήχωνι H. aus βλίτιον entstellt, s. βλίτον. — Aus βαίτη stammt nach Thumb Zeitschr. f. d. Wortf. 7, 261ff. got. paida ‘χιτών’ und andere germ. Wörter, ahd. pfeit f. ‘Hemd, Rock’ usw.; aus dem Germ. finn. paita ‘Hemd’. Hierher wahrscheinlich auch (mit k-Suffix) alb. petkë ‘Gewand’. Herkunft sonst unbekannt. — Ältere Lit. bei Bq, WP. 2, 104, Pok. 92f.; außerdem noch Pisani Sprache 1, 138 und (mit einer sehr fraglichen idg. Etymologie) Krogmann KZ 71, 121ff. I-210-211
βαίτυλος m. Art (magischer) Stein (Sotakos von Karystos bei Plin. N. H. 37, 135), der nach Dam. Isid. 94, 203 vom Himmel fiel, nach H. u. a. von Kronos verschlungen wurde; auch N. eines Gottes (Syrien). Dem. βαιτύλιον (Dam. u. a.). — Herkunft unbekannt. Nach Zuntz Class. et Mediaeval. 8, 169ff. (wo ausführlich über die Quellen) mediterranes Fremdwort, woraus vielleicht auch sem. bethel als Gottesname. I-211
βάκανον n. ‘Kohl’ (PFay.), auch ‘Kohlsame’ (Mediz.). Dem. βακάνιον (POsl.). — Zum Suffix vgl. λάχανον und andere Pflanzennamen bei Chantraine Formation 199. Sonst unerklärt. I-211
βάκηλος m. ‘Verschnittener, Eunuch im Dienst der Kybele, weibischer Mann’ (Kom., Luk. u. a.). — Unerklärt; vgl. κάβηλος und κάληβος in ähnlicher Bedeutung. Nach E. Maaß RhM 74, 472ff. und Nehring Sprache 1, 165 liegt Metathese vor; anders Kretschmer Glotta 16, 192. — Zur Bedeutung noch Lucas RhM 88, 189f. I-211
βάκκαρις, -ιδος, -ιν ‘Salbe aus der Asarumpflanze’ (ion., Kom. u. a.). Auch βάκκαρ n. = ἄσαρον (Plin.). Daneben βάκχαρι n. (Aret.) und βάκχαρ n. (Ps.-Dsk.). f. — Lydisches Wort nach Sch. A. Pers. 42; vgl. βάκκαρις· ... ἄλλοι δὲ μύρον Λυδόν H. — Vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 176 A. I-211
βακόν · πεσόν. Κρῆτες H. — Von Bechtel Dial. 2, 782 im Anschluß an Fick BB 29, 196 zu einem Verb *βά̄κω, Aor. *ἔβᾰκον ‘wuchtig sein’ und zu βάκτρον (s. βακτηρία) gezogen; vgl. noch βάκται· ἰσχυροί H. Zur Bedeutung vgl. σκήπτειν ‘stützen, aufstemmen’, aber auch ‘niederstürzen’. — Vgl. zu ἀβακής und βακτηρία. I-211
βακτηρία ‘Stab, Stock, Szepter (als Wahrzeichen der Richter)’ (att., Arist. usw.). Daneben die vereinzelt belegten βακτήριον (Ar., Men.), βακτηρίδιον (H.), βακτηρίς, -ίδος f. (Achae. [?]). — Eine andere Bildung ist βάκτρον n. ‘Stock, Knüppel’ (A. und E. in lyr., Theok.). f. Davon βακτρεύω ‘stützen’ (Arg. metr. in S. OC) mit βάκτρευμα (E. Ph. 1539 [lyr.]), falls nicht direkt von βάκτρον, vgl. Chantraine Formation 186f. — βακτηρεύω (Suid.) ist von βακτηρία beeinflußt. — βακτηρία ist eigentlich eine Abstraktbildung von *βακτήρ, das neben βάκτρον steht wie ἀροτήρ neben ἄροτρον. Eine andere Ableitung desselben Wurzelelementes ist in βάκται· ἰσχυροί H. vermutet worden. Das zugrundeliegende Verb vielleicht im Partizip βακόν, s. d. — Aus dem Latein gehört hierher baculum ‘Stab, Stock’, wohl aus *bak-tlo-m (anders Pisani REIE 3, 53: aus *ba-tlo-m durch osk.-umbr. Vermittlung); aus baculum wiederum als LW βάκλον ‘Stock, Keule’ (Aesop. u. a.) mit βακλίζω ‘prügeln’ (Pap.), ebenso (als Rückbildung) air. bacc ‘Haken, Krummstab’ usw. Dagegen sind die aus dem Germanischen und Baltischen herangezogenen Wörter (s. z. B. Pok. 93) von sehr zweifelhaftem Wert. I-211-212
Βάκχος m. N. des Dionysos und seiner Diener, auch des Zweiges, den die dem Gotte Geweihten tragen (Xenoph., S., E. usw.). Davon Βάκχη f. ‘Bacchantin’ (A., S., E. usw.), βακχεύω, Βακχεύς, Βακχεῖος und mehrere andere Ableitungen (vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς par. 71), wie das Grundwort vorwiegend poetisch. Zu βακχάω (von Βάκχος, A.) s. Schwyzer 726 A. 2. — Fremdwort unbekannter Herkunft. Mit Βάκχος hängt irgendwie zusammen lyd. Baki- in Bakivalis = Διονυσικλέους, wohl eher Entlehnung aus dem Griechischen als (mit v. Wilamowitz Glaube 2, 63) umgekehrt. Nach v. Windekens Beitr. z. Namenforschung 4, 125ff. zu βαβαί, βαβάκτης usw. I-212
βάκχυλος m. = ἄρτος σποδίτης (Nik. Fr. 121). Nach H. eleisch. — Unerklärt. I-212
βάλαγρος N. eines Süßwasserfisches, wahrsch. eine Karpfenart (Arist.). Andere Formen sind: βάλερος, βαλῖνος (βαρῖνος), βαλλιρός (Arist.). m. — Herkunft unbekannt. Vgl. Thompson Fishes s. v., Strömberg Fischnamen 39. Eine sehr unsichere Vermutung bei Boßhardt Die Nomina auf -ευς 49 A. 2. I-212
βαλανεῖον n. ‘Badstube, warmes Bad’ (Ar., Thphr. usw.). Dem. βαλανίδιον (Pap.). — Daneben entweder als Grundwort oder wohl eher durch retrograde Ableitung (κναφεῖον : κναφεύς usw.) βαλανεύς m. ‘Bader’ (Ar., Pl. usw.) mit βαλανεύω ‘ein Bad aufwärmen, Bader sein’ (Kom.) und βαλανευτής ‘Bader’ (Pap.), βαλανεύτρια (Poll., Lib.), βαλανευτικός (Pl., Pap.); außerdem βαλανίτης (-είτης, vgl. Redard Les noms grecs en -της 12, 38) ‘Bader’ (Plb.), βαλάνισσα (AP) und βαλανίς (Suid.) ‘Bäderin’, βαλανικός ‘zum Bad gehörig’ (Sch.). Für sich steht βαλανάριον n. ‘Badelaken’ od. ähnl. (Pap., Inschr.) mit dem lat. Suffix -ārium. — Unerklärt. Der auf Froehde bei Fick 1, 404 zurückgehende Vergleich mit aind. galana- ‘träufelnd, das Träufeln’ (Lex., Gramm.; von galati ‘herabträufeln’), der zunächst ein Nomen *βάλανος, -ον ‘Begießen, Guß’ (von βάλλω ‘(be)werfen’, okkas. ‘mit Wasser, Blut usw. bewerfen, bespritzen’) voraussetzt, ist aus verschiedenen Gründen sehr unwahrscheinlich. Erstens ist die Zusammenstellung von βάλλω mit galati sehr zweifelhaft (s. βάλλω); zweitens heißt βάλλω nur okkasionell und sekundär ‘bespritzen’; drittens erwartet man für die aus dem ägäischen Kulturkreis eingeführte Sitte des Badens in warmem Wasser keine auf vorgr. idg. Sprachgebrauch zurückgehende Benennung. Entweder ist also βαλανεῖον (und βαλανεύς) ägäisch wie ἀσάμινθος (s. d.), oder es ist im Griechischen selbst geschaffen. Die formal sich aufdrängende Anknüpfung an βάλανος ‘Eichel’ (mit allerhand technischen Nebenbedeutungen) bleibt aber semantisch zu begründen; ob von βάλανος = ‘Verschluß-Zapfen’, woraus βαλανεῖον eig. *‘verschlossener Raum’?? — Aus βαλανεῖον stammt lat. bal(i)neum. I-212-213
βάλανος f. ‘Eichel, eichelformige Frucht, Dattel’, übertr. von verschiedenen eichelförmigen Gegenständen, z. B. ‘Verschluß-Zapfen’, auch Fischname (seit Od.). Zahlreiche Ableitungen, die sich z. T. an die technischen Sonderbedeutungen von βάλανος anlehnen. Substantiva: βαλάνιον ‘Eicheltrank’ (Nikoch.), ‘Stuhlzäpfchen’ (Mediz.), βαλανίς ‘Pflock, Pfropfen’ (Hp., Pap.), βαλανίτης (λίθος) ‘eichelförmiger Stein’ (Plin.), -ῖτις ‘Kastanienart’, vgl. Redard Les noms grec en -της 53 und 70. Adjektiva: βαλανωτός ‘mit einem Pflock befestigt, mit Eicheln geschmückt’ (Parm., X., Ath.), βαλανώδης ‘eichelähnlich’ (Thphr.), βαλάνινος ‘aus Datteln gemacht, dattelfarbig’ (Thphr., Pap.), βαλανηρός ‘eichelähnlich’ (Thphr.). Verba: 1. βαλανίζω ‘Eicheln abschütteln’ (AP, Zen.), ‘ein Stuhlzäpfchen anbringen’ (Hp.) mit βαλανισμός (Hp., Zen.) und βαλάνισις (Gloss.); 2. βαλανόω ‘mit einem Pflock befestigen, zuriegeln’ (Ar.); von diesem Verb in einer verschiedenen Bedeutung oder direkt vom Nomen (vgl. Chantraine Formation 279) βαλάνω[σις] ‘das Recht, Eicheln einzusammeln’ (IG 5 [2] 456, Megalopolis). — Erbwort mit Verwandten in mehreren anderen Sprachen. Am nächsten kommt arm. kaɫin, Gen. kaɫnoy ‘Eichel’ mit eno-Suffix gegenüber -n̥no- (-əno-) in βάλανος; ablautende und mit Dental erweiterte Formen liegen vor in lat. glans, -ndis, russ.-ksl. želudь (aus *zelǫdь), alb. lênd m., tosk. lëndë f. ‘Eichel’. Eine ganz abweichende Bildung dagegen im Baltischen, z. B. lit. gìlė aus *gilii̯ā ‘Eichel’. Einzelheiten bei Pok. 472f. mit weiterer Lit.; außerdem Dumézil BSL 40, 53, Manu Lang. 17, 21. — Nach Specht KZ 66, 74 (mit Curtius Grundz. 475) gehören βάλανος und verwandte Wörter zur Sippe von βάλλω als "die herabgefallene Frucht"; sehr hypothetisch. I-213
βάλαρις, auch βάλλαρις Pflanzenname = βρύον, λυχνίς (Ps.-Dsk.), ‘βοτάνη τρίφυλλος’ (H.). — Unerklärt. I-213
βαλαύστιον n. ‘Blume des wilden Granatapfels’ (Dsk., Gal., Pap.). Davon βαλαύστινος, βαλαύστρινος (Pap.). — Unerklärt. I-214
βαλβίς, -ῖδος f. ‘Start- und Zielschnur, -strick, -pfahl’ (att.), übertr. ‘Brunnenloch’ (Gal.), wovon βαλβιδώδης ‘mit Aushöhlungen versehen’ (Hp.); vgl. zur Bedeutung Wendel Herm. 69, 345. — Bildung auf -ίς wie κρηπίς, κνημίς u. a., aber sonst dunkel. Als technischer Terminus gewiß LW. Nach Grošelj Živa Ant. 4, 164ff. vorgriechisch (zu Δελφοί usw.). I-214
βάλε Interj. m. Opt. ‘o daß doch!’ (Alkm., Kall.); auch ἄβαλε (ἆ βάλε) m. Ind. und Inf. (Kall. u. andere). — Wahrscheinlich nach P. Diels KZ 43, 190ff., Kretschmer Glotta 3, 162 (s. auch Debrunner GGA 1910, 15) Ipv. Aor. von βάλλω und mit der litauischen Permissivpartikel te-gùl identisch. I-214
βαλιός ‘weißgefleckt, scheckig’ (E. in lyr., AP), ‘schnell’ (Opp. u. a.; nach Vorbild von ἀργός). Mit verschobenem Akzent (Schwyzer 380, 635) Βαλίος als Name des Pferdes Achills (Il.). Davon wohl βαλία· ὀφθαλμία H. — Vgl. zur Bildung πολιός und andere Farbenadjektiva auf -ι(ϝ)ός (Schwyzer 472, Chantraine Formation 123); sonst dunkel. Wegen des im Indog. sehr seltenen b-Lautes hat man wiederholt fremden Ursprung vermutet; so Solmsen KZ 34, 72ff. (thrakisch), Pok. 118 und Grošelj Živa Ant. 3, 203 (illyrisch), v. Windekens Le Pélasgique 75f. mit Georgiev (pelasgisch), Schwyzer 68 A. 3 (makedonisch?). — Unwahrscheinliche idg. Etymologie bei Schulze Kl. Schr. 117. Anknüpfung an βάλλω (Bq, WP. 1, 691) ist schwer semantisch zu rechtfertigen. I-214
βαλίς = σίκυς ἄργιος (Ps.-Dsk.). Davon βαλιδικά (κάρυα; Pap.). — Zum βαλιός? I-214
βαλλάντιον (besser beglaubigt als βαλάντιον, s. Blaß-Debrunner7 par. 11 A. 2) n. ‘Beutel, Geldbeutel’ (Kom., Thphr. usw.). Dem. βαλλαντίδιον (Eup., Hld.). — Nicht sicher gedeutet; nach Krahe (briefl.) nordbalkanisch, zu lat. follis usw. Vgl. βαλλίον. I-214
βάλλεκα · ψῆφον H. — Von Schmidt ad loc. mit lat. (iber.) bal(l)ūca ‘Goldsand, Goldkörner’ verglichen; s. auch W.-Hofmann s. balūx und Belardi Doxa 3, 198 m. Lit. I-214
βαλ(λ)ήν, -ῆνος m. ‘König’ (A. Pers. 657 [lyr.], S. Fr. 515 [lyr.] u. a.), auch N. eines mythischen Steins (Ps.-Plu.). Davon βαλληναῖον (ὄρος) = βασιλικὸν ὄ. — Unerklärt. Nach H. u. a. phrygisch. Von Fick (s. Solmsen Wortforsch. 138f.) zu lat. dēbilis usw. gezogen. Jedenfalls kleinasiatisch; vgl. Solmsen a. a. O. und W.-Hofmann s. dēbilis mit weiterer Lit. Abzulehnen v. Windekens Le Muséon 61, 280 (zu toch. A wäl, B walo ‘König’). Man könnte an aram. ba‘lēna ‘unser Herr’ denken. I-214
βαλλητύς f. Name eines Volksfestes in Eleusis, bei dem nach Ath. 9, 406 dff. Steine geworfen wurden; nach H. = ἑορτὴ ’Αθήνησιν, ἐπὶΔημοφῶντι τῷ Κελεοῦ ἀγομένη. Vgl. auch L. Deubner Attische Feste 69. — Wegen der schwerverständlichen Stammform (trotz des Futurums βαλλή-σω; vgl. βέλε-μνα, βλῆ-μα) verdächtig, ein volksetymologisch angepaßtes LW zu sein; vgl. Schwyzer 291. S. auch Benveniste Noms d’agent 73. I-215
βαλλίζω = βάλλω (Sophr.), auch = κωμάζω, χορεύω (Ath. u. a.), aus Sizilien und Magna Graecia bekannt (Ath. 8, 362bf.). Davon βαλλισμός ‘Tanz’ (Alex., Ath.) und βαλλιστής, woraus lat. ballista ‘Schleudermaschine’ (seit Plaut.); βαλλίστρα ‘ds.’ (Prokop.). — Erweiterung von βάλλω; zu der nicht ganz klaren Bedeutungsentwicklung s. Paessens RhM 90, 146ff. und Radermacher ebd. 91, 52ff. mit weiterer Lit. Lat. ballāre ‘tanzen’ kann wegen der abweichenden Form schwerlich direkt aus βαλλίζω entlehnt sein. — Die Zusammenstellung mit dem aind. ἅπ. λεγ. (ŚB) balbalīti ‘wirbelt’ (Wackernagel Ai. Gramm. 1, 181) ist aufzugeben. I-215
βαλλίον n. ‘φαλλός’ (Herod.). Davon Βαλλίων EN (Axionik.), lat. Ballio (Pt.); auch der thrak. Volksname Τρι-βαλλοί? — Falls βαλλίον, wie ansprechend vermutet worden ist, zu der Sippe von φαλλός gehört, muß es einer anderen indog. Sprache (dem Thrak.-Phrygischen?) angehören. Vgl. Bechtel Dial. 3, 286, Wahrmann Glotta 19, 162. Hierher vielleicht auch βά(μ)βαλον ‘αἰδοῖον’, s. d. I-215
βάλλις, -εως f. Pflanze mit wunderbaren mediz. Eigenschaften (Xanth. 16). — Dunkel. Vgl. die anklingenden Pflanzennamen βάλ(λ)αρις, βαλλωτή. I-215
βάλλω, Aor. βαλεῖν, Perf. βέβληκα, Fut. βαλῶ, auch βαλλήσω (vgl. zu βαλλητύς) ‘werfen, treffen’ (seit Il.). Ark. δέλλω in ἐσ-δέλλω = ἐκ-βάλλω, auch ζέλλω (EM, vgl. unten). Zahlreiche gebräuchliche Komposita: ἀνα-, ἀπο-, ἐμ-, ἐκ-βάλλω usw. mit mehreren Ableitungen. — Davon viele Nomina, vorw. actionis od. instrumenti: 1. βόλος m. ‘das Werfen (eines Fischernetzes), Zugnetz, Zug’ (vorw. poet. seit A.); in Komposita (auch Prosa), z. B. πρόβολος m. ‘Vorsprung’ usw. (seit Od.) zu προβάλλω; vgl. Leroy Mélanges Boisacq 2, 101f. — 2. βολή f. ‘das Werfen, der Wurf’, von Wurfwaffen, vom Donnerkeil, von den Sonnenstrahlen usw. (vorw. poet. seit Il.); zahlreiche Ableitungen von Komposita, die auch der Prosa angehören. — Von βόλος und βολή: βολίς, -ίδος ‘Wurfgeschoß, Würfelfall, Würfel’ (LXX, Plu., AP), auch ‘Senkblei’ (Sch.), wovon βολίδιον (Olymp.), aber in dieser Bedeutung vielmehr postverbal zu βολίζω ‘(das Senkblei) auswerfen’ (Act. Ap. 27, 28, Eust.), Pass. ‘ins Wasser sinken’ I 216(Gp.); βόλιμος ‘verschoben, vertagt’ (Gonni, Chios), vorw. zu Komposita: ἀνα-, ἐκ-, ἐμ-βόλιμος usw., s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 60f., 52, 55ff.; βολεός (λίθος) ‘zusammengeworfen’ (Inschr.); βολεών m. ‘Düngerhaufen’ (Din., Nik. u. a.), vgl. κοπρών und andere Nomina auf -(ε)ών bei Schwyzer 488, Chantraine Formation 164; βολιστικός ‘für das Zugnetz bestimmt’ (Plu.). — 3. βέλος n. ‘Wurfgeschoß’, bes. ‘Pfeil, Wurfspieß’, auch ‘Waffe’ im allg. (seit Il.); davon τὰ βελικά (Ath. Mech.); vgl. indessen auch βελόνη. — 4. βέλεμνα n. pl. von *βέλεμα (vgl. βλῆμα unten), sek. sg. βέλεμνον ‘Pfeil, Wurfspieß’ (poet. seit Il.). — 5. -βλής zu Komposita, z. B. προβλής, -ῆτος ‘vorspringend, Vorsprung’ (seit Il.) von προβάλλω. — 6. βλῆμα (für *βέλεμα, Specht KZ 63, 207ff.) ‘Wurf, Wurfgeschoß, Wunde’; zahlreiche Ableitungen von Komposita, z. B. πρόβλημα ‘Vorsprung, Schutzwehr, Problem usw.’ (ion. att.). — 7. -βλησις nur vereinzelt zu Komposita, z. B. ἀνάβλησις ‘Aufschub’ (seit Il.). — 8. -βληστρον (mit unklarem σ, vgl. Chantraine Formation 334, Schwyzer 706) in ἀμφίβληστρον ‘Zugnetz usw.’ (Hes., Hdt., A. usw.); vom Simplex βληστρίζω ‘heftig werfen, schütteln’ (Hp., Xenoph. u. a.) mit βληστρισμός (Hp.). — 9. -βληθρον in τὰ ἔμβληθρα ‘Verladekosten’ (Pap.), vgl. Schwyzer 532 A. 4. — 10. βαλλητύς und 11. βλῆτρον s. bes. — 12. Für sich steht βολετισμός ‘das Angeln’ (Orac. in Ath. Mitt. 25, 399) von *βολετίζω, das (über *βολετός?) auf βόλος zurückzugehen scheint. — Die Nomina agentis sind dagegen selten. Vom Simplex nur βλήτειρα ὀιστῶν (Alex. Aet.); zu den Komposita treten, fast ausschließlich seit hellenistischer Zeit (μεταβολεύς D.), Nomina auf -ευς, z. B. ἀμφιβολεύς, auf; außerdem διαβλήτωρ (Man.) = διάβολος. Als Hinterglied endlich eine Bildung auf -έτης in der Zusammenbildung ἑκατηβελέ-της (Il. usw.) = ἑκατηβόλος. — Adjektiva: Zu den Komposita Bildungen auf -βλητικός und -βλήσιμος; Adverbia auf -δην, z. B. παραβλήδην (Il. usw.). — Als Deverbativum wird allgemein βολέω angesetzt auf Grund der epischen Perfektformen βεβολήατο, βεβολημένος usw.; kaum notwendig, s. Frisk Eranos 40, 86f., außerdem Chantraine Gramm. hom. 1, 435, Shipp Studies 43f. — Zum epischen Gebrauch von βάλλω nebst Ableitungen s. Trümpy Fachausdrücke 104ff., Porzig Satzinhalte 112f. — Ion. att. βάλλω und ark. δέλλω (mit sekundärer Assibilation ζέλλω) repräsentieren verschiedene Ablautstufen eines Verbs, das wegen des wechselnden Anlautes einen ursprünglichen Labiovelar gu̯- enthalten hat. Die Geminata -λλ- erklärt sich entweder aus einem Jotpräsens *βαλ-ιω (z. B. Brugmann-Thumb 347) oder, vielleicht besser, aus einem (ursprünglich athematischen) Nasalpräsens *βαλ-ν-ə-ω, athem. *βάλ-ν-η-μι (Specht KZ 59, 98, Wackernagel-Debrunner KZ 67, 159f.); die dafür angeführten Gründe sind allerdings nicht zwingend. Auf jeden Fall ist die von βάλλω repräsentierte Schwundstufe als alt zu betrachten; das hochstufige δέλλω (ζέλλω) stammt aus dem Aorist ἔζελεν· ἔβαλεν H., der, wie z. B. ἔτεμε, eigentlich athematisch war (Specht a. a. O.). Das neben βαλ-, δελ- (durch Analogie βελ-) stehende βλη- in βέ-βλη-κα usw., das auf eine zweisilbige Wurzel schließen läßt (vgl. noch βέλε-μνα), hat ein genaues Gegenstück in aw. ni-γrā-ire ‘sie werden niedergeschleudert’; in Betracht kommt auch toch. A B klā- ‘fallen’. Die zweisilbige Wurzel wird durch aind. ud-gūrṇa- ‘emporgehoben’ (Schwundstufe wie in pūrṇá- ‘voll’ gegenüber πλή-ρης) bestätigt, s. Wackernagel-Debrunner a. a. O., wo auch andere aind. Formen besprochen werden. — Sehr unsicher ist dagegen, ob aind. galati ‘herabtröpfeln’, ahd. quellan ‘hervorquellen’ usw. (s. Bq s. βάλλω, WP. 1, 690f., Pok. 472f.; vgl. auch zu βλύζω) hierhergehören; darüber Wackernagel-Debrunner a. a. O.; außerdem Fraenkel KZ 71, 39 (gegen Verbindung mit lit. gulė́ti ‘liegen’). Weitere Lit. bei Schwyzer 693 A. 9. — Vgl. noch βούλομαι, βάλανος, βελόνη, βῶλος, βωλόναι. I-216-217
βαλλωτή f. Pflanzenname, ‘Ballota nigra’ (Dsk.). — Unerklärt. Vgl. die ähnlichen βάλ(λ)αρις, βάλλις und Strömberg Pflanzennamen 151. I-217
βαλμός · στῆθος H. — Unerklärt. Nach Grošelj Živa Ant. 3, 196 vorgriechisch. Zum Suffix vgl. λαιμός und andere Körperteilnamen. I-217
βάλσαμον n. ‘Balsamstrauch, duftendes Öl davon, Balsam’ (Arist., Thphr. usw.). Ableitungen: βαλσαμίνη ‘βούφθαλμον’ (Ps.-Dsk.), ‘ὀποβάλσαμον’ (Plin.); zur Bildung Strömberg Wortstudien 38; — βαλσαμῶδες n. ‘κασία-ähnliche Rinde’ (Plin.). — Aus dem Semitischen entlehnt; vgl. hebr. bāśām, arab. bašām ‘Balsamstrauch’ und Lewy Fremdw. 41. Zu den fremden Pflanzennamen auf -αμον, -αμος s. Schwyzer 494, Chantraine Formation 133. I-217
βαμβαίνω ‘mit den Zähnen klappern, stottern’ (Κ 375, Bion, AP). — Onomatopoetisches Intensivum. Ähnliche Bildungen in ähnlichen Bedeutungen: βαμβακύζω (Hippon.), βαμβαλύζω (Phryn., H.); vgl. γογγύζω u. a.; außerdem βαμβαλεῖν H. und βαμβαλιαστύς, schwach bezeugte v. l. h. Ap. 162 für κρεμβαλιαστύς; s. Weber RhM 82, 193 A. 2. — Vgl. zu βαβάζειν, βάβαλον. — Die Deutung ‘taumeln’ (z. B. Schwyzer 647, zu βαίνω) ist wenig glaubhaft. I-217
βαμβραδών, -όνος f. Art Sprotte (Epich., Sophr.). — Vgl. die synonymen βεμβράς, μεμβράς. Vielleicht nach der Lautgebung benannt und mit βαμβρασμός· καχλασμός; βαμβράσσει· ὀργίζεται (Kyr.) verwandt; ausführlich über dieses Benennungsprinzip Strömberg Fischnamen 63ff. Zur Bildung vgl. Tiernamen wie τενθρηδών, τερηδών (Schwyzer 529f., Chantraine Formation 360f.). I-218
βάναυσος, -ον Adj. und Subst. m. ‘gewerbetreibend, Handwerker’; übertr. ‘gemein, niedrig’ (ion. att.). Davon βαναυσία ‘Handwerk, handwerksmäßige, niedrige Gesinnung’ (ion. att.), βαναυσικός (X., Arist.). — Unerklärt. Nach EM 187, 40 aus *βαύναυσος dissimiliert, von βαῦνος ‘Ofen’ und αὔω, was allerdings zu H.s Erklärung von βαναυσία, βάναυσος gut stimmt (βαναυσία· πᾶσα τέχνη διὰ πυρός. κυρίως δὲ ἡ περὶ τὰς καμίνους. καὶ πᾶς τεχνίτης χαλκεὺς ἤ χρυσοχόος βάναυσος), aber trotzdem nach Volksetymologie schmeckt. Nach Brugmann RhM 62, 634ff. aus *μάναυσος dissimiliert, zu μαναύεται· παρέλκεται H. und weiterhin zu μανός. Semantisch wenig befriedigend. — S. auch die Kritik anderer Ansichten bei Kretschmer Glotta 21, 178. I-218
βανωτός m. ‘Art Geschirr, das als Maß gebraucht wird’ (Pap. IIIa, Kallix.). Demin. βανώτιον (Pap.). — Zum Ausgang vgl. das bedeutungsverwandte κιβωτός; sonst dunkel, offenbar (ägyptisches?) Fremdwort. I-218
βάπτω, Aor. βάψαι ‘tauchen, eintauchen’, bes. ‘durch Eintauchen härten, färben’ (seit Od.). Viele Ableitungen: 1. βαφή ‘das Eintauchen, Stählung, das Färben, Farbe’ (ion. att.) mit βαφικός ‘zum Färben gehörend, geeignet’ (Ph., Luk. usw.); 2. βάμμα ‘Farbe, Brühe’ (Pl., Arist., Nik. u. a.); 3. βάψις ‘Stählung, Färben’ (Antiph. Soph., Perikt.). — Nomina agentis: βαφεύς ‘Färber’ (Pl. usw.), wohl zunächst von βαφή, vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς par. 133, mit βαφεῖον ‘Färberei’ (Str., Pap.); βάπτης m. ‘Eintaucher, Bader’ (Eup.), auch N. eines Edelsteins (Plin.); fem. βάπτρια (Eup.). — Adj. βαπτικός (Sch. u. a.). — Die erweiterte Verbform βαπτίζω ‘(ein)tauchen, taufen’ (Hp., Pl., hell. u. spät) trat an die Stelle von βάπτω, weil dies fast ausschließlich übertragen = ‘färben’ benutzt wurde. Davon die spät belegten Nomina: βαπτισμός, βάπτισμα, βάπτισις ‘Taufe’, βαπτιστής ‘Täufer’. Durch Metathese daraus βιπτάζω (Epich., Sophr.), vgl. Solmsen Unt. 44, Schwyzer 268. — βάπτω wird allgemein als altes Jotpräsens mit awno. kvefja ‘niederdrücken, untertauchen, ersticken’ (wozu aschwed. kvaf n. ‘Tiefe’ u. a.) gleichgesetzt. Die Nebenform βύπτειν· βαπτίζειν H. wird daher von Schwyzer RhM 81, 202 als eine andere Form der Schwundstufe (vgl. γυνή gegenüber βανά; s. auch zu βῆσσα und βαθύς) beurteilt. Aber abgesehen davon, daß man eher *γύπτειν erwartet hätte, erklärt sich βύπτειν unschwer als eine Neubildung nach δύπτειν (s. δύω) oder vielleicht noch besser nach dem gewöhnlichen und bedeutungsverwandten κύπτειν. — Weitere, sehr unsichere oder entschieden abzulehnende Kombinationen bei Bq, WP. 1, 674, Pok. 465f. I-218-219
βάραθρον, ep. ion. βέρεθρον (äol. Form?, Chantraine Gramm. hom. 1, 114), woraus über *βέρθρον (nach Kretschmers Regel) durch Dissimilation βέθρον (Krates), ark. ζέρεθρον (für δ-; vgl. ζέλλω = δέλλω s. βάλλω) n. ‘Schlund, Abgrund’, bes. der Felsenschlund βάραθρον in Athen. Davon βαραθρώδης ‘voll von Abgründen’ (Str., Ph., Plu.). — Verbalnomen zu βιβρώσκω (s. d.) ‘verschlingen, verzehren’. — Vermutungen zum Vokalwechsel βερε- : βαρα- bei Specht KZ 59, 117 (urspr. βέρεθρον, pl. *βαραθρά?), Borgström NTS 16, 142f. — Über sehr fragliche illyrische Verwandte s. die kritischen Bemerkungen von Krahe IF 58, 220. S. außer βιβρώσκω auch βορά. I-219
βάρακος · ἰχθὺς ποιός H., auch (als N. eines Süßwasserfisches) in einer böot. Inschrift; daneben βαρκαῖος (Theognost.). — Unerklärt; vgl. Thompson Fishes s. v., Lacroix Mélanges Boisacq 2, 52. I-219
βάραξ, -κος (Epil.), βήρηξ (Ath. usw.), H. auch βήραξ; πάραξ (Test. Epict.) m. Bezeichnung eines Gebäcks. — "Der schwankende Anlaut läßt auf fremden Ursprung schließen" (Bechtel Dial. 2, 368). Nach Grošelj Živa Ant. 3, 197 wahrscheinlich illyrisch und mit lat. fermentum ‘Gärung, Sauerteig’, nhd. Brot verwandt. Vgl. βάρηκες. I-219
βάρβαρος, -ον Subst. m. und Adj. ‘Ausländer, ausländisch, Nicht-Grieche, ungriechisch’, auch ‘ungebildet, roh’ (ion. att., bei Homer im Komp. βαρβαρόφωνος, von den Karern Β 867). Ableitungen: βαρβαρικός ‘ausländisch, fremd’ (Simon., Th., X., Arist. usw.) mit βαρβαρίκιον N. eines Kleidungsstückes (Pap.); βαρβαρώδης (Sch., Tz.). — Denominative Verba: 1. βαρβαρίζω ‘sich auf Barbarenweise betragen’, bes. in bezug auf die Rede, ‘es mit den B., d. h. den Persern halten’ (Hdt., X., Arist., hell.) mit βαρβαρισμός ‘der Gebrauch fremder Sprache und Sitte, Sprachfehler’ (Arist., hell.) und dem Adv. βαρβαριστί ‘in barbarischer Weise, Sprache’ (Ar., Plu. u. a.). 2. βαρβαρόομαι ‘zum Barbaren werden, verwildern’ (S., E. u. a.). — Onomatopoetische Reduplikationsbildung, mit aind. (nachved.) barbara- ‘stammelnd’, pl. Bez. nichtarischer Völker, identisch. Ebenso sumer. barbar ‘Ausländer’, sem.-babyl. barbaru ‘der Fremde’. Nach Weidner Glotta 4, 303f., Specht KZ 66, 11 und Lexis 3, 70 stammen βάρβαρος und aind. barbara- aus babyl.-sumer. Quelle. Aus βάρβαρος lat. barbarus. Das Wort hat sich gewiß zuerst auf die Sprache bezogen, s. Specht a. a. O. (gegen Weidner) und Schwyzer 78 mit A. 5. — Über ähnliche Bildungen in anderen idg. Sprachen WP. 2, 105f., Pok. 91f. I-219-220
βάρβιτος f. oder m., ein lyraähnliches vielsaitiges Instrument (Pi., Anakr. usw.) mit dem Denominativum βαρβιτίζω (Ar.) und dem davon gebildeten βαρβιτιστής (Sch.). später auch -ον n. — Daneben βάρμιτος (EM 188, 21, als äolisch bezeichnet; vielleicht die ursprünglichere Form, vgl. Bechtel Dial. 1, 118, Schwyzer 257), auch βάρμος (Phillis ap. Ath. 14, 636c; unsicher Alk. 143, 4 Reinach) und βάρωμος (Ath. 4, 182f., Euph.). — Fremdwort unbekannter (phrygischer?) Herkunft, s. Str. 10, 3, 17. Nach Grošelj Slavistična Revija 4, 250 zu φόρμιγξ (?). I-220
βαρδῆν · τὸ βιάζεσθαι γυναῖκας. ’Αμπρακιῶται H. — Nach v. Blumenthal IF 49, 178 f. als illyrisch zu idg. bher- ‘spalten’; nach Pisani RhM 97, 62 A. 14 ebenfalls illyrisch, aber zu idg. bher- ‘tragen’, lat. forda ‘trächtig, schwanger’. Bechtel Dial. 2, 282 zieht es dagegen als *ϝαρδῆν zu ἄρδαλος ‘Schmutz’. S. auch Latte z. St. mit Hinweis auf Pischel BB 7, 334, der aind. mr̥dnā́ti ‘zerreiben’ vergleicht (zum Lautlichen Schwyzer 277). — Alles hypothetisch. I-220
βάρηκες Nach EM 188, 37ff. = τὰ οὖλα τῶν ὀδόντων, σιαγόνες, τολύπη usw. Im Sinn von ‘τολύπη’ auch βάρακες H. — Wie βάραξ ‘Art Gebäck’ von Grošelj Živa Ant. 3, 197 zu lat. fermentum usw. gezogen (?). I-220
βᾶρις 1., -ιδος, -ιος f. ‘ägyptischer Nachen, eine Art Floß’ (Hdt., A. usw.). — Ägypt. Wort, vgl. kopt. barī ‘Nachen’. Aus βᾶρις lat. bāris, barca (< *bārica) ‘Barke’, vgl. W.-Hofmann s. v. Zur verstärkenden Form βούβαρις (Philist. 56) s. Chantraine Étrennes Benveniste 16. I-220
βᾶρις 2., -ιδος, -εως f. ‘Turm, Palast’ (LXX, J. u. a.). — Wahrscheinlich mit Krahe IF. 57, 116 aus dem Illyrischen mit ā aus au durch illyrische Monophthongisierung; vgl. βαυρία· οἰκία EM (aus dem Messapischen). Dazu mit anderem Ablaut βύριον, s. d. I-220
βαρί̄της m. N. eines Vogels (Dionys. Av. 3, 2). — Wohl von 2. βᾶρις; Redard Les noms grecs en -της 81 vergleicht fragend πυργίτης (Beiwort von στρουθός Gal. 6, 435). I-220
βάριχοι · ἄρνες H. S. ἀρήν. I-220
βαρνάμενος (att. und kork. Epigramm) — = μαρνάμενος (s. μάρναμαι), wohl durch Dissimilation (Kretschmer KZ 35, 605, Fraenkel Glotta 2, 37). Anders J. Schmidt Kritik d. Sonantentheorie 27 m. A. 1 und Schwyzer 277: aus idg. *(m)br̥-. I-221
βᾶρος m. oder -ον n. Art Gewürz (Mnesim. 4, 62). — Unerklärtes Fremdwort. I-221
βαρύες · δένδρα H. S. βορέας. I-221
βαρ<υ>κα · αἰδοῖον παρὰ Ταραντίνοις. καὶ περόνη H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 10f., Zeitschr. f. ON-forsch. 12, 65f. illyrisch-messapisch zu lat. feriō, forō, φάρυγξ usw.; die Bedeutungsentwicklung läßt sich verschieden auffassen. Zum Suffix vgl. lat. verrūca, festūca usw. I-221
βαρύς ‘schwer(wiegend)’, vom Ton ‘tief’ (seit Il.). Abstraktbildung βαρύτης, -ητος f. ‘Schwere, Wucht; Tiefe’ (att. hell.). Denominative Verba: 1. βαρύνω ‘beschweren, drücken, belästigen’, Med. ‘beschwert werden’ (seit Il.) mit βάρυνσις ‘Beschwerung’ (Artem., Plot.; zum Typus s. Holt Les noms d’action en -σις 136 m. A. 1) und βαρυντικός ‘beschwerend’ (Arist.); 2. βαρύθω ‘von der Schwere niedergedrückt sein’ (ep. vereinzelt seit Il.), nach μινύθω, φθινύθω usw. (Chantraine Gramm. hom. 1, 327); 3. βαρέω s. unten. — Eine Umbildung von βαρύς nach βριαρός ist, falls richtig überliefert, βαρύαρον· ἰσχυρόν, στερέμνιον H. — Neben βαρύς steht βάρος n. ‘Schwere, Last’, als Simplex erst Hdt. und A., als Hinterglied (χαλκο-, οἰνο-βαρής) schon Il.; es wurde nach Muster von anderen Wortpaaren (vgl. Porzig Satzinhalte 246f.) zu βαρύς neugebildet oder wenigstens im Vokalismus (für *βέρος, *δέρος, vgl. unten) danach umgeformt. Davon βαρύλλιον ‘Instrument um das Gewicht von Flüssigkeiten zu messen’ (Hero), wie ἔπος : ἐπύλλιον usw. (Leumann Glotta 32, 214ff. m. Lit.). — Das epische Partizip βεβαρηώς (οἴνῳ βεβαρηότες, -ότα γ 139, τ 122) geht von οἰνοβαρής (Α 225; daneben mit metrischer Verlängerung am Versende οἰνοβαρείων ι 374, κ 555) aus, wovon auch οἰνοβαρέω (Thgn.); daraus das mediale βεβαρημένος (Pl. usw.) und das athematische primäre βόρημαι (Sapph. Supp. 25, 17), endlich auch βαρέω (Hp. Morb., spät), vgl. K. Meister HK 175, Schwyzer 724; davon βάρησις (Iamb., Inschr. Thrakien). — Über ngr. βαρέω, auch ‘schlagen’, Hatzidakis Glotta 22, 132. — βαρύς ist mit aind. gurú-, aw. gouru-, got. kaúrus ‘schwer’ formal und semantisch identisch; nahe kommt, mit regelmäßigem Übergang in i-Stamm aber mit nicht ganz klarem Vokalismus, lat. gravis. Die Hochstufe liegt u. a. vor im aind. Komparativ gárīyān (gegenüber der Sekundärbildung βαρύτερος), die Schwundstufe u. a. in lett. grũts ‘schwer’ = osk.-lat. brūtus ‘ds.’; vgl. noch βριαρός, βρίθω (s. βρί). Näheres z. B. bei Pokorny 476f.; s. auch Fraenkel KZ 69, 77f. (über baltische Verwandte). I-221-222
βάσανος f. ‘Probierstein, Prüfung, Untersuchung (durch die Folter), Qual’ (Thgn., Pi., ion. att.), semantisch teilweise postverbal zu βασανίζω. Davon βασανίτης λίθος (H., Ptol., vgl. Redard Les noms grecs en -της 53). Denominatives Verb βασανίζω ‘an den Probierstein reiben, (die Echtheit) prüfen, foltern’ (ion. att.) mit βασινισμός ‘Folterung’ (Alex., Apok.), gewöhnlich von βάσανος ersetzt; βασανιστής m. ‘Untersucher, Folterer’, f. -ίστρια (Antipho, Ar. u. a.); βασανιστήριον ‘Folterkammer’ (Theopomp. Kom. usw.), τὰ βασανιστήρια ‘Folterinstrumente’ (Plu. u. a.); Adj. βασανιστήριος ‘zur Folterung dienend’ (J.). — Letzten Endes stammt βάσανος aus ägypt. baḫan, Bez. einer Schieferart, die von den Ägyptern als Prüfstein des Goldes verwendet wurde. Zu den Griechen kam das Wort u. a. durch lydische Vermittlung (βάσανος als Λυδία λίθος bezeichnet B. 22); der Wandel von ḫ in σ (š) ist unklar. Sethe BerlSb. 1933, 894ff.; vgl. Kretschmer Glotta 24, 90. — Bei Plin. 36, 58 wurde basaniten in basalten verschrieben, woraus Basalt und andere moderne Formen, s. Niedermann Mus. Helv. 2, 127f. I-222
βασιλεύς m. ‘König’, von den Perserkriegen an namentlich der Perserkönig, ‘Fürst, Herrscher’ (seit Il.). Zahlreiche Ableitungen, darunter mehrere miteinander konkurrierende und einander ablösende Femininbildungen, alle von beschränktem Gebrauch, da der Begriff der Königin und der Fürstin vor dem des Königs und des Fürsten ganz zurücktritt: βασίλεια (aus *-ηϝ-ι̯ᾰ; Od., ion. poet.); βασιλίς (S., E., Pl.), auch als Adj., s. unten; βασιληΐς (Man., Epigr. Gr. 989, 3), als Adj. alt, s. unten; βασίλισσα (Inschr. Athen 337a, Kom. usw.; nach üblicher Annahme nach Κίλισσα, Φοίνισσα und anderen Bildungen zu ικ-Stämmen, die allerdings einer anderen sozialen Schicht angehören); βασίλιννα ‘Gattin des ἄρχων βασιλεύς in Athen’ (D., Men.; wie Κόριννα, Φίλιννα usw., wohl hypokoristisch, Schwyzer 491; anders Chantraine Formation 205); βασίλη (S. Fr. 210; Rückbildung aus βασίλεια nach Πηνελόπεια : Πηνελόπη?, Boßhardt Die Nomina auf -ευς 24). — Zwei Deminutiva: βασιλίσκος, auch übertr. als Schlangen-, Fischname usw. (Hp., hell. u. spät; vgl. Strömberg Fischnamen 91f.), βασιλίδιον (Plu.; vgl. Chantraine Formation 70). — Adjektiva: βασιλήϊος (Od., ion., äol., poet.), βασίλειος (att.); f. auch βασιληΐς (seit Il.), -λίς (E. usw.); n. substantiviert βασιλήϊον, βασίλειον, gew. pl. -ήϊα, -εια ‘königlicher Palast’ usw. (ion. att.); βασιλικός (Hdt., A. usw.), auch substantiviert in verschiedenen Ausdrücken. — Patronymikon: βασιλείδης ‘Prinz’ (Pl. Kriti. 116c). — Abstraktbildung: βασιληΐη, att. -εία ‘Königswürde, Königtum’ (Hdt. usw.) mit dem Desiderativum βασιλειάω ‘nach der Königswürde trachten’ (Kom. Adesp., J.). — Denominative Verba: βασιλεύω ‘König sein, herrschen’ (seit Il.) mit dem einmaligen Nom. agentis βασιλεύτωρ (Antim.; vgl. ἡγήτωρ); βασιλίζω ‘zur Partei des Königs gehören, der Königswürde nachstreben’ (Plu., J., App. u. a.) mit βασιλισταί N. einer kgl. Gilde (Inschr.). — Adv. βασιλίνδα Spielterminus (Poll.). — Ägäisch pa-si-re-u. — Außer βασιλεύς besitzt das Griechische noch zwei Wörter für ‘König, Herrscher’, das sicher altererbte κοίρανος (s. d.) und das unerklärte, wahrscheinlich fremde ἄναξ (s. d.). Von diesen ist βασιλεύς das jüngste, s. darüber Wackernagel Unt. 209ff. und Boßhardt Die Nomina auf -εύς 22ff. Die bis in die neueste Zeit (z. B. Thibau Revue Belge de phil. 25, 582ff., v. Windekens Le Pélasgique passim, Fraenkel Gnomon 22, 239) wiederholten Bemühungen, βασιλεύς aus dem Indog. herzuleiten, sind erfolglos geblieben. Auch die Versuche, an kleinasiatische und andere sprachlichen Elemente anzuknüpfen (Wackernagel und Boßhardt a. a. O., außerdem Kretschmer Glotta 10, 222, der an libyisch βάττος = βασιλεύς [Hdt. 4, 155] erinnert, und v. Windekens Le Muséon 61, 283ff. mit Lit. und willkürlichen eigenen Kombinationen), kommen über allgemeine Vermutungen nicht hinaus. So muß βασιλεύς immer noch als ein wenigstens in Einzelheiten unklares Fremdwort betrachtet werden. I-222-223
βάσκανος, -ον Adj. und Subst. m. ‘beschreiend, verleumderisch, behexend; Verleumder’ (att. usw.). Davon βασκανία ‘das Beschreien, Behexen, Verleumdung’; βασκάνιον ‘das Behexen, Zauber’; βασκοσύνη ‘ds.’ (Poet. de herb., mag. Pap.), haplologisch für βασκ(αν)οσύνη (Schwyzer 263). Neben βάσκανος das wohl denominative βασκαίνω ‘beschreien, verleumden, behexen, beneiden’ (vgl. Schwyzer 700, 725) mit βασκαντικός und ἀ-βάσκαντος ‘dem das Behexen nicht schadet bzw. schaden möchte’ (zum optativischen Sinne Kretschmer Glotta 27, 229), auch aktiv ‘nicht behexend’ (Pap. u. a.). — Da sich als Grundbedeutung dieser aus der attischen und späteren Lit. wohlbelegten Wortsippe ‘beschreiend, beschreien’ empfiehlt, liegt es nahe, in βάσκανος ein Verbalnomen des bei H. belegten βάσκειν· λέγειν, κακολογεῖν zu sehen mit weiterem Anschluß an das onomatopoetische βάζω (s. d.). Indessen kann βάσκειν im Sinn von κακολογεῖν auch eine semantische Rückbildung aus βάσκανος sein, wobei für βάσκανος als Zauberwort nördlicher Ursprung in Betracht käme (Kretschmer Einleitung 248 A. 4, G. Meyer IF 6, 106), vielleicht von einem thrako-illyr. Vertreter von φημί, φάσκω, idg. bhā- ‘sprechen’ (Walde LEWb2 s. fascinum, der auch für βάσκειν denselben Ursprung erwägt). — Über das mit βάσκανος irgendwie in Verbindung stehende lat. fascinum s. W.-Hofmann s. v. mit ausführlichen Lit.-Hinweisen. I-223-224
βασκᾶς, -ᾶ m. Entenart (Ar. Av. 885, v. l. Arist. HA 593b 17), zur Bildung vgl. ἀτταγᾶς, ἐλασᾶς und andere Vogelnamen Chantraine Formation 31, Schwyzer 461. Daneben βοσκάς, -άδος (Arist. ibid., Alex. Mynd. ap. Ath. 9, 395 d, wohl volksetymologisch = βοσκάς ‘sich nährend, genährt’) und φασκάς, -άδος f. (Alex. Mynd. ibid.); H. registriert alle drei Formen. — Thompson Birds s. βοσκάς erinnert an sardisch busciu und anklingende italienische Dialektformen. Sonst dunkel. Zu βοσκάς· φασκάς· ++Λίβιοι H. bemerkt Latte fragend: "<Ιλ>λυριοι? (propter β pro φ)." I-224
βασκαύλης ein Hausgerät unbekannter Art (POxy. 1, 109, 22, III-IVp). — Bedeutung und Herkunft unbekannt. Grenfell-Hunt denken fragend an lat. vasculum. I-224
βασκευταί · φασκίδες, ἀγκάλαι. βάσκιοι· δεσμαὶ φρυγάνων H. — Nach Fick BB 29, 199 (vgl. auch Hoffmann Makedonen 61) makedonisch und mit lat. fascia ‘Binde, Band’, fascis ‘Bund, Bündel’ urverwandt. Demgegenüber muß φασκίδες die griechische Lautform repräsentieren. Unsicher ist, ob φάσκωλος ‘Mantelsack, Ranzen’ hierhergehört, s. d. — Näheres bei WP. 2, 135f., Pok. 111 m. Lit. I-224
βάσκω s. βάζω und βαίνω. I-224
βασσάρα f. ‘Fuchs’ (Sch. Lyk. 771), ‘Tracht der Bacchantinnen’ (EM, AB, H.), wohl eig. ‘Fuchsbalg’ (metonymisch); ‘Bacchantin’ (Sch. Lyk. 771, EM), im Plur. Titel einer Tragödie des A. (Sch. Ar. Th. 135); ‘Dirne’ (Lyk., EM). Davon βασσάριον ‘Fuchs’ (Hdt. 4, 192; Libyen), βασσαρίς ‘Bacchantin’ (Anakr.), ‘Fuchs’ (H.), βασσαρεύς Beiname des Dionysos (Hor., Corn.), βάσσαρος = βάκχος (Orph.); βασσαρικός = βακχικός (AP); denominatives Verb ἀνα-βασσαρέω (mit Tmesis) ‘im Taumel aufjubeln’ (Anakr.). — Näheres bei Pisani Stud. itfilcl. N.S. 11, 217ff.; s. auch Boßhardt Die Nomina auf -ευς 76f. Ohne Etymologie; Hypothese von Pisani a. a. O. I-224
βάσσος · οὐδετέρως· ἡ βῆσσα H. — Vielleicht mit Schwyzer RhM 81, 199f. (wo gegen die herkömmliche Akzentuierung βᾶσσος) aus *βάθ-σος (zum Suffix Schwyzer 513 m. Lit.). Über die Möglichkeit, vulgärlat. bassus ‘niedrig’ daraus herzuleiten, s. Kretschmer Glotta 22, 258f.; dazu W.-Hofmann s. v. 1, 851. — Vgl. βῆσσα und βαθύς. I-224-225
βαστά · ὑποδήματα. ’Ιταλιῶται H. — Johansson IF. 19, 121 vergleicht ansprechend βαστά als messapisch mit ahd. usw. bast ‘Bast’; weitere Anknüpfungen unsicher. Nach Jacobsohn Zeitschr. f. d. Alt. 66, 238ff. als iranisches (skythisches) Wanderwort = aw. ap. basta- ‘gebunden’ (vgl. πεῖσμα, πενθερός), der Form nach verlockend, aber sachlich unzulänglich begründet. Über die sehr fragliche Verwandtschaft mit lat. fascis (vgl. s. βασκευταί) s. W.-Hofmann s. v. I-225
βαστάζω, Aor. βαστάσαι, spät βαστάξαι ‘(empor-)heben, tragen, ertragen, fassen’ (poet. seit Od., hell. und spät). Seltene Ableitungen: βάσταγμα ‘Last’ (E., Plb., Plu. u. a.), βασταγή ‘Transport’ (Lyd.) mit βασταγάριος ‘Transportarbeiter’ (Pap.), βαστάγιον ‘Schultergehenk’ (Eust.), βαστακτής ‘Träger’ (Gloss.), βαστακτικῶς (Sch.). — Hierher noch βάστραχαις· τοὺς τραχήλους. Βοιωτοί H. (EM), wahrscheinlich aus βάστακας (von βάσταξ, vgl. μάσταξ und Bechtel Dial. 1, 303) durch Einwirkung von τράχηλος entstellt oder damit kontaminiert; in βαστραχηλίζει· τραχηλίζει H. und βαστραχαλίσαι· τραχηλιάσαι EM ist die Vermischung noch weiter gegangen. — Nicht sicher erklärt (ältere Versuche bei Bq). Auch die Anknüpfung an βαίνω (s. Schwyzer Mélanges Pedersen 70) bedarf einer näheren semasiologischen Begründung. Somit bleibt auch die formale Zerlegung unklar; jedenfalls ist -(τ)άζω als suffixales Element abzutrennen. Schwyzer Gramm. 706 ist geneigt, in -στάζω eine Erweiterung von *-στω angeblich = lit. -stu, aksl. -stǫ zu sehen. I-225
βασυνίας m. Art Kuchen als Opfergericht, aus der Hekate-Insel bei Delos bekannt (Semos 3). — Ohne Etymologie, gewiß Fremdwort. Vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 264 m. A. 2. I-225
βάταλος · καταπύγων καὶ ἀνδρόγυνος, κίναιδος, ἔκλυτος H., nach Harpokration von Eup. (82) = πρωκτός gebraucht. Davon βαταλίζομαι ‘wie ein βάταλος leben’ (Theano), -ίζω (τὰ ὀπίσθια, von einem Pferde) ‘hin und her drehen’ (Hippiatr.). Eine Kurzform (vgl. Chantraine Formation 31f.) ist βατᾶς· ὁ καταφερής. Ταραντῖνοι H.; daneben βαδᾶς· κίναιδος ὡς ’Αμερίας H. — Nach Aeschin. 1, 126; 2, 99 wurde Demosthenes in seiner Jugend Βάτ(τ)αλος genannt, "δι’ αἰσχρουργίαν τινὰ καὶ κιναιδίαν"; diesen Spitznamen legt D. (18, 180) auch sich selbst zu. Damit wurde wahrscheinlich auf seinen Sprachfehler angespielt, λ für ρ zu sprechen und somit für βατταρίζειν ‘poltern, brudeln’ (eine andere Redeschwäche des D.) βατταλίζειν zu sagen; s. Holst Symb. Oslo. 4, 11ff. — Als volkstümliche Benennung entzieht sich βάταλος einer genauen Analyse (vgl. Chantraine Formation 247). Beziehung zu βατέω ‘besteigen, bespringen’ scheint immerhin möglich, obgleich natürlich sehr unsicher (βαδᾶς dann nach βάδην, βαδίζω?). Kaum besser mit Specht KZ 66, 11f., Lexis 3, 70 (nach Johansson KZ 36, 343) als orientalisches LW zu aind. batá- etwa ‘Schwächling’ (ἅπ. λεγ. RV 10, 10, 13). I-225-226
βατάνη = πατάνη (Matro). — Größere Verbreitung hat das Deminutivum βατάνιον (Kom., Pap.; nach H. sizilisch). Vgl. dazu die Wiedergabe von lat. p durch β in βάτελλα, βατέλλιον (Pap.) aus lat. patella. Umgekehrt z. B. lat. buxus gegenüber πύξος; dazu Sommer Hb. d. lat. Laut- u. Formenlehre 197. I-226
βᾰτιᾰ́κη f. Art Becher (Diph., Arist., Delos u. a.). Demin. βατιάκιον (Pap., Delos). — Technisches Fremdwort ohne Etymologie. I-226
βάτος 1. f., auch m. ‘Brombeerstrauch, Dornbusch’ (seit Od.), m. ‘Stachelrochen’ (Epich., Arist.), wegen der Stacheln mit einem Brombeerstrauch verglichen (Strömberg Fischnamen 47); βάτον n. ‘Brombeere’ (D. S.), vgl. Wackernagel Syntax 2, 17; Schwyzer-Debrunner 30. Ableitungen: βατία (βατιά?) ‘Brombeergestrüpp’ (Pi.); βάτιον N. des Maulbeerbaums auf Salamis (Parth.), vgl. Strömberg Pflanzennamen 53; βατίς N. einer Rochenart (Epich., Ar., Arist.); vgl. βάτος im selben Sinn, ausführlich Thompson Fishes s. v.; Vogelname (Arist. HA 592b 17: ὄρνις σκωληκοφάγος), vgl. Thompson Birds s. v.; Pflanzenname ‘Crithmum maritimum’ (Plin., Colum.); βάτινον ‘Brombeere’ (Gal.); βατόεις ‘dornig’ (Nik.). — Nicht hierher dagegen Βατίεια = σῆμα Μυρίνης (Β 813) und der PN Βάτεια (Hellanik.), die vielmehr als illyrisch zu betrachten sind, s. Heubeck Würzburger Jahrbücher 4 (1949-50), 202ff. — Ohne Etymologie. Bertoldi Glotta 21, 258ff. erinnert an μαντία ‘Brombeere’, durch Dsk. 4, 37 für Dakien bezeugt, und an mehrere Namen verschiedener Sträucher auf iberischem und gallo-romanischem Gebiet, die das Element ma(n)t- enthalten. Es handelt sich nach ihm um ein weitverbreitetes Mittelmeerwort. I-226
βάτος 2. Flussigkeitsmaß = ägypt. ἀρτάβη, att. μετρητής (LXX, NT, J.), auch βάδος geschrieben. m. Davon βάδιον = 50 ξέσται (Pap.). — Fremdwort, = hebr. bath. I-226
βάτραχος (mit mehreren dialektalen Nebenformen, s. unten) m. ‘Frosch’ (att. hell., auch Hdt. 4, 131), als N. eines Fisches ‘Lophius piscatorius’ (Arist., Ael.; vgl. Strömberg Fischnamen 92f.). Mehrere vereinzelt belegte Ableitungen. Deminutiva: βατραχίς (Nik.), auch Bez. einer froschgrünen Kleidung (Ar. u. a.); βατράχιον (Paus.), Pflanzenname ‘Ranunculus’ (Lehnübersetzung; Hp., Dsk., nach dem Standort, vgl. Strömberg Pflanzennamen 119); βατραχίδιον (Plu.); βατραχίσκοι· μέρος τι τῆς κιθάρας H.; zur technischen Funktion des Suffixes Chantraine Formation 408. — βατραχίτης, -ῖτις (λίθος; nach der Farbe, Plin., Pap. u. a.; s. Redard Les noms grecs en -της 53). Adjektiva: βατράχε(ι)ος ‘froschfarben’ (Ar., Nik.), βατραχειοῦς ‘ds.’ (Attika IVa f), ntr. βατραχιοῦν N. eines Gerichtshofes in Athen, nach der Farbe des Anstriches (Paus.). Denominatives Verb: βατραχίζω ‘sich wie ein Frosch benehmen’ (Hippiatr.). — Zu βάτραχος, das nebst seinen Ableitungen in der Literatur dominiert, sind allerhand Nebenformen, hauptsächlich aus lexikalischer Quelle, bezeugt: ion. βάθρακος mit regelmäßiger Hauchversetzung (Schwyzer 269); auch βότραχος (Hp.) und βρόταχος (Xenoph. 40, vgl. Bechtel Dial. 3, 109); dieselbe Umstellung des ρ in βρατάχους· βατράχους H.; — βρούχετος· .. βάτραχον δὲΚύπριοι H. (nach βρυχάομαι, vgl. Schwyzer 182); βύρθακος· βάτραχος H.; βρύτιχοι· βάτραχοι μικροὶ ἔχοντες οὐράς H. (nach βρύω); — sogar βριαγχόνην· βάτραχον. Φωκεῖς H. (schwerlich richtig; vgl. zunächst ἰαχέω, ἰαχή; ähnlich das ebenfalls korrupte βρόγχος· βάτραχος H.); auch βλίκανος, βλίκαρος, βλίχα(ς) (H., EM, Suid.); βλίταχος (H.). — βάβακοι· ὑπὸ ’Ηλείων τέττιγες, ὑπὸ Ποντικῶν δὲ βάτραχοι H. (βαβάζω, s. d.). — Neugr. Formen bei Hatzidakis Lexikogr. Archiv (Anh. ’Αθ. 26) 48ff., s. auch G. Meyer IF 6, 107f. — Die zahlreichen Wechselformen beruhen teilweise auf volksetymologischer Umdeutung, hängen aber wahrscheinlich auch mit den Tabuvorstellungen zusammen, die im Volksglauben den Frosch umgeben. Wie die Mehrzahl der Namen des Frosches in verschiedenen Sprachen, ist auch βάτραχος ohne Etymologie. Sämtliche Erklärungsversuche aus alter (Bq, WP. 1, 698f.) wie aus neuer Zeit (v. Windekens Le Pélasgique 76ff.) sind erfolglos geblieben. Zum χ-Suffix in Tiernamen Specht Ursprung 255. I-226-227
βατταρίζω Bez. eines Sprechfehlers, etwa ‘poltern, brudeln’ (Holst Symb. Oslo. 4, 11; vgl. βατταρισμοῖς· φλυαρίαις H.; vereinzelt bei Hippon., Pl. [Tht. 175d?], Cic., Luk.). Davon βατταρισμός (Phld., Porph., H.), βατταριστής H. Daneben Βάτταρος (Herod.). — Eine ähnliche Bildung ist βαττολογέω ‘plappern’ (Ev. Matt. 6, 7, Simp.) mit βαττολογία· ἀργολογία, ἀκαιρολογία H., vgl. noch den EN Βάττος (Hdt. 4, 155), nach einer Tradition = ἰσχόφωνος καὶ τραυλός. S. auch βάταλος. Onomatopoetische Wörter; vgl. z. B. lat. butubatta; zu βαττολογέω bes. Blaß-Debrunner7 Anh. par. 40 m. Lit. I-227
βαυβάω ‘schlafen’ (E. Fr. 694 u. a.), auch faktitiv ‘einschläfern’ = κοιμίζω (H.); ‘beschlafen’ (Meister Herodas 859f.). Davon βαυβών m. = ὄλισβος (Herod.), wohl auch βαυβώ· τιθήνη Δήμητρος. σημαίνει δὲ καὶ κοιλίαν, ὡς παρ’ ’Εμπεδοκλεῖ (fr. 153) H.; weitere Belege bei Headlam-Knox zu Herod. 6, 19; zur Bildung Schwyzer 478. — Erweiterte Form βαυβαλίζω ‘einschläfern’ (Alex. 229); vgl. zu βαυκαλάω. — Ursprüngliches Lallwort, s. Oehl IF 57, 18f. mit Parallelen aus mehreren Sprachen; dazu noch Schulze Kl. Schr. 680. I-228
βαΰζω, dor. βαΰσδω ‘bellen’, vom Hunde; übertr. von Personen ‘schmähen, rufen usw.’ (A., Kom., Theok.). Davon βαϋστικός (Sch.). Auch βαυβύζω (Pap.). — Expressive Verbalisierung der Lautimitation βαύ βαύ (Kom.), vom Hundegebell. Ebenso lat. baubor ‘bellen’, lit. baũbti ‘brüllen’, vom Rinde usw. Schwyzer 716, W.-Hofmann s. baubor m. Lit., Pok. 95. I-228
βαυκαλάω - Daneben βαυκαλίζω ‘ds.’ (AB, H.). ‘einschläfern, einlullen, in den Schlaf wiegen’, überhaupt ‘pflegen’ (Krates Ep., Luk., Aret.) mit βαυκάλησις (Krates Ep., Ruf.) und βαυκάλημα (Sokr. Ep.). Postverbal βαυκάλη ‘Wiege’ (Sor.). — βαυκαλάω und βαυκαλίζω sehen wie Denominativa von βαύκαλος aus, das nur im EM 192, 20 bewahrt ist: βαύκαλον· μαλακιζόμενον, τρυφερόν, καὶ ὡραϊστόν. Es handelt sich jedenfalls um eine expressive Erweiterung auf -αλ- von βαυκός (s. d.); vgl. βαυβαλίζω neben βαυβάω und die Adj. auf -αλος bei Chantraine Formation 245 und 247, Schwyzer 483. I-228
βαυκάλιον Bez. eines enghalsigen Gefäßes (Pap. u. a.), βαύκαλις, -ιδος f. N. eines Kühlgefäßes (Sopat., AP). Dazu mittelgr. βαύκη. n. — Ägyptisches Wort, aber Vorbild unklar. Ausführlich darüber Nencioni Riv. degli stud. or. 19, 98ff. — Vgl. καυκάλιον und βῖκος. I-228
βαυκός ‘geziert, affektiert’ (Arar. 9), als Vorderglied in βαυκοπανοῦργος (Arist. EN 1127b 27). Davon (oder von βαυκίζομαι) βαυκίδες pl. ‘Art Frauenschuhe’ (Kom., Herod.; zur Bildung Schwyzer 464f., Chantraine Formation 337f.). Denominativum βαυκίζομαι, -ίζω ‘geziert sein, θρύπτεσθαι’ (Alex. Kom., H., AB) mit βαυκίσματα pl. ‘Geziertheit, τρυφερώματα’ (AB, H.) und βαυκισμός ‘Art Tanz’ (Poll., H.). Außerdem der EN Baucis. — Eine λ-Erweiterung liegt in βαύκαλος vor, s. βαυκαλάω. — Familiäres Wort ohne Etymologie. Zum Ausgang vgl. γλαυκός, φολκός und einige andere mehr oder weniger unklare Adjektiva. Reiches Material zum κ-Suffix bei Specht Ursprung 186ff.; außerdem Solta Sprache 2, 122ff.; die Vermutung einer ursprünglichen Ich-Deixis schwebt ganz in der Luft. I-228
βαῦνος H. auch βαύνη· κάμινος ἢ χωνευτήριον. m. ‘Schmelzofen, Brennofen’, auch = χυτρόπους (Eratosth., Max. Tyr. u. a.); — Technisches Wort unbekannten Ursprungs. Vgl. zu βάναυσος. I-229
βαυρία f. messapisch = οἰκία (EM 389, 25). Davon βαυριόθεν = οἴκοθεν (Kleon Sik. 2). — βαυρία unterscheidet sich nur im Ablaut (idg. ou) von βύριον, s. d. Vgl. auch 2. βᾶρις. I-229
βδάλλω, fast nur Präsens (vereinzelte Aoristformen βδάλας, βδήλαιο) ‘saugen, melken’ (Pl., Arist. usw.). Davon βδάλσις ‘das Saugen’ (Gal., Aët.) und βδαλεύς ‘Melkeimer’ (Sch.), vgl. zunächst ἀμολγεύς ‘ds.’ und andere Nomina instrumenti bei Boßhardt Die Nomina auf -ευς 21. Semantisch damit unvereinbar scheint dagegen βδαλοί· ῥαφίδες θαλάσσιαι. καὶ φλέβες κρισσώδεις H. — βδάλλω ist ein Jotpräsens mit regelmäßiger Schwachstufe der Wurzel; die Hochstufe liegt in βδέλλα (s. d.) vor, außerdem in βδέλλω = βδάλλω Sch. Theok. 11, 34. Außergriechische Verwandte fehlen. Unwahrscheinlich Winter Prothet. Vokal 34. I-229
βδέλλα f. ‘Blutegel’ (ion. att.), auch = βδέλλιον (spät). Denominative Verba: βδελλίζω ‘Blutegel ansetzen’ (Mediz.), βδελλάζεται· ἀμέλγεται Erot. — βδέλλα ist eine feminine ιᾰ-Ableitung, "die Saugerin", u. z. entweder von der hochstufigen Verbalwurzel βδελ- oder von einem unbekannten Wurzelnomen. Vgl. βδάλλω, auch βλέτυες. I-229
βδέλλιον n. ‘Harz der orientalischen Weinpalme’ (Dsk., Plin. u. a.), auch βδέλλα (J. usw.). — Orientalisches LW, vgl. hebr. bedōlaḥ, assyr. budulḫu. Näheres bei Lewy Fremdw., Schrader-Nehring Reallex. 1, 84f. I-229
βδελυρός ‘ekelhaft, abscheulich’ (att. hell. u. spät) mit βδελυρία ‘ekelhaftes Wesen’ (att., Hp., hell. u. spät) und dem Denominativum βδελυρεύομαι (D.). Neben βδελυρός steht das von einem Gutturalstamm gebildete Jotpräsens βδελύσσομαι (-ττ-), Fut. βδελύξομαι ‘Ekel empfinden, verabscheuen’ (att., Hp., hell. u. spät), Akt. -ύσσω, -ύττω ‘Ekel verursachen’ (LXX u. a.) mit verschiedenen μ-Ableitungen: βδελυγμία ‘Ekel, Seekrankheit’ (Kratin., X. u. a.), βδελυγμός (LXX), βδέλυγμα (LXX, NT); Verbaladj. βδελυκτός, auch in βδελύκτροπος (aus *βδελυκτο-τροπος A. Eu. 52); ähnliche Silbendissimilation auch in Βδελυ-κλέων (Ar.)? Der Guttural, der auch in βδελυχρός (Epich.) auftritt, hat wohl zunächst nur expressiven Wert, vgl. Chantraine Formation 225f. — βδελυρός (wahrscheinlich für -υλός, Leumann Glotta 32, 223 A. 2) und βδελύσσομαι gehen auf einen Stamm (Adjektiv?, vgl. Schulze Kl. Schr. 124 A. 1) βδελυ- zurück, von βδέ-ω mittels eines λυ-Suffixes (vgl. θῆ-λυ-ς) gebildet. Das λ-Suffix allein in βδέλλων· τρέμων ἢ βδέων, βδέλεσθαι· κοιλιολυτεῖν H. (dafür mit Latte u. a. βδύλλων und βδέννυσθαι?), aber außerdem in βδόλος ‘Gestank’ (Kom. Adesp. 781; auch in γαλεόβδολον, s. γαλέη); vgl. Schwyzer 459. — Näheres bei Kieckers IF 30, 190ff. (mit in Einzelheiten anderer Auffassung) und s. βδέω. I-229-230
βδέω, Aor. βδέσαι (AP) und βδεῦσαι (Hierokl.) ‘fisten’ (Kom. u. a.) mit βδέ-σμα (Gloss.). Daneben die Neubildungen βδ-ύλλω ‘(vor Furcht) fisten, fürchten’ (Ar. u. a.) und βδέννυμαι· ἐκκενοῦμαι τὴν κοιλίαν Suid. (βδένεσθαι H., richtig?; fragliche Kombination bei Specht Ursprung 351 A. 1); vgl. Schwyzer 685, 697 und 736, Debrunner IF 21, 97f. — Davon βδόλος und βδέλλων(?), auch βδελυρός und βδελύσσομαι (s. dd.). — Altererbtes onomatopoetisches Verb, das auch im Baltisch-Slavischen und im Latein vorhanden ist: gr. russ. bzdetь, kl. russ. bzdíty, pezdíty, lit. bezdù, bezdė́ti (aus dem Kl.russ.?), lat. pēdō aus *pezdō; idg. pezd-, pzd- > bzd-. Somit steht βδέω zunächst für *βzδέω; zum Schwund des z Schwyzer 326 Zus. 5. Näheres bei WP. 2, 68f., W.-Hofmann s. pēdō. — Vgl. das lautlich anklingende πέρδομαι. I-230
βέβαιος ‘fest, sicher, standhaft’ (ion. att. usw.). Davon βεβαιότης f. ‘Festigkeit, Sicherheit’ (Pl. Th. usw.) und das Denominativum βεβαιόω ‘befestigen, (ver)sichern, verbürgen’ (ion. att.) mit mehreren Ableitungen: nwgr. βεβαιωτήρ, ion. att. βεβαιωτής ‘Bürge’ (vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 158, 160, 214; 2, 206; Erika Kretschmer Glotta 18, 90, Benveniste Noms d’agent 43f.), f. βεβαιώτρια (Pap.), Adj. βεβαιωτικός ‘bestätigend’ (Epikt., S. E., Pap.); — βεβαίωσις ‘Befestigung, Bürgschaft’ (Th. usw.), βεβαίωμα ‘Beweis’ (J.). — βέβαιος enthält eine reduplizierte Form von βῆναι und knüpft sich dadurch am besten an das Perfektum βέβηκα, Ptz. βεβαώς ‘ich stehe’ an, wozu auch die Bedeutung gut paßt. Demgemäß will es Wackernagel Unt. 113 A. 1 aus *βεβα-υσ-ιος (vgl. *ϝιδ-υσ-ιος > ἰδυιος) erklären, was jedenfalls möglich zu sein scheint. I-230
βέβηλος, dor. βέβᾱλος ‘ungeweiht, profan, öffentlich’ (Trag., Th., Pl. usw.) mit dem Denominativum βεβηλόω ‘entweihen’ (LXX, NT usw.), wovon βεβήλωσις (LXX, Ph.). — Wie βέβαιος scheint βέβηλος eine Ableitung vom Perfekt βέβη-κα zu sein, obwohl die Bildungsweise der Aufklärung bedarf. Deshalb schlägt Schwyzer IF 45, 252ff. vor, darin eine alte sakrale Hypostase von *βὲ βηλοῦ "vor (außerhalb) der Schwelle (sc. des Tempels)" zu sehen, von *βὲ = lit. bè ‘ohne’ und βηλός (vgl. pro-fānus). Die Hypothese setzt u. a. voraus, daß kyren. βάβαλος aus βέβ- assimiliert ist; vgl. die Bedenken bei Kretschmer Glotta 18, 235. I-230-231
βεβράδα · ἀθερίνην H. S. βεμβράς. I-231
βέβροξ · ἀγαθός, χρηστός, καλός H. — Nach Grošelj Živa Ant. 3, 197f. ungriechisches Wort, zu lat. for(c)tis usw.(?). Vgl. βεβρός. I-231
βεβρός ‘einfältig, töricht’ (Hippon.). H. auch βεμβρός· τετυφωμένος, πάρετος. — Unerklärt. I-231
βειέλοπες · ἱμάντες οἷς ἀναδοῦσι Λακεδαιμόνιοι τοὺς νικηφόρους H. — Nach Solmsen Unt. 255 aus *ϝιελ- zu γίς (= ϝίς)· ἱμάς, lat. vieō ‘binden, flechten’ usw.; nach Kalén GHÅ 26 [1920] : 2, 105ff. (wo ausführliche Behandlung) aus *ϝεισελ-ελοπες zu aind. veṣṭate ‘umwickeln’ und *ἔλοφος ‘Zipfel, Band, Riemen’, vgl. ἀργέλοφοι usw. (?). I-231
βείομαι, βέομαι, βίομαι Hom. s. βίος. I-231
βέλα · ἥλιος καὶ αὐγή, ὑπὸ Λακώνων H. — S. 1. εἵλη ‘Sonnenwärme’ . I-231
Βελλεροφόντης m. N. eines argivischen Heros (Ζ 155 usw.), von den Alten als "Töter des Belleros" gedeutet. — Wie ’Αργεϊφόντης unterliegt auch Βελλεροφόντης dem Verdacht, ein zurechtgelegtes Fremdwort zu sein (Malten Hermes 79, 10ff., Schwyzer 62). Das Hinterglied wird sonst allgemein als "Töter" erklärt; in dem Vorderglied sieht Kretschmer Glotta 24, 237f., 273 und 31, 92ff., darin den antiken Gelehrten im Prinzip folgend, den vorgriechischen Namen eines örtlichen Dämons oder Unholdes. — Sehr kühn und wenig wahrscheinlich Heubeck Beitr. z. Namenforschung 5, 25ff. (mit Referat anderer Deutungen): Vorderglied *βελ(λ)ερός zu βελτίων, Hinterglied zu εὐθένεια. I-231
βελλούνης · τριόρχης. Λάκωνες H. — Unsichere Hypothese bei Grošelj Živa Ant. 4, 166: vorgriechisch, zu φαλλός, lat. Balliō usw. I-231
βελόνη f. ‘Nadel’ (att., Arist., Batr.) mit dem Deminutivum βελονίς (Hermipp.); beide auch als Fischnamen, s. Strömberg Fischnamen 36f. — Bildung wie περόνη und andere Gerätenamen bei Chantraine Formation 207. Die in formaler Hinsicht naheliegende Anknüpfung an (βέλος,) βάλλω (s. die Lit. bei Bq) stößt auf semantische Schwierigkeiten. Fick 1, 404 zieht daher βελόνη (wie auch βέλος) mit δέλλιθες· σφῆκες (s. d.) zu lit. geliù, gélti ‘stechen’, was begrifflich entschieden vorzuziehen ist. Auch βέλος kann sehr wohl hierher gehören, vgl. ὀξυβελὴς ὀϊστός Hom., ist aber dann offenbar mit βάλλω assoziiert worden, was den Anlaut β- für δ- erklären kann, sofern man nicht äolischen Ursprung annehmen will. I-231-232
βέλτερος (Hom., poet.), βελτίων (nachhom.), Superlativ βέλτατος (A.), βέλτιστος (att. usw.), dor. (Theok.) βέντιστος (λτ > ντ) ‘besser, der beste’. Von βελτίων : βελτιόιης ‘Überlegenheit’ (Sch.) und das Denominativum βελτιόω (Ph., Plu. usw.) mit βελτίωσις (Ph., Plu. u. a.); außerdem mit doppelter Steigerung βελτιώτ<ερ>ς (Telesill. 6; nicht ganz sicher). — Über ἀβέλτερος s. bes. — Gegen die Anknüpfung an βούλομαι (Lit. bei Persson Beiträge 210 A. 1; zuletzt Seiler Steigerungsformen 91ff.) spricht vor allem das durchgehende β-, das wegen seiner Verbreitung nicht gut äolisch sein kann und sich auch schwerlich durch Assoziation mit βούλομαι erklären läßt. Beachtung verdient immerhin kret. δέλτον· ἀγαθόν (Phot.). — Deshalb wohl doch besser mit Ahrens KZ 8, 358f., Osthoff IF 6, 1ff. zu aind. bálam n. ‘Kraft’, lat. dē-bilis ‘kraftlos’, aksl. boljьjь ‘größer’ usw. (aber nicht mit Pisani Ist. Lomb. 76 : 2, 23 toch. A empele ‘stark, gewaltig’). Die Hauptschwierigkeit liegt aber in der Bildung, wobei namentlich das -τ- unklar ist. Hypothese bei Seiler l. c. (wo auch Lit.): ein begrifflich komparatives *βελτός ‘erwünscht’ > ‘vorgezogen, besser’ wurde auch formal, einerseits zu βέλτερος (βέλτατος), anderseits zu βελτίων (βέλτιστος), gesteigert. I-232
βέμβιξ, -ῑκος f. ‘(Brumm)kreisel’ (Ar., Kall.), auch ‘Wasserstrudel’ (Opp.), ‘Wirbelsturm’ (H.) und ‘summendes Insekt, Hummel’ (Nik., Parmeno). Davon βεμβικώδης ‘kreiselähnlich’ (Ath.), βεμβικίζω ‘kreiseln’ (Ar.). Vgl. auch mit anderer Bildung βεμβρεῖ, βεμβ(ρ)εύει· δινεύει H. — βέμβιξ (zur Bildung Chantraine Formation 382, außerdem Specht Ursprung 211 mit buntem Vergleichsmaterial) gehört mit βόμβος ‘dumpfer Ton’ (s. d.), aind. bimba- m. n. ‘Scheibe, Kugel usw.’, lett. bamba ‘Kugel, Ball’, lit. bambù, bambė́ti ‘brummen’ und vielen anderen Wörtern familiären und expressiven Charakters zu einer umfassenden Wortgruppe, die lautmalend oder allgemein lautsymbolisch Schalleindrücke oder allerhand aufgeblasene oder aufgedunsene Gegenstände bezeichnet; es handelt sich dabei mindestens ebensosehr um elementare als um erblich bedingte Übereinstimmung. Die Annahme einer Schwundstufe in βαβάκτης (s. d.), βαβάξαι steht auf sehr schwachen Füßen. Laut- und begriffsähnlich sind πέμφιξ, πομφόλυξ (s. dd.). — Näheres bei WP. 2, 107ff,, Pok. 93ff.; reiches Material aus dem Nordischen (mit Lit.) bei Lidén GHÅ 40 (1934 : 3) 48ff. I-232
βεμβράς, -άδος f. eine Art Sprotte (Aristomen., Numen. ap. Ath.). Daneben μεμβράς (Kom., Arist. u. a.) mit μεμβράδιον. Auch βεβράδα· ἀθερίνην und βεμβίδιον· ἰχθύδιον λεπτόν H. — Strömberg Fischnamen 67f. vermutet dissimilatorische Reduplikation von βράζω ‘brummen’ mit Beziehung auf die angebliche Lautgebung des Fisches. — Vgl. βαμβραδών. I-233
βερβέριον n. ‘ärmliches Kleid’ (Anakr. 21, 3). — Reduplizierte Bildung, vgl. βερρόν und βειρόν· δασύ, auch βίρροξ· δασύ. Μακεδόνες H. — Daran erinnert lat. burra ‘zottiges Gewand, Wolle’, reburrus ‘widerhaarig’ (Fick KZ 22, 203). Sonst ohne Anknüpfung. Vgl. W.-Hofmann s. v. und s. birrus. S. auch βύρσα. I-233
βερκνίς · ἀκρίς H. — Bildung wie ἀκρίς; zum. Stamm vgl. die Synonyme βρύκος, βρεῦκος, βροῦκος, -α, βροῦχος, βραῦκος, -α, βρόκος; dazu Strömberg Wortstudien 17 und unten s. βροῦκος. Unmögliche Analyse der "Wurzel" bei Specht Ursprung 168 u. ö. I-233
βερνώμεθα · κληρωσώμεθα. Λάκωνες H. — Dazu das irgendwie entstellte βερρέαι· κληρῶσαι. — Wahrscheinlich mit Kretschmer KZ 35, 605 und Fraenkel Glotta 2, 37 zu μέρος, μείρομαι durch Dissimilation aus μερ-ν- (eine andere lautliche Erklärung bei Osthoff IF 6, 8ff.). Nach v. Blumenthal Glotta 18, 153f. dagegen illyrisch, vgl. zunächst φερνή ‘Mitgift’. Auch in βερωνετῶν· ἀλλὰ ἀνετῶν H. will v. Blumenthal Hesychst. 3 ein illyrisch-messapisches βέρ’ = φέρ(ε) finden. I-233
βεῦδος n. Bez. einer kostbaren Frauenkleidung (Sapph., Kall. u. a.). — Nach EM 195, 52 = ἄγαλμα in Hermione. — Unerklärtes Fremdwort. Verfehlte idg. Etymologie bei Fick BB 6, 211. I-233
βήλημα · κώλυμα, φράγμα ἐν ποταμῷ. Λάκωνες H. — Dazu messen. ἤλημα. — Aus *ϝέλ-νημα, s. εἴλω und ἁ̄λής. I-233
βηλός und βῆμα s. βαίνω. I-233
βήξ, βηχός (auch βηκός, s. Schulze Kl. Schr. 703) m. f. ‘Husten’ (ion. att.). Ableitungen: Deminutivum βηχίον, auch Pflanzenname ‘Hustenkraut, Tussilago farfara’ (Lehnübersetzung), als Heilmittel gegen Husten (Lehmann KZ 41, 94, Strömberg Pflanzennamen 8 5f.); in derselben Bedeutung auch βηχικόν (Paul. Aeg.). βηχία(ς), -ίαι ‘Heiserkeit’ (Nikomach. Math., Menipp.). — βηχώδης und βηχικός (Mediz.). — Denominativum βήσσω, Aor. βῆξαι ‘Husten’ (ion. att.) mit βῆγμα (Hp.). — Wie mehrere andere Krankheitsbezeichnungen stellt auch das Wurzelnomen βήξ als Nomen agentis das Leiden als eine lebendige Macht dar (ohne daß man es sich darum mit Radermacher WienAkSb 202, 1 S. 10 A. 2 als einen "Hustendämon" vorzustellen braucht). An und für sich kann βήξ auch postverbal zu βήσσω sein. — Herkunft unbekannt, vielleicht ursprünglich onomatopoetisch. I-233-234
βήρυλλος f. N. eines Edelsteins, ‘Beryll’ (LXX usw.), βηρύλλιον ‘ds.’ (LXX, D. S.). Davon βηρύλλιος Pflanzenname (Ps.-Dsk.) und βηρυλλίτης (λίθος, Cat. Cod. Astr.). — Mit dem Stein ist auch die Benennung im hellenistischen Zeitalter aus Indien gekommen: prākrit veruliya aus veḷuriya (sanskritisiert vaiḍūrya-). Das Wort ist dravidisch und wahrscheinlich von Vēḷūr, jetzt Bēlūr, N. einer Stadt in Südindien, abgeleitet, s. Master BSOAS 11, 304ff. — βήρυλλος ist aus βηρύλλιον rückgebildet, s. Leumann Glotta 32, 215 A. 6. I-234
βῆσσα, dor. βᾶσσα f. ‘Schlucht, Bergmulde, Tal’ (poet. seit Il.), übertr. als N. eines Trinkbechers (Ath.); im letzteren Sinn auch βησ(σ)ίον (Pap.). Ableitung βησσήεις (Hes. u. a.). — Wenn man βένθος als Neubildung ansieht (vgl. zu βαθύς), kann βῆσσα aus *βᾱθ-ι̯ᾰ als feminine Ableitung eines Wurzelnomens (vgl. unten) oder eines Verbs (Schwyzer 473f.) die Hochstufe von βαθύς enthalten. Aus anderen Sprachen ist besonders zu vergleichen aw. vi-gāϑ- f. ‘Schlucht’, Wurzelnomen wie *βηθ-, *βᾱθ-; daneben steht im Altindischen das thematische Verb gā́hate und das ebenfalls thematische Nomen gāhá- m. ‘Tiefe’; die Wortsippe ist auch im Keltischen vertreten, z. B. air. bāidim ‘untertauchen, ertränken’. — Ausführlich über βῆσσα Schwyzer RhM 81, 193ff. (auch über ngr. ON); WP. 1, 665, Pok. 465. Vgl. βυθός. I-234
βητάρμων m. ‘Tänzer’ (θ 250, 383, Man., Nonn.) "ἀπὸ τοῦ ἡρμοσμένως βαίνειν" H. Daraus als scheinbares Grundwort βηταρμός ‘Tanz’ (A. R. 1, 1135). — Das Hinterglied kann nicht gut von ἁρμονία usw. (s. d.) getrennt werden und regiert als Verbalnomen das Vorderglied (vgl. z. B. πολυ-κτήμων; dazu Sommer Nominalkomp. 12 m. A. 2, 117). Dies enthält ein Nomen von βῆ-ναι, über dessen Bedeutung und Form sich nichts mit Bestimmtheit sagen läßt. Ansprechend vermutet Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 35 Haplologie aus *βηματ-άρμων; nach Brugmann Sächs. Ges. Ber. 51 (1899) 199 A. 1 ist das Vorderglied entweder *βητος, *βητη oder (mit Dissimilation) *βῆτρον = aind. gā́tram ‘Glied’. Anders Belardi Doxa 3, 198: βη-τ- (Nom. *βής) wie δω-τ- (Nom. δώς). — Abzulehnen Bechtel Lex. 81f.; s. Knecht Τερψίμβροτος 34 und Schwyzer 442 A. 6. I-234
βίᾱ, βίη f. ‘Kraft, Gewalt’ (seit Il.). Ableitungen: βίαιος ‘gewaltsam’ (seit Od.) mit βιαιότης (Redner); βιατά̄ς m. ‘stark’ (Alkm., Pi., AP). Denominatives Verb βιάομαι, βιάω (seit Il.; wohl ursprünglich primär, vgl. unten), erweitert βιάζομαι, βιάζω (seit Il.; metrisch abwechselnd, Shipp Studies 119; zu βία : βιάομαι : βιάζομαι ausführlich Schwyzer Mélanges Pedersen 66) ‘Gewalt anwenden, bewältigen, erzwingen’; — von βιάζομαι : βιασμός ‘Gewaltanwendung’ (Eup. usw.), βιαστής (Ev. Matt.) und βιαστήρ (Gorg.) ‘gewalttätiger Mensch’, βιαστικός ‘Gewalt übend’ (Pl., Arist. usw.). — Zu βινέω s. bes. — In βία ist ein altes zweisilbiges Wurzelnomen bewahrt, das in identisch gleicher Form auch in aind. j(i)yā́ ‘Übergewalt’ fortgesetzt wird; zum Lautlichen Meeussen KZ 65, 261ff. Zu dem nasalinfigierten ji-n-ā́ti und dem hochstufigen thematischen jáyati bietet das Griechische dagegen keine Entsprechungen, ebensowenig wie das Präsens βιάομαι im Altindischen ein Gegenstück hat. Zum Futurum βιή-σεται (Emp.) vgl. indessen das im Ablaut identische Futurum jyā-syáti. I-235
βιβάζω, βιβάς, βιβάσθων, βιβάσκω s. βαίνω. I-235
βίβλος, älter (s. unten) βύβλος f. N. der ägyptischen Papyrusstaude, ‘Cyperus Papyrus’, ‘Papyrusbast, -rolle, Papier’ (Hdt., A. usw.). Davon βύβλινος (seit Od.), βίβλινος (Pap.) ‘aus Papyrus gemacht’; βυβλιά (Akz. nach Wackernagel-Debrunner Phil. 95, 191f.) ‘Papyrusbeet’ (Tab. Heracl.; unsicher, s. Scheller Oxytonierung 47). — Ferner βυβλίον, durch Assimilation βιβλίον (woraus βίβλος; anders Kretschmer KZ 57, 253 A.) ‘Papier(blatt), Buch’ (ion. att.; zur Bildung Chantraine Formation 59); davon βιβλιακός ‘zum Buch gehörig, gelehrt’ (Plb. usw.). Deminutivbildungen: βιβλί̄διον (βυ-) ‘Büchlein, libellus’ (D. usw.; aus βιβλι-ίδιον? Schulze Q. 353; anders Chantraine 69); auch βιβλ(ι)άριον (βυ-), βιβλ(ι)αρίδιον, βιβλιδάριον. — Durch Rückbildung steht -βιβλος (zu βιβλίον) für *-βιβλιος im Hinterglied, s. Debrunner IF 60, 42f. — Der Papyrusbast (und danach die Papyrusstaude) wurde nach der phönikischen Hafenstadt Byblos (Gubla, Gebal) benannt, von wo aus der Bast nach Verarbeitung zu den Griechen exportiert wurde. Lewy Fremdw. 172; außerdem Schwyzer 141 m. A. 4, 153. — Anders Alessio Studi etr. 18, 122. I-235
βιβρώσκω, ‘(auf)essen, verzehren’ (seit Il.); βέβρωκα, ἔβρων usw. (zu den einzelnen Formen s. unten). Mehrere Ableitungen, die alle von der Wurzelform βρω- ausgehen. Nomina actionis: βρωτύς (ep. poet.) und βρῶσις (ep. ion. hell.) ‘Speise, Nahrung’ (Versuch einer semantischen Differenzierung bei Benveniste Noms d’action 67; noch unglaubhafter über die Bedeutung Holt Les noms d’action en -σις 80ff.; vgl. noch Porzig Satzinhalte 184); im selben Sinn auch βρώμη (ep. seit Od.) und βρῶμα (ion. att.) mit βρωμάτιον (Ath.) und βρωματίζω ‘zu essen geben’ (Aq.); außerdem βρωτόν (: ποτόν; E., X. usw.); von βρῶσις : βρώσιμος ‘eßbar’ (A. usw.; nach πότιμος, ἐδώδιμος, Arbenz Die Adj. auf -ιμος 50f.). — Nomen agentis: βρωτήρ ‘Fresser, fressend, verzehrend’ (A. usw.), im Sinn von ‘Motte’ auch βρωστήρ (Aq.). — Adj. βρωτικός ‘gefräßig’ (Hp., Arist. u. a.). — Deverbativum: βρωσείω ‘zu essen wünschen, hungrig sein’ (Kall.). — Zu βούβρωστις s. bes. — Das Verb βιβρώσκω nebst den obengenannten Ableitungen hat sich vom Perfekt βέβρωκα (Il.; vgl. πέπωκα; daneben der einmalige Opt. βεβρώθοις Δ 35; vgl. dazu Chantraine Gramm. hom. 1, 429; anders, nicht besser, Schwyzer 662), βέβρωμαι (A.), wohl auch vom Aorist ἔβρων (h. Ap. 122) aus zu einem vollständigen Paradigma entwickelt: Fut. βρώσομαι (hell.), Präs. βιβρώσκω (Babr.), βρώζω (Herod.), ἀναβρώσκων (H.). Auch neue Aoristformen traten hinzu: ἐβρώθην (Hdt.), ἔβρωσα, -ξα (hell., vgl. βρόξαι). — Sogar die ältesten Formen dieses weitverzweigten Paradigmas stehen isoliert. Nur das Verbaladjektiv βρωτός ‘eßbar’ (E. X. usw.; alt?) kann im Ablaut zu lit. gìrtas ‘betrunken’ und zu aind. gīrṇá- ‘verschlungen’ stimmen, obwohl das etwas unsicher ist; s. zu dieser schwierigen Frage Schwyzer 360f. Sonst weichen die verschiedenen Sprachen stark voneinander ab: z. B. arm. Aor. 3. sg. eker (idg. *e-gu̯er-et = gr. *ἔδερε, *ἔβερε) neben dem Präs. utem (zu idg. ed-) mit demselben Suppletivsystem wie ursprünglich für das Griechische vermutet werden kann; aind. Perf. jagāra (idg. *gu̯e-gu̯or-e = gr. *βέβορε), Aor. garat, gārīt, wozu Präs. giráti, formal = aksl. žьrǫ, aber trotzdem wahrscheinlich parallele Neubildungen; lat. vorāre, s. zu βορά. Das griechische System hat sich somit schon in ältester Zeit ausgeglichen, wobei die Wurzelform βρω- von einem nicht sicher festzustellenden Ausgangspunkt weiterwucherte. Unabhängige Bildungen haben sich nur in βάραθρον und βορά (-βόρος) ebenso wie in dem abseitsstehenden δέρη (s. dd.) erhalten. I-235-236
βιδυ(ι)οι, βιδεοι m.Pl. "Aufseher", Bez. spartanischer Beamten, die mit Aufsicht über die männliche Jugend beauftragt waren (Lakonien, Messenien [IIa-Kaiserzeit], Paus.). — Aus *ϝιδυσ-ι̯οι, d. h. der Schwundstufe des Ptz. Perf. εἰδώς; vgl. hom. ϝιδυῖα (s. οἶδα). Eine ähnliche Bildung ist in βέβαιος vermutet worden, s. d. — Ausführlich über die Form, einschließlich des Akzents, Kalén Quaestiones grammaticae graecae (GHÅ 24 [1918]: 1) 5ff., wo auch eine unsichere Theorie über den Übergang υ(ι) > ε. S. auch Schwyzer 540. I-236-237
βιζακίων · μικρῶν λίθων Suid. — Lewy KZ 59, 190 vergleicht u. a. aram. bizqā, bīzeqā ‘abgebrochenes Stück, Scherbe, Steinchen’. I-237
βῖκος m. ‘Gefäß mit Henkeln’, auch als Maß (Hdt., X., Pap. usw.; zur Verbreitung Solmsen Wortforsch. 65 m. A. 2). Deminutiva: βικίον (Pap., Dsk. [v. l.], Gp.), βικίδιον Suid. — Wahrscheinlich ägyptisches Wort; vgl. äg. bꜣḳ.t ‘Ölgefäß als Maß gebraucht’ (Nencioni Stud. itfilcl. 16, 223). S. auch βαυκάλιον. I-237
βῑνέω, Ipf. βινεσκόμην, Fut. βινήσω ‘coïre, futuere, τὸ βίᾳ μίγνυσθαι’ (Kom., Sol. ap. H.). Davon das desiderative βινητιάω (Ar., Luk.), wie von *βινητής; vgl. ὠνητιάω : [ὠνητής :] ὠνέομαι. — Niedriges Wort, das sich eben deswegen einer genauen Analyse entzieht. Gewöhnlich zu βία ‘Gewalt’ gezogen (vgl. ζάει· βινεῖ H.), aber weder aind. jinā́ti ‘überwältigen, bedrücken’ noch das nur bei den Gramm. belegte Ptz. jī-na- = *βῑνός geben eine befriedigende Anknüpfung. Auch der Anschluß an npers. gāyad ‘futuit’ (Lidén IF 19, 328) bleibt bei einer unsicheren Wurzeletymologie stehen. I-237
βιός m. ‘Bogen’, auch ‘Bogensehne’ vereinzelt möglich (Trümpy Fachausdrücke 66f.; Il. usw.). Keine Ableitungen. — Bis auf den Auslaut mit aind. j(i)yā́, aw. ǰyā ‘Sehne (des Bogens)’ identisch; zum Lautlichen Meeussen KZ 65, 261ff. Da die fem. ŏ-Stämme im Indoiranischen, u. a. durch Umgestaltung zu ā-Stämmen, verlorengegangen sind, würde ein urspr. fem. βιός den Stammunterschied erklären, s. Schwyzer-Debrunner 32 A. 4. — Unsicher ist die Zugehörigkeit von lit. gijà ‘Faden’, aksl. ži-ca ‘Sehne’, s. WP. 1, 194 m. Lit., Pok. 481. I-237
βίος m. ‘Leben(sführung), Lebensunterhalt, Vermögen’ (seit Od.). Daneben als primäre Bildungen βιοτή f. ‘Leben(sart), Lebensunterhalt’ (vorw. poet. seit Od.), βίοτος m. ‘Leben, Lebensgut’ (poet. seit Il.; nach θάνατος neugebildet?, s. Porzig Satzinhalte 343) mit dem herabsetzenden Deminutiv βιότιον (Ar.); mit anderem Vokalismus kret. βίετος (vgl. unten); außerdem als vereinzelte Umbildung nach den Adjektivabstrakta βιότητα Akk. (h. Hom. 8, 10 am Versende). — Von βίοτος oder βιοτή (nicht von βιότης) das Adj. βιοτήσιος ‘lebenserhaltend, lebenslang’ (A. R., AP u. a.; nach βροτήσιος usw.; vgl. Chantraine Formation 41f.); ferner das denominative βιοτεύω ‘leben, sein Leben erhalten’ (Pi., Th. usw.), wovon βιοτεία (X., Plb.) und βιότευμα (Sokr. Ep.). Neben βίος stand ein primärer langvokalischer Wurzelaorist ἐβίω-ν, βιῶ-ναι (seit Il.), zu dem nach und nach die übrigen Tempusformen hinzugeschaffen wurden: σ-Aor. Med. trans. (kaus.) ἐβιώσαο (θ 468), Akt. intr. ἐβίωσα (Hdt.), Fut. βιώσομαι, Perf. βεβίωκα, außerdem das auch kausativ gebrauchte (ἀνα)βιώσασθαι, (ἀνα)βιώσκομαι; zuletzt, für ζώ-ω, ζῆν, das Präsens βιόω. Alt war dagegen das futurisch gebrauchte βέομαι, βέῃ (O 194 u. a.), βείομαι (X 431; metr. Verlangerung?), βιόμεσθα (h. Ap. 528; Umbildung nach ἐβίων?); zur Erklärung s. unten. — Von ἐβίων usw.: βίωσις ‘Lebensweise’ (LXX, NT u. a.), ferner (oder von βίος) βιωτός ‘lebenswert’ (att.) mit βιωτικός ‘auf das Leben bezüglich, lebensfähig’ (Arist., Plb. usw.). Dagegen βιώσιμος ‘lebensfähig’ (Hdt., Soph. usw.) zunächst nach θανάσιμος (: θάνατος) von βίοτος oder βίος in Anlehnung an ἐβίων; unklar Arbenz Die Adj. auf -ιμος 71f. — Für sich steht, mit δ aus idg. gu̯ (s. unten), herakl. ἐνδεδιωκότα, falls = ἐμβεβιωκότα, vgl. Schwyzer 300. — Der Aorist ἐβίων fußt auf einer zweisilbigen idg. Wurzel gu̯ii̯ō- mit schwundstufiger Anfangs- und hochstufiger Endsilbe. Die entsprechende ē-Stufe, gu̯ii̯ē-, liegt in ὑ-γιής (mit Übertritt zu den σ-Stämmen) vor, s. d. Neben dieser Wurzelform stehen im Griechischen noch folgende : 1. Als rhythmische Wechselform gu̯i̯ō-, gu̯i̯ē- in ζώ-ω, ζῆν (s. d.). 2a. Mit reduzierter Endsilbe -ŏ (vgl. δο-τός : δί-δω-μι) in βιο-τή, βίο-τος (vgl. ἄρο-τος), idg. gu̯ii̯ə-; ebenso in βίο-ς, das somit als ein zweisilbiges Wurzelnomen betrachtet werden darf; vgl. indessen unten. 2b. Mit reduzierter Endsilbe -ĕ (θε-τός : τί-θη-μι; idg. gu̯ii̯ə-) evtl. in kret. βίετος, falls nicht Umbildung nach den Nomina auf -ετος. 3. Mit hochstufiger Anfangssilbe und reduzierter Endsilbe, wobei der Reduktionslaut vor dem hinzutretenden Themavokal gesetzmäßig wegfiel: gu̯ei(ə)ŏ-, gu̯ei(ə)ĕ- in βέομαι, βέῃ, die dann als kurzvokalische Konjunktive des Aorists ἐβίων zu gelten haben. Die Erklärung dieser offenbar alten Formen kann indessen nicht als sicher betrachtet werden, s. Schwyzer 780 m. A. 8, Chantraine Gramm. hom. 1, 452 m. Lit.; jedenfalls verfehlt Bechtel Lex. s. βείομαι. Die übrigen idg. Sprachen bieten von dieser vielgestaltigen Wortgruppe keine Formen, die den oben genannten unmittelbar entsprechen. Wir müssen uns deshalb mit einem Vergleich der einschlägigen Wurzelformen begnügen. Wir finden dabei: 1. die in ἐ-βίω-ν vorliegende langvokalische Stufe idg. gu̯ii̯ō-, gu̯ii̯ē- in aw. ǰyā-tu- ‘Leben’ = aind. *jiyā-tu-, nach jívati in jīvā́tu- umgebildet; aw. ǰyā-tu- entspricht, wenn zweisilbig gelesen, idg. gu̯i̯ō-, gu̯i̯ē- in ζώ-ω, ζῆ-ν; 2. die für βέομαι angenommene Hochstufe gu̯ei(ə)-, gu̯oi(ə)- in aw. gaya- ‘Leben’, aind. gáya- m. ‘Lebensgut’, idg.gu̯oi(ə)ŏ-; 3. die für βίοτος usw. angesetzte Schwundstufe gu̯ii̯ə- vielleicht in arm. kea-m ‘ich lebe’ (vgl. arm. ara-wr ‘Pflug’ gegenüber ἄρο-τρον); anders Meillet Esquisse2 110. — Dagegen vermißt man im Griechischen die einsilbige Reduktionsstufe gu̯ī-, die z. B. in aw. ǰī-ti-, aksl. ži-tь, wohl auch in lat. vīta, osk. bíitam (Akk.) vorliegt (vgl. W.-Hofmann s. vīvō). Auch die davon ausgehende u-Erweiterung in lat. vīvus, aind. jīvá-, aksl. živъ usw. ‘lebendig’ und in vīvō, aind. jī́vati, aksl. živǫ ‘leben’ fehlt im Griechischen, wo sie indessen in ζωϝός (s. ζώ-ω) zutage tritt. (Nach Specht KZ 62, 111 A. 2 ist deshalb βιῶ-ναι von gu̯ii̯ō(u̯)- ausgegangen; jedenfalls nicht zu beweisen). Die kurzvokalische Nebenform gu̯ĭu̯o- in got. qius, air. beo ‘lebendig’ ist auch für βίος (als *βίϝος) angesetzt worden (z. B. WP. 1, 670), ohne Not und nicht wahrscheinlich, s. Meillet BSL 26, 16ff.; jedenfalls sind βιο-τή und βίο-τος am leichtesten als Primärbildungen verständlich. I-238-239
βίρρος m. ‘Art Überwurf’ (Artend., Pap.). Deminutiv βιρρίον (Pap.). — Aus lat. birrus ‘ds.’, ursprünglich wohl keltisch, vgl. mir. berr, kymr. byrr ‘kurz’. W.-Hofmann s. birrus m. Lit., außerdem Friedmann Die jon. und att. Wörter im Altlatein 92. I-239
βίττακος m. ‘Papagei’ (Eub., Ktes.). — S. ψιττακός; dazu Nehrung Glotta 14, 184f. (Entlehnung aus einer asiatischen Sprache). I-239
βλάβη βλάβος n. f., ‘Schaden’ (ion. att., nicht Hom.). Davon βλαβερός ‘schädlich’ (Hes., ion. att.), zu ἀβλαβής wie z. B. κρατερός zu ἀκρατής (vgl. Schwyzer 482); außerdem, nach den poetischen Adj. auf -όεις, βλαβόεις (Nik.) und βλαβύσσειν· βλάπτεσθαι H. — Neben βλάβη, βλάβος steht seit alters (Il. usw.) das primäre βλάπτω, βλάψαι, ἐβλάβην ‘schädigen’, vereinzelt (T 82, 166 = ν 34) ohne Präsenssuffix βλάβεται; nach gewöhnlicher Annahme (Schwyzer 685, Chantraine Gramm. hom. 1, 311) eher alt als zu ἐβλάβην neugebildet. Von βλάπτω: βλαπτικός (Ph., Arr. usw.) und βλαπτήριος (Opp.); vgl. Chantraine Formation 396 bzw. 43ff.; außerdem βλάψις (Pl.). — Im Kretischen mit abweichendem Stammauslaut und Vokalismus: ἀβλοπές· ἀβλαβές H., ἀβλοπία = ἀβλάβεια, καταβλαπεθαι = -εσθαι (Inschr.). Die durchgehende Schwachstufe der Wurzel (kret. -λο- steht dialektisch für -λα-) hat vom Präsens und von dem η-Aorist aus sämtliche verbale und nominale Formen erobert. Die Nomina βλάβη und βλάβος sind also wenigstens in ihrer jetzigen Form dem Verb gegenüber sekundär; vgl. aber unten. — Da βλαβ- wegen der kretischen Formen sehr wohl aus βλαπ- assimiliert sein kann (Schwyzer 257), ist es möglich, damit aind. mŕ̥c- f., marká- m. ‘Beschädigung, Zerstörung’, mr̥k-tá- ‘beschädigt’, marcáyati ‘beschädigen’ und entsprechende awest. Formen, məhrk- f. usw., gleichzusetzen. Mit βλάπτω kann also (das allerdings unsichere) aind. mr̥c-ya-ti identisch sein. Hinter βλάβ-η, βλάβ-ος liegt dann wahrscheinlich ein Wurzelnomen *βλάψ = aind. mŕ̥c-, aw. məhrk-. — Dagegen bleiben lat. mulceō, mulcō sowohl wegen des Gutturals wie wegen der Bedeutung fern, s. W.-Hofmann s. vv. Vgl. auch βλάσφημος. I-239-240
βλαγίς · κηλίς. Λάκωνες H. — Höchst unsichere Vermutung bei v. Blumenthal Hesychst. 23f. mit einem Versuch, auch βλαί<ς>· βλητή. Λάκωνες H. daran anzuschließen. I-240
βλαδεῖς auch βλαδόν· ἀδύνατον (für βλαδύν?) H. · ἀδύνατοι ἐξ ἀδυνάτων, βλαδαρόν· ἐκλελυμένον, χαῦνον, βλάδαν· νωθρῶς, — βλαδύς (= aind. mr̥dú-, lat. mollis) und βλαδαρός sind auch in der Literatur zu verspüren, s. ἀμαλδύνω und Debrunner IF 60, 324. Die herkömmliche Zusammenstellung mit ἀμαλδύνω wird u. a. von Fraenkel IF 51, 149 verteidigt. — Unannehmbar v. Blumenthal Hesychst. 15: messap.-illyr. zu φλαδεῖν. I-240
βλαισός ‘auswärts gekrümmt, krumm(beinig), sich ringelnd’ (Hp., X., Arist. usw.). Davon als Erweiterung βλαισώδης, ferner βλαισότης und das denominative βλαισόομαι mit βλαίσωσις (alles Arist. und Gal.). — Bildung wie γαυσός, γαμψός, λοξός und andere volkstümliche Wörter (Chantraine Formation 434, Specht Ursprung 199f.). Sonst unerklärt; daraus wahrscheinlich trotz der abweichenden Bedeutung (durch oskische Vermittlung?) lat. blaesus ‘lispelnd, lallend’; s. W.-Hofmann s. v. I-240
βλά̄ξ, -κός m. f. ‘schlaff, stumpfsinnig, dumm’, auch als Fischname (Erot.); zur Erklärung Strömberg Fischnamen 33f. Davon βλακικός und βλακώδης ‘ds.’; βλακότης; auch βλακίας· ἰχθὺς ποιός H. — Denominatives Verb βλακεύω ‘schlaff usw. sein’ mit βλακεία und βλάκευμα. — Im Gegensatz zu den zahlreichen sekundären Ableitungen auf -ᾱξ, die namentlich der attischen Komödie angehören (γαύραξ, πλούταξ, στόμφαξ usw.), hat das mutmaßlich primäre und adjektivisch gebrauchte βλά̄ξ nebst Ableitungen einen weniger affektiven Stilcharakter und demgemäß eine weitere Verbreitung (Hp., Heraklit., Pl., Ar., X., Arist. usw.). Wegen des ᾱ muß es ins Ion.-Attische von außen her eingedrungen sein; vgl. Björck Alpha impurum 2 67f. — Wenn, wie wahrscheinlich, μαλακός damit zu verbinden ist, unterscheidet es sich ablautsmäßig davon nur durch die einsilbige Hochstufe *μλᾱ- > βλᾱ-, die sich u. a. sowohl im Indo-Iranischen, z. B. aind. mlā-tá- ‘weich’ (dazu Thieme KZ 66, 235ff.), wie im Keltischen, z. B. air. mlāith ‘sanft, weich’ (< *mlā-ti-), findet; sehr fraglich dagegen lat. flaccus, s. Ernout-Meillet und W.-Hofmann s. v. — Verwandt ist βληχρός, s. d.; vgl. noch μαλακός, μύλη, ἀμαλδύνα und andere daselbst genannte Wörter. I-240-241
βλαστάνω, ‘keimen, sprossen’ (A., Pi. usw.), Aor. βλαστεῖν intr. Fut. βλαστήσω (Thphr.), Aor. 1 ἐβλάστησα ‘hervorbringen’ (Emp., Hp. usw.), Perf. βεβλάστηκα (Hp. usw.), ἐβλάστηκα (E.); dazu neue Präsentia βλαστέω und βλαστάω, wohl denominativ, s. unten. Verbalnomina: βλάστημα ‘Keim, Sproß’ (A. usw.; zur Bildung Chantraine Formation 177f.), danach vereinzelt βλαστημός ‘Wachstum, Sproß’ (A.); βλάστησις ‘das Keimen, das Sprossen’ (Arist., Thphr.) mit βλαστητικός ‘keimend, sprossend’ (Thphr.). Daneben direkt vom Verb βλαστικός ‘ds.’ (Thphr. usw.). Als Rückbildungen vom Verb sind zu betrachten βλαστός ‘Keim, Sproß, Stengel’ (Hdt., S., Thphr. usw.) und βλάστη auch ‘Ursprung, Geburt’ (S., Pl. usw.); zur Bedeutung Fraenkel Nom. ag. 2, 138f., wo auch über den Plur. βλάστα. Deminutiv βλαστάριον· ἕλιξ ἀμπέλου EM. Erweiterte Form βλαστεῖα (Nik.), nach den zahlreichen Nomina auf -εῖον (Chantraine 60f., Mayser Pap. 1: 3, 12ff.). — Von βλαστός, βλάστη wahrscheinlich βλαστέω ‘keimen’ (Thphr.) und βλαστάω ‘hervorbringen’ (LXX) ebenso wie βλαστόω (An. Ox.). — Der Aorist βλαστεῖν, von dem schließlich alle übrigen verbalen und nominalen Formen ausgehen, läßt sich in βλασ-τεῖν, βλα-στεῖν (s. βαστάζω) oder *βλαθ-τεῖν zerlegen. Im letzten Fall bietet βλωθρός ‘hochragend’ (s. d.) einen möglichen Anhalt (Schulze KZ 28, 281 = Kl. Schr. 362); sonst kann man bei μολεύω ‘die Ausläufer beschneiden’ (s. d. und βλώσκω) Anknüpfung suchen. Bei einer Analyse βλασ-τεῖν macht das σ Schwierigkeiten. Zum τ-Element vgl. Schwyzer 704ff. — Aus anderen Sprachen bietet nur ahd. blat usw. ‘Blatt’ einen semantisch ansprechenden Vergleich (Hirt PBBeitr. 23, 305f.); es gehört aber wahrscheinlich zu lat. flōs usw., s. φύλλον. I-241
βλασφημέω, βλασφημῆσαι ‘schmähen, lästern, verleumden’ (Pl., Redner, Arist. usw.). Daneben βλασφημία ‘Schmähung, Verleumdung, Gotteslästerung’ (Demokr., E., Pl., Redner usw.) und, erheblich seltener und im ganzen später, βλάσφημος ‘lästernd, verleumdend, der Verleumder’ (D., Arist., LXX usw.). — Nach den Belegen zu schließen sind βλασφημέω und βλασφημία (vgl. besonders die gegensätzlichen Begriffe εὐφημέω und εὐφημία) älter als ihr angebliches Grundwort βλάσφημος. Es handelt sich somit wahrscheinlich um eine Bildung wie καλλιερέω (: καλὰ ἱερά), ἀνδραγαθέω, ἀνδραγαθία (: ἀνὴρ ἀγαθός), δειροτομέω (: δειρὴν τέμνειν), πολιορκέω, πολιορκία (: πόλις, ἕρκος), die nach dem Muster von z. B. οἰνοχοέω : οἰνοχόος : οἶνον χεῖν direkt aus einer Wortgruppe gebildet worden sind, vgl. Schwyzer 726. In βλασφημέω, βλασφημία fungiert als Hinterglied φήμη; der vordere Bestandteil hat mehrere hypothetische Deutungsversuche hervorgerufen (βλάβος, μέλεος usw., s. Bq). — Es verdient notiert zu werden, daß auch die Synonyme κερτομέω, λοιδορέω (s. dd.) in ihren Anfangsgliedern unklar sind. In allen diesen Fällen haben wir es mit expressiven und volkstümlichen Wörtern zu tun, die einer logischen Zerlegung spotten. I-241-242
βλαττοῖ · παιδαριεύεται H. — Latte ad loc. vergleicht lat. blatiō, blaterō ‘plappern, schwätzen’, mit denen es als Lallwort wenigstens elementarverwandt ist, vgl. βαβάζω. — Andere Hypothese bei Debrunner GGA 1910, 7. I-242
βλαύτη f. ‘Pantoffel, Sandale’ (Kom., Pl., Herod.). Deminutivum βλαυτίον (Ar. u. a.). Faktitives Verb βλαυτοῦν· ὑποδέειν. ἢ πλήσσειν σανδαλίῳ, οἱ δὲ ὑποδήματι H. (aus Men.). — Fremdwort, vgl. Schwyzer 61. — βλαῦδες· ἐμβάδες usw. H. ist nach ἐμβάδες aus βλαῦται entstellt, evtl. umgebildet. I-242
βλεμεαίνω (σθένεϊ βλεμεαίνων, -νει Θ 337 usw., immer am Versende) ‘sich brüsten, trotzen’. Daneben ἀβλεμής ‘kraftlos’ (Nik., Longin.), -έως ‘unmäßig’ (?; Panyas.). — Bildung wie μενεαίνω und vielleicht als Reimwort dazu geschaffen, s. Güntert Reimwortbildungen 151 m. Lit. Es steht jedenfalls neben *βλέμος in ἀ-βλεμής wie μενεαίνω neben μένος und ist als denominativ davon zu verstehen; näheres s. μενεαίνω. — Ohne Etymologie. I-242
βλέν(ν)ᾰ (Hp. u. a.), βλέννος n. (Arist.) f. ‘Rotz, Schleim’. Ableitung βλεννώδης ‘rotzig, schleimig’ (Hp., Arist.). Daneben βλεν(ν)ός ‘rotzig, schleimig, dumm’ (Epich., Sophr.), mit regelmäßig zurückgezogenem Akzent βλέννος m. N. eines Fisches (Sophr., Opp., H. als Erklärung von σιαλίς), vgl. Strömberg Fischnamen 29. — Da die Gemination expressiv sein kann (Meillet BSL 26, 15f.), wird jede Erklärung sehr unsicher. An und für sich dürfte nichts hindern, βλέννος auf *μλεδ-σ-νος zurückzuführen (Schwyzer 322 m. Lit., Lejeune Traité de phonétique 105; anders Specht KZ 62, 213f.) mit Anschluß an aind. ū́rṇa-mradas- ‘wollen-weich’ (= gr. *-βλεδής), Präs. mr̥dnāti, mardati, auch (vi)-mradati (< *-mled-eti) ‘erweicht’ (zu mr̥dú- ‘weich’; s. ἀμαλδύνω), mr̥t-s-nā f. ‘(guter) Lehm’, wozu u. a. noch, mit unsicheren Grundformen, aind. maṇḍa- m. n. ‘Schaum von gekochtem Reis’, mir. blind ‘eines toten Mannes Speichel’; s. Brugmann IF 6, 103 A. 1; WP. 2, 288, Pok. 718. Der sehr beschränkte Wert dieser Kombinationen liegt indessen auf der Hand. I-242-243
βλέπω, Aor. βλέψαι, übrige Formen spät ‘blicken, sehen, schauen’, oft mit Präposition, ἀνα-, ἀντι-, ἀπο- usw. (vorw. att., hell. und spät, nicht bei Hom.; zur Bedeutung Bloch Suppl. Verba 105f.). Ableitungen: βλέψις ‘das Sehen’, ἀνά-, ἀντί-βλεψις usw. (X., Arist. usw.) mit βλεψίας N. eines Fisches (Strömberg Fischnamen 42); βλέμμα ‘Blick, Auge’ (att. usw.); daneben vereinzelt βλέπος ‘ds.’ (Ar., vgl. Schwyzer 512) und βλέπησις ‘ds.’ (Ar. [falsche Konj. in PHolm. 16, 33], nach αἴσθησις usw., s. Chantraine Formation 279). — Adj. βλεπτικός ‘mit dem Sehen begabt’ (Hdn. u. a.). — Expressive Deverbativa : βλεπάζοντες· βλέποντες und βλεπετύζει· βλέπει H., viell. für βλεπετίζει, vgl. χρεμετίζει (Debrunner IF 21, 268). — Zu βλέφαρον s. bes. — Statt βλέπω steht bei Alkman 23, 75 ποτι-γλέποι Opt. (dagegen Epid. [IVa] ποτι-βλέψας) wie γλέφαρον für βλέφαρον (auch Pi.); das Schwanken β~γ legt die Annahme eines labiovelaren Anlauts gu̯- nahe, der durch Dissimilation vor dem folgenden π sein labiales Element eingebüßt hätte, s. Schwyzer 298f. m. Lit.; vgl. noch v. Blumenthal Hesychst. 21, der auf maked. γλέπου = βλέπω hinweist. — Etymologie unbekannt. I-243
βλέτυες · αἱ βδέλλαι H. — Als Bildung auf -τυ- ist βλέτυς zunächst als ein Nomen actionis zu verstehen, das in ein Nomen agentis übergegangen ist (vgl. z. B. die Beispiele bei Brugmann Grundr.2 2: 1, 610f.); der Akzent, wenn richtig überliefert, wie in μάρτυς u. a. Der Stamm findet sich auch in καταβλέθει und καβλέει· καταπίνει, βλεῖ· βλίσσει, ἀμέλγει, βλίζει H.; zu bemerken noch βλωμός (s. d.) und βλῆρ· δέλεαρ H., EM (als äolisch bezeichnet), das nicht nur für *βλῆ-αρ (Schulze Q. 102f.), sondern auch für *βλέ-αρ stehen kann. Zum Vokalismus in βλέ-τυς usw. vgl. z. B. πτε-ρόν. Somit bedeutet βλέτυς eigentlich ‘das Trinken’ > ‘die Trinkerin’ (vgl. βδέλλα). Weitere Verwandte s. δέλεαρ. Vgl. auch βλῆραι. I-243
βλέφαρον, -α n. gewöhnl. pl. ‘Augenlider’, poet. auch ‘Augen’ (seit Il.). Davon βλεφαρίδες f. pl. (selten sg.) ‘Augenwimpern’, auch ‘Augenlider’ (Ar., X., Arist.); im selben Sinn βλεφαρίτιδες τρίχες (Paul. Aeg.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 105); βλεφαρικός ‘auf die Augenlider bezüglich’ (Cael. Aur.); βλεφαρίζω ‘blinzeln’ (Sch.). — Wie neben βλέπω γλέπω, so auch neben βλέφαρον γλέφαρον (Pi., Alkm.). Ursprüngliche Verwandtschaft mit βλέπω ist nicht glaubhaft, aber wahrscheinlich wurde es im Zusammenhang mit der Bedeutungsverschiebung zu ‘Augen’ damit assoziiert, wobei auch der Anlaut nach βλέπω umgebildet werden konnte (Brugmann Grundr.1 2, 1157 A. 1). — Unwahrscheinliche Etymologien sind bei Bq notiert. I-243-244
βλῆραι · αἱ κνίδαι. ἄλλοι χόρτον. οἱ δὲ τῶν ὀσπρίων τὴν καλάμην H. — Unhaltbare Hypothese bei Strömberg Wortstudien 54f. Die Bedeutung ‘χόρτος’, d. h. ‘Futter’ macht eine Anknüpfung an die Wortsippe von βλῆρ (s. βλέτυες) möglich. I-244
βληστρίζω s. βάλλω. I-244
βλῆτρον nur O 678 ξυστὸν κολλητὸν βλήτροισι. Wort unsicherer Bedeutung; vgl. die tastenden Erklärungen bei H.: τῆς ἁμάξης τροχοί. σφῆνες. ἐμβλήματα. οἱ δὲ γόμφους καὶ συμβολὰς ἀξόνων, also ‘Reif, Ring’ oder ‘Pflock’. — Die Anknüpfung an βάλλω ist wegen der unsicheren Bedeutung nicht strikt zu beweisen. — Das faktitive Ptz. βλητρώσας ‘mit β. versehend’ wird von H. mit ἐμβαλών erklärt. I-244
βληχή, dor. βλᾱχά̄ (vgl. unten) f. ‘Geblök’ (μ 266, A. Th. 348 [lyr.], E. Kyk. 48 [lyr.]). Daneben βληχάομαι ‘blöken’ (Ar., Theok. u. a.), der Form nach denominativ aber in Wirklichkeit wahrscheinlich eine unabhängige Intensivbildung wie βρυχάομαι, μυκάομαι usw. (s. Schwyzer 683), wobei das früher aber vereinzelt belegte βληχή als postverbal zu beurteilen ist. — Von βληχάομαι auch βληχηθμός (Ael., Nonn., wie μυκηθμός u. a.), βλήχημα H., βληχάς (Opp., nach μηκάς, Schwyzer 508) und βληχητά pl. ‘blökende Tiere’ (Eup., Ael., wie ἑρπετά u. a.). — Außerdem βληχώδης ‘blökend’ (Babr.), zunächst von βληχή. — Erweiterte Verbalform βληχάζω (Autokr.). — Alte Elementarschöpfung, die indessen gleichzeitig mit mehreren gleichartigen und gleichbedeutenden Wörtern in anderen idg. Sprachen genetisch verwandt sein kann, z. B. čech. blekati, mnd. bleken > nhd. blöken; ohne Guttural russ.-ksl. blějati, lett. blêt, mhd. bloejen; mit Dental germ., z. B. ags. blǣtan, ahd. blāʒen; alles mit (urspr.) ē-Vokal. Das nur bei den Tragg. in lyrischen Abschnitten vorkommende βλᾱχά̄ muß ein Hyperdorismus sein; zu beachten βληχάομαι bei Theok. I-244
βλῆχνον auch βλῆχρον (Dsk., Sch.), βλήχρα H. n., ‘Farnkraut’. — Ohne Etymologie. I-244
βληχρός ‘schwach’ (ion. poet.). Daneben ἀβληχρός (Hom. usw.; s. d.). — Wahrscheinlich zu βλά̄ξ (s. d.), aber im Gegensatz dazu echt ionisch. Das -χ- kann als expressiv-volkstümlich erklärt werden (vgl. die Beispiele bei Chantraine Formation 225f., Schwyzer 498); der Umweg über einen σ-Stamm (*μλᾱκ-σ-ρός, s. WP. 2, 290) ist entbehrlich. Abzulehnen Bechtel Glotta 1, 71, Lexil. s. ἀβληχρός (zu μαλάχη). — Zum Pflanzennamen βλῆχρος, der damit identisch sein kann, Strömberg Pflanzennamen 24. I-244-245
βλήχων, -ωνος, ion. γλήχων, dor. γλά̄χων, auch βληχώ, -ς usw. (darüber Schwyzer 479) f. Art Minze, ‘Mentha pulegium’ (h. Cer. usw.). Davon βληχωνίας als Attribut (Apposition) von κυκεών (Ar.); zahlreiche semantische Parallelen bei Chantraine Formation 94f.; — βληχώνιον (Sch.). Außerdem γληχωνίτης (οἶνος; Dsk., Gp. usw., vgl. Redard Les noms grecs en -της 96). — Herkunft unbekannt, wahrscheinlich Fremdwort. Der Wechsel β- ~ γ- kann auf Dissimilation beruhen (Schwyzer 299). Über eine volksetymologische Anknüpfung an βληχάομαι Strömberg Pflanzennamen 155. I-245
βλῑμάζω ‘antasten, drücken, quetschen, z. B. die Frauenbrüste’ (Kom., Hp.), auch = βλίττω (EM). Verbalnomen βλίμασις· ἡ τῶν τιτθῶν θλῖψις H. Davon ist nicht zu trennen βλιμάξαι· βαστάσαι (wohl ‘fassen’ od. ähnl.; nach Latte korrupt), ἀτιμάσαι H. mit βλίμη· προπηλακισμός, ὕβρις H. EM, wenigstens semantisch postverbal. — Unerklärt. I-245
βλίτον n. ‘Melde’ (Hp., Kom., Thphr., Dsk.). Davon einige volkstümliche und herabsetzende Personenbezeichnungen: βλιτάς f. ‘altes Weib’, βλιτο-μάμμας Schimpfname unsicherer Bedeutung (Ar. Nub. 1001; oder zu μέλι?), βλίτωνας· τοὺς εὐήθεις H. — Daraus entlehnt lat. blitum ‘Melde’, als Bed.-LW auch bliteus ‘abgeschmackt, blöde, albern’, beide seit Plaut. — Unklar. — Von Persson Beiträge 1, 213 und Anderen als *μλ-ιτον zu μύλη, ἀμαλδύνω (s. dd.) usw. gezogen mit Hinweis auf nhd. Melde zu idg. mel-dh-. I-245
βλίττω, analog. βλίζω (H.), Aor. βλίσαι ‘Honig ausschneiden, zeideln’ (att., Arist.). Davon βλιστηρίς f. ‘zeidelnd’, — Beiwort von χείρ (AP), zu *βλιστήρ ‘Zeidler’; vgl. Βλιστίχη EN. Aus *μλιτ-ι̯ω (Fick 1, 516), Denominativum von μέλι, -ιτος ‘Honig’ mit bemerkenswerter Schwundstufe; vgl. Schwyzer 723 m. A. 8, Meillet BSL 27, 124. I-245
βλιχώδης (Hp.), βλιχανώδης (Diph.) ‘klebrig’. — Offenbar mit dem synonymen γλίσχρος, γλίχομαι irgendwie zusammenhängend, u. z. daraus entweder durch Dissimilation (vgl. s. βλήχων) oder durch Kontamination mit einem anderen Wort entstanden. I-245
βλοσυρός Adjektiv unsicherer Bedeutung, vorw. poet. (seit Il.), aber auch Pl., Thphr. u. a. Vereinzelte Komposita und Ableitungen: βλοσυρώπῑς f. (Λ 36; -ῶπις Man.; zur Quantität des ι Schwyzer 463 A. 5 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 208), -ωπός (AP, D.P.), -ώπεε (Dual, Opp.); βλοσυρόμματος (Kerk.), βλοσυρόφρων (A. in lyr.). — βλοσυρότης (Eust.). — Ohne sichere Etymologie. Kühne Hypothese von Leumann Hom. Wörter 141ff. (wo ausführliche Behandlung): ein rein literarisches und künstliches Wort, aus dem hom. Komp. βλοσυρώπις eig. ‘geieräugig’ oder ‘geierantlitzig’ (von Γοργώ) herausgelöst; βλοσυρ(ός) also eig. ‘Geier’ und als äolisch aus idg. *gu̯l̥tur(os) mit lat. voltur(us) ‘ds.’ identisch. — Jedenfalls ist βλοσυρός ein sehr altertümliches und poetisches Wort, über dessen eigentliche Bedeutung schon früh Unsicherheit herrschte. I-245-246
βλύζω, Aor. βλῠ́σαι ‘hervorquellen (lassen), hervorsprudeln’ (poet. seit Il. und späte Prosa); daneben βλύω (LXX, A. R. usw.) und βλυστάνω (Prokop. u. a.); auch mit Präposition (ἀπο-, ἐκ-). — Verbalnomina: βλύσις (AP), βλύσμα, ἔκ-~ (Pap., Hdn.), βλυσμός (Gloss.); Adj. βλύδιον· ὑγρόν, ζέον H. — An βλύζω erinnern κλύζω, φλύζω (vgl. Güntert Reimwortbildungen 149); zu βλύω vgl. φλύω, auch βρύω. Eine Erweiterung liegt in βλυστάνω vor (vgl. βλαστάνω und Schwyzer 700); von βλύζω ist βλύδιον nicht zu trennen (Schulze KZ 54, 301 = Kl. Schr. 362); βλύω ist zweifellos sekundär. — Seit Fick 1, 36; 404 vergleicht man aind. galati ‘herabtröpfeln’, ahd. quellan usw. (vgl. s. βάλλω). I-246
βλωθρός ‘hochgewachsen’ (von Bäumen, ep. seit Il.). Keine Ableitungen. — Wenn aus *μλωθρός, kann βλωθρός mit einem arisch-germanischen Wort für ‘Kopf’ eng verwandt sein, aind. mūrdhán- m. ‘Kopf’, oft übertr. ‘Gipfel usw.’, ags. molda m. ‘der obere Teil des Kopfes, Scheitel’. Sogar direkte Ableitung von einem idg. r-n-Stamm kann vorliegen; zur Entsprechung gr. ρω : aind. ūr < idg. l̥̄ Schwyzer 361. In Betracht kommt auch toch. A malto ‘zuerst’ (Fraenkel IF 50, 6f.). — Anders Pisani KZ 62, 271 (zu toch. mrāc). — Vgl. βλώσκω und μέλαθρον, auch βλαστάνω. I-246
βλωμός m. ‘Bissen, Stück’ (Kall.), ὀκτά-βλωμος (Hes. Op. 442). Davon βλωμίδιον (Eust.), βλωμιαῖος (Philem. ap. Ath. 3, 114e; cod. βλωμίλιος). — Verbalnomen zu βλέει in καβλέει H. (s. βλέτυες), nach ψωμός gebildet (Güntert Reimwortbildungen 151 — βλωμοί· στραβοί H. muß ein anderes Wort sein (nach Grošelj Živa Ant. 3, 198 zu βάλλω[?]). I-246
βλώσκω, Aor. μολεῖν, Fut. μολοῦμαι (βλῶξαι, βλώξω Lyk.), Perf. μέμβλωκα, auch mit Präp. ‘gehen, kommen’ (vorw. poet., auch dor., seit Il.). κατα-, προ-, ἐκ- usw., Davon προμολή, gew. pl. -αί ‘Vorsprung, Auslauf’ (Ar., Kall.); als Zusammenbildungen αὐτόμολος ‘Überläufer’ (Hdt., Th. usw.) mit αὐτομολέω, -ία, -ησις und ἀγχίμολον (ἦλθε, Il. usw.) altes Absolutivum, s. Wackernagel Mus. Helv. 1, 226ff. — Zu ἔβλω· ἐφάνη, ὤχετο, ἔστη; ἀγχιβλώς· ἄρτι παρών H. gehört βλῶσις· παρουσία H. — Das Präsens βλώσκω aus *μλώ-σκω (vgl. μολ-εῖν, μέ-μβλω-κα) hat außerhalb des Griechischen keine sichere Entsprechung. (Nach v. Windekens Lexique étymologique s. v. zu toch. A mlosk-, mlusk- etwa ‘entrinnen’). Dagegen kehrt der Aorist auf slavischem Gebiet wieder, z. B. serb. iz-mòlīti eig. *hervorkommen lassen’, d. h. ‘vorzeigen’, slov. molíti ‘hinstrecken, hinhalten’. Weitere, z. T. unsichere Verwandte, bei WP. 2, 294f., Pok. 1, 721f. — Ablautsmäßig ist μολεῖν als die ο-farbige Hochstufe einer zweisilbigen Wurzel zu betrachten, von der βλώσκω wahrscheinlich die idg. Schwundstufe ml̥̄-, möglicherweise die langvokalische Stufe mlō- repräsentiert (Schwyzer 360ff.). — Vgl. βλωθρός und μολεύω, auch μέλαθρον und μέλλω. I-246-247
βοάγρια n. pl. ‘Stierschilder’ (Hom., AP). — Zusammenbildung aus βοῦς ἄγριος ‘wilder Stier’; das Komp. Βοάγριος als Flußname (Lokris) schon B 533. — Zu βόαγρος ‘Wildstier’ (Philostr.) vgl. σύαγρος ‘Wildschwein’ und Schwyzer 439. I-247
βοή f. ‘lauter Ruf, Geschrei’. Daneben βοάω, Aor. βοῆσαι (ion. auch βῶσαι) ‘laut rufen, schreien’ (beide seit Il.) mit selten vorkommenden Ableitungen: βοητύς ‘Ruf’ (α 369 ohne merkbaren Unterschied von βοή χ 77 und 133; voreiliger Versuch einer semantischen Differenzierung bei Benveniste Noms d’agent 70), βόᾱμα, βόημα ‘ds.’ (A. u. a.), βόησις ‘ds.’ (Thd., Quint.); βοητής ‘Rufer’ (Hp.; kaum mit Fraenkel Nom. ag. 1, 165 βοήτης, von βοή), fem. βοᾶτις (αὐδά) ‘laut’ (A. in lyr.). Hierher auch der Fischname βόᾱξ, βόηξ, βῶξ (Epich., Ar., Arist. u. a.)?; vgl. Strömberg Fischnamen 66, Björck Alpha impurum 62. — Zu βοηθέω, -θόος, -θός und βωστρέω s. bes. — Formal kann βοάω entweder ein Denominativum von βοή oder ein intensives Deverbativum vom Typus ποτάομαι sein, wobei βοή als postverbal zu beurteilen wäre. Die eigene Bedeutung und die Bildungsweise der semantisch verwandten γοάω, μυκάομαι usw. (Schwyzer 683) entscheiden zugunsten der letzteren Alternative. — Aus anderen Sprachen melden sich zum Vergleich das aind. Intensivum jóguve ‘laut aussprechen’ und eine balto-slavische Gruppe, z. B. lit. gaudžiù, gaũsti ‘heulen’, aksl. govorъ ‘Lärm’. Diese können aber ebensogut zu γοάω gehören; bei einer solchen Gruppierung kann man auch eine germanische Gruppe, z. B. ags. cīegan (< urg. *kaujan) ‘rufen’ einbeziehen. Eine Zurückführung von γοάω auf eine vor der anzunehmenden Schwundstufe γυ- (γογ-γύ-ζω) entlabialisierte Wurzel gu̯ou-, woraus auch βοάω (Aufrecht KZ 1, 190), ist bedenklich. So liegt der Gedanke nahe, mit Persson Beiträge 898 A. 2 und Anderen βοάω aus einer Lautimitation bū (s. βύας) mit formaler Anlehnung an γοάω (Güntert Reimwortbildungen 162 A. 1) herzuleiten. — Lat. boō, boāre ist aus βοάω entlehnt (W.-Hofmann s. v.). I-247-248
βοηθόος, dor. βοᾱθόος, att. und Hdt. βοηθός (vgl. unten) ‘der auf den Ruf zu Hilfe eilt, helfend, Helfer’ (seit Il.; zur Bedeutung Schulze Kl. Schr. 188). Davon als Denominativum ätol. βοᾱθοέω, lesb. βᾱθόημι, durch Hyphärese (Schwyzer 252) dor. βοᾱθέω, att. und Hdt. βοηθέω ‘auf den Ruf zu Hilfe eilen, helfen’ (zur Verbreitung E. Kretschmer Glotta 18, 96f.). — Ableitungen. Von βοαθόος bzw. βοηθό(ο)ς: ätol. βοαθοΐα (< *βοαθοϝία), att. βοήθεια (Umbildung nach den Nomina auf -ειᾰ [Schwyzer 469] mit Umfärbung des Vokals nach βοηθέω) ‘Hilfe’. Von βοηθέω: als Rückbildung βοηθός (evtl. aus βοηθόος kontrahiert; s. Schwyzer 469 und Sommer Nominalkomp. 26 A. 4); ferner βοήθησις ‘(Ab)hilfe, Heilmittel’ (Hp. u. a.) mit βοηθήσιμος (Thphr.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 93) und βοηθητικός (Arist. u. a.); βοήθημα ‘ds.’ (Hp., Arist., Plb. u. a.) mit βοηθηματικός (Dsk.). — βοηθόος ist eine Zusammenbildung aus einem Ausdruck (ἐπὶ) βοὴν θεῖν od. ähnl. (vgl. Schulze a. a. O.). Nachbildungen von βοηθέω, βοηθός sind die synonymen βοηδρομέω (Eur., Plu. u. a.) mit dem Festnamen βοηδρόμια pl. (D. usw.; davon die Monatsnamen Βοηδρομιών und Βοηδρόμιος) und βοηδρόμος (E.; zur Verbreitung E. Kretschmer a. a. O.). I-248
βόθρος m. ‘Loch, Grube, Graben, Vertiefung’ (seit Il.; zur Bedeutung s. Hutchinson JHSt. 55, 1ff.; auch als Sportterminus, s. Jüthner WienStud. 53, 68ff.). Deminutivum βοθρίον (Alkiphr., Gp.), auch ‘kleines Eitergeschwür’ (Hp.). Denominative Verba, vereinzelt belegt: βοθρέω (Nonn.), βοθρεύω (Gp.), βοθρόω (Gal. u. a.), βοθρίζω (Heliod. ap. Orib.) ‘eine Grube graben usw.’. — Neben βόθρος steht in derselben Bedeutung und mit demselben Stammwechsel wie z. B. in αἰσχρός : αἰσχύνομαι (vgl. auch Schwyzer 481, Chantraine Formation 208) βόθῡνος m. (Kratin., X., Arist. u. a.); Deminutiv βοθύνιον (Zos. Alch.), Nom. ag. βοθυνωτής ‘Grabenzieher’ (Aq.). — βόθρος und βόθυνος sind kaum von einer weitverzweigten Wortgruppe der Bed. ‘graben usw.’ zu trennen, die u. a. von folgenden Wörtern vertreten ist: lit. bedù ‘stechen, graben’, bẽdrė ‘Grube’, lat. fodio ‘graben’, fossa ‘Graben’, gall. bedo- ‘Kanal, Graben’, kymr. bedd ‘Graben’; in Betracht kommen auch germ., z. B. got. badi ‘Bett’, heth. padda- (pidda- ?) ‘graben’, toch. A pat- ‘pflügen’. Diese Etymologie setzt indessen voraus, entweder daß ein idg. bhodh- ausnahmsweise schon vorgriechisch zu bodh- dissimiliert sei, oder daß βόθρος seinen Anlaut von βαθύς bezogen hätte, was nicht ausgeschlossen ist; vgl. Alkiphr. 3, 13 ἐμβαθύνας βόθρια. — Nach H. Petersson Heteroklisie 128ff. gehört βόθρος dagegen mit anlautendem Labiovelar zu γυθίσσων· διορύσσων H. und weiterhin zu βαθύς usw. (s. βυθός). I-248-249
Βοιωτός gew. pl. Βοιωτοί, sing. gew. Βοιώτιος (vgl. K. Meister HK 14) Volksname (seit Il.). Deminutivum Βοιωτίδιον (Ar.); weitere Ableitungen: Βοιωτία Landschaft in Hellas mit βοιωτιακός (Delos IIIa, Str.) und βοιωτικός (D. S., Plu.); f. Βοιωτίς (X.). Denominativum βοιωτιάζω (-ίζω) ‘es mit den Böotern halten, böotisch sprechen’ (Aeschin., X. u. a.). — Von Schulze ZGLE 30 mit dem Bergnamen Βοῖον ὄρος in Nordepirus zusammengestellt, der nach Krahe IF 57, 121 illyrisch ist. Nicht mit Radermacher und antiken Gewährsmännern als "Rinderland" zu βοώτης usw.; s. Krahe a. a. O. I-249
βόλβιτον -ος m. (Thphr., Dsk.), βόλβιθος (PMag. Par.; nach σπύραθος, σπέλεθος usw., s. Chantraine Formation 367); daneben βόλιτον, -ος (Kratin., Ar.) n., ‘Kuhmist’; zur Bedeutung und Verbreitung Rohlfs ByzZ 37, 54f.; davon βολίτινος (Ar.) und βολίταινα N. eines übelriechenden Fisches (Arist.). — Vgl. zu βολβός. Die gewöhnliche Annahme, βόλιτον sei durch progressive Dissimilation aus βόλβιτον entstanden (Schwyzer 260, Solmsen BphW 1906, 722), ist kaum überzeugend. Eher ist βόλβιτον eine euphemistische oder scherzhafte Angleichung an βολβός; die Form der Komödie und der niedrigen Sprache wurde wohl als zu derb empfunden. Für βόλιτον ist Anknüpfung an βάλλω, βόλος zu erwägen, vgl. bes. βολεών ‘Düngerhaufen’. Die Schwierigkeit, die in der nicht aufgeklärten Ableitung liegt, hängt offenbar mit der Volkstümlichkeit des Ausdrucks zusammen. I-249
βολβός m. ‘Zwiebel’ (att., Arist., Thphr. usw.). Mehrere Deminutiva: βολβίον (Hp.), βολβάριον (Epikt.), βολβίσκος (AP) ‘kleine Zwiebel’; βολβίδιον N. eines starkriechenden Fisches (Hp.). — Dagegen müssen βολβίτιον (Gal.), βολβιτίνη (H., vgl. auch Arist. und Speus. ap. Ath. 7, 318e), die ebenso einen Fisch bezeichnen, zu βόλβιτον gehören. Die Beurteilung vom Fischnamen βολβιτις (Epich.) hängt vom Akzent ab: falls βολβῖτις, zu βολβός; falls dagegen βολβιτίς, zu βόλβιτον. Vgl. Thompson Fishes 33, Fraenkel Nom. ag. 2, 174 A. 1; auch Redard Les noms grecs en -της 85. — Sicher von βολβός kommt der Pflanzenname βολβίνη (Thphr., s. Strömberg Theophrastea 86). — Außerdem βολβώδης (Thphr.). — Lautsymbolische Reduplikationsbildung ohne direkte Verwandte (lat. bulbus ist LW). Rein lautlich erinnern daran einige Ausdrücke für runde od. ähnl. Gegenstände, z. B. lat. bulla ‘Wasserblase usw.’, βυλλά· βεβυσμένα H., lit. bur̃bulas ‘Wasserblase’ usw., vgl. βομβυλίς s. βόμβος; ferner arm. boɫk ‘Radieschen’, aind. bálba-ja- m. Grasart, ‘Eleusine indica’, eig. "balba-geboren". Genetische Verwandtschaft kann für arm. palar ‘pustula’ in Betracht kommen (doch sehr unsicher). S. WP. 2, 111, Pok. 103; auch W.-Hofmann s. bulbus (mit reicher Lit.) und βῶλος. I-249-250
βολεός, βολέω, βολεών s. βάλλω. I-250
βόλινθος m. Tiername, viell. ‘Wisent’, = βόνασος (Arist.). — Wegen βόνασος viell. aus *βόνινθος dissimiliert. An βοῦς (sekundär?) angelehnt; sonst dunkel, wahrscheinlich vorgriechisch (Krahe Die Antike 15, 180). Nach v. Windekens Le Pélasgique 79ff. pelasgisch. I-250
βόμβος m. ‘dumpfer Ton’ (ion. att. usw.) mit βομβώδης (Ael., Gal.), βομβήεις (APl., Nonn.; poetische Bildung, vgl. Chantraine Formation 272, Schwyzer 527), βομβικός (Sch.), Adv. βομβηδόν (A. R., Luk.). Daneben βομβέω ‘dumpf tönen’ (seit Il.) mit βόμβησις (LXX), βομβητής (AP), βομβήτρια fem. (Orph.), βομβητικός (Eust.). — βομβάξ Interjektion, als ironische Imitation eines schwülstigen Stils (Ar. Th. 45), mit intensiver Reduplikation βομβαλοβομβάξ (ibid. 48). — Mit βόμβος hängen zusammen: 1. βομβυλιός (Akz. nach Hdn. 1, 116; ion. att.) ‘summendes Insekt, Hummel’, auch übertr. als Bezeichnung eines enghalsigen Kruges (wegen des beim Ausgießen entstehenden Lautes; oder zu βομβυλίς?), ebenso βομβύλην· λήκυθον H. und βομβυλία· κρήνη ἐν Βοιωτίᾳ H. (richtig überliefert?); Denominativum βομβυλιάζω (Arist.); — mit anderer Sinnfärbung: βομβυλίδας· πομφόλυγας H. — 2. βόμβυξ, -ῡκος m. ‘dumpftönende Flöte, der tiefste Ton der Flöte’ (Ar., Arist. usw.) mit βομβυκίας (κάλαμος; Thphr.) und Βομβύκᾱ f. N. einer Flötenspielerin (Theok.); auch = ‘Hummel’ od. ähnl., wovon βομβύκιον Art Biene usw. (Arist. u. a.). — 3. βομβρύζων· τονθορύζων, βοῶν; βομβρυνάζειν· βρενθύεσθαι H. — Gehört mit βέμβιξ (s. d.) zu einer großen Wortgruppe lautimitierenden oder lautsymbolischen Charakters, die sich auch mit den s. βολβός besprochenen Bildungen berühren. Außer den s. βέμβιξ genannten Wörtern seien noch erwähnt: lit. bim̃balas, lett. bam̃bals ‘Käfer’, russ.-ksl. bubenъ ‘Trommel’, alb. bumbulit ‘es donnert’, ano. bumla f. ‘Trommel’; mit derselben Bedeutung wie βομβυλίς lit. bum̃bulas, bur̃bulas ‘Wasserblase’. Lat. bombus ist gr. LW. — Lit. s. βέμβιξ und βολβός. I-250-251
βόμβυξ, -ῡκος m. ‘Seidenwurm’ (Arist., Alkiphr.). Davon βομβύκιον ‘Kokon des Seidenwurms’ (Arist.) und βομβύκινος (Lib., Ps.-Kallisth.). — Orientalisches LW, vgl. osm. türk. pambuk ‘Baumwolle’. Daneben πάμβαξ (Suid.), παμβακίς (AP) ‘Baumwolle’; durch Assimilation βαμβάκιον (Suid.), βαμβακοειδής (Dsk.); zunächst aus mpers. pambak ‘Baumwolle’, woraus auch arm. bambak, oss. bämbäg ‘ds.’. Aus dem Iran. stammt wruss. bambák usw.; aus dem Griech. lat. bombȳx (Plin. usw.) und spätlat. bambax, bambagium mit ital. bambagia. Daneben ital. bombagio, frz. bombasin usw. Die Quelle von russ. bumága ‘Baumwolle, Papier’ ist strittig; viell. aus dem Ital., s. Vasmer Russ. et. Wb. s. v., wo auch weitere Lit. — S. auch Lokotsch Et. Wb. d. europ. Wörter or. Ursprungs Nr. 1617. I-251
βόνασ(σ)ος m. ‘Wisent’ (Arist., Str.). — Unerklärtes Fremdwort. Vgl. βόλινθος. I-251
βορά f. ‘Fraß (eines Raubtiers)’ (ion. att., vorw. poetisch). Daneben βορός ‘gefräßig’ (Ar. Pax 38 u. a.), wie θοός usw. gebildet (Schwyzer 459), aber trotzdem vielleicht aus Zusammenbildungen wie δημο-βόρος (s. u.) herausgelöst; vgl. Porzig Satzinhalte 304. — Regelmäßiges Verbalnomen (Chantraine Formation 18f.) zu einem primären Verb, das mit gewöhnlichem e-Vokalismus im arm. Aorist e-ker ‘er aß’ und in lit. geriù, gérti ‘trinken’ vorliegt, aber im Griech. von dem anders gestalteten βιβρώσκω (s. d.) ersetzt worden ist. Lat. vorāre kann, falls nicht iterative Sekundärbildung, von einem Nomen *vorā = βορά ausgehen. — Eine alte Zusammenbildung mit verbalem Hinterglied ist δημο-βόρος ‘das Volk verzehrend’ (Il., ebenso θυμο-βόρος), das bezüglich des Hinterglieds mit aind. aja-gará- "Ziegen verzehrend", ‘Boa’ und aw. aspō-gara- ‘Rosse verzehrend’ identisch ist; lat. carnivorus (Plin.) ist dagegen eine gelehrte Neubildung nach griechischem Vorbild, s. W.-Hofmann s. vorō. — Vgl. βιβρώσκω, βάραθρον, δέρη. I-251
βόρασσος m. Bez. der in der Blütenscheide eingeschlossenen Frucht (Dsk. 1, 109, 5). — Ägyptisches Wort; vgl. arab. bosr ‘unreife Dattel’. I-251
βορβορίζει · γογγύζει, μολύνει. Κύπριοι H. mit βορβορισμός (Cael. Aur.) = βορβορυγμός; βορβορύζω ‘knurren’ (vom Magen) (Hp.) mit βορβορυγή· ποιός τις ἦχος, ὅν καὶ κορκορυγὴν καλοῦσιν H., βορβορυγμός ‘ds.’ (Hp.); im selben Sinn auch βορβόρωσις (Archig. ap. Aët.), als ob von βορβορόω (s. βόρβορος). — Onomatopoetische Reduplikationsbildung. Zusammenhang mit βόρβορος ist wegen der stark abweichenden Bedeutung nicht einleuchtend; bei Wörtern dieser Kategorie ist anderseits mit den unerwartetsten und seltsamsten Bedeutungsveränderungen (etwa über die Kindersprache?) zu rechnen. In βορβορίζει gehen übrigens die beiden Vorstellungen zusammen. I-251-252
βόρβορος m. ‘Schlamm, Kot’ (ion. att.). Ableitungen: Βορβορῖται N. eines Vereins in Thera (Inschr.) und einer manichäisch-gnostischen Sekte (Epiph. u. a.), vgl. Redard Les noms grecs en -της 189, 217, 259 m. Lit. — βορβορώδης ‘voll Schlamm, schmutzig’ (ion. att.). — Denominative Verba: βορβορόω ‘mit Schlamm füllen’ (Arist.), βορβορίζω ‘schlammartig sein’ (Dsk.); = μολύνει H. — Vgl. auch zum Vorherg. — Expressive Reduplikationsbildung, vielleicht onomatopoetisch (vgl. βορβορίζει). Falls Erbwort, kann es zu russ.-ksl. usw. bara ‘Sumpf’, illyr. Metu-barbis (Inselname, eig. "zwischen Sümpfen"?) und einigen anderen weniger sicheren oder sehr unsicheren EN und Appellativen gehören, s. Vasmer Russ. et. Wb. s. bara, Krahe Glotta 22, 125 und Sprache 1, 39 mit weiteren Angaben. — Die Zusammenstellung mit arm. kork ‘Schmutz’ (Bugge KZ 32, 12) setzt eine an und für sich mögliche idg. Grundform *gu̯orgu̯(or)o-s voraus. I-252
βορέας, -ου, kontr. βορρᾶς, -ᾶ (att.), βορέης, kontr. βορῆς, -έω (ion.), βορίαις (lesb.) m. ‘Nordwind, Norden’, auch EN (seit Il.); zur Bed. im allg. Nielsen Class. et Mediaeval. 7, 1ff. Ableitungen: βόρειος, ion. βορήιος (zur Bildung Chantraine Formation 52, Schwyzer 468 : 3) ‘auf den Nordwind bezüglich, nördlich’; fem. auch βορε(ι)άς, βορηιάς, vorwiegend als Patronymikon (A., S. usw.); in dieser Funktion auch Βορηΐς (Nonn.); mask. Entsprechung Βορεάδης, -ηιάδης (D. S., AP; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 184). Neben βόρειος vereinzelt belegte andere Bildungen, fast alle späten Datums: βορραῖος (A. u. a.), βορειαῖος (APl.); βορεινός, βορ(ρ)ινός (Pap. usw.; vgl. Wackernagel Unt. 104 A. 1); βοριακός (IGRom.), βορεῆτις f. (D. P.). — Βορεασταί N. der Verehrer des B. in Athen (H.; vgl. ’Απολλωνιασταί usw.) und Βορεασμοί N. des Festes (H., wie von *βορεάζειν; vgl. ’Αδωνιασμός und ἀδωνιάζειν). — Lokaladverbia: βορέηθεν, βορρᾶθεν, βορρόθεν usw. — Denominatives Verb: βορεύω ‘vom Norden kommen’ (vom Sturm; Thphr.). — Nicht sicher gedeutet. Von Prellwitz ansprechend als ‘Bergwind’ zu einem Wort für ‘Berg’ gezogen, das mit wechselnder Stammbildung und wechselndem Ablaut in mehreren idg. Sprachen vorkommt: aind. girí- = aw. gairi- ‘Berg’, lit. gìrė ‘Wald’, aksl. gora ‘Berg’, wozu noch illyr. bora ‘Berg’ in Namen (Krahe IF 57, 125ff.); s. noch δειράς. Demnach wären die ‘Υπερ-βόρεοι eig. ‘die jenseits der Berge wohnenden’ (Pedersen KZ 36, 319). Die Stammbildung ist indessen nicht ganz aufgeklärt; Vermutungen bei Pedersen Cinq. décl. lat. 66 und bei Schwyzer 461. (Zu den Windnamen auf -ίας im allg. Chantraine Formation 95.) Hierher noch nach Mann Lang. 17, 21 alb. gorén m. ‘Norden’. — Andere Etymologien von βορέας bei WP. 1, 682 und Bq; dazu Pedersen a. a. O. A. 1. — Noch unsicherer ist die Zugehörigkeit von βαρύες· δένδρα H. (Osthoff Etym. Parerga 1, 48); anderer Vorschlag bei WP. 1, 689 m. Lit. I-252-253
βόσκω (seit Il.), Fut. βοσκήσω (seit Od., aber s. Chantraine Gramm. hom. 1, 446), ἅπ. λεγ. βώσεσθε (A. R. 1, 685; vgl. unten); übrige Formen ἐβοσκήθην, βεβόσκηκα, ἐβόσκησα hell. und spät ‘auf die Weide treiben, weiden’, Med. ‘sich nähren, weiden’. Abgeleitete Nomina actionis: βοσκή ‘Futter, Weide’ (A. E. in lyr., Arist., Pap.); βόσκημα (vgl. βοσκή-σω) ‘ds.’, aber gew. (im Plur.) ‘Vieh auf der Weide, Herden’ (Trag., X., Arist. usw.) mit βοσκηματώδης (Str. usw.); βόσκησις ‘Futter’ (Sm. u. a.). — Nomina agentis: βοσκός ‘Hirt’, auch ‘sich selbst ernährend’ (Aesop. u. a.); wohl aus Zusammenbildungen wie γηρο-βοσκός (S. usw.) verselbständigt, vgl. Schwyzer 541; fem. βοσκάς ‘sich (selbst) ernährend, ernährt’ (Nik., Aët.) mit βοσκάδιος (Nik.); vgl. βασκᾶς; βοσκήτωρ ‘Hirt’ (EM, Sch.). — Neben diesen Wörtern, die alle von der ursprünglich auf das Präsens beschränkten σκ-Erweiterung ausgehen, finden sich ältere Ableitungen von der Verbalwurzel: βόσις ‘Futter’ (Τ 268 u. a.); βοτόν ‘Weidevieh’, bes. ‘Schaf’ (poet. seit Il.) mit βότε(ι)ος ‘aus Schaf bestehend’ (Pap. u. a.), βοτάνη (s. d.) und βοτέω ‘weiden’ (Nik., H.); βοτήρ ‘Hirt’ (o 215, Trag., späte Prosa; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 215; 2, 2f.) mit βοτηρικός (Plu., AP); fem.βότειρα (Eust.); daneben βώτωρ (Hom., AP; Fraenkel op. cit. 1, 14f., Benveniste Noms d’agent 29 mit Versuch einer funktionellen Differenzierung von βοτήρ); in Zusammenbildungen -βώτης und -βότης (συ-βώ-της, ἱππο-βό-της, Fraenkel 1, 35); — als Vorderglied in βωτι-άνειρα ‘Männer ernährend’ (ep. seit Il.); umstrittene Bildung, s. zuletzt Knecht Τερψίμβροτος 11, außerdem Sommer Nominalkomp. 170, 178, 180f., Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 33ff. — Sowohl Bedeutung wie formale Struktur lassen darauf schließen, daß die Sippe von βόσκω altererbt ist. Am nächsten kommt lit. gúotas ‘Herde’ (Fick 1, 408), das mit dem semantisch nahestehenden βοτόν bis auf den Ablaut (δῶ-ρον : δο-τός) identisch sein kann. Aus lit. gaujà ‘Herde, Rudel’, gujù, guìti ‘treiben’ geht indessen hervor, daß lit. gúotas einen reduzierten Langdiphthong ōu enthalten hat, wozu im Griechischen als Schwachstufe ŏ eintrat; vgl. denselben Prozeß in äol. πώνω ‘trinken’ (aus pōi- neben pī- in πίνω) : ποτόν ‘Trank’. — Weiterer Anschluß an βοῦς usw. (Hirt Der idg. Ablaut 31) ist schon aus semantischen Gründen etwas bedenklich, da βόσκω keineswegs speziell von Rindern, sondern "mindestens ebenso oft und gern von Schafen, Ziegen, Schweinen, Pferden, ja überhaupt von allen lebenden Wesen" gebraucht wird (Wackernagel Unt. 245). Zu bemerken ist die allgemeine strukturale Ähnlichkeit mit den Sippen lat. pāscō und gr. ποιμήν (s. d.). I-253-254
Βόσπορος m. N. mehrerer Meerengen, aber vorzügl. = die Meerenge von Konstantinopel, auch auf den Hellespont bezogen (Hdt., A. usw.). Vereinzelt gebrauchte Ableitungen: Βοσπόρειος, -ιος, -ίτης (S.), Βοσπορεῖον N. eines Tempels (Decr. ap. D.), Βοσπορηνός, -ᾱνός ‘Bewohner des Königtums von B.’ (Str.); zur Bildung Chantraine Formation 206; Schwyzer 490 m. Lit. — Eig. "Rinderfurt", aus *Βοόσ-πορος durch Hyphärese entstanden; s. zuletzt Kretschmer Glotta 27, 29. I-254
βόστρυχος, pl. auch βόστρυχα (AP), m. ‘Haarlocke’, auch übertr. in verschiedenen Bedeutungen (poet. seit Archil. und A., auch Arist. [als Insektenname] und späte Prosa). Ableitungen: Deminutivum βοστρύχιον, auch ‘Weinrebe’ (Arist., AP), βοστρύχια· στέμφυλα H.; vgl. βότρυχος s. βότρυς; — βοστρυχώδης (Philostr.), βοστρυχίτης (οἶνος) ‘Weintrester’ (Aët.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 96), auch N. eines Steins (Plin.); βοστρυχηδόν ‘in Locken, lockenweise’ (Luk.). — Denominutiva: βοστρυχίζω ‘in Locken legen’ (Anaxil., D. H.), βοστρυχόομαι ‘sich locken’ (Ach. Tat.). Zum χ-Suffix Schwyzer 498, Chantraine Formation 402 (unklar Specht Ursprung 254); — Herkunft unbekannt. Von Froehde BB 10, 295f. mit awno. kvaster ‘Quast’ und verwandten germanischen Wörtern verglichen, wozu noch lat. vespicēs pl. ‘dichtes Gesträuch’, aind. guṣpitá- ‘verflochten, verschlungen’, alb. gjeth ‘Laub, Zweig’, aserb. gvozd ‘Wald’ usw.; alles semantisch und formal sehr hypothetisch. Weitere Lit. bei WP. 1, 644f., bes. Persson Beiträge 125f. I-254
βοτάνη f. ‘Weide, Futterkraut, Gras’ (seit Il.). — Steht neben βοτόν wie πλεκτάνη neben πλεκτός, δόκανον neben δοκός, λεκάνη neben λέκος, ὀρφανός neben lat. orbus usw. (Chantraine Formation 199, Schwyzer 490) und setzt jedenfalls eine nominale τ-Ableitung von βόσκω (s. d.) voraus. Anders Meillet BSL 25, 103: τ Hiatkonsonant; dazu Schwyzer 289. Deminutiva βοτάνιον (Thphr., Dsk.), βοτανίδιον (Sch.); adjektivische Ableitungen βοτανικός (Plu., Gal. u. a.), βοτανώδης (Ath. u. a.); poet. Adverb βοτάνηθεν (Opp.); denominatives Verb βοτανίζω ‘das Unkraut ausjäten’ (Thphr., Pap. u. a.) mit βοτανισμός ‘das Jäten’ (Pap.). I-254-255
βότρυς, -υος pl. auch βότρυα (Euph.), m., ‘reife Traube, Weintraube’, auch übertragen von traubenähnlichen Gegenständen (seit Il.). — Begrifflich gehört βότρυς zu ἄμπελος, οἶνος usw., was zweifellos für fremde Herkunft spricht (Meillet MSL 15, 163). Unbefriedigende idg. Etymologien (Fick, H. Petersson) bei Bq und WP. 1, 671; 2, 109; s. noch W.-Hofmann s. botulus. Mehrere Ableitungen, vorwiegend spät: βότρυον ‘Beertraube’, auch als Pflanzenname = θλάσπι (Thphr., Ps.-Dsk.); Deminutivum βοτρύδιον (Alex. u. a.). Adjektiva: βοτρυόεις ‘traubenreich’ (Ion. Eleg., A. R. usw.; poetische Bildung, s. Schwyzer 526f., Chantraine Formation 270ff.), βοτρυώδης ‘traubenartig’ (E., Thphr.) und die vereinzelt belegten βοτρυηρός ‘vom Traubengeschlecht’ (Thphr., vgl. οἰνηρός usw. Chantraine 233), βοτρύϊος ‘ds.’ (AP), βοτρυωτός ‘mit Trauben geschmückt’ (Delos IIa, vgl. καρυωτός usw. Chantraine 305, Schwyzer 503). — βοτρυΐτης, -ῖτις (λίθος) Perlenart, ‘Kalamine’ (Dsk., Gal., Plin. usw., vgl. Redard Les noms grecs en -της 53). — Adv. βοτρυδόν (seit Il.). — Nomen agentis: βοτρεύς ‘Winzer’ (Pap., vgl. δρεπτεύς ‘ds.’, ἀμοργεύς [von ἀμόργη] u. a., Boßhardt Die Nomina auf -ευς 81ff.). — Denominativum: βοτρυόομαι ‘Trauben bilden’ (Thphr.). — Isoliertes Nomen actionis: βοτρυμός· τρυγητός H., wie von *βοτρύω; vgl. Schwyzer 492. — Durch Kreuzung von βόστρυχος und βότρυς entstanden βότρυχος ‘Haarlocke’ und βοστρύχιον ‘Weinrebe’, s. βόστρυχος und Güntert Reimwortbildungen 148. I-255
βοῦα ἀγέλη παίδων. ·βουαγόρ· ἀγελάρχης, ὁ τῆς ἀγέλης ἄρχων παῖς. Λάκωνες H., auch Inschr. (neben βουαγός). Hierher noch συμβοῦαι· συνωμόται. συμβουάδ<δ>ει· ὑπερμαχεῖ. Λάκωνες H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 9 illyrisch = φυή; semantisch unbefriedigend. Vgl. Bechtel Dial. 2, 368f. und Kretschmer Glotta 17, 242 m. Lit., die an das offenbar damit zusammenhängende βουὅα· ἀγέλη τις EM (zu σεύειν?) erinnern. I-255
βουβάλιον gew. pl. -ια n., ‘Art Armbänder’ (Kom., Inschr.), auch = ἄγριος σικυός (Hp., Ps.-Dsk.). — Technisches und familiäres Wort ohne Etymologie (oder etwa von βούβαλις nach dem Stoff?). Nach Fraenkel Glotta 2, 34ff. aus steigerndem βου- und einem mit βάλανος zusammenhängenden Hinterglied (?). Daraus (nach Fraenkel) durch Dissimilation, evtl. durch volksetymologische Anknüpfung an Βούπαλος, βουπάλινα (Delos) und βουπαλίδες· περισκελίδες H. I-255-256
βούβαλις, -ι(δ)ος βούβαλος m. f., ‘(afrikanische) Antilope’ (Hdt., A., Arist. usw.), später auch ‘Büffel’ (Agath.), vgl. Persson Beiträge 1, 38; Schrader-Nehring Reallex. 1, 52; 2, 263. Davon βουβάλειος (Hdt.). Lat. LW būbalus. — Wahrscheinlich zu βοῦς, aber in der Bildung dunkel. Die lautliche Identität mit lat. būbulus ‘zum Rinde gehörig’ dürfte zufällig sein; an genetischen Zusammenhang mit aind. gavala- ‘wilder Büffel’ ist nicht zu denken. — Nach v. Windekens Le Pélasgique 79f. aus βού-βαλος mit pelasgischem Hinterglied (zu βόλινθος, φαλλός usw.). I-256
βούβαστις f. ‘Leiste, Schamgegend’ mit βουβαστικά n. pl. ‘Heilmittel gegen Wunden in der Schamgegend’ (Aët.). — Zu βουβών, aber im übrigen unklar. I-256
βουβητις, -ιος (Akzent?) f. gew. als "Rinderfurt", "stream for watering cattle" erklärt (Tab. Heracl. 2, 13, 14). — Als dorisch nicht zu ἔβην (ἔβᾱν). Eine Grundform *-βα-ετις (Schwyzer 270) überzeugt nicht; die Zusammenstellung mit lit. gė́tis ‘Viehtrift’ (Fick 1, 407, Bechtel Dial. 2, 418) ist hypothetisch. Fremde Herkunft (Kretschmer KZ 30, 579, Fraenkel Nom. ag. 1, 116 A. 1) scheint nicht glaubhaft. I-256
βούβρωστις f. ‘Heißhunger’ (Ω 532, Kall. u. a.), auch als Göttin personifiziert (wie Πενία, Plu., s. Schulze Kl. Schr. 399 A. 5). — Enthält wie die synonymen βούλιμος, βούπεινα u. a. ein steigerndes βου- (Schulze a. a. O., Schwyzer 434); das Hinterglied zu βιβρώσκω, wahrscheinlich nach dem synonymen νῆστις (Risch 35), aber nicht als Nomen actionis (= βρῶσις), sondern als Nomen agentis wie in ἄμπωτις (s. d.). I-256
βουβών, -ῶνος m. ‘Leiste, Schamgegend’ (seit Il.); auch, zunächst elliptisch als mediz. Terminus, ‘Drüse neben der Scham, bes. in krankhaft geschwollenem Zustande’ (Hp., Arist. usw.); spät auch βομβών (Moeris, Hdn.; volksetymologische Verdrehung nach βόμβος). Ableitungen: βουβωνίσκος ‘Verband für die Leiste’ (Heliod. ap. Orib.; vgl. γραφίσκος, κυκλίσκος und andere [mediz.] Gerätenamen bei Chantraine Formation 408), βουβώνιον "Drüsenpflanze", ‘Aster amellus’ (Dsk., Strömberg Pflanzennamen 87); βουβωνώδης und βουβωνιακός (Mediz.). — Denominative Verba: βουβωνιάω ‘an geschwollenen Schamdrüsen leiden’ (Ar. usw.; vgl. σπληνιάω und andere Krankheitsverba auf -ιάω Schwyzer 732) mit βουβωνίασις (Gal.); βουβωνόομαι ‘einen β. bilden’ (Hp.). — Bildung wie μυών, σιαγών und andere Körperteilnamen, aber sonst unerklärt. Der alte Vergleich mit aind. gavīnī́ f. du. ‘Teil des Unterleibes in der Gegend der Geschlechtsteile’, etwa ‘die Leisten’ (Bugge, Fick) ist begrifflich verlockend; wir hätten dann mit zwei unabhängig voneinander geschaffenen volkstümlichen oder vulgären Ausdrücken zu tun. Die Zusammenstellung mit βουνός ‘Hügel’, βύω ‘vollstopfen’ usw. (Persson Beiträge 250ff.) setzt voraus, daß die Bedeutung ‘Drüse’ od. ähnl. die ältere ist oder daß βουβών von einem (unliterarischen) Worte dieser Bedeutung abgeleitet ist. — Verfehlt Charpentier KZ 46, 44ff. I-256-257
βουγάϊε Vok. etwa ‘Prahlhans’ (Ν 824, σ 79). — Enthält dasselbe verstärkende präfixale βου- wie βούβρωστις (s. d.), βουκόρυζα, βούπαις usw.; das Hinterglied zum Präsens γαίω (vgl. bes. κύδεϊ γαίων). Das ᾱ in -γάϊε ist somit schwerlich äolisch für *-γά̄ϝιε (Schulze Q. 68; Zenodot schrieb βουγήϊε, vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 22), auch nicht metrisch gedehnt, sondern steht für *-γαι-ϊε; das ganze ist somit eine Zusammenbildung. I-257
βουκόλος m. ‘Rinderhirt’, auch adjektivisch (appositiv) gebraucht (seit Il.). Zahlreiche Ableitungen βουκολίαι ‘Rinderherden’ (h. Merc., Hes., Hdt.; anders Porzig Satzinhalte 214), βουκόλια (-ιον) ‘ds.’ (Hdt. usw.); βουκολεῖον ‘Amtsgebäude des ἄρχων βασιλεύς’ (Arist. Ath. 3, 5; vgl. πρυτανεῖον usw.); βουκολίς f. Subst. und Adj. ‘Weide, zur Weide gehörig’ (D. H.); βουκολίσκος Art Verband (Gal.; vgl. βουβωνίσκος s. βουβών); βουκολίνη· κίγκλος τὸ ὄρνεον H.; vgl. Thompson Birds s. v.; βουκολικός ‘den Hirten betreffend’, "bukolisch" (Theok. usw.). — Zwei Denominativa : 1. βουκολέω ‘Rinderhirt sein, (Rinder) weiden’ (seit Il.), auch übertr. = ‘sich selbst od. andere mit etw. (z. B. Hoffnungen) füttern’, ‘täuschen’; davon βουκόλησις ‘das Weiden’ (Plu.), βουκόλημα ‘Täuschung’ (Babr.), βουκολητής· ἀπατεών H., βουκολίαι ‘das Weiden’ (A. R.), aber auch (im Sing.) = κακολογία H. — 2. βουκολιάζομαι, -ιάζω ‘Hirtenlieder singen’ (Theok., Mosch., nach ἀδωνιάζω usw., vgl. Schwyzer 735) mit βουκολιαστής ‘Sänger eines Hirtenliedes’ (Theok.) und βουκολιασμός ‘Hirtengesang’ (Ath., v. l. -ισμός als von -ίζω, so Eust.). — Aus βουκόλος auch, zunächst als Kurzname, Βοῦκος (Theok.); davon βουκαῖος (Theok., Nik.). — Alte Zusammenbildung von βοῦς und πέλομαι (zum Lautlichen s. Schwyzer 298), die im Keltischen ein genaues Gegenstück hat: mir. búachaill, kymr. bugail ‘Hirt’. Daneben mit anderer Lautentwicklung αἰπόλος und ἀμφίπολος (s. dd.). Der Labiovelar wird in ägäisch qo-u-ko-ro ‘βουκόλος’ vermutet. — Gegen die irrige Herleitung aus κέλλω s. zuletzt Wahrmann Glotta 17, 242. I-257-258
βουκονιστήριον (IGRom. 3, 484, Oenoanda IIp). — Von Heberdey-Kalinka Reisen in südwestl. Kleinasien 2, 70 einleuchtend als ‘Arena für Stierkämpfe’ erklärt unter Hinweis auf κονιστήριον (Vitr., Pergamon) = κονίστρα ‘Arena’. Dagegen nach Radermacher WienStud. 32, 203f. = βυκανιστήριον ‘Ort wo sich die Herolde, βυκανιστῆρες (s. βυκάνη) aufhielten, Auktionshalle’ mit ου nach lat. būcina und -ο- für -α-, das auch sonst in hellenistischer Zeit vorkommt; lautlich nicht unmöglich, aber sachlich wenig passend. I-258
βουλιμία f. "Ochsen-hunger", ‘Heißhunger’ (Timokl., Arist.); davon βουλιμιάω ‘Heißhunger haben’ (Ar., X., Arist. usw.) mit βουλιμίασις (Plu.). — Ableitung von βούλιμος, das eig. adjektivisches Bahuvrihi ist: ‘verhungert’ (Alex.), aber auch = βουλιμία (Plu. u. a.) steht durch formalen Anschluß an λιμός. Vgl. Risch IF 59, 59 m. A. 2. — βουλιμ(ι)ώδης (Mediz.) und βουλιμώττω (Suid.) = βουλιμιάω. — Enthält als Vorderglied βοῦς in derselben steigernden Funktion wie in βούβρωστις, βουγάϊε usw. (s. dd.). — Nach βουλιμία, βούλιμος bildeten hell. Dichter βούπεινα. I-258
βούλομαι ‘wollen, wünschen’ (ion. att. seit Il.). Dialektische Nebenformen : ark. kypr. eretr. (auch Hom., vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 311) βόλομαι, lesb. βόλλομαι, dor. (kret.) βώλομαι; thess. βέλλομαι, böot. βείλομη, dor. (Herakl. usw.) δήλομαι, lokr. delph. δείλομαι. Die übrigen Tempusformen gehen alle vom Präsens aus: βουλήσομαι, ἐβουλήθην, βεβούλημαι; zu βέβουλα (Α 113) s. unten. — Davon als Nomina actionis: 1. βουλή ‘Wille, Entschluß; Rat’ (seit Il.; zur Bed. Porzig Satzinhalte 229f.). Dialektale Nebenformen: dor. ark. βωλά, lesb. βόλλα. Abgeleitete Adj.: βουλαῖος ‘zur β. gehörig’ (att. usw.) nebst den seltenen und poetischen βουλήεις ‘wohlberaten, klug’ (Sol.) und βούλιος ‘ds.’ (A.). 2. βούλησις ‘Wille, Absicht, Testament’ (att.). 3. βούλημα ‘ds.’ (ion. att.) mit βουλημάτιον ‘Testament’ (Pap.). — Von βουλή als Denominativum βουλεύω (βωλ-, βολλ-εύω), -ομαι ‘(sich) beraten, beschließen’ (seit Il.), oft präfigiert συμ-~, mit zahlreichen Ableitungen: 1. βούλευμα ‘Beschluß, Plan’ (ion. att.) mit βουλευμάτιον (Ar.); 2. βούλευσις ‘Beratung, Anschlag’ usw. als juristischer Terminus (att.); 3. βουλεία ‘Ratsherrnwürde’ (Ar., X. usw.; vgl. πολιτεία u. a., Chantraine Formation 89); 4. βουλεῖον ‘Rathaus’ (Chalkedon, Delphi; vgl. ἀρχεῖον usw.). 5. Nomen agentis βουλευτής ‘Ratgeber’ (seit Il.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 186 m. A. 1), f. βουλευτίς (A. Fr.; Fraenkel 1, 164); dazu βουλευτικός ‘beratend’ (att. usw.), auch βουλευτήριος ‘ds.’ (A.; vgl. Schwyzer 467, Chantraine 43). Daneben 6. als unabhängiges Nomen loci: βουλευτήριον ‘Rathaus, Ratssaal’ (ion. att.; Chantraine 63). — Βουλεύς Bein. d. Zeus (Mykonos), auch EN (Apollod.), von βουλή oder βουλεύω, s. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 98. — Die obengenannten Präsensformen können alle, mit Ausnahme von βόλομαι, auf *βόλσομαι bzw. *βέλσομαι, *δέλσομαι zurückgeführt werden und stellen somit eigentlich einen kurzvokalischen Konjunktiv des σ-Aorists dar. Die voluntativ-prospektive Bedeutung des Verbs hat die konjunktivische Form hervorgerufen, die dann als Präsens Indikativ umgedeutet wurde (vgl. Wackernagel Syntax 1, 60) und zu dem Verbalnomen *βολσά (vgl. γονή, πνοή usw.) Anlaß gab. Neben diesem medialen Aorist stand anfänglich ein aktives intransitives Perfekt mit präsentischer, wahrscheinlich intensiver Bedeutung *βέβολα ‘es ist mein (fester) Entschluß’, von dem eine indirekte Spur in προ-βέβουλα ‘ich ziehe vor’ (Α 113) mit neueingeführtem ου nach βούλομαι (anders Brugmann IF 32, 184) bewahrt sein mag. Zu bemerken auch pamph. βΟλΕμενος (Schwyzer 728 m. Lit.), das vielleicht als iterativ-intensiv aufgefaßt werden kann (zum Typus Schwyzer 719 β 1). — Vom Perfekt aus wurde dann der ο-Vokal (und das β-) sekundär auf den σ-Aorist *βόλσομαι für *βέλσ-, *δέλσομαι übertragen. Bei der Ausbreitung des o-Vokals kann auch das Substantiv βουλή mitgewirkt haben. Auch das primäre thematische Präsens βόλομαι scheint seinen Vokalismus auf ähnliche Weise erhalten zu haben. (Anders Specht KZ 59, 104: βόλομαι antevokalische Schwundstufe wie πολύς, πόλις.) Übrigens könnte βόλομαι (aus *βέλομαι) auch als kurzvokalischer Konjunktiv zu einem athematischen Wurzelaorist betrachtet werden. — Hoffmann Dial. 2, 312, Fick BB 6, 212, Meillet IF 5, 328, MSL 20, 130f., Kretschmer Glotta 3, 160ff. (wo ausführliche Behandlung). Anders über βουλή z. B. Porzig Satzinhalte 229f., Lejeune Traité de phonétique 132. Da durch den Wechsel β- ~ δ- labiovelarer Anlaut für βούλομαι gesichert ist, stellt es sich unschwer zu βάλλω mit einer Bedeutungsentwicklung "sich (im Geiste) auf etw. werfen", βάλλεσθαι ἐν θυμῷ, μετὰ φρεσί od. ähnl., s. Kretschmer a. a. O. Die starke Bedeutungsverschiebung hat früh zu einer durchgreifenden Umgestaltung des Formsystems geführt, bei der der strukturale Zusammenhang mit βάλλω verlorenging. — Über das Verhältnis zwischen βούλομαι, ἐθέλω und λῆν s. Braun Atti R. Ist. Veneto 98, 337ff., Rödiger Glotta 8, 1ff., Wifstrand Eranos 40, 16ff. I-258-259
βουλῡτός m. eig. "Rinderausspannen", ‘Abend’ (Π 779 = ι 58 im Ausdruck βουλυτόν δε, Ar., A. R. usw.). Davon βουλύσιος (Arat.). — Zusammenbildung von βοῦς od. λύ-ω (λῡ- wie z. B. in lat. so-lū-tus) mittels des το-Suffixes wie in ἁμαξ-ι-τός, ἀκμό-θε-τον usw. (Chantraine Formation 303). Versuch, βουλυτός in eine semantische Reihe einzuordnen, bei Porzig Satzinhalte 343. — Cic. Att. 15, 27, 3 verwendet dafür in derselben Bedeutung die modernere Bildungsweise βούλῠσις (wie ἔκ-λυσις usw.). I-259-260
βουνός m. ‘Hügel, Bühl’ (Hdt., Philem., LXX, Plb. usw.). Mehrere sparsam belegte Ableitungen: βοῦνις f. ‘hügelig’ (A. in lyr., von der Erde, in den Mund der Danaiden gelegt; vgl. θοῦρις usw. Schwyzer 464); übrige Ableitungen hell. und spät: Deminutiv βουνίον (Priene IIa), βουνώδης (Plb., Plu.), Βουναία (Ἥρα) ‘Hügelgöttin’ (nach dem Ort des Tempels, Paus.), Βουνίτης (Πάν, AP; vgl. Redard Les noms grecs en -της 207); βουνίζω ‘anhäufen’ (LXX). — Hierher wohl auch (nach dem Standort) die Pflanzennamen βουνιάς Art Rübe (Agatharch. usw.) und βούνιον ‘Bunium ferulaceum’ (Dsk.), vgl. Strömberg Pflanzennamen 117. Von Hdt. 4, 199 als kyrenäisch bezeichnet, somit wahrscheinlich LW. Die Anknüpfung an βουβών, βύω (s. dd.) hat wenig Wert. — Vgl. auch βωνίτης. I-260
βουπαλίδες, βουπάλινα s. βουβάλιον. I-260
βοῦς, βοός, Akk. dor. und Η 238 βῶν, wozu dor. Nom. βῶς; att. Akk. βοῦν nach βοῦς (Einzelheiten z. B. bei Schwyzer 577; s. auch unten) f. m. ‘Rind, Kuh, Ochse’ (seit Il.). Als Vorderglied steht βοῦς (βου-, βο-) außerdem in zahllosen Komposita. Ableitungen: Deminutiva βοΐδιον (Ar. usw.), auch βούδιον (Hermipp., Pap., nach βοῦ-ς, vgl. Chantraine Formation 69), βοϊδάριον (Ar.). — βούτης ‘Rinderhirt’, auch Adj. ‘vom Rind’ (A. E. in lyr., Theok. usw.); βοεύς ‘Riemen von Rindsleder’ (β 426 am Versende, nach ὀχεύς, vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 30f.); βοών, -ῶνος m. ‘Kuhstall’ (Heraklea). — Adjektiva: βόειος, βόεος ‘vom Rind’ (seit Il., vgl. Schmid -εος und -ειος 24f.), Subst. f. βοείη, βοέη ‘Rindsfell’ (seit Il.); danach mit κ-Suffix βοει-κός (Th. u. a.) und βο-ϊκός (Elis, Priene; vgl. Chantraine 393, Schwyzer 498); auch βόϊνος (Gloss., Eust.); βοώδης (Adam., Apollon. Lex.). Als Hinterglied in Zusammenbildungen außerdem -βοιος, z. B. ἐννεά-βοιος (Il.) aus *-βοϝιο- = aind. gávya- (vgl. unten). — Denominatives Verb βοόω ‘in einen Ochsen verwandeln’ (Eust.). — Zu Βοῦκος, βουκαῖος s. βουκόλος. Über steigerndes βου- s. βούβρωστις, βουγάεϊ, βουλιμία. — Altes Erbwort für ‘Rind, Kuh, Ochse (Stier)’, das in einer Reihe von Sprachen unverändert oder mit leisen Modifizierungen bewahrt ist: aind. gaúḥ (= *βωῦς > βοῦς), Akk. gā́m (= βῶν, vgl. oben), lat. bōs (aus dem Osk.-Un.br.), Gen. pl. boum = βοῶν = aind. gávām, umbr. Akk. bum = βῶν; ferner arm. kov (u-Stamm) ‘Kuh’, air. bó ‘Kuh’, germ., z. B. ahd. chuo, toch.A ko, ki, B keu ‘Kuh’, lett. gùovs ‘Kuh’, aslav. gov-ę-do ‘Rind’. Idg. Grundform Nom. *gu̯ōu̯-s, Akk. *gu̯ō-m, daneben gu̯ŏu̯- z. B. in βο(ϝ)-ός, βο(ϝ)-ί = aind. Lok. gáv-i, lat. Abl. bove. Davon *gu̯ou̯-io- in -βο(ϝ)ιος = aind. gávya-, auch arm. kogi ‘Butter’. S. noch ἑκατόμβη. — Die Annahme, die Indogermanen hätten das Wort und den Begriff von den Sumerern entlehnt (sumer. gu, *gud ‘Stier, Rind’, z. B. Ipsen IF 41, 175), scheitert schon an der sehr verwickelten und offenbar hochaltertümlichen Morphologie des idg. Wortes; vgl. Specht Ursprung 32f. — Näheres bei WP. 1, 696f., Pok. 482f., W.-Hofmann s. bōs. I-260-261
βουσός nur im Dat. βουσοῖ (Orchomenos, Arkadien, Schwyzer 664, 15; 18) f., nach gewöhnlicher Annahme ‘Rindertrift’ aus *βου-σόϝος (mit Kontraktion, vgl. Schwyzer 450), vgl. μηλοσόη· ὁδός, δι’ ἧς πρόβατα ἐλαύνεται. ‘Ρόδιοι H.; — Zusammenbildung mit σεύω (s. d.). Anders Schwyzer Glotta 12, 5 A. 1, Fraenkel Glotta 32, 22: = ion. βυσσός ‘Tiefe, Grund’. I-261
βοῦτ(τ)ις auch βούτη f., ‘Faß in Form eines abgestumpften Kegels’ (Hero, Aët.). Deminutivum βουτίον (Hippiatr.). — Ohne Zweifel Fremdwort = lat. buttis ‘Faß’. Vgl. auch βυτίνη und βωτίον, βωσίον (s. d.). I-261
βούτῡρον n. ‘Butter’ (Hp., Arist., LXX usw.). Davon βουτύρινος (Dsk.). Eig. ‘Kuhquark’, aus βοῦς und τυρός, der Form nach ein neutrales substantiviertes Bahuvrihikompositum, wie βούσταθμον (: σταθμός) usw. Daneben, mit Anschluß an τυρός, βούτυρος (Gal.). — Aus βούτυρον stammt lat. būtȳrum, woraus weiterhin die westgermanischen Formen, ahd. butera usw. — Vgl. Schrader-Nehring Reallex. 1, 177f., Olck P.-W. 3, 1089ff. I-261
βρά · ἀδελφοί, ὑπὸ ’Ηλείων (cod. Ιλειων) H. — Wohl zu φράτηρ, u. z. als illyrisches Element des Dialekts (alb. vëlā). Vgl. Kretschmer Glotta 3, 33; s. auch Schwyzer 65 A. 2 (S. 66) und Latte z. St. I-261
βραβεύς m. ‘Kampfrichter, Richter, Anführer’ (Trag., Pl.; zur Bedeutung Boßhardt Die Nomina auf -ευς 41f.). Denominatives Verb βραβεύω ‘richten, entscheiden’ (Isok. usw.) mit βραβευτής = βραβεύς (Is., Pl. usw.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 63), βράβευμα ‘Richterspruch’ (S.), βραβεία ‘Entscheidung’ (E., Lyk.), βραβεῖον ‘Kampfpreis’ (Men., Ep. Kor. usw.). — Unerklärt. Zu den schon bei Bq gebuchten ganz hypothetischen und anfechtbaren Deutungsversuchen kommen mehrere neue derselben Art hinzu: WP. 1, 686 (lit. ger̃bti ‘ehren’), Grošelj Slavistična Revija 4, 262f. (βερνώμεθα, s. d.), Georgiev IF 60, 171ff. und v. Windekens Le Pélasgique 82f. (aind. brávīti ‘sprechen’, allerdings verschieden motiviert). — Eher mit Debrunner Eberts Reallex. 526, Chantraine Formation 125 vorgriechisch und unbekannten Ursprungs. I-261-262
βράβῠλον βράβυλος f. ‘Schlehdorn, Prunus spinosa’, auch ‘Schlehe’ (Aret., AP usw.). n. ‘Schlehe’ (Theok. usw.), — Unerklärtes Fremdwort. Zu bemerken noch βραβύλη = ἀνεμώνη ἡ φοινικῆ (Ps.-Dsk.). I-262
βράγος · ἕλος H. — Erinnert an βράχος, βράχεα ‘seichte Stellen’ und von Fick BB 29, 199f. als makedonisch damit identifiziert. — Anders, kaum besser, nach Zupitza (s. WP. 2, 235): zu ahd. bruoch ‘Bruch, Sumpf’. I-262
βράγχος auch βάραγχος (Hippon.), βράγχη f. (Xenokr.) ‘ds.’ und βραγχία· ἡ περιτράχηλος ἀλγηδών H. m. ‘Heiserkeit, Bräune’ (Hp., Th., Arist. usw.), — Die semantische Berührung und formale Ähnlichkeit mit βρόγχος ‘Luftröhre’ springt in die Augen; sie hat offenbar den Bedeutungsübergang bei βράγχια verursacht. Der Vergleich mit dem Aorist βραχεῖν ‘rasseln, krachen’ (Johansson KZ 36, 345f.) läßt sich nicht näher begründen. Außerhalb des Griechischen scheint das sonst isolierte air. brong(a)ide ‘heiser’ eine annehmbare Anknüpfung zu bieten (Fick 2, 186). — Zur Vokalentfaltung in βάραγχος usw. s. Schwyzer 278, 831 mit Lit. Ableitungen: βραγχαλέος ‘heiser’ (Hp., vgl. Debrunner IF 23, 37, Chantraine Formation 255), βραγχώδης ‘der Heiserkeit anheimgefallen’ (Hp.), auch βραγχός ‘heiser’ (AP). — Daneben als Denominativum, evtl. als deverbatives Intensivum βραγχάω ‘von Heiserkeit, Bräune angegriffen sein’ (Arist. usw.), auch βραγχιάω (Arist. u. a.; nach den Krankheitsverba auf -ιάω, nicht mit Schwyzer 732 von βράγχια); erweitert βραγχιάζοισθε· πνίγοισθε H. — Mit anderer Bedeutung βράγχια pl. ‘Fischkiemen, Luftröhrenäste’, auch βαράγχια, βαράχνια (Hdn., H.). I-262
βραδύς Steigerungsformen βραδύτερος, -τατος, auch βραδίων und βάρδιστος, außerdem βραδίστατος (Ael.); s. Seiler Steigerungsformen 56f. m. Lit. Vgl. noch βράσσων s. βραχύς. ‘langsam, träge’ (seit Il.). Ableitungen: βραδυτής, -τῆτος ‘Langsamkeit’ (seit Il.; zur Endbetonung Schwyzer 382 m. Lit.), βράδος ‘ds.’ (X., Epikur., nach dem Oppositum τάχος). Denominatives Verb βραδύνω ‘zögern, verzögern’ (A., S., Pl. usw.) mit βραδυσμός (Sch.). — Kann mit lit. gurdùs ‘saumselig, langsam’, lett. gur̃ds ‘müde, matt’ als idg. *gu̯r̥dús identisch sein (Fraenkel Phil. 97, 172, KZ 69, 76ff.). Anders Bechtel Lex. (zu ἀμέρδω), noch anders Walter KZ 11, 437 u. a. (zu lat. gurdus ‘stumpf’). Kritik bei Fraenkel a. a. O., W.-Hofmann s. gurdus. I-262-263
βράθυ n. ‘Sebenbaum, Juniperus sabina, Cedernart, Juniperus foetidissima’ (Dsk.), auch βόρατον n. (D. S., Sm., Dsk.). — Semitisches Wort, vgl. aram. berāt, hebr. berōš, assyr. burāšu ‘Cypresse’. Lat. bratus N. einer vorderasiatischen Cypressenart. Lewy Fremdw. 34, Schrader-Nehring Reallex. 1, 671, Cuny Rev. ét. anc. 20, 223ff. Zum u-Stamm in βράθυ vgl. μῶλυ, μίσυ, σῶρυ (Chantraine Formation 119), auch δάκρυ = ‘Harz’ o. ä. Peripl. M. Rubr. 30. I-263
βράκανα · τὰ ἄγρια λάχανα H. (Pherekr., Luk.). — Hypothese von Prellwitz u. a.: zu ahd. moraha, ags. moru ‘Möhre’. Anders über die germ. Wörter Knutsson Die germ. LW im Slavischen (LUÅ 1929) 31f. I-263
βρακεῖν · συνιέναι, βράξαι· συλλαβεῖν, δακεῖν, καταπιεῖν H. — Hierher noch δυσβράκανον· δυσχερές, ... δυσκατανόητον H. — Schon von Roth KZ 19, 223 zu aind. mr̥śáti ‘berühren, anfassen’ gezogen. Die anklingenden und teilweise synonymen βράψαι· συλλαβεῖν, ἀναλῶσαι, κρύψαι, θηρεῦσαι und βράπτειν· ἐσθίειν, κρύπτειν, ἀφανίζειν, τῷ στόματι ἕλκειν, ἢ στενάζειν können von μάρψαι, μάρπτειν beeinflußt sein. Auch βρακεῖν und μάρπτειν sind direkt miteinander verglichen worden unter Annahme einer Assimilation von κ an das anlautende μ- zu π (Lit. bei Schwyzer 302); kaum überzeugend, s. μάρπτω. — Zu βρακεῖν nach Persson Beitr. 79 A. 1 auch βράκετον· .. πλῆθος und βράττειν· πληθύνειν, βαρύνειν H. — Andere Kombinationen bei WP. 2, 283, W.-Hofmann s. merx, Belardi Doxa 3, 200. Vgl. auch βρόξαι. I-263
βράκος · κάλαμος. ἱμάτιον πολυτελές H. S. ῥάκος. — Anders Belardi Doxa 3, 199f. I-263
βράπτειν, βράψαι s. βρακεῖν. I-263
βράσσω, βράζω, att. βράττω, auch ἐκ-βρήσσω (Gal.), Aor. βρᾰ́σαι, ἐβράσθην, Fut. βράσω, Perf. βέβρασμαι ‘aufschütteln, werfen, worfeln; aufsprudeln, sieden’ (ion. att.). — Von Bezzenberger BB 27, 152f. mit lett. murdēt ‘aufsprudeln’, lit. murdýnas ‘quellige Stelle im Boden’, mùrdau, mùrdyti ‘etwas im Wasser usw. rüttelnd behandeln’ verglichen. — Der Vokalismus ist mehrdeutig. Davon βρασμός ‘das Aufschütteln, Erdbeben usw.’, βράσμα ‘das Aufschütteln, Sieden usw.’ mit βρασματίας Art Erdbeben (Posidon. u. a.; vgl. μυκητίας σεισμός, σεισματίας usw. bei Chantraine Formation 94f.), βράσις ‘das Sieden’ (Orib.); — βράστης m. ‘Aufschuttler’ (vom Erdbeben, Arist.), βραστήρ ‘Getreideschwinge’ (Gloss.). I-263
βράσσων Komparativ, s. βραχύς. I-264
βραχεῖν Ind. βράχε, ἔβραχε · ἠχῆσαι, ψοφῆσαι H. ‘krachen, knarren’ (ep. seit Il.). — Expressives Schallwort, vgl. βρυχάομαι. S. auch βράγχος. I-264
βραχίων, -ονος m. ‘Oberarm, Arm’ im Gegensatz zu πῆχυς = ‘(Unter)arm’ (seit Il.). Davon βραχιόνιον ‘Armspange’ (Delos IIa), βραχιονιστήρ ‘ds.’ (Plu. u. a.); vgl. ποδιστήρ (πέπλος A.), ἑλικτῆρες ‘Ohrgehänge’ (Ar., Lys.), σωφρονιστῆρες ‘Weisheitszähne’ (Hp. u. a.) und andere Geräte- und Körperteilnamen bei Chantraine Formation 327f. Außerdem βραχιάλιον, -άριον (Sm., Th., Aq.) und βραχιόλιον (Alex. Trall.) im Anschluß an lat. bracchiāle ‘Armspange’, bracchiolum ‘Ärmchen’, s. unten. — Nach Pollux 2, 138 wird der Oberarm βραχίων genannt, ὅτι ἐστὶ τοῦ πήχεως βραχύτερος; vgl. Bechtel Lex. s. v. Wohlbegründete Bedenken bei Seiler Steigerungsformen 42f. — Daraus als LW lat. bracchium, woraus ferner kymr. braich usw.; vgl. W.-Hofmann s. v. I-264
βραχύς mit βραχύτερος, -τατος, βράχιστος· βραχίων nur Choerob., H.; sonst im Sinn von ‘(Ober)arm’, s. bes.; außerdem als ἅπ. λεγ. βράσσων τε νόος (Κ 226), falls nicht zu βραδύς (nach θάσσων?), s. Seiler Steigerungsformen 43, 56f. gegen Curtius Grundz.5 672. ‘kurz’ (Hdt., Pi. usw.) Davon βραχύτης, -τητος ‘Kürze’ (Pl., Th. usw.; zur Betonung Schwyzer 528 A. 7), außerdem βράχεα n. pl. ‘seichte Stellen’ (Hdt., Th. usw.; aus βραχέα mit Akzentverschiebung?; vgl. Schwyzer 380; τὸ βράχος nur Prokop.). Denominatives Verb βραχύνω ‘abkürzen’ (Hp., Pl. usw.). — Altes Wort, das in genau übereinstimmender Gestalt im Indoiranischen und Germanischen bewahrt ist: aind. (ved.) múhuḥ, múhu Adv. ‘plötzlich’, muhūrtá- n. ‘kurze Weile, Augenblick’, mind. Form für *mr̥hú-, aw. mərəzu- ‘kurz’ in mərəzu-ǰīti-, mərəzu-ǰ(ī)va- ‘langes Leben’ bzw. ‘langlebig’ (vgl. ὁ βίος βραχύς Hp.), sogd. murzak ‘kurz’; ahd. murg(i) ‘kurz’, ags. myrge ‘kurzweilig’, got. *maúrgus Grundlage von ga-maúrgjan ‘verkürzen’; idg. *mr̥ĝhú-; daneben im Vokalismus abweichend (unursprüngliche Hochstufe?) lat. brevis aus *mreĝhu̯-i-. WP. 2, 314 m. Lit., außerdem Wackernagel Glotta 10, 22f., Bloch Don. nat. Schrijnen 369. I-264
βρέγμα, βρεγμός s. βρεχμός. I-264
βρέμω nur Präsensstamm ‘brummen, brausen, rauschen’ (poet. seit Il.). Davon mehrere Verbalnomina: 1. βρόμος ‘Gerausch’ (poet. seit Il., sp. Prosa) mit βρόμιος ‘rauschend’ (Pi.), gew. Βρόμιος als Beiname des Bacchos (A., Pi. usw.), auch ‘bacchisch’ (E. usw.; vgl. v. Wilamowitz Eur. Her. 366); fem. βρομιάς (Pi. u. a.); in derselben Bedeutung βρομιώδης (AP), fem. βρομιῶτις, auch ‘Bacchantin’; denominatives Verb βρομιάζομαι = βακχεύω (AP); über βρόμος als Pflanzenname = ‘Hafer’ (Hp., Thphr. usw.), wegen seiner vermuteten Kraft gegen Blitzschläge zu schützen, s. Strömberg Pflanzennamen 79f. mit zahlreichen Parallelen; — 2. βροντή ‘Donner’ (seit Il.) mit βρονταῖος ‘donnernd’ (Arist. u. a.), βροντώδης (Agath., Vett. Val. usw.), βροντεῖον ‘Donnermaschine’ (Poll.), Βρόντης N. eines der Kyklopen (Hes.; zur Bildung Schwyzer 561), Βροντήσιος (Ζεύς) = Jupiter Tonans (Mon. Anc.; zur Bildung Chantraine Formation 41f.), βροντητικός (Eust.); auch βροντέα N. eines Edelsteins (Plin.; wegen der schützenden Kraft); Denominativum βροντάω ‘donnern’ (seit Il.), auch βροντάζω (Pap., H.); vgl. Porzig Satzinhalte 262 und 343; — 3. -βρεμέ-της in Zusammenbildungen wie ἐρι-, ὑψι-βρεμέ-της (poet. seit Il.); — 4. -βρέν-τᾱς in ἀναξι-βρέν-τᾱς ‘dounerbeherrschend’, ἀργι-βρέν-τᾱς (lyr.); daraus βρενταί· βρονταί H.? — Zwei deverbative Bildungen : 1. βρομέω (Iterat.-Intens.) ‘rauschen, summen’ (poet. seit Il.; vgl. Schwyzer 719 m. A. 11); zu ngr. (Kreta usw.) βρομεῖ, βρομίζει ‘es stinkt’ s. Hatzidakis Glotta 22, 130ff. und unten s. βρῶμος; 2. βρωμάομαι ‘schreien (von Eseln u. a.)’ (Ar., Arist.) mit βρώμησις, βρωμήεις, βρωμήτωρ, βρωμητήρ. — Außerdem βρεμεαίνων· ἠχῶν H., vgl. zu βλεμεαίνω. — Die Ähnlichkeit mit lat. fremo ‘brummen, brüllen, tosen’, ahd. breman ‘brummen, brüllen’, kymr. brefu ‘brüllen’ usw. (s. WP. 2, 202f., W.-Hofmann s. fremō) kann kaum zufällig sein, aber eine lautgesetzliche Zurückführung dieser sämtlichen Verba auf ein gemeinsames idg. bhrem- ist wegen des β- in βρέμω unmöglich. So kann man für βρέμω mit einer unaspirierten onomatopoetischen Variante brem- auskommen (vgl. Persson Beitr. 36 A. 1 mit allzu weitgehenden Schlüssen), sofern man nicht vorzieht, über mrem- bei μορμύρω Anknüpfung zu suchen, was kaum besser ist. Andere, noch entferntere Möglichkeiten bei Bq. Vgl. χρεμετίζω und φόρμιγξ. I-264-265
βρένδον · ἔλαφον. βρέντιον· ἡ κεφαλὴ τοῦ ἐλάφου (H., EM). — Messapisches Wort, das auch in mehreren ON, z. B. Βρεντέσιον = Brundisium, eingeht. Verwandte im Nordgermanischen und Baltischen, z. B. nschwed. dial. brind(e) ‘männliches Elentier’, norw. brund ‘Männchen vom Renntier’, lett. briêdis ‘Elen, Rothirsch’ (wohl germ. LW); vgl. noch ohne Dentalsuffix alb. brî, brîni ‘Horn, Geweih’. — Lit. bei Pok. 169f., außerdem Krahe Glotta 17, 94 A. 4, Fraenkel Gnomon 21, 39 m. Lit. und Glotta 32, 24, Rix Beitr. z. Namenforschung 5, 115ff. Unannehmbare Kombinationen bei Specht Ursprung 120. I-265
βρένθος m. 1. N. eines Wasservogels (Arist., Ael.; vgl. Thompson Birds s. v.), 2. ‘Stolz’ (Ath.), 3. = ‘τύμβος’ H. — βρένθον· μύρον τι <τῶν παχέων>, ὡς βάκκαρις, οἱ δὲ ἄνθινον μύρον H. Davon βρένθειον (μύρον; Sapph., Pherekr.); βρένθινα· ριζάρια τινά, οἷς ἐρυθραίνονται αἱ γυναῖκες τὰς παρειάς H.; βρενθίνῳ· ἀνθίνῳ H.; — βρένθυς, -υος f. ‘Parfüm aus βρένθειον μύρον’ (Phld.). — βρένθιξ· θριδακίνη. Κύπριοι H. — Neben diesen seltenen, z. T. nur lexikalisch belegten Nomina steht ein weit gewöhnlicheres Verb βρενθύομαι nur Präsensstamm ‘sich brüsten, stolz gebärden, anmaßend auftreten’ (att. und spät), auch βρενθύνομαι (AP), wozu jedenfalls βρένθος im Sinn von ‘Stolz’ postverbal ist. Ob dagegen der Vogel nach seinen Bewegungen benannt ist oder das Verb vom Vogelnamen ausgeht, läßt sich kaum entscheiden. Dasselbe gilt vom Verb gegenüber βρένθον = μύρον nebst Ableitungen. Über das isolierte βρένθος = ‘τύμβος’ ist ebenfalls schwer zu urteilen. So schweben alle Etymologien tatsächlich in der Luft. Frühere Versuche bei Bq und WP. 1, 699; s. auch W.-Hofmann s. grandis. — Zu erwägen ist die Zugehörigkeit von βρινδεῖν· θυμοῦσθαι, ἐρεθίζειν H. als illyrisch (v. Blumenthal Hesychst. 6, Krahe DLZ 1930, 1654); anders, gewiß nicht besser, bei WP. 1, 686. S. auch Latte z. St. und Alessio Studi Etruschi 15, 190ff., der βρέντιον, βρένδον (s. d.) heranzieht. I-266
βρέτας, -εος n. ‘hölzernes Götterbild’ (A. usw., auch sp. Prosa). Davon der Spitzname Βρέτων (Attika), Bechtel Namenstudien 13f. Sonst keine Ableitungen. — Mittelmeerwort ohne Etymologie, vgl. Benveniste Rev. de phil. 58, 128f. Indogerm.-pelasgische Erklärung bei v. Windekens Le Pélasgique 15f., 33f. I-266
βρέφος n. ‘Neugeborenes, Kind, Tierjunges’ (auch Ψ 266. vorw. poet., auch Hdt. und späte Prosa). Seltene und späte Ableitungen: βρεφύλλιον Demin. (Luk., Eust.), βρεφώδης ‘kindisch’ (Ph. u. a.), βρεφικός ‘ds.’ (Ph., Eust.), βρεφόθεν ‘von Kindheit an’ (Eust.). Als Vorderglied in βρεφο-κτόνος ‘kindertötend’ (Lyk.), -κομέω, -τροφέω (Eust., Tz.). — Zu vergleichen ist aksl. žrěbę, žrěbьcь ‘Füllen’, von dem sich βρέφος nur durch die Stammbildung und die Stellung der inneren Liquida unterscheidet: βρέφος < idg. *gu̯rebh-, žrěbę < *gu̯erbh- (durch slav. Metathese). Sonst isoliert. Unsicher ist wegen des Nasals nur. brommach ‘Füllen’ (< *gu̯rombhākos); über aind. gárbha- ‘Mutterleib, Leibesfrucht’ s. δελφύς. I-266
βρεχμός m. ‘Vorderhaupt, Oberschädel’ (ep. seit Ε 586), daneben mit sekundärem -γμ- (vgl. Schwyzer 206 A. 1) βρέγμα n. ‘ds.’ (Stratt., Hp., Arist. usw.); auch βρεγμός (EM), βρέχμα (v. l. Alkiphr. 3, 5). Vgl. Porzig Satzinhalte 283f. Keine Ableitungen. — Die Anknüpfung an βρέχω ‘benetzen’, weil dieser Teil des Schädels bei den neugeborenen Kindern noch weich ist (Hp., Arist.), überzeugt nicht. Seit Graßmann KZ 12, 93 gewöhnlich mit einem westgermanischen Wort für ‘Gehirn’ zusammengestellt, ags. broegen, mnd. bragen usw. (urg. *braʒna-), wobei der Anlaut verschieden beurteilt wird: mregh- oder b(h)regh-, vgl. Persson Beiträge 35. Sehr unsicher. — Benveniste BSL 31, 80 erinnert an aw. mərəzu- ‘Wirbel des Halses und Rückens’ und verschiedene neuiran. Wörter für ‘Hals’, die ebenfalls auf uriran. *mr̥z- zurückgehen. I-266-267
βρέχω, Aor. βρέξαι, βρεχθῆναι, βραχῆναι ‘nässen, überfluten’, auch ‘regnen (lassen)’ (vorw. ion. poet., hell. und spät). Ableitungen: βροχή ‘Regen, Bewässerung, Überschwemmung’ (Demokr., Thphr., Pap. usw.) und die seltenen βροχετός ‘Regen’ (AP, nach ὑετός), βροχμός ‘das Benetzen’ (EM) mit βροχμώδης (Demokr.), βρέγμα (Erot.). — Von βροχή, *βρόχος, evtl. direkt von βρέχω : βροχίς ‘Tintenfaß’ (AP), βρόχιον ‘ds.’ (Pap.), βροχικός ‘regnerisch’ (Cat. Cod. Astr.). — Seit Prellwitz und Bezzenberger BB 27, 153 (s. auch Trautmann Balt.-slav. Wb. 182) zu lett. merguôt ‘sanft regnen’, merga ‘sanfter Regen’, russ. morosítь ‘fein regnen’ usw. gezogen, die alle auf idg. merg(h)-, morg(h)- zurückgehen gegenüber mregh- in βρέχω (vgl. zu βρέφος). Man kann gegen diese Etymologie einwenden, daß bei βρέχω die Vorstellung des Durchnässens, des Überflutens überwiegt, während die baltoslavischen Wörter den Begriff des feinen Regens ausdrücken. Unter Vergleich mit frz. noyer ‘ertränken’ aus lat. necāre ‘töten’, auch ‘ersticken’, und πνίγειν ‘ersticken’, auch ‘ertränken’, pass. ‘ertrinken’ (weitere Beispiele bei Schulze Kl. Schr. 148ff.) vermutet deshalb H. Fraenkel Glotta 12, 1f., βρέχω sei ursprünglich ‘ersticken’, woraus ‘zudecken, überfluten’ (so bei Pi.); dazu als Verbalnomen βρόχος *‘Würgung’, ‘Würgeschlinge’ (s. d.). Vgl. βρύχιος. I-267
βρήσσειν · τὸ μετὰ βηχὸς ἀναπτύειν. ἔνιοι ταῦτα χωρὶς τοῦ ρ γράφουσι (Gal. Lex. Hipp.); βρήσσει· βήσσει H. Davon βρῆγμα· ἀπόπτυσμα ἀπὸ θώρακος, παρὰ ‘Ιπποκράτει H. und, nach Bechtel Namenstudien 12f., auch der böot. PN Βρεικίδας (= Βρηκ-). — Expressives (onomatopoetisches) Reimwort zu βήσσειν, vgl. βραχεῖν. — Außerdem das lautimitierende βρήσσουσιν· βληχῶνται. φωνεῖ τὰ πρόβατα H. I-267
βρί (βρῖ) · ἐπὶ τοῦ μεγάλου καὶ ἰσχυροῦ καὶ χαλεποῦ τίθεται H., auch = βριθύ (A. D.). Als Vorderglied z. B. in βρι-ήπυος ‘stark schreiend’ Beiw. des Ares (Ν 521), Zusammenbildung mit ἠπύω, Βριάρεως myth. EN (Α 403 usw., Bechtel Lex. s. βριήπυος, Immisch RhM 47, 294, Heubeck Würzburger Jahrbücher 4, 214f.), βριηρόν· μεγάλως κεχαρισμένον H. (vgl. zuletzt Sommer Nominalkomp. 139 gegen Hoffmann Glotta 28, 23f.). Neben diesem nur als Vorderglied belegten βρι- steht das Adjektiv βριαρός ‘wuchtig, schwer’ (ep. seit Il.) wie das Oppositum χαλαρός neben χαλί-φρων; hinzu kommt βριάω ‘wuchtig machen od. sein’ (Hes., Opp.) wie χαλάω, somit vielleicht Rückbildung aus βριαρός; vgl. Schwyzer 682f., Bechtel a. a. O. — Alt und verbreitet ist die θ-Erweiterung in βρί̄θω, βέβρῑθα, wozu βρῖσαι, ‘wuchtig, schwer belastet sein’, auch ‘belasten’ (ion. poet. seit Il., sp. Prosa, vgl. Schwyzer 703, Risch 217) mit den seltenen βρῑθύς ‘wuchtig, schwer’ (poet. seit Il.), βρῖθος n. ‘Wucht, Last, Schwere’ (Hp., E. usw.), βριθοσύνη ‘ds.’ (Il., Nonn., vgl. die zahlreichen hom. Nomina auf -σύνη bei Risch 138, Porzig Satzinhalte 72, 226). — S. noch βρίμη, βριμάομαι; auch βρίζω und ὕβρις. — Mit größter Wahrscheinlichkeit zu βαρύς, von dem es sich durch die Schwundstufe der Wurzelsilbe und die ῑ-Erweiterung unterscheidet; neben dem einsilbigen ῑ wohl zweisilbiges ια (< ii̯ə) in βρια-ρός; vgl. zu 1. ἀρύω. Eine analoge ū-Erweiterung liegt vor in lat. (osk.-umbr.) brūtus = lett. grũts ‘schwer’. — Nach einer scharfsinnigen Vermutung von Wackernagel KZ 61, 197f. hat βρι- ein Gegenstück in aind. grī-ṣmá- m. ‘Hochsommer’, eig. *‘die Zeit des heftigen, starken Sommers’? (zu sámā ‘(Halb)jahr’, aw. ham- ‘Sommer’). — Sehr fraglich ist dagegen die Heranziehung von air. brīg ‘Kraft, Macht, Wert’ und verwandten keltischen Wörtern (Fick 2, 185). I-267-268
βρία = πόλις, τεῖχος, thrakisches Wort (Str. 7, 6, 1), βρίαν· τὴν ἐπ’ ἀγροῖς (ἄκροις?) κώμην H. — Zu toch. A ri, B riye ‘Stadt’, < *u̯rii̯ā. Lidén Aufsätze für Kuhn 143ff. Hierher vielleicht auch ῥίον ‘Berghöhe, Vorgebirge’ (s. d.). I-268
βρίγκα m. · τὸ μικρόν. Κύπριοι H. βρίγκος N. eines Seefisches (mittlere Kom. bei Ath. 322e), nach H. = ἰχθῦς κητώδης, was zu den Angaben bei Ath. schlecht stimmt (Thompson Fishes s. v.); außerdem bei H.: ἀνωδόρκας· βρίγκος (cod. βρίκχος) ὁ ἰχθῦς, ὑπὸ Θηβαίων, wozu Strömberg Fischnamen 58. Auch als PN (Eretria). — Unerklärt; vgl. Bechtel Dial. 1, 446. I-268
βρίζω ‘schläfrig sein, einnicken’ (Δ 4, 223, A.), Aor. ἔβριξα (E. Rh. 826 [lyr.], v. l. ἔβρισα), βρίξαι· ὑπνῶσαι, νυστάξαι; βρισθείς· ὑπνώσας H.; βριζώ, -οῦς f. = ἐνυπνιόμαντις (Semus 5). — ἄβρικτον· .. ἄγρυπνον, ἀβρίξ· ἐγρηγόρως H. (vgl. zur Bildung ἀπρίξ und Schwyzer 620). — Unerklärt. Anknüpfung an βρί-, βρίθω usw. (Curtius Grundz. 475, vgl. somno gravatus) scheint nicht ausgeschlossen . I-268
βρίκελοι · οἱ μὲν τοὺς ἱστόποδας, ἀπὸ τοῦ βάρους καὶ τοῦ ξύλου· οἱ δὲ βαρβάρους· Δίδυμος δὲ τὰ τραγικὰ προσωπεῖα, παρὰ Κρατίνῳ, οἷον βροτῷ εἴκελοι, ἐν Σεριφίοις H. — Unerklärtes Wort unsicherer Bedeutung. Nach Grošelj Živa Ant. 4, 166f. als vorgriechisch zu φρίκες· χάρακες H. I-269
βρίμη · ἀπειλή. καὶ γυναικεία ἀρρητοποιΐα H., was sich auf A. R. 4, 1677 Μηδείης βρίμῃ πολυφαρμάκου beziehen dürfte; sehr fragliche Konjektur h. Hom. 28, 10 (von Athena); außerdem wahrscheinlich Orph. Fr. 79 = ‘das Brüllen’. Daneben βριμός· μέγας, χαλεπός H., Βριμώ Bein. der Hekate und Persephone (A. R. u. a.), βριμώδης (Herm. ap. Stob. [?]). — Mehrere Verba: βρῑμάομαι etwa ‘zürnen, vor Zorn schnauben’ od. ähnl. (Ar. Eq. 855, Phld.) mit βρίμημα (H., APl. [?]), gewöhnlicher ἐμ-βριμάομαι (A. usw.) mit ἐμβρίμημα, ἐμβρίμησις (LXX usw.); βριμόομαι ‘ds.’ (X., Ph.) mit βρίμωσις (Phld.), βριμαίνεται· θυμαίνεται, ὀργίζεται; βριμάζων· τῇ τοῦ λέοντος χρώμενος φωνῇ, βριμάζει· ὀργᾷ εἰς συνουσίαν. Κύπριοι H. — Spärlich belegte Wortgruppe, die schließlich auf eine nominale μ-Ableitung von βρι- in βριαρός, βρίθω zurückgehen muß; Bedeutung etwa ‘Schwere, Wucht, Gewalt, Ungestüm’. Die sehr sparsamen Belege der fraglichen Wörter, die im Sprachgefühl keine festen Wurzeln hatten, machen eine genaue Bedeutungsbestimmung unmöglich. Vgl. Solmsen KZ 42, 207 A. 2 m. Lit. — S. auch ὄβριμος. I-269
βριτύ · γλυκύ. Κρῆτες H. — Unerklärt. Als Vorderglied in Βριτό-μαρτις Bein. der Artemis auf Kreta, auch N. einer Göttin od. Nymphe auf Kreta und Dreros (Inschr., Kall., Str.). Davon Βριτομάρτια n. pl. Fest auf Delos (Inschr.). — Nach Solin. 11, 8 = ‘dulcis virgo’; das Hinterglied seit Diefenbach (s. Solmsen KZ 35, 483 A. 1) zu lit. martì ‘Braut, Jungfer’, krimgot. marzus ‘nuptiae’. Daneben auch Βριτόμαρπις, -μάρπεια (Kreta); nach Marinatos ’Αρχ. Δελτ. 9, 79ff. zu Μάρπησσα, N. einer verwandten Gottheit in Ätolien, und von Wahrmann Glotta 19, 170 als die ursprüngliche Form angesehen, woraus Βριτόμαρτις, wenig wahrscheinlich, durch Dissimilation entstanden wäre. Andere Nebenform Βρυτόμαρτις, s. Wahrmann a. a. O. — Abzulehnen Magnien (s. Glotta 21, 178). I-269
βρόγχος m. ‘Luftröhre, Kehle’ (Hp., Arist. u. a.). Davon βρόγχια n. pl. ‘Luftröhrenäste’ (Hp. u. a.), βρογχίη f. ‘Röhrensystem zwischen Herz und Leber’ (Hp., vgl. ἀρτηρία), βρογχεῖον ‘Luftröhrenknorpel’ (S. E.). — βρογχωτήρ ‘Halsöffnung eines Kleids’ (J.; vgl. τροπωτήρ ‘Ruderriemen’ = τροπός und die Sekundärbildungen auf -τήρ bei Chantraine Formation 327f.). — Denominativum βρογχιάζει· καταπίνει H. — Vielleicht zu βρόξαι (s. d.), βρόχθος mit unerklärter Nasalinfigierung. I-269-270
βρόμος, βροντή s. βρέμω. I-270
βρόξαι Aor., in der Lit. vorwiegend ἀνα-, κατα-βρόξαι ‘wieder einschlucken, verschlucken’ (ep. seit μ 240, δ 222; βρόξαι als Simplex H. [= ῥοφῆσαι], AP), ἀναβροχέν (λ 586), Perf. ἀναβέβροχεν (Ρ 54 nach Zenodot für ἀναβέβρῠχεν). Daneben βρόχθος m. ‘Schluck, Schlund’ (Hp., Theok., AP u. a.) mit βροχθώδης ‘seicht, untief’ (?; Nik. Th. 366, EM) und βροχθίζω ‘einen Schluck nehmen u. ähnl.’ (Arist. u. a.). — Der o-Vokalismus, der im Perfekt zu Hause ist, fällt im Aorist auf; äolischer Ursprung liegt nahe, vgl. βράξαι· .. καταπιεῖν H. Die nicht seltene Schreibung (Form) κατα-βρῶξαι (Ar., Lyk. u. a.) beruht auf alter Vermischung mit βιβρώσκω. — An βρόχθος, wohl zunächst als Nom. actionis "das Verschlucken" zu verstehen, erinnern mehrere Körperteilnamen wie γνάθος, στῆθος, γρόνθος usw. (Schwyzer 510f., Chantraine Formation 367, Specht Ursprung 253f.; auch Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 44f.); das jedenfalls suffixale -θος läßt verschiedene Auffassungen zu. — Aus anderen Sprachen sind einige germanische und keltische Nomina zum Vergleich geeignet: mhd. krage ‘Hals, Kehle, Nacken, Kragen’, meng. crawe ‘Kropf der Vögel’, die als Sekundärbildungen oder Nomina agentis auf idg. *gu̯rŏgh-ēn (gr. *βροχήν; vgl. αὐχήν usw.) zurückgehen können, und air. brāgae ‘Hals, Nacken’, mkymr. breuant ‘Luftröhre’ u. a. aus urkelt. *brāg-, idg. zunächst gu̯rōgh- (gu̯r̥̄gh- ?). Weiterer Anschluß an die Sippe von βιβρώσκω, βάραθρον ist dann zu erwägen. Fick 1, 410, Kretschmer 31, 405; weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 683. — Hierher wohl auch βρόγχος. I-270
βροτός m. f. ‘Mensch’ als sterbliches Wesen aufgefaßt, ‘der Sterbliche’, auch ‘sterblich’ (poet. seit Il.). Davon βρότεος (τ 545 usw.), βρότειος (Archil., A. usw.) ‘zu den Sterblichen gehörig, menschlich’ (vgl. Wackernagel Unt. 69 A. 1, Schmid -εος und -ειος 28f.); βροτήσιος ‘ds.’ (Hes., Pi. usw.; nach ’Ιθακήσιος, φιλοτήσιος usw., vgl. Chantraine Formation 41f.; unrichtig Fraenkel Nom. ag. 2, 151 nach Schulze: zu βροταί· γυναῖκες H., vgl. Latte z. St.). — Altes Privativkompositum ἄ-μβροτος (vgl. unten) ‘unsterblich, göttlich’ (daneben als einmalige Neubildung ἀ-βρότη [νύξ] Ξ 78, vgl. ἀμφιβρότη [ἀσπίς] ‘den Mann rings deckend’ Β 389 usw.?, s. auch βρότος) mit ἀμβρόσιος ‘zu den Unsterblichen gehörig, göttlich’ und dem Abstraktum ἀμβροσίη eig. "Unsterblichkeit", konkretisiert ‘Ambrosia’, von den Göttern als Speise usw. gebraucht (sämtl. poet. seit Il.). — βροτός, äolisch für *βρατός, ist mit arm. mard ‘Mensch’ formal und begrifflich identisch (idg. *mr̥tó-s); dazu, der Form nach übereinstimmend, aber durch die partizipielle Funktion semantisch abweichend, aind. mr̥tá-, aw. mərəta- ‘tot’, wozu noch lat. mortuus, aksl. mrъtvъ ‘tot’ (Suffix nach vivus, živъ); das negierte Oppositum in aind. a-mŕ̥ta-, aw. a-məša- ‘unsterblich’ = ἄ-μβροτος, aber auch ‘nicht tot, lebendig’; vgl. dazu Thieme Studien 15ff. mit feinsinnigen, aber unnötig zugespitzten und nicht immer überzeugenden Auslegungen. — Neben βροτός steht mit anderem Ablaut μορτός· ἄνθρωπος, θνητός H. = aind. márta-, aw. marəta- ‘der Sterbliche, Mensch’. — Als alte, im Griechischen isolierte Verbalnomina gehören βροτός und μορτός zu einem idg. Wort für ‘sterben’, das u. a. in lat. morior, aind. mriyáte, lit. mir̃ti, aksl. mrěti, arm. meṙanim, vielleicht auch in heth. mer- ‘verschwinden, absterben’ vorliegt; dazu noch got. maúrþr ‘Mord’ usw. Einzelheiten bei WP. 2, 276, Pok. 735. — Vgl. auch μαραίνω. I-270-271
βρότος bis auf μέλανα βρότον (ω 189) nur am Versende in der Formel βρότον αἱματόεντα (Η 425 usw.), m. gewöhnlich als ‘geronnenes Blut’ erklärt. Davon, ebenfalls formelhaft, βροτόεις in ἔναρα βροτόεντα (Ζ 480 usw.) und βροτόεντ’ ἀνδράγρια (Ε 509); außerdem das einmalige βεβροτωμένα τεύχεα (λ 41 = Q. S. 1, 717; danach Stesich. 42 δράκων ... κάρα βεβροτωμένος). — Wahrscheinlich äolisch (in Lautgebung und Akzent) für *βρατός und eng verwandt mit aind. mūrtá- ‘geronnen’ (Präs. mūrchati), zu dem es sich verhält wie στρα-τός (äol. στρο-τός) zu aind. stīr-ṇá- ‘ausgebreitet’ (Bugge KZ 19, 446). — Anders Leumann Hom. Wörter 124ff.: βρότος aus ἄμβροτος, das von einem Dichter falsch als ἀναίμων gedeutet wurde. — Hierher vielleicht mit Schulze KZ 29, 257f. (Kl. Schr. 361f.) auch ἀμφιβρότη (ἀσπίς Β 389 usw.) als ‘corpus undique tegens’ zu einem Wort für ‘Körper’ (*βροτόν?), vgl. aind. mū́rti- ‘Körper, Gestalt’ (andere Auffassung s. βροτός). I-271
βροῦκος m. Art Heuschrecke (Thphr., nach H. ion.). Daneben βροῦχος (LXX, Ph. usw.), βρούκα (kypr., H.); βραῦκος (kret.), βραύκη (AB, H.), βρε<ῦ>κος· ἡ μικρὰ ἀκρίς, ὑπὸ Κρητῶν H., βρύκος (H.), βρόκοι· ἀττέλεβοι, ἀκρίδες H. — Von diesen Formen ist βρύκος (und βροῦχος) schon von EM (danach Fick 1, 409) mit βρύκω ‘gierig abfressen, mit den Zähnen knirschen’ zusammengestellt worden. Die formale Ähnlichkeit kann indessen sehr wohl auf sekundärer volks- etymologischer Angleichung beruhen. Sonst sind diese volkstümlichen Wörter nicht befriedigend aufgeklärt. Der Vergleich mit russ. brýkatь ‘(mit den Hinterfüßen) ausschlagen’, klruss. brykáty ‘mutwillig herumspringen, laufen’ und anderen slavischen Wörtern aus idg. breuq- (v. d. Osten-Sacken IF 28, 146f.) hat einen sehr beschränkten Wert. — Zum Vokalwechsel vgl. Schwyzer 198. S. auch βερκνίς. I-271-272
βρόχος m. ‘Schlinge (zum Erhängen), Strick, Band, Masche’ (ion. att. seit Od.). Davon βροχίς ‘Masche usw.’ (AP, Opp.) und βροχωτός ‘aus β. bestehend’ (Neophr., Aq., Sm.; zur Ableitung aus einem Nomen Chantraine Formation 305, Schwyzer 503). — Für eine Grundform *μρόχος spricht μόροττον· ἐκ φλοιοῦ πλέγμα τι, ᾧ ἔτυπτον ἀλλήλους τοῖς Δημητρίοις H. Herangezogen hat man daher einige slavische Wörter, z. B. aksl. mrěža ‘Netz, Schlinge’, serb. mrȅža ‘Netz’ (< idg. *merəghi̯ā), ferner lett. mer̂ga, mar̂ga ‘Geländer usw.’, lit. márška ‘Stück Leinwand, kleines Fischernetz’ (idg. *morəgh-skā?); näheres bei Vasmer Russ. et. Wb. 2, 119 m. Lit. — Wegen des auffallenden a-Vokals unsicher ir. braig ‘Kette’, braga ‘Gefangener, Geisel’; Erklärungsversuch von Walde Stand und Aufgaben 178. — WP. 2, 272f. nach Lidén Stud. 14 u. a. — Vgl. βρέχω (eig. ‘erwürgen, ersticken’?) und μέρμις. I-272
βρυαλίζων · διαρρήσσων H. (zu ῥήσσω = ‘stampfen’, vom Tanzen). Davon βρυαλιγμόν· ψόφον, ἦχον. βρυαλίκται· πολεμικοὶ ὀρχησταί· ‘μενέδουποι’ Ἴβυκος καὶ Στησίχορος H. — Von *βρύαλος (-η, -ον), nominale Ableitung unbekannter Bedeutung von βρύω (s. d.), bzw. λ-Erweiterung desselben, vgl. zu βαυκαλάω. Zur Bedeutung vgl. βρυάσομαι· ἀναβακχεύσομαι μετά τινος κινήσεως H. I-272
βρύκω, Aor. βρῦξαι, Fut. βρύξω ‘beißen, gierig abfressen’, nicht immer von βρύχω ‘mit den Zähnen knirschen’ zu unterscheiden (Kom. usw.; nach Moer. u. a. attisch). Davon βρυγμός (Eup.), βρύγμα (Nik.); βρυκετός· ταὐτὸν τῷ βρυγμῷ, καὶ βρυκηθμὸς ὁμοίως. Δωριεῖς H.; vgl. δακετόν bzw. βρυχηθμός; — βρυκεδανός· πολυφάγος ... H., vgl. πευκεδανός u. a.; — βρύγδην ‘dicht bei’ (AP). — Unter der Voraussetzung, κ in βρύκω sei für γ oder χ aus βρῦξαι, βρύξω durch Entgleisung sekundär entstanden (Osthoff ZGdP 313f.), kann βρύκω aus *gu̯rūĝ(h)ō mit aksl. gryzǫ, grysti ‘nagen’ identisch sein; damit ablautend lit. gráužiu, gráužti ‘nagen’. Auch arm. krcem ‘nagen’ aus *kurcem kann dazu stimmen, wenn man dieselbe analogische Metathese wie in t‘urc, Gen. t‘rcoy ‘γνάθος’ (zu τρώγω) usw. annimmt; darüber Lidén Armen. Stud. 34f. m. Lit.; c in krcem (< idg. ĝ) kann übrigens aus dem synonymen aracem ‘essen’ eingeführt sein. Aus dem Keltischen werden außerdem herangezogen air. brōn ‘Kummer’, kymr. brwyn ‘stechender Schmerz’ (urkelt. *brŭgnos). — WP. 1, 697f. m. Lit., Pok. 485f. I-272-273
βρῦτος -ον n. m., ‘Gerstenbier’ (Archil., Hekat. u. a.), auch βροῦτος, βρύττιον (H.). Daneben βρύτεα (-ια) n. pl. ‘Weintrester, τὰ στέμφυλα’ (Ath., Aret., H.). — Ableitungen: βρύτινος (Kratin.), βρυτικός (Antiph.). — Thrakisches Wort, das bis auf die Vokalqualität mit awno. ags. brođ, ahd. prod ‘Brühe’, air. bruth ‘Glut’ identisch sein kann (idg. *bhrū̆tos, -om). Begrifflich am nächsten kommt lat. dēfrŭtum n. ‘der eingekochte Most, Mostsaft’, eig. ‘das Ausgekochte, Vergorene’, Verbalnomen neben dēferv(e)ō, dēfervescō ‘ausgären’. Somit alte Benennung eines uralten Verfahrens und uralten Produkts, letzten Endes von einem Verb der Bedeutung ‘aufbrausen (beim Gären, Brauen usw.)’ mit zahlreichen Ablegern und Verwandten, u. a. lat. ferv(e)ō. Aus thrak. βρύτεα, -ια stammt durch illyrische Vermittlung (vgl. alb. bërsī) lat. brīsa ‘Weintrester’. — Reiches Material bei W.-Hofmann s. dēfrŭtum, außerdem WP. 2, 167f., Pok. 143f.; dazu noch Bruch IF 40, 241ff., Pisani JCeltStud. 1, 51 (mit hypothetischen romanischen Kombinationen). — Vgl. auch φρέαρ, φορύνω. I-273
βρῡχάομαι, Perf. βέβρῡχα (mit Präsensbed.), Aor. βρυχήσασθαι ‘brüllen, heulen’ (vorw. poet. seit Il., späte Prosa). Ableitungen: βρυχηθμός ‘Gebrüll, Geheul’ (Arist., Opp. u. a.), βρύχημα ‘ds.’ (A., APl., Plu.); retrograde Bildung βρυχή (Opp., vgl. βρύχω); — βρυχητής ‘Brüller, brüllend’ (AP), βρυχητήρ ‘ds.’ (Doroth.), βρυχητικός (Tz.). — βρυχηδόν ‘mit Gebrüll’ (A. R., Nonn.). — Erweiterte Verbform βρυχανάομαι (Nik.; vgl. Schwyzer 700). — Hierher auch βρούχετος· .. βάτραχον δὲ Κύπριοι, βρυχός· κήρυξ H. (auch βρυκός). — Zum Formenbestand vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 95 A. 3 (S. 96). — Die Bedeutung des intensiven, bei Hom. alleinherrschenden Perfekts βέβρυχα (vgl. μέμυκα, κέκραγα und Schwyzer-Debrunner 263), zu dem nach den Schallverben auf -άω (Schwyzer 683) das Präsens βρυχάομαι mitsamt dem noch späteren Aor. βρυχήσασθαι hinzugebildet wurde, legt onomatopoetischen Einfluß nahe, ohne daß man deswegen auf die naheliegende Anknüpfung an βρύχω (s. d.) zu verzichten braucht. Expressiver Ausdruck und als solcher mannigfachen umwandelnden Assoziationen unterworfen. I-273
βρῠ́χιος ‘(unter)seeisch, tief’ (A., Tim., A. R. u. a.). Daneben ὑπόβρυχα ‘unter dem Wasser’, urspr. als Adj. im Akk. Sg. faßbar (ε 319, Hdt. 7, 130; vgl. Bechtel Lex. s. v.), dann sicher Adv. (Arat., Q. S. u. a.). Im selben Sinn ὑποβρύχιος (ion. seit h. Hom. 33, 12, hell.); danach περιβρύχιος ‘rings umflutend’ (S. Ant. 336 [lyr.]). Nach Muster von ὑποβρύχιος : ὑπόβρυχα bildet Opp. H. 2, 588 zu βρύχιος den Akk. βρύχα ‘Meerestiefe’. — Alle diese Bildungen können von einem Nomen *βρύξ, βρυχός etwa ‘Wasser, Meer(estiefe)’ ausgegangen sein; zur Bildung von ὑπόβρυχα, ὑποβρύχιος Schwyzer-Debrunner 532. Weitere Beziehungen unsicher. Begrifflich nahe liegt βρέχω (das indessen vielleicht von einer anderen Grundvorstellung ausgeht, vgl. s. v.); dabei wäre *βρύξ wie ἄγυρις neben ἀγείρω usw. als Schwundstufe zu betrachten (Schwyzer 351). — Schwerlich mit Bechtel Lex. 323 zu βέβρῡχε (Quantität!, *βρύξ eig. "der Brüller"?). I-273-274
βρύχω nur Präsensstamm ‘mit den Zähnen (τοὺς ὀδόντας) klappern’, auch intr. (Hp., Nik., Act. Ap. usw.). Davon βρυχή (ὀδόντων) ‘das Zähneklappern’ (A. R., Q. S.), βρυχηθμός (Men., falls nicht von βρυχάομαι), βρυγμός (Hp., Ev. Matt. u. a.); Adv. βρυχηδόν (AP). — Expressives Wort, das formal und semantisch einerseits an βρύκω ‘nagen’, anderseits an βρυχάομαι ‘brüllen’ erinnert. Nahe kommt arm. krčem atamanc̣ ‘mit den Zähnen klappern’ (vgl. krcem s. βρύκω); aber arm. č kann mit gr. χ nicht gleichgesetzt werden, sondern muß auf sekundärer Umbildung beruhen. I-274
βρύω nur Präsensstamm (bis auf βρύσας Prokop.) ‘sprossen, treiben, sprudeln, strotzen’ (poet. seit Il., späte Prosa [auch trans.]). Davon βρύσις (Suid., Eust.), βρυσμός (Ark.), auch EN wie Βρύας, Βρύσων. — Erweiterte Form βρυάζω ‘ds.’, auch übertr. (poet. seit A., Epik. u. a.), nur Präsensstamm bis auf βρυάσομαι· ἀναβακχεύσομαι μετά τινος κινήσεως H. (sehr unsicher ἀνεβρύαξαν Ar. Eq. 602). Davon βρυασμός ‘Üppigkeit’ (Plu.), Βρυάκτης Beiname des Pan (Poet. ap. Stob.). — βρύον n. ‘(See)moos, Blütenkätzchen’ (Hp., Arist., Thphr. usw.) mit βρυώδης ‘moos-, kätzchenähnlich’ (Alex. Aphr., Dsk. usw.); auch, mit Anknüpfung an βρύω, ‘üppig, überwachsen’ (Arist.), in dieser Bedeutung auch βρυόεις (Nik.); βρυώνη, βρυωνία ‘schwarze, weiße Weinrebe’ (Nik., Dsk. usw.; zur Bildung Chantraine Formation 207f.); Deminutivum βρυωνίς (Nik.). — Zur l-Ableitung in βρυαλίζων s. d. — Denominatives Verb βρυόομαι ‘mit βρύον bedeckt werden’ (Arist.). Bemerkenswertes Kompositum: ἔμβρυον n. ‘Neugeborenes (Lamm)’ (ι 245 u. a.; wohl auch A. Eu. 945 [lyr.]), ‘ungeborene Leibesfrucht’ (Hp., Arist. u. a.), von βρύω mit ἐν nach Muster von ἔμπεδος, ἐγκέφαλος und anderen nominalen Hypostasen. — Eine überzeugende Etymologie von βρύω fehlt. Mehrere Vorschläge, u. a. zu lat. frutex (Osthoff MU 5, 85ff.), zu ahd. krūt ‘Kraut’ (Persson Stud. 123). Weitere Lit. bei Bq s. v., W.-Hofmann s. frutex und verū, WP. 1, 689. — Als mutmaßliches Verbalnomen von βρύω steht βρύον ziemlich vereinzelt da; vgl. indessen θύον ‘Baum mit wohlriechendem Holz’, falls zu θύω ‘(verbrennend) opfern’. I-274-275
βρῶμος m. ‘Gestank’, falsch für βρόμος (LXX, Gal. u. a.) wohl in Anlehnung an βρῶμα (vgl. Ev. Mark. 7, 19). Davon βρωμώδης, βρομώδης ‘stinkend’ (Str., Plu., Ath. usw.); βρωμέω (-ο-) ‘übel riechen’ (Al.). — Mit βρόμος ‘Geräusch’ identisch; das Wort ist im Sinn von ‘Furz’ aus der akustischen in die Geruchssphäre übergegangen, vgl. ngr. κρούω ‘stoßen, farzen, stinken’. Hatzidakis Anh. zu ’Αθ. 27, 3ff., dazu Kretschmer Glotta 9, 222f., 11, 98. Anders z. B. Kalitsunakis, s. Glotta 12, 198. Vgl. auch ngr. βρομεῖ ‘es stinkt’ s. βρέμω. — Daraus lat. brōmus, brōmōsus, exbrōmō. I-275
βύᾱς m. ‘Uhu’ (Arist., D. C.). Aus der Lautimitation βῦ nach den Nomina auf -ᾱς (Schwyzer 461, Chantraine Formation 27f., 30). Daneben nach den Verba auf -ζω βύζω (βύας ἔβυξε D. C., vgl. Schwyzer 716). Postverbal βῦζα = βύας (Nik.). — Elementare Schallnachahmung: arm. bu ‘Eule’ (= georg. bu), npers. būm ‘ds.’, lat. būbō ‘Uhu’, bulg. buh ‘ds.’. Weiteres Material bei WP. 2, 112f., Pok. 97f., W.-Hofmann 119, Schrader-Nehring Reallex. 2, 216. — Vgl. βύκτης und βοάω. I-275
βυβός = ‘μεστός, πλήρης, μέγας’ (Sophr. 115 aus Suid. u. H.). — Familiäre Reduplikationsbildung, mit βύω, βυνέω (s. d.) usw. verwandt. Zu den Wörtern auf -βός s. Chantraine Formation 261. Vgl. Specht Ursprung 264. I-275
βυθός ‘(Meeres)tiefe, Grund’ (ion. poet., hell.). Davon βύθιος ‘zur Tiefe gehörig, tief’ (spät), Fem. βυθῖτις (ψάμμος AP; vgl. Redard Les noms grecs en -της 23). m. Denominativum βυθίζω ‘versenken’ (S., Plb. usw.) mit βυθισμός (Hld.). Außerdem das Ptz. βυθόωσα (ῥίζα) ‘in die Tiefe gehend’ (Nik. Th. 505). — Daneben βυσσός m. ‘Meerestiefe, Grund’ (Il., Hdt., Arist.) mit βυσσόθεν ‘aus der Tiefe’ (S., Kall. usw.). Bemerkenswerte Komposita: ἄβυσσος ‘grundlos’ (Hdt., A., E., Ar.), Subst. f. ‘Abgrund, Unterwelt’ (= hebr. təhōm, LXX, NT, Pap.; zur Bildung und Bedeutung vgl. Schwyzer RhM 81, 203); — βυσσοδομεύω ‘tief, heimlich erdenken’ (Od., Hes., danach späte Prosa), metrisch bedingt für βυσσοδομέω (Eust., Suid.) wie οἰκοδομέω usw., s. K. Meister HK 31, Chantraine Gramm. hom. 1, 368. — Nebenform βύσσα (Opp.) nach βῆσσα; l-Erweiterung in βύσσαλοι· βόθροι, βυσσαλεύοντι· τῷ βυθῷ ἐφικνουμένῳ H. — Hinsichtlich des Inlauts erinnern βυθός : βυσσός an βαθύς : βάσσος; Grundform von βυσσός entweder *βυθι̯ός oder *βυθσός, vgl. Schwyzer a. a. O. — Die Hesychglosse γυθίσσων· διορύσσων läßt auf labiovelaren Anlaut schließen, wodurch Verwandtschaft mit βῆσσα (und βαθύς) nahegelegt wird. Dann verhält sich γυθίσσων zu βῆσσα, βαθύς wie γυνή zu böot. βανά; das β in βυθός, βυσσός wäre von βῆσσα, βαθύς übernommenen. Schwyzer RhM 81, 201f. (Gramm. 296), wo auch das unsichere aw. guδa- herangezogen wird. Weitere Beziehungen s. βῆσσα; vgl. auch πυθμήν. I-275-276
βυκάνη f. ‘Jagd-, Signalhorn’ (Plb. usw.). Davon βυκανάω ‘in Horn blasen’ (Plb.) mit βυκάνημα (App.) und βυκανητής (Plb., App.); auch βυκανιστής (Plb., D. H.) von βυκανίζω (Eust., vgl. unten); davon auch βυκανισμός ‘dumpfer Ton’ (Nikom., Ptol.). — Aus lat. būcina entlehnt mit Suffixübertragung nach Muster von māchina : μηχανή (Niedermann IF 37, 147f. gegen Cuny Mél. Saussure 108ff., der Entlehnung aus einem ungeschwächten *būcana durch die unteritalischen Griechen annimmt). Abzulehnen Haupt AmJPh 47, 310, vgl. Wahrmann Glotta 17, 255. — Neben βυκ- (vgl. βύζω, βύκτης) kommt auch die genauere Wiedergabe βου- vor. Direkt aus dem Latein stammt βουκινάτωρ (Lyd.) = būcinātor; von būcina ebenfalls βουκινίζω (S. E.). — S. auch βουκονιστήριον. I-276
βύκτης m. Beiwort des Windes, nur in βυκτάων ἀνέμων κ 20, von den Alten durch πνεόντων, φυσητῶν erklärt (danach Lyk. und Orph. Α., auch ohne Hauptwort im Sinn von ‘Sturmwind’). — Falls mit den Alten = ‘blasend’, zu βεβυκῶσθαι· πεπρῆσθαι <παρὰ> Θετταλοῖς H. (Hoffmann Dial. 2, 224, Bechtel Dial. 1, 204) und weiterhin zu βυνέω (s. d.). Nach Fraenkel Nom. ag. 1, 19 A. 1 dagegen zu βύζω, βύξαι ‘wie ein Uhu heulen’ (s. βύᾱς). — Anderssprachige Beispiele von k-Erweiterungen sowohl des schallnachahmenden bū wie von bu ‘aufblasen’, die aber für die Erklärung von βύκτης belanglos sind, bei WP. 2, 112f. und 116f., Pok.97f. und 100f., auch Bq s. v. I-276
βυνέω (Hdt., Ar.), auch βύνω (Hdt.), βύζω (Aret., H.), βύω, Aor. βῦσαι, Fut. βύσω; βέβυομαι (seit Od.), ἐβύσθην, (παρά)βυστος, ‘vollstopfen, anfüllen’. oft mit Präposition δια-, ἐπι-, παρα-, προ-, Ableitungen: βύσμα ‘Pfropf’ (Hp., Ar. u. a.), βύστρα ‘ds.’ (Antiph., Luk.); Adv. βύζην (aus *βύσ-δην, vgl. unten) ‘dicht gedrängt, eng aneinander’ (Hp., Th. usw.), wozu sekundär βυζόν· πυκνόν, συνετόν, γαῦρον δὲ καὶ μέγα H. — Außerdem mit λ-Suffix und Assimilation (oder expressiver Gemination) βυλλά· βεβυσμένα H., wozu das denominative βεβυλλῶσθαι· βεβύσθαι H. — Wie κυνέω läßt sich βυνέω als ein infigiertes Nasalpräsens *βυ-νέ-σ-ω auffassen, wobei βυν- sogar ein schwundstufiges βυν-σ- (3. Pl. *βύνσοντι, daraus διαβύνεται Hdt. 2, 96?, vgl. Schwyzer 692) fortsetzen könnte. Die Erklärung setzt für βυνέω ein sehr hohes Alter voraus. In Frage kommt auch *βυσ-νέω mit sekundärem -έω, vgl. z. B. ἐν-δυνέω neben δύνω, δύω. — Zum Vergleich eignet sich zunächst alb. m-bush ‘anfüllen’, ferner einige keltische und germanische Wörter für ‘Beutel, Tasche’, z. B. mir. būas auch ‘Bauch’ (idg. *bousto-), ano. posi, ags. posa, ahd. pfoso, urg. *pŭsan- (idg. *bŭson-); außerdem z. B. aschw. pusin ‘geschwollen’; alb. m-bush und mir. būas können jedoch auch idg. bh- enthalten. Auszugehen ist von einer weitverbreiteten Imitation des Aufblasens b(h)u, p(h)u, die zu jeder Zeit neugebildet werden konnte; die genetischen Vergleiche sind also mit Vorbehalt zu empfehlen. Vgl. βυβός, βουβών, βύτανα. — Reiches, aber etwas ungesichtetes Material bei WP. 2, 114ff., Pok. 98ff. I-276-277
βύνη βύνι, -εως n. (nach κίκι, κόμμι usw.) f., ‘Gerstenmalz’ (Pap., Aët.). Sehr zweifelhaft βυνεύς· σκεύασμά τι κρίθινον H. (trotz Lagercrantz ad PHolm. 15, 33), viell. aus dem Gen. βύνεως falsch erschlossen. — Fremdwort unbekannter Herkunft. I-277
βύριον · οἴκημα, βυριόθεν· οἴκοθεν H., (EM). — Messapisches Wort, das sich bis auf das i̯o-Suffix im Germanischen wiederfindet: ano. būr n., ahd. ags. būr m. ‘Hütte, Zimmer, Käfig’ (urg. *būra-). Hierher wahrscheinlich auch βυρμός· σταθμός H., s. v. Blumenthal Hesychst. 3. Daneben mit anderem Ablaut βαυρία, βᾶρις (s. dd.). S. auch Krahe IF 57, 116. — Alles r-Ableitungen eines Worts für ‘wohnen’, s. φύω. I-277
βυρρός · κάνθαρος. Τυρρηνοί H. — Nach der Farbe genannt, aus gr. πυρρός, = lat. burrus ‘feuerrot, scharlachrot’ (Paul. Fest. 31). Fohalle Mélanges Vendryes 157f., dazu Kretschmer Glotta 16, 166. I-277
βύρσα f. ‘(abgezogene) Haut, Fell’ (ion. att. seit Hdt.). Mehrere späte Ableitungen: Deminutivum βυρσίς (H.); βύρσινος ‘ledern’ (D. C.), βυρσικός ‘ds.’ (Gp.), auch ‘von Gerbern benutzt’ (Hippiatr., zu βυρσεύς), βυρσώδης ‘ds.’ (Gal.); — βυρσεύς ‘Gerber’ (Act. Ap., Artem., Pap.) für älteres βυρσοδέψης (Ar. Pl. usw.) mit Ableitungen, vgl. Boß- hardt Die Nomina auf -ευς 76; daneben βυρσεύω ‘gerben’ (H.) und βυρσεῖον ‘Gerbgrube’ (Sch.). — Denom. βυρσόω ‘mit Häuten bedecken’ (Ath. Mech.). — Alt nur βυρσίνη ‘Lederriemen’ (Ar. Eq. 59, 449, wegen des Wortspiels mit μυρσίνη). — Technisches LW ohne Etymologie. I-277-278
βύσσος f. "Byssos", feine Flachsart und Leinwand, auch auf baumwollene und seidene Stoffe bezogen (Emp., Theok., Str. usw.). Davon βύσσινος ‘aus β. gemacht’ (seit Hdt.); βύσσωμα ‘Netz aus β.’ (AP; zur Bildung vgl. πέπλωμα usw. Chantraine Formation 187). — Durch semitische Vermittlung (hebr. aram. būṣ, Lewy Fremdwörter 125f.) aus dem Ägyptischen (wꜣḏ Linnenart), s. Spiegelberg KZ 41, 127ff. I-278
βύσταξ m. ‘Schnurrbart’ (Antiph.), βύσταγα· πώγωνα H. — Wahrscheinlich aus μύσταξ nach βυνέω umgebildet, vgl. βῦσαι· ἐπιθεῖναι, φορτῶσαι, κρύψαι H. Nach Güntert Reimwortbildungen 128 Fremdwort. I-278
βύτανα · κόνδυλοι. οἱ δὲ βρύτανα H. — Bildung auf -ανον (Chantraine Formation 197ff., Schwyzer 489f.); gewöhnlich ebenso wie βυτθόν· πλῆθος H. (expressive Gemination, falls nicht dial. für βυστόν) und βύττος· γυναικὸς αἰδοῖον H. als volkstümliche Dentalerweiterung des imitativen bu ‘aufblasen’ (s. βυνέω) betrachtet. — WP. 2, 115 nach der ausführlichen Behandlung von Persson Beiträge 254, 272, 274. I-278
βυτίνη · λάγυνος ἢ ἀμίς. Ταραντῖνοι H. Daneben πῡτί̄νη ‘mit Weidenzweigen oder Bast umflochtene Weinflasche’ (Poll.), Titel einer Komödie des Kratinos. — Wie viele andere Gefäßnamen ohne Etymologie. Daraus vlat. butina mit weiteren Entlehnungen ins Germanische, z. B. ags. byden, ahd. butin, nhd. Bütte; aus dem Germanischen finn. putina, russ. bódnja usw., s. Vasmer Russ. et. Wb. s. v. Auch lat. buttis ‘Faß’ mit but(t)icula, butticella hängt damit irgendwie zusammen (W.-Hofmann s. v.). — Neugr. Formen und ON bei Georgakas ByzZ 42, 78. I-278
βωβός Bez. eines Gebrechens, nach H. = χωλός, πηρός (πτορός cod.); bei Plu. Fr. inc. 149 mit κωφός koordiniert; im Neugr. = ‘stumm’. — Bildung wie κολοβός, κλαμβός usw. (Chantraine 261, Specht Ursprung 262f.); nach Grošelj Živa Ant. 4, 168f. als ‘stumm’ onomatopoetisch zu βωβύζειν· σαλπίζειν H. I-278
βωλήτης m. (Ath.), auch βωλίτης (Gp., Gal.) ‘Pilz, spez. Champignon’. Davon βωλήτιον ‘pilzförmige Schale’, βωλητάρια πινάκια (Pap.), βωλητῖνος ἄρτος (Ath.), nach der Form. — Aus lat. bōlētus (seit Sen.), das nach Niedermann IFAnz. 29, 31f. seinen Namen von der Stadt Boletum in Spanien bezogen hat; formal und sächlich nicht ohne Bedenken, s. W.-Hofmann s. v. Bedenklich ebenfalls Machek Lingua posnaniensis 2, 48 : βωλήτης sei aus derselben Quelle wie slav. bъdla ‘Champignon’ entlehnt. (Nicht besser über die slav. Wörter bei Vasmer Russ. et. Wb. 1, 93.) — Die Form βωλίτης, nach den zahlreichen Ableitungen auf -ίτης, hat auch die Bedeutung ‘Wurzelknolle der Lychnis’, offenbar durch Assoziation mit βῶλος, erhalten und ist auch ins Latein (Plin.) übergegangen. Näheres bei Redard Les noms grecs en -της 70. I-278-279
βῶλος f. (m.) ‘Erdscholle, (Erd)kloß’ (seit Il.). Mehrere Ableitungen. Deminutiva βωλίον (Ar., Arist.), βωλάριον (Str. usw.); — βωλίς· μάζης εἶδός τι ἐν ταῖς θυσίαις H.; βωλόναι nach Einigen = κολῶναι; vielleicht βωλῶναι zu schreiben (H. aus S.). — Adj. βωλώδης (Thphr., Pap.), βώλινος (H.); Adv. βωληδόν (Dsk.); Verbalnomen βώλωσις ‘Kloßbildung, Zusammenballung’ (Pap.) als von *βωλόομαι; vgl. die Bildungen ohne Verb bei Chantraine Formation 288. — Alt ist βῶλαξ f. = βῶλος (poet. seit Pi.; ἐριβῶλαξ wie ἐρίβωλος seit Il.); vgl. die Sekundärbildungen auf -αξ bei Chantraine Formation 379. Davon βωλάκιος (Pi.), βωλάκιον (H., Zonar.). — Nicht sicher erklärt. Vielleicht ursprünglich lautsymbolisch und zu βολβός (s. d.) usw. I-279
βωμός m. ‘Stufe, (Wagen)gestell’, bes. ‘Altar’ (seit Il.). Zahlreiche Ableitungen. Deminutiva: βωμίς ‘Staffel’ (Hdt.), βωμίσκος techn. Terminus mit verschiedenen Spezialbedeutungen (Hero, Nikom. usw.), βωμίσκιον (Pap.), βωμισκάριον (Inschr.); βῶμαξ· ŏ μικρὸς βωμός, ὑποκοριστικῶς H. — βωμῖτις (sc. γῆ) ‘geweihtes Land’ (Pergamon); — βωμίστρια ‘Priesterin’ (Nik.; nach den Bildungen auf -ίστρια zu -ίζειν, Chantraine Formation 106); βώμᾱξ· βωμολόχος H., volkstümlich-pejorative Bildung, Chantraine Formation 381f.; Björck Alpha impurum 263 A. 1; davon βωμάκευμα (Sch., EM). — Adj. βώμιος (S., E. usw.), auch Monatsname (Lamia); βωμικός (Kibyra), βωμιαῖος (S.). — βώμευσις· βωμοῦ ἵδρυμα H., wie von *βωμεύω, vgl. zu βώλωσις s. βῶλος. — Hierher auch als Denominativum βώμηνεν· ὤμοσε H. von *βωμαίνω ‘(mit der Hand auf dem Altar) schwören’. — Verbalnomen mit auffallender ō-Stufe zu ἔ-βη-ν (ἔ-βᾱ-ν); zur Bedeutung vgl. z. B. βάσις und apers. gāϑu-, npers. gāh ‘Platz, Stätte, Thron’ (von gā- = βᾱ-, βη-). — Verfehlt E. Maaß Arch. f. Religionswiss. 23, 221ff. (vgl. Wahrmann Glotta 17, 244), Lewy KZ 55, 32 (sem. LW). — S. auch Porzig Satzinhalte 262, 286f. I-279
βωνίτης, -τᾱς m. ‘βουκόλος’ (Kall., H., Suid.). — Eig. dor. für βουνίτης (von βουνός, s. d.; vgl. βωνίτας· τοὺς ἐν ἀγρῷ H.) mit volksetymologischem Anschluß an βοῦς, βῶς. Redard Les noms grecs en -της 39. — Nicht mit Baunack Phil. 70, 367 = *βωϝίτας. I-279-280
βωρεύς βωρίδιον n., auch βουρίδιον (Alex. Trall.). m., ‘Seebarbe’ (Xenokr.), — Nach Boßhardt Die Nomina auf -ευς 61 aus βῶροι· ὀφθαλμοί H., weil neben den βωρίδια u. a. auch die τυφλίδια erwähnt werden. Ebenso Strömberg Fischnamen 42f. mit anderen Beispielen desselben Benennungsmotivs. Aber βῶροι steht wahrscheinlich für *ϝῶροι (s. ὁράω); anderseits kann βωρεύς von den gleichbedeutenden kopt. bori, arab. būrī nicht getrennt werden, s. Thompson Fishes s. v. — Zu den EN auf Βωρ- (Βῶρος, Βώρακος, Βώριμος) s. Boßhardt a. a. O. I-280
βωσίον n. Bez. eines Hausgeräts; Deminutivum βωσιδία (Pap., vgl. unten). Aus βωτίον· σταμνίον H. mit Übergang von τι > σι, s. Olsson Symb. Oslo. 4, 62f.; davon βωτάριον (Zos. Alch.). Die Femininform βωσιδιαι (bis) ist wahrscheinlich nur schlechte Orthographie für -ίδια; Olsson erwägt daneben Übergang ins Femininum nach λήκυθος, στάμνος usw. — Ohne Etymologie; vgl. βοῦτ(τ)ις. I-280
βωστρέω nur Präsensstamm ‘rufen, anrufen’ (poet. seit Od.). — Zu βοάω wie ἐλαστρέω (ep. ion. seit Il.) zu ἐλαύνω, ἐλά-σαι, καλιστρέω (Kall.) zu καλέω. Expressive Erweiterung, ursprünglich auf einem nominalen τερ-, τρο-Suffix aufgebaut (vgl. Risch 266), aber im einzelnen unklar. — Bechtel Lex. vergleicht die lit. Deverbativa auf -teriu, terėti. I-280
βωτάζειν · βάλλειν H. S. γατάλαι und οὐτάω. I-280
βωτιάνειρα, βώτωρ usw. s. βόσκω. I-280
γα dor. usw. für γε, s. d. I-280
γάβαθον καβαθα pl. (Akz.?, Pap. IIIa), auch f. sg. (Edict. Diocl., s. unten); ζάβατος· πίναξ ἰχθυηρὸς παρὰ Παφίοις H.; außerdem [.]αβαθα τρία Cumont Fouilles de Doura-Europos 372, 13. Zum Lautlichen Schwyzer 209. · τρυβλίον H.; — Orientalisches LW, viell. aus einem unbelegten sem. Fem. *ḳabbat (H. Bauer bei W.-Hofmann s. gabata; vgl. κάβος). Aus derselben Quelle lat. gabat(h)a ‘Schale, Schüssel, hölzernes Gefäß’ mit verschiedenen Ablegern: gr. καβαθα (Edict. Diocl.), kalabr. gávata ‘catino di terracotta’, franz. jatte, ahd. gebiza, gebita ‘Eßgeschirr’. Aus ngr. γαβάθα türk. kuvata. S. W.-Hofmann a. a. O., außerdem Hubschmid Rev. int. d’onomastique 4, 19. — Daneben γάβενα· ὀξυβάφια, ἤτοι τρυβλία H.; Bildung unklar, neugr. Formen bei Kukules ’Αρχ. 27, 61ff., unterital. bei Rohlfs WB 399; s. noch Hubschmid a. a. O., Belardi Doxa 3, 200. I-280-281
γαγάτης (sc. λίθος) m. ‘Pechkohle, Gagat’ (Orph., Plin., Dsk. usw.). — Nach Plin. 36, 141 von Γάγας Stadt und Fluß in Lykien. Daraus lat. gagātēs, wovon franz. jais, dt. Gagat usw. Vgl. Redard Les noms grecs en -της 53, 234. I-281
γαγγαίνειν · τὸ μετὰ γέλωτος προσπαίζειν H. — Redupliziertes Schallwort, seit Fick (1, 33 und 398; 2, 109) zu aind. gañjana- ‘verachtend, besiegend’ (formal = *γάγγανος), ags. canc ‘Hohn, Spott’ (= aind. gañja-, nur lexikalisch belegt). — Über lat. ganniō und einige keltische und slavische Wörter, die besser beiseite bleiben, s. W.-Hofmann s. v., WP. 1, 535, Pok. 352. — Vgl. auch γογγύζω. I-281
γάγγαμον γαγγάμη f. (Str.) n. ‘Netz, bes. zum Austernfang’ (A., Opp.), Ableitung γαγγαμεύς· ἁλιεύς, ὁ τῇ γαγγάμῃ ἐργαζόμενος H. Daneben γαγγαμευτής ‘ds.’ (conj. EM), vielleicht nach ἁλιευτής neben ἁλιεύς; evtl. von *γαγγαμεύω (Boßhardt Die Nomina auf -ευς 82). — Als technischer Terminus der Entlehnung verdächtig. Falls indogermanisch, kann es zu γέντο ‘er faßte’ (s. d.) gehören. I-281
γαγγλίον n. ‘Geschwulst, Überbein’ mit γαγγλιώδης (Mediz. seit Hp.). — Nicht sicher erklärt. Nach L. Meyer mit Intensivreduplikation zu ἄγλις, γέλγις, γάλινθοι, γέλινθοι (s. dd.), denen Solmsen Wortforsch. 223 einige slavische Ausdrücke für ‘Geschwulst, Drüse usw.’, z. B. aksl. žьly, hinzufügt. Weitere hypothetische Verwandte bei W.-Hofmann s. galla, WP. 1, 612, Pok. 357. I-281
γάγγραινα f. ‘Brand’ (Hp., NT, Plu. usw.). Davon die Adj. γαγγραινικός und γαγγραινώδης, das Denominativum γαγγραινόομαι mit γαγγραίνωσις und γαγγραίνωμα (alles Hp. usw.). — Intensive Reduplikationsbildung mit demselben Suffix wie in φαγέδαινα. Als nächste Grundlage hat wahrscheinlich ein Nomen gedient, dessen Form sich nicht genau feststellen läßt (vgl. Chantraine Formation 108f.); möglich sind z. B. *γάγγρων, *γάγγρος, auch γάγγρα, nach Alexander Polyhistor bei St. Byz. s. Γάγγρα eine Benennung der Ziege. Schon die Alten haben γάγγραινα ansprechend mit γράω ‘fressen’, athem. Ipv. γράσθι, verknüpft. Ob die Intensivreduplikation schon beim Verb vorlag (*γαγγράω, *γαγγραίνω) oder sich erst beim Substantiv einstellte, ist nicht zu entscheiden. — Näheres bei Solmsen Wortforsch. 231f. I-281
γαδή · κιβωτός H. — Wertlose Vermutung bei Winter Prothet. Vokal 17. Nicht zu trennen von γάνδιον· κιβώτιον H. Zum Vergleich bietet sich lat. gandeia N. eines Fahrzeuges bei den Afrikanern, s. W.-Hofmann s. v. S. noch Belardi Rend. Acc. Lincei 8 : 9, 620 mit weitgehenden Kombinationen. I-282
γάδος N. eines Fisches, auch ὄνος benannt (Dorio ap. Ath. 7, 315f.). Daneben γάδαρος (Diogenian) = γαϊδάριον (Pap. VI-VIIp), ngr. γάϊδαρος. — Über anklingende Benennungen des ὄνος oder ὀνίσκος, γαλίας, γαλλερίας, χελλαρίης usw. s. Strömberg Fischnamen 130f. I-282
γάζα f. ‘Schatzkammer, der königliche Schatz’ (Thphr., OGI 54, 22 [IIIa], Plb. usw.); als Vorderglied in γαζο-φύλαξ ‘Schatzwächter’ mit γαζοφυλακέω und γαζοφυλάκιον (alles hell.). Keine Ableitungen. — Nach Pomp. Mela 1, 64 u. a. persisch, vgl. mpers. ganj. Aus dem Griechischen stammt lat. gaza, wohl auch syr. gazā. I-282
γαῖα f. ‘Erde’, auch personifiziert (poet. seit Il.). Seltene Ableitungen: γαιήϊος ‘aus der Erde (Gaia) entsprossen’ (poet. seit Od.; nach den Adj. auf -ήϊος, vgl. Chantraine Formation 52), γαιών ‘Erdhaufen’ (Tab. Heracl. 1, 136) neben γα-εών (IG 14, 322 II 83, Halaesa), γαιόω ‘in Erde verwandeln’ (Tz.). Unter den Komposita ist zu nennen dor. γαιάοχος, lak. γαιάϝοχος, ep. γαιήοχος Beiw. des Poseidon, s. d. — Unklar. Vielleicht Kontamination von αἶα, μαῖα und γῆ (Schwyzer 473 m. Lit.). I-282
γαιάοχος lak. γαιάϝοχος, ep. γαιήοχος (seit Il.) m. (dor.), Beiwort des Poseidon (sekundär auf Zeus usw. bezogen) eig. Bedeutung unbekannt, gewöhnlich als ‘erdbewegend, Erderschütterer’ (= ἐννοσίγαιος, s. d.) erklärt; — das Hinterglied jedenfalls zu ὀχέω, lat. vehō usw., was verschiedene konkrete Sinnfärbungen zuläßt. Nach Borgeaud KZ 68, 221f. = ‘Heimführer d. h. Gemahl der Gaia’ = Ποσειδῶν (s. d.). An eine Kultlegende erinnernd, nach der Poseidon ἵππιος in Gestalt eines Hengstes die in eine Stute verwandelte Demeter d. h. die Erdgöttin besprungen habe, erwägt Kretschmer Glotta 5, 303 eine Deutung Γαῖαν ὀχεύων oder Γαίᾳ ὀχούμενος in erotischem Sinne; die Glossierung mit ὀχεύων kann insofern in die Irre führen, als dies Verbum wahrscheinlich nichts mit ὀχέω zu tun hat, s. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 30 (zu ὀχεύς). — Wieder anders Nilsson Gr. Rel. 1, 419 als Alternative (nach Hesych): ‘unter der Erde fahrend’ (von Poseidon als altem Flußgott). — Auch die exakte Deutung des Zeusepithets αἰγίοχος (s. αἰγίς) muß als unsicher gelten. I-282
γαῖσος auch γαῖσον n. m., Bez. eines Wurfspießes (Plb., Ph. Bel., LXX usw.). — Wie lat. gaesum aus dem Gallischen. — Daneben γαισᾶται, -οι ‘mercennarii’ (Plb.) aus lat. gaesātī ‘mit einem g. bewaffnete gallische Soldtruppen’, vgl. die EN Gaesāto-rīx, Gaeso-rīx, vandal. Gaise-rīcus, got. Rada-gaisus (Kretschmer Zeitschr. f. d. Alt. 66, 8, Jacobsohn ibid. 219ff.). — Andere keltische Formen sind z. B. air. gae, korn. gew ‘Speer’. Hierher noch das germ. Wort für ‘Speer’, ahd. as. gēr, ags. gār, anord. geirr m.; über die naheliegende Annahme einer Entlehnung aus dem Keltischen Schrader-Nehring Reallex. 2, 425. — Weitere Anknüpfungen sind höchst unsicher, vgl. s. χαῖος. Wie bei vielen anderen Waffennamen ist mit fremdem Ursprung zu rechnen (nach Ath. 6, 273f. war γαῖσος iberisch). Vgl. noch L. Hahn Rom und Romanismus im griech. Osten 49. I-282-283
γαίω ‘sich freuen’ (κύδεϊ γαίων) s. γάνυμαι und γηθέω. I-283
γάλα, γάλακτος ‘Milch’ (seit Il.); seltene oblique Formen Dat. γάλακι (Kall. Hek. 1, 4, 4), Gen. γάλατος (Pap.), τοῦ γάλα (Pl. Kom.). n. Ableitungen: γαλάκτιον ‘Milchtropfen’ (M. Ant., verächtlich deminuierend), pl. ‘Milchkuchen’ (Alkiphr.); γαλακτίς (πέτρα) N. eines Steins (Orph.) = γαλακτίτης (Dsk.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 53), beide auch als Pflanzennamen = τιθύμαλλος (Aët., Gloss.; nach dem Milchsaft, s. Strömberg Pflanzennamen 58, Redard 70); γάλαξ N. eines weißen Schalfisches (Arist.; vgl. Strömberg Fischnamen 109; zur Bildung Chantraine Formation 379); γάλιον s. bes. — Adjektiva: γαλακτώδης ‘aus Milch bestehend, mit Milch gemischt usw.’ (Arist., Hp. u. a.), γαλάκτινος ‘milchfarben’ (AP, Pap.). — Denominative Verba: 1. γαλακτίζω ‘milchähnlich sein usw.’ (Dsk. u. a.) mit γαλακτισμός ‘das Säugen’ (Mediz.); 2. γαλακτόομαι ‘zu Milch werden’ (Thphr. u. a.) mit γαλάκτωσις (Thphr.); 3. γαλακτιάω ‘von Milchüberfülle leiden’ (weil der Abfluß verhindert ist, Poll., H.). — Durch Assibilation entstanden Formen mit ξ: γαλαξίας (κύκλος) ‘die Milchstraße’ (D. S., Luk. usw.; zur Bildung Chantraine 95; daneben im Anschluß an das Grundwort γαλακτίας Ptol.); γαλάξια n. pl. N. eines Kybelefestes in Athen, bei dem ein Milchgericht γαλαξία gespeist wurde (Inschr., Thphr., H.), davon Γαλαξιών Monatsname auf Delos (Inschr. IIIa). Danach γαλαξαῖος und γαλαξήεις ‘milchähnlich, milchweiß’ (Nonn.). — Für sich steht γαλατμόν· λάχανον ἄγριον H., seit Fick BB 28, 108 als Zusammenbildung von γάλα und τέμνω erklärt (vgl. γάλιον); eine Sekundärbildung *γαλακτ-μόν (Strömberg Pflanzennamen 58) wäre hart, aber vielleicht nicht ganz unmöglich. — Unklar γάλαγγα ‘Alpinia officinarum’ (Aët.). — Eine alte Zusammenbildung aus γάλα und θῆσθαι ist γαλα-θη-νός ‘milchsaugend’ (vorw. poet. seit Od.); zum Suffix vgl. ἀγανός usw. (Schwyzer 452), auch τιθήνη (unklar Bechtel Lex. s. v.). — Neben γάλα steht γλάγος n. (poet. und selten seit Β 471) mit den späten, ebenfalls poetischen γλαγερός, γλαγόεις; außerdem περιγλαγής (Π 642, wonach νεογλαγής [Max.]) und γλαγάω (AP); andere Formen: γλακῶντες· μεστοὶ γάλακτος H.; κλάγος· γάλα. Κρῆτες H. (zur Erklärung unten); mit hypokoristischer Gemination γλακκόν· γαλαθηνόν H. — Über γάλα als Hinterglied Sommer Nominalkomp. 83. — Altererbtes Wort für ‘Milch’, das indessen außerhalb des Griechischen nur in lat. lac bewahrt ist (altes Fremdwort?, Porzig Gliederung 132); Grundform somit *glakt-, das in γλακτο-φάγος (Ν 6 usw.) vorliegen kann, falls nicht vielmehr sekundäre Synkope. Daraus, mit Schwund der Endkonsonanten und Vokalentfaltung in der einsilbigen Nom.-Akk.-Form (vgl. zu γυνή) γάλα, wozu analogisch γάλακτος. — Die τ-losen Formen γλάγος, γλακῶντες und κλάγος sind nicht sicher erklärt. Die Annahme J. Schmidts Pluralbild. 179, das -t sei ursprünglich wie z. B. in aind. yákr̥-t (s. ἧπαρ) nur im Nom.-Akk. zu Hause, ist allenfalls möglich, aber ebensogut kann ein sekundär reduziertes *γλάκ[τ] zugrunde liegen. Die Formen γλάγος und κλάγος lassen verschiedene Deutungen zu; wahrscheinlich ist γλάγος aus *γλάκος assimiliert (Solmsen IFAnz. 19, 31); κλάγος kann umgekehrt eine Metathese sein (Schulze KZ 33, 399 = Kl. Schr. 304; anders Kretschmer KZ 33, 471, v. Blumenthal Hesychst. 25); nach Havers Sprachtabu 122 wäre die Umstellung durch Tabu verursacht, was schwer zu begründen sein dürfte. — Aus lat. lac mir. lacht usw. Dagegen ist altchin. lak (aus *glak oder *klak) ‘Kumys, säuerliches Milchprodukt’ jedenfalls in erster Linie ein nordasiatisches (türkisches) LW, vgl. türk. dial. raky, araky; daraus u. a. arab. ’araq, japan. sake usw., s. Karlgren DLZ 1926, 1960f. — Vgl. Schwyzer IF 30, 438ff., Kretschmer Glotta 6, 305. — Abzulehnen Hirt IF 21, 173f. (vgl. Kretschmer Glotta 1, 373), Meillet MSL 17, 60, Müller-Graupa Glotta 19, 69ff., Mann Lang. 28, 33 usw. — Vgl. WP. 1, 659, Pok. 400f., W.-Hofmann s. lac. Zu den verschiedenen idg. Ausdrücken für ‘Milch’ s. Ernout-Meillet s. lac, Buck Synonyms 385. I-283-284
γάλας · γῆ. παρὰ Εὐκλίτῳ H. — Unsichere Vermutungen über mediterranen Ursprung bei Belardi Doxa 3, 200. I-284
γαλέη, γαλῆ f. ‘Wiesel, Marder’ (ion. att. seit Hdt., Ar.), auch als Fischname (Ael.), vgl. Strömberg Fischnamen 108. Davon γαλιδεύς ‘junges Wiesel’ (Krat.), nach λυκ-ιδεύς und anderen Nomina auf -ιδεύς (Chantraine Formation 364; vgl. unten); γαλεώτης ‘Eidechse’ (Ar., Arist.), ‘Wiesel’ (Luk.); zur Bildung vgl. Schwyzer 500; auch ‘Schwertfisch’ (Plb., Str.), vgl. s. γαλεός. — Bemerkenswerte Komposita: γαλε-άγκων (Arist., Plu.), auch γαλι-άγκων (Hp.; nach den zahlreichen Vordergliedern auf -ι: ἀργι-, κυδι-, καλλι- usw.; vgl. unten) eig. ‘wieselarmig’, d. h. ‘mit kurzem Oberarm’, vgl. Solmsen Wortforsch. 225f.; γαλεό-βδολον n. "Wieselfurz", ‘Taubnessel’, eig. substantiviertes Bahuvrihikompositum, = γαλήοψις "Wieselauge" (Dsk.); zur Namengebung s. Strömberg Pflanzennamen 138f., Lehmann IF 21, 193 A. 1. — Zu γαλεός s. bes. — Die Bildung von γαλέη macht es wahrscheinlich, daß das Wort ursprünglich das Fell bezeichnete, vgl. ἀλωπεκ-έη usw. (Chantraine Formation 91), auch lat. galea unten. Die zugrunde liegende Wortform bleibt unsicher. Seit Osthoff Etym. parerga 183f. vergleicht man lat. glīs ‘Hasel-, Bilchmaus’ und aind. giri-, girikā f. ‘Maus’ (nur lexikalisch belegt). Die Bildungen γαλ-ιδεύς und γαλι-άγκων lassen sich jedoch nicht als Zeugnisse eines ehemaligen griechischen ι-Stammes verwerten, s. oben. — Fern bleibt (trotz Schwyzer 299) kymr. bele ‘Wiesel’ (vgl. W.-Hofmann s. fēlēs). — Von der ursprünglichen Bedeutung ‘Wieselfell’ scheint lat. galea ‘Hehn aus Leder’ auszugehen, vgl. κυνέη eig. ‘Hundsfell’, gew. ‘Sturmhaube’. — Aus γαλέη stammen nach Hesseling Neophilologus 6, 207ff. auch ital. galea, -ia, ndl. galei usw. Bez. eines Schiffes (wegen der Geschwindigkeit). I-284-285
γαλεός m. ‘Haifisch’ (Pl. Kom., Arist. usw.), auch = γαλέη (Aret.). Davon γαλεώδης ‘haifischartig’ (Arist.), γαλεώτης ‘Schwertfisch’ (Plb., Str.; vgl. unten), auch γαλαξίας = γαλεός (Gal.) mit unerklärtem Anschluß an γαλαξίας ‘Milchstraße’; bemerkenswertes Kompositum γαλεώνυμος = γαλεός (Phylotim. ap. Gal.), Kontamination von diesem und καλλιώνυμος Bez. eines Fisches, s. Strömberg Fischnamen 108f. — Daß der Haifisch nach dem Wiesel benannt wurde, hat Strömberg a. a. O. wahrscheinlichgemacht, aber die Bildungsweise von γαλεός ist unklar. Zur Not könnte eine Rückbildung aus γαλεώτης (von γαλέη) nach Muster von ἀσκαλαβώτης : ἀσκάλαβος vorliegen. — Ausführlich über γαλεός Thompson Fishes s. v. I-285
γαλήνη, dor. γαλά̄νᾱ f. ‘Stille’, bes. ‘Meeresstille’ (seit Od.). Mehrere Ableitungen: γαλήνεια (γαλάνεια) = γαλήνη (Eur. in lyr.), vielleicht nach dem sinnverwandten σαφήνεια; nicht von γαληνής (nur Arist. Phgn. 811b 38, nach den Adj. auf -(ην)ής); γαληναίη (A. R. 1, 1156; vgl. ἀναγκαίη neben ἀνάγκη); daneben das Adj. γαληναῖος (AP, Epigr.); Demin. γαληνίδιον (Gloss.). — γαληνός ‘still, ruhig’ (E., Pl., Arist. usw.; eher nach den Adj. auf -ηνός zu γαλήνη neugebildet als mit Schwyzer 514 eine davon unabhängige νο-Ableitung von einem σ-Stamm) mit γαληνότης (S. E.); γαλήνιος (Luk.), γαληνώδης (Schol.). Durch Vermischung mit den zahlreichen ρο-Adjektiva (nicht alter r-n-Wechsel) entstand γαληρός H.; daneben, nach den Adj. auf -ερος, γαλερός H., vgl. γελανής und γελαρής s. γελάω. — Denominative Verba: γαληνίζω ‘Meeresstille hervorrufen’, intr. ‘still sein’ (Hp., E. usw.) mit γαληνισμός (Epikur.); γαληνιάζω ‘still sein’ (Hp. u. a.), γαληνιάω ‘ds.’ (Epikur. usw.). — γαλήνη, γαλά̄νᾱ, wie das sinnverwandte σελήνη gebildet, steht für *γαλασ-νᾱ und geht somit von einem nominalen σ-Stamm aus, der mit anderem Ablaut in γέλως, γελασ-τός usw. und auch in dem bei Jo. Gramm. Comp. 3, 1 als äolisch bezeichneten γελήνη (für *γελᾰ́ννα wie σελᾰ́ννα?) vorliegt. Zur Bedeutung, eig. ‘Heiterkeit’, vgl. γελεῖν· λάμπειν, ἀνθεῖν H. Ablautsmäßig stimmt γαλήνη zu arm. caɫr ‘Gelächter’; weiteres s. γελάω. Vgl. noch γλήνη, γλῆνος. I-285-286
γάλι · ἱκανόν H. — Für *ϝάλι; s. ἅλις. I-286
γαλιάγκων s. γαλέη. I-286
γαλίας, γαλλερίας usw. Fischnamen, s. γάδος. I-286
γάλινθοι · ἐβέβινθοι. οἱ δὲ γάλιθοι H. Daneben γέλινθοι· ἐρέβινθοι H. — Nach Solmsen Wortforsch. 223 zu γέλγις usw. (s. d.). Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 9 u.ö. I-286
γάλιον n. ‘Taubnessel, Galium’ (Dsk. 4, 95). Daneben (ibid.) γαλάτιον (vgl. ἁλάτιον und den Gen. γάλατος) und γαλαίριον (dunkel). — Zu γάλα, weil es zum Gerinnen der Milch als Lab gebraucht wird (Dsk. l. c., vgl. Strömberg Pflanzennamen 108). — Nach Fick BB 28, 108 ist γάλιον Kurzform für γαλατμόν (s. γάλα); eine direkte Ableitung von γάλα scheint auch möglich. Andere Namen der Taubnessel, γαλεόβδολον und γαλήοψις, legen indessen auch für γάλιον Zusammenhang mit γαλέη nahe. I-286
γάλλια · ἔντερα H. — Vielleicht mit Lidén KZ 61, 22f. als *ϝάλλια aus *ϝάλνια zu εἰλύω ‘winden, drehen usw.’; vgl. besonders awno. vil n., Dat. pl. -jum ‘viscera’, idg. *u̯el-i̯o-. Zur Lautentwicklung vgl. lesb. thess. στάλλα aus *στάλνᾱ und die Diskussion bei Schwyzer 283c. I-286
γάλως, -ω att. (nach Hdn. Gr.), ep. Dat. sg. und Nom. pl. γαλόῳ, Gen. pl. γαλόων (Il.) f. ‘Schwester des Mannes’. — Altertümliches Verwandtschaftswort, das nach Hermann Gött. Nachr. 1918, 222f. ursprünglich die unverheiratete Schwester des Mannes bezeichnete. Am nächsten kommt lat. glōs ‘Schwester des Mannes’ (sekundär ‘Frau des Bruders’); hierher noch arm. tal ‘ds.’ (i-Stamm; mit t- für c- wohl nach taygr ‘Bruder des Mannes’, s. zu δαήρ) und einige slavische Wörter, z. B. spätksl. zъlъva ‘ds.’. Sehr unsicher γέλαρος· ἀδελφοῦ γυνή, Φρυγιστί H. (für *γέλαϝος? Hermann a. a. O.). — Im Auslaut stimmt γάλως, gewiß nicht zufällig, zu πάτρως, μήτρως (s. dd.); wenn diese Übereinstimmung alt ist, muß hom. γαλόῳ durch Übertritt in die o-Deklination erklärt werden. Einzelheiten bei Solmsen KZ 34, 39 und 45, 98; reiche Lit. bei W.-Hofmann s. glōs. I-286-287
γαμβρός m. ‘Schwiegersohn, Eidam; Schwager’, poet. auch ‘Schwiegervater’ und ‘Bräutigam’ (seit Il.). Seltene und späte Ableitungen: γαμβρά ‘Schwägerin’ (Pap.), γαμβροτιδεύς ‘Sohn eines γαμβρός’ (Iamb., nach λεοντιδεύς usw.), γάμβρια· δῶρα ἢ δεῖπνα γαμβροῦ H., γαμβρεύω ‘sich verschwägern’ (LXX, J.). — Zum Vergleich melden sich die Benennungen des Schwiegersohnes in anderen Sprachen, die indessen alle von γαμβρός mehr oder weniger stark abweichen: lat. gener, alb. dhëndër, dhândër auch ‘Bräutigam’, aind. jā́mātar- = aw. zāmātar- mit sekundär hinzugefügtem -tar- nach anderen Verwandtschaftsnamen, vgl. aw. zāmaoya- (aus -mavya-) ‘Bruder des Schwiegersohnes’ (Grundwort unbekannt) und aind. jāmí- ‘verschwistert, verwandt’, f. auch ‘Schwiegertochter’. Für sich stehen die baltisch-slavischen Benennungen: lit. žéntas, aksk. zętъ, lett. znuôts, letzteres = γνωτός ‘Verwandter’. Aus dem Aind. wird noch herangezogen: jārá- ‘Freier, Buhle’, wobei -ā- eine nasalis sonans m̥̄ vertreten müßte. Abweichend heth. kaena-, gaena- ‘Verschwägerter, Verwandter’. Die balto-slavischen und albanesischen Wörter werden gewöhnlich zur Sippe von γίγνομαι gezogen (lit. žéntas, lett. znuôts usw. nach Schulze KZ 63, 113 vielmehr zu γιγνώσκω); ob auch lat. gener dahin gehört oder nicht vielmehr nach genus usw. umgebildet ist, bleibt unentschieden. Anderseits kann γαμβρός von γαμέω, γάμος beeinflußt sein. Die schwankende Formengebung der betreffenden Wörter verrät volkstümlichen Ursprung und volksetymologische Umbildungen. — Reiche Lit. bei W.-Hofmann s. gener. Vgl. γαμέω. I-287
γαμέω ‘heiraten’ (vom Manne), ‘sich verheiraten’ (vom Weibe), Präs. (Inf. u. Ptz.) wahrscheinlich seit Od., Fut. γαμέω (γαμῶ), Aor. γῆμαι (beide seit Il.), Perf. γεγάμηκα, -ημαι (att.); späte Formen γαμήσω, ἐγάμησα, ἐγαμήθην; einmalige Futurform γαμέσσεται Ι 394 ‘verheiraten’ (Aristarch dafür γε μάσσεται). Daraus rückgebildet γάμος m. ‘Heirat, Hochzeit’ (seit Il.) mit γαμικός (Pl., Arist. usw.), γάμιος (Mosch., Opp. u. a.), γαμίζω ‘verheiraten’ (A. D., NT). — Von γαμέω: γαμετή ‘Gattin, Frau’ (seit Hes.); von γάμος: γαμέτης ‘Gatte, Ehemann’ (A., E., X. usw.) mit γαμέτις (AP u. a.). — Ohne sicheren Ausgangspunkt, vielleicht von einem l-Nomen (Schwyzer 483), γαμήλιος ‘hochzeitlich’ (seit A.) mit dem Monatsnamen Γαμηλιών (Attika, Arist. u. a.); auch γαμήλευμα ‘Ehe’ (A. Ch. 624 [lyr.], freie poetische Bildung, vgl. Chantraine Formation 186); l-Suffix auch in γάμελα n. pl. ‘Heiratsopfer’ (Delphi Va) und Γαμίλιος Monatsname (Dodona). — Zu γαμήσιμος ‘nubilis’ (Gloss.) s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 88. — Sekundäre Erweiterung γαμίσκομαι (Arist. usw.; vgl. Schwyzer 709); Desiderativum γαμησείω (Alkiphr.). — Schwerlich von γαμβρός zu trennen, das allerdings auch von γαμέω sekundär attrahiert sein kann. Falls mit γαμβρός urverwandt, kann γαμέω wegen seines palatalen Anlauts nicht (mit Hermann Gött. Nachr. 1934, 61, Kretschmer Glotta 26, 65, E. Maaß RhM 77, 1; dagegen Wahrmann Glotta 19, 214) zu γέντο, ὕγγεμος = συλλαβή, γέμω usw. gehören, was sonst immerhin möglich wäre. Gegen Anknüpfung an βαίνω (Georgiev) Kretschmer Glotta 26, 65, Specht Gnomon 13, 172f., Schwyzer 720 A. 12. Da die Sippe von γαμβρός sonst keine Verba enthält, bieten sich für die Analyse von γαμέω keine außergriechischen Vergleichspunkte. Auszugehen ist von einer zweisilbigen Wurzel γαμε-, von der der Aorist ἔγημα (dor. ἔγᾱμα) eine einsilbige Reduktionsstufe repräsentiert, vgl. Specht KZ 59, 96. I-287-288
γάμμα γέμμα (Demokr.) n. (X. u. a.), Buchstabenname. Deminutivum γαμματίσκιον (Lyd. Mag.). — Aus dem Semitischen, vgl. hebr. gīmel und das Wort für ‘Kamel’: hebr. gāmāl, aram. gamlā, nilnub. kam (Schwyzer 140 m. A. 4). I-288
γαμφηλαί f. pl. (selten sg.) ‘Kinnbacken eines Tieres’ (poet. seit Il.). Daraus rückgebildet γαμφαί (Lyk.). — Bildung wie τράχηλος usw. und kaum von γόμφος, γομφίος zu trennen. Der α-Vokalismus macht indessen Schwierigkeit: volkstümliches Wort oder Schwundstufe *γαφ- (= aind. jabh-) mit wiederhergestelltem Nasal? — Wenig wahrscheinlich mit Pedersen (s. WP. 1, 534) zu russ. gubá ‘Lippe’ und verwandten slavischen Wörtern. I-288
γαμψός ‘krumm’ (Ar. Nu. 337 [lyr.], Hp., Arist. u. a.) mit γαμψότης, γαμψόομαι (Arist.) und γαμψωλή (H.). Kompositum γαμψῶνυξ (poet. seit Il.), γαμψώνυχος (Epich., Arist. usw.) ‘krummkrallig’. — Offenbar zu γνάμπτω (s. d.); der Wegfall des -ν- erklärt sich unschwer als dissimilatorisch, wenn man γαμψός als eine Rückbildung aus dem früher belegten verbalen Reduktionskompositum γαμψώνυχ(ο)- ansieht, s. Leumann Hom. Wörter 156 m. Lit. Dadurch erübrigt sich die Annahme einer Kontamination von γνάμπτω und κάμπτω (Güntert Reimwortbildungen 115f.). I-288-289
γᾶναι (cod. γάναι) · περιπτίσαι (cod. -ύσαι) H. — Für ϝᾶναι, s. αἵνω. I-289
γάνος 1. n. ‘Erheiterung, Glanz, Erquickung’ (poet. seit Sapph., A.). Davon als Erweiterung γάνωμα = γάνος (Ph., Plu. usw., vgl. Chantraine Formation 186f.), ferner γανώδης (Thphr.) und das Denominativum γανόομαι (spät -όω) ‘heiter, glänzend werden (erheitern, polieren usw.)’ (Anakr., Ar., Pl. usw.) mit γάνωσις ‘das Polieren usw.’ (Plu. u. a.), γανωτής (Gloss.). — Denominativ γανεῖν· λευκαίνειν (H., EM). — Verbalnomen zum Präsens γάνυμαι (s. d.) nach den Nomina auf -νος (wie γλῆνος u. a.; vgl. auch Schwyzer 512 Mom. 3). S. auch διηγανές. I-289
γάνος 2. · παράδεισος (nach EM kyprisch), γάνεα· κήπους H., vielleicht auch inschriftlich belegt (Kypern, Mytilene). — Aus hebr. gan ‘Garten’, vgl. Lewy Fremdw. 114. I-289
γάνυμαι außerpräsentische Formen, alle vom Präsens γάνυμαι gebildet, nur vereinzelt belegt (Fut. γανύσσομαι schon Il.). ‘sich erheitern, sich ergötzen’ (poet. seit Il., späte Prosa), Davon γανύματα· ἀρτύματα (AB), γανύσματα (Paul. Sil., nach ἡδύσματα), woraus durch Rhotazismus γανύρματα H. (Baunack Phil. 70, 374f.); γανυρόν· λευκόν, ἡδύ, ἱλαρόν H. (γανερόν EM). Als Vorderglied in Γανυ-μήδης usw. Zu γάνος s. bes. — Erweitertes Präsens γανύσκομαι (Them. u. a.). — Hinzu kommen die epischen Partizipformen γανόωντες, γανόωσαι usw. ‘glänzend, schimmernd’ (seit Il.), Neubildungen nach den Verba auf -ανάω (vgl. Risch 274, Chantraine Gramm. hom. 1, 360), außerdem das spät belegte Präs. Ind. γανόωσιν (Arat. 190) und γανάσσαι· σμῆξαι, ἡδῦναι H. — Wenn man γάνυμαι als nasalinfigiertes Präsens in γά-ν-υ-μαι zerlegt, was für diese Bildung ein sehr hohes Alter voraussetzt (vgl. zu κλύω), erzielt man Anschluß an γαῦρος und das Jotpräsens γαίω aus *γᾰϝ-ι̯ω, weiterhin auch an γηθέω usw., s. d. I-289
γαπελεῖν · ἀμελεῖν H. — Bechtel KZ 44, 354 vergleicht die EN arg. Γαψίας, delph. Γάψων, außerdem noch, ganz willkürlich, ags. ceaflas pl. ‘Kinnladen’ (eigentliche Bed. ‘oscitari, Maulaffen feil halten’). Vgl. Kretschmer Glotta 5, 307. I-289
γάρ Partikel ‘gewiß, denn, nämlich’ (seit Il.). — Aus γε ἄρ (s. dd.). Zum Gebrauch Schwyzer-Debrunner 560. I-289
γάργα · αἴγειρος H. — Fick Vorgr. Ortsnamen 82 vergleicht damit den attischen Demennamen Γαργηττός und Γάργαρα (Troas). I-289
γαργαλίζω ‘kitzeln’ (Pl., Arist. usw.) mit γαργαλισμός (Pl., Hp., Arist. usw.). Rückbildungen γάργαλος (Ar. Th. 133) und γαργάλη (Kom.). Daneben γαγγαλίζω (Phryn.) mit γαγγαλίδες· γελάσινοι H. und γαγγαλιάω (H.). — Onomatopoetische Bildung mit Intensivreduplikation (für *γαλ-γαλ-), vgl. Schwyzer 259 und 647. I-290
γάργαρα n. pl. ‘Menge (Leute)’ (Kom.), dissimilierte Form γάργαλα· πλῆθος, πολλά H. Davon γαργαρίς· θόρυβος H. und γαργαίρω ‘wimmeln’ (Kom., Sophr.); auch γαργάρται· λίθοι αὐτοφυεῖς (H.)? Mit anderem Vokal γέργερα· πολλά H. — Intensive Reduplikationsbildung onomatopoetischer Natur, die mit ἀγείρω, vielleicht auch mit ἀγοστός (s. dd.) in eine Gruppe ähnlicher Wörter gehört, die alle ihrer Art wegen einer genauen morphologischen Analyse Widerstand leisten, z. B. lit. gurgulỹs ‘Wirrwarr von Fäden, dichter Schwarm (von Vögeln)’, gùrguolė ‘Menge, Masse (Leute, Bienen)’, gretà ‘dicht zusammen, nebeneinander’, lat. grex ‘Herde, Schar’; vielleicht auch mir. graig ‘Pferdeherde’ und andere keltische Wörter (Pok. 382), falls nicht mit Thurneysen KZ 59, 6 aus dem Lat.; unsicher aind. nágara- ‘Stadt’; nach Tedesco Word 3, 80ff. aus *nr̥-gara- "Männerversammlung", nach Meile BSL 45 p. IV vielmehr dravidisch; — zu aind. gan̥á- ‘Schar’, das auch hierhergezogen worden ist, s. Kuiper Proto-Munda Words in Sanskrit (Amsterdam 1948) 54f., der es als vorarisch ansieht. — Weitere Lit. bei WP. 1, 590, Pok. 382f., W.-Hofmann s. grex. I-290
γαργαρίζω ‘gurgeln’ (Orib., Sch.) mit γαργαρισμός (Alex. Trall.) und γαργαρισμάτιον ‘Gurgelwasser’ (Marcell. Emp.). Postverbal γαργαρεών m. ‘uvula’, auch ‘Luftröhre’ (Hp., Arist.); zur Bildung vgl. besonders ἀνθερεών ‘Kinn’, auch ‘Kehle’. Mit anderem Vokalismus γέργερος· βρόγχος H. — Onomatopoetische Reduplikationsbildung, vgl. Schwyzer 423. ? Die Sippe von βιβρώσκω hat damit nichts zu tun. I-290
γάρκαν · ῥάβδον. Μακεδόνες H. — Vgl. γάρρα· ῥάβδος, γάρσανα· φρύγανα. Κρῆτες H. und γέρρον, s. d. — Abzulehnen Specht Ursprung 206 und 236: s ~ k idg. Suffixwechsel. Bezzenberger BB 27, 165 vergleicht lett. zars ‘Ast, Zweig’, was von Mühlenbach-Endzelin Lett.-dt. Wb. s. v. abgelehnt wird. — Nach Pisani Acme 1, 312 zu βράκος· κάλαμος und lat. virga, sehr unwahrscheinlich. S. auch Belardi Doxa 3, 200f. I-290
γάρος ‘Fischbrühe, Kaviar’ (A., S., Kom.), auch n. (Pap.), γάρον (Str.) m. Späte Ableitungen: Deminutivum γάριον (Arr., Pap.); γαράριον und γαρηρόν ‘Gefäß für γ.’ (Pap.); γαριτικός (Pap.); γαρῖνος und γαρίσκος Fischnamen (Marcell. Sid.); zur Bildung usw. Strömberg Fischnamen 41 und 88. — Herkunft unbekannt. Daraus lat. garum. I-290-291
γαρριώμεθα · λοιδορούμεθα H. — Expressives Wort, zunächst zu lat. garrio, -īre ‘schwatzen, plaudern’, weiterhin wahrscheinlich zu γῆρυς usw., s. d. und Bechtel Dial. 2, 369 m. Lit. — Anders Georgiev (s. Schwyzer 299): zu δερίαι· λοιδορίαι H. (s. d.). I-291
γαστήρ, -τρός, -τέρος (zur Flexion Schwyzer 568, Chantraine Gramm. hom. 1, 96 und 215) f. (nach νηδύς? Wackernagel-Debrunner KZ 67, 162) ‘Bauch, Mutterleib, Magen, Magenwurst’ (seit Il.). — Ohne Zweifel mit Prellwitz KZ 47, 297f. und Lagercrantz GHÅ 26 (1920): 2, 65ff. aus *γρασ-τήρ als "Fresser" zu γράω (s. d.); formal = aind. grastar- ‘Verfinsterer’ (als astron. Terminus), eig. "Verschlinger"; vgl. ngr. γλάστρα ‘Blumentopf’ mit anderer Form der Dissimilation, dazu Kretschmer Glotta 12, 219. Andere Deutungen von Brugmann IF 11, 271 A. 1 (zu γέμω) und Szemerényi WuS NF 1, 154ff. (s. γέντα). — Beispiele verschiedener Benennungen des Magens bei Janzén Zeitschr. f. slav. Phil. 15, 54f. Mehrere Ableitungen, vorwiegend aus der Volks- und Fachsprache: Deminutivum γαστρίον (Miletos Va usw., vgl. Schwyzer 470); γάστρα, -η ‘der Bauch eines Gefäßes, ein bauchiger Topf’ (Il., Inschr. usw., vgl. μήτρα und Schwyzer 532, Chantraine Formation 24); γάστρων ‘Dickbauch’ (Alk., Ar. u. a.), γάστρις m. f. ‘Fresser, bauchig’ (seit Ar.), γαστρώδης ‘bauchig’ (Hp., Ar.). Denominativum γαστρίζω ‘auf den Bauch schlagen, sich den Bauch füllen’ (Ar., Theopomp. usw.) mit γαστρισμός (Sophil.). Oft als Vorderglied (γαστρο-, γαστρι-). I-291
γατάλαι · οὐλαί H. — Seit Kuster und Ahrens allg. in γατειλαί geändert (Bechtel Lex. 339 dafür γατηλαί) und als ϝατειλαί zu ὠτειλή gezogen, s. d. Die ev. Wurzelidentität ist selbstverständlich auch mit suffixaler Verschiedenheit vereinbar. I-291
γαυλός — Daß γαῦλος von γαυλός nicht zu trennen ist, wird durch die semantischen Parallelen bei Solmsen Wortforsch. 217 wahrscheinlich gemacht. Falls indogermanisch, wird es am besten zusammen mit γωλεός und γύαλον (s. dd.) zu ahd. kiol, awno. kióll ‘Schiff’ (sehr unsicher aind. [lex.] gola- ‘runder Wasserkrug’) gezogen und dadurch in eine reich verzweigte Wortfamilie eingeordnet, die im Griechischen u. a. auch durch γυρός vertreten ist. — Dieser idg. Etymologie steht allerdings eine Erklärung aus dem Semitischen entgegen, die durch die Angabe bei H. s. γαυλοί: καὶ τὰ Φοινικικὰ πλοῖα γαῦλοι καλοῦνται eine gewisse Stütze erhält. Der von Lewy Fremdw. 151 und 210 aus dem Phönikischen herangezogene Inselname Gawl bietet aber dafür einen sehr schwachen Anhalt, und sonst bleibt zum Vergleich nur hebr. gullā ‘Ölkrug’ übrig. γαῦλος mit Akzentverschiebung (s. Hdn. Gr. 1, 156) Bez. eines (runden) Lastschiffes (Epich., Hdt., Ar. usw., vgl. Chantraine Étrennes Benveniste 7). m. ‘Melkeimer, Schöpfeimer, Krug, Bienenkorb’ (seit Od.); Davon γαυλίς (Opp.) und γαυλικός (X., von γαῦλος). I-291-292
γαυνάκης auch (mit Assimilation?, vgl. Schwyzer 257) καυνάκης (Ar. V. 1137, Men., Arr., Pap.) und καυνάκη f. (Pap.) m. — ersisches (altiranisches) LW, aus *gauna-ka- ‘haarig, farbig’ zu aw. gaona- ‘Haar, Haarfarbe’; andere iran. Formen bei Morgenstierne Pashto 25. Aus dem Iranischen ebenfalls assyr. gunakku N. eines Kleidungsstückes; aus γαυνάκης lat. gaunaca (seit Varro). — Näheres bei Schwyzer ZII 6, 234ff. Bez. eines persischen Pelzes (Pap., Peripl. M. Rubr., Clem. Al.), Komposita καυνακοπλόκος, -ποιός (Pap.). Deminutivum γαυνάκιον, I-292
γαῦρος ‘stolz, übermutig’ (Archil., E. usw., späte Prosa). Ableitungen: γαύρᾱξ ‘Prahler’ (Alk.), γαυρότης ‘Übermut, Ausgelassenheit’ (Plu.). Denominative Verba: γαυριάω ‘sich brüsten, stolz sein’ (Kratin., X., D. usw.; zur Bildung Schwyzer 732) mit γαυρίαμα (LXX, Phld. usw.); γαυρόομαι ‘ds.’ (E., X. usw., -όω ‘stolz machen’ Plu., D. C.) mit γαύρωμα (E., Aristid.). — Zu γάνυμαι, γαίω, γηθέω (s. dd.). Eine r-Ableitung auch in mir. gūaire ‘edel’ (aus *gauri̯os). I-292
γαύσαπος (Str.), γαυσάπης (Varro) Bez. eines zottigen Kleiderstoffes, ‘Fries’. — Nach Jokl (briefl.) bei W.-Hofmann s. gausapa aus einer indog. Balkansprache entlehnt, vgl. alb. gëzóf ‘Pelz aus Fellen, Mantel’. Aus dem Griech. stammt lat. gausape(s), -a, -um. — Gegen Entlehnung aus dem Assyrischen (guzippu, kuzippu Bez. eines Kleids, H. Lewy KZ 58, 26ff.) s. Hofmann a. a. O. I-292
γαυσός (γαῦσος) ‘auswärts gekrümmt, schief’ (Hp.). Davon γαυσάδας· ψευδής H., wohl eig. substantivisch; vgl. besonders Σιμάδας (von Σίμων, σιμός, Schwyzer 509 m. Lit.); denominatives Verb γαυσόω (Sor., H.). Außerdem ἔγγαυσον· ἔνσκαμβον H., vgl. Strömberg Greek Prefix Studies 127. Zur Bildung vgl. βλαισός, λοξός und andere bedeutungs- und stilverwandte Adjektiva bei Chantraine Formation 434, Solmsen Wortforsch. 244. — Genaue außergriechische Entsprechungen fehlen. Wird gewöhnlich mit γαυλός, γυρός, γύαλον usw. zu der allumfassenden Sippe idg. geu- (gēu-) ‘biegen, krummen, wölben’ gezogen; die allgemeine Bedeutung ebenso wie der schwankende Vokalismus und die wechselnden Formantien beschränken den Wert der landläufigen Zusammenstellungen. Da sich das σ-Suffix sehr wohl aus dem Griechischen selbst erklären läßt, haben Vergleiche mit semantisch abseits liegenden ähnlichen Bildungen in anderen Sprachen (WP. 1, 558, Pok. 398) kein Interesse. I-292-293
γε, dor. böot. γα hervorhebende Partikel ‘gerade (nur), eben, jedenfalls’ (seit Il.). — Verbindungen wie ἐμέγε, σέγε legen einen Vergleich mit got. usw. mi-k, þu-k sehr nahe; doch kann mik auch nach ik ‘ego’ gebildet sein (Sommer IF 42, 130f.). Funktionell verwandt ist -χι, wozu aind. hi; daneben aind. ha und gha; — lit. ne-gù, ne-gì ‘nicht’, aksl. ni-že ‘neque’, toch. — (ä)k in nṣ-äk ‘ego’ (Mask.) usw., heth. ammuk ‘me, ego’ usw. können sowohl idg. g wie gh enthalten. — Einzelheiten bei Wackernagel-Debrunner 561 m. Lit.; dazu Pok. 418. I-293
γέγωνα ‘sich (beim Rufen) vernehmlich machen, zu erkennen geben, verkünden’ (vorw. poet. seit Il.; zur Bedeutung Wackernagel Unt. 156f.); altes Perfektum neben dem auch als Präteritum (Plusquamperfekt) gebrauchten γέγωνε auch ἐγέγωνε, ἐγεγώνει, ἐγεγώνευν (-εον) mit den Inf. γεγωνέμεν, -εῖν, wozu das Ptz. γεγωνέοντες (Chios Va); Imperativ γέγωνε (A., E.) wozu γεγωνείτω (X.) und 3. sg. Präs. Ind. γεγωνεῖ (Arist.); neugebildeter Aorist γεγωνῆσαι (A.), Fut. -ήσω (E.). Spätes Verbalnomen γεγώνησις (Plu.). Aus dem Ptz. Perf. γεγωνώς entstand das Adj. γεγωνός, -όν ‘laut vernehmlich’ (A., Antiph., späte Prosa). Neubildung auf -ίσκω: γεγωνίσκω (A., E., Th. u. a.). — S. γιγνώσκω. I-293
γεῖσον, γεῖσσον γεῖσος n. (LXX, hellenist. Inschr.) n. ‘Vorsprung, Sims, Zinne’ (E., Ar., Thphr. usw.). Deminutivum γείσιον (J.); γείσωμα ‘schräges Dach’ (Poll.; zur Bildung Chantraine Formation 186f.); γείσωσις· τὸ τῆς στέγης ἐξέχον H. (EM), viell. von γεισόω (EM), aber vgl. Chantraine 288. — Nach Steph. Byz. s. Μονόγισσα karisch. Jedenfalls Fremdwort wie viele andere Ausdrücke des Hausbaus, vgl. Schwyzer 62. I-293
γείτων, -ονος m. f. ‘Nachbar’, auch adjektivisch ‘benachbart’ (seit Od.). Spätes Femininum γείταινα (AB, nach τέκταινα usw.). Die übrigen Ableitungen gehen entweder von der Hochstufe γειτον- oder der Schwundstufe γειτν- aus. Mit Hochstufe: γειτονία ‘Nachbarschaft’ (Pl., Arist. u. a.) woneben γειτονέω ‘benachbart sein’ (A., Kall. u. a.) mit γειτόνημα (Alkm., Pl. u. a.) und γειτόνησις (Luk., Plot.). Ein anderes Denominativum ist γειτονεύω (Hp., X., Str. u. a.) mit γειτονεία (Megalop. II-Ia, Phld. u. a.). — Außerdem γειτοσύνη ‘Nachbarschaft’ (Str., nach den Nomina auf -οσύνη) mit γειτόσυνος (AP). — Die Schwundstufe kennzeichnet besonders γειτνιάω ‘benachbart sein’ (S., Ar., D. usw.) mit den Ableitungen γειτνίασις (Arist.) und γειτνίαμα (H.). Postverbal γειτνία ‘Nachbarschaft’ (hell. und spät) mit γειτνιακός (J.), γείτνιος (Pap.), γειτνέω (Pap.). Erweiterte Verbform γειτνιάζω (Aesop.). Durch Kreuzung entstanden γειτονιάω (Theopomp.) und γειτονίασις (Termessos IIp), vgl. Radermacher Glotta 25, 199. — Als Hinterglied steht endlich die Schwundstufe in τὰ Μεταγείτνια N. eines Festes in Milet (Va) mit dem Monatsnamen Μεταγειτνιών (ion. att.), woneben in derselben Bedeutung Πεδαγείτνιος usw. (Rhodos, Kos, Chalkedon). — Falls die Abstufung am Stammende alt ist und nicht als analogische Neuerung eintrat, muß γείτων ein erhebliches Alter haben. Eine Etymologie ist indessen noch nicht gefunden. I-293-294
γελανδρόν · ψυχρόν H. (an unrichtiger Stelle). — Erinnert an lat. gelidus usw., aber die merkwürdige Bildungsweise läßt ein Textverderbnis vermuten. Unwahrscheinlich Specht Ursprung 130 m. A. 1. Nach v. Windekens Le Pélasgique 5 pelasgisch. I-294
γελάω, Aor. γελάσ(σ)αι (seit Il.), dazu γελάσομαι, ἐγελάσθην, γεγέλασμαι (att. usw.) ‘lachen’. Ableitungen: γέλασμα ‘das Lachen’ (A., vgl. unten), γελαστύς ‘ds.’ (Kall.), γελαστής ‘Lacher, Spötter’ (S.) mit γελάστρια (Sch.), ἐγγελαστής (E., vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 35), γέλασις (EM), woneben γελάσιμος (Stratt., Luk., wahrscheinlich direkt von γελάω; etwas abweichend Arbenz Die Adj. auf -ιμος 82 und 84). — γελασῖνος ‘der Lacher’ (Ael., Anaxandr.), im Plur. ‘Vorderzähne, Backengrübchen’ (Poll., Alkiphr. usw.), kaum von *γελασ-, s. u. — Erweiterte Verbformen γελάσκω (AP) und γελασείω (Pl.). — Neben γελάω steht γέλως, -ωτος (ep. Akk. γέλω als Variante von γέλων, γέλον, att. Gen. γέλω) m. ‘das Lachen, Gelächter’ (seit Il.), wozu, wahrscheinlich als denominativ, γελώω (Od., vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 365f.) und das Adjektiv γελοῖος (seit Β 215, wo γελοίϊος, wohl metrisch, vgl. Schwyzer 467 und Chantraine 1, 168) mit γελοιότης (Ath.) und den Denominativa γελοιάω (sicher h. Ven. 49) und γελοιάζω (LXX, Plu. u. a.) mit γελοιασμός, γελοιαστής, γελοιαστικός (hell. und spät). — Wie αἰδοῖος neben αἰδώς, ἠοῖος neben ἠώς steht γελοῖος neben γέλως; dem daraus erschlossenen Stamm γελωσ- tritt an die Seite γελασ- in ἀ-γέλασ-τος ‘ohne Gelächter, finster’ (seit θ 307; vgl. ἀγέραστος zu γέρας und Frisk Adj. priv. 18 A. 1), vielleicht auch in γελᾱνής (Pi.), wenn aus *γελασ-νής (für *-νός? Schwyzer 513; davon γελᾱνόω B.), vgl. Benveniste Or. 125, und in γελαρής· γαλήνη. Λάκωνες H., falls aus *γελασ-ρής; vgl. auch unten; — somit auch in γελάω, γελάσ-σαι aus *γελασ-i̯ω (anders Specht KZ 63, 221: für *γέλᾱ-μι, *γελά̄-ω, zweisilbiges primäres Verb; ebenso γέλασμα für *γέλα-μα). — Endlich bietet das Äolische den o-Stamm γέλος m. (vgl. ἔρως : ἔρος : ἐραστός). — Von γέλως unterscheidet sich das synonyme arm. caɫr, Gen. caɫu ‘Gelächter’ (woneben ci-caɫim ‘lachen’) hinsichtlich des Ablauts (cal- = gr. γαλ-, vgl. γαλήνη; somit γέλως für *γαλώς nach γελάω, γελασ- ?); arm. -u könnte an und für sich zu -ω(σ)- in γέλως stimmen, ist aber mehrdeutig. Der Nom.-Akk. auf -r kann zur Not in γελαρής und γαληρός (s. γαλήνη) vorliegen. Wenn somit die morphologischen Einzelheiten etwas unklar bleiben, besteht kein Zweifel über die sehr nahe Zusammengehörigkeit der griechischen und armenischen Wörter. — Die ursprüngliche anschauliche Bedeutung ist in γελεῖν· λάμπειν, ἀνθεῖν H. bewahrt. — Vgl. γλήνη, γλῆνος, γαλήνη, auch Γελέοντες. I-294-295
γέλγη n. pl. ‘Trödel(waren)’ (Eup., Luk.). Nach H. auch = βάμματα, καὶ ἄτρακτοι, καὶ κτένες. Dazu γέλγει· βαπτίζει, χρωματίζει und γέλγια· πήνη, σπάθη, κουράλια H. — Volkstümliches Wort ohne Etymologie. Vgl. γέλγις. I-295
γέλγις, -ῑδος, -ῑθος, pl. γέλγεις, γέλγιθες f. ‘Knoblauchkopf, seine Zehen’ (Thphr., Hp., AP). Davon γελγιδόομαι ‘sich in γ. verwandeln’ (Thphr.), γελγιθεύειν· ἀπατηλογεῖν H. — Das synonyme ἄγλις (s. d.) macht die Annahme einer reduplizierten Grundform *γέλ-γλις möglich. Weitere Beziehungen zu γαγγλίον (s. d.) und zu idg. gel- ‘ballen, Gerundetes, Kugeliges’ (WP. 1, 612 m. Lit., Pok. 357) ermangeln einer näheren Begründung. Vgl. bes. Solmsen Wortforsch. 222ff. und Strömberg Theophrastea 85f.; auch Specht Ursprung 255. I-295
Γελέοντες pl. N. einer der vier ionischen Phylen; daraus der Eponym Γελέων, nach Hdt. 5, 66 Sohn des Ion, auch Epitheton des Zeus (Attika). Daneben Γλεόντων φυλῆι (Attika; vgl. Schwyzer 682 A. 3). — Eigentliche Bedeutung unbekannt; Anknüpfung an γελεῖν· λάμπειν, ἀνθεῖν H. ("die Glänzenden" o. ähnl. als Bez. einer Adelsklasse) ist ohne Zweifel möglich. Vgl. Nilsson Cults 147 m. A. 16; zum Lautlichen Schwyzer 243. I-295
Γελλώ, -οῦς äol. Γέλλω f., N. eines Gespensts (Sapph.); nach H. εἴδωλον ’Εμπούσης τὸ τῶν ἀώρων, τῶν παρθένων, auch δαίμων, ἥν γυναῖκες τὰ νεογνὰ παιδία φασὶν ἁρπάζειν. — Dazu mgr. und ngr. Γυλοῦ Art Gespenst, s. Maas ByzZ 17, 224f., Kretschmer Glotta 2, 331. I-295
γέμω nur Präsensstamm ‘voll, angefüllt, belastet sein’ (ion. att.). Davon γόμος ‘Schiffsladung, Fracht, Last’ (ion. att.) mit dem faktitiven γομόω ‘beladen’ (Babr., Pap. u. a.), woraus γόμωσις (Pap.); poet. γέμος n. ‘Last’ (A. Ag. 1221). — Deverbativ mit kausativer Bedeutung (vgl. Schwyzer 717) γεμίζω, Aor. γεμίσαι ‘anfüllen, befrachten’ (A., Th., D. usw.) mit γέμισμα H. (als Erklärung von γέμος); daneben γεμόω ‘ds.’ (Pap.). — Einen sicheren Verwandten haben γέμω, γόμος in umbr. kumiaf Akk. pl. f. ‘gravidās’ (= gr. *γομίας von *γόμιος), woraus als LW lat. gumia m. f. ‘Schlemmer, Fresser’. Dadurch wird die Zusammenstellung mit dem lautlich identischen lat. gemō (seit W. Meyer KZ 28, 174) sehr wahrscheinlich (dagegen Walde1 und Ernout-Meillet). Eine Bedeutungsübertragung auf das seelische Gebiet ‘(vor Kummer) belastet sein’ > ‘(vor Kummer) seufzen, stöhnen’ hat nichts Auffallendes. — Weitere Kombinationen s. γέντο. I-296
γενεά, γενεή s. γίγνομαι. I-296
γένειον, γενειάς s. γένυς. I-296
γέννᾰ f. ‘Geburt, Herkunft, Geschlecht, Nachkommenschaft (vorw. poet. seit Pi., A.). Davon γεννάδᾱς m. ‘edel (von Geburt)’ (Ar., Pl. usw.; parodistisch-ironische Bildung, Björck Alpha impurum 51ff.), att. γεννήτης ‘Geschlechtsgenosse’ (Is., D., Pl. usw.); γεννικός ‘edel’ (Kom., Pl. u. a.); dagegen γεννήεις ‘erzeugend’ wegen seiner Bedeutung zu γεννάω, s. u. — Alt ist γενναῖος ‘von guter Abstammung, edel, tüchtig’ (ion. att. seit Ε 253) mit γενναιότης (E., Th. usw.), γενναιάζω ‘tüchtig sein’ (Sch.) und γενναΐζομαι ‘ds.’ (Suid.). — Neben γέννα, γενναῖος steht γεννάω ‘zeugen, hervorbringen’ (Pi., Hdt., A. usw.) mit mehreren Verbalnomina: 1. γέννημα ‘das Erzeugte’ (S., Pl. usw.; auch γένημα in Anlehnung an γένος) mit γεννηματικός (J.) und γεννηματίζω (Aq.); 2. γέννησις ‘Erzeugung’ (E., Pl. u. a.); 3. γεννητής ‘Erzeuger’ (S., Pl. u. a.); 4. γεννήτωρ (A., E., Pl. u. a.) und γεννητήρ (App.) ‘ds.’ mit γεννήτειρα (Pl.), γεννήτρια (Phryn.); zu den Nomina agentis vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 19, Chantraine REGr. 59-60, 249f. — Von γεννάω außerdem die Adjektiva γεννητικός ‘erzeugend’ (Arist. u. a.) und γεννήεις ‘erzeugend’ (Emp.). — Daß γέννα postverbal zu γεννάω ist, hat Wackernagel KZ 30, 300 und 314 mit Recht behauptet. Bedenken erweckt immerhin γενναῖος, das wie eine Ableitung von γέννα aussieht. Sowohl wegen seines früheren Erscheinens wie vor allem wegen seiner weiteren Verbreitung ist man aber trotzdem geneigt, es anders zu beurteilen. Mit Fraenkel Nom. ag. 2, 21 von einem verschollenen *γέννη (zu *γεννάναι) auszugehen scheint wenig ratsam, vgl. Sandsjoe Die Adj. auf -αιος 5. So kann man sich immerhin fragen, ob nicht γενναῖος mit Schwyzer Glotta 5, 195f. (vgl. Scheller Oxytonierung 114f. m. A. 1) für *γενε̯αῖος steht oder eine expressive Gemination enthalten kann, die später auch in γεννάω und γέννα eindrang (vgl. Meillet BSL 26, 15f., Chantraine Formation 46). — Die Bildung von γεννάω ist strittig. Es ist von den νᾱ-Verba (δάμνημι, δαμνάω) nicht zu trennen, aber der Stamm γεν-, der trotz Wackernagel Unt. 175 als regelmäßige Schwundstufe einer zweisilbigen Wurzel (idg. ĝn̥̄-) schwerverständlich ist, muß Umformung nach γένος usw. erlitten haben; Vermutungen darüber von Brugmann Grundr.2 II : 3, 307 A., vgl. noch Schwyzer 694 A. 1. — Weiteres s. γίγνομαι. I-296-297
γένος n. ‘Geschlecht, Abstammung, Familie, Gattung usw.’ (seit Il.). Davon γενικός ‘zum γ. gehörig’ (Arist. usw.; vgl. Chantraine Formation 390f.); zu ἡ γενική (πτῶσις) ‘Genetiv’ Wackernagel Syntax 1, 18f.; γενισμός ‘Einteilung (des Ackerlandes) in Klassen’ (Pap.), wie von *γενίζειν, nach den Verbalnomina auf -(ι)σμός, vgl. Mayser Pap. 1 : 3, 62. γένημα (LXX, Pap. u. a.) mit γενημάτιον (Pap.) für γέννημα, s. d. sub γέννα. — Sehr oft -γενής als Hinterglied, z. B. εὐ-γενής, ἀ-γενής; vereinzelt ἀ-γένειος ‘kinderlos’ (GDI 1891, 29, Delphi). — Mit lat. genus n., aind. jánas- n. (ἅπ. εἰρ. RV. 2, 2, 4, zweifelhafte Lesart) formal und begrifflich identisch. Altes Verbalnomen zu γίγνομαι, s. d. I-297
γέντα n. pl. ‘Eingeweide’ (Kall., Nik.), nach H. = κρέα, σπλάγχνα. — Ohne Etymologie; nach Eust. thrakisch. Nach Szemerényi WuS NF 1, 156f. (wo näheres über die Belege) zu γαστήρ (s. d.). I-297
γεντιανή Pflanzenname, ‘Gentiana’ (Dsk., Hp. Ep.). Daneben γεντιὰς ῥίζα (Androm. ap. Gal., Dsk.), wohl für *γεντιανάς, Chantraine Formation 353. — Gemäß Dsk. 3, 3 nach dem illyrischen König Gentis benannt; dafür könnte — außer dem mehrdeutigen Suffix — der Umstand sprechen, daß die Pflanze in den Alpen gedeiht, vgl. Strömberg Pflanzennamen 135. — Zu den verschiedenen Namensformen des betreffenden illyrischen Königs, gew. Gent(h)ius, s. Krahe Lex. altillyr. Personennamen 53f. I-297
γέντο ‘er faßte, er griff’ (Il.). — Das athematische γέντο ist wie λέκτο ‘er legte sich’ zu beurteilen, d. h. als ein medialer Wurzelaorist, evtl. als ein sigmatischer Aorist mit analogisch ausgedrängtem σ (*λέκ-σ-το, *γέμ-σ-το; zu μ s. unten), vgl. Schwyzer 751 Zus. 2 m. Lit. In beide Verba ist die Hochstufe aus Systemzwang sekundär eingeführt worden. Dagegen liegt nach Wackernagel Unt. 175 A. Schwundstufe einer zweisilbigen Wurzel (idg. *gm̥̄to) vor, eine phonetisch sehr hypothetische und morphologisch kaum notwendige Annahme. Zu γέντο aus *γέμτο gesellen sich der Ipv. ἀπό-γεμε· ἄφελκε. Κύπριοι und das Verbalnomen ὕγ-γεμος· συλλαβή. Σαλαμίνιοι H., wohl auch γάγγαμον ‘Netz’ (s. d.). — Aus anderen Sprachen werden hierhergezogen mir. gemel ‘Fessel’, lett. gùmstu, gùmt ‘greifen usw.’; auch aksl. žьmǫ, žęti ‘σφίγγειν, comprimere’. Das aksl. Wort leitet bedeutungsmäßig über zu gr. γέμω ‘voll(gestopft) sein’ (s. d.), das sich somit als thematisches Präsens neben dem athematischen (sigmatischen) Aorist γέντο auffassen läßt. — Arm. čim, čem ‘Zaum’, čmlem ‘zusammendrücken’ scheiden dagegen aus, da Palatalisierung von arm. k (aus idg. velarem g) nicht zu beweisen ist. — Weitere, sehr unsichere Kombinationen bei WP. 1, 572f. mit reicher Lit., Pok. 368f. S. auch γαμέω. I-297-298
γένυς, -υος (ῡ bisweilen metrisch gedehnt) f. ‘Kinnbacke, Kinn’, auch übertr. ‘Schneide des Beils’ (seit Il.). Auf hochstufigem Stammauslaut basiert die Ableitung γένειον (aus *γενεϝ-ιον) ‘Kinn, Kinnbart’ (seit Il.), wovon γενειάς ‘Kinnbart’, auch ‘Kinnbacke, Wange’ (poet. seit Od.); γενειάτης, -ήτης, f. -ᾶτις, -ῆτις ‘bärtig’ (Theok., Kall., Luk. usw., vgl. ὑπηνήτης), γενειόλης ‘ds.’ (Hdn.); γενειαστήρ ‘Kinnriemen’ (Poll., vgl. βραχιονιστήρ u. a. s. βραχίων); — ferner die Denominativa γενειάω ‘einen Bart bekommen (haben)’ (seit Od., vgl. κομάω), γενειάζω ‘ds.’ (Philem., Theok. usw., auch auf γενειάς beziehbar) mit γενείασις (Plot.), γενειάσκω ‘ds.’ (Pl., X.). — Von γένυς auch (nach den Nomina auf -ηΐς) γενηΐς ‘Schneide des Beils’ (S. Ant. 249 Gen. γενῇδος). — Altererbtes Wort, das in mehreren Sprachen bewahrt ist, bisweilen mit leisen Modifikationen: als ursprünglicher u-Stamm im Keltischen, Germanischen und Tocharischen, z. B. air. giun, gin ‘Mund’, kymr. gen ‘Wange, Kinn’, pl. geneu, got. kinnus ‘Wange’, toch. A śanw-e-ṃ du. ‘die beiden Kinnbacken’; es kommen hinzu lat. gena ‘Wange’ (nach māla umgebildet, aber mit bewahrtem u in dentes genu-īnī ‘Backenz?hne’), arm. cnawt ‘Kinnbacke, Wange’ (aus *cin-awt, idg. *ĝen-). Auch aind. hánu- f. ‘Kinnbacke’ ist letzten Endes mit γένυς identisch; das anlautende h- (für j-) muß auf sekundärer Entgleisung beruhen. Aw. zānu- in zānu-draǰah- nach gewöhnlicher Deutung ‘im Vorstrecken des Kinns bestehend’ ist in dieser Hinsicht zweideutig; die Vokallänge ist jedenfalls unursprünglich. — Die Suche nach einer primären Bedeutung ‘Krümmung, Winkel’ (zu lat. genū, s. Güntert WuS 11, 124ff. m. Lit.) hat keinen Sinn, vgl. Kretschmer Glotta 19, 210f. — S. auch γνάθος. I-298
γεράνδρυον s. γέρων. I-299
γέρανος f. (m.) ‘Kranich’ (seit Il.), auch übertr. ‘Kran’ und als Fischname (s. Strömberg Fischnamen 120). Ableitungen: γερανίς Art Verband (Mediz.). γερανῖτις N. eines Steins (Plin., vgl. Redard Les noms grecs en -της 53), γερανίας ‘mit Kranichhals versehen’ (Phryn.), γεράνιον ‘Geranium’, auch γερανογέρων benannt (Strömberg Pflanzennamen 54 und 159); γερανίζω ‘wie ein K. schreien’ (Gloss.). — Ausführlich über γέρανος Thompson Birds s. v. — Idg. Name des Kranichs, der aus mehreren Sprachen bekannt ist, u. z. entweder wie im Griechischen mit n-Suffix oder mit u-Suffix; wahrscheinlich liegt alter Stamm- und Deklinationswechsel vor. Der n-Stamm erscheint in arm. kṙun-k, im Keltischen, z. B. gall. tri-garanos ‘mit drei K.’, kymr. garan, im Germanischen, z. B. ags. cran, ahd. kran-uh, in lit. garnỹs ‘Reiher, Storch’; der u-Stamm ist gesichert durch lat. grūs, ebenso wie durch baltische und slavische Formen, z. B. lit. gérvė, aksl. žeravь. — Neben dem thematischen γέρανος ist durch H. auch ein n-Stamm überliefert, γέρην (oder γερήν). Das Wort war wohl ursprünglich ein Nomen agentis, "der Rufer, der Krächzer’ o. ä., zu aind. járate, gr̥ṇā́ti ‘rauschen, singen’ usw., s. Solmsen Wortforsch. 119. Neuere Lit. zur Flexion usw. bei W.-Hofmann s. grūs, außerdem Specht Ursprung 127 und 161. I-299
γέρας -αος oder -ως n. ‘Ehre, Ehrengabe, Belohnung’ (seit Il.); urspr. Bedeutung ‘Alter’, s. γῆρας. Ableitungen: γεραιός ‘alt’ (seit Il., vorw. poet., vgl. Wackernagel Unt. 208f.; Akzent wie παλαιός) mit γεραιότης (Pap.); γεράσμιος ‘ehrenvoll, ehrwürdig’ (poet. seit h. Merc., vgl. Schwyzer 493 A. 10); Komp. ἀ-γέρασ-τος ‘ohne Ehrengabe’ (poet. seit Il.); denominatives Verb γεράζω ‘ehren’ (EM). — Neben γέρας steht, wahrscheinlich von einem alten r-Stamm (Benveniste Origines 16; anders Schwyzer 516 nach J. Schmidt), γεραρός ‘ehrwürdig’ (poet. seit Il., späte Prosa), später auch = γεραιός (A. in lyr. usw.), fem. γέραιρα (Il. [v. l.] u. a., s. Bechtel Lex. m. Lit.); davon γεραίρω ‘ehren, auszeichnen’ (seit Il.). — Eine nahe Entsprechung von γέρας liegt vor in aind. jarás- (f.?) ‘Alter’ (Bildung wie αἰδώς); ein r-Stamm könnte in lat. glārea ‘Kies’ eingehen, falls aus *grārea zu grānum usw., vgl. W.-Hofmann s. v. — Verwandte sind γέρων, γῆρας, γραῦς, s. dd. Vgl. auch γεργέριμος. I-299
γεργέριμος Art Oliven (Kall., Ath. u. a.). — Unerklärt. Über die Zusammenstellung mit aind. jarjara- ‘zerbrechlich, hinfällig’ (und gr. γέρων usw.) s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 104 m. A. 58. I-299
γερδιος (Akz. unbekannt) auch γέρδις m. (f.), ‘Weber’ (Pap. seit IIa). Komposita: γερδιοραβδιστής (Pap.), γερδοποιόν (Gloss.). Besondere Femininformen γερδία (Edict. Diocl.) und γερδίαινα (Pap.). Sonstige Ableitungen γερδιακός ‘zum Weber gehörig’ und γερδιών ‘Weberschuppen’ (Pap.). — Mit lat. gerdius (seit Lucil.) identisch, aber sonst unklar. Das Wort ist wahrscheinlich aus dem Griech. ins Lateinische gewandert, nicht umgekehrt. Auch hebr. girdā’ā ‘Weber’ usw. dürfte aus dem Griech. stammen, s. H. Bauer u. a. bei W.-Hofmann s. v. I-300
γερήνιος hom. Beiwort des Nestor, nach den Alten von einer Stadt Γέρηνα oder Γέρηνον in Messenien, vgl. ξεῖνος ἐὼν ... παρ’ ἱπποδάμοισι Γερήνοις (Hes. Fr. 15, 3). — Delebecque Cheval 38 vergleicht die stehende Formel γερήνιος ἱππότα Νέστωρ mit dem vereinzelt vorkommenden Ausdruck γέρων ἱππηλάτα Νέστωρ (γ 436, 444) und will aus diesem Grunde γερήνιος für synonym mit γέρων erklären. Aber der letztgenannte Ausdruck ist offenbar eine Nachbildung von γέρων ἱππηλάτα Πηλεύς (Η 125) u. ä. — Noch anders Mahlow und Düntzer (Bildung wie ἀπηνής), s. Kretschmer Glotta 18, 204. I-300
γεροῖος, γεροίταν, γέρυς s. γέρων. I-300
γέρρον n. Bez. verschiedener aus Flechtwerk gemachter Gegenstände, ‘Schild aus Flechtwerk’ (Hdt., X. u. a.; γερροφόρος ‘Schildträger’ Pl., X. u. a.), ‘Umzäunung, Bude, Wagenkorb usw.’ (D., Str. u. a.), auch ‘Rute, Pfeil’ (Eup., Alkm., = ‘τὸ αἰδοῖον’ Epich.). Davon γερράδια· στρωτηρίδια H.; zur Bildung Chantraine Formation 72, Schwyzer 487. — Auch γέρσυμον (γέρσιμον Latte)· ἄκρον ἁλιευτικοῦ καλάμου H. kann hierher gehören (vgl. γέρρον = ‘Rute’), aber die Neben formen γένσιμον (-ντ- Musurus) H. und κέρσιμον (Sch.) machen jede Deutung hypothetisch, vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 80; jedenfalls nicht mit Latte zu ἀγείρω. — Mit α-Vokalismus γάρρα· ῥάβδος und γάρσανα· φρύγανα. Κρῆτες H.; im Suffix abweichend γάρκαν· ῥάβδον. Μακεδόνες H.; s. d. — Bis auf den Akzent ist γέρρον aus *γέρσον (vgl. γάρσανα und Schwyzer 284f.) mit awno. kiarr n. ‘Gebüsch, Gesträuch’, aschw. kioerr, nschw. kärr n. ‘Sumpf, Morast’ (urg. *kerzá-), formal identisch: idg. *gérso-m n.; die nordische Betonung muß eine Neuerung sein; zur Bedeutung Lidén Stud. 7f. Verschiedene nordische Wörter zeigen idg. o-Vokalismus, z. B. awno. und nnorw. kass (aus *kars) ‘Weidenkorb’, urg. *kársa-, idg. *górso-s m.; weiteres s. Lidén a. a. O. Daneben Schwundstufe in γάρσανα und γάρρα. — Auch arm. caṙ ‘Baum’, pl. ‘Gestrüpp’ kann hierher gehören, falls palatales ĝ anzusetzen ist (= gr. *γάρσον); dabei fallen einige bei Lidén herangezogene, in Bedeutung und Form etwas abseits liegende aind. Wörter weg; vgl. WP. 1, 593. — Aus γέρρα pl. stammt lat. gerra f. ‘Rutengeflecht’. I-300-301
γέρων, -οντος m. ‘Greis’, οἱ γέροντες ‘die Alten’ als amtlicher Terminus (seit Il.), auch attr. als Adj. ‘alt’ (poet. seit Il.). Mehrere Ableitungen: γερούσιος ‘den Alten zukommend’ (Hom.; zum Lautlichen Chantraine Formation 41, Schwyzer 270), abstrakte Kollektivbildung γερουσία ‘Rat der Ältesten, Senat’ (in Sparta, Karthago usw., D., Arist. usw.) mit γερουσίας ‘Mitglied der γ.’ (Sparta), γερουσιαστής ‘ds.’ (Plb., Hyettos; nach den Bildungen auf -ιαστής Chantraine 316ff., vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 176; 2, 71), γερουσιακός ‘zur γ. gehörig’ (Teos). — Mit bewahrtem -ντ- im Anschluß an das Grundwort: Deminutiva γερόντιον (Ar., X. usw.), γεροντάριον (Gloss.); γεροντικός ‘zu den γέροντες gehörig’ (Pl., Str. usw.), γερόντειος (Ar.), γεροντίας· πάππος H. Denominativa: 1. γεροντεύω ‘Senator sein’ (Sparta), mit γεροντεία (Ephesos); auch γεροντία (X., nach γεροντ- für γερουσία). 2. γεροντιάω ‘altern’ (D. L., nach den Krankheitsverben auf -ιάω, Schwyzer 732). — Neben γέρων, γέροντ-, eig. Part. Präs. (s. unten), stehen einige spärlich belegte Bildungen auf γερυ- : γέρυς und γερύτας· γέρων H., wohl nach πρέσβυς und πρεσβύτας (Schwyzer 463, Redard Les noms grecs en -της 11 und 29; anders Leumann Glotta 32, 224 A. 1 mit Referat anderer Ansichten). Die EN Γερύλος, Γέρυλλος und Γερυς, -υδος (Akz. unbekannt) sind als Koseformen für Γέρων zu beurteilen (Bechtel Namenstudien 15, Leumann a. a. O.). — Von den Formen auf -οι- erklärt sich γεροίταν· πάππον. Κρῆτες H. unschwer als invertierte Schreibung für γερύταν wie Ποίτιος für Πυ- (zum Letztgenannten Schwyzer 195; anders Grošelj Živa Ant. 3, 198); γεροῖα n. pl. ‘alte Geschichten’ (Korinn.) kann, falls richtig überliefert, Neubildung nach den Adj. auf -οῖος sein (nach Bechtel Dial. 1, 304 von γέρως, das nur als EN auf Chios belegt ist und sich als sekundäre Namensform erklären läßt, s. Namenstudien 15f.). — Sehr fraglich ist (trotz Scheller Oxytonierung 33 A. 2) γερωνία (H.), vgl. Latte z. St. — γερωχία (Ar. Lys. 980) ist vielleicht graphischer Ausdruck für lak. γερω‘ία (Baunack Phil. 70, 486f., v. Fritz AmJPh 66, 196f.; anders Wackernagel Unt. 208 A. 2; vgl. noch Schwyzer 218 A. 1). — Eine hellenistische Neubildung ist γεράν-δρυον ‘alter Baum(stamm)’, eig. Substantivierung von γεράνδρυος (Thphr. usw.), nach μελάν-δρυον ‘Kernholz’ (Thphr.; vgl. τὸ μέλαν δρυός ξ 14), s. Strömberg Theophrastea 99; verfehlt Specht Ursprung 142; daneben γεράνδρυες H. nach δρῦς. — γέρων ist mit aind. járant-, osset. zärond ‘Greis, alt’ identisch. Das Wort kann im Altindischen (RV.) noch als Part. zu dem im RV. vereinzelt belegten, auch kausativ benutzten Präsens járati ‘alt machen, werden’ (gew. jū́ryati, jī́ryati ‘gebrechlich, alt werden’) betrachtet werden; es hat sich aber überall früh vom Verb isoliert, vgl. Specht KZ 63, 215ff. — Andere Bildungen dieser weitverzweigten Wortsippe sind arm. cer, -oy ‘Greis’ (= gr. *γέρο-ς), npers. zar ‘ds.’; nach geläufiger Annahme auch, mit l-Suffix, germ., z. B. ahd. karal, ano. karl ‘Mann’, nhd. Kerl; s. aber Porzig Sprachgesch. u. Wortbed. 348. Für sich steht das Wort für ‘Korn’, lat. grānum usw., vgl. auch γίγαρτον. — Weiteres bei WP. 1, 599f., Pok. 390f., W.-Hofmann s. grānum. — Vgl. γέρας, γῆρας, γραῦς. I-301-302
γεύομαι, Aor. γεύσασθαι, Fut. γεύσομαι, Perf. γέγευμαι ‘kosten’ (seit Il.), vereinzelt γεύω, γεῦσαι ‘kosten lassen’ (Hdt., att.; vgl. Schwyzer-Debrunner 234), sekundär athemat. γεύμεθα (Theok. 14, 51). Ableitungen, alle ziemlich sparsam belegt: γεῦμα ‘das Kosten, Speise’ (ion. att.) mit γευματικός (Tanagra IIIa, Bed. unsicher), γεῦσις ‘das Kosten, Geschmack usw.’ (Demokr., Arist. u. a., vgl. Holt Les noms d’action en -σις 124), γευθμός ‘ds.’ (Nik., vgl. Chantraine Formation 137, Schwyzer 493), γεύστης ‘der Schmecker’ (Chios), γευστήριον ‘Becher zum Kosten’ (Kom.); Adj. γευστικός ‘zum Kosten gehörig’ (Arist. usw.). — Das Kompositum ἄ-γευσ-τος ‘nicht kostend, unerfahren’ (att. usw.), wozu später γευστός (Arist.), erweist eine Grundform *γεύσ-ομαι, die zu dem primären germanischen Verb got. kiusan, ano. kjōsa ‘prüfen, wählen’, ahd. as. kiosan ‘schmecken, prüfen, wählen’ genau stimmt, aber trotzdem vielleicht eine Neuerung ist, s. Ernout-Meillet s. gustus. Daneben stehen andere Bildungen wie das ebenfalls primäre, aber schwundstufige aind. juṣáte, -ti ‘kosten, genießen’ und die deverbativen lat. gustāre = ahd. as. kostōn ‘kosten, schmecken’, aind. joṣáyate ‘kosten, Gefallen finden’ = got. kausjan ‘kosten, prüfen’. Von den verschiedenen Verbformen lebt im Griechischen nur γεύομαι weiter; auch die Verbalnomina gehen sämtlich, einschließlich ἄ-γευσ-τος (gegenüber aind. á-juṣ-ta-), auf das hochstufige γευ(σ)- zurück. Weiteres bei WP. 1, 568f., Pok. 399f. m. Lit. — Nach Specht Sprache 1, 49 wäre der u-Laut in γεύομαι ebenso wie in anderen Ausdrücken des Essens und Genießens sakraler Natur (?). I-302
γέφῡρα (ion. att.), böot. βέφυρα, kret. δέφυρα, lak. δίφουρα (H.) f. ‘Brücke’, in der Il. oft als ‘Damm, Erdwall’ erklärt (dagegen Lamer, s. unten). Davon das Deminutivum γεφύριον (Ael.) und γεφυρίς· πόρνη τις ἐπὶ γεφύρας, ὡς ‘Ηρακλέων H. (auch mit einer anderen Deutung); ferner die Denominativa 1. γεφυρόω ‘eine Brücke schlagen’ (ion. att.; Il. ‘aufdämmen’?, vgl. oben) mit γεφύρωσις ‘Überbrückung’ (Str., Arr. u. a.), γεφύρωμα ‘Brücke’ (J.), γεφυρωτής ‘Brückenbauer’ (Plu.). 2. γεφυρίζω ‘verunglimpfen, verhöhnen’ (Plu.), nach H. "επεὶ ἐν ’Ελευσῖνι ἐπὶ τῆς γεφύρας τοῖς μυστηρίοις καθεζόμενοι ἔσκωπτον τοὺς παριόντας"; davon γεφυρισμός (Str.), γεφυριστής (Plu., H.). — In der Bildung mit dem sicher idg. ἄγκῡρα übereinstimmend, macht γέφυρα auch durch den Anlautswechsel, der auf labiovelares gu̯- schließen läßt (evtl. gu̯-, s. Schwyzer 298 und 301), den Eindruck eines Erbworts. Dunkel bleibt indessen γ-; gegen dissimilatorischen Verlust des labialen Elements wegen des folgenden φ (Schwyzer 298f. m. Lit.) Lejeune Traité de phonétique 38 A. 2. — Angesichts der nahen Beziehungen zwischen Griechisch und Armenisch kann die auffallende Ähnlichkeit mit arm. kamurǰ ‘Brücke’ (Meillet BSL 22, 17 und 36, 122 mit Bugge; von Hübschmann Armen. Gramm. 1, 457 abgelehnt) trotz der lautlichen Unregelmäßigkeit (φ aus idg. bh wäre arm. w; umgekehrt ἦμαρ gegenüber arm. awr) kaum zufällig sein. — Oft als vorgriechisch erklärt, so von Lamer IF 48, 230 A. 4, PhilWoch 1932 = Festschrift Poland 123ff. (dazu Kretschmer Glotta 21, 158 und 22, 259), Krahe Die Antike 15, 181. — Verfehlt Loewenthal WuS 10, 182f. (eig. ‘Flechtwerk’, zu γύψος usw.). I-302-303
γῆ, dor. γᾶ, kypr. ζᾶ f. ‘Erde, Land’ (seit Il.); ion. plur. γέαι Neubildung (Schwyzer 473 A. 4 m. Lit., Schwyzer-Debrunner 51, K. Meister HK 172, 253). Ableitungen: Deminutiv γῄδιον (Ar., X. usw.); die Adjektiva γήϊνος ‘irden, irdisch’ (ion. att.), dor. γάϊνος, γεώδης ‘erdartig, erdig’ (Pl., X., Arist. usw.), γεηρός ‘ds.’ (Hp., Pl. usw., vgl. s. ἐγγαροῦντες); vereinzelt γῄτης (S. Tr. 32) ‘Landmann’, vgl. γαῗται· γεωργοί H. und Redard Les noms grecs en -της 36; Denominativum γεόομαι ‘zu Erde werden’ (D. S.) Als Vorderglied in zahlreichen Komposita γη- (γα-), gewöhnlich γεω- aus γη-ο- (spät auch γε-η- aus γη-η-, γε-ο- und γειο- nach -γειος aus -γη-ιος): γη-γενής ‘erdgeboren’ (ion. att.), γή-λοφος (Pl., X. u. a.), γεώ-λοφος (X., Plb. usw.) ‘Erdhügel’, γεωμετρία, -ίη ‘Feldmeßkunst’ (ion. att.), γεωργός ‘Landmann’ (ion. att.) aus γη(-ο)-ϝοργός oder -ϝεργός, vgl. γαβεργός· <ὁ> ἀγροῦ μισθωτής. Λάκωνες H. — Ohne Etymologie. Vgl. γαῖα und αἶα. I-303
γηθέω (seit Il.), dor. γᾱθέω, Perf. γέγηθα (poet. seit Il.), dor. γέγᾱθα, Aor. γηθῆσαι, γᾱθῆσαι (Hom., Pi. usw.), spätes Präs. γήθομαι, γήθω, γά̄θω ‘sich freuen’. Wenige Ableitungen: γηθοσύνη (ep. seit Il., Ph.), γηθόσυνος ‘freudig’ (poet. seit Il.; vgl. Risch 138f., dazu Porzig Satzinhalte 227 mit Versuch, die Wörter bildungsgeschichtlich einzuordnen; s. auch Frisk Eranos 43, 220); spät γῆθος n. (Epikur., Plu. u. a.) und γηθαλέος (Androm., ap. Gal.). Außerdem noch γᾶσσαν· ἡδονήν H., falls mit Baunack Philol. 70, 376 aus *γᾱθ-ι̯αν. — Wegen lat. gaudeō, gāvīsus sum wird γηθέω gewöhnlich auf *γᾱϝεθέω (evtl. -αθέω) zurückgeführt, das seinerseits als *γᾱϝ-εθ-έω zu zerlegen ist (vgl. Schwyzer 703). Die Kontraktion muß sehr früh gefolgt sein (Kretschmer Glotta 4, 324 und 337 gegen Jacobsohn KZ 43, 42ff.) und auch für das Perfekt (urspr. *γέ-γᾱϝ-α zu γαίω?; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 429) maßgebend gewesen sein. Dadurch wird Anschluß an γαίω aus *γᾰϝ-ι̯ω, γαῦρος, γάνυμαι ermöglicht (s. dd.). Das graeco-lat. Präsens *gāu̯edheiō, das als alte idg. Bildung auffallend ist, steht im Ganzen isoliert da; in Betracht kommt immerhin lit. džaugiúos ‘sich freuen’, falls aus *gaudžiúos umgestellt (Hirt BB 24, 280). I-303-304
γηθυλλίς (dor. γᾱθ-), -ίδος f. (Epich., Eub., Nik. u. a.), γήθυον n. (Ar., Thphr. u. a.), γήτειον n. (Ar., Anaxandr., Kall. u. a.) N. einer Zwiebel (vgl. Strömberg Theophrastea 84). — Nicht sicher erklärt. Von Kalén GHÅ 24 (1918) : 1, 103ff. in γη-θυλλίς zerlegt und als ‘Erdsäckel’ erklärt; entsprechend will er aus γήθυον ein *θύον ‘sacculus’ (auch in τήθυον postuliert) gewinnen. Dabei wird das ebenfalls gut beglaubigte γήτειον nicht berücksichtigt. I-304
γῆρας, -αος, -ως n. ‘Alter’ (seit Il.). Ableitungen: γηραιός ‘alt’ (seit Hes.; vgl. zu γεραιός s. γέρας), γηραλέος ‘ds.’ (Anakr., Xenoph., Pi., A. usw.; s. Debrunner IF 23, 13f.; nach den Adj. auf -αλέος; nicht mit J. Schmidt und Schwyzer 516 von einem alten σ-losen Stamm γηρα-), γηράεις ‘ds.’ (Alk., vgl. Chantraine Formation 272f.). Außerdem γήρειον ‘Distelflaum’ (Arat., Nik.) und γηράνιον· γεραν<ογέρων> H.; zum Benennungsmotiv vgl. Strömberg Pflanzennamen 159 A. 1; γηράμων H., mit ++γράζα glossiert. — Daneben γηράσκω ‘altern’ (seit Il.), Aor. 3. sg. ἐγήρα, Part. γηράς (Il. usw.), Inf. γηράναι oder γηρᾶναι (A., S., vgl. Schwyzer 682 mit Referat auch anderer Ansichten); Aor. 1 ἐγήρασα (Hdt., A. usw.; auch kausativ gebraucht nach ἔφυσα: ἔφυν usw., Schwyzer 755γ); Fut. γηράσομαι, -σω (ion. att.), wozu später γεγήρακα, ἐγηράθην. Neugebildetes Präsens γηράω (X. usw.); Aor. γηρείς (Xenoph.) nach δαμείς usw. (anders Specht KZ 59, 85). — Von γηράσκω: γηράσιμος ‘alternd’ (Tlos), vielleicht über γήρασις (Ammon., Suid., vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 88); daneben γήρανσις (Arist.) nach ὑγίανσις (Chantraine 281). — Neben γέρας mit alter Vokalkürze in der übertragenen Bedeutung ‘Ehre(ngabe)’ steht γῆρας mit auffallender Vokallänge in der ursprünglichen Bedeutung ‘Alter’. Da die Länge gleichzeitig dem Verb eignet, spricht alles dafür, daß sie vom Verb auf das Nomen übertragen wurde, wodurch γέρας formal und semantisch isoliert wurde; nur in γεραιός hat sich die alte Bedeutung bewahrt. — Eine sichere Erklärung des η steht indessen noch aus. Gegen die Annahme einer Übertragung von ἥβη, ἡβάω (seit Osthoff IF 19, 235ff.) spricht der Umstand, daß sich bei Homer noch ἡβάω und γηράσκω gegenüberstehen. Die sich gegenseitig ergänzenden Parallelbildungen ἡβάσκω und γηράω sind erst nachhomerisch. Die Nomina γέρας und ἥβη weichen im Formalen allzu sehr voneinander ab, um eine Vokalentgleisung wahrscheinlich zu machen. So ist man geneigt, das η dem zweisilbigen Aoriststamm in ἐγήρα, γηράς (s. oben und vgl. aind. jari-mán- ‘Alter’) zuzuschreiben; die entsprechende Länge im ved. s-Aorist jāri-ṣuḥ (3. pl.) bietet allerdings dafür keinen genügenden Anhalt. — Vgl. γέρας, γέρων, γραῦς. I-304-305
γῆρυς, dor. γᾶρυς, -υος f. ‘Stimme, Ton, Ruf’ (poet. seit Il., späte Prosa). Davon γηρύω, γαρύω ‘anstimmen, singen, verkünden’ (poet. seit h. Merc., Hes.) mit γήρυμα (A., Plu.). — Isolierter hochsprachlicher Vertreter einer Sippe, die namentlich im Keltischen zahlreich repräsentiert ist; Dehnstufe wie in γῆρυς u. a. in air. gāir f. ‘Geschrei’. Aus dem Germanischen werden hierhergestellt got. kara f. ‘Sorge’ und die damit identischen ags. cearu f. ‘ds.’, ahd. chara f. ‘Wehklage’; vereinzelte entlegene Bildungen aus dem Armenischen und dem Iranischen verzeichnen WP. 1, 537, Pok. 352 und W.-Hofmann s. garriō. Aus dem Griechischen noch mit expressiver Gemination γαρριώμεθα· λοιδορούμεθα H., s. d. I-305
γίγαρτον n. ‘Weinbeerkern’ (Simon., Ar. usw.; zu den Bezeichnungen verschiedener Kerne vgl. Strömberg Theophrastea 140). Davon γιγαρτίς· σταφίς H., γιγαρτώδης ‘kernähnlich’ (Thphr.). — Reduplizierte Bildung, gewöhnlich zur selben Familie wie lat. grānum, nhd. Korn, Kern usw. gezogen (s. γέρων); vgl. auch Schwyzer 423. — Fremder Ursprung ist selbstverständlich keineswegs ausgeschlossen. I-305
Γίγας, -αντος m., gew. pl. ‘Giganten’, Benennung eines wilden riesenhaften Volkes (seit Il.), bei Hes. als Söhne der Gaia dargestellt. Davon einige späte und spärlich belegte Adjektiva: Γιγάντειος, -ταῖος, -τικός; außerdem Γιγάντιος als Monatsname (Lokris, Phokis). Ebenso als Vorderglied in Γιγαντο-μαχία (Pl. u. a.) usw. — Reduplizierte Bildung; zum Suffix vgl. Ἄβαντες, Κορύβαντες, ἀλίβαντες usw. (Schwyzer 526 : 4); wahrscheinlich vorgriechisch (Kretschmer Glotta 14, 99). — Von H. Petersson Et. Miszellen 15f. zu lett. gāgans ‘langer Strick, Riese’ gezogen; wohlbegründeter Zweifel bei Kretschmer Glotta 15, 197. I-305-306
γιγγίς, -ίδος f. N. einer Rübenart (Alex. Trall.); davon γιγγίδιον Art Mohrrübe (Dsk.). — Volkstümliches Wort (Strömberg Pflanzennamen 21), vielleicht mit Solmsen Wortforsch. 213f. für *γεγγίς mit Assimilation zu γογγύλος, s. d. Bedenken bei WP. 1, 638. I-306
γιγγλισμός · γαργαλισμὸς ἀπὸ χειρῶν, γέλως H. — Onomatopoetisch, vgl. γίγγρος. I-306
γίγγλυμος (γύγλ-) m. ‘Türangel, Türzapfen, Gelenk’ (X., Arist., Epid., Delos usw.). Davon γιγ(γ)λύμιον (Anthem.), γιγγλυμώδης (Arist.), γιγγλυμωτός (Ph. u. a.) mit γιγγλυμόομαι (Hp.). — Technischer Terminus unbekannter Herkunft (vgl. Schwyzer 423). Verfehlt H. Petersson Griech. und lat. Wortstud. 8f. (zu air. glūn ‘Knie’ usw.). Anderer Versuch bei Prellwitz, vgl. WP. 1, 618. I-306
γίγγρος -ᾱς m. m., N. einer kleinen phönikischen Flöte oder Pfeife (mittl. u. neue Komödie). Davon γιγγράϊνος ‘γ.-ähnlich’ und γιγγραντός ‘für γ. bestimmt’ (Ath.); γιγγρίαι· αὐλοὶ μικροί, ἐν οἷς πρῶτον μανθάνουσιν, γιγγρασμός· ἦχος, γιγγρί· ἐπιφώνημά τι ἐπὶ καταμωκήσει λεγόμενον. καὶ εἶδος αὐλοῦ H. — Mit ρ-Suffix und Dissimilation: γίγγλαρος (Poll.), γιγγλάριον (AB). Nach Ath. 4, 174f. von Γίγγρης, phönikischer Name des Adonis. Vielmehr expressive onomatopoetische Bildung aus *γιρ-γρ-ο- dissimiliert, vgl. zu γῆρυς und γέρανος; reiches Material bei WP. 1, 592, W.-Hofmann s. gingriō, -īre ‘schnattern, von Gänsen’. — Lat. gingrina ‘genus quoddam tibiarum exiguarum’ (Paul. Fest.) ist griechische Entlehnung. Eine ähnliche Bildung ist γιγγλισμός, s. d. I-306
γίγνομαι, ion. usw. γί̄νομαι (mit Assimilation und Dehnung, Schwyzer 215), thess. böot. γίνυμαι (Neubildung, Schwyzer 698), Aor. γενέσθαι, Perf. γέγονα, γέγαμεν, Med. (neugebildet) γεγένημαι, Fut. γενήσομαι; jungatt. usw. γενηθῆναι und γενηθήσομαι; transitiver s-Aorist γείνασθαι (ep. usw., aus *γεν-σ-, nähere Analyse unsicher; s. außer Schwyzer 756 besonders Wackernagel Unt. 175 mit kühner Erklärung), wozu γεινόμεθα, -μενος (wohl entweder für γί(γ)νομαι, Schwyzer 715, oder für γεν- mit metrischer Dehnung, Specht KZ 66, 204f. nach Schulze Q. 182ff.); athemat. Wurzelaorist ἔγεντο (Hes. usw.; wohl analogische Neubildung, vgl. Schwyzer 678f. m. Lit.) ‘geboren werden, werden, entstehen’. Zahlreiche Verbalnomina, z. T. altererbt. Nomina actionis: 1. γένος und γόνος, γονή (s. dd.). 2. γενεά, ion. -ή ‘Geschlecht, Nachkommenschaft’ (vorw. poet. seit Il.; zu der eigenartigen Bildung s. Chantraine Formation 91). 3. γενέ-θλη (poet. seit Il.) und γένε-θλον (A., S.) ‘ds.’ mit γενέθλιος und den seltenen und späten γενεθλιακός, γενεθλίδιος, γενεθλίωμα, γενεθλιάζω. 4. γενε-τή ‘Geburt’ (Hom., Arist. u. a.) mit Γενετυλλίς Kosename der Aphrodite als Schutzgöttin der Geburt (Ar. u. a.; vgl. Chantraine 252 und Leumann Glotta 32, 218 A. 3). 5. γένε-σις ‘Geburt, Ursprung’ (seit Il.). 6. γέν-νᾰ (s. d.). — Nomina agentis: γενέ-τωρ (ion. dor. poet.) und γενε-τήρ (Arist. usw.) ‘Erzeuger’; Versuch einer Bedeutungs-Differenzierung bei Benveniste Noms d’agent 46; Fem. γενέτειρα (Pi. usw.) aus -τρια (Schwyzer 381); γενέ-της (ion. poet.) ‘Erzeuger’, auch ‘Sohn’ (aus dem Komp. αἰει-γενέτης usw., s. Fraenkel Nom. ag. 1, 48); davon γενέσια n. pl. ‘Feier der dahingeschiedenen Väter, Parentalia’ (Hdt. usw.), später ‘Geburtsfest’ durch Anschluß an γενετή, γένεσις, vgl. Jacoby Class. Quart. 38, 65ff.; zu γενέτωρ und γενέτης auch Chantraine REGr. 59-60, 246ff. — Sonstige Ableitungen: γνήσιος ‘von echter Abkunft, echtbürtig’ (seit Il.; zunächst von einem verschollenen Nomen, vgl. Scheller Sprachgesch. und Wortbed. 399ff.); γνωτός, -τή ‘Verwandte(r), Bruder, Schwester’ (ep. seit Il.; oder zu γιγνώσκω?, s. unten) außerdem in Zusammenbildungen -γνη-τος, z. B. κασί-γνη-τος ‘Bruder’ (s. d.) und -γν-ος in νεο-γν-ός ‘neugeboren’ (h. Hom. usw.), mit ιο-Ableitung in ὁμό-γν-ιος ‘von gleicher Abstammung’, vorw. als Bez. der Stammgötter (Trag. usw.). — Altes Verb, von dem mehrere mit den griechischen genau übereinstimmende Formen nebst zugehörigen Verbalnomina (die allerdings teilweise auf parallelen Neuschöpfungen beruhen können) in anderen Sprachen vorliegen: redupl. Präsens γίγνομαι = lat. akt. gignō ‘erzeugen’; thematischer Aorist ἐγένετο = aind. them. Impf. ájanata (Präs. jánate, -ti = lat. genit); Perf. γέγονα = aind. jajā́na. Ferner die Nomina γένος und γόνος (s. dd.); γενέτωρ, γενετήρ = lat. genitor, aind. jánitar- und janitár-, γενέτειρα (aus -τρια) = aind. jánitrī, lat. genitrī-x; γενετή = lat. Genita Māna N. einer Göttin (dagegen γένεσις Neubildung nach den hochstufigen zweisilbigen Nomina für die alten schwundstufigen aind. jātí- ‘Geburt, Familie’, lat. nāti-ō, ags. (ge)cynd ‘Art usw.’; zur Abstufung im allg. vgl. Borgström NTS 16, 144f.); γνωτός = lett. znuōts ‘Schwiegersohn, Schwager’ (nach Schulze KZ 63, 113 vielmehr zu γιγνώσκω); vgl. noch ahd. knōt (got. Dat. knōdai) ‘Geschlecht’; -γν-ος in Zusammenbildungen = z. B. lat. prīvi-gn-us ‘abgesondert geboren’ = ‘Stiefkind’, νεο-γν-ός : got. niu-kla-hs ‘ds.’ (aus *-kna- [idg. *-ĝn-o-] dissimiliert); -γν-ιος in ὁμόγν-ιος = gall. Abe-gnia. — Zahlreiche andere Formen aus verschiedenen Sprachen bei WP. 1, 576ff., Pok. 373ff., W.-Hofmann s. gignō. I-307-308
γιγνώσκω, ion. usw. γῑνώσκω (vgl. γί̄νομαι neben γίγνομαι), epidaur. γνώσκω, Aor. γνῶναι, Perf. ἔγνωκα, Fut. γνώσομαι, mit analog. -σ- γνωσθῆναι, ἔγνωσμαι, später σ-Aor. γνώσασθαι (Man.) ‘erkennen, kennenlernen’ (seit Il.). Ableitungen: γνῶσις ‘Erkenntnis, Einsicht’ (ion. att.), oft in Komp., z. B. ἀνά-γνωσις ‘das Wiedererkennen, das (Vor)lesen’ zu ἀνα-γιγνώσκω ‘erkennen, (vor)lesen’; γνώμη ‘Erkennung, Gedanke, Ansicht’ (Thgn., Hdt., Pi. usw.) mit γνωμίδιον (Ar.) und γνωμικός (spät); selten γνῶμα ‘Kennzeichen, Ansicht’ (Hdt., A. usw.) mit γνωματεύω (Pl. usw.); gewöhnlich dagegen γνώμων m. (f.) ‘Kenner, Beurteiler usw.’ (ion. att.; daraus wahrscheinlich lat.-etr. grōma, lat. norma, s. W.-Hofmann s. vv.); zu γνώμη, γνῶσις s. bes. Snell Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplat. Philosophie. 1924; — γνωτός ‘erkannt, bekannt’ (Il., S.), gewöhnlich mit analog. -σ- γνωστός (A., S., Pl. usw.; ἄγνωστος seit Od.) wie in γνωστήρ ‘Identitätszeuge, Bürge’ (X., Pap., vgl. Schaefer Mus. Helv. 6, 49ff.) und γνώστης ‘ds.’ (LXX, NT, Pap. usw.); öfters in Komp., z. B. ἀναγνώστης zu ἀνα-γιγνώσκω (vgl. oben); ebenso γνωστικός ‘zur Einsicht gehörig, theoretisch’ (Pl., Arist. usw.) und das Denominativum γνωστεύω ‘die Identität erkennen’ mit γνωστεία (Pap.). — Für sich stehen mit ρ-Suffix γνώριμος ‘erkennbar, bekannt, nobilis’ (seit Od.) und γνωρίζω ‘erkennen, kundtun’ (ion. att.) mit γνώρισις, γνώρισμα, γνωρισμός, γνωριστής, γνωριστικός (Pl., Arist. usw.); zu Grunde liegt ein nominaler ρ-Stamm (*γνῶρον?), Einzelheiten bei Arbenz Die Adj. auf -ιμος 24 und 31f.; vgl. auch unten. — Mit abweichendem Vokal ἀγνοέω ‘nicht (er)kennen’ (seit Il.; ἠγνοίησα mit falschem -οι-; s. z. B. Chantraine Gramm. hom. 1, 99) mit ἀγνοίᾱ, ἄγνοιᾰ (att.), wahrscheinlich nach νοέω und Zus.-setzungen, ἀνοίᾱ, ἄνοιᾰ usw.; die Annahme eines Adjektivs *ἄγνο-ϝος (Schwyzer 472 A. 8 mit Solmsen und Anderen) neben ἀγνώς, ἀγνῶτος ‘unbekannt’ (seit Od.) ist (trotz lat. cognĭtus) entbehrlich. — Das Präsens γιγνώσκω ist bis auf die Reduplikation (epidaur. γνώσκω) mit lat. (g)nōscō, apers. xšnāsa- in xšnāsāhiy ‘du sollst merken’ (Konj.) usw., wohl auch mit alb. ńoh identisch; dem Aor. Opt. 2. sg. γνοίης (= *γνοίιης) entspricht aind. jñeyā́ḥ (γνώσασθαι dagegen späte Parallelbildung zu aind. á-jñāsam); identisch sind ebenfalls γνωτός, lat. nōtus, aind. jñātá- (wozu noch air. gnāth ‘gewohnt, bekannt’, toch. B a-knātse ‘unwissend’). In allen drei Sprachen hat sich die einsilbige langvokalische Wurzelform mit ō-Farbe fast ausnahmslos durchgesetzt (vgl. noch ἔγνωκα, lat. nōvī, aind. jajñaú usw.), ebenso in aksl. znajǫ, znati ‘erkennen’. Aus diesem Rahmen fällt im Griechischen außer der Neubildung ἀγνοέω (s. oben) nur das semantisch isolierte γέγωνα (s. d.); es läßt ein altes Ablautsystem ahnen, das sich auch sonst, z. B. in got. usw. kann, pl. kunnum, Part. kunþs ‘bekannt’ (daneben z. B. ags. cnāwan ‘know’ aus idg. *ĝnē-), lit. žénklas ‘Zeichen’ (mit Stoßton aus einer zweisilbigen Wurzelform *ĝenə-), pa-žìntas ‘bekannt’, pa-žį́stu ‘ich erkenne’, arm. Aor. can-eay ‘ich erkannte’ (mit Tiefstufe) verrät. — Zu γνώριμος vgl. lat. ignōrō, dessen ō aber wegen des isolierten und darum alten ā in gnārus als Neubildung verdächtig ist (W.-Hofmann s. gnārus m. Lit.). — Die Gleichung γνῶσις = lat. nōti-ō = aind. -jñāti- kann natürlich in Anbetracht der großen Produktivität der betreffenden Suffixe auf Neubildung beruhen. Das gleiche gilt von den ebenfalls übereinstimmenden γνῶμα, aruss. znamę (unsicher phryg. κνουμανει [Dat.] ‘Grab’). In seiner allgemeinen phonetischen Struktur an das Verb für ‘geboren werden, erzeugen’ erinnernd (s. γίγνομαι), unterscheidet sich γιγνώσκω davon vor allem durch die früh um sich greifende Wurzelform ĝnō-. Daß diese beiden Verba ursprünglich identisch gewesen wären (s. die Lit. bei WP. 1, 578, W.-Hofmann s. nōscō, vgl. noch s. γόνυ), ist eine Annahme, die sich streng genommen weder beweisen noch widerlegen läßt, aber eben deswegen wie alle derartigen Hypothesen, die mit ganz unbekannten vorgeschichtlichen Größen operieren, völlig ohne Interesse ist. I-308-309
γίννος m. Bez. des Maulesels (Arist., Str., H.), auch γινος (Ialysos). — Fremdwort unbekannten Ursprungs. Vgl. zu ὄνιννος. I-309
γλάζω ‘einen Gesang (μέλος) erklingen lassen’ (Pi. Fr. 97); vgl. γλαγγάζει· κέκραγε H. (Kyr.). — Onomatopoetisch, vgl. κλάζω. — Man vergleicht seit Fick und Zupitza einige germanische Wörter, z. B. awno. klaka ‘zwitschern’. I-309
γλάμων, -ωνος (Kom., Lys.), γλαμυρός (Hp., H., EM) ‘triefäugig’. — Von γλάμος· μύξα H. nach den Adj. auf -ων (στράβων usw., Chantraine Formation 161) bzw. -υρός (φλεγυρός usw., ebd. 231). Dazu das Denominativum γλαμάω (Poll., Moer.) und γλάμυξος = γλαμυρός mit γλαμυξιάω (EM), nach μύξα oder für γλα[μο]-μυξος. — Das langvokalische γλημώδης = γλαμυρός (Gal.) ist durch Kreuzung mit λημώδης entstanden. Nicht sicher gedeutet. An γλάμων usw. erinnern einige baltische und germanische Wörter, z. B. lit. glẽmės, gléimės pl. ‘Schleim’, engl. clammy ‘klebrig, zäh’; außerdem alb. ngl ́omë ‘feucht, frisch’ (WP. 1, 617 m. Lit., Pok. 361). — Aus dem Griechischen stammt lat. glamae ‘Augenbutter’, s. W.-Hofmann s. grāmiae m. Lit. I-309-310
γλάνος m. ‘Hyäne’ (Arist.). Davon der Fischname γλάνις, -ιος, (-εως), -ιδος m. (f.) ‘Silurus, Wels’ (Kom., Arist. u. a.; γλάνιος Hdn.), so genannt wegen seiner Gefräßigkeit und seiner Lautgebung, s. Strömberg Fischnamen 70; ausführlich über den Fisch Thompson Fishes s. v. — Ohne Etymologie. I-310
γλαρίς, -ίδος f. ‘Meißel’ (S., Delos IIIa, Kall. u. a.). — Bildung wie die semantisch verwandten γραφίς, γλυφίς, κοπίς usw. (Chantraine Formation 338). Erklärung sonst unsicher; nach H. Lewy KZ 55, 24 aus *γρα-ρίς dissimiliert, zu γράω ‘fressen, nagen’ . I-310
γλαυκός bei Hom. (Π 34) und späteren Dichtern (Trag. usw.) vom Meere, nachhom. entweder auf die Farbe ‘hellblau, blaugrau’ oder auf Lichterscheinungen ‘funkelnd, leuchtend’ bezogen. Mehrere Ableitungen: γλαῦκος N. eines Fisches (Kom. usw.; zum Benennungsmotiv Strömberg Fischnamen 23f., zum Sachlichen auch Thompson Fishes 48) mit den Deminutiven γλαυκίδιον und γλαυκίσκος (Kom.); γλαυκία ἢ γλαυκίον· βοτάνη τις H. (Plin.); auch ‘Mohnsaft’ (Dsk., Gal.) und N. einer Entenart (Ath.), beide nach der Farbe; γλαυκίδανον N. einer Augensalbe (Gal.), nach den mannigfachen Gerätenamen auf -ανον (Chantraine Formation 198f.), anscheinend über *γλαυκίς; γλαύκινος Attr. von ἱμάτιον (Plu.) mit γλαυκινίδιον = γλαυκίδιον (Amphis); γλαυκειοῦς (χιτωνίσκος, Attika IVa). — γλαυκότης (Arist., Plu., Corn.). — Denominative Verba: 1. ep. Part. γλαυκιόων ‘funkelnd, glänzend’ (nach μειδιόων? Leumann Hom. Wörter 151); 2. γλαυκίζω ‘γ. sein’ mit γλαυκισμός (PHolm.); 3. γλαυκόω ‘γ. färben’ (PHolm.), γλαυκόομαι ‘den Star bekommen’ (Hp., J.) mit γλαύκωσις (Hp., Gal.) und γλαύκωμα ‘grüner Star’ (Arist., Mediz.), das indessen auch direkt von γλαυκός ausgehen kann (vgl. Chantraine 186f.; γλαυκόομαι dann sekundär?); 4. γλαύσσω ‘leuchten’ (H., EM), διαγλαύσσω A. R. 1, 1281; vgl. λευκός: λεύσσω. — Mehrere Eigennamen: Γλαῦκος, Γλαύκη (seit Il.), Γλαύκων, -ίων usw.; auch als Vorderglied. — Zu γλαυκῶπις s. unten. — Die gewöhnliche Anknüpfung an γαλήνη, γελάω usw. (s. dd.) kommt (auch mit Hilfe von *ἀγλαϝός) über eine allgemeine Ähnlichkeit nicht hinaus. Da das ep. Attribut der Athens γλαυκῶπις, nach βοῶπις zu schließen, als ‘die Eulen-äugige’ bzw. ‘die Eulen-antlitzige’ zu verstehen ist, kann γλαῦξ ‘Eule’ schon aus diesem Grunde schwerlich eine hypokoristische Kürzung von γλαυκῶπις (Prellwitz) sein. — Nach Leumann Hom. Wörter 148ff. erwuchs γλαυκός auf rein literarischem Wege aus dem mißverstandenen Vorderglied in γλαυκῶπις, das schon von den epischen Dichtern als adjektivisch (mit wechselnder Bedeutung) aufgefaßt wurde. I-310-311
γλαυνός m. Art Chiton (Poll. 7, 48). — Unerklärt. I-311
γλαῦξ, -κός f. ‘Nachteule’ (Kom., Arist. usw.). — Nach den Alten von γλαυκός wegen des funkelnden Blickes, was von Thompson Birds s. v. (wo ausführlich zum Sachlichen) als Volksetymologie abgelehnt wird. Nach Prellwitz aus γλαυκῶπις hypokoristisch gekürzt; vgl. dazu s. γλαυκός. Einige Vogelnamen mit k-Suffix notiert Specht Ursprung 204. I-311
γλαφυρός ‘ausgehöhlt, hohl’ (ep. lyr. seit Il.), ‘geglättet, fein, zierlich’ (Kom., Arist. usw.). Davon γλαφυρότης ‘Glätte, Eleganz’ (Ph., J., Luk. u. a.) und γλαφυρία ‘ds.’ (Plu., Iamb.). — Vereinzelt γλάφυ n. ‘Höhle, Grotte’ (Hes. Op. 533) und γλάφω ‘aushöhlen’ (Hes. Sc. 431), ‘einritzen’ (ClassRev. 12, 282; Koptos IIp; richtig?). — Die Bildung von γλαφυρός (wohl aus -υλός dissimiliert, Leumann Glotta 32, 223 A. 2) scheint auf einen u-Stamm *γλαφύς hinzudeuten (λιγυρός : λιγύς usw.). Ob das einmalige γλάφυ eine Altertümlichkeit darstellt, bleibt immerhin etwas fragwürdig; ebenso kann γλάφω als ἅπ. λεγ. im Sinn von ‘aushöhlen’ gegenüber γλαφυρός sehr wohl sekundär sein. Wenn es viel später in der Bedeutung ‘einritzen’ wieder erscheint, macht es (falls überhaupt richtig gelesen bzw. geschrieben) den Eindruck einer Kreuzung von γλύφω und γράφω. Der Gebrauch von γλαφυρός im Sinn von ‘geglättet usw.’, der sich auch stilistisch gegen die früher belegte Bedeutung ‘ausgehöhlt’ abhebt, setzt eine Grundbedeutung wie ‘schaben’ voraus, oder aber es liegt eine Verschiebung der Assoziationen vor. — Eine ansprechende Anknüpfung bieten einige slavische Wörter für ‘aushöhlen, nagen’, z. B. bulg. glob m. ‘Augenhöhle’, sloven. glóbati ‘aushöhlen, nagen’. Dagegen ist russ. globá ‘Querbalken, lange Stange’ keine Stütze für die Ansetzung einer ursprünglichen Bedeutung ‘schaben, glätten’, da es wahrscheinlich nicht zu glob usw. gehört (Vasmer Russ. et. Wb. s. v.). I-311
γλέπω, γλέφαρον s. βλέπω, βλέφαρον. I-311
γλήνη f. ‘Augapfel’ (Hom. [auch als verächtliche Anrede Θ 164, vgl. Porzig Satzinhalte 347], S.), auch ‘Augenstern, Pupille’ (Ruf. Onom., H.), übertr. ‘Gelenkhöhle’ (Gal.), ‘Wabe’ (AB, H.) γλήνεα n. pl. ‘Schaustücke, Schmucksachen’ (Ω 192, A. R. 4, 428), ‘Sterne’ (Arat.); sg. γλῆνος = γλήνη (Nik.), = φάος H. — Ableitung γληνις (IG 5 [1] 1447, 9, Messene III-IIa) Bed. unbekannt. Ein hellenistisches Kunstprodukt ist γλήν = γλήνη (Hermesian.), vgl. Schwyzer 584 A. 6. EN: Γλῆνος, Γλῆνις, Γληνώ, Γληνεύς, vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 130. — Unsicher ist die Bedeutung von τρί-γληνα (ἕρματα Hom.); außerdem τρίγληνος als Attribut der Hekate (Ath.). — Neben γλήνη, γλῆνος stehen einerseits γαλήνη, γέλως, anderseits γλαινοί· τὰ λαμπρύσματα τῶν περικεφαλαιῶν, οἷον ἀστέρες H. Eine Zusammenführung aller dieser Wörter unter einen Hut setzt eine zweisilbige Wurzel mit Vokalwechsel voraus: γελα-, γαλα-, γλαι-, γλη-; letzteres kann sowohl urg. γλη- wie γλᾱ-, sogar auch γλασ- enthalten. Schwierigkeit bereitet dabei nur γλαι-νοί; die Ansetzung von idg. ĝləi- ist natürlich ein Notbehelf. (Anders, ebenso hypothetisch, über den α(ι)-Vokal Specht Ursprung 322). Auch die Gleichsetzung von γλαινοί mit ahd. kleini ‘glänzend, zierlich, fein, klein’, ags. clǣne ‘clean’ hat bei der knappen Dokumentierung des griechischen Wortes wenig Wert (-αι- in γλαινοί sekundär, etwa von dem Oppositum κελαινός?). — Zu -νος in γλῆ-νος vgl. κτῆ-νος, ἄφενος, δάνος, auch γάν-ος usw. (Chantraine Formation 420, Schwyzer 512f., Porzig Satzinhalte 295). — Nach Machek Listy filol. 72, 70 gehört zu γλήνη slav. zrěnica ‘Pupille’ für *zlěn-ica nach zьrěti ‘sehen’ durch Volksetymologie. — Lamer IF 48, 231f., der für γλήνη eine Grundbedeutung ‘Püppchen’ ansetzt, hält das Wort für ägäisch. I-311-312
γλήχων, dor. γλά̄χων s. βλήχων. I-312
γλία, γλίνη, γλίον s. γλοιός. I-312
γλῖνος (γλεῖνος) m. ‘kretischer Ahorn’ (Thphr.). — Ohne Etymologie. I-312
γλίσχρος ‘klebrig, gierig, karg’ (ion. att.). Davon γλίσχρων ‘Geizhals’ (Ar.), γλισχρότης ‘Klebrigkeit, Knauserei’ (Arist., Thphr. usw.), γλισχρία ‘ds.’ (Sch.). Denominative Verba: 1. γλισχραίνομαι ‘klebrig sein’ (Hp., Gal.) mit γλίσχρασμα ‘Pflanzenleim’ (Hp. u. a.); 2. γλισχρεύομαι ‘knauserig sein’ (M. Ant.). — Zu γλίχομαι, γλοιός (s. d.). Die Bildung bleibt im Einzelnen dunkel, was offenbar mit dem Gefühlston des Wortes zusammenhängt, vgl. Chantraine Formation 225. Eine rein grammatische Analyse (zu *γλίσχω aus *γλίχ-σκω oder mit Metathese aus *γλιχ(ε)σ-ρο- ?, Walde-Pokorny 1, 619 bzw. Schwyzer 328) ist unter solchen Umständen etwas zweifelhaft. I-312
γλοιός m. ‘klebriger Stoff, Harz, Gummi’, auch Benennung des klebrigen, mit Schweiß gemischten Öls, das nach dem Ringen mit dem Striegel abgestrichen wurde (Semon., Hdt., Ar., Arist. u. a.); sekundär Adj. (Pap.; aber Ar. Nu. 449 ehestens Subst.). Davon γλοιώδης (Pl.. Arist. u. a.); γλοιάς· ἡ κακοήθης ἵππος καὶ πολυδήκτης παρὰ Σοφοκλεῖ H., γλοίης, -ητος m. (Hdn., H., EM; zur Bildung Chantraine Formation 267). Denominative Verba γλοιόομαι ‘klebrig werden’ (Dsk.), γλοιάζω ‘die Augen schließen, e-n schief, mißtrauisch ansehen’ (Hp., H., EM). — Neben γλοιός steht in derselben Bedeutung, aber mit anderem Ablaut γλία (EM); außerdem mit ν-Suffix γλίνη (EM) mit γλινώδης (Dsk., Ath. u. a.); zu γλία ferner γλίον· εὔτονον, ἰσχυρόν (H., EM, Eust.), wohl auch γλιᾶται· παίζει, ἀπατᾷ H., γλιῶσαι· τὸ παίζειν EM. — Mit geminiertem τ-Suffix γλίττον· γλοιόν (H., Eust.). — Primäres Verb mit χ- Suffix γλίχομαι, bis auf ἐγλιξάμην (Pl. Kom.) nur im Präsensstamm, eig. ‘an etwas kleben’, d. h. ‘heftig verlangen’ (Hdt., att.); postverbal γλιχός (H.), γλιχώ (EM). — Zu γλίσχρος s. bes. — Falls aus *γλοιϝός, hat γλοιός eine genaue formale Entsprechung in russ. dial. glev ‘Schleim der Fische’ (slav. *glěvъ aus idg. *gloi-u̯o-s), wahrscheinlich auch in ahd. klēo, Gen. klēwes ‘Klee’ (urg. *klaiu̯az; nach dem klebrigen Saft der Blüte). Wenn dagegen = *γλοιι̯ός (mit expressiver Gemination), besteht Identität mit ags. clǣg ‘Lehm, clay’ (urg. *klaii̯az). — Das ν-Suffix in γλίνη, das auch in russ. -ksl. glěnъ ‘Schleim, zähe Feuchtigkeit’ (idg. *gloi-no-s) und in russ. glína ‘Ton, Lehm’ (idg. *glei-nā) erscheint, stammt aus einem Nasalpräsens, air. glenim (*gli-nā-mi), ahd. klenan ‘kleben, schmieren’. — Die Hesychglosse γλίττον erklärt sich wie lat. glittus ‘klebrig’ am einfachsten als expressive Verdoppelung des t-Suffixes in lat. glūten n. ‘Leim’ (aus *gloi-t-en-; wohl alter r-n-Stamm, s. Benveniste Origines 104) und lit. glitùs ‘klebrig’. — Zu γλία gesellt sich am nächsten russ. glej ‘Ton, Lehm’ (aus *glьjь). — Ohne außergriechische Entsprechung ist dagegen γλίχομαι; andere Beispiele von χ- erweiterten Präsentien bei Schwyzer 702. — Zahlreiche weitere Vertreter dieser Sippe bei WP. 1, 619ff., W.-Hofmann s. glūten, Pok. 362f. I-312-313
γλουρός m. ‘Gold’ (AP, H.), γλούρεα· χρύσεα H. — Nach H. phrygisch. S. χλωρός. I-313
γλουτός m. ‘Hinterbacken’, du. (X.) und pl. ‘Gesäß’ (seit Il.). Davon γλούτια ‘ds.’, auch Bez. tuberkulöser Erhabenheiten des Gehirns (Gal.). — Zur Bildung vgl. das synonyme πρωκτός. — Kann mit sloven. glûta, glúta ‘Beule, beulenartige Geschwulst’ (falls aus *glout-) bis auf den Ausgangsvokal identisch sein; auch das semantisch etwas abseits liegende ags. clud m. ‘mass of stone, rock’, neng. cloud ‘Wolke’ kann bis auf den Ablaut (idg. ū) dazu stimmen. Ohne t-Suffix dagegen aind. (ved.) glaú-ḥ m. ‘Klumpen, Auswuchs’ (mit Langdiphthong). Schwyzer 501 A. 10, 577 A. 11 erwägt darum für γλουτός eine sekundäre τ(ο)-Flexion wie bei χρώς, -τός. — Buntes Material bei Bq, WP. 1, 617ff., Pok. 361f. I-313-314
γλυκύς ‘süß, angenehm’ (seit Il.); zu den Steigerungsformen γλυκίων, γλύσσων, γλυκύτερος, γλυκ(ε)ιότερος Seiler 48ff. Mehrere Ableitungen: γλύκων individualisierend (Ar. Ek. 985, wie πλατύς : Πλάτων u. a.), auch als EN, wozu Γλυκώνειος (Heph. u. a.); poetische Erweiterung γλυκόεις (Nik.); Deminutivbildungen: γλυκάδιον ‘Weinessig, Süßigkeiten’ (Choerob., H.; zur Bedeutung vgl. ἦδος = ὄξος), γλυκίδιον (Pap.). — γλυκίν(ν)ᾱς m. ‘Kuchen, mit süßem Wein hergestellt’ (Seleuk. ap. Ath., als kretisch bez., H.). — Abstraktbildung γλυκύτης ‘Süßigkeit’ (Hdt., Arist. usw.). — Denominative Verba: 1. γλυκαίνω ‘versüßen’ (Hp., Arist. usw.; vgl. πικραίνω; nicht *γλυκύνω wie ἡδύνω wegen der Folge υ — υ, Schwyzer 733; jedoch γλύκυσμα [Lib., Sch.] nach ἥδυσμα) mit γλύκανσις (Thphr.) und γλυκαντικός (S. E. u. a.); 2. γλυκάζω ‘ds.’ (LXX, Epikt. usw.) mit γλύκασμα, γλυκασμός (LXX u. a.); γλυκασία ‘Familienliebe’ (Sammelb.); 3. γλυκίζω ‘ds.’, auch intr. (Pagae, Gp. u. a.) mit γλυκισμός (Kallix. u. a.); 4. ἐγ-γλύσσω ‘süßlich sein’ (Hdt. 2, 92; ἔγγλυκυς erst Dsk.; vgl. λευκός : λεύσσω usw. Schwyzer 725); daran bildungsmäßig angeschlossen γλύξις ‘süßer Wein’ (Phryn. Kom. u. a.); auch γλεῦξις· οἶνος ἕψημα <ἔχων> H., vgl. γλεῦκος. — Alte aber seltene Parallelbildung ist γλυκερός (poet. seit Od., späte Prosa; vgl. κρατύς : κρατερός und Chantraine Formation 229f., Schwyzer 482f.), f. (mit regelmäßig zurückgezogenem Akzent) Γλυκέρα als EN mit Γλυκέριον. — Mit Geminata: γλυκκόν· γλυκύ und γλύκκα· ἡ γλυκύτης H.; gewöhnlich als *γλυκ-ϝ-ον, -ᾱ erklärt, falls nicht expressive Gemination (vgl. Chantraine Formation 124). — Für sich stehen die Pflanzennamen γλύκη· βοτάνη τις ἐδώδιμος H. und das sehr eigenartige γλυκυμή = γλυκύρριζα (Hp. ap. Gal.), von *γλυκυμος wie ἥδυμος?; vgl. außer Schwyzer 494 A. 3 die zahlreichen Pflanzennamen mit γλυκυ- als Vorderglied bei Strömberg Pflanzennamen 63. — Im Ablaut abweichend γλεῦκος n. ‘Most, süßer Wein’ (Arist., Pap., Gortyn usw.) mit γλεύκινος ‘aus γ. bereitet’ (Dsk., Mediz.), γλευκίτης (οἶνος) = γλεῦκος (Arist.-Komm.); γλευκήσας ‘von γ. berauscht’ (H.); auch γλεύκη = γλυκύτης (Sch.) und γλεῦξις, s. γλύξις oben. — Falls γλυκύς zu lat. dulcis gehört, wie gewöhnlich angenommen wird, muß γλ- für δλ- (durch Assimilation an das folgende κ?) stehen, was sich weder beweisen noch widerlegen läßt. Auch der υ-Vokal ist als vermutete Schwundstufe unregelmäßig; vgl. indessen zu λύκος. — Zu arm. k‘aɫcr ‘süß’, das bisweilen hierhergezogen wird, s. zu ἡδύς. — Das hochstufige γλεῦκος ist späte Neuerung nach den vielen gleichgebildeten neutralen σ-Stämmen. I-314-315
γλῠ́φω, Aor. γλύψαι, Fut. γλύψω ‘ausmeißeln, gravieren’ (ion. att.). Nomina actionis: γλυφή ‘das Eingraben, Stich’ (D. S., Plu. usw.), γλύμμα ‘das Eingegrabene, Petschaft’ (Eup., Str., Pap.). Mehrere Nomina agentis oder instrumenti: γλυφίς, gew. pl. -ίδες ‘Kerbe(n), bes. am hintern Ende des Pfeilschaftes’ (seit Il.), auch ‘Meißel, Messer usw.’ (J., AP u. a.; vgl. ἀκίς, σκαφίς und Porzig Satzinhalte 352); γλύφανος ‘Schnitzmesser’ (h. Merc. u. a.; vgl. φάσγανον, δρέπανον und andere Nomina auf -ανον, -ανος (-ανη) bei Chantraine Formation 198ff.); γλυφεῖον ‘ds.’ (Luk.); ἑρμογλυφεῖον ‘Bildhauerwerkstatt’ (Pl.), Zusammenbildung von ‘Ερμᾶς γλύφειν; γλυφεύς ‘Bildhauer, Graveur’ (J. u. a.), zunächst von γλυφή, s. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 73; daneben γλυφευτής ‘ds.’ (Pap. VIp), wie von *γλυφεύω; γλυπτήρ = γλύφανος (AP), γλύπτης ‘Graveur’ (APl.) mit γλυπτικός (Poll.). — Adj. γλυφική (τέχνη; Thrake). — Der durchgeführten Schwundstufe in γλύφω nebst sämtlichen Ableitungen steht im Germanischen ein primäres Verb mit bewahrtem Ablautswechsel eu : ou : u entgegen: z. B. ahd. Präs. klioban ‘klieben, spalten’, Prät. kloub, Opt. klubi. Auch lat. glūbō ‘abschälen’ vertritt als altes primäres Verb wahrscheinlich die Hochstufe eu, obwohl es an und für sich ebenso wie das deverbative ahd. klūbōn ‘klauben, zerpflücken’ ein (sekundär verlängtes?) ū enthalten kann. Hierher vielleicht noch russ. glýboko ‘tief’ usw., s. Vasmer Russ. et. Wb. s. v. I-315
γλωρόν · νομόν H. — Kukules ’Αρχ. 27, 61ff. vergleicht ngr. (Karpathos, Kypros) γλωρός = χλωρός; χλωρονόμι ‘Gras’. Anders Latte z. St. I-315
γλῶσσα, att. γλῶττα, ion. auch γλάσσα (s. unten) f. ‘Zunge, Sprache’ (seit Il.). Davon die Deminutiva γλωσσάριον (Dsk., Pap.) und γλωσσίδιον (Zen.); ferner γλώσσημα ‘Pfeilspitze’ (A.), ‘altertümliches od. dialektisches Wort’ (Quint., M. Ant.; zur Bildung Chantraine Formation 186) mit γλωσσηματικός (D. H.); γλωσσώδης ‘gesprächig’ (LXX u. a.), γλωσσός ‘ds.’ (Hdn.); γλωσσίς ‘Zungenentzündung’ (Hippiatr.). — γλωττίς ‘Mündung der Luftröhre, Ansatzstück, Stimmritze’ (Hero, Luk., Gal.), auch N. eines Vogels (Arist., vgl. Thompson Birds s. v.); γλωττικός ‘zur Zunge gehörig’ (Arist.); denominatives Verb γλωττίζω ‘mit der Zunge küssen’ mit γλωττισμός (AP). — Unter den Komposita ist zu nennen γλώσσ-αργος ‘gesprächig’ (Pi., J. u. a.), aus γλώσσ-αλγος ‘ds.’ dissimiliert; danach στόμαργος, vgl. Strömberg Wortstudien 31 nach H. Lewy KZ 55, 24f.; anders (zu ἀργός ‘schnell beweglich’) Willis AmJPh 63, 87ff. — Eig. "mit Spitze, Stachel versehen", ια-Ableitung von γλῶχες, s. d. Die ion. Form γλάσσα, die von der Schwundstufe ausgeht, ist vielleicht aus einem Paradigma γλῶσσα, *γλασσᾶς entstanden; der urspr. Tonsitz kann in γλωσσᾶι (Pind.-Pap.) bewahrt sein (Schwyzer 474 m. Lit.). — Nach Havers Sprachtabu 60f. (mit Specht) soll γλῶσσα durch Sprachtabu das alte Wort für ‘Zunge’ (lat. lingua usw.) verdrängt haben. Es kann aber mindestens ebensowohl volkstümlich-expressiv sein. I-315-316
γλῶχες f. pl. ‘Grannen der Ähren’ (Hes. Sc. 398). Davon γλῶσσα, s. d.; ferner γλωχί̄ς, γλωχί̄ν, -ῖνος f. ‘Spitze des Jochriemens, des Pfeils usw.’ (seit Il.); Bildung wie ἀκτίς, δελφίς usw. Davon γλωχινωτός (Paul. Aeg.). — Ohne sichere Anknüpfung. Die Zusammenstellung mit serb.-ksl. usw. glogъ ‘Dorn’ (Bezzenberger-Fick BB 6, 237) wird zuletzt von Machek Lingua Posnaniensis 2, 145 angezweifelt. I-316
γναθμός m. (Hom., E.), γνάθος m. (ion. att.) ‘Kinnbacken, Backen’. Davon der Parasitenname Γνάθων mit Γναθώνειος, Γναθωνίδης und Γναθωνάριον (Plu., Luk., Longus). Denominatives Verb γναθόω ‘an den Backen schlagen’ (Phryn. Kom.). — γναθμός ist eine Umbildung von γνάθος nach den bedeutungsverwandten λαιμός, βρεχμός, ὀφθαλμός u. a. — Zu γνάθος stimmt bis auf den Ablaut lit. žándas ‘Kinnbacken’, lett. zuôds ‘Kinn, scharfe Kante’; die lit. Akzentuierung verrät eine zweisilbige Wurzel, die in γνάθος in reduzierter Form vorliegt. Weitere Beziehung zu γένυς ist glaubhaft. Auch κάναδοι· σιαγόνες, γνάθοι H. wird von Hoffmann Makedonen 52 als makedonisch herangezogen; es kann aber ebensogut zu κνώδων, κνώδαλον gehören, s. Specht KZ 59, 113 A. 1, v. Windekens Le Pélasgique 13 A. 1 (S. 14). — Spechts Analyse von γνάθος (Ursprung 87 und 254) bedeutet keinen Fortschritt. I-316
γνάμπτω, Aor. γνάμψαι, Verbaladj. γναμπτός ‘kr?mmen, biegen’ (poet. seit Il.). Davon γναμπτήρ ‘Kiefer’ (Androm. ap. Gal.), γνάμψις ‘Biegung’ (EM); vgl. auch γαμψός. Ohne inneren (dissimilatorisch geschwundenen?) Nasal γνάπτει· κάμπτει und γναπτός = γναμπτός H. — Da γνάμπτω offenbar von κάμπτω beeinflußt worden ist (vgl. auch κνάμπτω), schweben alle Erklärungen in der Luft. Sehr unsichere Vermutungen bei WP. 1, 581, Pok. 370. I-316
γνάπτω, γνάφαλλον, γναφεύς usw. s. κνάπτω. I-316
γνήσιος mit γνησιότης (Arist., Pap. u. a.) s. γίγνομαι. I-316
γνόφος m. ‘Finsternis’ (Arist., Chron. Lind. usw.). Davon γνοφώδης (LXX); — γνοφίας N. eines Windes (Lyd. Mens.; zur Bildung Chantraine Formation 95); γνόφεον· μέλαν H.; γνοφόω ‘verfinstern’ (LXX). — Späte Form für δνόφος, s. d. I-317
γνύθος n. (Lyk.), m. (H., auch γνυθός) ‘Höhle, Grube’. — Bildung wie βάθος, βυθός, aber sonst dunkel. Daneben γνυφαί· νάπαι H. I-317
γνύξ Adv. ‘knielings’ (ep. seit Il.; zur Bedeutung auch Erbse Glotta 32, 240ff.). — Von γόνυ (s. d.) mit Schwundstufe und analogischem -ξ nach πύξ, λάξ usw. (Schwyzer 620). Dieselbe Schwundstufe auch in γνύπετοι· ἐκτεταμένοι, δειλοί, ἄλλοι δὲ κατηφεῖς und einigen anderen (z. T. unsicher überlieferten) aus γόνυ und πίπτειν erwachsenen Zusammenbildungen bei H. Eine Kurzform davon ist γνύπωνες· στυγνοί, κατηφεῖς, ἄτολμοι, παρειμένοι. καὶ μαλακοί, ἀπὸ τοῦ εἰς γόνυ πεπτωκέναι H. I-317
γνώριμος, γνωρίζω s. γιγνώσκω. I-317
γνωτός ‘Verwandter’ s. γίγνομαι. I-317
γοάω, Fut. γοήσομαι (spät -ήσω), Aor. γοῆσαι (Amorgos u. a.), isoliertes Präteritum 3. pl. γόον Ζ 500 (entweder Imp. = γόεον durch Hyphärese oder neugebildeter Aorist wie ἔκτυπον, vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 392 A. 1; s. auch Leumann Hom. Wörter 186f.) ‘jammern, klagen’ (poet. seit Il.). Davon γόης, -ητος m. ‘incantator, Zauberer, Betrüger’ (ion. att.) mit γοητικός (Arist. u. a.) und γοητεύω ‘bezaubern’ (Pl., D. u. a.; ngr. γητεύω, Kretschmer Glotta 16, 183 m. Lit.), wovon γοητεία und γοήτευμα (Pl. u. a.), γοήτευσις (Plot.), γοητευτικός (Poll. u. a.), γοητεύτρια (Eust.); Fem. γοῆτις (AP). — Neben γοάω steht γόος m. ‘Klage’ (ep. lyr. seit Il.; zum Gebrauch vgl. Porzig Satzinhalte 86) mit γοερός ‘klagend, beweinenswert’ (A., E. in lyr.), analogische Neubildung γοηρός (Lyk. u. a.), γοώδης ‘ds.’ (Pl., Arist.), auch γοεδνός (A. in lyr.), nach ὀλοφυδνός, σμερδνός usw. (vgl. Schulze Kl. Schr. 398); außerdem γοήμων (APl., Nonn., eher auf γοάω zu beziehen, vgl. Chantraine Formation 173f.). — Wie βοάω, μυκάομαι usw. (Schwyzer 683) ist γοάω als eine deverbative Intensivbildung aufzufassen und γόος somit postverbal. Sehr nahe steht das germ. Iterativum (Intensivum) ahd. gi-kewen ‘nennen, heißen’, ags. cīegan ‘rufen, nennen’ aus urg. *kaujan (= gr. *γοϝέω). Daneben mit tiefstufiger Wurzel und hochstufiger Reduplikationssilbe das aind. Intensivum jó-guv-e ‘laut aussprechen’. — Eine wohlbekannte r-Ableitung ist aksl. govorъ ‘Lärm’ mit govoriti ‘lärmen’ (russ. usw. auch ‘sprechen’). — Vgl. zu βοή, βοάω; außerdem WP. 1, 634 und Pok. 403 mit weiterem Material. I-317-318
γόγγρος m. 1. ‘Meeraal’ (mittlere Kom., Arist.); 2. ‘(krankhafter) Auswuchs am Stamme namentlich der Olive’ (Thphr.). Von 1. das Deminutivum γογγρίον (Sch. Opp. H. 1, 113); ebenso γογγρώδης H. (γογγρώδης τῆς ἐλαίας ἔκφυσις als Erklärung von γόγγρος); im selben Sinn γογγροειδής (Arist.). Von 1. auch γογγρώνη etwa ‘angeschwollene Drüse im Halse’ (Hp., Gal.; zur Bedeutungsübertragung vgl. χοιράς ‘ds.’, von χοῖρος ‘Ferkel’; Bildung wie κροτώνη = 2. γόγγρος). — Als botanisch-medizinischer Terminus ist γόγγρος zweifelsohne nur eine Übertragung von γόγγρος = ‘Meeraal’; sowohl die Massigkeit und Dicke wie die Gefräßigkeit des Fisches konnte das Bild veranlassen, vgl. z. B. καρκίνος, lat. cancer. Oft, z. B. von Fohalle Mélanges Vendryes 157ff. (vgl. dazu Kretschmer Glotta 16, 166) im Sinn von ‘Meeraal’ als Mittelmeerwort betrachtet; vgl. indessen γογγύλος. — Lat. conger (gonger) ist griechisches LW. I-318
γογγύζω ‘murren, unwillig, mürrisch sein’ (LXX, NT, Pap. u. a., nach Phryn. ion.). Davon γογγυσμός (Anaxandr., LXX usw.) und γόγγυσις (LXX); γογγυστής (Ep. Jud., Thd.) und γόγγυσος (Thd., Hdn.; vgl. Chantraine Formation 435); γογγυστικός (Erot., EM). — Bei H. auch γογγρύζειν und γογγρύσαι· ὡς χοῖρος φωνῆσαι, nach γρύζειν. — Schallwort ohne sichere Entsprechung. Aind. gaṅgūyati ‘laut aufschreien’, guñjati ‘summen’ zeigen eine allgemeine elementarbedingte Ähnlichkeit. — Vgl. γαγγαίνειν. I-318
γογγύλος ‘rund’ (A., S., Pl., Ar. u. a.). Davon substantiviert (mit regelmäßigem Akzentwechsel) γόγγυλος "der Runde" = ‘κόνδυλος, die geballte Hand’ (Sch.), ‘ὄλυνθος, wilde Feige’ (Nik.). Sonstige Ableitungen: γογγυλίς (Kom. usw.), γογγύλη (Str., Dsk. usw.) ‘Rübe’, auch ‘rundes (kompaktes) Brot’ (Ar.), γογγυλίδιον ‘Pille’ (Mediz.); γογγυλώδης ‘rundlich’ (Sch.); Denominativum γογγύλλω ‘runden’ (Porson Ar. Th. 56 für metrisch unmögliches γογγυλίζω nach γογγύλ<λ>ειν· συστρέφειν H.); γογγυλεύματα· στρογγυλεύματα H. von *γογγυλεύω (falls nicht mit Schmidt nach der Buchstabenfolge -λώματα, dir. von γογγύλος). — Für sich steht, als Imitation der Tragikersprache, γογγυλά̄της Bed. unsicher, etwa ‘Feuerballschleuderer’?, Bez. d. Zeus (Lyk.). — Neben γογγύλος, wie στρογγύλος ‘rund’ (vgl. auch ἀγκύλος, καμπύλος) gebildet, steht γόγγρος ‘Meeraal’ (s. d.), eig. "der Runde, Massige", Substantivierung von *γογγρός ‘rund’, vgl. Αἰσχύλος : αἰσχρός; dazu noch das individualisierende γόγγων· μωρός H.; zur Bedeutung vgl. lat. pinguis, crassus. — Der in γογγύ-λος verbaute u-Stamm kann eine genaue Entsprechung haben in awno. kǫkkr ‘Klumpen’, urg. *kanku-z, idg. *gongu-s (Solmsen Wortf. 219 nach Zupitza). Solmsen zieht ferner heran γιγγίς, γιγγίδιον Benennungen von Rübenarten (s. dd.) aus *γεγγίς unter Annahme eines gewiß möglichen Übergangs ε > ι vor Nasal (vgl. Schwyzer 275), mit Assimilation an das folgende ι. In Betracht kommt dann auch lat. gingīvae ‘Zahnfleisch’ (vgl. W.-Hofmann s. v.), wozu noch mit Schwundstufe lit. gungulỹs ‘Ball’ usw. (vgl. γογγύλος, Specht KZ 55, 20f.; an Urverwandtschaft ist indessen kaum zu denken). Wir erhalten somit eine tadellose idg. Reihe geng-, gong-, gn̥g- in nominaler Funktion (‘Klumpen, Ball’ od. ä.), deren Wert allerdings durch den expressiven und lautsymbolischen Charakter der betreffenden Wörter einigermaßen beeinträchtigt wird. I-318-319
γόδα · ἔντερα. Μακεδόνες H. — Gewöhnlich zu aind. gudá- n. ‘Darm’, ndd. küt ‘ds.’ gezogen (WP. 1, 559, Pok. 393 mit buntem Vergleichsmaterial). Anders Latte z. St.: für γόλα zu χολάς, χόλιξ. I-319
γοδᾶν - γοδόν· γόητα H. · κλαίειν. Κύπριοι. — S. αὐδή; abweichend Latte z. St. I-319
γοεδνός, γοερός usw. s. γοάω. I-319
γοῖτα · οἶς H. — Mit Fick BB 29, 200 als ὗς zu lesen aus γοῖ γοῖ (als Vokativ) vom Grunzen des Schweins (AP 11, 327). — Verfehlt Gray AmJPh 62, 89ff. — Vgl. γοτάν· ὗν. Μακεδόνες H. I-319
γολοινά · χλωρά. ἢ γολονά H. — Nach Grošelj Slavistična Revija 4, 263f. zu aksl. zelenъ ‘grün’ usw. (s. χλόη). Latte hält, nicht ohne Grund, sowohl diese Glossen wie das folgende γολομένη· βοτάνη für korrupt. I-319
γολύριον · κέλυφος. οἰκεῖον Ταραντίνοις H. — Für *ϝολύριον zu εἰλύω ‘umhüllen’, s. d. — Nach v. Blumenthal Glotta 18, 146f. messapisch, vgl. βύριον. I-319
γόμος · ζωμός H. — Latte z. St. ändert die Erklärung in θωμός; v. Blumenthal Hesychst. 15 A. 1 neigt dazu, γόμος als messapisches (bzw. hylleisches oder makedonisches) Komödienwort zu χέω (aus *ĝh(o)u-mos) zu ziehen. — Beides hypothetisch. I-319
γόμφος m. ‘(hölzerner) Pflock, Nagel’ (seit Od.), auch als Fischname (Gloss.; nach der Gestalt, Strömberg Fischnamen 36), ‘Zahn’ (H.). Davon γομφίος (ὀδών) ‘Backenzahn’ (ion. att.), γομφίτης ‘Art Styrax’ (Aët. u. a.; Redard Les noms grecs en -της 70), γομφάριον Fischname (Sch.; vgl. γόμφος). — Denominative Verba. Von γόμφος: γομφόομαι, -όω ‘mit Pflöcken befestigt werden bzw. befestigen, bes. von Schiffen’ (A., Ar. usw.) mit γόμφωσις (Gal., Sch. u. a.), γόμφωμα ‘Gefüge, Pflock’ (Plu., Longus u. a.; auch direkt auf γόμφος beziehbar); γομφωτήρ ‘Schiffbauer’ (AP; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 137), γομφωτήριον ‘Zapfen’ (Delos IIIa usw.); γομφωτικὴ τέχνη ‘Schiffbau’ (Pl.). — Von γομφίος : γομφιάζω ‘Zahnschmerzen haben, mit den Zähnen knirschen’ (LXX) mit γομφιασμός (LXX) und γομφίασις (Dsk.). — Altes Erbwort für ‘Zahn’, wohl ursprünglich ‘Reißzahn’ (vgl. unten), das in mehreren Sprachen bewahrt ist: aind. jámbha-, alb. dhëmb, aksl. zǫbъ, lett. zùobs, toch. A kam, B keme; dazu noch κόμβους· ὀδόντας γομφίους H.; nach Krahe IF 60, 297 illyrisch. In übertragener Bed. germ., z. B. ahd. kamb ‘Kamm’ (Kollektivum; nicht = ‘bezähnt’, was morphologisch unzulässig wäre), und lit. žam̃bas ‘Balkenkante, scharfe Kante’. — Wegen der abweichenden Bedeutung wird γόμφος, wenigstens im Sinn von ‘Pflock, Nagel’, bisweilen von den übrigen angeführten Wörtern getrennt und dafür zu lit. gémbė ‘Nagel zum Aufhängen, Knagge’ gezogen, s. WP. 1, 576. Die Bedeutungsverschiebung läßt sich aber unschwer aus dem Gebrauch der Reißzähne als Pflöcke erklären, s. Porzig Gliederung 184f. — Seiner Bildung nach erweist sich idg. *ĝombhos als Verbalnomen; zugehörige Verbformen liegen vor im aind. Aor. jambhiṣat ‘nach etw. schnappen’, mit dem Intensivum jañjabhyáte ‘ds.’, wozu das Iterativum jambháyati ‘zermalmen’; ferner lit. žembiù, žem̃bti ‘(zer)schneiden’, aksl. zębǫ ‘zerreißen’; vgl. Specht Ursprung 86f., weitere Lit. bei Vasmer Russ. et. Wb. s. zub (S. 462f.). I-319-320
γονή γόνος m. f., ‘Erzeugung, Nachkommenschaft, Geschlecht, Same’ (seit Il., vorw. poet. und technisch, vgl. unten). Davon γόνιμος ‘zeugungskräftig, lebensfähig’ (ion. att.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 54 und 58f.) mit γονιμότης ‘Zeugungs-, Lebenskraft’ (Theol. Ar. u. a.) und γονιμώδης (Orph.); γονικός (Arist.), γονόεις (Nik.), γονώδης (Hp.); γονίας χειμών ‘Sturm, der das Geschlecht heimsucht’ (A. Ch. 1067; nach den Windnamen auf -ίας, s. Chantraine Formation 95); γονάδες· μητέρες. Λάκωνες H. Als 2. Glied von Kompp. erscheint -γονος 1. in Ableitungen von Verbalkpp. von γίγνεσθαι, 2. in Bahuvrihi wie δίγονος, θεόγονος, 3. in Nom. agentis wie παιδογόνος. — γονεύς ‘Vater, Ahn’, gew. γονεῖς m. pl. ‘Eltern’ (h. Cer., Hes. usw.), nach τοκεῖς, τοκεύς, s. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 28. Davon γονεύω ‘erzeugen’ (Thphr. usw.) und γονεία (Hdn.). — Durch Kreuzung von γον- und γεν- entstanden die spärlich belegten γόνημα = γένημα (Pap.), γονεά = γενεά (Phaistos), γονᾷ· γεννᾷ H. — Als altes Verbalnomen zu γίγνομαι ist γόνος mit aind. jána- m. (= aw. -zana-) ‘Geschlecht, Leute’, auch ‘Mensch’ identisch. Daneben γονή wie σπορά neben σπόρος usw. Die stärkere Tendenz zur konkreten Spezialisierung, die die Barytona auf -ος (als die im ganzen ältere Schicht) im Vergleich zu den Oxytona auf -ή kennzeichnet (Bolelli Studitfilcl N.S. 24, 91ff., Chantraine Formation 20f.), läßt sich bei γόνος nur insofern verspüren, als es poetisch auch im Sinn von ‘Sohn’ (als Fem. ‘Tochter’ E. IA 793) gebraucht wird. Vgl. noch Porzig Satzinhalte 251. S. auch γίγνομαι und γένος. I-320-321
γόνυ, Gen. (*γόνϝ-ατος >) γόνατος, ep. ion. γούνατος, ep. auch γουνός (aus *γονϝ-ός), pl. γόνατα, γούνατα, ep. auch γοῦνα ‘Knie’ (seit Il.), auch ‘Glieder, Knoten an den Halmen’ (Hdt., X., Thphr.; vgl. Strömberg Theophrastea 101). Davon γονατώδης ‘mit Knoten versehen’ (Thphr. u. a.) und mehrere Denominativa: γουνάζομαι ‘jmds. Kniee umfassen’ (ep. seit Il.) mit γούνασμα (Lyk.) und γουνασμός (Eust.), auch γουνόομαι (nur Präsensstamm) ‘ds.’ (zur Bildung Fraenkel REIE 2, 34ff. und Schwyzer 734: zu [λάβε] γούνων; aus der Ritualsprache, Shipp Studies 40); γονατόομαι ‘Knoten erhalten’ (Thphr.), γονατίζω ‘die Kniee beugen usw.’ (Kratin., Aq. u. a.). — Zu γνύξ und γωνία s. bes. — Altes Erbwort für ‘Knie’, das in mehreren Sprachen bewahrt ist. Nur im Ablaut des Stammvokals weichen davon ab heth. genu, lat. genū (idg. ĕ), aind. jā́nu, mpers. zānūk (idg. ō, auch ē möglich); dagegen mit idg. ŏ wie γόνυ aber im Auslaut modifiziert toch. A kanw-eṃ, B kenīne ‘die beiden Kniee’ (du.), arm. cun-r (auch idg. ō an sich möglich), pl. (eig. du.?) cun-g-k‘ (aus ĝō̆nu̯- ?); mit Schwundstufe der Anfangssilbe z. B. aw. žnu-byas-čit_ (Dat. pl.; vgl. γνύ-ξ); ebenso, aber mit gleichzeitiger Hochstufe des Stammendes und Hinzufügung eines thematischen Vokals germ., z. B. got. kniu (urg. *kneu̯-a-, idg. *ĝneu̯-o-, vgl. zu δρῦς; zu den germ. Formen noch Smith Lang. 14, 95ff.). Weitere Einzelheiten zur Stammbildung und Flexion Schwyzer 520. — Anknüpfung an γένυς (s. d.) unter Annahme einer "Grundbedeutung" ‘Winkel, Krümmung’ bleibt gänzlich unsicher; daß γίγνομαι ein Denominativum von γόνυ wäre (Lit. bei W.-Hofmann s. genū, außerdem z. B. Onians The origins of European thought 174ff.), ist schon aus morphologischen Gründen ausgeschlossen; zur Bedeutung vgl. Benveniste BSL 27, 51ff. — Über den hom. Ausdruck θεῶν ἐν γούνασι κεῖται Schwyzer ’Αντίδωρον 283ff. — Vgl. ἰγνύη und γουνός. I-321
γοργός ‘furchtbar, schrecklich’ vom Blick oder Anblick (A., E., X. usw.), später auch ‘kräftig, lebhaft, behende’ (auch als Stilbegriff). Davon γοργότης ‘Kraft, Lebhaftigkeit’ (Hermog. u. a.), γοργία = agilitas (Gloss.) und die Denominativa γοργόομαι ‘unbändig sein’, vom Pferde (X.), γοργεύω ‘sich lebhaft benehmen, sich emsig bemühen’ (Pap., Sm., H.). — Schon bei Homer Γοργώ, -οῦς f. N. eines weiblichen Ungetüms mit versteinerndem Blick, wovon Γοργ-είη κεφαλή (Hom.; zur Bildung Schulze Q. 254 m. A. 4); pl. gew. Γοργόνες (seit Hes.), wozu neue Singularformen Γοργόνα (Akk.) usw. (E.); davon Γοργόνειος (A. Pr. 793 usw.), Γοργόνη (Hdn.), Γοργονώδης (Sch.) und die Pflanzennamen Γοργόνειον und Γοργονιάς (Ps.-Dsk. u. a.; vgl. Strömberg Pflanzennamen 101). — Nach den Fem. auf -άς, -ίς: Γοργάδες (S. Fr. 163), von H. mit ἁλιάδες erklärt; daneben Γοργίδες· αἱ ’Ωκεανίδες H. — PN Γοργυθίων Θ 302 (Bildung unklar) und Γοργίας mit Γοργίειος ‘Gorgias-ähnlich’ (X. u. a.) und γοργιάζω ‘wie G. reden’ (Philostr.). — Unbefriedigende Erklärungen bei Osthoff Etym. parerga 1, 44ff. (air. garg(g) ‘rauh, wild’, aksl. groza ‘Graus, Schauder’) und Pedersen KZ 39, 379 (arm. karcr ‘hart’). Nach Leumann Hom. Wörter 154f., wo weitere Einzelheiten, vielmehr Rückbildung aus γοργώψ (γοργῶπις), γοργωπός (A. usw.); somit wäre von Γοργὡ auszugehen, das jedenfalls ebenso wie Μορμώ den Eindruck einer volkstümlichen Reduplikationsbildung macht. I-321-322
γοργυρα Hdt. 3, 145, γεργυρα Alkm. 132 (Akz. unsicher) f. ‘unterirdischer Abzugskanal’, auch als Gefängnis gebraucht (EM, H.), nach H. s. ἀρδάλια auch ‘Unterlage der Dachziegel’. Davon γοργύριον (Sparta). — Unerklärte Reduplikationsbildung; zum Wechsel ο : ε in der Anfangssilbe (ο aus ε assimiliert?) Schwyzer 255 m. Lit. Im selben Sinn steht κορχυρέα (Kork. IIa). I-322
γουνός m. Bed. nicht ganz sicher, wahrscheinlich mit EM und Orion = ὑψηλὸς τόπος, ‘Bühl, Hügel’ (ep. ion.). — Wenn der thessal. ON Γόννος (Γόννοι, Γοννοῦσσα) damit identisch ist (Fick BB 23, 21 und 34), war *γονϝος die ursprüngliche Form, die seit alters (EM) als eine thematische Erweiterung von γόνυ betrachtet worden ist. Von Γόννος, *Γοῦνος wahrscheinlich als eponymer Name Γουνεύς Β 748, s. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 111f. — Die lautliche Ähnlichkeit zwischen γουνὸς (ἀλωῆς) und russ. gumnó ‘Tenne’ (Pisani Rend. Acc. Lincei 6 : 4, 359f.) muß zufällig sein, s. über das slav. Wort Vasmer Russ. et. Wb. s. v. I-322
γοῦρος m. Art Kuchen (Sol. 38, 3). Vgl. γῦρις, γυρίνη. I-322
γουττᾶτον n. ‘Art Kuchen’ (Chrysipp. Tyan. ap. Ath. 14, 647c). — Aus lat. guttātus, -um (seit Martialis) ‘getüpfelt, gesprenkelt’ (von gutta ‘Tropfen’). I-322
γράαι f. pl. N. eines Wassertiers (Peripl. M. Rubr. 38). — Indisches Wort, vgl. aind. gráha- auch ‘Krokodil’, grāhá- ‘Krokodil, Alligator, Schlange usw.’. Näheres bei Goossens Le Muséon 59, 621ff. I-323
γράβαν · σκαφίον, βόθρον H. Ngr. (Lakonien usw.) γράβα = τρώγλη, ‘Höhle, Loch’, oft in ON, vgl. Georgakas ByzZ 41, 360f., Rohlfs WB 461. — Wohl mit Kretschmer Arch. slav. Phil. 27, 234 (nach Loewe) aus dem Germ., got. ahd. graba ‘Graben, Grabscheit’. Man könnte auch an illyr. Ursprung denken, vgl. zu γράβιον. I-323
γράβιον n. ‘Holz einer Eichenart, Fackel’ (Stratt., Amerias, wohl auch S. Fr. 177 [cod. γραφίοις]). — Aus einem illyr. Wort für ‘Weißbuche, Eiche’, *grabu, das in umbr.-illyr. Grabovius ‘Eichengott’, Beiname des Iupiter enthalten ist und noch im Neugriech. lebt: γράβος (Epirus), γάβρος (Arkadien). Hierher auch als urverwandt das slav. Wort für ‘Hagebuche’, russ. grab usw., ebenso wie apreuß. wosi-grabis ‘Spindelbaum’. Lit. bei Vasmer Russ. et. Wb. s. v., außerdem Specht KZ 66, 58, Ursprung 63, Georgakas ByzZ 41, 361f., Porzig Gliederung 148. I-323
γραῖα, γρᾱΐς s. γραῦς. I-323
Γραικός Volksname, "Grieche" (Marm. Par. IIIa, Arist. Mete. 352 b 2, hell.), Γραική = Oropia (NO.-Attika). Davon Γραικίτης ‘griechisch’ (Lyk., St. Byz.; Redard Les noms grecs en -της 123), γραικίζω ‘griechisch sprechen’ (Hdn.) mit γραικιστί (EM). — Dieser Name, ursprünglich den epirotischen Doriern von ihren illyrischen Nachbarn beigelegt, wurde von den Italern übernommen und von ihnen auf sämtliche Hellenen übertragen. Der Gebrauch des Wortes in der hellenistischen Lit. geht teilweise auf lat. Graeci zurück. — Ohne k-Suffix erscheint der Name in lat. Graius, messap. graias, grahis. Zugrunde liegt der epirotische Volksname Γρᾶες, dessen Ursprung unbekannt ist. — Einzelheiten bei Schwyzer S. 80 Nr. 4 und 497 A. 7 m. weiterer Lit., außerdem Jacobsohn KZ 55, 37, Kretschmer Glotta 30, 156f. — Γραῖκες = αἱ τῶν ‘Ελλήνων μητέρες (Alkm. 134) ist Umbildung von γραῦς nach γυναῖκες. I-323
γράπις ‘ὁ ἐρρυτιδωμένος, gerunzelt, runzelig’ (EM), ‘abgestreifte Haut einer Schlange usw.’ (H.), auch S. Ichn. 177 in unbekannter Bed. Nach H. auch N. eines Vogels. Daneben γράπτης ‘runzelig’ (Eust.) und γραπίνης· οἶνος τραχύς H., EM; vgl. γραιόομαι ‘alt werden’, vom Wein. — Volkstümliches Wort unklarer Bildung, letzten Endes zu γραῦς, γῆρας usw.; vgl. besonders γῆρας = ‘abgezogene Schlangenhaut’. I-323
γράσος m. ‘Bocksgeruch’ (Kom., Arist. usw.). Davon γράσων ‘wie ein Bock riechend’ (M. Ant. u. a.; vgl. z. B. γνάθων von γνάθος und Leumann Sprache 1, 207 A. 13) mit γρασωνία = γράσος (Archig. Med.). — γράσος steht metonymisch für ‘Bock’ = "Nager, Näscher", von γράω, s. d. Zum σο-Suffix s., außer Chantraine Formation 433ff. und Schwyzer 516, bes. Solmsen Wortforschung 232f. I-324
γραῦς, Gen. γρᾱός (Einzelheiten der Flexion bei Schwyzer 574), ep. ion. γρηΰς (zum Akz. s. unten), γρηῦς f. ‘alte Frau’ (seit Il.), auch übertr. von der runzeligen Haut auf der Milch (Ar., Arist.) und als N. einer Meerkrabbe (Artem., H., vgl. Strömberg Fischnamen 95; im selben Sinn γραῖα [Epich.]). Eine synonyme Erweiterung nach den Femininen auf -ιᾰ ist γραῖα (poet. seit Od., auch als Adj. = ‘alt’) für *γραῖϝα aus *γρᾱϝ-ιᾰ mit der Kollektivbildung γραιβία ἢ γραιτία (d. h. γραιϝία)· πανήγυρις. Ταραντῖνοι H.; vgl. Scheller Oxytonierung 32. — Ebenso, nach den Oxytona auf -ίς, γρᾱΐς, -ίδος (Charito u. a.), dor. γραῦις (Kall.), mit dem gewöhnlichen Demin. γρᾱΐδιον, γρᾴδιον (Ar. usw., verächtlich). — Von γραῦς : γραώδης ‘nach alter Weiber Art’ (Chrysipp., Str., NT usw.), von γραῖα : γραιολέας· πονηρὰς ἢ ὀλεθρίας γραίας H., nach den Adj. auf -όλης (die Übersetzung ὀλεθρίας ist Volksetymologie). — Denominative Verba. Von γραῦς : γραΐζω ‘die γραῦς von der Milch entfernen, abschäumen’ (Ar.); von γραῖα : γραιόομαι ‘alt werden’, vom Wein (AP). — Alte, eigenartige und nicht sicher erklärte Ableitung der Sippe γέρων, γέρας usw. Nach Schulze Q. 448, dem sich Schwyzer 480 anschließt, aus *γρᾱ-ι̯υ-, d. h. der einsilbigen langvokalischen Ablautstufe γρᾱ- (neben γερᾰ- in γέρα-ς usw.) und einem Suffix-ι̯υ- wie in ὑύς ‘Sohn’ (pl. υἷες usw.). Wie ὑ(ι)ύς, eig. "die Geburt", wäre somit das Oppositum γρηΰς (als altes Oxytonon; anders Berger, s. unten) eigentlich eine abstrakte Primärbildung "das Altern"; vgl. noch zu τηΰσιος. Andere, z. B. Brugmann IF 9, 372 (vgl. noch 18, 429f., 29,209), sehen in dem -υ- eine alte Erweiterung, die auch in aw. zaurvan- ‘Greisenalter’ vorliegt und ebenso in arm. cer-oyt‘ ‘Alter’ (von cer ‘Greis’), aind. Járūtha- N. eines Dämons u. a. gesucht worden ist, vgl. Wackernagel-Debrunner Aind. Gramm. II : 2, 499 m. Lit. (dagegen γέρυς wahrscheinlich nach πρέσβυς, vgl. zu γέρων; sehr unsicher toch. kur ‘schwach werden, altern’, Duchesne-Guillemin BSL 41, 146). — S. noch Berger Münch. Stud. z. Sprachwiss. 3, 5f., wo auch Lit.; außerdem H. Petersson Et. Miszellen 16. — Vgl. γέρων, γέρας, γῆρας, auch γράπις. I-324
γράφω, Aor. γράψαι ‘einritzen, schreiben’ (seit Il. [Aor.]), auch γρόφω (Melos; vgl. unten). Oft mit Präfix: ἀνα-, ἐπι-, συν- usw. Zahlreiche Ableitungen. Nomina actionis: 1. γραπτύες f. pl. ‘Kratzer’ (ω 229), ‘Schreibzeichen’ (A. R. 4, 279), vgl. Porzig Satzinhalte 183. 2. γραφή ‘Ritzung, Gemälde, Schrift usw.’ (ion. att.; γροφά epid.) mit γραφικός (ion. att.; auch auf γράφω bezüglich). 3. γράφεα n. pl. = γράμματα (arkad., el.). 4. γράφημα = γράμμα (AB). 5. γραμμή ‘Linie, Start- und Ziellinie usw.’ (Pi., Pl. usw.) mit γραμμικός ‘linear, geometrisch’ (Gal., Plu. usw.), γραμμιαῖος ‘ds.’ (Dam.), γραμμώδης (Thphr.); davon auch γραμμιστήρ N. eines chirurg. Instruments (Mediz., vgl. βραχιον-ιστήρ) und γραμμιστός (Eust.; γραμμίζω nur als unsichere Lesung Eust. 633, 63). 6. γράμμα, gew. pl. -ατα ‘Linie’, gew. ‘Schreibzeichen, Schreiben, Brief, Gesetz usw.’ (ion. att.); daneben γράσσμα (ark.; aus *γράφ-σμα), γράθματα (arg.) und γρόππατα (äol., Balbilla); zum Lautlichen Schwyzer 317 Zus. 1 und 523f. m. Lit., außerdem Specht KZ 62, 213 A. 1 (nicht besser) und Fraenkel Philol. 97, 163f. — Zur Bed. des Kompositums διάγραμμα (von διαγράφω) Bikerman Rev. de phil. 64, 295ff. — Von γράμμα, -ατα gehen mehrere Bildungen aus: Demin. γραμμάτιον (Luk.), γραμμάριον ‘Gewicht von 2 Obolen’ (Aët., von γράμμα als Bez. eines Gewichts); γραμματεύς ‘Schreiber, Sekretär’ (att. usw.) mit γραμματεύω ‘Sekretär sein’ und γραμματεῖον ‘Schreibtafel usw.’, Dem. γραμματ(ε)ίδιον (att. usw.); von γραμματεύω γραμματεία ‘Sekretariat’ (Pap., Plu. u. a.); Einzelheiten bei Boßhardt Die Nomina auf -ευς 55f.; — γραμματικός ‘zu γράμμα(τα) gehörig, Grammatiker, Philologe’ (att. usw.) mit γραμματικεύομαι ‘Grammatiker sein’ (AP); f. γραμματική (τέχνη) ‘Grammatik usw.’; γραμματιστής ‘Sekretär’, gew. ‘Elementarlehrer’ (ion. att.), eher von γράμμα nach den zahlreichen Nomina auf -ιστής als von dem seltenen γραμματίζω (Herod., messen. böot. usw.); dazu γραμματιστική ‘Elementarunterricht’ (Phld., Ph. usw.). — 7. γραμμός ‘das Schreiben’ (als Handlung, Hdn.). — Nomina agentis (instrumenti) : 1. γραφεύς, dor. ark. auch γροφεύς ‘Maler, Schreiber’ (Emp., att., hell.; zunächst von γραφή; zu δια-, ἐπι-γραφεύς usw. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 39f.) mit γραφεῖον ‘Pinsel, Griffel, Schreibstube’ (Arist., Pap. u. a.). 2. γραπτήρ ‘Schreiber’ (AP), woneben durch Kreuzung γραπτεύς (Sch.). 3. γραφίς ‘Griffel’ (Pl., LXX, AP u. a.; γροφίς epid.); im Sinn von ‘Stickarbeit, Gemälde’ (AP, Nonn.) von γραφή. 4. γραφίσκος N. eines mediz. Instruments (Cels.). 5. Viele Kompp. mit -γράφος als 2. Glied. — Als 2. Glied -γραφος in pass. Bedeutung (ἄγραφος usw.). — Desideratives Deverbativum γραψείω (Gloss.). — Der im Paradigma von γράφω vorauszusetzende ursprüngliche Ablaut ist schon in vorliterarischer Zeit, wahrscheinlich vom Aorist aus (anders Specht KZ 59, 103), zugunsten der Schwundstufe abgeschafft worden; auch die Ableitungen wurden von diesem Ausgleich betroffen. Nur die hauptsächlich auf dor. Gebiet beschränkten γροφά, -ίς, -εύς, -εύω, σύγγροφος, ἀντίγροφον usw., wonach auch das Präsens γρόφω, zeigen einen abweichenden ο-Vokalismus, der wie in στροφή usw. eine alte Hochstufe, allerdings mit Metathese nach γράφω (vgl. unten), enthalten kann, s. Bechtel Dial. 2, 116. — Ein Gegenstück zu γράφω mit ursprünglicher Hochstufe, idg. gerbh-, bietet das germ. primäre Verb ags. ceorfan ‘schneiden, kerben’, woneben mhd. kerben (schw. Vb.); ein Verbalnomen davon ist im Slavischen, z. B. aksl. žrěbii ‘Los’ (eig. *‘Kerbung, gekerbtes Stäbchen’?) vermutet worden. Näheres bei Vasmer s. žérebeĭ m. Lit.; entferntere Verwandte, die für das Griechische ohne Belang sind, bei WP. 1, 607f., Pok. 392. S. auch γριφᾶσθαι. I-325-326
γραψαῖος = κάραβος, ‘stacheliger Meerkrebs’ (Diph. Siph. ap. Ath. 3, 106d). — Herkunft unbekannt, vielleicht Mittelmeerwort. Die allgemeine Ähnlichkeit mit ital. (g)ravosta, nhd. Krebs, Krabbe und anderen germ. Wörtern ebenso wie mit κάραβος (s. d.) läßt keine Schlüsse zu. I-326
γράω ‘nagen, fressen’ (Kall. Fr. 200), athem. Ipv. γράσθι (kypr.), γρᾶ· φάγε. Κύπριοι H., präfigiert καγρᾶ· καταφαγᾶς. Σαλαμίνιοι H. (dazu Bechtel Dial. 1, 421 und 446). Nebenform γραίνειν· ἐσθίειν H. (nach den Verba auf -αίνειν). Davon γράστις f. ‘Grünfutter’ (Pap., Hippiatr.); die gewöhnliche Nebenform κράστις (Ar., Arist., Pap. usw.), durch die Seltenheit von γράω bedingt, muß auf volksetymologischer Verbindung mit einem anderen Wort beruhen; gegen die Annahme einer Assimilation an das folgende τ (s. Schwyzer 257) mit Recht Güntert Reimwortbildungen 155f., der allerdings wenig wahrscheinlich (wie auch Sommer Krit. Erläuterungen 60) κράστις als die ursprüngliche Form ansieht. Von γράστις : γραστίζω ‘füttern’ (Gp., Hippiatr.) mit γραστισμός (Hippiatr.); κραστίζομαι ‘weiden’ (Sophr.). — Daneben γράσσις (PHamb. 39 II, IIp) nach den Nomina auf -σις. — Zu γράσος s. bes. Hierher auch γαστήρ und γάγγραινα, wahrscheinlich auch γρῶνος, s. dd. Altes volkstümliches Wort, das mit aind. grásate ‘fressen, verschlingen’ identisch sein kann (für γράω ist auch eine idg. Grundform *gr̥s-ō möglich, für grásate auch *gresetai). Aus dem Germanischen gehört wahrscheinlich hierher anord. krās f. ‘Leckerbissen’, idg. *grēs-ā; unsicher dagegen lat. grāmen, s. W.-Hofmann s. v., wo auch weitere Lit. Ein anderer Ablaut auch in γρῶνος, s. d. I-326
γρῆνος m. ‘Netz, netzartiges Kleid der Bacchanten’ (Eratosth.) — = ἀγρηνόν (H., Poll.), das die ursprüngliche Form sein muß (von ἄγρα, ἀγρέω; zum Suffix vgl. σαγήνη). Zum Wegfall des ἀ- s. Strömberg Wortstudien 45. I-327
γρίντης m. ‘Gerber’ (Hdn., H.). — Von γρῖνος, d. h. ϝρῖνος· δέρμα H., EM, nach Eust. äol. Auch γρίντης muß somit eine Schreibtischform für ϝρίντης sein. I-327
γρῖπος ‘Reuse’ (AP, Artem., D. L.) = γρῖφος m. (Plu., Opp., Pap.), das gewöhnlich übertragen = ‘Rätsel’ steht (Ar., Antiph., Demetr. usw.; vgl. Chantraine Étrennes Benveniste 20), sekundär als Adj. ‘dunkel’ (Hdn. u. a.); m. davon γριφότης ‘Dunkelheit’ (Hdn.). — Von γρῖπος : γριπεύς ‘Reusenfischer’ (Sapph., Theok. u. a.) mit γριπεύω (Zonar.) und γριπηΐς (τέχνη, AP); γρίπων ‘ds.’ (AP); Denominativa γριπέω (Syrien), γριπίζω (Lib., H. u. a.) mit γρίπισμα (EM, Zonar.). — Von γρῖφος : γριφώδης ‘rätselhaft’ (Luk., Ath.), γριφεύω ‘gebe Rätsel auf’ (Ath.). — Zu γρῖπος, γρῖφος gibt es keine genauen Entsprechungen oder nähere Verwandte. Eine allgemeine Ähnlichkeit zeigen einige germanische Wörter, mhd. krëbe m. ‘Korb’, anord. kiarf, kerfi n. ‘Bündel, Bund’, die aber einen ĕ-Vokal enthalten, außerdem aind. grapsa- ‘Bündel, Büschel’. Versuche, mit dem griech. ῑ zurechtzukommen bei Pok. 387, WP. 1, 595 (nach Lidén Stud. 9ff.). Kühne Kombinationen bei Specht Ursprung 159. — Vgl. auch γέρρον. I-327
γρίσων, -ωνος m. ‘Schwein’ (Hdn. Gr. 2, 249, H.). — Onomatopoetisch, v. γρῦλος s. γρῦ, auch γρομφάς. I-327
γριφᾶσθαι · γράφειν, οἱ δὲ ξύειν καὶ ἀμύσσειν. Λάκωνες H.; γριφώμενα (ἀλγήματα Hp. Prorrh. 1, 100, Erot., H.). — Intensivbildung, mit γράφω verwandt, aber im Vokalismus nach einem unbekannten Muster (σκαριφᾶσθαι und Verw.?, s. d.) umgeformt. Hierher wahrscheinlich ἀγρεῖφνα, ἀγρίφη ‘Egge, Harke’, s. dd. I-327
γρομφάς, -άδος (H.) γρόμφις, -ιος f. (Hippon., H.), γρόμφαινα f. f. ‘Sau’ (Gloss.). Daneben γρομφάζω ‘grunzen’ (Gloss.). — Expressive Wörter, deren lautsymbolischer Charakter auf der Hand liegt. Vgl. mit identischem Anlaut das synonyme γρύζω, mit identischem In- und Auslaut στομφάζω ‘laut reden’. Die Nomina sind gewiß postverbal. — Nicht mit Goldberger Glotta 18, 60 zu γράφω. — Ob lat. scrōfa ‘Mutterschwein, Sau’ daraus entlehnt ist (s. W.-Hofmann s. v.), sei dahingestellt. I-327
γρόνθος m. ‘geballte Faust’ (PAmh. 2, 141, 10, IVp, Sch., Gloss.), ‘Handbreite’ (Aq., Hero), auch ‘Handgriff an einer Maschine’. Davon γρόνθων· ἀναφύσησις, ἢν πρώτην μανθάνουσιν αὐληταὶ καὶ κιθαρισταί (H., Poll.), wozu noch (mit Beziehung auf γρόνθος?) γρονθωνεύεται (cod. -θον-)· θυμοῦται H. — Die morphologische Mehrdeutigkeit von γρόνθος macht jede Erklärung hypothetisch. Eine allgemeine suffixale Ähnlichkeit zeigen mehrere andere Körperteilbenennungen wie στῆθος, μασθός, βρόχθος, κύσθος. Bei Abtrennung von θ wird über *γρόμ-θος Anschluß möglich an einige germanische Wörter, z. B. anord. krumma f. ‘Hand’, ahd. krimman ‘drücken, kratzen, kneifen’, weiterhin an lat. gremium ‘Scho?’ und noch einige Ausdrücke des Sammelns und Pressens. Direkte Anknüpfung an lit. grùmdau ‘von oben gewaltsam stoßend stopfen’ ist wegen der starken Produktivität der lit. Iterativ-Intensiva auf -dau sehr unwahrscheinlich (vgl. das primäre grumiù, grùmti ‘hineinpressen, -stopfen’). Auch slav. (russ. poln. usw.) gromáda ‘großer Haufen, Masse’ (daneben lit. grãmatas) ist gewiß eine slavische Neubildung auf -ada. — Reiche Lit. bei WP. 1, 591, W.-Hofmann s. gremium, Vasmer Russ. et. Wb. s. gromáda. I-327-328
γρόσφος m. Benennung eines Wurfspeers (Plb., Str., Plu.); οἱ γροσφομάχοι = lat. velites (Plb.). — Technisches LW unbekannter Herkunft. I-328
γρῦ, gewöhnlich mit Negation, Bez. einer geringen Größe oder eines geringen Maßes, oft von Lauten (Ar., D., Men. usw.); nach Sch. Ar. Pl. 17 vom Grunzlaut des Schweins, offenbar lautimitierend; nach H. auch = ὁ ὑπὸ τῷ ὄνυχι ῥύπος (im selben Sinne auch γρύξ nach den Nomina oder Adverbia auf -ξ) und = γρύτη; nach Suid. Ben. einer kleinen Münze. Davon mit verbalisierendem -ζω (Schwyzer 716; nicht aus *γρυδ- oder *γρυγ-) γρύζω, Aor. γρύξαι ‘grunzen’ (Ar. usw.) mit γρυσμός (Agathokl.); mit λ-Suffix γρῦλος, expressiv (hypokoristisch) geminiert γρύλλος ‘Ferkel (Ath., Plu., Zonar.), auch übertragen als Bez. des Aals (Diph. Siph., Nik.; wegen der Dicke und der Lautgebung, s. Strömberg Fischnamen 68f.); außerdem als PN Γρῦλος, -ων usw. (Bechtel Hist. Personennamen 581); das anscheinend davon abgeleitete γρῡλίζω (γρυλλίζω, von Phryn. verworfen) erscheint schon bei Ar. und D.; davon γρῡλισμός ‘das Grunzen’ (Arist.); auch γρύλλη· ὑῶν φωνή H. Die Zeitfolge der Belege läßt vermuten, daß γρῦλος ‘Ferkel’ (ebenso wie γρύλλη) postverbal ist und daß γρυλίζω eine expressive λ-Erweiterung enthält (nach θρῡλέω, -ίζω, θρῦλος?). — γογγρύζειν, γογγρύσαι (H.) sind durch Kreuzung mit γογγύζειν (s. d.) entstanden. — Das lautmalende γρύζω hat nahe Entsprechungen in lat. grunnio, grundio, ags. grun(n)ian, ahd. nhd. grunzen usw.; Näheres bei W.-Hofmann s. v. Aus dem Griechischen gehört noch hierher γρωνάδες· θήλειαι σύες und ngr. γουρούνι ‘Schwein’; s. Kretschmer Glotta 13, 135. — Über γρύλλος ‘Karikatur’ und γρυλλισμός Bez. eines Tanzes s. bes. I-328-329
γρύλλος m. ‘Karikatur’ (Plin. HN 35, 114); γρυλλο-γραφέω ‘karikieren’ (Phld.). — Auch Bez. eines unanständigen Tanzes (Phryn. PS p. 58 B.); im selben Sinn auch γρυλλισμός, wozu sekundär γρύλλος = ὁ ὀρχούμενος (ibid.). — Die Wörter werden von Phrynichos als "ägyptisch", d. h. hellenistisch bezeichnet, vgl. Latte Glotta 34, 190f., wo auch über die Bedeutung. Sonst dunkel; gegen Herleitung aus dem PN Γρύλλος (Plin.) Latte a. a. O. I-329
γρυμέα (codd. oft -αία), -εία f. ‘Kasten für alte Kleider, Trödelware usw.’ (Kom., Phld. usw.), γρυμεοπώλης (Luk.). In ähnlicher Bed. γρύτη f. ‘Schmuckkasten, Tand, Fischbrut’ (Sapph., Pap., Peripl. M. Rubr. u. a.); γρυτο-δόκη (AP), -πώλης (Kos, Pap.). Davon γρυτάριον Demin. (Zen., Pap.); γρυτεύεται· παρασκευάζεται H. — Die Bildung von γρυμέα, -αία, -εία hat kein näheres Gegenstück; zu γρύτη vgl. κίστη. Beziehung zu γρῦ als Ausdruck für ein kleines Maß scheint sicher. Seit Osthoff MU 4, 124 wird γρυμέα zu lat. grūmus ‘Erdhaufe, Hügel’, ags. cruma ‘Brot-krume’ usw. als "Zusammengekratztes" gezogen; weitere, noch unsichrere Kombinationen sind bei W.-Hofmann s. grūmus referiert. Ein Wort dieser Art und dieser Bedeutung bietet dem Etymologen ganz besondere Schwierigkeiten. — Aus γρυμέα wahrscheinlich lat. crumīna ‘Geldbeutelchen, Börse’; ausfuhrlich darüber Pfister IF 56, 200ff. Ebenso wird γρύτη als Quelle von lat. scrūta n. pl. ‘altes Ger?mpel, Trödelware’ betrachtet. I-329
γρυνόν = σίκυς ἄγριος (Ps.-Dsk. 4, 150). — Nicht sicher erklärt. Nach André Les ét. class. 24, 10 zu γρύσει = τήξει (Arist. Pr. 876b 15) wegen des flüssigen Inhalts. I-329
γρυνός γρουνός m. (Kall. Fr. anon. 84) m. ‘dürres Holz, Fackel’ (Hom. Fr. 18, Lyk. 86, 294). Vgl. noch γρύνη· λιβανωτός (Theognost. Kan. 108). Hierher auch der Stadtname Γρύνειον, Γρῦνοι (Äolis) nach Fick BB 23, 22 u. 213. — Ohne Etymologie. Hypothese von Prellwitz bei Bq s. v., WP. 1, 651, Pok. 406. I-329
γρῡπός ‘mit einer Habichtnase, krummnasig, gekrümmt’ (Pl., X., Arist. usw.). Davon γρυπότης (X., Arist. u. a.). Denominative Verba: γρυπόομαι ‘krumm werden, von den Nägeln’ (Hp., Alex. Aphr. u. a.) mit γρύπωσις (Mediz.); außerdem die bei H. und anderen Lexikographen belegten γρύπτω, γρυπαίνω und, mit Nasalinfigierung nach dem Typus λαμβάνω, γρυμπαίνειν· γρυποῦσθαι, συγκάμπτειν H. Ein thematischer Aorist ἔγρυπον (wie ἔκτυπον) ist literarisch belegt in der speziellen Bedeutung ‘gekrümmt werden, von der Erde bei einem Erdbeben’ (Melanth. Hist. 1); ebenso γᾶν ἐγρυμμέναν (Gortyn). In derselben Bedeutung auch das erweiterte γρυπανίζω (Antiph. Soph.) und γρυπάνιος (ebd.), wie von *γρύπανον; in anderer Bed. γρυπάλιον· γερόντιον. ἢ γρυπάνιον H. — Neben γρυπός steht, der Form nach als Wurzelnomen, der Vogelname γρύ̄ψ, -πός m. ‘Greif’ (Aristeas ap. Hdt., A. usw.); vgl. γύψ, σκώψ, γλαῦξ usw. Davon γρῦπαι· αἱ νεοσσιαὶ τῶν γυπῶν. οἱ δὲ γῦπαι H.; offenbar nach letzterem gebildet. — γρυβός· γρυψ H. ist nach den Tiernamen und Adjektiven auf -βος (Chantraine Formation 261) umgebildet. — Die allgemeine Ähnlichkeit mit ags. crumb, ahd. krump ‘krumm’ usw., ist unverkennbar; die germ. Wörter lassen aber mehrere Deutungen zu, vgl. WP. 1, 596 und Kluge-Götze Et. Wb. d. deut. Spr. s. krumm. — Die Zusammenführung von γρυμέα, γρύτη, γρυπός unter ein gemeinsames idg. greu- ‘krümmen, gekrümmt, mit gekrümmten Fingern kratzen’ od. ähnl., das wiederum eine eu-Erweiterung von ger- ‘drehen, winden’ (vgl. s. γυργαθός) wäre (s. Pokorny 388f., WP. 1, 597f.), geht weit über das Beweisbare hinaus. — Nach Güntert Reimwortbildungen 132f. ist γρύψ von γύψ mit Angleichung an γρυπός umgebildet. Grimme Glotta 14, 17 nimmt ohne Grund Entlehnung aus dem Akkadischen (karūbu ‘Greif, Cherub’; vgl. hebr. kerūb und Lewy Fremdw. 11f.) unter hethitischer Vermittlung an. I-329-330
γρῶνος ‘hohl, ausgehöhlt, tief’ (Lyk., Nik.), γρώνη ‘Höhle, Loch, Backtrog’ (Nik., AP), γρώνους H. in verschiedenen Sonderbedeutungen. — Aus *γρωσ-νος zu γράω, s. d. I-330
γύαλον n. ‘Höhlung, Wölbung, z. B. eines Panzers, eines Fasses, eines Tals usw.’ (ep. lyr. seit Il.), urspr. auch ‘Höhlung der Hand’, vgl. ἐγγυαλίζω unten. Davon γυαλός Beiw. von λίθος (Kall. Fr. anon. 331), mit Akzentverschiebung γύαλος m. ‘würfelförmiger Stein’ (EM 243, 12); γυάλας Bez. eines Bechers (Megara und Makedonien, Ath. 11, 467 c; vgl. Solmsen Wortf. 216). Zusammenbildung ἐγ-γυαλ-ίζω ‘einhändigen’ (ep. lyr. seit Il.; vgl. Schwyzer 736). Davon unabhängig ἐγγύαλον (Orion) = ἔγκοιλον und nach diesem gebildet. — Mit anderem Suffixvokal γυέλιον· κόλπον H. — Zur Bildung vgl. ἀγκάλη, ὀμφαλός usw. (Chantraine Formation 245ff.). Die für ἐγγυαλίζω vorauszusetzende Bedeutung ‘Höhlung der Hand’ spricht für Zusammenhang mit lat. vola ‘ds.’, arm. kalum ‘nehmen, fassen’, die indessen beide formal mehrdeutig sind, s. W.-Hofmann s. v. Als nächste Grundlage wäre dann ein l-Stamm *g(u)u̯el-, *g(u)u̯l̥- ‘Höhlung (der Hand)’ anzusetzen. Ohne l-Suffix aw. gav- ‘Hand’ usw., s. ἐγγυάω. Über weitere, z. T. entlegene und unsichere Anknüpfungen s. γαυλός, γύης, γυρός, γωλεός. I-330-331
γυγαί · πάπποι H. (cod. πάμποι). — Falls richtig überliefert, als kleinasiatisches Wort zu heth. ḫuḫḫaš ‘Großvater’, hierogl.-heth. ḫuḫa-, lyk. χuga- ‘mütterl. Großvater (?)’. Grošelj Živa Ant. 1, 256, Whatmough Lang. 25, 288. — Brandenstein Sprachgesch. u. Wortbed. 65 zieht noch heran den lydischen Königsnamen Γύγης ebenso wie (sehr fraglich) den biblischen (angebl. skythischen) Volksnamen Magog. — Lat. avus, arm. hav ‘Großvater’ usw. (Sturtevant Lang. 4, 163, Pedersen Lykisch und Hittitisch 25f. u. a.) lassen sich lautlich mit γυγαί usw. nicht vereinigen. I-331
γύγης, -ου m. N. eines Wasservogels, viell. ‘Rohrdommel’ (Dionys. Av. 2, 16). — Wahrscheinlich onomatopoetisch nach dem Laute, vgl. Thompson Birds s. v. Nach Lidén Uppsalastudier tillegn. S. Bugge 92f. mit Vorbehalt zu lit. gùžas, -ùtis ‘Storch’, awno. kjūklingr ‘Küchlein’ usw. I-331
γύης, -ου m. 1. ‘Krummholz am Pflug’ (Hes. Op. 427, 436), ἄροτρον αὐτόγυον ‘Pflug, an dem Krummholz und Scharbaum aus einem Stück bestanden’ (Hes., A. R.); 2. gew. im Plur. ‘Ackerländer, Wiesen’ (Trag., Tab. Heracl., Pap.), auch als Maßbezeichnung in τετρά-γυος usw. (Hom. usw.); vereinzelt als Fem. überliefert, vgl. γύη· μέτρον πλέθρου H.; auch γύος m. (Pap.); 3. ‘das Gefüge der Halsknöchel’ (H., Poll.). — Wegen des maskulinen Genus ist für γύης schwerlich mit Solmsen Wortforsch. 216f. von einer abstrakten Bedeutung ‘Biegung’, sondern vielmehr von einer konkreten Bezeichnung eines krummen Gegenstandes auszugehen, woraus sich die verschiedenen Bedeutungen metaphorisch entwickelt haben. Letzten Endes liegt indessen wahrscheinlich ein Verbalabstraktum *γύη ‘Krümmung’ zugrunde (vgl. Schwyzer-Debrunner 33 A. 2, Specht Ursprung 357). Ob das η zur Wurzel gehört, ist schwer zu entscheiden; außerdem ist eine Grundform *γυ[σ]ᾱ- möglich, vgl. insbes., mit anderem Ablaut, npers. gōšā ‘Winkel, Ecke’. — Unklar ist die Bedeutung von ἀμφί-γυος ep. Beiwort von ἔγχος, δόρυ (Hom., A. R.; danach S. Tr. 504 [lyr.]); daraus metrisch erweitert ἀμφιγυήεις ep. Beiwort des Hephaistos ‘an beiden Seiten (Beinen) krumm’ (?). — Zur selben Sippe wie *γύη, γύης gehören die sinnverwandten γύαλον, γυῖα, γυρός usw. (s. dd.). Über die sehr unwahrscheinliche Heranziehung von lat. būra, būris ‘Krummholz am Pflug’ (zuletzt Pisani KZ 71, 123ff.) s. W.-Hofmann s. v. — Pelasgische Kombinationen bei v. Windekens Le Pélasgique (s. Index). I-331-332
γυῖα n. Pl. ‘Glieder’ (ion. poet. seit Il.), auch ‘Schoß’ (μητρὸς γ. h. Merc. 20); selten Sg. γυῖον = ‘Hand’ (Theok. 22, 121), ‘Körper’ (Pi., Hp.). Davon γυιόω ‘lähmen’ (ion. poet. seit Il.) mit dem postverbalen Adj. γυιός ‘gelähmt’ (Kall., Lyk. u. a.). — Ableitung auf -i̯o- von einem Nomen, das auch als Grundlage von γύης vermutet worden ist; die Ansetzung der Grundform hängt somit von der Beurteilung von γύης (s. d.) ab. I-332
γυλιός (γύλιος) m. ‘Tornister’ (Ar. usw.), auch N. eines Tieres, ‘Igel’?, ‘Stachelschwein’? (Sophr. 73). Daneben mit expressiver (volkstümlicher) Gemination γύλλιον· ἀγγεῖον πλεκτόν H. und die Fischnamen γυλλίσκοι· ἰχθύες ποιοί H., γυλάριον = μυξῖνος (Sch. Opp. H. 1, 111); auch γυλλάς· εἶδος ποτηρίου, παρὰ Μακεδόσιν H. mag hierhergehören. — Man vergleicht einige nur im Vokalismus (Ablaut) davon abweichende germ. Wörter wie awno. kýll ‘Sack, Tasche zum Aufbewahren von Mundvorrat’, ahd. kiulla ‘Tasche, Ranzen’, s. die Lit. bei WP. 1, 555 und W.-Hofmann s. vola. Weitere Verwandtschaft mit γύαλον usw. ist wahrscheinlich. I-332
γυλλός (Milet VI-Va), m. Bed. unsicher, ‘Steinblock’?, ‘Steinwürfel’?; nach H. κύβος, ἢ τετράγωνος λίθος; daneben γυλλοί· στολμοί H. (von Latte als korrupt angesehen). Davon γύλλινα· ἐρείσματα, γεῖσοι H.; dagegen γυλλάς· εἶδος ποτηρίου, παρὰ Μακεδόσιν, γύλλιον· ἀγγεῖον πλεκτόν H. wohl zu γυλιός, s. d. — Ohne Etymologie. Lewy KZ 55, 72f., der an hebr. gōlēl ‘Rollstein’ erinnert, erwägt semitische Herkunft. I-332
γυμνός ‘nackt, unbedeckt, unbewaffnet’ (seit Il.). Zahlreiche Ableitungen. Substantiva und Adjektiva. 1. γυμνάς, -άδος f. m. ‘nackt’ (E.); oft postverbal zu γυμνάζομαι = ‘geübt’ (E., Attika); kollektiv = ‘geübte Mannschaft’ (Amorgos, Astypalaia, Kos). 2. γυμνής, -ῆτος m. ‘leichtbewaffneter Krieger zu Fuß’ (Tyrt., Hdt., E. usw.) mit γυμνητικός (X., Str., Plu.), γυμνήσιος (Arist., Str. u. a.) und γυμνητεύω ‘leichtbewaffnet sein’ (Plu.) , auch ‘nackt sein’ (1 Ep. Cor. 4, 11; durch Beziehung auf γυμνός), wozu γυμνητεία ‘leichtbewaffnete Mannschaft’ (Th.), ‘Nacktheit’ (Corn., Ptol.); — erweiterte Form γυμνήτης, f. -ῆτις ‘nackt’ (Lyk., Luk., Plu.). 3. γυμνικός (ἀγών) ‘gymnastisch’ im Gegensatz zu ἱππικός, μουσικός (Hdt., Th., Pl. usw.). 4. γυμνηλός ‘arm’ (H., EM, nach νοσηλός usw.). — Abstraktbildung γυμνότης f. (LXX, NT, Ph. usw.). — Denominative Verba. 1. γυμνόομαι ‘sich entblößen’ (seit Il.), -όω ‘ausziehen’ (Hdt., S.) mit γύμνωσις (Th., LXX usw.). 2. γυμνάζομαι ‘sich (nackt) üben’ (körperlich und geistig; ion. att.; -άζω ‘üben’ sehr selten) mit mehreren Ablegern: γυμναστής ‘Turnlehrer’ (Pl., X., Arist.) mit γυμναστικός ‘zur (Körper)übung gehörig’, ἡ γυμναστική (τέχνη) ‘Gymnastik’ (ion. att.); γύμνασμα ‘Übung’ (D. H., J., Ph. usw.), γύμνασις ‘ds.’ (Poll.); γυμνάσιον ‘körperliche Übung’ (Pi., ion. att., im Plur.), ‘Schule für körperliche und geistige Übungen, Gymnasium’ (att., hell.) mit γυμνασιώδης (Cic.); γυμνασία ‘(körperliche) Übung’ (att., hell.); zum Ausgang -σιον, -σία Schwyzer 469f. m. Lit. — Vereinzelt das Deminutivum γυμνασίδιον (Arr.) und γυμναστήριον (Gal., Aristaenet.), wie δικαστήριον. — 3. γυμνιεύω ‘entblößt, nackt sein’ (P. Ross. Georg. 3, 28, IVp). — Altererbtes Wort, das in mehreren indog. Sprachen bewahrt worden ist. Die wechselnden Formen beruhen teils auf lautlichen Vorgängen (Dissimilation), teils wahrscheinlich auch auf tabuistischen Verdrehungen. Im Westen (Lateinisch, Keltisch, Germanisch) finden wir Formen mit Dentalsuffix, z. B. lat. nūdus, air. nocht, got. nagaþs, nhd. nackt, awno. nøkkuiðr. Ihnen gegenüber stehen im Osten teils dehnstufige Formen ohne Suffix, z. B. lit. núogas, aksl. nagъ, teils Formen mit n-Suffix, aind. nagná-, aw. maγna- (Dissimilation?; weitere iran. Formen bei Bailey Trans. Phil. Soc. 1945, 6f.; s. auch Charpentier Acta or. 7, 188ff., wozu Morgenstierne ebd. 199), gr. γυμνός; die germ. n-Formen wie ano. nakinn, afries. naken können ihr Suffix von den n-Partizipien bezogen haben. Auch heth. nekumanza, das durch den e-Vokal von den übrigen Formen abweicht, kann nach den Adjektiven auf -u̯ant- (wofür -mant- nach u) neugebildet sein. Mit e-Vokal auch arm. merk, zunächst aus *megu̯ro- (vgl. aw. maγna-), aber in Einzelheiten dunkel; anders Benveniste Rev. ét. armén. 10, 187. — Das dem Griech. allein eigene γ- ist, wie m- im Iranischen und Armenischen, offenbar sekundär. Der υ-Vokal kann wie in νύξ ein Reflex des folgenden Labiovekars sein, die Lautgruppe -μν- dürfte idg. -gu̯n- fortsetzen, vgl. ἀμνός (nach υ wäre allerdings -γν- zu erwarten). Neben γυμνός ist auch λυμνός überliefert (H.), das dissimilatorisch für *νυμνός stehen kann; zu bemerken noch ἀπολύγματος· ἀπογύμνωσις. Κύπριοι H. (trotz Bechtel Dial. 1, 445 schwerlich richtig; vgl. auch Latte z. St.). Eine befriedigende Erklärung des γ- in γυμνός ist noch nicht gefunden (eine Entwicklung *νυγνός > *μυγνός > γυμνός überzeugt nicht); vgl. Kretschmer Glotta 3, 335, Fick BB 6, 214, Bechtel Dial. 1, 445, Pisani Rend. Acc. Linc. 6 : 4, 345ff. Weitere Einzelheiten mit reicher Lit. bei W.-Hofmann s. nūdus. I-332-333
γυνή, γυναικός böot. βανά (Korinn.), Pl. βανῆκας· γυναῖκας H.; unsicher kypr. βονά (Kretschmer Glotta 5, 266, Schwyzer 275). f. ‘Weib, Frau’ (seit Il.), Zahlreiche Ableitungen und Komposita, fast alle von dem Stamm γυναικ(ο)- ausgehend und denen von ἀνήρ (ἀνδρο-) parallellaufend. Ausnahmen bilden nur γύννις, -ιδος m. ‘weibischer Mann’ (A., Ael. u. a.) mit hypokoristischer Gemination und Stammbildung und γύναιος in γύναια δῶρα (Od.), danach φυὴ γυναίη (Mosch. 2, 45); γύναιον n. ‘Frau’ (att., zärtlich und verächtlich, spät auch = γυνή), vgl. δείλαιος, μάταιος; nicht mit Schwyzer 583 vom Vokativ γύναι); ägäisch ku-na-ja?; außerdem γυναι-μανής (Γ 39 usw.) = γυναικο-μ. (Chrysipp. Stoik., Ph. usw.) nach παλαι-, ἰθαι- usw. — Vereinzelt belegte Deminutiva: γυναικάριον (Diokl. Kom., Epikt. u. a.), γυναίκιον (Longos), γυναικίσκιον· παιδίσκιον H. — γυναικίας m. ‘weibischer Mann’ (Eup. u. a.; wie νεανίας); γυναικωνῖτις ‘Frauengemach’ (Lys., Men. usw.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 110), selten γυναικών (X., wie ἀνδρών). — Adjektiva: γυναικήϊος, -εῖος (seit Od.; wie ἀνδρήϊος, -εῖος), γυναικικός (Arist. u. a.; wie ἀνδρικός rein gattungsbezeichnend), γυναικώδης (Plb. usw.: ἀνδρώδης), γυναικηρός (Diokl. Kom., Phryn.; nach πονηρός usw.). — Denominative Verba: γυναικίζω, -ομαι ‘sich weibisch benehmen’ (ion. att.) mit γυναίκισις (Ar., Lib.) und γυναικισμός (Plb. u. a.); γυναικόομαι, -όω ‘weibisch sein bzw. machen’ (Hp., Ph.). — Über die Stammbildung von γυνή als Hinterglied (ἄ- ἀνδρό- κατά- μισό- φιλόγυνος, ἀ- ἡμι- καλλι- ὀρσι- φιλογύναιξ, ἀγύναικος, ἀ- ἡμι- κακο- κατα- μισο- πολυ- φιλογύναιος, ἀ- ἀνδρο- μισο- νεο- πολυ- φιλογύνης) Sommer Nominalkomp. 62f.; zu den Einzelheiten der Flexion Schwyzer 582f. — Altes Wort für ‘Weib, Frau’, in der Mehrzahl der idg. Sprachen erhalten. Griech. γυνή, βανά, beide mit (verschieden gefärbten) Reduktionsvokalen, haben ein genaues Gegenstück in aind. (ved.) gnā́ ‘unirdische Frau, Göttin’ (oft zweisilbig gelesen), aw. gənā ‘Frau’. Zum unerklärten Stamm γυναι- stimmt arm. kanay- in den Pluralformen kanay-k‘ (Nom.), kanay-s (Akk.); das -κ- hat man in messap. gunakhai ‘γυναικί’ (?), ebenso in altphryg. bonok (griech. LW?) wiederfinden wollen (Lit. bei Schwyzer 583 m. A. 4). — Der labiovelare Anlaut, der schon aus dem Wechsel γ- und β- zu erschließen ist, wird u. a. bestätigt von got. qino (n-St.), air. ben (ā-St.) ‘Frau’, beide aus idg. *gu̯en-. Die Hochstufe, die im Griech. zugunsten der durchgeführten Schwachstufe eliminiert wurde, erscheint noch u. a. in arm. kin, apr. genna, aksl. žena, aind. jáni-, toch. A śäṃ. Dagegen Schwach- bzw. Schwundstufe in air. ban- (in Komp.), Gen. sg. mnā (aus *bnā-s). Außerdem Dehnstufe, z. B. got. qens (i-Stamm) ‘Frau’. Weitere Formen bei WP. 1, 681f., Pok. 473f. m. Lit.; s. auch Vieillefond Mélanges Saunier (s. REGr. 57, 267). Wie das ursprüngliche Paradigma lautete, läßt sich nicht mehr feststellen, da überall Ausgleichungen stattgefunden haben. — Nicht hierher μνάομαι ‘freien’, sondern zu μέμνημαι, μιμνήσκω; s. Benveniste Sprachgesch. u. Wortbed. 13ff. I-334-335
γύπη - γύπας· καλύβας, καὶ θαλάμας. οἱ δὲ γυπῶν νεοσσιάς (durch Beziehung auf γύψ, s. d.). οἱ δὲ τὰς κατὰ γῆς οἰκήσεις, οἱ δὲ σπήλαια ... H.; · κοίλωμα γῆς, θαλάμη, γωνία. ‘Höhle’ (Kall. Aet. Oxy. 2080, 73). — Seit Johansson IF 2, 50 (weitere Lit. bei WP. 1, 560) zu einem germanischen Wort für ‘Kammer, Höhle, Stall usw.’, anord. kofi, ags. cofa, nhd. Koben usw. gezogen. Aw. gufra- ‘tief, geheimnisvoll’ ist wahrscheinlich fernzuhalten, s. Mayrhofer Wb. s. gabhīráḥ. — Zu γυπάριον, das wie ein Deminutivum aussieht, vgl. s. γύψ. I-335
γύπωνες pl. Ben. von Tänzern in Sparta Poll. 4, 104: οἱ δὲ γύπωνες ξυλίνων κώλων ἐπιβαίνοντες ὠρχοῦντο, διαφανῆ ταραντινίδια ἀμπεχόμενοι. Daneben ὑπογύπωνες. — Unerklärt. I-335
γυργαθός (Akz. nach Hdn. Gr. 1, 145) ‘Weidenkorb, Fischreuse’ (Ar., Arist. usw.); auch γυργαθον (BGU 1092, 29) und γεργαθος (POxy. 741, 5). Deminutivum γυργάθιον (PHolm. 18, 17). m. — Technisches (volkstümliches) Wort, im Ausgang zum synonymen κάλαθος (mit stammhaftem θ) stimmend, aber sonst unklar. Anknüpfung an die weitverzweigte Wortsippe ger- ‘flechten’ (s. γέρρον) ist gewiß möglich. I-335
γῦρις, -εως ‘feinstes Weizenmehl’ (Dsk., Pap., Ath. usw.). Auch γύριος (PSI 4, 428, 44, IIIa; nicht ganz sicher). f. Davon γυρίνη Art Kuchen (Luk.), γυρίτης (ἄρτος) ‘Brot aus γ.’ (Ath., Gp., H.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 88f.), γυριστήριος (Gloss.). — Technisches Wort ohne Etymologie. Vgl. γοῦρος. I-335
γῡρός ‘rund, gebogen, krumm’ (τ 246: γυρὸς ἐν ὤμοισιν, D. H. usw.). Daneben γῦρος m. ‘Rundung, Kreis, Baumscheibe’ (Thphr., Plb., LXX usw.) mit γύριος ‘einen γ. bildend’ (Anon. ap. Suid.), γυραλέος (Opp.). Denominatives Verb, sowohl auf γυρός wie auf γῦρος bezüglich (letzteres teilweise postverbal?), γυρόω ‘rund machen, krümmen, einen Kreis machen’ (LXX, Nik., Arat. usw.) mit γύρωσις (Pap., Gp.); auch γυρεύω ‘in einem Kreis laufen’ (Str., Babr.). Außerdem γυριστός ‘gebogen’ (Sch.) wie von *γυρίζω (dieses ngr. ‘kehre um’), γυρτόν· κυφόν H. (wohl nach κυρτός). — Von γυρός (γῦρος) auch γυρῖνος m. ‘Kaulquappe’ (Pl. u. a.) mit γυρινώδης (Arist.). — Hierher auch ON wie Γυραὶ πέτραι (δ 500), s. Bechtel Lex. s. v. — Auszugehen ist zunächst von einem zur Sippe geu- ‘krümmen’ (s. γύαλον mit weiteren Hinweisen) gehörenden r-Stamm (vgl. zu κύριος), der namentlich im Armenischen in verschiedenen Ausformungen mit wechselnden konkreten Bedeutungen vorliegt, z. B. kor ‘krumm’ (idg. etwa *gou̯ero-), kuṙ-n ‘Rücken’, kr-ukn ‘Ferse’ (< *gūro-); des weiteren lit. gur̃nas ‘Hüfte, Fußknöchel’, norw. kaure ‘krause Locke’, mir. gūaire ‘Haar’ u. a. m., s. WP. 1, 556f., Pok. 397f. (hauptsächlich nach Lidén Armen. Stud. 111ff.). I-335-336
γύψ, γῡπός m. ‘Geier’ (Il., E., Arist. usw.). Ableitungen: γυπιάς (πέτρα) ‘von den Geiern bewohnt’ (A. Supp. 796 [lyr.]; vgl. ὀρεστ-ιάς usw. Schwyzer 508); γύπινος ‘zum G. gehörig’ (Luk.), γυπιαῖος ‘ds.’ (Tz.), γυπώδης ‘Geier-ähnlich’ (Arist.). Auch γυπάριον, viell. ursprünglich zu γύπη (s. d.), wurde wenigstens auf γύψ bezogen (γυπαρίοις καὶ πυργιδίοις Ar. Eq. 793). — Einsilbiger Vogelname wie das Reimwort γρύψ und wie σκώψ, γλαῦξ usw. Wird allgemein zu geu- ‘krümmen’ (s. γῡρός, γύαλον usw.) gezogen; dieselbe π-Erweiterung wird auch in γύπη vermutet. I-336
γύψος f. ‘Gips, Zement’ (Hdt., Pl., Thphr. usw.). Davon γυψίον (Pap.), γυψική ‘Gipssteuer’ (Pap.), γύψινος (EM), γυψώδης (Sor.); denominative Verba: γυψόω ‘mit Gips überziehen’ (Hdt. u. a.) mit γύψωσις (Gp.) und γυψωτής (EM); γυψίζω ‘ds.’ mit γυψισμός (Pap.) — Aus dem Semitischen, s. Muß-Arnolt TransAmPhilAssoc. 23 (1892) 70. I-336
γωλεός m. ‘Höhle, Schlucht’ (Arist.), γωλ<ε>ιοί· σπήλαια. καὶ αἱ πρὸς θάλασσαν καταδύσεις H.; Plur. γωλε(ι)ά (Nik., Lyk.). — Seit Fick 1, 408 zu lit. guõlis, lett. guol’a ‘Lager, Schlafstätte, Nest’ (lit. guliù ‘sich legen, liegen’) gezogen, wozu nach Lidén Armen. Stud. 48f. auch arm. kaɫaɫ ‘Höhle, Schlupfwinkel’. Wegen der Bedeutung zieht Solmsen Wortforschung 217 m. A. 2 vor, γωλεός an die Sippe geu- in γύαλον usw. anzuknüpfen. (Unwahrscheinlicher Versuch, alle die genannten Wörter bei geu- ‘krümmen’ unterzubringen bei Persson Beiträge 1, 106f., 2, 936f.). Da das Reimwort φωλεός sowohl formal wie semantisch γωλεός hat beeinflussen können, ist eine sichere Beurteilung kaum möglich. — Vgl. zuletzt Fraenkel KZ 71, 40. I-336
γωνία f. ‘Ecke, Winkel(maß)’ (Hdt., Pl. usw.). Deminutivum γωνίδιον (Luk., M. Ant.). Weitere Ableitungen: γωνιαῖος (Pl. Kom., LXX usw.), γωνιήϊος (Delphi; nach den Adj. auf -ήϊος), γωνιώδης (Hp., Th.), γωνιακός (Prokl. u. a.); auch γώνιος (Pap. VIp); — γωνιάζω (Porph.) mit γωνιασμός ‘Abmessen, Abzirkeln’ (Ar., Lys.); γωνιόομαι (Dsk., Prokl.) mit γωνίωμα (Eust.) und γωνίωσις (Archig. Med.). — Zum Hinterglied -γωνος in τρί-γωνος usw. (wie -βιβλος zu βιβλίον usw.) s. Debrunner IF 60, 40ff. — Die offenbare Verwandtschaft mit γόνυ (s. d.) verlangt eigentlich eine Grundform *γονϝ-ία, die aber lautlich nicht befriedigt. Eine Grundform *γωνϝ-ία andrerseits hat in aind. jā́nu eine unzureichende Stütze. Einzelheiten bei Debrunner a. a. O. I-336-337
γῶος · μνημεῖον H. — Hypothese von zweifelhaftem Wert bei v. Blumenthal Hesychst. 15 A. 1: als messapisch (bzw. makedonisch oder "hylläisch") aus idg. *ĝhōu̯os neben *ĝhouos zu gr. χοῦς. I-337
γῶπας · κολοιούς. Μακεδόνες H. — Nach Lesny KZ 42, 297f. = γῦπας; nach Hoffmann Maked. 47 = σκῶπας. Wohlbegründete Bedenken bei Kretschmer Glotta 3, 307. I-337
γωρυτός m. (f.) ‘Köcher’ (φ 54, Lyk. u. spät). — Herkunft unsicher. Nach Benveniste Mélanges Boisacq 1, 42ff. skythisches LW (vgl. zu τόξον), u. zw. aus dem alten Wort für ‘Rind’ (s. βοῦς), iran. Γω- in Γω-βάρης usw., und einem unklaren Hinterglied, viell. zu npers. rūda und Verw., gew. ‘Darm, Eingeweide’; in der von B. für γω-ρυτός angesetzten Bedeutung ‘abgezogenes Fell’ (vgl. insbes. arab. rauδaq ‘ds.’), woraus durch Übertragung ‘Gegenstand aus Rindsleder’, muß es sich um ein anderes Wort handeln, s. Morgenstierne KZ 61, 29f. I-337
δα- Präfix in δα-φοινός, vorw. von Tieren, gewöhnlich als ‘sehr rot’ erklärt (ep. poet. seit Il.) und δά-σκιος ‘sehr schattig’ (ep. poet. seit Od.). — Mit verstärkendem δια-, äol. ζα- gleichwertig und wahrscheinlich aus diesem hervorgegangen, obwohl die Bedingungen unklar sind (Schwyzer 330, Lejeune Traité de phonétique 96 A. 2; auch Sjölund Metrische Kürzung 25f., Chantraine Gramm. hom. 1, 169 mit metrischer Erklärung). — Für δάσκιος (wonach mit falscher Übertragung des σ δασπέταλον· πολύφυλλον H.) kommt auch Verwandtschaft mit δασύς (etwa durch Haplologie aus *δασύ-σκιος?) in Betracht, vgl. s. v. I-337
δᾶ (Trag. in lyr., z. B. A. Eu. 874 οἰοῖ δᾶ φεῦ), Interj. — nach Sch. Ag. 1072, EM 60, 8 dorisch für γᾶ, γῆ, das Kretschmer (s. Δημήτηρ) auch in dor. Δαμάτηρ und in dor. Ποτειδάν (s. Ποσειδῶν) wiederfinden will. I-337
δᾱγύς, -ῦδος f. ‘Wachspuppe’ (Theok. 2, 110, Erinn.). — Technisches Fremdwort ohne Etymologie. I-337
δαδύσσομαι ‘zerrissen werden’ (Sophr. 117, H.); H. auch δαιδύσσεσθαι· ἕλκεσθαι und δαιδήσσουσι (für δαιδύσσουσι?) βασανίζουσι. — Seit Roscher Curt. Stud. 4, 199 und Osthoff IF 5, 282 mit lat. dūco = got. tiuhan ‘ziehen’ verglichen (s. auch ἀδευκής, ἐνδυκέως), mit Intensiv-Reduplikation und schwachstufiger Stammsilbe: *δαιδυκι̯ομαι. Dabei kann δα- späte Schreibung für δαι- sein (Schwyzer 841). I-337-338
δαεγώ · οἶδα, ἐπίσταμαι H. — Die Richtigkeit der Lesung (δαείω Latte mit Pearson) wird durch ngr. (Kappadokien) δαγώ ‘ich weiß’ glaubhaft gemacht (Kretschmer Glotta 12, 215 m. Lit.). Umgangssprachliche Kürzung für οἶδα ἐγώ (vgl. Schwyzer 769 A. 1). I-338
Δάειρα f. N. einer Erdgöttin in Attika, der ein trächtiges Schaf geopfert wurde (Pherekyd., Lyk., Inschr.), auch Δαῖρα (A. Fr. 277, Inschr.). — Δαειρίτης m. N. ihres Priesters (Poll.). — Bildung wie Κτεάτειρα, κυδι-άνειρα usw. Nach gewöhnlicher Annahme zu δαῆναι (s. d.), u. zw. als altes Fem. zu aind. dasrá- ‘wundertätig’ (vgl. δαΐ-φρων; urspr. Δαῖρα aus *δᾰσριι̯ᾰ, woraus Δάειρα nach Κτεάτειρα usw.?). Falls diese semantisch wenig begründete Zusammenstellung überhaupt richtig ist, kann Δάειρα direkt zu δαῆναι nach den erwähnten Mustern gebildet sein (Δαῖρα dann itazistische Schreibung?). Anders Nilsson Arch. f. Religionswiss. 32, 82f., Kern P.-W. 4, 1980f.: Fem. zu δαήρ, "die Schwägerin", was ebenfalls semantisch schwer zu begründen ist. I-338
δαῆναι, ep. auch δαήμεναι intr. Aor. Fut. δαήσομαι, Perf. δεδάηκα, δεδαώς (seit Od.), δεδάημαι (h. Merc. usw.), redupl. Aor. in kaus. Bed. δέδαε ‘lehrte’ (Od.), 3. pl. δέδαον H., Inf. δεδάασθαι wohl für δεδαέσθαι (π 316), sekundär δάε, ἔδαε (A. R.), δα[ι]ῆσαι· διδάξαι H.; Präs. διδάσκω, s. d. ‘lernen’ (ep. poet. seit Il.), — Der Stamm δα- kann auf idg. *dn̥s- zurückgeführt werden, wodurch Anschluß an δήνεα erreicht wird. Mithin liegt in δαῆναι die Schwundstufe von idg. dens- vor, das noch in aw. dīdaiŋhē ‘ich werde unterwiesen’ und in mehreren nominalen Formen, z. B. aind. dasrá- ‘wundertätig’ erscheint. Aor. δέ-δα-ε somit aus *de-dn̥s-e-t. — Vgl. δήνεα, διδάσκω, δαΐφρων. Ableitungen: δαήμων ‘kundig’ (ep. ion. seit Il.) mit δαημοσύνη (A. R. u. a.); privative Zusammenbildung ἀδαἡς (s. d.); δάησις (EM); unsicher Δάειρα, s. d. I-338
δᾱήρ, Akk. -έρα, Vok. δᾶερ, Gen. pl. δᾰέρων Ω 769 (Versanfang) und 762 (Il.), hellenist. und spät auch Akk. und Dat. sg. δαῖρα, δαιρί, Nom. pl. δέρες (Lydien), Gen. sg. δῆρος (Bithynien), vgl. unten, m. ‘Bruder des Gatten, Schwager’. Keine Ableitungen (vgl. Δάειρα). — Altertümliches Verwandtschaftswort, mit den gleichbedeutenden aind. devár-, arm. taygr, lit. diever-ìs, aksl. děver-ь genau übereinstimmend; griech. Grundform somit *δαιϝήρ (dazu δαιρί aus *δαιϝρί und *δαιϝρῶν für das metrisch unbequeme δᾰέρων?; weiteres zur Laut- und Stammbildung bei Schwyzer 266 und 568). Lat. lēvir ist am Ende nach vir umgeformt, zeigt außerdem ‘sabinisches’ l- für d- und umgangssprachliches ē für ae. Auch das hierhergehörige germ. Wort, ahd. zeihhur, ags. tācor, das durch den Guttural abweicht, ist von einem anderen Wort (zu lit. láigonas ‘Bruder der Frau’?) beeinflußt. I-338-339
δᾰΐ f. ‘im Kampf’ — isolierter ep. Dat. (auch Hes. Th. 650, A. Th. 925) eines Wurzelnomens *δαῦς mit neugebildetem Akk. δάϊν (Kall. Fr. 243). S. δήϊος und δαίω. I-339
δαί immer nach Interrogativ τί, πῶς δαί ‘was, wieso denn?’ (α 225, ω 299 [beide sehr fraglich]; Kom., E. u. a.; oft falsch für δέ). — Neubildung zu δή nach νή : ναί. Schwyzer-Debrunner 563 m. A. 3, 570. I-339
δαιδάλλω nur Präsensstamm ‘kunstvoll arbeiten, verzieren’ (ep. poet. seit Il.) mit δαίδαλμα ‘Kunstwerk’ (Theok. u. a.). — Daneben δαίδαλον n. ‘kunstvolle Arbeit, Zierat’ (ep. poet. seit Il.), Δαίδαλος N. eines mythischen Künstlers (Il. usw.), δαίδαλος ‘kunstfertig, kunstvoll’ (A. usw.); auch δαιδάλεος (ep. poet. seit Il., vgl. μαρμαίρω : μαρμάρεος usw. bei Schulze Kl. Schr. 118 A. 3; nach Leumann [s. u.] metrische Variante zu πολυ-δαίδαλος ‘reich an Zierat, sehr kunstfertig’); erweiternde Umbildung δαιδαλόεις (Q. S., Nonn., wie παιπαλόεις). — Vereinzelt belegte Denominativa: δαιδαλόω (Pi.), δαιδαλεύομαι (Ph.) mit δαιδαλεύτρια ‘geschickte Arbeiterin’ (Lyk.). — Das Verhältnis zwischen δαιδάλλω, δαίδαλος, δαίδαλον ist mehrdeutig. Leumann Hom. Wörter 131ff. ist geneigt, von einem Mittelmeerwort δαίδαλον ‘Zierat’ auszugehen, woraus einerseits das Denominativum δαιδάλλω, anderseits das Bahuvrihikompositum πολυ-δαίδαλος ‘reich an Zierat, vielverziert’, als Beiwort einer Stadt oder eines Volkes als ‘sehr kunstfertig’ umgedeutet; daraus wiederum das Adjektiv δαίδαλος ‘kunstfertig, verziert, kunstvoll’. — Dem gegenüber steht eine herkömmliche und an sich tadellose indog. Etymologie, nach der δαιδάλλω eine intensive Reduplikationsbildung ist, u. zw. entweder als Primärbildung (wobei δαίδαλον, δαίδαλος postverbal sein müssen) oder als Denominativum von δαίδαλον, -ος; vgl. Schwyzer 647 und 725. Aus dem Griechischen werden noch hierhergezogen δέλτος und δηλέομαι, s. dd. In Betracht kommen auch δάλλει· κακουργεῖ H. und δόλων ‘kleines Segel, Segelstange’ (Plb., D. S., Poll.). S. auch zu δόλος. — Aus anderen Sprachen kommen zahlreiche Wörter der Bedeutung ‘bebauen, spalten’ hinzu, die von einer Wurzel del- ausgehen, aber untereinander eine reiche Variation bieten und für die nähere Erklärung der griechischen Vertreter recht wenig abgeben, z. B. lat. dolāre ‘behauen, bearbeiten’ (deverbative Iterativbildung), aind. dár-dar(ī)ti ‘zerspalten’ (reduphzierte athematische Intensivbildung, vgl. δαιδάλλω, s. aber auch zu δέρω), dālayati ‘spalten’, dalati ‘bersten’, air. delb ‘Gestalt, Form’ (aus *del-u̯ā), mhd. zoll m. ‘zylindrisches Holzstück usw., Zoll’, lit. dalìs ‘Teil, Anteil’, russ. dólja ‘ds.’. -Weiteres reiches, z. T. ungesichtetes Material bei WP. 1, 809ff., W.-Hofmann s. 1. dolō. I-339-340
δαιδύσσεσθαι · ἕλκεσθαι H. S. δαδύσσομαι. I-340
δαΐζω, Aor. δαΐξαι, Perf. Ptz. δεδαϊγμένος ‘zerschneiden, durchbohren’ (ep. poet. seit Il.). Davon δαϊκτήρ "Zerteiler" Beiname des Ares (Alk.), auch attributivisch von γόος (A. Th. 916 [lyr.]); in dieser Verwendung auch δαΐκτωρ (γάμος A. Supp. 798 [lyr.]); δαϊγμός (EM); als Hinterglied -δαΐκτας z. B. μηλοδαΐκτας (B.); daneben καρπο-δαισται (Gortyn); viell. zu δαίομαι mit analogischem -σ-, das auch in δεδαισμένον (ebd.), δαισθείς (E. in lyr.) vorliegen kann, s. Fraenkel Nom. ag. 1, 194. — Deverbative Bildung auf -ίζω von δαίομαι (vgl. Schwyzer 736), s. d. Nicht mit Schulze Kl. Schr. 370 denominativ von *δᾰ-ϝός (δα-τέομαι). I-340
δαίμων, -ονος m. f. ‘göttliche Macht, Geschick, Gott’ (seit Il.). Zahlreiche Ableitungen. Adjektiva: 1. δαιμόνιος ‘zum δ. gehörig, vom Geschick, von Gott gesandt’ (seit Il.); zu δαιμόνιε als Anrede s. die Monographie von E. Brunius-Nilsson Δαιμόνιε. Diss. Uppsala 1955; n. δαιμόνιον ‘göttliche Macht’, "Daimonion" (ion. att.); 2. δαιμονικός ‘ds.’ (Plu.); 3. δαιμονιακός ‘ds.’ (PMag. Osl. 1, 143; nach κυριακός u. a.); 4. δαιμονιώδης ‘einem δ. gleich’ (Ep. Jac., Prokl. u. a.). — Seltene und späte Femininbildungen: δαιμονίς (Prokl., Herm.) und δαιμόνισσα (PMag. Leid. W. 16, 48); vgl. βασιλίς, βασίλισσα. — Fragliche Abstraktbildung δαιμονή (Alkm. 69?, A. Eu. 727?), s. die Lit. bei Schwyzer 524. — Denominative Verba: 1. δαιμονάω ‘von einem δ. heimgesucht werden, besessen sein’ (A., E., X. usw.), 2. δαιμονιάω ‘ds.’ (Phld.), 3. δαιμονητιᾷ· δαιμονίζεται. Κρῆτες H., nach den Krankheitsverba auf -άω, -ιάω und -ητιάω (Schwyzer 731f.); 4. δαιμονίζομαι ‘ds.’ (Philem., NT usw.) mit δαιμονισμός (Vett. Val.), ‘vergöttert werden’ (S. Fr. 173, H.); 5. δαιμονιάζομαι = δαιμονιάω (Pap.). — Oft als 2. Glied von Komposita: 1. Bahuvrihi (βαρυ-, δυσ-, εὐ- [παν-, τρισ-, ὑπερ-], ἐχθρο-, ἰσο-, κακο-[τρισ-], κοιλιο-, ὀλβιο-, ὁμο-, φιλο-); 2. Substantiva (ἀγαθο- ‘guter Geist’, ἀνθρωπο- ‘verg?ttlichter, Mensch’, ἀρχι- ‘Oberdämon’, αὐτο- ‘urbildlicher Dämon’, βροτο- ‘Halbgott’ H., θεο- ‘niedre Gottheit’, νεκυ- ‘Totengeist’, νεκυο- ‘Totengott’, πλανο- ‘Truggeist’, τυραννο- ‘Übertyrann’, φυγαδο- alchemistische Bez. des Quecksilbers); dazu komische Augenblicksbildungen (βλεπε-, κρονο-, νακο-, σορο-, τρυγο-); 3. Rektionskomposita (ἀ)δεισι-. — Zu δαίομαι (s. d.), u. zw. wahrscheinlich im Sinn von ‘Verteiler, Zuteiler’ (vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 363); vgl. insbesondere apers. baga-, aksl. bogъ ‘Gott’ neben aw. baga- ‘Anteil, Los’, aind. bhága- ‘Anteil, Los, Geschick; Zuteiler, Herr’, zu bhájati ‘(zu)teilen’. Nach Porzig IF 41, 169ff. dagegen eig. "Zerreißer, Fresser (der Leichen)" als urspr. Totengott, was sich indessen mit der tatsächlichen Bedeutung von δαίμων schwer vereinigen läßt. Abzulehnen v. Windekens Le Muséon 63, 104ff. ("pelasgisch"). — Ausführlich über δαίμων Nilsson Gr. Rel.2 1, 216ff. Über die Bedeutungsentwicklung in neuerer Zeit (‘Dämon’ usw.) s. auch Chantraine Aspects du vocabulaire grec et de sa survivance en français. Paris 1954 (Institut de France 1954 : 19). I-340-341
δαίομαι ‘(ver)teilen’ (Od., Pi.), δαίνυμι, Aor. δαῖσαι, Fut. δαίσω *‘ver-, *austeilen’, ‘bewirten’, Med. ‘schmausen’ (poet. seit Il., auch Hdt.) ἐπι δαίομαι (ὅρκον h. Merc. 383). Mehrere Verbalabstrakta: 1. δαίς, -τός f. ‘Portion, Speise, Mahlzeit’ (vorw. poet. seit Il.), Kompp. ἁβρό-, ὁμό-; 2. δαίτη ‘Mahlzeit’ (poet. seit Il.); 3. δαιτύς, -ύος f. ‘ds.’ (X 496; nach ἐδητύς u. a., Porzig Satzinhalte 340, Chantraine Gramm. hom. 1, 96) mit δαιτυμών, -όνος m. ‘Gast’ (seit Od.; zur Bildung Chantraine Formation 173); erweitert δαιτυμονεύς (Nonn., vgl. ἡγεμών : -ονεύς); 4. δαῖσις ‘Verteilung (des Eigentums)’ (Gortyn) mit δαισάνη = πτισάνη (EM; vgl. δόσις in ähnlicher Bedeutung), δαίσιμον (-ιον EM)· ἐδώδιμον H.; 5. δαιθμός ‘Verteilung, verteiltes Land’ (Inschr.); Versuch einer semantischen Differenzierung der Nomina actionis bei Benveniste Noms d’agent 66f. — Nomen loci: δαιτήριον (EM). — Nomina agentis: δαιτρός ‘Zerleger, Vorschneider’ (poet. seit Od.) mit δαιτροσύναι pl. ‘die Künste des Vorschneiders’ (π 253, Versende; vgl. Porzig Satzinhalte 226); denominativ δαιτρεύω ‘zerlegen, vorschneiden’ (ep. seit Il.) mit δαιτρεία (Hdn.); Δαίτωρ als EN (Θ 275), συνδαίτωρ ‘conviva’ (A. in lyr.); — daneben δαιτρόν ‘Anteil, Portion’ (Δ 262; vgl. Chantraine 331); — δαίτης als Priestertitel (E. Fr. 472, 12), als Hinterglied in λαγο-δαίτας (A. in lyr.) usw., s. Fraenkel Nom. ag. 1, 193f. — Für sich steht δαιταλεύς ‘Schmauser’ (A., Ar. u. a.), zunächst von einem λ-Nomen ebenso wie δαιταλάομαι ‘schmausen’ und δαιταλουργία (Lyk.); weitere Vermutungen bei Boßhardt Die Nomina auf -ευς 36. — Eine Erweiterung von δαίομαι ist δαΐζω. Zu δαίμων s. bes. — Zu δαίομαι (mit analogisch bewahrtem -ι-) stimmt aind. dáyate ‘zerteilen, Teil haben, zerstören’. Neben dieser di- phthongischen Form stehen aber monophthongische mit ā- bzw. ĭ- Vokal, z. B. dā́-ti ‘abschneiden’, di-tí- ‘das Verteilen’; außerdem noch das vokallose d-yá-ti ‘abtrennen, teilen’. Alle diese Formen können nur vereinigt werden unter Annahme einer ursprünglich langdiphthongischen Wurzel dāi-, die einerseits dā-, anderseits im Ablaut dăi- (dəi-) und dī-, letzten Endes sogar d(ə)- (zunächst aus dā- abgeschwächt) ergeben hätte. — Hierher auch δῆμος (dor. δᾶμος), s. d.; aus dem Germanischen und dem Armenischen noch einige Wörter für ‘Zeit’, wie ags. tīma, anord. tīme ‘Stunde, time’, urg. *tī-man-, idg. *dī-mon- (vgl. δαί-μων), ahd. zīt, anord. tīð ‘Zeit’, wahrscheinlich = arm. ti ‘Alter, Zeit’, idg. *dī-t(i)- (vgl. δαι-τ- in δαίς). — S. noch δατέομαι und δάπτω. I-341-342
δαΐφρων ‘kundigen Sinnes, kundig, erfahren’, durch sekundäre Anknüpfung an δαΐ ‘im Kampf’ (s. d.) auch ‘tapfer’ (ep. seit Il.). — Kompositum mit φρήν (s. d.; vgl. ἄ-φρων usw.); das Vorderglied aus δασ-ι- zu aind. das-rá- ‘wundertätig’ (s. Δάειρα) mit demselben Wechsel von idg. i und ro wie z. B. in κυδι-άνειρα und κυδρός (Schwyzer 447 m. weiterer Lit.). — Über das Wortspiel ἀμφ’ ’Οδυσῆϊ δαΐφρονι δαίεται ἦτορ (α 48) s. Risch Eumusia. Festg. f. E. Howald (Zürich 1947) 88. I-342
δαίω ‘anzünden’, intr. Perf. δέδηα ‘lodern, brennen’, Ptz. δεδαυμένος, Aor. δαῆναι, ἐκδαβῇ (= -ϝῇ)· ἐκκαυθῇ. Λάκωνες H. (poet. seit Il.). Kompp. ἀνα- (A., Ar.) κατα- (H.). Viele Ableitungen. 1. δάος n. (aus *δάϝος) ‘Fackel’ (Hom., Q. S.) mit δᾱνός aus *δαϝεσ-νός ‘zur Fackel geeignet, trocken’ (ο 322, Ar. Pax 1134 [lyr.]). 2. δᾱλός m. ‘Feuerbrand’ (poet. seit Il.) aus δᾰϝελός (= δαβελός· δαλός. Δάκωνες H.), δαελός (Sophr.); δάϝος : δαϝελ-ός wie νέφος : νεφέλ-η; daneben δαῦλον· ἡμίφλεκτον ξύλον H. Deminutiv δᾱλίον (Ar.); δᾱλός auch = μελάνουρος ἰχθύς H. (nach den Leuchtorganen, Strömberg Fischnamen 55f., oder wegen des schwarzen Schwanzes?), metaphorisch ‘ausgebrannter = alter Mann’ (AP), mit hypokoristischer Gemination δαλλώ· ἡ ἀπόπληκτος. οἱ δὲ τὴν ἔξωρον παρθένον ἢ γυναῖκα πρεσβυτέραν ... H. 3. δαΐς (aus *δαϝίς), -ίδος, att. δᾴς, δᾳδός (vgl. unten) f. ‘Fackel’ (seit Il.), wovon das Deminutivum δᾳδίον (Ar., Hp. usw.), δᾳδίς ‘Fackelfest’ (Luk.), δᾴδινος ‘zur Fackel gehörig, aus Kienholz’ (Gal., Aët.), δᾳδώδης ‘harzig’ (Thphr., Plut.) zu δᾴς ‘Harz(überfülle)’ als N. einer Pflanzenkrankheit (Thphr.); ebenso δᾳδόομαι ‘von Harzüberfülle befallen werden’ mit δᾴδωσις (Thphr.), s. Strömberg Theophrastea 167. 4. δαύακες· θυμάλωπες H., vgl. Bechtel Dial. 1, 118, Grošelj Živa Ant. 2, 206. 5. δαερόν· μέλαν. καὶ τὸ καιόμενον H., vielleicht auch Emp. 90 für δαλερός. 6. δαηρόν· θερμόν, καυματηρόν, λαμπρόν, προφανές H. 7. δαηθμόν· ἐμπρησμόν H., zur Bildung vgl. Chantraine Formation 137f.; Latte mit Voß dafür δαιθμόν. 8. δαῦκος· ὁ θρασύς. καὶ βοτάνη τις Κρητική H., s. s. v. 9. Hierher wahrscheinlich auch in übertragener Bed. δαΐ ‘im Kampf’ aus *δαϝ-ί, Lok. von einem Wurzelnomen *δαῦς (Schwyzer 578). — Zu erwähnen auch das Kompositum θεσπι-δᾰές (πῦρ, Μ 177 usw.) ‘göttlich flammend’, eher zum Aor. δαῆναι als zu δάος. — Wie u. a. aus δεδαυμένος hervorgeht, steht δαίω als Jotpräsens für *δαϝ-ι̯ω; auf das daraus durch Metathese (wie in kor. Διδαίϝων) entstandene *δαίϝω muß att. δᾴς (δᾱις aus *δαιϝ-ις) zurückgehen. Das Perfekt δέδηα aus *δέ-δᾱϝ-α entspricht bis auf den Reduplikationsvokal aind. du-dāv-a (Gramm.), wozu mit regelmäßiger Schwundstufe das Präsens du-nó-ti ‘brennen, quälen’. Weitere aind. Formen bei WP. 1, 767, Pok. 179f. Die Sippe hat zahlreiche Vertreter im Keltischen, z. B. air. dōim ‘sengen, brennen’; aus dem Germanischen gehört hierher das schwundstufige sk-Präsens ahd. zuscen ‘brennen’. Weitere Verwandte s. δύη; auch δήϊος. I-342-343
δάκνω (ion. att.), Aor. δακεῖν (seit Il.), δῆξαι (Luk.); Fut. δάξομαι (Hp.), δήξομαι (E.); Perf. δέδηγμαι (Ar.), δεδαγμένος (Pi.), δέδηχα (Babr.), δέδακα (AP); Aor. Pass. δηχθῆναι (S.), δακῆναι (Aret.); Verbaladj. ἄ-δηκτος (Hes., Hp. usw.) ‘beißen’, auch ‘stechen’ (von Insekten), ‘verletzen’, Kompp. ἀμφι-, ἀνα-, ἀντι-, ἀπο-, δια-, ἐν-, ἐπι-, κατα-, συν-, ὑπερ-, ὑπο-. Mehrere Ableitungen. 1. Von δακ- in δακεῖν usw.: δάκος n. ‘Biß, Stich’, oft konkret ‘beißendes Tier’ (Pi., A., E. usw.) = δακετόν (Ar., Thphr. usw., vgl. ἑρπετόν u. a.), δαγμός ‘Biß, Stich’ (Ruf.), δάγμα ‘ds.’ (Nik.), δάκια· τὰ ἄγρια ὀρνιθάρια H.; — δάξ = ὀδάξ (Opp.) mit δαξ-ασμός = ὀδαγμός (Ti. Lokr.; nach μαρασμός usw., vgl. Chantraine Formation 141f.). 2. Von δηκ- in δήξομαι usw. : δῆγμα ‘Biß, Stich’ (A., S., X. usw.), δηγμός ‘ds.’ (Hp., Thphr. usw.), δῆξις ‘ds.’ (Hp., Arist. usw.); δήκτης ‘Beißer, beißend’ (E. Fr. 555, Plu., AP) mit δηκτήριος ‘ds.’ (E.) und δηκτικός (Arist. usw.); δήξ, δηκός ‘Holzwurm’ (Tz.) nach σφήξ usw. 3. Vom Präsens: δακνώδης ‘beißend, stechend’ (Hp., Gal.), δακνηρός ‘ds.’ (Phld. u. a. nach ὀδυνηρός usw.), δακνίς· ὀρνέου εἶδος H., δακνᾶς ‘Beißer’ (Phryn.). — Expressive Erweiterungen: δακνάζω (A. Pers. 171, AP), δαγκάνω (Hdn. usw.). — Der Aorist δακεῖν ist mit dem aind. Präsens dáśati ‘er beißt’ formal identisch; das Perf. dadáṃśa (= gr. *δέδογκα) ebenso wie viele Nomina, z. B. dáṃśa- ‘Biß, Bremse’ erweisen, daß α als Schwundstufe einer Nasalwurzel denḱ- fungiert. Mithin ist δηκ- in δήξομαι usw. als sekundäre Hochstufe zu δακεῖν nach Muster von λήψομαι : λαβεῖν anzusehen. — Auch das Germanische hat mehrere Nomina bewahrt, z. B. ahd. zangar ‘beißend, scharf’, zanga, anord. tǫng ‘Zange’; hierher noch alb. danë ‘Zange’ aus *donḱ-nā (vgl. Mann Lang. 28, 40). I-343-344
δάκρυ (poet. seit Il., auch Peripl. M. Rubr. 30 = ‘Harz’, vgl. s. βράθυ), Dat. pl. δάκρυσι (auch Prosa), δάκρυον n. (seit Il., aus δάκρυα neugebildet, Debrunner Mélanges Pedersen 202ff.) n. ‘Träne, Harz’. Kompp. παρά- δακρυ Pflanzenname (Ps.-Dsk.) und viele Bahuvrihi auf -δακρυς. Ableitungen. Deminutivum δακρύδιον als Pflanzenname (Ps.-Dsk., Alex. Trall.); — δακρυ-όεις ‘tränenreich’ (poet. seit Il., vgl. Risch Mus. Helv. 3, 255f.), δακρυώδης ‘tränend, nässend’ (von Wunden, Hp., Thphr. usw.); denominatives Verb δακρύω ‘(be)weinen’ (seit Il.) mit δάκρῡμα ‘was beweint wird’ (Orac. ap. Hdt. 7, 169), ‘Träne’ (A., E.); hell. *δάκρῠμα zu lat. dacrŭma, lacrĭma, s. zuletzt Leumann Sprache 1, 206. — Altes Wort für ‘Träne’, das auch im Armenischen, Germanischen und Keltischen erhalten ist: arm. artasu-k‘ pl. (aus *draḱu-, vgl. unten), sg. artawsr (aus *draḱu-r); germ., z. B. ahd. zahar, nhd. Zähre (urspr. pl.), got. tagr (mit grammat. Wechsel); kelt., z. B. abret. dacr, air. dēr, idg. *daḱr(o)-. — Daneben ahd. trahan, nhd. Träne aus urg. *trahnu-, idg. *draḱnu- mit demselben Anlaut wie im Armen.; vielleicht ist von idg. *draḱru- auszugehen, woraus durch Dissimilation die verschiedenen Formen entstanden sein könnten. — Ein bis auf den Anlaut zu δάκρυ usw. stimmendes Wort bieten die östlichen Sprachen: aind. áśru-, aw. asrū-, balt., z. B. lit. ašarà, toch. A ākär, vgl. Porzig Gliederung 185 und 202. Eine befriedigende Erklärung ist noch nicht gefunden; vielleicht liegt alte Kreuzung mit einem anderen Wort vor. Bemerkenswert ist heth. išḫaḫru- n. ‘Tränen(strom), Weinen’, im Auslaut übereinstimmend, aber sonst ganz abweichend; eine Vermutung darüber bei Sturtevant Comp. gr.1 143, s. auch Kronasser Vgl. Laut- und Formenlehre des Heth. 87. — Ältere Lit. bei WP. 1, 769, Bq, s. v.; außerdem W.-Hofmann s. lacrima, wo auch allerhand glottogonische Spekulationen besprochen werden; dazu noch Sapir Lang. 15, 180ff. (ebenfalls glottogonisch). I-344
δάκτυλος 1. m. ‘Finger’ (auch als Maß usw.), ‘Fußzehe’ (ion. att.); 2. Glied in vielen besitzanzeigenden Kompp. Ableitungen. Seltene Deminutiva: δακτυλίδιον (Ar.), δακτυλίσκος (Lebadeia), δακτυλίς (Steph. Med., Plin.); — δακτύλιος m. (-ον n.) ‘(Finger)ring’ (Sapph., Hdt., Ar. usw.) mit dem Deminutivum δακτυλίδιον (Delos IIIa, Pap. u. a.), auch δακτυλίδριον, -ίδρυον (Pap., aus -ύδριον [Chantraine Formation 72f.] dissimiliert bzw. umgestellt), δακτύληθρον (Them.; zur Bildung Chantraine 373), δακτυλήθρα ‘Fingerhandschuh’ (X. usw., Chantraine ebd.); — δακτυλῖτις Pflanzenname (Dsk.; nach der fingerdicken Wurzel, Strömberg Pflanzennamen 37, Redard Les noms grecs en -της 70), δακτυλεύς N. eines Meerfisches (Ath.; nach der Größe, Boßhardt Die Nomina auf -ευς 84f.). — Adjektiva: δακτυλ-ιαῖος ‘fingerbreit’ (Hp., Arist. usw.), δακτυλικός ‘zum Finger gehörig, daktylisch’ (Ath., Longin. usw.), δακτυλωτός ‘mit Fingern versehen’ (Ion. Trag., Didym. ap. Ath.). — Denominatives Verb δακτυλίζω ‘mit dem Finger zeigen usw.’ (H., Eust.) mit δακτυλιστής (Pap.) Berufsbezeichnung unklarer Bedeutung, vgl. Preisigke Wörterbuch s. v. — Keine überzeugende Etymologie. Böot. δακκύλιος (Tanagra), dessen -κκ- sich schwer aus -κτ- erklären läßt, legt eine Grundform *δάτκυλος nahe; der dadurch gewonnene leidliche Anschluß an ahd. zinko ‘Zinke’ ist jedoch semantisch wenig befriedigend. Bei einer ursprünglichen Lautfolge δακ-τυ- kommt auch Verwandtschaft mit got. tekan ‘berühren’, anord. tăka ‘nehmen’ in Betracht. Weitere Hypothesen bei W.-Hofmann s. digitus, wo auch reiche Lit. I-344-345
δάκτυλος 2. ‘Dattel’ (Arist. usw.). — Kaum mit 1. identisch, sondern eher aus einem semitischen LW (arab. daqal usw.) wegen der Ähnlichkeit zwischen dem Dattelpalmblatt und den ausgespreizten Fingern volksetymologisch umgebildet; vgl. Lewy Fremdw. 20f. I-345
δαμάλης, -ου m. ‘Bezwinger, Zähmer’ (von Eros, Anakr.), ‘junger (noch zu zähmender) Stier’ (Arist., AP); f. δάμαλις (A. usw.), δαμάλη (E., Theok. usw.) ‘junge Kuh’, Deminutivum δαμάλιον (Pap.); δάμαλος ‘Kalb’? (Hdn.); — denominativ δαμαλίζω ‘bezwingen, zähmen’ (Pi., E.). — Über Δάμαλις als EN Schmid Philol. 95, 118 A. 123. Von δάμνημι, δαμάσαι (s. d.); zur Bildung Chantraine Formation 236f. Direkte Beziehung zu air. dam ‘Ochse’ (aus *damos) und anderen keltischen Wörtern ist nicht glaubhaft. Vgl. noch W.-Hofmann s. damma ‘Gemse, Rehkalb usw.’. I-345
δάμαρ, -αρτος f. ‘Gattin, Ehefrau’ (poet. seit Il.; zur Bed. Gernet Mélanges Boisacq 1, 393ff.); δόμορτις· γυνή H. (äol.). Ohne Ableitung. — Nicht sicher erklärt. Nach Schulze KZ 28, 281f. (= Kl. Schr. 364) eine Zusammenbildung des Wortes für ‘Haus’ (s. δάπεδον, δεσπότης und δόμος) und der Wz. ἀρ- in ἀραρίσκω usw. mittels eines Dentalsuffixes; daraus δόμορ-τ-ις mit einem verdeutlichenden ι-Suffix (Schwyzer 451 m. A. 3). — Andere sehen in δάμαρ ein altes Neutrum auf -ρ (vgl. nhd. Frauenzimmer); s. zuletzt Benveniste Origines 30, Lejeune Traité de phon. 34 A. 3 (ältere Lit. bei Bq). I-345-346
δάμνημι, 3. sg. auch δαμνᾷ (viell. für äol. δάμνᾱ, Schwyzer 694), Aor. δαμάσ(σ)αι, intr. δαμῆναι, Perf. δέδμημαι (alles poet. seit Il.); zu δαμάσ(σ)αι neugebildetes Präsens δαμάζω (A. usw.), Fut. δαμάσσω, 3. sg. δαμᾷ (Il.), Aor. Pass. δαμα-σ-θῆναι (Il. usw.), auch (nach δέδμημαι usw.) δμηθῆναι (Il. usw.) ‘bezähmen, bändigen, bewältigen’, bes. von Pferden. Komp. ὑπο-. Ableitungen: δμητήρ (ἵππων) ‘Bändiger’ (h. Hom., Alkm.), f. δμήτειρα (Il.), δμῆσις (ἵππων) ‘Bändigung’ (Il.); ἀ-δμής, -τος f. m. ‘ungebändigt, unverheiratet’ (seit Od.), auch ἄ-δμη-τος ‘ds.’ (seit Il.), daneben ἀ-δάμα-σ-τος (Il. usw.), ἀ-δάμα-τος (Trag.), δμᾱτέα (dor.). δαμαστέα H.; zu ἀδάμας s. bes. — Vereinzelt belegte Simplicia der Wurzelformen δαμα- und, mit Anschluß an δάμνημι, δαμν-: Δαμαῖος ‘Rossebändiger’, Beiwort des Poseidon (Pi.), δαμάτειρα (AP), παν-δαμάτωρ ‘Allbändiger’ (poet. seit Il.), spätes f. πανδαμάτειρα; δάμασις und δαμαστικός (Sch.), δαμάστης ([Epich.] 301 [?], Gloss.); δαμνῆτις· δαμάζουσα, τιμωρός; δάμνος· ἵππος. Τυρρηνοί H.; als Vorderglied in δάμν-ιππος (Orph.) usw. — δαμασώνιον und δαμναμένη Pflanzennamen (Dsk., Ps.-Dsk.; als Liebesmittel, Strömberg Pflanzennamen 92). — Zu δαμάλης s. bes. Kaum hierher δμώς, s. d. — Das Präsens δάμνημι, äol. δάμνᾱμι hat eine genaue Entsprechung in air. damnaim ‘festbinden, (Pferde) bändigen’ und geht wie dies auf eine zweisilbige Wurzel zurück, die in δαμά-σαι zutage tritt; daneben die einsilbige langvokalische Form in δμη-θῆναι (dor. δμᾱ-). Die Sippe hat zahlreiche Vertreter, besonders im Altindischen, Lateinischen, Germanischen und Keltischen (in Betracht kommt noch heth. damaš-zi ‘er drückt, bedrängt’ mit s-Erweiterung [Kronasser Vgl. Laut- u. Formenlehre 175]), aber die verschiedenen Wörter stimmen nur selten zueinander. Zu bemerken indessen παν-δαμάτωρ = lat. domitor, aind. damitár-; es kann sich jedoch dabei um unabhängige Parallelbildungen handeln. Dazu als Hinterglied in Zusammenbildungen ἱππό-]δαμος (seit Il.) = aind. ariṃ-]dama- ‘den Feind bewältigend’; fraglicher dagegen (ἄ-)δμητος : aind. dāntá- (sicher Neubildung lat. domitus). — Die alten Präsentia lat. domāre = aind. damāyáti bzw. ahd. zamōn (hierher viell. heth. damaš-zi s. o.) und got. ga-tamjan, nhd. zähmen = aind. damáyati sind im Griechischen nicht vertreten. — Ursprüngliche Verwandtschaft mit dem alten Worte für ‘Haus’ (s. δόμος und δεσπότης) ist möglich. I-346
δᾰνᾰ́κη f. Ben. einer kleinen persischen Münze, wenig über einen Obol; ἐλέγετο δὲ καὶ ὁ τοῖς νεκροῖς διδόμενος ὀβολός H. (Kall., Poll., EM). — Aus dem Persischen, vgl. npers. dāna(k) ‘das Viertel einer dram (Drachme)’, eig. ‘kleines Korn’. Weiteres bei WP. 1, 831, Horn Neupers. Etymologie No 535f. I-347
Δαναοί m. pl. ‘Danaer’, griechischer Stammesname (Argos), von Homer als Gesamtname für die Griechen gebraucht. Nach einer alten Überlieferung hätten die Danaer ihren Namen von dem aus Ägypten stammenden König Danaos bezogen. — Kretschmer Glotta 24, 15ff. sieht in den Danaern die Leute des Skythenkönigs Tanaus, die im 15. Jahrh. auch nach Argos gekommen und dort mit den Griechen verschmolzen wären. Hierher nach Kretschmer auch die Flußnamen Tanais und Donau, ebenso der indoiranische Volksname Dā́nu- und das davon abgeleitete aind. Dānavá-, im RV usw. Bez. götterfeindlicher Dämonen. I-347
δάνδηξ, -ηκος m. Ben. eines großen Hundes (Ps.-Kallisth. 2, 33 cod. B). — Herkunft unbekannt. I-347
δάνος n. ‘Gabe’ (Euph. 42), ‘Darlehen, Schuld’ (Kall. Epigr. 48). Ableitung δάνειον n. ‘Darlehen’ (D., Arist. usw.) mit δανειακός (Cod. Just.) und dem Denominativum δανείζω, -ομαι ‘ausleihen, borgen’ (att., vgl. Schwyzer 735 A. 6; hell. auch δανίζω), wovon δάνεισμα ‘Darlehen’ (Th., D. usw.), δανεισμός ‘Darlehen, Borgen’ (att., Arist. usw.) und δανειστής ‘Wucherer, Gläubiger’ (LXX, NT, Ph. usw.) mit δανειστικός (Thphr., Pap., Plu. usw.). — Eine parallele Form ist δάνας· μερίδας. Καρύστιοι H.; vgl. dazu Schwyzer 488. — Im Ausgang zu den sinnverwandten ἄφενος, κτῆνος usw. stimmend, kann δάνος ein suffinales ν enthalten und die Schwundstufe des in δῶρον : lat. dōnum enthaltenen r:n-Stammes repräsentieren (vgl. Curtius Grundz. 237). Anders Fick 1, 238 und 451 Brugmann Grundr. 22 : 1, 256: zu δατέομαι (s. d.); vgl. bes. aind. diná- ‘geteilt’ angebl. = *δανός. I-347
δάξ mit δαξασμός s. δάκνω. I-347
δάπεδον n. ‘Fußboden, Erdboden’ (vorw. poet. seit Od.), daneben ζάπεδον (Xenoph., Paros). — Eigentlich "Hausboden", alte Zusammensetzung von der Schwundstufe des in δεσ-πότης und δόμ-ος (s. auch δάμαρ) vorliegenden Wurzelnomens und πέδον. Eine nur im Stammauslaut abweichende Entsprechung scheint im Nordgermanischen erhalten zu sein: awno. topt, (a)schwed. tomt ‘Bauplatz’ (Bugge PBBeitr. 21, 42), die auf urg. *tum-feti- (= *δα-πεδι-) zurückgeführt werden können. Dasselbe Vorderglied liegt wahrscheinlich auch in lit. dim-stis ‘Hof, Gut, Hofraum’ vor (Fraenkel Lit. et. Wb. s. v. mit Lit.). — Die Form ζάπεδον muß umgekehrte Schreibung sein nach dem Wechsel ζα- : δα- als Intensivpräfix (Solmsen RhM 60, 500, Schwyzer 330); vgl. ζακόρος. Ohne Ableitungen. I-347-348
δάπις, -ιδος f. ‘Teppich, Decke’ mit dem Deminutiv δαπίδιον (Kom.). — Wahrscheinlich mit Güntert Reimwortbildungen 151 volksetymologische Umbildung von τά-πις, τάπης (s. d.) nach δάπεδον. I-348
δάπτω, Aor. δάψαι ‘zerreißen, zerfleischen, verzehren’ (poet. seit Il.). Kompp. ἀπο-, δια-, κατα-, davon καταδαπάνη und καταδαπανάω (Hdt., X.). Vom Verbalstamm: δαπάνη ‘Aufwand, Kosten’ (ion. att. seit Hes. Op. 723; vgl. σκάπτω : σκαπάνη) mit mehreren Ableitungen: δαπάνυλλα (Kerk.; künstliches Deminutivum, vgl. Leumann Glotta 32, 219 A. 3); δαπανηρός ‘verschwenderisch’ (Pl., X. usw.) mit δαπανηρία Arist.); denominativ δαπανάω ‘aufwenden, verzehren’ (Hdt., att.) mit δαπάνημα (X., Arist. usw.), δαπάνησις (Aristeas) und δαπανητικός ‘verzehrend’ (S. E. u. a.); δαπανητής nur EM; postverbal δάπανος = δαπανηρός (Th. 5, 103; Plu.); vereinzelt δαπανούμενα (Andania Ia) wie von δαπανόω oder -έω. — Vom Präsensstamm das vereinzelt belegte δάπτης ‘Zerreißer’ (Lyk.), falls nicht vielmehr δάπ-της; vom Aoriststamm δαψ- mit λ-Suffix δαψ-ιλής ‘üppig, reichlich, freigebig’ (ion., Arist., hell.; δαψιλός Emp., wohl älter, Solmsen IF 31, 461ff.) mit δαψίλεια (Arist., Plb. usw.) und δαψιλεύομαι (LXX, Ph. u. a.); zur Bildung vgl. die Lit. bei WP. 1, 764; zur Bedeutung A. Wilhelm Glotta 25, 269ff. — Zu δαρδάπτω s. bes. — Das als Grundlage von δάπ-τω anzusetzende δαπ- ist als Wurzelnomen in lat. daps ‘(Opfer)mahl’ tatsächlich vorhanden, ebenso im tochar. Prateritum tāp- ‘essen’ (Fraenkel IF 50, 7); das ν-Suffix in δαπάνη hat ein nahes Gegenstück in lat. damnum ‘Aufwand, Verlust’ und awno. tafn ‘Opfertier, Opfermahl’, beide aus idg. *dap-no-m, ebenso wie in arm. tawn ‘Fest’ (aus *dap-ni-). Auch aind. dāpayati ‘teilen’ könnte urverwandt sein, ist aber formal nicht eindeutig, von der abweichenden Bedeutung zu schweigen; zu den übrigen, sehr fraglichen Kombinationen s. WP. 1, 765f. — Bei Abtrennung von -π- kann natürlich weitere Anknüpfung an δατέομαι (s. d.) erwogen werden. — Lat. dapinō ist LW aus δαπανάω. I-348
δαράται f. pl. Ben. von Kuchen, die bei Eheschließung von einer Phratrie dargeboten wurden (Delphi V-IVa); δαρατος m. Ben. eines thessalischen Brotes (Seleuk. ap. Ath. 3, 114b, Nik.); δαρατον n. (Koropa VI-Va; nicht ganz sicher). — Der Vergleich mit aind. dū́rvā Art Hirsengras, mndl. tarwe ‘Weizen’, engl. tare ‘Unkraut, Lolch’ (zuletzt Specht KZ 66, 18ff.; ältere Lit. bei WP. 1, 803) oder gar mit lit. dirvà ‘Acker, Feld, Flur’ usw. (vgl. Fraenkel Lit. et. Wb. s. v.) ist in jeder Beziehung zweifelhaft. — Vgl. δράμις. I-348-349
δάρδα · μέλισσα H. — Wahrscheinlich lautnachahmende Reduplikationsbildung mit lautlichem Anklang an aind. dardurá- ‘Frosch, Flöte usw.’, lit. dardė́ti ‘klappern, rasseln, schwatzen’, air. dardaim ‘brüllen (vom Hirsch)’ usw.; weitere Formen und Lit. bei WP. 1, 795, Pok. 203f., Fraenkel Lit. et. Wb. 83. Andere Kombinationen bei Belardi Doxa 3, 202 (Δάρδανοι usw.). I-349
δαρδαίνει · μολύνει, ἀνεδάρδανε· ἀνεμόλυνε H. — Nach Specht KZ 66, 203f. als δαρ-δ-αίνω, -άνω (vgl. ἀλδαίνω, -άνω) zu einem Wort für ‘Kot’, das auch in ags. tord n. ‘Kot’, awno. torðyfill ‘Mistkäfer’, ebenso wie in lett. dìrst ‘cacare’, lit. dìrsė ‘Hintern, Hinterteil’ vorliegt. Auszugehen ist von idg. der- ‘schinden, abspalten’ (s. δέρω); δαρδαίνω somit eig. ‘abscheiden’, ags. tord (aus idg. *dr̥-tóm) ‘Abscheidung’. Nach Fick KZ 44, 339 hierher noch der illyrische Volksname Δαρδανεῖς eig. "Schmutzfinken"; das Wort könnte somit auch illyr.-makedonisch sein, wodurch sich auch andere Anknüpfungen bieten, s. Fraenkel Lit. et. Wb. s. dìrsė, WP. 1, 861. I-349
δαρδάπτω nur im Präsensstamm bis auf δαρδάψῃ (Opp.), δαρδάψαι· ῥῆξαι, σπαράξαι, δεδάρδαφε· καταβέβρωκε H. ‘zerreißen, verprassen’ (Hom., Hp., Ar., Luk.) — Intensive Reduplikationsbildung, u. zw. entweder zu δάπτω mit schwer erklärbarem ρ oder, semantisch weniger ansprechend, aus *δαρ-δάρπτω bzw. *δαρ-δράπτω zu δρέπω. — Lit. bei Bq s. v., WP. 1, 764, Schwyzer 647. I-349
Δᾱρεικός (στατήρ) m. N. einer persischen Goldmünze (Hdt., Th., Ar. usw.), auch Δαρῐκός (Herod.) und -ιχός (Sparta), vgl. Schwyzer 196 A. 2 m. Lit. — Von den Griechen jedenfalls als "Dareiosmünze" (vgl. louisd’or), nach dem Bild des Königs, verstanden. Wahrscheinlich wurde auch die Münze von den Griechen nach dem König benannt. Abweichend betrachtet Horn Neupers. Etymologie Nr. 654 Δαρεικός als eine volksetymologische Zurechtlegung von *δᾰρῐκός = babyl. da-ri-ku (Bed. unsicher) aus apers. *dari- = aw. zairi- ‘gelb’ (vgl. s. χλωρός); dagegen Schwyzer IF 49, 10ff. I-349
δαρθάνω ‘einschlafen’. als Simplex im Präsens nur Hierokl. in CA, Aor. ἔδραθον υ 143; sonst meist κατα-δαρθάνω (seit Pl., vgl. Schwyzer-Debrunner 476), auch ἐγκατα-, ἐπικατα-, συγκατα-, ferner noch ἀπο- und παρα-, Aor. -δραθεῖν (Od.), -δαρθεῖν, Perf. -δεδάρθηκα (att.), später Aor. -δαρθῆναι (vgl. Schwyzer 759 A. 3). Vorwiegend und ursprünglich nur im Aorist gebraucht (Präs. [καθ-]εύδω). Keine Ableitungen. — Die allgemeine Ähnlichkeit mit aind. drā́-ti ‘schlafen’, lat. dormiō ‘ds.’, aruss. ksl. drěmati ‘schlummern’ ist nicht zu verkennen; das θ kann ohne Zweifel ein sekundäres Formans sein, vgl. Benveniste Origines 191, Chantraine Gramm. hom. 1, 329. Über Versuche, die verschiedenen Formen miteinander in Einklang zu bringen, s. die Lit. bei WP. 1, 821. Weitere Lit. bei W.-Hofmann s. dormiō, Vasmer Russ. et. Wb. s. dremátь. I-349-350
δάρ[ε]ιρ · τὸ ἀπὸ τοῦ μεγάλου δακτύλου ἐπὶ τὸν μικρὸν διάστημα. δάριν· σπιθαμήν. ’Αρκάδες. H. S. 2. δῶρον. I-350
δάρκα (v. l. δάκαρ) Art κασία (Dsk. 1, 13). Daneben δάρκανος = ἐρυθρόδανον (Ps.-Dsk. 3, 143); zur Bildung vgl. ἄκανος, ῥάφανος usw. (Strömberg Pflanzennamen 144). — Unerklärte Fremdwörter. I-350
δάρκες · δέσμαι H. S. δράσσομαι. I-350
δάρπη · σαργάνη, κόφινος H. ‘Korb’. — Nach Güntert IF 45, 347 Kreuzung von τάρπη (s. d.) und *δάρφη = aind. darbhá- ‘Grasbüschel, Gras’ usw. (WP. 1, 808, Pok. 211f.); nach Bechtel Dial. 2, 289 kann δ- für τ- "der vulgären Sprechweise" zugeschrieben werden. I-350
δᾴς, δᾳδός s. δαίω. I-350
δάσκιλλος m. N. eines unbekannten Fisches (Arist. HA 591 a 14: τέρπεται τῷ βορβόρῳ καὶ κόπρῳ). — Scheint der Form nach ein geminierter Kosename zu sein (Schwyzer 485). Wood AmJPh 48, 303 erklärt es aus δά-σκιος ‘schattenreich’ (s. δα-); über Fischnamen, die von σκιά abgeleitet sind, z. B. σκίαινα (nach der dunklen Farbe), s. Strömberg Fischnamen 27. I-350
δασπλῆτις (ο 234, Theok.); auch δασπλής, -ῆτος f. (Simon., Euph., Nonn.; -ῆτε als m. du. Nik.), δασπλήτης m. (An. Ox.). Beiwort der Erinyen, der Hekate, der Eumeniden usw.; f. Bedeutung schon in der Antike unbekannt. — Bildung wie χερνῆτις, κυνηγέτις usw. (Schwyzer 451). Mehrere Erklärungsversuche. Bei einer Zerlegung δασ-πλῆτις erhält man einen formal sehr ansprechenden, semantisch ungenügend begründeten Anschluß an πλησίον, ἄ-πλητος, dor. ἄ-πλᾱτος ‘unnahbar’, πλᾶτις ‘Gattin’ (Bechtel Lexil. mit vielen Vorgängern, s. Curtius Grundz. 278). Im Vorderglied wurde dabei teils δασύς (Osthoff MU 2, 46ff.), teils eine schwundstufige Genetivform von δα- ‘Haus’ in δά-πεδον (neben der Hochstufe in δεσ-πότης) vermutet (Fick BB 20, 179 usw.). — Anders Solmsen RhM 60, 497ff.: δα-σπλῆτις zu σφαλάσσειν, σπολάς usw. (s. ἀσπάλαξ) mit verstärkendem δα- wie in δα-φοινός; formal wenig befriedigend. Vgl. die Kritik dieser und anderer Vorschlage bei Kretschmer Glotta 4, 349; 8, 252. Abweichende Deutung des Vorderglieds bei Schwyzer 451 A. 4: aus *δατ-σπλῆτις ‘mit den Zähnen zerreißend’, zu schwundstufigem ὀδόντ- ohne Anfangsvokal (?). I-350-351
δασύς ‘dichtbewachsen, haarig, dichtbelaubt’, auch ‘aspiriert’ als Grammatikerterminus (ion. att. seit Od.). Kompp. ἀμφί- (Hom.), ἐν- (Dsk.), ἐπί- (Thphr.), ὑπέρ- (X., Ael.), ὑπό- (Dsk.). Ableitungen: δασύτης ‘Behaarung, Aspiration’ (Arist., Plb. usw.), δάσος n. ‘Dickicht, Behaarung’ (Men., Str. usw.), δάσυμα Bez. einer Augenkrankheit = τράχωμα (Sever. Med.; zur denominalen Ableitung vgl. Chantraine Formation 186f.); δασυλλίς f. Kosename des Bären (EM 248, 55; zum Bildungstypus Leumann Glotta 32, 218f.); Δασύλλιος Bein. des Dionysos (Paus.; nach EM l. c. παρὰ τὸ δασύνειν τὰς ἀμπέλους). Denominatives Verb: δασύνομαι, -ω ‘haarig werden bzw. machen usw.’ (Ar., Hp., Thphr. usw.) mit δασυντής, -τικός ‘aspirierend’ (Gramm.; von den Attikern), δασυσμός (Dsk.). — Daneben δασκόν· δασύ H.; vgl. Specht Ursprung 64, 188, falls nicht mit Latte z. St. aus δάσκιον entstellt. Zu δάσκιλλος s. bes. — Die Richtigkeit der alten Zusammenstellung mit lat. dēnsus hängt davon ab, ob -σ- hinter sonantischem n̥ erhalten blieb; s. zu dieser strittigen Frage Schwyzer 307 m. Lit., Hoenigswald Lang. 29, 290f. Für ein ursprüngliches *δατύς sind von Brugmann Sächs. Ber. 1901, 92ff. die mehrdeutigen EN Δατυς (delph.), Δατυου (phthiot.) angeführt worden. Gegen unmittelbare Identität von δασύς : dēnsus spricht jedenfalls der lat. o-Stamm; man hätte vielmehr *densuis erwartet. Die Grundform von dēnsus bleibt ebenfalls unsicher: *dens-os, *dn̥s-os, *densu̯os, *dn̥t-tos?, s. W.-Hofmann s. v., wo auch reiche Lit.; dazu noch Szemerényi Glotta 33, 257ff. — Alb. dënt ‘mache dicht, walke usw.’ ist besser fernzuhalten, s. Jokl bei W.-Hofmann s. v. Heth. daššuš ‘schwer, stark, fest’ läßt sich schwerlich gleichzeitig mit δασύς und dēnsus vereinigen, da für idg. n̥ zunächst heth. an zu erwarten wäre (anders Szemerényi KZ 73, 76). I-351
δατέομαι, ‘unter sich verteilen, (zu)teilen’ (ep. ion. kret. herakl. ark. seit Il.; zur Verbreitung Leumann Hom. Wörter 281); Aor. δάσ(σ)ασθαι, Perf. δέδασμαι aus dem Aor. neugebildetes Präsens δάσσω (Kall. Fr. anon. 145). Kompp. ἀνα- (mit ἀναδασμός ‘Bodenreform’), ἀπο- (mit -δάσιμος, -δασμός), δια-, ἐν-, κατα-, ποτ-. Ableitungen: δατητής ‘Verteiler, Liquidator’ (A., Arist. usw.), δατήριος ‘verteilend’ (A. Th. 711; haplologisch für *δατητήριος, Fraenkel Glotta 2, 31f.), δάτησις (Poll.). — δασμός ‘Verteilung, Tribut’ (seit Il.; aus *δατ-σμός, Schwyzer 321 und 493), δάσμευσις ‘Verteilung’ (X., wie von *δασμεύω; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 129 m. A. 3), δάσματα· μερίσματα H.; δαστήρ Ben. einer Behörde (Aetol.). — Erweiterte Präsensform δατύσσειν· λαφύσσειν, ἐσθίειν H. (nach λαφύσσειν; Näheres bei Debrunner IF 21, 242), vom Aoriststamm gebildetes Iterativpräteritum δασάσκετο (Ι 333). — Ohne sichere Entsprechung. Der Vergleich mit got. ungatass ‘ἄτακτος’ (vgl. ἄ-δαστος S.), ahd. zetten ‘streuen, ausbreiten’, nhd. verzetteln und anderen german. Wörtern (WP. 1, 766, Pok. 177f.) hat natürlich nur hypothetischen Wert. Die naheliegende Beziehung zu δαίομαι, δάπτω führt auf Abtrennung des -τ- als eines sekundären nominalen Suffixes, wobei δᾰ- als Schwundstufe der in δῆμος, δᾶμος vorliegenden sekundären Hochstufe von dāi- (s. δαίομαι) anzusehen ist. Zur Präsensbildung vgl. πατέομαι und Schwyzer 705f. und 676. — Aind. dita- ‘geteilt’ ist eine Neubildung des klassischen Sanskrit. I-351-352
δαῦκος m. N. verschiedener Umbellaten (Athamanta Cretensis, Peucedanum Cervaria, Daucus Carota; Hp., Dsk., Gal., H. usw.; zur Begriffsbestimmung Andrews ClassPhil. 44, 185); auch δαῦκον (Thphr.), δαύκειον (Nik.), δαυκίον (Gp.); daneben δαυχμός (Nik.), vgl. zu δάφνη. Davon δαυκίτης (οἶνος), vgl. Redard Les noms grecs en -της 96. — Die fraglichen Pflanzen sind alle durch ihren scharfgewürzhaften Geruch bzw. den bitteren oder sogar brennenden Geschmack der Wurzel gekennzeichnet, wodurch sich eine Anknüpfung an δαίω ‘anzünden, brennen’ zur Not rechtfertigen ließe; s. Solmsen IF 26, 106f., Wortf. 118 A. 1, wo auch auf die Scholien zu Nik. Th. 94 anläßlich von δαυχμός (v. l. δαῦκος) hingewiesen wird: Πλούταρχος πλείονα μέν φησι γένη τῆς βοτάνης εἶναι, τὸ δὲ κοινὸν τῆς δυνάμεως ἰδίωμα δριμὺ καὶ πυρῶδες. Weit näher liegt indessen die Annahme, daß die Daukospflanze ihren Namen von dem gummiartigen Saft bezogen hätte, der von gewissen Arten abgesondert wird und mit heller Flamme brennt; vgl. dazu δαυχμόν· εὔκαυστον ξύλον δάφνης. Zu beachten die Form καῦκον bei Ps.-Dsk. 2, 139, die durch Kreuzung mit κάω, καῦσαι entstanden ist. — Auch δαῦκος· ὁ θρασύς H. kann als "der Feurige" (von *δαυκός ‘brennend’) zu δαίω gehören (Solmsen a. a. O.). — Mediterraner Ursprung ist allerdings keineswegs ausgeschlossen. I-352
δαυλός, δαῦλος ‘dicht bewachsen’ (A. Supp. 93, Fr. 27, Nonn., Paus. Gr., H.). Komp. ἔνδαυλον· λοχ<μ>ῶδες, δασύ H. — Zur Bildung vgl. die Opposita ψωλός, ψιλός (Chantraine Formation 238). Direkte Beziehung zu δασύς ist lautlich unmöglich; wenn für δασύς ein τ-Formans angenommen wird (s. s. v.), kann natürlich δαυλός aus *dn̥su-lo- (s. Curtius Grundz. 233) bei dēnsus bleiben. Walde (s. WP. 1, 794) will mit Prellwitz δαῦλος (neben δά-σκιος A. Supp. 93) als δά-υλος (zu ὕλη) erklären. I-352-353
δαύω ‘schlafen’ (Sapph. 83), ἔδαυσεν· ἐκοιμήθη; ἀδαύως· ἐγρηγόρως H. — Reimwort zu ἰαύω, aber sonst unerklärt. Unwahrscheinliche Hypothese bei Güntert Reimwortbildungen 163. Nicht besser Bechtel Dial. 1, 118: zu aind. doṣā́ ‘Abend’ usw.; vgl. zu δείελος. I-353
δάφνη ‘Lorbeerbaum, -zweig, Lorbeer’ (seit Od.). Nebenformen: λάφνη· δάφνη. Περγαῖοι H. und δαύχνα (thess., kypr.) mit Δαυχναῖος (Aetol.); auch δαυχμός (Nik., H.; s. δαῦκος). f. Ableitungen: δαφνίς ‘Lorbeer, -baum’ (Hp., Thphr., Pap.; vgl. κεδρίς und Chantraine Formation 343), δαφνών ‘Lorbeerhain’ (Str. usw.), δαφνῖτις ‘Kassia aus Lorbeer usw.’ (Dsk., Gal. u. a.; Redard Les noms grecs en -της 70f.), -ίτης (οἶνος, Gp.), Bein. des Apollon in Syrakus (H., EM). Adjektiva: δαφνώδης ‘lorbeerreich, -artig’ (E., Thphr.), δάφνινος ‘aus L. gemacht’ (Thphr. u. a.), δαφνιακός (AP, nach διονυσιακός usw.), δαφνήεις ‘lorbeerreich’ (Nonn.), δαφναῖος ‘zum L. gehörig’ (Nonn.), auch Bein. des Apollon (AP, Nonn.), Δαφναία Bein. der Artemis in Sparta (Paus.), auch Δαφνία (Olympia, Str.). — Δάφνις m. PN, Δαφνοῦς ON usw. — Wie das damit irgendwie zusammenhängende lat. laurus ist auch δάφνη ein unerklärtes Mittelmeerwort. Die wechselnden Formen sind teils als Varianten der gebenden Sprache, teils als wechselnde Wiedergabe bei der Entlehnung verständlich. — Solmsen Wortforschung 118 A. 1 und Bechtel Dial. 1, 205, Gött. Nachr. 1919, 343f. wollen δαύχνα, δαυχμός von δάφνη trennen und zu δαῦκος (s. d.) mit weiterem Anschluß an δαίω ‘anzünden’ ziehen; kaum überzeugend. Allerhand unmögliche idg. Etymologien bei W.-Hofmann s. laurus, wo auch weitere reiche Lit. I-353
δαφοινός s. δα- und φοινός. I-353
δέ ‘aber, und’ postpositive anknüpfende (adversative und kopulative) Partikel (seit Il.) — Wahrscheinlich mit Leumann Mus. Helv. 6, 85ff. durch Vokalreduktion aus δή (s. d.) infolge Funktions- und Lautschwächung entstanden. Nach Anderen, z. B. Delbrück Vergl. Synt. 2, 502ff., mit aksl. že ‘δέ’ identisch; wieder anders Brugmann Grundr.2 II 3, 999: zu ὅ-δε, οἶκόν-δε. — Weitere Einzelheiten bei Schwyzer-Debrunner 562 m. A. 1-4, wo auch über den Gebrauch. I-353
-δε lokale (deiktische) Postposition mit richtungsbezeichnendem Akkusativ, ursprünglich δέ akzentuiert (A. D., Hdn.), dann zum Unterschied von δέ ‘aber’ als Enklitikon behandelt (seit Il.). — Mit aw. -da (vaēsmən-da ‘zum Haus hin’) identisch; damit ablautend aksl. do (idg. *dŏ) ‘bis zu’, germ., z. B. ags. to, ahd. zuo ‘zu’ (idg. *dō); in Betracht kommen ferner lat. in-de und en-do, indu. — Die deiktische Funktion von -δε kommt auch in ὅ-δε usw. zum Vorschein. Einzelheiten mit Lit. bei Schwyzer 624, WP. 1, 769f., W.-Hofmann s. dē, Vasmer Russ. et. Wb. s. do. — S. auch δεῦρο. I-354
δέατο ‘schien’ daneben δεάμην· ἐδοκίμαζον, ἐδόξαζον und δέαται· φαίνεται, δοκεῖ H. ebenso wie die arkadischen Konj. δέᾱτοι und (Aor.) δεά[σε]τοι. Hierher wahrscheinlich auch der Aorist δοάσσατο, Konj. δοάσσεται (Hom.) für *δεάσσατο, -εται nach ἔδοξε (Wackernagel Unt. 61f.). — Zweisilbiger Verbalstamm δέᾰ-το (Schwyzer 680f.), der auch dem Adjektiv δῆλος (s. d.) aus *δέα-λος zugrunde liegt. Ohne genaue außergriechische Entsprechung. Einsilbige Formen mit entsprechender Bed. im Altindischen, z. B. dī́-de-ti ‘scheint’, Ipv. di-dī-hí, idg. dei-, dī-, letzteres somit als Reduktionsstufe gegenüber dem zweisilbigen deiə- in δέα-το. — Vgl. auch δῖος und Ζεύς. I-354
δέδια, δεδίσκομαι, δεδίττομαι usw. s. δείδω. I-354
δεῖ s. 2. δέω, δέομαι. I-354
δειδίσκομαι s. δηδέχαται. I-354
δείδω ‘(sich) fürchten’ (Hom.), altes Perfekt aus *δέ-δϝοι-α; Plur. δείδιμεν aus *δέ-δϝι-μεν, wozu ein neuer Sing. δείδια (Hom.; zur Erklärung Debrunner Mus. Helv. 3, 44f.), att. δέδιμεν, δέδια; daneben ein neues Perfekt δείδοικα, att. δέδοικα aus *δέ-δϝοι-κα (Spur davon in δεδροικώς [für δεδϝοι-]· <δε>δοικώς H.?), wozu ein neues Präsens δεδοίκω, Fut. δεδοικήσω (Sizilien); sigmatischer Aorist δε ῖσαι (seit Il.) aus *δϝεῖ-σαι (ἔδδεισε = *ἔ-δϝει-σε), themat. Wurzelaor. wahrscheinlich in περὶ γὰρ δίε (Ε 566 usw.) und δίον (Χ 251) aus *δϝί-ε, -ον (Hom.); vgl. zu δίεμαι; Fut. δείσομαι (seit Il.); altes Präsens fehlt. — Einzelheiten bei Schwyzer 769, 774, 782 usw. Mehrere Nominalbildungen, die aber infolge der Lautentwicklung größtenteils gegenüber dem Verb eine selbständige Stellung behaupten. Zu δείδω wurde immerhin δειδ-ήμων (Γ 56, Nonn.) nach den Adj. auf -ήμων (δαή-μων usw.) neugebildet; der Umweg über *δε-δϝει-ήμων (Schulze Q. 249) ist entbehrlich. Zu δεῖσαι außerdem δεισίλος· δειλός H.; zu δέδοικα : δεδείκελον· ἀεὶ φοβούμενον, δειλόν H. — Vgl. noch δέος, δεῖμα, δειλός, δεινός (s.vv.). — Expressives Deverbativum: δειδίσσομαι (ep.), att. δεδίττομαι, Aor. δειδίξασθαι, δεδίξασθαι ‘schrecken, erschrecken’, zunächst aus *δεδϝικι̯ομαι, falls nicht einfach Analogiebildung nach den Verba auf *(ί)σσω; schwerlich zu der unbelegten Schwundstufe von *δέδϝοικ-α. Neubildung nach den σκ-Verba δεδίσκομαι (Ar.). — Zu vergleichen ist in erster Linie das synonyme arm. erknč̣im, Aor. erkeay ‘fürchten’ mit dem Verbalabstraktum erkiwl ‘Furcht’. Auf idg. *du̯(e)i(s)- zurückführbar kann erke-ay zu *δϝεῖσ-αι genau stimmen. Das Präsens erknč̣im gehört zu einem ziemlich zahlreich vertretenen Typus mit infigiertem Nasal und suffixalem č̣, das auf eine Kombination sḱ-i̯- zurückzugehen scheint; theoretische Grundform somit *du̯i-n-sḱ-i̯-. Die allgemeine Ähnlichkeit mit δεδίττομαι, δεδίσκομαι wird zufällig sein. Aus dem Iranischen gehört hierher das isolierte aw. dvaēϑā ‘Bedrohung’; in Betracht kommen ferner lat. dīrus ‘unheilvoll, grausig’, falls mundartliche Entwicklung aus *du̯ei-ros; mit s-Erweiterung und abweichender Bedeutung aind. dvéṣṭi ‘hassen’. — Über den oft erwogenen weiteren Zusammenhang mit δίς, δύω s. zuletzt Benveniste Word 10, 254f.; ältere Lit. bei WP. 1, 816f., W.-Hofmann s. dīrus. I-354-355
δείελος (-όν Hdn.) ‘nachmittägig, abendlich’, m. ‘Abend’ (ep. poet.), δείελον n. ‘Abendessen’ (Kall.); denominatives Verb δειελιήσας ‘gevespert habend’ (ρ 599; nach ἑστιήσας). Daneben δείλη f. ‘Nachmittag, Abend’ (nachhom.; auch Φ 111, falls nicht vielmehr δειέλη zu lesen, Wackernagel Unt. 166) mit δειλινός (LXX, Str., Plu. usw.), poet. δειελινός (Theok., Kall.). — Isolierte Denominativform δείλετο (η 289 nach Aristarch für δύσετο); vgl. θέρμετο zu θερμός u. a. m., Schwyzer 722f. — Sehr unsicher εὔδειλος (Alk. POxy. 2165 I 3) als Beiw. von λόφος; nach Gentili Maia 2 : 3, 1f. = ‘dal bel tramonto’ (?); s. εὐδείελος. — Nicht sicher erklärt. Semantisch ansprechend zieht Solmsen Unt. 87ff. einige indoiran. Wörter heran, aind. doṣā́ ‘Abend’, aw. daōšatara- ‘gegen Abend gelegen, westlich’, npers. dōš ‘die letztvergangene Nacht’, idg. deus-, dous-; dabei wäre δείελος metrische Dehnung für *δέελος aus *δεύσελος, δείλη durch Kontraktion entstanden. Weitere Anknüpfungen s. δύω. — Ältere Deutungsvorschläge bei Bq. I-355
δεικανόωντο s. δηδέχαται. I-355
δείκνυμι, auch thematisch δεικνύω (gewöhnlich als jüngere Bildung aufgefaßt; anders Bonfante BSL 34, 133ff.), kret. δίκνυτι, Aor. δεῖξαι ‘zeigen’ (seit Il.). Oft mit Präfix: ἀπο-, ἐν-, ἐπι-, κατα-, παραδείκνυμι usw. Ableitungen. Verbalabstrakta: δεῖξις, vorw. von Komposita: ἀπό-, ἔν-, ἐπί-δειξις usw. (ion. att.) mit wechselnden Bedeutungen; δεῖγμα ‘Probe, Warenhalle’, παρά-, ἔν-, ἐπί-δειγμα usw. (ion. att.) mit analogischem γ (Schwyzer 769 A. 6), wozu παρα-δειγματικός, δειγματίζω, δειγματισμός usw. (Arist., hell. und spät). Nom. agentis: δείκτης, ἐν-, προ-δείκτης usw. (hell. und spät) mit δεικτικός, ἀπο-, ἐν-δεικτικός usw. (att., Arist. usw.; auch auf δεῖξις, δείκνυμι beziehbar). Nomen loci: δεικτήριον ‘Schauplatz’ (Pap., EM) mit δεικτηριάς f. ‘Mime’ (Plb.). — Für sich steht δείκηλον ‘(mimische) Darstellung, Bild, Skulptur’ (Hdt., A. R., J. usw.; zum Suffix vgl. Chantraine Formation 242, Schwyzer 484) mit δεικηλίκτᾱς (dor.) ‘Schauspieler, ὑποκριτής’ (Plu., Ath.); auch δείκελον (Demokr. u. a., nach εἴκελος usw.) und δείκανον (EM). — Zu δίκη s. bes. — Neben dem primären νυ-Präsens mit sekundärer Hochstufe (Ausnahme kret. δίκνυτι), die auch alle übrigen Formen und Ableitungen bis auf δίκη erobert hat, steht im Italischen, Germanischen und Altindischen ein thematisches Wurzelpräsens mit Hochstufe in lat. dīcō (alt deicō) ‘sprechen’, got. ga-teihan ‘anzeigen, verkündigen’, ahd. zīhan ‘zeihen, beschuldigen’ usw. (Fachwort der italisch-germanischen Rechtssprache, s. Porzig Gliederung 113); mit Schwachstufe in aind. diśáti ‘zeigen, weisen’ (= gr. δικεῖν ‘werfen’, s. d.). Auch andere Bildungen kommen vor, z. B. im Altindischen das Intensivum dédiṣṭe, im Iranischen das Jotpräsens aw. disyeiti ‘zeigen’; im Italischen und Germanischen die Deverbativa lat. dĭcāre ‘feierlich verkünden’, ahd. zeigōn ‘zeigen’. Für sich steht heth. tekkuššāmi ‘ich zeige’ mit unerklärter uš-Erweiterung. — Weitere Formen und Literatur bei WP. 1, 776f., Pok. 188f., W.-Hofmann s. dīcō. Monographische Behandlung von J. Gonda Δείκνυμι. Diss. Utrecht 1929. I-355-356
δείλη, δείλετο s. δείελος. I-356
δειλός ‘furchtsam, elend’ (vorw. ep. ion. poet. seit Il.). Kompp. ἄ-, θρασύ-, πάν-, περί-. Ableitungen: Abstraktum δειλία ‘Feigheit, Nichtswürdigkeit’ (ion. att.) mit δειλιάω ‘sich fürchten’ (LXX, D. S. u. a.), ἀπο-δειλιάω (Pl., X. usw.) und (ἀπο-)δειλίασις (Plb., Plu.). Von δειλός auch δειλότης (H.) und die Denominativa δειλαίνω ‘furchtsam sein’ (Arist., Luk. u. a.), δειλόομαι (S. Ichn. 150?, LXX, D. S.). Daneben von δειλία : δειλιαίνω ‘in Furcht setzen’ (LXX). — Expressive Erweiterungen von δειλός : δείλαιος ‘elend, bedauernswert’ (Emp., Trag., Lys. usw.; vgl. μάταιος und Chantraine Formation 46ff.) mit δειλαιότης (Sch.); mit infigiertem -ακ- (Frisk Nom. 63f.): δείλακρος (Ar.), wovon δειλακρίων (Ar.; vgl. Chantraine 165) und δειλακρίνας (EM). — Grundform *δϝει-λός bzw. *δϝει-ελός (so Schulze Q. 244 A. 2; λ-Stamm neben *δϝεῖος > δέος wie νεφέλη : νέφος ?); zum Suffix vgl. ἔκπαγλος ‘erschrecklich’ und die Ausdrücke für Gebrechen bei Chantraine 238; weitere Beziehungen s. δείδω. — Abzulehnen Kuiper ZII 8, 255ff.: zu aind. dīná- ‘schwach, gering, elend’. I-356-357
δεῖμα n. ‘Furcht, Schreck’ (vorw. ep. poet. seit Il.; vgl. Porzig Satzinhalte 267, 278f.). Ableitungen: δειμαλέος ‘furchtsam, furchtbar’ ([Arist.] Phgn., Mosch. u. a.; vgl. θαρσαλέος, σμερδαλέος usw.), δειματόεις (AP), δειματηρός (A. D.), δειματώδης (Aret.), Δειματίας Bein. d. Zeus (D. H.), Δείμας EN (vgl. Schwyzer 526 A. 5). Älter sind die Denominativa: δειμαίνω nur im Präsensstamm ‘(sich) fürchten’ (seit h. Ap.), δειματόομαι, -όω ‘erschrecken’ bzw. ‘in Furcht setzen’ (Hdt., A. usw.) mit δειμάτωσις. — Neben δεῖμα steht das meistens personifizierte Δεῖμος ‘der Schrecken’ (Il. u. a.; neben Φόβος, Ἔρις usw.; vgl. Chantraine Formation 182, Schwyzer-Debrunner 37, Porzig 283). — Aus *δϝεῖ-μα, Verbalabstraktum zu δείδω, s. d. I-357
δεῖνα, ὁ (ἡ, τό), τοῦ δεῖνος, οἱ δεῖνες usw., bisweilen indekl. τοῦ δεῖνα (weitere Formen bei Schwyzer 612), immer mit Artikel ‘N. N., der und der’ (att.). — Unerklärt. Nach gewöhnlicher Auffassung aus dem Plur. *τάδε ἔνα (vgl. ἐκεῖνος) ‘dies (und) jenes’ > *ταδεῖνα erwachsen, wozu ὁ δεῖνα usw. als Analogiebildung. Dagegen spricht vor allem, daß die Singularformen ungleich gewöhnlicher als die Pluralformen sind. — Unhaltbare Kombination bei Messing Lang. 23, 210f., s. Belardi Doxa 3, 202f. I-357
δεινός ‘furchtbar’, auch ‘außerordentlich, tüchtig usw.’ (seit Il.; vgl. zur Bedeutungsentwicklung Schwyzer 38). Kompp. πάν-, περί-, ὑπέρ-. Davon δεινότης (att.), vorw. als rhetorischer Terminus, s. L. Voit Δεινότης. Ein antiker Stilbegriff. Leipzig 1934. Denominativa: δεινόω ‘übertreiben, vergrößern’ (Th., Plu.), wovon δείνωσις (Pl. u. a.) mit δεινωτικός (Corn.) und δείνωμα (Phld.); δεινάζω ‘in Bedrängnis sein’ (LXX). — EN Δϝε̄νίας (kor.). Expressive Erweiterung Δεινάκων (Inschr.; Schwyzer 417 A. 1). — Aus *δϝει-νός als Verbaladjektiv zu δείδω (s. d.). Wegen der bei den no-Adjektiven vorherrschenden Schwundstufe der Wurzel kommt auch Anknüpfung an δέος (aus *δϝεῖος) in Betracht; zu *δϝεῖ-ος : *δϝει-νός vgl. ἔρεβος : ἐρεμ-νός. Das Wortpaar κλεινός (aus *κλεϝεσ-νός) : ἀ-κλε(ϝ)ής legt übrigens auch für δεινός neben *ἀ-δϝειής (> ἀ-δεής) eine Grundform *δϝειεσ-νός mit früh eingetretener Kontraktion nahe. I-357-358
δεῖπνον n. (seit Il.) ‘Mahlzeit’, bes. Benennung der Hauptmahlzeit, die bei Homer zu verschiedenen Tagesstunden, in Athen am Abend, eingenommen wurde. Kompp. mit -δεῖπνον im 2. Glied: 1. subst. ἀριστό-, λογό-, ψευδό-; 2. viele Bahuvrihi auf -δειπνος wie ἄ-, σύν-, φιλό-. Ableitungen. Deminutiva: δειπνίον (Ar.), δειπνάριον (Diph., AP). — δειπνῖτις (στολή) ‘Mahlzeitskleid’ (D. C.; vgl. Redard noms grecs en -της 111); δειπνοσύνη = δεῖπνον (Matro; parodierend); Δειπνεύς m. N. eines Heros in Achaia (Ath.; vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 121). — Denominative Verba: 1. δειπνέω ‘das δεῖπνον einnehmen’ (seit Il.), wovon δειπνητής ‘Mittagsgast’ (Plb.) mit δειπνητικός (Ar. u. a.) und δειπνητήριον ‘Speisesaal’ (J., Plu. u. a.). Kompp. mit ἀπο-, ἐκ-, ἐπι-, κατα-, μετα-, περι-, προ-, συν-, ὑπερ-, ὑπο-. Davon Rückbildungen wie σύνδειπνον ‘gemeinsames Mahl’. 2. δειπνίζω ‘bewirten’ (seit Od.) mit δειπνιστήριον ‘Speisesaal’ (Mantinea Ia usw.); zum Bedeutungsunterschied zwischen δειπνέω und δειπνίζω vgl. Schwyzer 736. — Zusammenbildung δείπνηστος (-ός), scil. καιρός ‘Essenszeit’ (ρ 170, Nik.), von δεῖπνον und ἐδ- ‘essen’ (kompositionelle Dehnung) mittels des το-Suffixes wie in δορπηστός und ἄριστον; daraus umgebildet δειπνηστύς ‘ds.’ (H.). Ohne Etymologie; allem Anschein nach ein mediterranes Kulturwort neben den altererbten δαίς, δαίτη. I-358
δειράς, -άδος (poet. seit h. Ap.; πολυδειράδος Οὐλύμποιο am Versende Α 499 usw.), kret. δηράς f. ‘Anhöhe, Bergrücken’. Davon mit Überspringung des Suffixes (oder durch Beziehung auf δειρή; s. unten) δειραῖος ‘hügelig’; ebenso als Hinterglied ὑψί-δειρος. — Nebenform δεῖρος· λόφος. καὶ ἀνάντης τόπος H.; wohl nur aus ὑψί-δειρος falsch erschlossen. Zur Bildung vgl. Risch 134. — Als Grundform empfiehlt sich *δερσάς (zum Lautlichen Schwyzer 285), das sich nur in der Vokalstufe von aind. dr̥ṣád- ‘Fels, Mühlstein’ unterscheidet (Fick3 1, 106 usw.). Anders Ehrlich KZ 39, 569f.: aus *δερι̯ο- zu βορέας usw. (s. d.). — Spät auf δειρή bezogen (Schwyzer 507 A. 6 m. Lit.). I-358
δειριᾶν ̌v. · λοιδορεῖσθαι. Λάκωνες, δειρεῖοι· λοίδοροι. οἱ αὐτοί, δερίαι· λοιδορίαι H. (Bechtel Dial. 2, 370 δεριᾶν, δεριαῖοι nach δερίαι; van Herwerden Lex. suppl. 192 δηριῆν usw.). — Unwahrscheinliche Hypothese bei Bezzenberger BB 16, 248, Zupitza Die german. Gutturale 78 (zu aind. járate ‘rauscht, tönt’, ahd. queran ‘seufzen’ usw.). Eher zu δέρω; vgl. die damit verwandten meng. mnd. terren ‘zanken, reizen’ usw.; s. auch λοιδορέω. I-358-359
δεῖσα f. ‘Dreck, Schlamm’ (Pap. seit IIa, Suid., EM), δείσ-οζος ‘nach Dreck riechend’ (AP). Davon δεισαλέος (Clem. Al., Suid., H.), δεισαλία = ἀκαθαρσία (Thd., H.); vgl. Debrunner IF 23, 23f. u. 38. Kompositum ἄδειος· ἀκάθαρτος. Κύπριοι H. mit regelrechtem Schwund des -σ- und α copulativum. — Unerklärt. Nach Solmsen Wortforsch. 236f. (wo ausführlich über die Bildung) zu aksl. židъkъ ‘succosus, ὑδαρός’, russ. židkij ‘dünnflüssig, schlank’ usw., die aber besser von Lidén Armen. Stud. 74f. zu arm. gēǰ ‘ὑγρός, humidus’ gezogen werden (idg. *gheid-, *ghoid-i̯o-). S. auch Lasso de la Vega Emerita 22, 89 mit Referat älterer Deutungen. I-359
δεισίας (Akk. pl.) κρεῶν IG 22, 1356 (Attika IVa init). Daneben δεισιάδα· τὴν μοῖραν, οἱ δὲ διμοιρίαν H., vgl. διχάς ‘Hälfte’, μονάς usw. (Chantraine Formation 358). — Unerklärt. I-359
δέκα ‘zehn’. Kopulativ-Kompp. ἕν-, δώ-, auch δυώ-, δυό-. Davon als altererbte Bildung (vgl. unten) δέκατος (ark. lesb. δέκοτος wie ark. δυώδεκο) ‘der zehnte’; f. δεκάτη (sc. μερίς) ‘der Zehnte’ (ion. att.) mit δεκατεύω ‘den Zehnten eintreiben’ (ion. att.), wovon δεκάτευμα (Kall.), δεκάτευσις (D. H.), δεκατεία (Plu.), δεκατευτής (Harp.) und δεκατευτήριον ‘Zehnt-, Zollstätte’ (X.); vereinzelt δεκατόω ‘ds.’ (Ep. Hebr.); dazu δεκατός ‘zur Buße des Zehnten seines Vermögens verurteilt’ (kyren.), eher haplologisch für δεκα[τω]τός bzw. δεκα[τευ]τός als direkt von δέκα, s. Kretschmer Glotta 18, 212; — δεκάτη (sc. ἡμέρα) ‘der zehnte Tag des Monats bzw. nach der Geburt eines Kindes, wo die feierliche Namengebung stattfand’ (ion. att.) mit δεκαταῖος (Pl., Arist. u. a.; zur Bildung Schwyzer 596) und δεκατισταί (Bithynien; nach den Nomina auf -ισταί, vgl. Chantraine Formation 318f.). — δεκάς, -άδος f. ‘Dekade, Zehnergruppe, bes. von Soldaten’, überh. ‘Gruppe (von Soldaten) usw.’ (seit Β 126) mit δεκαδεύς ‘Angehöriger einer Dekade’ (X.) auch ‘Vorsitzender eines Zehnmännerkollegiums’ (Trozen), δεκαδικός (Herm. Alex. in Phdr. u. a.), δεκαδιστής, -ίστρια (Delos) = δεκατιστής; als Konj. Thphr. Char. 27, 11 (Näheres bei Fraenkel Nom. ag. 2, 71). — δεκανός ‘decurio, Aufseher’ mit δεκανία, δεκανικός (Pap. usw., vgl. Mayser Pap. 12 : 3, 88), nach v. Wilamowitz Glaube 2, 401 A. 2 makedonisch, dazu Schwyzer 71, 490, Instinsky, Reall. f. Antike u. Christentum 3, 603ff., jedenfalls nicht aus lat. decānus [nach primānus usw.], das erst spät belegt ist). — Semantisch isoliert steht das denominative δεκάζω ‘(Richter) bestechen’ (att.) mit δεκασμός (D. H., Plu.), volkstümlicher Ausdruck, eig. ‘in die δεκάς (scil. Λύκου), d. h. die Zahl der bestechlichen Richter eintragen’; Näheres bei Oldfather P.-W. 13, 2398f. — Sehr unsicher altatt. δεκᾶν (IG 12, 919). — Gr. δέκα, lat. decem, aind. dáśa und übrige damit identische Wörter für ‘zehn’ gehen auf idg. *déḱm̥ zurück. Daneben stand eine kollektive t-Erweiterung (s. zuletzt Sommer Zum Zahlwort 21 A. 1; auch über δεκάκις, -ιν) in aind. daśát, lit. dẽšimt, aksl. desętь, alb. djetë ‘zehn’, die auch den Ordinalia δέκατος, lit. dešim̃tas, aksl. desętъ, got. taihunda usw., idg. *déḱm̥tos, zugrunde liegen kann (anders Meillet BSL 29, 29f.; vgl. noch Porzig Gliederung 198). Lat. decimus, aind. daśamá- usw. dagegen aus *dḱm̥mos. — Das kollektive δεκάς ist dagegen griechische Neubildung: zum Suffix (= heth. -ant/d-) Sommer Münch. Stud. z. Sprachwiss. 4, 1ff. — Reiche Lit. bei W.-Hofmann s. decem, auch mit glottogonischen Etymologien; dazu noch Brandenstein Die erste idg. Wanderung (Wien 1936) 22. S. auch εἴκοσι und ἑκατόν. I-359-360
δεκάζω ‘(Richter) bestechen’, — von δεκάς; s. δέκα. I-360
δεκτή · χλαῖνα, χλανίς H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 25 A. 1 durch Dissimilation aus *τεκτή, zu lat. tego, toga. — Ganz unwahrscheinlich. I-360
δέλεαρ, -ατος n. ‘Köder, Lockspeise’ (ion. att.). Denominatives Verb δελεάζω ‘ködern’ (ion. att.) mit δελέασμα (Ar.), δελεασμάτιον (Philox.), δελεασμός (Arist., A. D.) und den Nomina instrumenti δελεάστρα ‘geköderte Falle’ (Kratin.), δελέαστρον ‘ds.’ (Nikoph.); zu den letztgenannten δελαστρεύς ‘Fischer mit Köderfalle’ (Nik.; für *δελεα- metri causa, vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 68). — Daneben in derselben Bedeutung δείλατα pl. (Kall. Fr. 458), δελήτιον (Sophr.; δελῆτι· δελέατι H.), δέλετρον (Numen. ap. Ath., Opp.; nach den Nomina instr. auf -τρον), δέλος (PMagPar. 1, 939, Eust.; Neubildung nach den Neutra auf -ος). — Der Plural δέλευρα (Ath.) läßt für δέλεαρ auf einen ursprünglichen r-n-Stamm *δέλε-ϝαρ schließen; vgl. ἄλευρα : *ἄλε-ϝαρ. Das zweisilbige δελε- liegt auch vor im Deminutivum δελήτιον aus *δελεάτιον (vgl. auch ἄλητος zu ἀλέω, das freilich auch anders erklärt werden kann) und in der Neubildung δέλετρον (vgl. Chantraine Formation 332f.); es könnte sich auch mit der späten Neubildung δέλος vertragen. Davon abweichend nur die späte Zurechtlegung δείλατα aus *δέλ-ϝατα. Neben dem zweisilbigen δελε- steht regelrecht das einsilbige βλη- in βλῆρ (Alk.) aus *βλῆ-(ϝ)αρ bzw. *βλέ-(ϝ)αρ, s. βλέτυες. — Der an und für sich möglichen Annahme, δέλεαρ und βλῆρ seien durch Dissimilation aus *δέρεαρ und *βρῆρ entstanden und mit βιβρώσκω (s. d.), ahd. querdar ‘Köder’ verwandt (J. Schmidt KZ 25, 153, Schulze Q. 102f.), stehen einerseits Fälle wie πεῖραρ, φρέαρ mit unterbliebener Dissimilation, anderseits βλωμός usw. (s. d.) entgegen. So bleiben δέλεαρ und Verwandte mit anlautendem Labiovelar gu̯- besser bei arm. klanem, Aor. ekul ‘verschlingen’, wozu noch russ. gɫotátь ‘schlucken’, gɫot ‘Schluck’, lat. gula ‘Schlund’, gluttio ‘verschlucken’. Besonders für die lateinischen, aber auch für die armenischen und slavischen Wörter kommt indessen dabei auch der rein velare Anlaut in Betracht, der durch das Keltische und Germanische, z. B. air. gelid ‘verzehrt’, ahd. kela ‘Kehle’, sichergestellt ist. — Einzelheiten mit älterer und jüngerer Literatur bei Bq und W.-Hofmann s. vv. I-360-361
δέλετρον 1. ‘Köder’ s. δέλεαρ. I-361
δέλετρον 2. ‘Fackel’ (Timach. ap. Ath. 15, 699e, H.). — Voreilige Vermutung von Osthoff ZONF 13, 6 (zu aind. jválati ‘hell brennen, flammen’); von Hofmann ebd. mit Recht abgelehnt. I-361
δελκανός m. N. eines unbekannten Fisches (Euthyd. ap. Ath. 3, 118b). — Nach dem Flußnamen Δέλκων, vgl. Δέλκος· λίμνη ἰχθυοφόρος περὶ τὴν Θρᾴκην H.; dazu Strömberg Fischnamen 85. — Δέλκος wird von v. Blumenthal Hesychst. 25 ganz willkürlich zu τέλμα gezogen. I-361
δέλλιθες · σφῆκες, ἢ ζῷον ὅμοιον μελίσσῃ H., Hdn. Gr. 1, 89. Davon δελλίθια· ἀνθρήνια. οἱ δὲ κηρία H. — Wie ὄρνῑ-θες usw. gebildet (Schwyzer 510), kann δέλλιθες zu βελόνη gehören (s. d.); die Geminata λλ könnte, falls aus λν assimiliert, sogar mit dem n-Stamm in βελόνη in direkter Verbindung stehen (Ribezzo Don. nat. Schrijnen 350). Unteritalische Formen bei Rohlfs WB 520; s. noch Fraenkel KZ 63, 194. I-361
δέλτα n., Gen. δέλτατος Demokr. 20, sonst unflektiert. Davon δελτωτός ‘wie der Buchstabe δέλτα geformt’ (Arat., Eratosth.). — Aus dem Semitischen; vgl. hebr. dāleth, eig. ‘Tor’; Einzelheiten bei Schwyzer 140 γ mit Lit. Wegen der formalen Ähnlichkeit auf das Delta des Nils (Hdt. usw.), des Indus (Str., Arr.) und anderer Flüsse übertragen; außerdem noch auf das αἰδοῖον γυναικεῖον (Ar. Lys. 151); dazu Schulze KZ 39, 612 = Kl. Schr. 365; altindische Parallele bei Pischel KZ 41, 176ff. I-361
δέλτος, kypr. δάλτος f. (zum unerklärten Genus Schwyzer-Debrunner 34 A. 4) ‘Schreibtafel’ (ion. att.). Deminutiva δελτίον (Hdt. u. a.), δελτάριον (Plb., Plu.). Denominatives Verb δελτόομαι ‘auf eine Tafel schreiben’ (A. Supp. 179). — Unsicher ἀδεαλτώhαιε (στάλαν) 3. sg. Aor. Opt. (elisch), wahrscheinlich ‘die Tafel (Schrift) von der Stele entfernen’ von *ἄδελτος ‘ohne δέλτος’; die Schreibung kann die offene elische Aussprache von ε auszudrücken versuchen (Sittig Gnomon 14, 484). — Seit Fick (14, 456) gewöhnlich als ‘Spaltholz, glatt zugehauenes Holzbrett’ zu δαιδάλλω, lat. dolāre usw. gezogen mit besonderem Hinweis auf das gleichgebildete germanische Wort für ‘Zelt’, ahd. zelt, ags. teld, awno. tiald, auch ‘Vorhang, Decke, Teppich’, urg. *telðá- n., idg. *deltó-m n.; der starke semantische Unterschied bleibt dabei noch zu erklären. Für Zusammenhang mit dolāre (über das mehrdeutige δαιδάλλω s. v.) spricht allerdings die von Schulze KZ 45, 235 (= Kl. Schr. 365f.) herangezogene Stelle aus Hieronymus epist. 8, 1 dedolatis ex ligno coaicillis; kypr. δάλτος wäre dann alter Ablaut. Bei einem Wort dieser technischen Bedeutung liegt indessen fremde Herkunft außerordentlich nahe; semitische Herkunft ist deshalb mehrfach angenommen worden (Lewy Fremdw. 171, Solmsen BphW. 1906, 757f., Grimme Glotta 14, 17). — δάλκιον· πινάκιον, οἷον γραμματίδιον H. scheint im Ausgang nach πινάκιον umgeformt bzw. verschrieben zu sein (Latte δάλτιον; besser δαλτίον). I-361-362
δέλφαξ, -ᾰκος f. (m.) ‘Sau, Mutterschwein’ im Gegensatz zu χοῖρος (ion. att.). Davon die Deminutiva δελφάκιον (att.) und δελφακίς (Pap. und Ostr.); ferner δελφακί̄νη ‘ds.’ (Epich. 124, 2; vgl. Chantraine Formation 204), Adj. δελφάκειος (Pherekr. u. a.). Denominativum δελφακόομαι ‘Sau werden’ (Ar. Ach. 786). — Wie κόραξ, σκύλαξ und andere Tiernamen gebildet (Schwyzer 497, Chantraine 377ff.) und wie diese im einzelnen unklar. Auszugehen ist jedenfalls von einem Wort für ‘Gebärmutter, Mutterleib’ (δελφύς?, *δέλφος?, s. ἀδελφός), somit eig. ‘Muttertier’. Vgl. δέλφιξ, δελφίς, Δελφοί. I-362
δέλφιξ, -ῐκος m. ‘nach Art des delphischen Dreifußes gearbeiteter Tisch’ (Plu., EM), lat. (mensa) Delphica. — Zu Δελφοί (s. d.) nach unbekanntem Vorbild; vgl. Schwyzer 497. I-362
δελφίς (spät -ίν), -ῖνος m. ‘Delphin’ (seit Il.), lesb. βέλφινες (EM). Deminutiva δελφινίσκος (Arist.) und δελφινάριον (Hero). Sonstige Ableitungen: Δελφίνιος "Delphinengott", Bein. des Apollon mit Bezugnahme auf Δελφοί (h. Ap. usw.); davon Δελφίνιον Tempel des Ap. Delphinios in Athen (att.); auch Δελφίδιος (Knossos). — δελφίνιον und δελφινιάς (Ps.-Dsk.) Pflanzennamen (nach der Form der Blätter, Strömberg Pflanzennamen 42); — δελφίνειος (Kyran.) und δελφινίς (Luk.). — Denominatives Verb δελφινίζω ‘wie ein Delphin hineintauchen’ (Luk.). — Zur Bildung im allg. vgl. ἀκτίς, γλωχίς, ὠδίς usw. Zugrunde liegt wie bei δέλφαξ ein Wort für ‘Gebärmutter’, vgl. zu δελφύς und ἀδελφός. Der Delphin wurde somit nach seinem Körperbau benannt (Kretschmer DLZ 1893, 170). I-362-363
Δελφοί m. pl. (h. Hom. usw.) äol. Βελφοί; sekundäre Dialektformen Δαλφοί, Δολφοί, Δερφοί (Schwyzer 205, 213, 275) N. der Einwohner von Delphi (auch attributivisch) und der Stadt selbst, wahrscheinlich durch sekundäre Übertragung (Gildersleeve Syntax 51, Lundahl Namn och bygd 31 [1943] 42ff.). Fem. Δελφίς ‘delphisch, Delphierin’ (Delph., S. usw.), Adj. Δελφικός (S., Pl. u. a.). — Nach Lundahl hieß der Ort ursprünglich *Δελφύς nach der Form des Geländes, woraus *Δελφϝ-οί (vgl. ἄστυ : *ἀστϝ-ός) > Δελφοί, das später auch auf den Ort übertragen wurde. Wie dem auch sei, jedenfalls machen es die von Lundahl aus dem Germanischen herangezogenen Parallelen sehr wahrscheinlich, daß der Name Δελφοί mit δελφύς zusammenhängt. I-363
δελφύς, -ύος dor. δελφύα f. (Greg. Kor.; nach μήτρα?) f., ‘Gebärmutter’ (Hp., Arist. usw.). Daneben δολφός· ἡ μήτρα H. — Neben dem Wort für ‘Gebärmutter’ mit seinem natürlichen femininen Genus steht mit schwundstufigem Stammvokal das dingbezeichnende Neutrum aw. gərəbuš- ‘Tierjunges’; somit ist auch für δελφύς ursprünglicher s-Stamm zu erwägen (Schwyzer 516 m. Lit.). Zu δολφός stimmt (falls nicht aus *δελφός, vgl. sekundäres Δολφοί) im Vokalismus aind. gárbha-, aw. garəwa- m. ‘Mutterleib, Gebärmutter, Leibesfrucht’. Der durch das Griechische gewährleistete labiovelare Anlaut (idg. *gu̯elbh-u-, *gu̯olbh-o-) stimmt dagegen nicht zur Form einiger auch in der Bedeutung abweichender german. Wörter, ahd. kilbur n. ‘Mutterlamm’, ahd. kalb ‘Kalb’ usw., die deshalb ebenso wie lat. vulva und galba (W. Hofmann s. w. mit Lit.) fernzubleiben haben. — Wegen der Glosse ἀδελιφήρ· ἀδελφός. Λάκωνες H. (mit sekundärem anaptyktischem ι; Schwyzer 278) will Specht Ursprung 268 ohne Grund das bh-Element von einer "Wurzel" gu̯el- abtrennen. I-363
δεμελέας Akk. pl. f. ‘Blutegel’ (Epid.), δεμβλεῖς· βδέλλαι H. (mit -μβλ- aus -μλ-; allerdings zwischen δέμει und δέμνια; also mit Bücheler und Latte für δεμελεῖς?). — Unerklärt. Über die vergeblichen Versuche, lat. lumbrīcus ‘Eingeweidewurm usw.’ damit zu vereinigen s. die Literatur bei Bq und W.-Hofmann s. v. Auch die Heranziehung von alb. dhemjë ‘Raupe’, dhëmize ‘Fleischmade’ (WP. 1, 790f.) muß als sehr hypothetisch betrachtet werden. Nicht besser Winter Prothet. Vokal 32. I-363-364
δέμνια (selten sg. -ιον) n. pl. ‘Bettgestell, Bett’ (ep. poet. seit Il.). Keine Ableitungen. — Falls δέμνια ursprünglich die verbindenden Gurte bezeichnete, empfiehlt sich der Vergleich mit κρή-δεμνον ‘Kopfbinde’ (Pedersen Vergl. Gramm. d. kelt. Spr. 1, 167); δέμνια wäre dann eine ιο-Ableitung eines n-Stamms *δέμα oder r-n-Stamms *δέ-μαρ ‘Band’ (s. δέω ‘binden’). — Früher (Meister BB 11, 176) zu δέμω ‘bauen’ gezogen. I-364
δέμω, Aor. δεῖμαι, Perf. Med. δέδμημαι, dor. δέδμᾱμαι ‘bauen’ (seit Il.). Ableitungen: δέμας (nur Nom. und Akk.) ‘Körperbau, äußere Gestalt’ (ep. poet. seit Il.; zur Bed. Vivante Arch. glottol. it. 40, 44f.; vgl. unten), δομή ‘ds.’ (A. R., Nik., Lyk.), auch = ‘τεῖχος, οἰκοδομή’ (H., unsicher J. AJ 15, 11, 3) mit δομαῖος ‘zum Bau geeignet’ (A. R., APl., H.); — δόμος (δῶμα, δῶ), s. bes. — Deverbativer Aorist δωμῆσαι, -ήσασθαι (A. R., Lyk., AP usw.; δωμήσουσιν· οἰκοδομήσουσι H.), wohl von *δωμάω (allenfalls von *δωμέω, Schwyzer 719 A. 5), mit δώμημα (Lykien), ἐνδώμησις (Smyrna Ip usw.), δώμησις, δωμητύς H., δωμήτωρ (Man.). — Daneben kurzvokalische Formen, ebenfalls spät: δομέοντι· οἰκοδομοῦντι H., δεδομημένος (J., Aristid., Arr.) mit δόμησις, δόμημα (J.), δομήτωρ (Anon. Prog. in Rh.); wohl aus οἰκο-δομέω (ion. att.) ausgelöst (Schwyzer a. a. O.). — Alte Zusammenbildung νεό-δμᾱτος, νεό-δμη-τος (Pi. u. a.). S. auch μεσό-δμη. Nomen agentis οἰκοδόμος mit οἰκοδομέω ‘baue’. Adj. ναο-, πυργο- ‘Tempel, Burgen bauend’. — Das thematische Wurzelpräsens δέμω hat eine formale Entsprechung in dem german. Verb got. ga-timan, as. teman, ahd. zeman ‘geziemen, passen’ (Fick 1, 66; 454). Die abweichende Bedeutung (eig. ‘fügen’ = δέμω?) macht aber jedenfalls die ursprüngliche Identität etwas fraglich. Sicher zu dieser Sippe gehört dagegen das auf einen mit δέμας parallel laufenden (diesem zugrunde liegenden? Benveniste Origines 33) r-Stamm zurückgehende german. Wort für ‘Bauholz’, z. B. anord. timbr, ahd. zimbar, nhd. Zimmer mit dem Denominativum got. timrjan usw. ‘zimmern’, urg. *tim(b)ra-, idg. *dem-r-o- oder eher *demə-ro- (zweisilbige Wurzel mit germanischem Wegfall des -ə-; vgl. δέμας aus *demə-s und die einsilbigen langvokalischen νεό-δμᾱ-τος, δέ-δμᾱ-μαι). — In Betracht kommt noch hier.-heth. ta+mi-ha ‘ich baute’ (Kronasser ΜΝΗΜΗΣ ΧΑΡΙΝ 1, 201 m. Lit.). — Weitere Verwandte s. δόμος. I-364
δέν (Demokr. 156), Gen. δενός (Alk. 76; Text unsicher) n. ‘etwas’. — Aus οὐδέν, μηδέν falsch ausgelöst; vgl. Leumann Hom. Wörter 108 m. A. 68. I-365
δενδαλίς, -ίδος f. Art Gerstenkuchen (Nikopho, Eratosth.), δενδαλίδας· οἱ μὲν ἄνθος τι, ἄλλοι τὰς λευκὰς κάχρυς, οἱ δὲ τὰς ἐπτισμένας κριθὰς πρὸ τοῦ φρυγῆναι, οἱ δὲ τὰς ἐκ κριθῶν μάζας γενομένας H. Auch δανδαλίς, δανδαλίδες (Poll., H.). — Im Ausgang an σεμίδᾱλις ‘feines Weizenmehl’ erinnernd, aber sonst unklar. Nach Prellwitz zu δαιδάλλω (?). I-365
δενδίλλω etwa ‘auf jn. hinsehen, Blicke werfen’ (Ι 180, A. R. 3, 281, S. Fr. 1039), δενδίλλει· σκαρδαμύττει, διανεύει, σημαίνει, ἀτιμάζει, σκώπτει H. — Intensive Reduplikationsbildung ohne Etymologie. Deutungsversuche von Wood ClassPhil. 9, 145, Charpentier KZ 47, 183, Fraenkel Gnomon 22, 239, Grošelj Živa Ant. 2, 66f. — Vgl. in ähnlicher Bedeutung δα(ν) δαίνειν· ἀτενίζειν, φροντίζειν, μεριμνᾶν H.; dazu Schwyzer 647. I-365
δένδρεον (Hom., Hdt., Pi.), auch δένδρον (att., auch Hdt.); n. Kompp. 1. subst. καρυό-, λιθό-, ῥοδό-, σταφυλό-; 2. viele Bahuvrihi auf -δενδρος; δένδρος n., m. (ion. dor.; vgl. unten) ‘Baum’. Mehrere Ableitungen, vorw. spät. Deminutiva: δενδρ-ύφιον (Thphr. usw.; vgl. Schwyzer 471 A. 7; unhaltbar Specht Ursprung 267), δενδρίον (Agathokl.). — δενδρώδης ‘baumreich, -ähnlich’ (Hp., Arist. u. a.), δενδρήεις ‘baumreich usw.’ (poet. seit Od.; zu δένδρεον nach den Adj. auf -ήεις, Schwyzer 527 m. Lit.), δενδρίτης, -ῖτις ‘zum Baum gehörig’, auch N. eines Steins (Thphr., D. H. usw.; vgl. Redard Les noms grecs en -της [s. Index]), selten δενδρώτης, -ῶτις ‘mit Bäumen bewachsen’ (Hdn., E.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 128 A. 2, Redard 13); δενδρικός ‘zum Baum gehörig, mit Bäumen bewachsen’ (Thphr., Pap. u. a.), δενδριακός ‘ds.’ (AP), δένδρινος ‘ds.’ (Gloss.), δενδραῖος ‘aus Bäumen stammend’ (Nonn.), δενδράς f. ‘aus Bäumen bestehend’ (Nonn.; poet. Bildung, Chantraine Formation 354f.). — δενδρών und δένδρωμα ‘Dickicht’ (Aq.). — Denominatives Verb δενδρόομαι, -όω ‘zu einem Baum aufwachsen, in einen Baum verwandeln’ (Thphr., Nonn. u. a.) mit δένδρωσις (Thphr.). — Zu δενδρυάζω s. δενδρύω. — Die Form δένδρος wurde aus den Pluralformen δένδρεα, -έων (von δένδρεον) neugebildet; auch die geläufige attische Form δένδρον ist sekundär; vgl. ἀδελφός aus ἀδελφεός und Schwyzer 583 m. Lit., Wackernagel Unt. 109f., Debrunner Mus. Helv. 2, 198, Shipp Studies 21f., 55. — Bis auf die dissimilatorische Reduplikation stimmt δένδρεον aus *δένδρεϝον zum germanischen Wort für ‘Baum’, got. triu, ags. treow ‘tree’ usw., urg. *treu̯a- idg. *dreu̯o-. Weitere Verwandte s. δόρυ, δρῦς. Aind. daṇḍá- m. ‘Stock, Prügel’ (nach Kuiper Proto-Munda Words in Sanskrit 75ff. einheimisches LW) ist mit gr. *δένδρεϝον lautlich nicht vereinbar. I-365-366
δενδρύω ‘untertauchen’ (epid.), erweiterte Form δενδρυάζειν· τὸ καταδύνειν καὶ κρύπτεσθαι, κυρίως εἰς τὰς δρῦς, καταχρηστικῶς δὲ καὶ ἐπὶ τοῦ ἁπλῶς δύνειν καὶ κρύπτειν EM 255, 55; ähnl. H. und Paus. Gr. Fr. 119: τὸ δρυσὶ σκέπεσθαι καὶ τὸ καθ’ ὕδατος δύεσθαι κτλ. — Intensive Reduplikationsbildung zu δρύεται· κρύπτεται, δρυάσαι· κατακολυμβῆσαι H. (nicht mit Latte aus <δεν>δρύεται, <δεν>δρυάσαι abgekürzt). Das primäre δρύεται kann für *νρύεται stehen, wodurch Anschluß an eine gleichbedeutende balto-slavische Wortgruppe erreicht wird, lit. neriù, nérti ‘untertauchen, hineinschlüpfen’, klruss. po-nerty ‘tauchen’, russ. kslav. vъ-nьrǫ, vъ-nrěti ‘παρεισδύεσθαι’ usw. (weitere Verwandte bei WP. 2, 334, Pok. 766, Vasmer Russ. et. Wb. s. norá). Die Anknüpfung an δρῦς beruht offensichtlich auf Volksetymologie. — Frisk Eranos 40, 81ff. I-366
δέννος m. ‘Beschimpfung, Lästerung’ (Hdt., Herod. u. a., wohl auch Archil. 65 [cod. δεινοῖς]). Daneben δεννάζω (vgl. κυδάζω) ‘beschimpfen, lästern’ (Thgn., S., E.); δεννόν· κακολόγον, δενναστόν· καταγέλαστον, λοιδορούμενον μετὰ καταγέλωτος H. — Ohne annehmbare Erklärung; unhaltbare Hypothesen von Brugmann und Johansson sind bei Bq, WP. 1, 673 und 696, Pok. 466 notiert. Die Geminata dürfte expressiv sein (Meillet BSL 26, 15f.; anders Hoffmann Dial. 3, 583). I-366
δεξαμενή f. ‘(Wasser)behälter, Zisterne’ (Hdt., Demokr., Pl. usw.). — Aus dem Partizip δεξαμένη (δέχομαι) mit oppositivem Akzent, vgl. Schwyzer 524f.; zur Bedeutung noch Redard Sprachgesch. u. Wortbed. 360. I-366
δεξιός ‘zur Rechten befindlich, rechts, glückverheißend, geschickt’ (seit Il.), Kompp. mit ἀ-, ἀμφι-, ἀμφοτερο-, δια-, δοκησι-, ἐν-, ἐπι-, ἰσο-, περι-, ὑπερ-. δεξιά, ion. -ιή ‘die Rechte’ (seit Il.); δεξιτερός ‘zur Rechten befindlich’ (ep. poet. seit Il.). — Ableitungen: δεξιότης ‘Geschicklichkeit, Gewandtheit’ (ion. att.). — Von δεξιά: 1. δεξιόομαι ‘mit der Rechten fassen, bewillkommnen, grüßen usw.’ (h. Hom., att.) mit δεξίωσις ‘Begrüßung’ Ph., Plu. usw.), δεξιωτικός ‘bewillkommnend’ (Eust.), δεξίωμα ‘Freundschaftsbezeugung, willkommenes Ding’ (S., E., D. C.; vgl. zum poetischen Gebrauch Chantraine Formation 184ff.; v. l. δεξίαμα); — 2. δεξιάζομαι ‘bewillkommnen, gutheißen’ (LXX, Pap.) nach ἀσπάζομαι. — Falls, wie sehr wahrscheinlich (Wackernagel Verm. Beiträge 11), aus *δεξιϝός (vgl. s. λαιός, σκαιός), ist δεξιός mit gall. Dexsiva dea identisch (vgl. Porzig Gliederung 138). Das Keltische und Germanische bieten auch sonst Formen mit u̯o-Suffix, aber ohne -i-, z. B. air. dess, got. taihswa, ahd. zeso, zesawer ‘rechts’, idg. *deḱs-u̯o-. Daneben stehen im Indoiranischen und Baltisch-Slavischen eine n-Ableitung, z. B. aind. dákṣiṇa- (dakṣiṇá-), lit. dẽšinas, im Albanischen eine t-Bildung unsicheren Alters, djathtë, vgl. Pedersen KZ 36, 291. — δεξιτερός = lat. dexter. Vgl. im allg. Porzig 132 und 166, Schwyzer 58 und 472, Benveniste Noms d’agent 118. — Unwahrscheinlich Specht Ursprung 133: alter Stammwechsel i : u. — Weiteres s. δέχομαι. I-366-367
δέος n. ‘Furcht’ (seit Il.; zur Bed. Schadewaldt Herm. 83, 129ff.), als Hinterglied z. B. in ἀ-δεής ‘furchtlos’ (seit Il.), θεουδής ‘gottesfürchtig’ (Od.) für *θεο-δϝεής, att. EN Θουδῆς. — Aus *δϝεῖος bzw. *ἀ-δϝειής, *θεο-δϝειής; Verbalabstraktum zu δείδω, s. d. Vgl. auch δεινός. I-367
δέπας, -αος n. ‘Humpen, Pokal’ (ep. poet. seit Il.; zur Bed. Brommer Herm. 77, 357f., 364f.). — Ägäisch di-pa, du. di-pa-e. — Poetische Erweiterung δέπαστρον ‘ds.’ (Antim.) mit δεπαστραῖος (Lyk.), vgl. Chantraine Formation 333f., Schwyzer 532. Wie viele andere Gefäßbezeichnungen ein Mittelmeerwort ohne Etymologie. I-367
δέρη (att.), δειρή (ion. seit Il.), δερϝα (ark.), δερα (Sapph.) ‘Hals, Nacken, Kehle’. Poetische Neubildung δείρεα pl. (Euph.; nach μέλεα, μήδεα, χείλεα und anderen Körperteilbezeichnungen); daneben δέρις (Alkiphr., H.; nach ῥάχις usw.). Viele poet. Bahuvrihi nur mit -δειρος, auch als 1. Glied nur δειραχθής (AP), δειροκύπελλον (Luk.), δειρόπαις (Lyk.). f. Vereinzelt belegte Ableitungen: Deminutivum δειράδιον (Poll.); δέραιον ‘Halsband, Halskette’ (E., X. usw.; aus der Hypostase περιδέρ-αιον ‘ds.’ [Ar. usw.]), δέριον ‘ds.’ (Charis.); δειρητής = στρουθός, "Halstier" (Nik. Fr. 123), δερβιστήρ (= δερϝ-) EM, δερ[ρ]ιστήρ· περιδέραιον ἵππου, δερ[ρ]ιστής (für -τήρ mit Latte?)· κυνάγχη περιαυχένιος H.; vgl. zu βραχιονιστήρ s. βραχίων. — Epische Zusammenbildung (ἀπο)δειροτομέω ‘den Hals abschneiden’, wie von *δειρο-τόμος; zum Bildungstypus Schwyzer 726. — Neben δέρη, δειρή aus urgr. δερϝᾱ (= ark.) steht auf dem indo-iranisch-baltisch-slavischen Gebiet ein gleichgebildetes Wort für ‘Nacken usw.’: aind. aw. grīvā́, russ. grī́va ‘Mähne, Bergrücken, Sandbank’ (urspr. ‘Hals’, vgl. russ. grívьna ‘Halsband’), lett. grĩva ‘Flußmündung, Dünamünde’, lit. ON Gryvà; vgl. zur Verbreitung Porzig Gliederung 172 und 113. Auf Grund dieser verlockenden Gleichung wird für δερϝα eine idg. Grundform *gu̯er-u̯ā (neben *gu̯rī-u̯ā) angesetzt, wozu allerdings äol. δερα (für erwartetes *βερα) nicht stimmt. Der Unterschied gu̯er- : gu̯rī- ist nicht aufgeklärt : nach Brugmann Grundr.2 2 : 1, 107, Persson Beiträge 890 alter Ablaut; nach Hirt IF 31, 7 gu̯rī- Fem. eines Wurzelnomens gu̯er-; beiden Nomina wäre dann unabhängig voneinander ein u̯ā-Suffix hinzugefügt; ganz unwahrscheinlich. — Weiterer Anschluß an das idg. Wort für ‘verschlingen’ (s. βιβρώσκω) ist sehr wohl möglich, s. Schulze Q. 93ff. I-367-368
δέρκομαι, Aor. δρακεῖν, Perf. (mit Präsensbedeutung) δέδορκα ‘ansehen, blicken’ (poet. seit Il., Arist. u. späte Prosa). Auch mit Präfix ἀμφι-, ἀνα- usw. Davon die Verbalabstrakta δέργμα ‘Blick’ (A., E. usw.), δεργμός ‘ds.’ (H.), δέρξις ‘Sehvermögen’ (Orac. ap. Plu., H.); mit Schwundstufe δράκος n. ‘Auge’ (Nik. Al. 481). Verbaladjektiv als EN Δέρκετος (Kreta), δυσ-δέρκετος (Opp.). — δράκων, ὑπόδρα s. bes. — Erweiterte Verbform δερκιόωνται (Hes. Th. 911, am Versende, wahrscheinlich unecht); Neubildung zu δέδορκα nach den Verba auf -άζω (Schwyzer 735): δορκάζων· περιβλέπων H. — S. auch δορκάς. — Das Perfekt δέδορκα ‘ich sehe’ ist mit aind. dadárśa, aw. dādarəsa ‘ich habe gesehen’ identisch; der schwachstufige themat. Aorist ἔδρακον ist ebenfalls im Altindischen (neben gewöhnlicheren anderen Bildungen) zu belegen: á-dr̥ś-an (3. pl.) usw. Als Präsens dieser Formen mit ihrer ursprünglichen punktuellen Bedeutung fungieren im Indoiranischen die durativen aind. páśyati, aw. spasyeiti (vgl. σκέπτομαι). Dafür tritt im Griechischen, wahrscheinlich als Neubildung (s. die Diskussion bei Bloch Suppl. Verba 109f.), δέρκομαι, wozu noch δερχθῆναι, δέρξομαι usw., vgl. Schwyzer 758 m. A. 1, Prévot Rev. de phil. 61, 133ff.; das hochstufige derḱ- ist auch in umbr. terkantur ‘videant’ (zuletzt Bonfante RIGI 19, 174) vermutet worden. — Alt ist das Verbaladj. Δέρκετος = aind. darśatá- ‘sichtbar’; dagegen ist die schwundstufige ti-Bildung (aind. dŕ̥ṣṭi- ‘das Sehen’) durch das hochstufige δέρξις ersetzt worden. — Auch andere idg. Sprachen haben dies Wort für ‘sehen’ bewahrt, namentlich das Keltische, z. B. air. ad-con-darc ‘ich habe gesehen’. Aus dem Germanischen: got. ga-tarhjan ‘σημειοῦν, kennzeichnen’ (= aind. darśáyati ‘sehen machen, zeigen’, wäre gr. *δορκέω); ags. asächs. torht, ahd. zoraht ‘hell, deutlich’ (= aind. dr̥ṣṭá- ‘gesehen’, gr. *δρακτός). Isoliert alb. dritë ‘Licht’ (idg. *dr̥ḱtā). — Zu arm. tesanem ‘sehen’ s. δέχομαι, δοκέω. — WP. 1, 806f., Pok. 213. I-368
δέρω, auch δείρω, Aor. δεῖραι, Pass. δαρῆναι, δαρθῆναι, Perf. δέδαρμαι, auch mit Präfix ἀπο-, ἐκ- usw. ‘abhäuten, schinden’ (seit Il.). Zahlreiche Verbalnomina: 1. δέρμα ‘(abgezogene) Haut, Fell, Leder’ (seit Il.; vgl. Porzig Satzinhalte 265) mit mehreren Ableitungen: Deminutivum δερμάτιον (Pl., Arist., Pap.); Adjektiva δερμάτινος ‘ledern’ (seit Od.), δερματικός ‘aus Haut, hautähnlich’ (Arist. u. a.) mit δερματίκιον Bez. eines Gewands (Pap.), δερματώδης ‘hautähnlich’ (Arist., Thphr. usw.), δερματηρός in δερματηρά f. ‘Gewerbesteuer der Gerber’ (Pap.; vgl. Mayser Pap. 1 : 3, 96), δέρμητες· οἱ ἐξ ἐφήβων περίπολοι (cod. περισσοί) H., vgl. γυμνῆτες, κούρητες usw. Seltene Denominativa: ἀπο-δερματόω ‘schinden, abhäuten’ (Plb.; δεδερματωμέναι als Erklärung von ἰσχαλωμέναι H.), ἀπο-δερματίζω (Mediz.), δερμύλλει· αἰσχροποιεῖ, οἱ δὲ ἐκδέρει (H., Sch.; vgl. Schwyzer 736). — 2. δάρμα (delph.; wohl aus δέρμα, Schwyzer 274; aber ἀποδάρματα Hdt. 4, 64 mit Ablaut). — 3. δέρος n. = δέρμα (poet., S., E., A. R. u. a.); auch (nach κρέας?) 4. δέρας ‘ds.’ (Chios, E.); 5. δάρος· τὸ βουτύπιον H. — 6. δορά ‘abgezogene Haut, Fell’ (ion. att.); davon δορεύς ‘Schinder’, auch übertr. als Bez. eines Wurfes beim Würfelspiel (Herod., Eub.; vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 46), δορίς ‘Opfermesser’ (Kom. u. a.; vgl. κοπίς und Chantraine Formation 338), δορικός ‘aus Fell’ (Hp.), δορόω ‘bestreichen, überziehen’ (Inschr.) mit δόρωσις, δορώσιμος (Pap.), ἐνδόρωμα (Inschr., von ἐν-δορόω). — 7. δορός ‘lederner Schlauch, Sack’ (β 354; 380; vgl. Schwyzer 459). — 8. δέρρις f. ‘Haut’, insbes. als term. techn. für die zu Schirmen und Vorhängen bei Belagerungsarbeiten verwendeten Felle (Th., Kom. usw.), gewöhnlich aus *δέρ-σις (mit auffallender Hochstufe und Assimilation) erklärt, aber eher volkstümlicher Soldatenausdruck mit expressiver (hypokoristischer) Gemination (vgl. Chantraine 280; auch Schwyzer 115 A. 1); dazu δέρριον· τρίχινον σακίον H., δερρίσκος (Attika). — Dagegen mit regelmäßiger Schwundstufe und unterbliebener Assimilation 9. δάρσις ‘das Abhäuten’ (Gal.), formal = aind. dŕ̥ti- usw., s. unten. — 10. δέρτρον ‘Netzhaut, Darmfell’ (λ 579 usw.), durch Dissimilation δέτρον (H., Et. Gud.). — 11. δερτον (Akz.?) ‘abgehäutetes Schaf’ (Mykonos). — 12. δάρτης ‘Schinder’ (Gloss.). — 13. Verbaladjektiv δρατός (Ψ 169), δαρτός (Miletos Va usw.) = aind. dr̥tá- usw., s. unten; dazu δάρτινον· πέπλον λινοῦν H. — 14. δῆρις ‘Kampf’ s. bes. — Vgl. auch δόρκαι. — Das thematische Wurzelpräsens δέρω hat Entsprechungen im Germanischen und Baltisch-Slavischen, z. B. got. dis-, gataíran ‘zerreißen, zerstören’, ahd. (fir-)zeran ‘ds.’, nhd. (ver)zehren; lit. derù, dir̃ti (dìrti) ‘die Haut abziehen usw.’, aksl. derǫ, dьrati ‘schinden, reißen’. In Anbetracht der starken Produktivität dieser Verbklasse können natürlich unabhängige Parallelbildungen vorliegen. Daneben steht im Altindischen das athematische dár-ti ‘er spaltet’ ebenso wie das nā-Präsens dr̥ṇā́-ti ‘ds.’. Der sigmatische Aorist ἔ-δειρα aus *ἔ-δερσα hat ebenfalls ein Gegenstück außerhalb des Griechischen, u. zw. in aind. dárṣ-a-t (kurzvokalischer Konj.). Auch unter den Verbalnomina finden sich mehrfach formale Übereinstimmungen mit anderen Sprachen: δάρσις = aind. dŕ̥ti- ‘Schlauch’, got. ga-taúrhs ‘Zerstörung’, russ. dertь ‘Rodeland’; δρατός, δαρτός = aind. dr̥tá-, serb.-ksl. raz-drьtь ‘zerrissen’. Vgl. noch δέρ-μα gegenüber aind. dar-mán- m. ‘Zerstörer’ und, mit zweisilbiger Wz., dárī-man- n. ‘Zerstörung’. — Ein Jotpräsens (vgl. δείρω) erscheint auch in lit. diriù ‘schinden’; diese alte Schwundstufe würde tatsächlich zu gr. δαίρω (Hdt.) stimmen, das indessen als späte Schreibung für δέρω stark verdächtig ist. Dagegen fehlen im Griech. die sonst sehr häufigen n-Ableitungen, wie aind. dīrṇá- (zweisilbige Wurzelform) = germ., z. B. ags., asächs. torn eig. ‘Spaltung, Scheidung’ (= holl. torn), ‘Streit’ (vgl. δῆρις), ‘Zorn’; kelt. (kymr., korn., bret.) darn ‘Stück, Teil’, slav., z. B. russ. dërn ‘Rasen’. — Das Griechische hat somit im ganzen auf Grund des thematischen δέρω ein neues Formensystem aufgebaut, außerhalb dessen eigentlich nur die semantisch abweichenden δαρδαίνει· μολύνει H., δριμύς (beide übrigens nicht über jeden Zweifel erhaben), ebenso wie δῆρις (und δόρκαι) stehen. Weiteres reiches Material aus verschiedenen Sprachen bei WP. 1, 797ff., Pok. 206ff., Fraenkel Lit. et. Wb. s. dir̃ti, Vasmer Russ. et. Wb. s. derú. I-368-370
δέσποινα f. ‘Herrin, Hausfrau’, auch ‘Fürstin, Königin’ (seit Od.; vgl. zu δεσπότης). Davon δεσποινικός ‘im Dienst der Königin stehend’ (PMasp. 88, 10, VIp); zu ngr. δεσποινίς ‘Fräulein’ Schwyzer 133. — Als Fem. zu δεσπότης aus *δέσποτνι̯α nach dem Simplex πότνια (s. d.); die konsonantische Aussprache des ι und die daraus folgende Ausdrängung des τ hängen mit der Länge des Wortes zusammen; dissimilatorischer Schwund gegen das anlautende δ- (WP. 2, 77) ist ganz unwahrscheinlich. Die Ansetzung einer urspr. τ-losen Form (mit idg. Suffixwechsel t : n, J. Schmidt Kritik 105ff.) ist überflüssig und an sich wenig glaubhaft. Weitere Lit. bei Bq und Schwyzer 274. I-370
δεσπότης, -ου m. ‘Herr, Hausherr, Herrscher’ (Pi., Tyrt., Sapph., ion. att.; über das unerklärte Fehlen bei Homer [δέσποινα Od.] vgl. Wackernagel Unt. 209 A. 1). Auch als 2. Glied von Kompp. hinter αὐτο-, οἰκο-, φιλο-. Ableitungen: δέσποινα ‘Herrin’ s. bes.; auch δεσπότις ‘ds.’ (S., E., Pl. usw.), vereinzelt δεσπότειρα (S. Fr. 1040; nach ep. -τειρα, Chantraine Formation 105), δεσπότρια (Sch. E. Hek. 397); zu den Femininformen im allg. Fraenkel Nom. ag. 2, 27. Seltene Deminutiva δεσποτίσκος (E.), δεσποτίδιον (Aristaenet.). — Adjektiva: δεσπόσυνος ‘dem Herrscher gehörig’ (poet. seit Tyrt., h. Cer.), woneben δεσποσύνη ‘Herrschaft’ (Hdt.; vgl. Porzig Satzinhalte 226); δεσπόσιος ‘ds.’ (A. in kyr.), δεσποτικός ‘dem Herrn gehörig, herrisch’ (Pl., X., Arist. usw.), δεσπότειος (Lyk.). — Denominative Verba: 1. δεσπόζω vorw. Präsensstamm ‘Herr sein, herrschen’ (ion. att.), nach den Verben auf-(ο)ζω, vgl. auch πελάζω neben πελάτης; einen Stamm δεσποτ-, δεσποδ- (Schwyzer 734, Chantraine 26) hat es nie gegeben; davon δέσποσμα (Man.). 2. δεσποτέω ‘ds.’, vorw. im Pass. ‘einem δ. gehorchen’ (A., E., Pl.). 3. δεσποτεύω ‘ds.’ (LXX, D. C.); daneben δεσποτεία ‘Herrschaft’ (Pl., Arist. usw.; nach δουλεία usw.). — Alte Zusammenrückung, mit aind. dámpati- (daneben mit Umstellung in zwei Wörtern pátir dán), aw. dəng paitiš ‘Herr, Gebieter’ identisch. Nur hat sich im Griechischen daraus ein festes Kompositum entwickelt, wobei nach alten Mustern (lat. agricola, ἀγκυλο-μήτης neben μῆτις) für den i-Stamm (s. πόσις) ein ā-Stamm eintrat (Schwyzer 451 m. Lit.). — Das Vorderglied, idg. *dems- (woraus gr. δεσ-, aind. dam-; vgl. Brandenstein Arb. Ist. Sprachw. 4, 5f.), ist wahrscheinlich als Genetiv eines Wortes für ‘Haus’ (s. δόμος) zu erklären; s. zuletzt Humbach Münch. Stud. z. Sprachwiss. 6, 41ff. Nach Benveniste Origines 66ff. dagegen Schwundstufe eines s-Stammes; vgl. die Kritik bei Specht Gnomon 14, 33. — Ein altes Synonym ist lit. viẽšpats; s. οἶκος. I-370-371
δεταί pl. ‘Fackel’ s. 1. δέω. I-371
δευκής = γλυκύς (Nik. Al. 328). Daneben δεῦκος = γλεῦκος (Sch. A. R. 1, 1037). — Schon die Form von δευκής läßt darauf schließen, daß δευκής aus einem Kompositum, u. zw. dem u. a. als ‘bitter’ gedeuteten ep. ἀδευκής (s. d.) ausgelöst ist. Dann muß δεῦκος dazu eine künstliche Neubildung sein. Auch δευκές· λαμπρόν, ὅμοιον H. läßt sich als ein anderer Deutungsversuch von ἀδευκής verstehen. Anders dagegen δεύκει· φροντίζει H. und δεύκω = βλέπω EM 260, 54. — Vgl. ἐνδυκέως. I-371
δεύομαι, δεύω ‘ermangeln’ s. 2. δέω. I-371
δεῦρο Adv. ‘(hier)her’, auch als Interjektion und imperativisch ‘auf, wohlan’, wozu der Plur. δεῦτε (seit Il.); vereinzelter Sing. δεῦρε (att. Inschr.; nach den Imperativen auf -ε); daneben δευρί (Ar., And.) mit deiktischem -ί; äol. δεῦρυ (Hdn.) wie ἄλλυ-(δις), δεύρω Γ 240 (Hdn.) nach πρόσ(σ)ω. — Das Wort erinnert im Ausgang stark an die synonymen lit. aurè, aw. avarə und dürfte mit diesen irgendwie zusammenhängen; s. bes. Nyberg Symb. phil. Danielsson 237ff. mit älterer Lit. und weiteren iranischen Formen. Außerdem kommen in Betracht arm. ur ‘wo(hin)’, aus *ure, vgl. ure-k‘ ‘irgendwo(hin)’ und umbr. uru ‘illo’. Das Anfangselement ist schon längst als ein demonstratives Adverb *δε (vgl. die Postposition -δε) erklärt worden; somit eigentlich *δε-αυρο oder (weniger gut) *δε-υρο? Ähnlich lak. πέδευρα· ὕστερα H. aus πεδά-*αυρα? Weitere Einzelheiten bei Nyberg a. a. O.; außerdem Fraenkel Lit. et. Wb. s. aurè; auch WP. 1, 13 und 188. — Verfehlt Pisani Ist. Lomb. 73, 531ff. I-371-372
δεύτερος ‘der zweite’, der Ordnung und Zeitfolge, auch dem Range nach (seit Il.). Davon in spezialisierten Bedeutungen δευτεραῖος ‘zum zweiten Tag gehörig’ (Hdt., X. u. a.; von ἡ δευτέρα [ἡμέρα], vgl. Schwyzer 596); δευτερεῖα (sc. ἆθλα) n. pl., später auch -ον und als Adjektiv (Hdt. usw.; nach ἀριστεῖα u. a.); δευτερίας (οἶνος) Bez. des schlechteren Weins, der von den Trestern, den στέμφυλα, gepreßt wurde (Nikopho [?], Dsk. usw.; nach den Weinbezeichnungen usw. auf -ίας, Chantraine Formation 94f.; in derselben Bed. δευτερίναρ [lak.] H.); δευτέριον ‘Nachgeburt’ (Aq. u. a.). — Denominative Verba: δευτερεύω ‘der zweite sein’ (Plb., Str.), δευτεριάζω ‘ds.’ (Ar. Ek. 634; nach den Verba auf -ιάζω oder mit Anspielung auf δευτερίας?); δευτερόω ‘wiederholen usw.’ (LXX) mit δευτέρωσις (LXX) und δευτέρωμα (Eust.). — Neben δεύτερος steht vereinzelt die Superlativbildung δεύτατος (Τ 51, Mosch. u. a.). — Eig. ‘der zurückbleibende, in Abstand folgende usw.’, komparative Bildung zu δεύομαι, s. 2. δέω. I-372
δεύω 1. Aor. δεῦσαι ‘benetzen, etw. Trockenes mit Feuchtigkeit vermischen’ (vorw. ep. ion. poet. und spät). Sehr sparlich belegte Ableitungen: δεύσιμος (τόπος Sch. Μ 21), von *δεῦσις (Arbenz Die Adj. auf -ιμος), falls nicht vielmehr direkt von δεῦσαι; sehr unsicher δεύματα κρεῶν Pi. O. 1, 50; außerdem δευτήρ "Kocher", ‘Kessel’ (auct. ap. Poll. 10, 105). — Besser beglaubt sind einige Komposita der technischen Sprache: δευσοποιός ‘in Farbe getränkt, farbenfest’, auch übertr. ‘unvergänglich’ (Pl., mittlere Kom. usw.) mit δευσοποιέω und δευσοποιία (Alkiphr., Poll. u. a.); δευσο-ρούσιος (PMasp.VIp; vgl. ῥούσιος [aus lat. russeus ‘rötlich’]); das Vorderglied von δεῦσαι, zum ο-Vokal Schwyzer 442. — πηλοδευστέω ‘Mörtel machen’ (Attika) von *πηλο-δεύστης. — Unerklärt; vgl. διαίνω. I-372
δεύω 2. ‘ermangeln’ s. 2. δέω. I-372
δέφω, -ομαι ‘kneten, walken, masturbari’ (Ar., Eub.), Aor. ἐδέψατο bei Hippon.?, s. Scheller Münch. Stud. z. Sprachwiss. 6, 88ff. — Präs. 3. sg. δέψει (-εῖ?) Hdt. 4, 64; Aor. Ptz. δεψήσας μ 48. Davon δεφιδασταί m. pl. Mitglieder der Walkergilde (Argos), nach den Vereinsbezeichnungen auf -αστής, -ιστής (Chantraine Formation 317ff.), Bildung im übrigen unklar; über *δεφίς, *-ίζω? — δέψα ‘gegerbte Haut’ (Suid.); ἀδέψητος (υ 2; 142 u. a.). — Das Präsens δέψω (vgl. ἕψω) enthält gegenüber δέφω eine s-Erweiterung; vgl. die allerdings nicht ganz vergleichbaren Fälle bei Schwyzer 706. H. Petersson KZ 47, 285 vergleicht ansprechend arm. top‘em ‘schlagen’ (denominative Bildung), skr. dépati ‘stoßen, schlagen’, poln. deptać ‘treten’. Lat. depsō, -ĕre ist griech. LW.; vgl. W.-Hofmann s. v. mit Lit. — S. auch διφθέρα. I-372-373
δέχομαι att., δέκομαι (ion. äol. kret.), Aor. δέξασθαι (seit Il.). 3. pl. δέχαται (Μ 147), ep. Aor. Ptz. δέγμενος, Ind. ἐδέγμην usw., (metr. bedingt), προτί-δεγμαι· προσδέχομαι H. (vgl. Debrunner ΜΝΗΜΗΣ ΧΑΡΙΝ 1, 77ff., Specht KZ 63, 211f.; zur analogischen Aspirata bzw. Media im Stammauslaut Schwyzer 772 m. Lit. und 769 A. 6). ‘annehmen, aufnehmen, erwarten usw.’ Oft mit Präfix: ἀνα-, ἀπο-, εἰσ-, ἐκ- usw. Zahlreiche Ableitungen, vorw. von den Präfixkomposita. 1. -δόκος als Hinterglied in Zusammenbildungen (seit Il.; auch att.), z. B. ἰο-δόκος ‘Pfeile aufnehmend’ (ep.), δωρο-δόκος ‘Geschenke annehmend, bestechlich’ (att.); auch das Simplex δοκός ‘Balken’ (s. d.); δοχός ‘Behälter’ (Thphr., H.). 2. δοκάν· θήκην H.; auch in ἀν-δοκά ‘Bürgschaft’ (kret.), ἐσ-δοκά ‘Übernahme’ (ark.) usw., (ἀνα-, ἐκ- usw.)δοχή (att.) mit δοχαῖος (Nik.), δοχικός (Pap.); von δοκά, δοχή: ἀνδοκεύς ‘Bürge’ (H.; dor., vgl. E. Kretschmer Glotta 18, 91); (ἐκ-, ὑπο- usw.)δοχεύς ‘Aufnehmer, Empfänger usw.’ (hell. und spät; vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 72); daneben πανδοκεύς ‘Gastwirt’ (retrograde Bildung, vgl. Boßhardt 57); zu δοχεύς: (ἐκ-, ὑπο- usw.)δοχεῖον ‘Behälter’ (hell. und spät). 3. (ἀπό-, ἔκ- usw.)δέξις ‘Aufnahme, Empfang’ (Hdt., E. usw.) mit δέξιμος ‘annehmbar’ (Pap.; direkt auf δέχομαι bezogen). 4. (ἐκ-, δια- usw.)δέκτωρ ‘der etwas auf sich nimmt’ (A. usw., poet.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 77; 2, 10; 12). 5. (ἀπο-)δεκτήρ ‘Einnehmer’ Bez. einer Behörde (X., Arist., Mantinea) mit dem Fem. δέκτρια (Archil., AP). 6. δέκτης ‘Almosenempfänger, Bettler’ (δ 248); ἀπο-, ὑπο-δέκτης ‘Einnehmer’ (att. hell. und spät; vgl. Fraenkel [s. Index]) mit (ἀνα-, ὑπο- usw.)δεκτικός ‘zum Aufnehmen usw. geeignet’ (Arist. usw.); ὑποδέξιος ‘zum Aufnehmen geeignet, geräumig’ (Hdt.), ὑποδεξί̄η ‘freundliche Bewirtung’ (Ι 73; vgl. Risch 115). 7. ἀρι-δείκετος, 8. δεξαμενή s. bes. — δόκιμος, δόχμη s. bes.; δόκανα, δοκάνη s. δοκός. — Deverbativa: δοκέω (δοκεύω, δοκάζω), προσ-δοκάω (s. dd.). Zu δεκανᾶται· ἀσπάζεται H. s. δηδέχαται. Zu δεκάζω (von δεκάς) s. δέκα. — Als Verwandte von δέκομαι, δοκέω kommen zahlreiche Wörter in Betracht, die auf idg. deḱ-, doḱ- zurückgehen (können) und sich nach der Bedeutung mit δέκομαι mehr oder weniger glatt vereinigen lassen (s. Redard Sprachgesch. u. Wortbed. 351ff., außerdem die Bemerkungen von Wistrand Der Instrumentalis als Kasus der Anschauung im Lat. [GHÅ 1941 : 25] 14ff.). So vor allem lat. decet ‘es ist angemessen, geziemt sich’ mit decus n. (= aind. *dáśas- in daśas-yáti ‘Ehre erweisen, verehren’, mir. dech ‘der beste, vorzüglichste’; s. auch δεξιός unten), dignus, doceō usw. (näheres bei W.-Hofmann s. decet); δέκομαι somit eig. ‘etwas als angemessen betrachten, sich aneignen, gern aufnehmen’? — Aus dem Armenischen gehört gewiß hierher das primäre tesanem, Aor. tesi ‘sehen’ (v. Windekens KZ 68,221); zur Bed. vgl. δοκεύω; die an sich wenig überzeugende Annahme einer Kreuzung von idg. derḱ- (s. δέρκομαι) und speḱ- (s. σκέπτομαι) erübrigt sich. — Sehr unsicher dagegen arm. əncay ‘Gabe’, toch. A täk- ‘urteilen, entscheiden’, tāskmāṃ ‘ähnlich’, B tasemane ‘ds.’, ebenso wie die aus dem Slavischen und Germanischen herangezogenen Wörter, z. B. aksl. dešǫ, desiti ‘finden’ (s. δήω), ahd. gi-zehōn ‘in Ordnung bringen’. Fern bleiben die formal wie semantisch stark abweichenden und miteinander übrigens nicht verwandten aind. átka-, aw. aδka- ‘Gewand, Mantel’ und heth. ḫatk- ‘(Tür) schließen’ (Benveniste Origines 156). — Für sich steht das langvokalische aind. dāś-noti, dā́ṣṭi, dā́śati ‘Opfer darbringen, Ehre erweisen’, s. δηδέχαται. — Aus dem Griechischen gehört hierher noch δεξιός, das zunächst von der Schwundstufe eines s-Stammes (vgl. decus usw. oben) *deḱs- mit dem adverbialen Lok. *deḱsi ‘rechts’ ausgeht; zur semantischen Begründung Redard 361; weitere Einzelheiten s. δεξιός. — Weitere Lit. bei Pok. 189ff.; dazu Fraenkel Lit. et. Wb. s. dẽšinas, Vasmer Russ. et. Wb. s. desitь. I-373-374
δέω 1. äol. usw. δίδημι (s. unten), Aor. δῆσαι, Perf. Med. δέδεμαι (seit Il.), wozu δέδεκα (att.), Aor. Pass. δεθῆναι (att.) ‘binden’. Oft mit Präfix ἀνα-, κατα-, ὑπο-, συν- usw. Verbalnomina: 1. -δημα (als Simplex [= aind. dā́man-, s. unten] nur Sch. A. R. 2, 535) insbes. in ὑπόδημα ‘Schuh, Sandale’ (seit Od.) mit ὑποδημάτιον (Hp., Arr.), ὑποδηματάριος ‘Schuster’ (Hypata IIp), διάδημα ‘Stirnbinde, Diadem’ (X., LXX usw.) mit διαδηματίζομαι (Aq.); sekundäre Schwundstufe in δέμα (Plb. usw.). 2. δεσμός, pl. auch δεσμά, δέσματα ‘Band, Fessel usw.’ (seit Il.; zum σμ-Suffix Schwyzer 493 und Chantraine 140f.) mit mehreren Ablegern: δέσμιος ‘gefesselt, fesselnd’ (Trag.), δεσμίης· μαστιγίας ὅς ἄξιός ἐστι δεσμῶν H., δεσμίς (Hp., Thphr.), δεσμίδιον (Dsk., Pap. u. a.), δεσμάτιον (Sch.), δεσμώματα pl. ‘Fesseln’ (A., E.); δεσμώτης ‘Gefangener’ (vgl. Bloch Mus. Helv. 12, 58) und δεσμωτήριον ‘Gefängnis’ (ion. att.); denominative Verba δεσμεύω ‘binden, fesseln’ (Hes. usw.) mit den seltenen δεσμευτής (Sch.), δεσμευτικός (Pl.), δεσμευτήριον (Pap.), δέσμευσις (Pap.); δεσμέω ‘ds.’ (hell. und spät) mit δέσμημα (Tz.); — ἀναδέσμη ‘Hauptbinde, Haarband der Frauen’ (Χ 469), δέσμη ‘Bündel’ (att. usw.). 3. δέσις ‘das Binden usw.’ (Pl. u. a.), bes. ὑπό-δεσις ‘das Untenanbinden der Schuhe, Sandale’ (ion. att.). 4. δεταί pl. ‘Fackel, Brand’ (Λ 554, Ar. V. 1361, H.); wohl eher Verbalnomen ‘das Binden, Bündel’ als von δετός (Opp.), vgl. Frisk Eranos 43, 222; Demin. δετίς (Gal.). 5. δητοί pl. ‘Bündel’ (Sammelb. 1, 5, IIIp). 6. -δετήρ, -δέτης in ἀμαλλο-δετῆρες ‘Garbenbinder’ (Σ 553, 554; künstliche Bildung, Chantraine Formation 323, Fraenkel Nom. ag. 1, 65; das richtige in) ἀμαλλο-δέται (Theok., AP) wie ἱππο-δέτης (S.), κηρο-δέτας (E. in lyr.) usw. 7. δέμνια, κρήδεμνα s. bes. — Diese Wortsippe, die sich innerhalb des Griechischen im ganzen selbständig vom Verb aus entwickelt hat, ist auch im Altindischen stark vertreten. Unmittelbar entsprechen einander indessen nur δετός (διά-δετος A., δετός erst Opp.) und aind. ditá- ‘gebunden’ ebenso wie δῆμα (ὑπό-δημα usw.; vgl. oben) und aind. dā́man- ‘Band’. Von den Präsentia ist δίδημι (seit Λ 105) wahrscheinlich Neubildung zu δήσω, δῆσαι usw. nach θήσω: τίθημι (Lit. bei Schwyzer 688). Der ε-Vokal in δέω, δέσις, δετός usw. muß ebenso wie in τί-θε-μεν, θέσις usw. die Schwundstufe də- gegenüber dē- in δήσω usw. repräsentieren; auch im aind. Präs. -dyati (ā́-dyati u. a.) ‘binden’ liegt eine Reduktions- bzw. Schwundstufe vor. Ob δέω und -dyati als Jotpräsentia unter idg. *də-i̯-ō, *d[ə]-ii̯ō (als satzphonetische Varianten) zu vereinigen sind, mag dahingestellt sein. Jedenfalls reicht das alleinstehende aw. nī-dyā-tąm (3. Sg. Ipv. Med.) nicht aus, um mit WP. 1, 771 nach Bartholomae WB 761 gegen alle sonstigen Indizien eine ursprüngliche langvokalische Wurzel dēi- anzusetzen. — Das Albanesische steuert zwei isolierte Verbalnomina bei: duai ‘Garbe’ (aus idg. *dē-n-), del ‘Sehne, Flechse, Ader’ (idg. *dō-l-). — Nicht hierher lat. redimiō, s. W.-Hofmann s. v. I-374-375
δέω 2. δέομαι (ion. att.), δεύω, δεύομαι (äol., ep. seit Il.), unpers. δεῖ, δεύει, Aor. δεῆσαι, δεηθῆναι, ep. ἐδεύησεν (ι 483 = 540; δῆσεν Σ 100, wenn richtig, Neubildung zu δεῖ), Fut. δευήσομαι ‘nachstehen, ermangeln, bedürfen’, δέομαι auch ‘bitten’. Wenige Ableitungen: δέησις ‘Bedarf, Bitte’ (att.) mit δεητικός (Arist. usw.), δέημα ‘Bitte’ (Ar. Ach. 1059). Von ἐπιδέω, -ομαι, ἐπιδεύομαι ‘ermangeln, entbehren’ : ἐπιδεής, ἐπιδευής ‘bedürftig, ermangelnd’ (Schwyzer 513); von ἐνδέω, ἐνδεῖ, ἐνδέομαι ‘ermangeln’: ἐνδεής (ion. att.) mit ἔνδεια (att., aus *ἐνδέεια), ἐνδέημα (Pap.). — δέω, δεύω können für *δέϝ-ω, aber wahrscheinlich auch für *δεύσ-ω stehen (zu dieser phonetischen Frage Schwyzer 348). In letzterem Falle kann man direkt an aind. doṣa- ‘Mangel’ aus idg. *douso- anknüpfen. Dann müssen δεύτερος, -τατος Neubildungen nach δεύω usw. sein. Eine Grundform *δέϝ-ω muß für doṣa- mit einer sehr wohl möglichen s-Erweiterung (einem vermittelnden s-Stamm *deu̯os-; gr. ἐπι-, ἐν-δεής ist jedenfalls Neubildung) rechnen. — Weitere unsichere Kombinationen s. δηρός. S. auch δυσ-. — Lit. bei Bq s. v. und WP. 1, 782. — Zur Geschichte und Bedeutung von δεῖ Goodell Class. Quart. 8, 91ff. I-375-376
δή ‘eben, in der Tat, gerade’, hervorhebende Partikel (seit Il.), wie δέ in der Regel an der zweiten Stelle des Satzes; auch in mehr oder weniger festen Verbindungen wie ἤ-δη, ἐπει-δή, δῆ-θεν, δῆτα usw.; zum Gebrauch Schwyzer-Debrunner 562f. — Vielleicht Kasusform (Instrumentalis?) eines Demonstrativums; es wäre dann mit lat. dē, air. dī ‘von — weg, von — herab’ formal identisch. Reiche Lit. bei W.-Hofmann s. dē. — Aus δή wahrscheinlich durch Schwächung δέ. S. auch δαί. I-376
δηαί ‘Gerstekörner’ EM 264, 13: δηαὶ προσαγορεύονται ὑπὸ Κρητῶν αἱ κριθαί; δητταί· αἱ ἐπτισμέναι κριθαί H. — Unhaltbare Hypothesen von v. Blumenthal Hesychst. 6 (als illyrisch zu aind. dhānā́ḥ f. pl. ‘Getreidekörner’, lat. fē-līx, fēc-undus) und von Jokl bei W.-Hofmann 1, 475, wo weitere Lit. (zu faciō, τίθημι usw. als "Setzung, Besitz" [?]). Nach Schulze Q. 288 A. 4 (S. 289) einfach für διαί, d. h. ζεαί (s. d.). — Latte z. St. erinnert an δατῶναι· ζειαί H. I-376
δηδέχαται 3. pl. Präs., Ipf. δήδεκτο, δηδέχατο (codd. δειδ-, vgl. unten) ‘begrüßen, bewillkommnen’ (Hom.). — Athematische Präsensbildung mit dehnstufiger Intensivreduplikation neben dem thematischen Wurzelpräsens δέκομαι, δέχομαι (s. d.; Einzelheiten bei Schwyzer 648). Daneben δηδίσκετο, δηδισκόμενος (Od.; codd. δειδ-; für *δη-δε[κ]-σκ- nach den Verba auf -ίσκω? Schwyzer 697 A. 3 mit Bechtel Lexil. 96) und die Nasalpräsentia δεικνύμενος, δεικανόωντο ‘huldigen, grüßen’ (Hom.), ebenfalls für dehnstufiges δηκ- (Wackernagel BB 4, 268f.); für δεικανόωντο könnte auch wegen δεκανᾶται· ἀσπάζεται H. metrische Dehnung in Frage kommen (Bechtel mit Leo Meyer). — Die Einführung der Schreibung δηκ- ermöglicht mit Wackernagel Anschluß an aind. dāśnóti (= δήκνυμαι; vgl. Schwyzer 697) usw. ‘Opfer darbringen, Ehren erweisen’ und weiterhin an δέκομαι, δέχομαι, s. d. I-376
δηθά ‘lange’ (Il., A. R.). Davon δηθάκι(ς) ‘oft’ (Nik., Man. u. a.) nach πολλάκι(ς). Denominatives Verb δηθύνω ‘verweilen, zögern’ (Hom., AP u. a.) wie ταχύνω zu τάχα (vgl. Schwyzer 733). — Zu δήν (s. d.) mit suffixalem -θα wie ἔν-θα usw. (Schwyzer 628). I-377
Δηϊάνειρα s. δήϊος. I-377
δήϊος ep. Beiwort (Il.) von πῦρ, auch von πόλεμος, ἀνήρ, dor. δάϊος, δᾷος ‘feindlich, Feind, kriegerisch’ (vgl. unten), auch etwa ‘grimmig, schrecklich’ (Trag. in lyr.); durch falsche Anknüpfung an δαῆναι ‘kundig, erfahren’ (APl.). Davon δηϊοτής, -τῆτος f. (zur Oxytonierung Schwyzer 528 A. 7 m. Lit.) ‘Feindseligkeit, Gemetzel, Schlacht’ (Hom.); bedeutungsmäßig teilweise postverbal zu δηϊόω (Porzig Satzinhalte 43, 78f., Trümpy Fachausdrücke 136ff.). Denominatives Verb δηϊόω, δῃόω ‘erschlagen, töten’ (ep. seit Il.), ‘verwüsten’ (ion. att., auch A. R.); isoliert δηϊάασκον (A. R. 2, 142) nach den ep. Bildungen auf -αασκ-. Davon δηϊοῦσα Beiname des κώνειον "die Erschlagende" (Ps.-Dsk.; vgl. Strömberg Pflanzennamen 64). — Statt δηϊόω schlägt Wackernagel Unt. 170f. mit guten Gründen vor, im Epos δηΐω zu lesen (δήϊον für δῄουν Ε 452 usw.), da tatsächlich bei A. R. 3, 1374 und bei H. δῄειν· πολεμεῖν, φονεύειν belegt ist und als ein Denominativum von *δηΐς in Δηΐ-φοβος usw. (vgl. Kretschmer Glotta 10, 49f.) aufzufassen wäre; dadurch wurden sich auch die verschiedenen Bedeutungen ‘erschlagen’, bzw. ‘verwüsten’ leichter erklären. — Unter den zahlreichen EN auf Δηϊ- sei besonders erwähnt Δηϊ-άνειρα (S. usw.), nach ἀντιάνειρα (s. d.), κυδι-άνειρα usw. gebildet, aber mit verbaler Umdeutung des Vorderglieds : ‘den Mann vernichtend’; vgl. Sommer A. u. Sprw. 41. — Die gewöhnliche und offenbar alte epische Verbindung δήιον πῦρ (Versende; vgl. unten), πυρὸς δηίοιο im Verein mit dem Ausdruck θεσπιδαὲς πῦρ (Μ 177 usw.) macht eine ursprüngliche Bedeutung ‘brennend, lodernd’ mit weiterem Anschluß an δαίω ‘brennen’ (s. d.) sehr wahrscheinlich. Im übrigen ist die Beurteilung schwierig. Das metrisch unrichtige bzw. unbequeme δήιον in δ. πῦρ, πυρὸς δηίοιο will Schulze Q. 86 A. 1 (nach ihm Bechtel Lex. 97f.) in *δᾰ́ϝιον ändern und in Übereinstimmung damit bei Alkm. 79 πῦρ τε δαύιον (= δάϝ(ϝ)ιον mit Silbengrenze innerhalb des bilabialen Halbvokals) lesen. Von *δᾰ́ϝιος ‘brennend’ wäre δήϊος ‘feindlich, πολεμικός’ als ein besonderes Wort (von δηϊ- ‘Kampf’ in Δηΐ-φοβος usw.; vgl. auch δηΐω oben) zu trennen (Shipp Studies 59 betrachtet ansprechend das metrisch ungefüge δήιον πῦρ als Neubildung nach πυρὸς δηίοιο). — Nach anderen, z. B. Risch 105, wäre δήϊος sekundär auf δαίω bezogen, aber ursprünglich von δαΐ ‘Kampf’ abgeleitet (δήϊος metrische Dehnung für *δᾰ́ϊος). — Vgl. noch Solmsen Unt. 72 A. 1 (gegen Schulze), Schwyzer 578 (δήϊος aus *δά̄ϝιος wie δέδηε aus *δέ-δᾱϝ-ε neben δᾰϝ- in δᾰϝ-ί ‘Kampf’), Chantraine Gramm. hom. 1, 107 (mit Einzelheiten über den Gebrauch), Leumann Hom. Wörter 129, Björck Alpha impurum 340ff. (über die Bedeutung). I-377-378
δηκανόωντο, δηκνύμενος (codd. δεικ-) s, δηδέχαται. I-378
δηλαυγῶς · ἄγαν φανερῶς H., Ev. Mark. 8, 25 (v. l.). — Für τηλαυγῶς, aber nicht mit v. Blumenthal Hesychst. 24 als illyrisch-makedonisch, sondern durch Kreuzung mit δῆλος. I-378
δηλέομαι, Aor. δηλήσασθαι (ep. ion. seit Il.), δᾱλ- Theok. 9, 36; 15, 48; el. κα-δαλέοιτο, κα-δαλέ̄μενοι (κα-ζαλ-) ‘verderben, schädigen’. Ableitungen: δήλημα ‘Schaden, Verderben’, auch konkret (ep. poet. seit Od.; zur Bed. Chantraine Formation 183, Porzig Satzinhalte 242), und δηλήμων ‘schädigend, verderbend’ (Hom., Hdt., sp. Prosa); δήλησις ‘Beschädigung’ (ion., Thphr.); — δηλήεις ‘verderblich’ (Nik., Orph.), nach den nominalen αἰγλήεις usw.; δηλητήριος ‘ds.’ (Teos Va u. a.), -ιον ‘Gift’ (Hp. Ep., Plu. usw.), nach σωτήριος; δηλητήρ nur Hom. Epigr. 14, 8; δηλητηριώδης (Dav. Proll.). — Wahrscheinlich iterativ-intensives Deverbativum (Schwyzer 720). Daneben, mit quantitativem Ablaut, φρενο-δᾰλής ‘den Geist verderbend’ (A. Eu. 330 [lyr.]), δάλλει· κακουργεῖ H. (primäres Jotpräsens), wohl auch παν-δάλητος ‘vernichtet, nichtswürdig’ (Hippon. 2); außerdem, mit unbekannter Quantität, ἀδαλές· ὑγιές, δάλαν· λύμην, δαλῇ· κακουργῇ, δαλήσασθαι· λυμήνασθαι, ἀδικῆσαι H. Sehr fraglich ζά-δηλος (Alk., s. d.). — Mit der hypothetischen Annahme einer Grundbedeutung *‘spalten, zerstücken’ wird δηλέομαι zu der unter δαιδάλλω, δέλτος besprochenen Sippe idg. del- gezogen; in dieselbe allgemeine Bedeutungssphäre mit Übertragung auf das seelische Gebiet fällt u. a. lat. doleō, dolor; weitere Anknüpfungsmöglichkeiten bei W.-Hofmann s. doleō. Diese Etymologie setzt indessen für δηλέομαι urgr. ē als Dehnstufe von ĕ (neben Schwundstufe in φρενο-δᾰλής usw.) voraus, was sich auch mit den elischen Formen (wo ᾱ aus η sekundär wäre) verträgt; für δᾱλ- bei Theokrit muß man dagegen mit der Annahme eines Hyperdorismus auskommen. Vgl. dazu Wackernagel Glotta 14, 51f., der δᾱλ- für urgriechisch hält. S. auch Radermacher Festschrift Kretschmer 152f. — Ältere Lit. bei Bq. I-378
δήλομαι (dor.) s. βούλομαι. I-378
δῆλος ‘offenbar, deutlich’ (seit Od.: ἔκδηλος Ε 2), daneben δέελος ‘sichtbar’ (Κ 466). Denominatives Verb δηλόω ‘offenbaren, klar machen, kundtun’ (ion. att.) mit δήλωσις, δήλωμα (att. usw.), δηλωτικός (Hp., Arist. usw.). — Oft mit Präfix: ἀρί-δηλος (woneben, wahrscheinlich durch invertierte Schreibung [vgl. ζα- = δα-], ἀρί-ζηλος), ἔκ-, ἔν-, ἐπί-, κατά-δηλος usw. mit ἐκδηλόω usw.; zur Bildung und Bedeutung Strömberg Greek Prefix Studies (s. Index s. vv.). — Aus δίαλον· φανερόν und διάλας· τὰς δήλας καὶ φανεράς H., die als dialektisch für δεα- stehen können, erhellt, daß für δῆλος eine Grundform *δέαλος anzusetzen ist, die als Verbaladjektiv zu δέατο (s. d.) unmittelbar verständlich ist. Sie läßt sich auch für ἔκδηλος in Ε 2 einsetzen (Bechtel Lex. 98). Anders Schulze Q. 244 A. 2, Chantraine Formation 242 u. A., s. Bq s. v. — Das einmalige, in der Bedeutung etwas abweichende δέελος, aus dem das geläufigere εὐδείελος (s. d.) metrisch gedehnt sein kann, zeigt die Suffixvariante -ελο- (vgl. z. B. ἴκελος). I-378-379
Δημήτηρ, -τερος und -τρος (seit Il.), Δαμάτηρ (dor. usw.), auch Δωμάτηρ, Δαμμ- (thess.), weitere Einzelheiten bei Schwyzer 567f., Sommer Nominalkomp. 147, N. der griechischen Muttergöttin. Ableitungen: Δημήτριος ‘zu D. gehörig’ (A. usw.), auch als EN, wovon der Monatsname Δημητριών (Attika); Δημητρίεια pl. ‘Demeterfest’ (Samos IVa; nach ’Ασκληπίεια u. a.), Δημήτρια pl. auch ‘Demetriosfest’; Δημητριασταί N. der Demeterverehrer (Ephesos; vgl. ’Απολλωνιασταί usw.); Δημητριακός ‘zu Demeter oder Demetrios gehörig’ (D. S., Phld. u. a.); Δημήτρειοι pl. Bez. der Toten (Plu.). — Denominatives Verb δαματρίζειν· τὸ συνάγειν τὸν Δημητριακὸν καρπόν. Κύπριοι H. — Kurzform Δηώ (h. Cer. usw.) mit Δηῷος und Δηωΐνη. — Kompositum (Zusammenrückung) mit unklarem Vorderglied, bis auf die Umbildung des Stammes mit messap. damatura, wahrscheinlich N. einer Göttin, identisch (Krahe Glotta 20, 189, Sprache 1, 39; vgl. Δειπάτυρος s. Ζεύς). Von Kretschmer Wien. Stud. 24, 523ff., Glotta 17, 240 als "Mutter Erde" erklärt, aus δᾶ, einer lallwortartigen, vielleicht vorgriechischen Bezeichnung der Erde, und μάτηρ. Nach Ehrlich Betonung 62ff., dem sich Fraenkel Lexis 3, 50ff. anschließt, aus *Δασ-μάτηρ, idg. *dm̥s-, Gen. von *dem- ‘Haus’ (vgl. δεσπότης), was von Kretschmer Glotta 6, 294 mit Recht abgelehnt wird. Pisani IF 53, 28ff. und Georgiev Urgriechen und Illyrier (Sofia 1937) 9ff., 20ff. betrachten das Wort ebenso wie Δαμία, Δμία usw. als illyrisch und vergleichen alb. dhe ‘Erde’ (s. χθών); dagegen Kretschmer Glotta 27, 31. Nach Carnoy Mélanges Bidez 71ff. wäre Δη- nur eine andere lautliche Entwicklung als γῆ (beide zu βίος und Verw. [?]). Vgl. noch Fraenkel Glotta 3, 58f., wo auch Δαμία, Μνία herangezogen werden; anders über diese Wörter (zu δόμος usw.) Danielsson Eranos 1, 79f. — Ausführlich über Demeter Nilsson Gr. Rel. 1, 456ff. I-379-380
δημιουργός (att.), δημιοεργός (Od., Hdt.) m. ‘Handwerker’; daneben δημιοργός (ion.), δαμιοργός (dor., nwgr., ark., böot.), δαμιωργός (Astypal.), δαμιεργός (Astypal., Nisyr.) Bez. eines Beamten. — Mehrere Ableitungen, u. zw. in beiden Bedeutungen : δημιουργίς, δημιούργιον, δημιουργία, δημιουργικός, δημιουργεῖον; δημιουργέω mit δημιούργημα. — Aus *δημιο-ϝεργός, Zusammenbildung aus δήμια ἔργα mit verbaler Umdeutung des Hinterglieds nach dem Typus ψυχο-πομπός; daher ist auch für gewisse Dialekte als Hinterglied ein analogisch entstandenes -ϝοργός möglich; zum Lautlichen sonst Schwyzer 252f. — Weiteres s. δῆμος. I-380
δῆμος, dor. δᾶμος m. ‘Gau, Land’ (im Gegensatz zur Stadt), ‘Volk’ (seit Il.); in Athen auch Bez. der Unterabteilungen der Phylen. Sehr zahlreiche Ableitungen und Zusammensetzungen (die dor. Formen werden nicht besonders notiert). A. Substantiva: Deminutiva δημίδιον, δημακίδιον (Ar.) — δημότης, dor. auch δαμέτας (Karpathos) ‘Mann aus dem Volke, Gemeindegenosse’ (ion. att. dor.) mit zwei gewöhnlichen Adj.: 1. δημόσιος ‘dem Volk oder Staat gehörend, öffentlich’ (ion. att.) mit δημοσιεύω intr. ‘dem Staat dienen’, auch tr. ‘öffentlich machen’ und δημοσιόω ‘konfiszieren, öffentlich machen’ mit δημοσίωσις. 2. δημοτικός ‘zum Volke gehörig, dem Volke günstig, demokratisch’; über den Unterschied zwischen δημόσιος und δημοτικός, die sich beide auch direkt auf δῆμος beziehen, Chantraine Formation 392; — Fem. δημότις; Denominativum δημοτεύομαι ‘δημότης sein, zu einem Demos gehören’ (att.). — B. Adjektiva (fast völlig von δημόσιος, δημοτικός ersetzt): δήμιος ‘das Volk angehend, öffentlich’ (seit Od.), ὁ δήμιος euphemistisch ‘Scharfrichter’ (att., Benveniste Sprache 1, 121), δημώδης ‘volksmäßig’ (Pl., Phld. usw.), δημόσυνος Bein. der Artemis (Athen IV-IIIa), δημότερος ‘dem Volke gehörend usw.’ (Kall., A. R. u. a.; nach ἀγρότερος). — C. Denominative Verba: 1. δημεύω ‘öffentlich machen, konfiszieren’ (att.) mit δήμευσις und δημεῖαι· αἱ τῶν δήμων συστάσεις H. (richtig?); 2. δημόομαι ‘öffentlich singen, vortragen’ (Pi., Pl. u. a.) mit δαμώματα· τὰ δημοσίᾳ ᾀδόμενα (Ar. Pax 797); 3. δημίζω ‘als Freund des Volkes auftreten’ (Ar. V. 699). — D. Adv. δημόθεν ‘vom Volke aus, auf Gemeindekosten’ (Od., A. R. u. a.). — Von den Komposita sei nur erwähnt δημοκρατία ‘Volksherrschaft’ (ion. att.), nach ὀλιγαρχία, μοναρχία (δημαρχία = ‘Amt des δήμαρχος’); Näheres über Bildung und Entstehung bei Debrunner Festschrift Edouard Tièche (Bern 1947) 11ff. — Zu δημιουργός s. bes. Zu δῆμος bietet das Keltische eine genaue Entsprechung in air. dām ‘Gefolgschaft, Schar’, akymr. dauu ‘cliens’, nkymr. daw(f) ‘Schwiegersohn’, akorn. dof ‘gener’; nur ist das irische Wort ein fem. ā-Stamm; idg. *dāmos somit ursprünglich fem.? (Pedersen Hittitisch 52). Ursprüngliche Bedeutung ‘Abteilung, Teil’, falls, wie wahrscheinlich, m-Ableitung eines Verbs ‘teilen’, s. δαίομαι. — Nach Pedersen a. a. O. hierher auch heth. damaiš ‘anderer, zweiter’; sehr fraglich; anders über damaiš Kronasser Vgl. Laut- und Formenlehre des Heth. 150. I-380-381
δημός m. ‘Fett von Tieren und Menschen’ (Il., Hes., Ar.). Keine Ableitungen oder Zusammensetzungen (wohl wegen der formalen Gleichheit mit den entsprechenden Bildungen zu δῆμος). — Zum Vergleich meldet sich in erster Linie — mit unklarer Grundform — alb. dhjamë ‘Fett, Speck, Talg’ (vgl. Porzig Gliederung 126 und 178). Falls ursprünglich ‘Flüssigkeit, Nässe’ (wegen der Eigenschaft des Fettes, beim Kochen und Braten flüssig zu werden; vgl. ksl. lojь ‘στέαρ, Talg’ zu lijati ‘gießen’), kann δημός mit arm. *tam in tam-uk ‘feucht, benetzt’, wovon tamk-anam ‘ὑγραίνομαι, madefio’, identisch sein (idg. *dām-; für arm. *tam ist auch idg. *dəm- denkbar). Bei weiterer Abtrennung eines m-Suffixes kann man auch ein indo-iran. Wort für ‘Flüssigkeit, Wasser’ u. ähnl. einbeziehen, z. B. aind. dā́-nu- ‘Tropfen, Tau’, aw. dā-nu- ‘Fluß, Strom’, osset. don ‘Wasser, Fluß’, wozu auch kelt. Dānuvius ‘Donau’. Die angebliche gemeinsame Wurzel dā- ist allerdings nirgends zu belegen. — Lidén Armen. Stud. 73f. mit weiterer Lit., Pok. 175. I-381
δήν, dor. δάν, δοάν (s. unten), ‘lange’, auch ‘fern’ (Von der Mühll IF 50, 135ff., Mus. Helv. 12, 112; ep. poet. seit Il.). Davon δηναιός, dor. δᾱν- ‘lange lebend, lange dauernd’ (ep. poet. seit Il.) mit δηναιότης (Demokr.) und Δηναιών Monatsname (Erythrai); gewöhnlich zu αἰών, αἰεί gezogen und als Zeugnis eines alten ο-Stammes angeführt; es kann sich aber ebensowohl nach παλαιός, ἀρχαῖος gerichtet haben, vielleicht sogar nach ihrem Vorbild direkt aus δήν erweitert sein. — Wie das Oppositum πλήν (s. d.), dor. πλά̄ν eig. *‘nahe’ (zu πλησίον) ist δήν ein erstarrter Akk., u. zw. eines Wurzelnomens *δϝᾱ-, das auch in δηρός, δηθά (s. dd.) bewahrt ist. Die Schreibung δοάν (Alkm. 135) braucht nur eine Wiedergabe von δϝάν zu sein und beweist nicht die Existenz eines vollstufigen Nomens *δοϝά (Frisk Eranos 41, 48f.). Dagegen kann δαόν· πολυχρόνιον H. nicht nur für *δϝᾱ-ι̯όν, sondern auch für *δαϝόν stehen und direkt zu aksl. dav-ьnъ ‘alt’ gehören (Latte gibt δα<ναι>όν). — Weiteres s. δηρός. I-381-382
δήνεα n. pl. ‘Ratschläge, Anschläge’ (ep. seit Il., δῆνος H.). Mehrere Komposita, vorwiegend nur lexikalisch belegt: ἀδηνής· ἄκακος H., EM (woraus auch Semon. 7, 53 für überlief. ἁληνής), ἀδηνέως (Chios, H.), ἀδανές· ἀπρονόητον, ἀδηνείη· ἀπειρία, πολυδηνέα· πολύβουλον H. — Wahrscheinlich mit Brugmann Sächs. Ber. 1897, 187, (Grundr.2 2 : 1, 518) aus *δάνσεα mit analogischem α nach den verwandten δαῆναι, δαΐφρων (s. dd.) für *δένσεα, *δένσος = aind. dáṃsas- n. ‘Wunderkraft, kluge Tat’, aw. daŋhah- n. ‘Geschicklichkeit, Gewandtheit’, idg. *dénsos neben *dn̥s- in δα-ῆναι, δα-ί-φρων. Allerdings hätte man wie bei πάθος für πένθος eher vollständige Angleichung zu *δάος erwartet; vgl. noch die lautlichen Bedenken bei Bechtel Lex. 99 und bei Lasso de la Vega Emerita 22, 92, der auch aus semantischen Gründen die Verwandtschaft mit dáṃsas- ablehnt und mit Wackernagel KZ 29, 137 bei δήω (wozu nach W. noch δαῆναι usw.) Anschluß finden will. I-382
δῆρις, -ιος f. ‘Kampf, Streit’ (poet. seit Il.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 141ff.). Denominatives Verb δηρῐ́ομαι (Pi.), Aor. δηρί̄σαντο (θ 76), Akt. δηρῖσαι (Thgn., Theok. u. a.), Pass. δηρινθήτην (Π 756) als ob von *δηρίνω; vielleicht für δηρῑθήτην (Schwyzer 761 A. 5; s. auch Chantraine Gramm. hom. 1, 404), δηρινθῆναι (A. R. u. a.), Präs. metrisch umgebildet in δηριόωντο, δηριάασθαι usw. (Hom., A. R.; Schwyzer 727, Chantraine 1, 359); Ptz. Akt. δηριώντων (Pi. N. 11, 26; für -όντων nach Schulze Q. 384 A. 3), δηριόωντες (A. R. 1, 752 am Versende; zum Akt. Schwyzer-Debrunner 234, wenigstens teilweise metrisch bedingt). — δηρίττειν· ἐρίζειν H. nach den Verba auf -ίττειν. — Privatives Adj. ἀ-δήρῑ-τος ‘ohne Kampf’ (Ρ 42, wie ἀ-γέρασ-τος; ἄ-δηρις ohne Suffix AP); als Verbaladj. zu δηρίομαι ‘unbezwinglich (A. Pr. 105), ‘unbestritten’ (Plb., D. S. u. a.). — In formaler Hinsicht deckt sich δῆρις mit aind. -dāri- ‘zerspaltend’ (nur als Hinterglied und erst im Epos belegt); es gehört zu einem alten dehnstufigen Typus von Verbalabstrakta auf -i- (Osthoff ZdgP 118 und 607 m. Lit., Brugmann Grundr.2 2 : 1, 518). Ursprüngliche Bedeutung somit ‘Zerspaltung, Zwietracht’. Weitere Verwandte s. δέρω; vgl. noch Porzig Satzinhalte 353. I-382
δηρός, ‘lange dauernd’, dor. δᾱρός, gew. δηρόν, δᾱρόν als Adv. ‘lange’ (ep. poet. seit Il.; zum Gebrauch Björck Alpha impurum 126, 208, 210). — Zu δήν, δ(ϝ)ά̄ν aus *δϝᾱ-ρός und mit arm. erkar ‘lange dauernd, lang’ identisch (Meillet Rev. ét. armén. 4, 1ff.). Dieselbe Ablautstufe ist auch in heth. tuu̯a Adv. ‘fern, weit’, tuu̯ala- Adj. ‘entfernt, weit’ vermutet worden (Benveniste BSL 33, 142f.). Eine andere Form der Hochstufe liegt vor im aind. Komp. dávīyān ‘ferner’ mit analogischem Superlativ dáviṣṭha- gegenüber schwundstufigem apers. duvaištam, aw. dbōištəm ‘diutissime’; ebenso in arm. tev-em ‘ausdauern’. Schwundstufe dagegen in aind. dū-rá- ‘entfernt, lat. dū-dum ‘lange schon’ u. a. — Reiche Lit. mit Diskussion weiterer Kombinationen bei WP. 1, 778ff., Pok. 219f. Auch δέω, δεύω ‘nachstehen, ermangeln’ (s. 2. δέω) ist hierhergezogen worden. I-382-383
δήω nur Präsens (bis auf ἔδηεν· εὗρεν H.) in futurischer Bedeutung — Eigenartiges dehnstufiges thematisches Wurzelpräsens ohne sichere Entsprechung. Man vergleicht aksl. dešǫ, desiti, skr. dèsiti ‘finden’ (Pedersen IF 5, 47; vgl. auch zu δέχομαι) und alb. ndesh ‘treffen’ (Jokl WienAkSb. 168 : 1, 60ff.; slav. LW?, WP. 1, 783; Pok. 190). S. noch Vasmer Russ. et. Wb. s. desitь mit Lit. ‘ich werde finden’ (ep. seit Il.); die Futurbed. beruht auf dem perfektiven (konfektiven) Aspekt des Verbs (Schwyzer-Debrunner 265 m. Lit.). Keine Ableitungen. I-383
διά, thess. διέ, lesb, ζά (aus δι̯α). ep. δα- (s. d.); auch διαί (A., vorw. in lyr.; nach καταί, παραί, ὑπαί) Adv. und Präverb ‘entzwei, auseinander, durch’ (seit Il.), Präp. ‘durch’ (seit Il.); zur Bedeutungsentwicklung Schwyzer-Debrunner 448ff. — Wahrscheinlich aus *δισ-α zu lat. dis-, germ., z. B. asächs., ags. te-, ahd. zi-, ze- (woraus zir-, zer- durch Kreuzung mit ir-, er-), got. dis- (mit unklarem d- für t-; wohl lat. Entlehnung), alb. tsh- ‘auseinander, zer-’, mit angehängtem -α nach μετά, παρά usw. Vgl. δίς. Reiche Lit. bei W.-Hofmann s. dis-, WP. 1, 817ff., Pok. 232. I-383
διαβήτης m. ‘Zirkel’ (Ar.) von διαβαίνειν, ‘die Beine spreizen’, ‘Bleiwaage’ (Pl. , Plu.), dann ‘Heber’ (Colum., Hero) wegen der Ähnlichkeit der Gestalt; davon als med. t. t. ‘Harnruhr’ (Aret. u. a.) wegen des starken Harnflusses. Kalbfleisch BPhW 1944 (gegen Strömberg Wortstudien 89). Die Bedeutung ‘Zuckerkrankheit’ ist modern. — Vgl. βαίνω. I-383
διάγγαρον · δικέφαλον H. (an alphabetisch unrichtiger Stelle). — Wohl mit Schmidt und Latte als korrupt anzusehen. Rettungsversuch mit Hilfe des Illyrischen bei v. Blumenthal Hesychst. 24. I-383
διαίνω, Aor. διῆναι ‘benetzen, die Augen benetzen, (be)weinen’ (vorw. poet. seit Il.). Daneben διερός ‘flüssig, feucht, naß’ (Hes., A., Anaxag. usw.); für *διαρός? Vgl. μιαίνω : μιαρός. — Unerklärt. Die formale Ähnlichkeit mit δεύω beschränkt sich auf den gemeinsamen Anlaut; vielleicht liegen Kreuzungen vor. Vgl. Bechtel Lex. s. v. I-384
δίαιτα f. 1. ‘Leben(sweise), Lebensunterhalt, Diät, Aufenthaltsort, Wohnzimmer’ (Pi., ion., auch att.; über die Bed. ‘Schmuckgegenstände’ in d. LXX Del Medico ByzZ 44, 413ff.); 2. ‘Entscheidung, Schiedsspruch, Schiedsgericht’ (att.). Daneben 1. διαιτάομαι ‘sich ernähren, wo leben, sich aufhalten’ (ion. att.), -άω ‘ärztlich behandeln’ (Hp., Plu.); 2. διαιτάω ‘entscheiden, Schiedsrichter sein’ (Pi., att.). — Von 1: διαίτημα gew. im Plur. ‘Lebensweise, Lebensunterhalt, Diät’ (Hp., Th., X. u. a.) mit διατηματώδης; διαίτησις ‘Lebensweise’ (Hp., Pap.); διαιτητήρια pl. ‘Wohnzimmer’ (X.); διαιτητικός ‘zur Diät gehörig, diätetisch’ (Hp., Plb. u. a.), auch von 2: ‘zur Entscheidung gehörig’ (Str.); sehr unsicher διαιτί[α = διαίτησις (epist. Hadr.; Hesperia 3, 41). — Von 2: διαιτητής ‘Schiedsrichter’ (Hdt., att.) und διαιτήσιμος ‘zum Schiedsrichter gehörig’ (Is.; wohl direkt von διαιτάω nach ἐφέσιμος u. a.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 69f.); τὸ διαιτητικόν ‘schiedsrichterliche Entscheidung’ (Pap.). — διαίτωμα (Delph. IIa) = δίαιτα, wahrscheinlich nur daraus erweitert (Chantraine Formation 187). — Wie z. B. ἀρτάω aus *ἀ(ϝ)ερτάω neben dem primären ἀείρω, so steht δι-αιτάομαι, -άω neben dem primären αἴνυμαι (zur Bildung im allg. s. Schwyzer 705f. m. Lit.); es bedeutet somit ‘auseinandernehmen, zerlegen, verteilen’, woraus einerseits ‘Speise usw. verteilen, sich ernähren, leben’, anderseits, mit derselben Beziehung auf das Rechtswesen wie das verwandte αἴτιος (s. d. und αἶσα), ‘entscheiden’. Aus dem Verb wurde δίαιτα als retrograde Bildung geschaffen. Nur im medizinischen Sinn von ‘ärztlich behandeln’ ist διαιτάω als denominativ von δίαιτα ‘Diät’ zu betrachten. — Anders über διαιτάω, δίαιτα Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 23f. I-384
διά̄κονος, ion. διήκονος, sekundär διάκων (Pap.) m. ‘Diener, Aufwärter, Diakonus’ (ion. att. usw.). Fem. διακόνισσα (spät; vgl. Chantraine Formation 110). Weitere Ableitungen διακονία ‘Dienst, -leistung’ (att.), διακονικός (att.). — Daneben διακονέω, διη- ‘dienen, Diener sein’ (ion. att.) mit διακόνημα ‘Dienst’ (Pl., Arist. u. a.), διακόνησις ‘das Dienen’ (Pl.; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 163), διακονητικός (Alex. Aphr. — Unklar διακόνιον N. eines Kuchens (Pherekr.). — Wie das synonyme ἀμφίπολος (s. d.) kann auch διάκονος von einem primären, in diesem Falle verschollenen Verb abgeleitet sein; es kann aber ebensowohl postverbal zu διακονέω sein, das dann wie ἐγ-κονέω ‘sich beeilen’ (s. d.) ein iterativ-intensives Deverbativum wäre (s. Schwyzer 719). Unklar ist die Bedeutung von δια- (vgl. Schwyzer-Debrunner 450 A. 2); die Vokallänge mag auf kompositioneller Dehnung beruhen (ebd.). Zur Bedeutungsentwicklung ‘sich beeilen’ : ‘Diener’ s. Lidén Armen. Stud. 52. — Vgl. auch διηνεκής. I-384-385
διᾱκόσιοι (τὴν διακοσίαν ἵππον Th. 1, 62), ion. διηκόσιοι, dor. usw. διακάτιοι ‘zweihundert’ mit διακοσιοστός ‘der zweihunderte’ (D. H.), ἡ διακοσιοστή Bez. einer halbprozentigen Steuer im ptol. Ägypten (Pap.); διακοσιάκις (Herod. Med.); — διακοσιάπρωτοι Bez. der höchsten Klasse der Steuerbezahler (Aphrodisias; nach δεκά-πρωτοι); διακοσιοντά-χους ‘zweihundertfaltig’ (Str.; nach ἑκατοντά-χους usw.), ebenso διακοσιοντάκις (Alex. Aphr.). — Ursprüngliche Form des Hinterglieds -κάτιοι, woraus -κόσιοι mit regelmäßiger Assibilation τ > σ und analogischem -ο- nach -κοντα, -κοστός; διᾱ-, διη- für δι- (s. δίς) nach τριᾱ-, τριη-κόσιοι usw. Einzelheiten bei Schwyzer 592f. Vgl. εἴκοσι und ἑκατόν. I-385
Διάκριοι m. pl. Ben. eines Teils der Bevölkerung im vorsolonischen Athen (Ar., Arist., Plu.); auch Διακρεῖς (Inschr.) nach Εὐβοεῖς usw. Davon Διακρία. — Hypostasierung aus διὰ (τὰ) ἄκρα ‘zwischen den Höhen’ im Gegensatz zu den Küsten- und Flachlandbewohnern (Παράλιοι und Πεδιακοί). In derselben Bedeutung auch ‘Υπεράκριοι mit τὰ ὑπεράκρια (Hdt. u. a.). Zur Bildungsweise Schwyzer-Debrunner 454 und 522; vgl. noch Wahrmann Glotta 17, 255f. m. Lit. I-385
διάκτορος m. ep. Beiwort des Hermes (Hom. usw.); von späten Dichtern, die es als ‘Bote’ verstanden, auch auf Iris, Athena, den Adler des Zeus usw. übertragen (Kall., AP, Nonn. u. a.); zuletzt auch als Adjektiv gebraucht (διάκτορα ... ἔγχεα Nonn.). Sekundär διάκτωρ (AP, H.; vgl. διάκων = διάκονος). — Bedeutung schon früh nicht mehr bekannt; von A. Pr. 941 als ‘διάκονος’, später gewöhnlich als ‘Bote’ aufgefaßt: ἀπὸ τοῦ διάγειν τὰς ἀγγελίας H., der indessen hinzufügt: ἢ οἷον διατόρως καὶ σαφῶς διαλεγόμενος. — Die Modernen sind kaum erfolgreicher gewesen: nach Bechtel Lex. mit Fick und Solmsen als διά-κτορος zu κτέρας: "einer, der gründlich über Schätze verfügt" (?); nach Östergaard Hermes 37, 333ff. als Todesgott zu κτέρες· νεκροί H., das aber unzweifelhaft eine Grammatikererfindung ist, um κτέρεα im Sinn von ‘Totenverehrung’ zu erklären (Solmsen IF 3, 98). Dagegen nach Thieme Studien 52f. aus *δια-ακτ-τορος "hinüber zum Ufer [der Persephoneia] überqueren lassend"; mehr kühn als überzeugend. I-385-386
διαμευστάς · ἀλαζόνας, διαμευτής· ψεύστης, ἀπατεών H. — Von *δι-αμεύομαι; s. ἀμεύσασθαι. I-386
διαμμοιρηδά Adv. ‘zur Hälfte’ (A. R. 3, 1029). — Zu μοῖρα, διαμοιράω nach ἀγεληδά, ἀποσταδά u. a. mit (metrischem) -μμ- nach ἄμμορος u. a. I-386
διαμπερές, auch mit Tmesis διὰ δ’ἀμπερές (Schwyzer-Debrunner 426) Adv. ‘durch und durch, ununterbrochen’, lokal und temporal (ep. poet. seit Il.); διαμπερής als Adj. ‘durchbohrend’ (Hp.); διαμπερέως (Hp., Nik., H.), daraus ἀμπερέως· διαμπάξ H. — Von διά und ἀμπείρω (ἀμπείραντες ‘durchbohrt, aufgespießt habend’ Β 426; διαμπείρω [Q. S.] ist danach neugebildet für διαπείρω) mit Wurzelvokal wie in δια-περάω, περόνη usw. und Anschluß an die Adj. auf -ής (Schwyzer 513). Danach das synonyme διαμπάξ (A., E., X. usw.), zu ἅ-παξ, πήγνυμι. — Die Kombination δι(ά)-ἀνά noch in διάνδιχα (Hom.) u. a.; s. Schwyzer-Debrunner 449. Vgl. noch Strömberg Greek Prefix Studies 140f., Luther "Wahrheit" und "Lüge" 154f. I-386
διαπρύσιον Adv. (Hom. u. a.), -ιος Adv. (h. Hom. usw.), -ίως Adv. (D. S.) ‘durchdringend, weithin dringend’, bes. vom Laut, ‘weithin tönend, offenbar’. — Stimmt im Suffix zu τηΰσιος usw., somit zunächst für *δια-πρύ-τιος. Der Stamm erinnert an διαπρό ‘durch und durch’, wobei -τ- analogisch (hiatustilgend) sein kann, vgl. Risch 115. Für den unklaren υ-Vokal ist äolischer Ursprung vermutet worden (Chantraine Gramm. hom. 1, 25); andere Vorschläge bei Bechtel Lex. s. v. (zu πρύτανις, πρυμνός mit -υ- nach πύματος?) und Schwyzer-Debrunner 505; wieder anders Schwyzer KZ 63, 60 A. 1: δια-πρ-υ- zu διαπείρω mit υ-Suffix und Dentalableitung. I-386
διαττάω, Perf. Ptz. Pass. διεττημένος (διηττημένος Thphr. wie von δι-αττάω), als Simplex σῶσι 3. pl. Präs. (Hdt. 1, 200), ἐττημένος = σεσησμένος (Pherekr., att. Inschr.), ἐσσημένος (Delos IIIa). ‘sieben’ (att.); Davon das Verbalnomen διάττησις (Plu.), auch (postverbal) δίαττος· ἡ ἀλευρότ<τ>ησις, τὸ κόσκινον H. Am Kompositionsende ἀλευρό-ττησις ‘Mehlsieb’ (Poll., AB, H.), ‘gesiebtes Mehl’ (Suid.). — Daneben mit θ-Erweiterung σήθω, s. d. — Bei Ansetzung eines ursprünglichen *(δια-)τϝαίω ergibt sich eine allgemeine Ähnlichkeit mit aind. titaü- ‘Sieb’, eine lautlich größere aber begrifflich schwächere mit lit. tvóju ‘prügeln’. — Lit. sijóju, alb. shosh (aus *si̯ā-s-) ‘seihen’ sind aus lautlichen Gründen fernzuhalten. Schwyzer 320 m. Lit.; ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 713. — Die Schreibung mit Geminata erhielt sich, weil das Simplex außer Gebrauch gekommen war. I-386
δίβος m. N. eines Feldes des Damebretts (AP 9, 482). — Ohne Etymologie. I-387
διδάσκω, Aor. διδάξαι (wie ἀλύσκω : ἀλύξαι u. a.; s. Lit. unten), Perf. Med. δεδιδάχθαι; nachhom. διδασκῆσαι (Hes., Pi.), διδάξω (A. usw.), δεδίδαχα (Pl., X.) usw. ‘lehren’. Vom Präsensstamm: διδάσκαλος m. (f.) ‘Lehrer, (-erin)’ (ion. att. seit h. Merc.; zum iterativ-konativen Sinn Debrunner [s. u.]) mit διδασκαλία ‘Lehre, Unterricht’ (Pi., ion. att.), διδασκάλιον ‘das Gelehrte, Kenntnis’ (Hdt., X.), spät im Plur. ‘Lehrgeld’, διδασκαλικός ‘zum Lehrer, Unterricht gehörig usw.’, διδασκαλεῖον ‘Schule’ (ion. att.). — Vom Aorist (nach ταράξαι : ταραχή, τάραξις, τάραγμα u. ähnl.): διδαχή ‘Lehre, Unterricht’ (ion. att.), δίδαξις ‘ds.’ (E., Arist. u. a.; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 144), δίδαγμα ‘ds.’ (ion. att.), διδαγμοσύνη ‘ds.’ (Astrol.; nach ἀγνωμοσύνη, μνημοσύνη usw.); — δίδακτρα pl. ‘Lehrgeld’ (Theok., Poll.; vgl. Chantraine Formation 332); διδακτήριον ‘Beweis’ (Hp.); — διδακτικός ‘zum Lehren geeignet’ (Ph., NT). — Redupliziertes σκ-Präsens mit faktitiver Bedeutung zu δαῆναι (s. d.) aus *δασ-ῆναι; wegen der Verdunkelung der Stammsilbe wurde die Reduplikation, z. T. auch das σκ-Suffix in die außerpräsentischen Tempora und die Ableitungen verschleppt. — Ausführlich über Etymologie und Formengeschichte Debrunner Mélanges Boisacq 1, 251ff. m. Lit. I-387
διδράσκω s. ἀποδιδράσκω. I-387
δίδυμος ‘doppelt, zwiefach’, Subst. pl. ‘Zwillinge’ (seit Il.), ‘Hoden’ (LXX u. a.). Vereinzelt belegte Ableitungen: διδυμάονε du., Dat. pl. -οσιν ‘Zwillinge’ (Hom.), bei Nonn. im Plur. und Sing. als Adj. = δίδυμος; wohl nur aus δίδυμος erweitert nach ὀπάων u. a. (Chantraine Formation 163, Schwyzer 521 m. Lit.); διδύμιος = δίδυμος (Sammelb. 1068); διδύμια, διδυμαῖα pl. als mediz. Termini ‘Hoden usw.’ (Hp., Gal. u. a.); διδυμωτός ‘gabelig’ (Kyran.); Διδυμών Monatsname in Alexandria (Ptol.). — διδυμότης ‘Dualität’ (Pl. u. a.). — Denominatives Verb διδυμεύω ‘Zwillinge tragen’ (LXX). — διδυμᾱ-τόκος, -η- ‘Zwillinge gebärend’ (Theok., Kall. u. a.) mit kompositioneller (metrischer) Dehnung für διδυμο-τόκος (Arist.), davon διδυμη-τοκέω (-ο-). — Familiäre Reduplikationsbildung, von δύο mit μο-Suffix (ἔτυμος u. a.) frei gebildet; ebenso ἀμφί-δυμος ‘doppelt’ (ep. seit δ 847). Analogische Bildungen wie τρί-δυμος (D. H., Ph. usw.) zeigen, daß δίδυμος wenigstens später auf δίς ‘zweimal’ bezogen wurde. — Vgl. auch Gonda Reflexions on the numerals "one" and "two" 48. I-387
δίδωμι, Fut. δώσω (διδώσω ν 358, ω 314; gegen die Auffassung als "infektives" Präsensfuturum [Brugmann, Chantraine Gramm. hom. 1, 442] Schwyzer-Debrunner 266), Aor. ἔδωκα, δοῦναι (vgl. unten), Pass. δοθῆναι, Perf. δέδωκα, δέδομαι ‘geben’ (seit Il.). Oft mit Präfix: ἀνα-, ἀντι-, ἀπο-, δια- usw. Zahlreiche Ableitungen sowohl vom Simplex wie von den Präfixkomposita, teilweise altererbt. Nomina actionis: 1. δώς f. ‘Gabe’ (Hes. Op. 356 neben ἅρπαξ f. ‘Raub’, aus δώ-ς oder *δώτ-ς, s. unten); 2. (ἀνά-, ἀντί-, ἀπό- usw.)δόσις ‘das Geben, Gabe’ (seit Il.; zur Bed. Schwyzer 504 A. 2 m. Lit., Benveniste Noms d’agent 76, Holt Les noms d’action en -σις 75, Rauillard Mélanges Boisacq 2, 219ff.) mit δοσίδιον (Inschr.) und δόσιμος, vorw. von Komp. ἐπι-, ἐν-, παρα- u. a. (Arbenz Die Adj. auf -ιμος 67ff.); 3. δῶτις, sehr unsicher; nach Fraenkel Nom. ag. 1, 105 (mit Boeckh) zweimal (!) im Amphiktyonengesetz von 380a für λωτις; außerdem δῶττις· δώς, φερνή H., jedenfalls entstellt; vgl. Latte z. St.; 4. δωτίνη, -ᾱ, ‘Gabe, Abgabe, Pachtzins’ (Hom., Hdt., auch Argolis; vgl. dazu die unsichere Hypothese Leumanns Hom. Wörter 279f.), wohl alte Bildung auf -(τ)ῑν- (Schwyzer 465 A. 5; anders Porzig Satzinhalte 346; davon δωτινάζω ‘Gaben einsammeln’ Hdt. 2, 180); 5. ἀπυ-δοσμος ‘das Verkaufen’ mit ἀπυδόσμιος (ark.); 6. -δομα in ἀπό-, διά-, πρό-δομα usw.; vgl. Wilhelm Glotta 14, 70f.; 7. δῶρον s. bes. — Nomina agentis: 8. (ἐκ-, ἐπι- usw.)δοτήρ ‘Geber’ (seit Il.), f. δότειρα (Hes. u. a.); 9. δώτωρ ‘ds.’ (poet. seit Od.); zu δοτήρ : δώτωρ Schwyzer 381 und 530; Versuch einer semantischen Differenzierung bei Benveniste Noms d’agent 46 und 49; 10. δωτήρ ‘ds.’ (θεοὶ δωτῆρες ἐάων θ 325 usw.; Kreuzung von 8 und 9, vgl. unten); 11. δότης = δοτήρ (LXX u. a.); früher nur in Komp., namentlich προδότης, f. -τις ‘Verräter, -in’ (ion. poet., att.) mit προδοσία ‘Verrat’ (ion. att.); 12. δώτης (Hes. Op. 355, Augenblicksbildung neben ἀ-δώτης; vgl. δώς oben und Fraenkel Nom. ag. 1, 118, Frisk Subst. priv. 20), ἐπιδώτης Bein. des Zeus in Mantinea und anderer Götter (Paus., Plu.) mit ’Επιδώτειον N. eines Tempels (Epidauros); 13. Δωτώ N. einer Nereide (Il., Hes.; vgl. unten). — Adj. δοτικός, vorw. mit Präfix ἐπι-, μετα- usw. (Arist. usw.), zunächst zu -δότης, (-)δοτός, aber auch auf (-)δόσις und δίδωμι bezogen. — Als Vorderglied δωσι- in Δωσί-θεος usw.; vgl. zu diesem vielbesprochenen Typus Schwyzer 442f. m. Lit., Knecht Τερψίμβροτος 11; s. auch unten. — Desideratives Deverbativum παρα-, ἐν- usw. δωσείω (Th. u. a.), Iterativpräteritum δόσκον (ep.). — Bis auf die Vokalqualität der Reduplikationssilbe stimmt δί-δω-μι, δί-δω-σι zu den ebenfalls athematischen aind. dá-dā-ti, aw. da-dāi-ti; die i-Reduplikation erscheint im Italischen, z. B. vest. di-de-t ‘dat’, vielleicht auch in lat. reddō, falls aus *re-di-dō. Ebenso entsprechen einander ganz die medialen Aoristformen ἔ-δο-το, aind. á-di-ta, venet. zo-to (zum letztgenannten Krahe Sb. Heidelberg 1950 : 3, 30, Porzig Gliederung 95) und die Partizipien (-)δοτός, lat. dătus gegenüber der Hochstufe in z. B. aind. -dāta-, aw. dāta- und der Schwundstufe in aind. -tta- aus *-d-to-; als Simplex fungiert im Aind. das neugebildete dattá-. Der aktive Aorist ἔ-δω-κ-α (mit hinzugefügtem -κ- nach ἔθηκα, ἧκα, s. Schwyzer 741 m. A. 8 mit Referat anderer Ansichten) geht von einem langvokalischen Wurzelaorist *ἔ-δω-ν (vgl. ἔ-στη-ν) aus, der in aind. á-dā-t, arm. et ‘er gab’ (aus *é-dō-t) vorliegt. — Kypr. δΟϝεναι ist, falls = δωϝεναι, mit aind. dāváne ‘zu geben’ unmittelbar gleichzusetzen (anders Benveniste Origines 129; dagegen Specht Gnomon 14, 34); ein u̯-Element ist auch im kypr. Opt. δυϝάνοι (worüber zuletzt Fraenkel IF 60, 142, Carter ClassPhil. 48, 23f.), lat. duim ‘dem’, lit. dovanà ‘Gabe’, daviaũ ‘ich gab’ und mehreren anderen Formen zu Hause; hom. att. δοῦναι kann indessen auch für *δο-έναι stehen, Schwyzer 808f. — Von den Nomina finden sich in anderen Sprachen wieder: δώτωρ = aind. dā́tar-, wozu noch mit sekundärer Schwachstufe lat. dător; δοτήρ : aind. dātár- (Hochstufe sekundär); δόσις = lat. dăti-ō; δώς, falls aus *δώτ-ς = lat. dōs, -tis (falls idg. *dō-t-, nicht *dō-ti-); falls δώ-ς, vgl. aind. dā́s ‘Geber’ (ἅπ. λεγ. RV. 6, 16, 26; vgl. Schwyzer 722). Das Vorderglied Δωσι- = aind. dāti-vāra- ‘das Geben liebend, freigebig’. — Weitere Einzelheiten aus den verschiedenen Einzelsprachen bei WP. 1, 814ff., Pok. 223ff. und in den einschlägigen Spezialwörterbüchern, insbes. W.-Hofmann s. 1. dō und duim. Ältere Lit. bei Bq. I-388-389
δίεμαι Konj. δίωμαι, δίηται, δίωνται (Ο 681 usw.), Opt. δίοιτο (ρ 317). trans. ‘(ver)jagen, verfolgen, vertreiben’ in δίεσθαι (Μ 276 usw.), intr. ‘eilen’ in δίενται (Ψ 475) und δίεσθαι (Μ 304); Daneben aktive Präteritalformen δίον ‘ich floh’ (Χ 251; zu δίε mit Bedeutungsverschiebung nach φοβέομαι?, s. Chantraine Gramm. hom. 1, 388), ἐνδίεσαν ‘sie jagten, setzten nach’ (Σ 584); außerdem περὶ γὰρ δίε (Ε 566 usw.) ‘er fürchtete sehr’, s. unten. — Vereinzelte außerhomerische Formen bei A.: δίομαι mit Inf. ‘ich fürchte’ (Pers. 700f. [lyr.] bis), διόμενος ‘verjagend’ (Supp. 819, Eu. 357 und 385 [alle lyr.]); in Gortyn ἐδδίηται (< ἐσδ- = ἐκδ-), ἐπιδίεθθαι, -διόμενος ‘wegjagen, verfolgen’ (GDI 4997-8). — Zu διώκω s. bes. — Wenn wir von δίε ‘fürchtete’ absehen, das wegen der Bedeutung besser mit Schulze Q. 355 als thematischer Wurzelaorist zu δέδοικα, δείδω gezogen wird, bleiben von den aktiven Formen nur die ἅπ. λεγγ. δίον und ἐνδίεσαν übrig. Von den belegten Formen können alle bis auf ἐνδίεσαν und das ebenfalls einmalige δίενται als thematisch aufgefaßt werden. Da ein athematisches zweisilbiges δίε-μαι nur in diesen zwei Formen eindeutig vorliegt, hat man oft mit Osthoff MU 4, 13 darin Analogiebildungen nach den semantisch verwandten und damit reimenden ἵενται, ἵεσαν sehen wollen. Wenn man sie dagegen für alt hält (Schwyzer 686, Chantraine Gramm. hom. 1, 293), sind die thematischen Formen hier wie oft sonst als Neuerungen zu beurteilen. Die als verwandt herangezogenen Wörter bringen keine sichere Entscheidung: die Zerlegung von διερός ‘rasch’ (s. d.) in διε-ρός liegt nahe, ist aber nicht zwingend; anderseits ist aind. dī́yati ‘fliegen’ sowohl formal wie semantisch zu wenig ausgeprägt, um die Existenz eines alten thematischen δίω beweisen zu können. — Aus anderen Sprachen werden noch air. dīan ‘schnell’, lett. diêt ‘tanzen’ zum Vergleich herangezogen (WP. 1, 774ff., Pok. 187). S. noch δῖνος, δίζημαι, ζητέω. I-389-390
διεράω ‘durchschütten, durchseihen’ (Plu.). Ableitungen: διέραμα ‘Trichter, Sieb’ (Plu.); in den Papyri oft als Fachausdruck des ägyptischen Transportwesens mit unklarer Bedeutung, die von διαίρειν ‘transportieren’ beeinflußt wurde und die Schreibung διαίρεμα hervorrief; davon διεραματίτης Ben. eines Transportbeamten oder Transportarbeiters, s. Redard Les noms grecs en -της 44 m. Lit. Die Loslösung von διερᾶν geht auch aus der Schreibung διάραμα hervor; davon διαραματία Bez. einer Liturgie. — Neben διέραμα διέρασις (Pap.), auch διαίρασις. Frisk Bankakten 28ff.; außerdem Redard 242, der διάρημα = λέμβος (Prokop.) zur Erklärung heranzieht. — S. ἀπεράω. I-390
διερός 1. bei Hom. Beiwort von ἀνήρ (ζ 201 ἀνὴρ διερὸς βροτός), von πούς (ι 43); bei Diog. Laert. (AP 7, 123) Beiw. von φλόξ. — Bedeutung schon in der Antike unbekannt, wie aus den tastenden Vorschlägen bei H.: διερός· λαμπρός, ζῶν, περιφανής hervorgeht. Die formal sehr naheliegende Anknüpfung an δίεμαι ist auch semantisch unbedenklich (etwa ‘rasch, regsam’?), wenn auch nicht strikt zu beweisen. — Nach Schulze (s. Bechtel Lex. s. v.) in ζ 201 = *δϝιερός ‘zu fürchten’, von δείδω (s. d.); semantisch wenig zutreffend. Ältere Lit. bei Bq. I-390
διερός 2. von Anaxag. 4, 12 als Oppositum von ξηρός gebraucht ‘feucht, naß’ (vorw. poet. seit A., aber auch Thphr. u. a.). — Zu διαίνω; vielleicht für *διαρός wie μιαρός : μιαίνω, mit Spur einer alten r-n-Flexion. I-390
δίζα · αἴξ. Λάκωνες H. — Lautlich erinnert δίζα aus *διγ-ι̯α stark an arm. tik ‘Schlauch’ aus idg. *digā (vgl. φύζα : φυγή); zur Bedeutung vgl. aind. meṣá- ‘Widder, Schaf, Fell’ = aksl. měchъ ‘abgezogene Haut, Schlauch’ und andere bei Lidén Armen. Stud. 10f. angeführte Parallelen. — Ahd. ziga ‘Ziege’, woneben mit hypokoristischer Konsonantendehnung zickī(n) ‘Zicklein’, weicht nur im Auslaut (idg. k oder gh) davon ab. — Wegen ahd. ziga will Fick KZ 42, 148 (s. auch Latte zur Hesychst.) mit Änderung von Λάκωνες in Καύκωνες δίζα als thrakisch aus idg. *diĝhā (= ahd. ziga) erklären; ähnlich v. Blumenthal Hesychst. 7f.: δίζα illyrisch. — Abzulehnen Meillet BSL 23, 259f. und Studia Indoiranica Geiger 1931, 234ff.: δ-ίζα mit δ-Präfix von *ἴζα, mit αἴξ ablautend. I-390-391
δίζημαι (ep. seit Il., ion., lyr.), διζησόμεθ’ (π 239; Konj. Aor., vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 455, Schwyzer-Debrunner 258 A. 1), διζήσεαι (Parm. 8, 6; Fut.), Aor. ἐδιζησάμην (Heraklit. 101); dazu ein neues Präsens δίζομαι (Herod. u. a.; Näheres bei Schwyzer 689) ‘suchen, aufsuchen, untersuchen’ (att. dafür ζητέω). Davon δίζησις (Parm. u. a.), vgl. Porzig Satzinhalte 197. — Als Grundform von δίζημαι empfiehlt sich ein redupliziertes athematisches *δι-δι̯ᾱ-μαι, das auch den außerpräsentischen Formen und dem Nomen δίζησις als Grundlage diente. Der Verbalstamm findet sich außerdem in ζῆλος und ζητέω (s. dd.) wieder. Im übrigen dunkel; die Anknüpfung an δίεμαι oder δέατο (Lit. bei Bq und WP. 1, 775) ist ganz willkürlich. I-391
δίζω ‘zweifeln’ s. δίς. I-391
διηγανές · λαμπρόν H. — Von γάνος und διά mit kompositioneller Dehnung (vgl. διάκονος); ebenso, mit verbalem Hinterglied, διητανές· λιτόν, διατεταμένον H. Fick BB 28, 90. Verfehlt Prellwitz Glotta 19, 125. I-391
διηνεκής künstlich attisch (dorisiert) διᾱνεκής (Schwyzer 190 m. Lit.), -έως Adv. ‘ununterbrochen, stetig, endgültig, genau’ (ep. ion. seit Il., hell.; zur Bed. Luther "Wahrheit" und "Lüge" 64f.). — Aus δι(α)-ενεκ-ής mit kompositioneller Dehnung (vgl. ποδ-ηνεκής u. a.) zu ἐνεγκεῖν, ἐνεχ-θῆναι; zur Bildung des verbalen Hinterglieds Schwyzer 513. Das Simplex ἠνεκής (Emp., hell. Dichter) ist aus den Komposita ausgelöst. S. auch δουρηνεκής (s. δόρυ). I-391
δῑθύραμβος m. N. eines bei den Dionysosfesten gesungenen Liedes (seit Archil.), vereinzelt auch auf den Gott übertragen (E. Ba. 526 [lyr.]). Davon διθυραμβώδης (Ph u. a.), -ικός (Arist. u. a.), -ιος Monatsname (Gonni), διθυραμβέω ‘Dithyramben singen’ (hell.). — Schon die Bedeutung läßt darauf schließen, daß δῑθύραμβος ebenso wie die gleichgebildeten ἴαμβος, θρίαμβος ein vorgriechisches LW ist; vgl. Chantraine Formation 260, Schwyzer 61f. — Die alte Zusammenstellung des Hinterglieds mit aind. áṅga- ‘Glied’ ist von Brandenstein IF 54, 34ff. wiederaufgenommen worden, indem er διθύραμβος usw. als ägäisierte indog. Wörter ansieht. Bedenken bei Kretschmer Glotta 27, 219f. Wie Brandenstein urteilt auch Puhvel Glotta 34, 37ff. Neue, sehr kühne und fragliche idg. Etymologie von Grošelj Živa Ant. 3, 209ff., wo auch ältere Lit. Frühere Deutungsversuche bei Bq (mit Add. et Corr.). I-391-392
διῑπετής bei Hom. nur in διῑπετέος ποταμοῖο (Versende) ‘vom Himmel gefallen’, dann auch ‘himmlisch, des Himmels’ (h. Ven. 4, οἰωνοί), ‘heiter, klar’ (Emp., Hp., E. u. a.; vom Himmel usw.); vgl. Leumann Hom. Wörter 311. — Für διῑπετής (falls echt, metrische Dehnung) ist wahrscheinlich mit antiken Gewährsmännern (Sch. Od. 4, 477) διειπετής zu schreiben, wie Διειτρέφης (Inschr.) eine Analogiebildung nach Διϝεί-φιλος (ep. διί̄φιλος), wo der Dativ berechtigt war. Bechtel Lex. s. v. Zum verbalen Hinterglied vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 63, Risch 75. I-392
δικασπόλος m. ‘Rechtsverwalter, Richter’ (ep. poet. seit Il.). Davon die seltenen und späten δικασπολία und δικασπολέω. — Bildung wie αἰπόλος, βουκόλος (s. dd.), jedoch mit dem Unterschied, daß hier der Akk. pl. als Vorderglied zu dienen scheint. Der Grund, weshalb eine Kasusform des Plurals für den Stamm eintrat, ist allerdings nicht bekannt. Oder hatte der Plural eine besondere konkrete Sinnfärbung, die dem Singular nicht eignete? — Eine Analogiebildung nach δικασπόλος (nicht umgekehrt mit Bechtel Lex.) ist δικασκόπος Mytilene, Kyme, IV-IIIa). — Die Zerlegung δικα-σπόλος mit Anknüpfung an got. spillon ‘verkünden’ usw. (Lagercrantz Mélanges Boisacq 2, 59) hat innerhalb des Griechischen keine Stütze. I-392
δικεῖν Aor. ‘werfen’ (Pi., Trag.) auch ‘(in die Höhe) richten’ (E. HF 498) mit ἄνδικε· ἀνάρριψον, ἀνδικά· ὁ βόλος, ἀνδίκτης· τὸ ἀναριπτόμενον τῆς μυάγρας ξύλον (Kall.) H. Davon δίκτυον und δίσκος, s. dd. — Der formal sehr naheliegende Anschluß an δείκνυμι ist mit Recht von Brugmann IF 39, 144ff. und nach ihm von Gonda (s. δείκνυμι) 216ff. verteidigt worden: ‘in eine Richtung bringen, richten’, woraus ‘zeigen’ bzw. ‘werfen’. — Unhaltbare Wurzelanalyse bei Grošelj Živa Ant. 4, 169. I-392
δίκελλᾰ f. Ben. einer Hacke (Trag., Delos IIIa usw.). Davon δικελλίτης (Luk.). — Technischer Ausdruck ohne sichere Erklärung. Das sinnverwandte μάκελλα, μακέλη (seit Il.) scheint eine Zerlegung in δί- bzw. μά-κελλα zu erfordern, die indessen nur für δί-κελλα befriedigt: es wäre eine ι̯α-Ableitung von *δί-κελος od. ähnl., "mit zwei Zinken versehen"; vgl. s. κελεΐς, s. auch σκάλλω. Aber eine entsprechende Zurückführung von μα- auf idg. *sem- in εἷς ist nicht möglich. — Die Anknüpfung an δικεῖν (Bechtel Lex. nach Legerlotz, Chantraine Formation 99), wobei von einer λ-Ableitung *δικ-ελος auszugehen wäre, hat in der Bedeutung von δίκελλα (eig. *‘Worfel, Schippe’?) keinen genügenden Anhalt. I-392-393
δίκη f. ‘Weise, Sitte, Recht, Rechts-verhandlung, -sache, Strafe’ (seit Il.). Zahlreiche direkte und indirekte Ableitungen. 1. Deminutivum δικίδιον (Ar.; vgl. Fournier Les verbes "dire" 116). — 2. δίκαιος ‘gerecht, rechtmäßig’ (seit Il.); davon die Abstrakta δικαιότης ‘Gerechtigkeit’ (X., Pl. u. a.) und δικαιοσύνη ‘ds.’ (ion. att.; vgl. Porzig Satzinhalte 225), wozu sekundär δικαιόσυνος als später Bein. des Zeus; denominatives Verb δικαιόω ‘für gerecht halten, beanspruchen, verurteilen’ (ion. att.) mit δικαίωμα ‘Rechtsanspruch usw.’ und δικαίωσις ‘Rechtsforderung, Bestrafung’; auch δικαιωτήριον ‘Strafort’ (Pl. Phdr. 249a; wie δεσμωτήριον usw.) und δικαιωτής ‘Richter’ (Plu.) — 3. δικανικός ‘zum Prozeß gehörig, sachwalterisch, rechthaberisch’, oft herabsetzend (att.); das anscheinende Grundwort nur bei H.: δικανούς· τοὺς περὶ τὰς δίκας διατρίβοντας H. Die Vokallänge ᾱ an der einzigen metrischen Stelle, Ar. Pax 534, nach Chantraine Anales de filcl 6, 45ff. von νεᾱνικός; andere Erklärungsversuche bei Björck Alpha impurum 256f., 279f.; ein *δικικός war jedenfalls lautlich unbequem. — 4. δικαϊκός ‘gerecht’ (M. Ant.). — 5. Denominativum δικάζω ‘richten, Recht sprechen’, Med. ‘prozessieren’ (seit Il.; διαδικάζω att.); davon δικαστής ‘Richter’ (ion. att.) mit δικαστικός ‘zum Richter (zum Gericht) gehörig’ (Pl., X. u. a.) und δικαστεία ‘Amt eines δικαστής’ (Inschr.; wie von *δικαστεύω; nach βασιλεία u. a.); selten δικαστήρ ‘ds.’ (lokr., pamph. usw.), f. δικάστρια (Luk.), mit δικαστήριον ‘Gerichtshof, Gericht’ (ion. att.; auch auf δικαστής bezogen, vgl. Chantraine Formation 313f., Fraenkel Nom. ag. 1, 2) mit dem Deminutivum δικαστηρίδιον (Ar.) und δικαστηριακός (Phld.); von δικάζω ebenso die seltenen Abstrakta δικαστύς (Epigr. Samos; Fraenkel 1, 32 A. 2), δικασμός (Ph.), δικασία (Aq. usw.; διαδικασία att.), διαδίκασμα (Lys.), δίκασις (Sch.). — Privativkompositum ἄδικος ‘ungerecht’ mit ἀδικία und ἀδικέω, wovon ἀδίκημα (alles ion. att.). — Zur Hypostase ἀδικίου ‘wegen Veruntreuung’ vgl. Wackernagel Synt. 2, 288; zu ἀδίκιον Wackernagel-Debrunner Philol. 95, 190f. — Obwohl mit aind. diśā (ep.) ‘Richtung, Himmelsgegend’ formal identisch, stellt δίκη eine davon unabhängige Bildung dar. Zugrunde liegt wahrscheinlich ein altes Wurzelnomen, das in aind. díś- ‘Richtung, Himmelsgegend’, auch ‘Weise’ noch erhalten ist und auch in dem erstarrten lat. Ausdruck dic-is causā vermutet wird (zuletzt Wackernagel bei W.-Hofmann 1, 860). Als ursprüngliches Wurzelnomen kann δίκη ebensowohl ‘die Weiserin’ wie ‘die Weisung’ heißen. Nach Kretschmer Glotta 32, 2 soll δίκη ein altes Erbwort für ‘Recht’, lat. iūs, aind. (ved.) yóṣ ‘Heil, Glück’ ersetzt haben. Die Beziehung dieser Wortsippe auf das Rechtswesen ist indessen alt und kommt auch im Latein (dicis causa, iūdex) und im Germanischen zum Vorschein, s. δείκνυμι, wo auch weitere Verwandte. — Anders über δίκη Palmer Trans. Phil. Soc. 1950, 149ff. (= ‘Merkmal, (Grenz)zeichen’), Hirzel Themis, Dike und Verwandtes. Leipzig 1907 (zu δικεῖν; dagegen Kretschmer Glotta 1, 381). S. noch Kretschmer Glotta 13, 267f. (zu V. Ehrenberg Die Rechtsidee im frühen Griechentum. Leipzig 1921). Monographische Behandlung von D. Loenen. Dikè. Een histor. semant. Analyse. Amsterdam 1948 (Mededel. Nederl. Ak. v. Wet. Letterk. NR 11 : 6). I-393-394
δικλίδες (θύραι, πύλαι usw.) f. pl. (hell. und spät auch sg.) ‘doppelt angelehnt, zweiflügelig’ (poet. seit Il.); auch Subst. (Theok., AP). — Freie Zusammenbildung aus δι- (s. δίς) und κλι- in κλίνω (s. d.), κλί-σις nach den Femminen auf -ίς, -ίδος. I-394
δίκροος, δίκρους (δικρόος, δικροῦς, mit Hyphärese δίκρος) ‘gabelig’ (ion. att.; vgl. Ilberg Arch. f. Pap. 4, 281f.). Keine Ableitungen. — Wahrscheinlich aus *δί-κροϝ-ος, eig. ‘zweihörnig’, von δι- (s. δίς) und einem Wort für ‘Horn’, das auch in κερα[ϝ]-ός ‘gehörnt’, lat. cerv-us ‘Hirsch’, aw. srū- ‘Horn’ usw. vorliegt, aber sich nicht genau rekonstruieren läßt. S. außer κεραός auch κέρας. I-394
δίκταμνον, auch δίκταμον n. Pflanzenname, ‘Origanum Dictamnus’ (Arist., Theok., Dsk.). Davon δικταμνίτης (οἶνος, Dsk.); vgl. Redard Les noms grecs en -της 96. — Bildung wie σφένδαμνος, κάρδαμον usw. (Schwyzer 524 und 494). Vielleicht mit Chantraine Formation 216 von Δίκτη, Berg in Kreta; dazu Strömberg Pflanzennamen 126. Vgl. noch v. Wilamowitz Glaube 1, 119. I-394
Δίκτυννα Beiname der Artemis (Hdt., E. usw.). Davon Δικτυνναῖος (μήν) Monatsname auf Kreta (Inschr.). — Vom Bergnamen Δίκτη (Kreta), aber durch Volksetymologie an δίκτυον angeschlossen; s. Gonda Δείκνυμι (Diss. Utrecht 1929) 221f., außerdem Nilsson Gr. Rel. 311f. m. weiterer Lit. I-394
δίκτυον n. ‘Fangnetz, Fallstrick’ (seit Od.). Deminutivum δικτύδιον (Poll.); andere Ableitungen δικτυεύς ‘Netzfischer’ (Str., Ael.; Boßhardt Die Nomina auf -ευς 78) mit δικτυεία ‘Fischfang’ (Ael.; vgl. ἁλιεία); auch δικτυΐα möglich, s. Scheller Oxytonierung 41; — δικτυώδης ‘netzähnlich’ (Hp. Ep. usw.), δικτυωτός ‘ein Netzwerk bildend, gegittert’ (LXX, Plb. usw.); kann auch auf das Denominativum δικτυόομαι ‘in ein Netzwerk geformt werden usw.’ (LXX, Babr.) bezogen werden. — Thematische, wahrscheinlich nur rein formale Erweiterung eines u-Stamms (δίκ-τυ nur EM 275, 27; wohl aus dem sekundären Vorderglied [s. u.] ausgelöst), vielleicht über den Plural δίκτυα (Schwyzer 460f.; nach Fraenkel Glotta 32,31, der baltische Formen heranzieht, vielmehr altererbte Bildung), eig. ‘das Werfen, der Wurf’ (vgl. βόλος), Verbalabstraktum von δικεῖν ‘werfen’ (s. d.). — Das Kompositum δικτυ-βόλος (AP, Opp.) neben δικτυο-βόλος (Poll.) usw. ist nach δικτυ-αρχέω (Inschr.) und anderen Bildungen mit elidiertem -o- entstanden. I-394-395
δίκτυς N. eines unbekannten libyischen Tieres (Hdt. 4, 192); ὁ ἰκτῖνος ὑπὸ Λακώνων H. — Unerklärt. I-395
δίλασ(σ)ον n. Bez. eines Kleidungsstückes (BGU 814, 25; 816, 27; IIp). Daneben τετρά-λασ(σ)ον als Attribut von λέντι<ο>ν (PSI 8, 971, 17; III-IVp), vom Flachs (Ed. Diocl. 28, 61). — Das Hinterglied wahrscheinlich zu λάσιος ‘dicht behaart’ mit derselben Rückbildung wie in τετρά-βιβλος von βιβλίον, s. d. I-395
δί̄νη f. ‘Wirbel, Strudel’ (seit Il.) mit δινήεις, dor. δινάεις, äol. διννάεις (Alk.) ‘wirbelnd, strudelreich’ (poet. seit Il.); δῖνος m. ‘ds.’, auch ‘rundes Gefäß, runde Tenne usw.’ (ion. att. usw.) mit δινώδης ‘strudelreich’ (D. C., Plu.) und δινωτός ‘mit δ. versehen, gerundet, gedrechselt’ (Hom. u. a.; δινόω nur Eust.). — Neben δίνη, δῖνος steht ein primäres δῑνέω, Aor. δινῆσαι usw., auch δῑνεύω, (δίννηντες Ptz. pl. Sapph. 1, 11; vgl. unten) tr. ‘herumwirbeln’, itr. ‘sich im Kreise herumdrehen’ (vorw. poet. seit Il.) mit den Nomina δίνησις (Arist. u. a.), δίνημα (Man.), δίνευμα (coni. in Ar. Th. 122 und X. Eq. 3, 11; Orph.); — vereinzelt δινέμεν (Hes. Op. 598), δινομένην (Kall.), ἀπο-δινωντι Konj. ‘dreschen’ (Tab. Heracl.; unsicher; in ἀποδιδῶντι zu ändern?); äol. δίννω (Hdn.; Διννομένης Alk.), δινάζω (Artem. ap. Ath.). — Wenn man, was gewiß möglich ist, ein altes Nasalpräsens *δι-νέϝ-ω (vgl. *κῑ-νέϝ-ω, κί̄-νυ-μαι und Schwyzer 696) ansetzt, ist der Nasal nicht nur in die übrigen Verbformen, sondern auch in die Nomina δίνη, δῖνος (vgl. κλίνη : κλίνω) eingedrungen. Äol. δίνν- ist wie ξέννος u. a. (Schwyzer 228) zu beurteilen. Das bei dieser Zerlegung übrigbleibende δι- läßt sich in δίεμαι (s. d.) wiederfinden. — Die auf den Pylostafeln gelesenen qe-qi-no-to, qe-qi-no-me-no (Bennett The Pylos Tablets 1955, Ta 642, 3; 707, 2 usw.) hat Ventris Eranos 53, 108 mit δινωτός verglichen; ein labiovelarer Ursprung des δ- dieser gesamten Wortgruppe (vgl. βίος usw., dazu Schwyzer 300) wäre indessen seltsam. I-395-396
δίξοος, διξός s. δίς. I-396
δίον ‘ich floh’ s. δείδω. I-396
Διόνῡσος N. eines Gottes (seit Il.). Dialektische Nebenformen: Διώνυσος (ep. lyr.), Διόννυσος (thess. kret.), Ζόννυσος (äol.), ΔιΕνυσος (Amorgos), Δεύνυσος (Anakr.). Ägäisch δι-u̯o-nu-so-i̯o (Gen.)? Hypokoristischer Vok. Διονῦ (Phryn. Kom. 10); daneben διον(ν)ύς· ὁ γυναικίας καὶ παράθηλυς H., EM; διοννύς· ἡ γυναικεία καὶ θῆλυς ἐσθής (Eust.). Davon Διονύσιος, vorw. EN, mit dem Fem. Διονυσιάς; pl. n. τὰ Διονύσια ‘das Dionysosfest’ (att. usw.) mit Διονυσιακός (Th. usw.; auch auf Διόνυσος bezogen); Διονυσίσκος, Deminutivum, Ben. einer Person, die an den Schläfen knochenartige Auswüchse hat (Mediz.); denominatives Verb διονυσιάζω ‘die D. feiern’ (Luk. u. a.) mit Διονυσιασταί m. pl. N. der D.-verehrer (Nisyros usw.; vgl. auch zu ’Απολλωνιασταί s. ’Απόλλων). — Als Grundform ist *Διοσ-νυσος anzusetzen, woneben Διόνυσος nach anderen Stammkomposita (Einzelheiten bei Schwyzer 283). Nach einer antiken Überlieferung stammt Dionysos aus Thrakien. Als sein Vater galt Zeus, als seine Mutter die thrakische Erdgöttin Σεμέλη (s. d.). Da das Vorderglied somit allem Anschein nach den Genetiv des thrakischen Namens des Himmelsgottes enthält, hat Kretschmer (Einleitung 241f. m. Lit.) in dem Hinterglied ein thrakisches Wort für ‘Sohn’ sehen wollen, das an gewisse thrakische Namen wie Νῦσα (wo Dionysos aufwuchs; dazu Νῦσαι, Νύσιαι als Ben. der Nymphen, die ihn pflegten) und Nusatita (PN) erinnert. Diese Deutung, so nahe sie auch aus sachlichen Gründen liegt, entbehrt indessen jeder direkten oder indirekten sprachlichen Stütze (vgl. zu νυός). — Neue, höchst anfechtbare Erklärung aus dem Thrakisch-Illyrischen von Grošelj Živa Ant. 3, 205f. — Ausführlich über Dionysos Nilsson Gr. Rel. 1, 564ff. mit reicher Lit. I-396
δίοπος m. ‘Aufseher, Gebieter, Befehlshaber’ (Hp., A., E. u. a.); davon διοπεύω ‘Befehlshaber sein, ein Schiff führen’ (Test. ap. D.). — Von διέπω, s. ἕπω. I-396
δῖος ‘zum Himmel gehörig, göttlich’ (poet. seit Il.), auch ‘dem Zeus angehörig’ (Trag.), oft als Monatsname (Thessalien, Makedonien usw.). — Altererbtes Adjektiv, mit aind. div(i)yá- ‘himmlisch’, lat. dīus ‘göttlich’ identisch, idg. *diu(i)i̯o-; Ableitung vom Namen des Himmels und Himmelsgottes, s. Ζεύς. Das Zugehörigkeitsadjektiv kann hier wie oft den Genetiv des Grundwortes ersetzen, s. Schwyzer-Debrunner 176ff. m. Lit., außerdem Löfstedt Syntactica 1, 107ff.; nach Havers Sprachtabu 165 war dagegen δῖος gegenüber dem Gen. Διός "tabuisierend". — Neben dem maskulinen *δίϝ-ι̯ος stand als selbständige Femininableitung δῖα aus *δίϝ-ι̯ᾰ, zunächst in substantivischer Funktion ‘Himmelstochter, Göttin’, z. B. δῖα γυναικῶν ‘Göttin unter den Weibern’; danach δῖα θεάων usw.; vgl. Schwyzer-Debrunner 116. I-396-397
διοσκέω (Anakr. 3, 3; nicht ganz sicher) nach H. διαβλέπειν συνεχῶς τὴν ὅρασιν μεταβάλλοντα, d. h. ‘ununterbrochen nach j-m umherspähen’; H. fügt hinzu: τίθεται δὲ καὶ ἐπὶ τοῦ διαφορεῖσθαι τῷ σώματι καὶ τῇ ψυχῇ. — Sowohl Form wie Bedeutung lassen auf eine iterativ-intensive Bildung schließen. Sonst dunkel; vgl. Schwyzer 541 A. 7 m. Lit. I-397
Διόσκουροι Διοσκόρω du. (att.; auch Διόσκοροι) pl. (ion. hell.), ‘die Zeussöhne’, Ben. der Götterjünglinge Kastor und Polydeukes. Davon Διοσκο(ύ)ρειον, -ριον ‘Dioskurentempel’ (att. usw.), τὰ Διοσκο(ύ)ρ(ε)ια, -ήϊα (nach βασιλήϊα usw.) ‘Dioskurenfest’ (Inschr.), Διοσκουριασταί N. der Dioskurenverehrer (Pap.; vgl. zu Διονυσιασταί), Διοσκουριάς Stadtname. — Univerbierung unter éinem Akzent von Διὸς κοῦροι (κόρω), vgl. Schwyzer 427 und 445. S. 2. κόρος. Vgl. auch zu Τυνδαρίδαι. — Über die Dioskuren ausführlich Nilsson Gr. Rel. 1, 406ff. m. Lit. I-397
διόσπυρον auch διόσπυρος m. = λιθόσπερμον (Dsk.). n. "Zeusweizen", Ben. der kirschenähnlichen Frucht von Celtis australis (Thphr.); — Univerbierung unter éinem Akzent von Διὸς πυρός mit Übergang ins Neutrum nach den Bahuvrihibildungen wie βούγλωσσον. Semantische Parallelen bei Strömberg Pflanzennamen 128. I-397
δίπλαξ, -κος ‘in zwei Schichten, zweifach, doppelt’ (Il., Orph.); als Subst. f. ‘Doppelgewand’ (Hom., A. Pers. 277 [lyr.], Lyd.). Daneben τρίπλαξ ‘dreifach’ (Il.). — Mit umbr. tuplak n. ‘duplex’ = ‘furca’, lat. du-, tri-plex ‘zwei-, dreifach’ identisch, Bahuvrihikompositum mit mehrdeutigem Hinterglied, ehestens = πλάξ ‘Fläche’; auch πληγή ‘Schlag’ (vgl. ἁ-πληγίς ‘Einzelgewand’ [Herod., S. u. Ar. Fr.], δι-πληγίς ‘Doppelgewand’ [Poll.]) und πλέκω ‘flechten’ sind herangezogen worden; s. die Lit. und die Gegenargumente bei W.-Hofmann s. duplex. — Vgl. zu διπλάσιος und Bechtel Lex. I-397
διπλάσιος, ion. διπλήσιος ‘zweifältig, doppelt’ (Thgn., Hdt., att. usw.); auch διπλασίων (Arist. usw.). Davon διπλασιάζω ‘verdoppeln’ (att. usw.) mit διπλασιασμός und διπλασίασις, διπλασιαστικός. — Aus einem gleichbedeutenden Verbaladjektiv *δί-πλατος nach den ιο-Adjektiven formal erweitert wie ἀμβρόσιος aus ἄμβροτος, διφάσιος aus δίφατος usw. (Schwyzer 466, Chantraine Formation 41). Zugrunde liegt ein Verb der Bedeutung ‘falten’ (idg. pel-), von dem auch in ἁπλόος usw. (s. d.) ein Ableger erhalten ist. Got. ain-falþs ‘einfach’ und damit identische germanische Bildungen enthalten als Bahuvrihikomposita ein Wort für ‘Falte’, awno. faldr m., urg. *fálþa-z, idg. *pól-tos, wie φόρ-τος u. a. gebildet. Weitere Anknüpfungen bei WP. 2, 55f. — Ion. διπλήσιος ist Neubildung nach παραπλήσιος u. a., hell. διπλασίων nach den Komparativen auf -ίων (Schwyzer 598 A. 10, 536 A. 3), διπλάδιος (AP, Pap.) nach διχθάδιος usw. (nach Schwyzer 467 nur umgekehrte Schreibung für -ασ-). I-397-398
διπλόος, διπλοῦς s. ἁπλόος. I-398
διρκαία (Dsk.) = κιρκαία, ‘Vincetoxicum nigrum’; δίρκαιον n. (Ps.-Dsk.) = δαῦκος (s. d.) und στρύχνον ὑπνωτικόν, ‘Withania somnifera’; δίρκος m. ‘Same einer Pinienart’ (Paus. Gr.) f. — Nach Dsk. 4, 75 wäre die Pflanze nach der Zauberin Kirke benannt ("ἐπειδὴ δοκεῖ ἡ ῥίζα φίλτρων εἶναι ποιητική"), die Namensform διρκαία somit sekundär. Jedenfalls scheinen διρκαία, δίρκαιον entweder auf den Quellennamen Δίρκη zurückzugehen oder danach umgebildet zu sein. Vgl. Strömberg Pflanzennamen 93 und 152. I-398
δίς ‘zweimal’ (seit Od.); daneben als Vorderglied δι- ‘zwei-’ (seit Il.). Denominatives Verb δίζω ‘zweifeln, schwanken’ (Π 713, Orac. ap. Hdt. 1, 65 u. a.). Sonstige Ableitungen: διξός (ion.), δισσός, att. διττός ‘zweifach, doppelt’ mit δισσαχοῦ, -ττ- usw.; δίχα Adv. (Präp.) ‘entzwei, getrennt’ (seit Il.) mit διχῇ, διχοῦ usw.; als Vorderglied διχο-; davon διχάς f. ‘Hälfte, Mitte’ (Arat.; nach μονάς usw.) und das Denominativum διχάζω ‘zerteilen’ (Pl. usw.) mit διχασμός, δίχασις (hell.), διχαστῆρες ὀδόντες ‘die Schneidezähne’ (Poll.); auch διχάω (Arat., A. R.), διχαίω (Arat.; vgl. Schwyzer 676). — διχθά ‘entzwei’ (Hom.) mit διχθάδιος ‘zwiefach, doppelt’ (Hom. u. a.), διχθάς f. (als Adj.) ‘doppelt’ (Musae.). — Für sich steht δισκάζεται· διαφέρεται H.; metathetisch für *διξάζεται oder dissimilatorisch für διστάζεται? — Altes Zahladverb, mit aind. dvíḥ, lat. bis (alat. duis), mhd. zwir ‘zweimal’ identisch; als Vorderglied di- = aind. dvi-, lat. bi-, arm. erki- (vgl. zu δύο), germ., z. B. got. twi-, lit. dvi-; z. B. δί-πους, aind. dvi-pád-, lat. bi-pēs; vgl. Gonda Reflexions on the numerals "one" and "two" 41f. — Die Erklärung der gutturalen Ableitungen ist strittig; gegenüber gr. δίχα steht aind. dví-dhā ‘zwiefach’, dessen dh allerdings in δι-χ-θά eingehen könnte. Auch διξός und δισσός setzen zunächst Gutturalerweiterungen voraus: *διχθ-ι̯ο-, διχ-ι̯ο-? Vgl. Schwyzer 598 m. Lit. und Referat anderer Auffassungen. — Nach δίχα, διχθά auch τρίχα, τριχθά usw. (Schwyzer ebd.). — Idg. *du̯i-s gehört zu δύο; neben *du̯i-s in δί-ς steht *dis- in δι-ά, s. d. Vgl. auch δοιοί. I-398-399
δίσκος ̥ m. ‘Wurfscheibe’, auch übertr. von scheibeähnlichen Gegenständen (seit Il.). Davon das Deminutivum δισκάριον (Orib.); ferner δισκεύς N. eines Kometen (Lyd.; vgl. Scherer Gestirnnamen 107); unklar δίσκελλα· σπυρίς H., mit lateinischem Suffix?, vgl. das synonyme fiscella. — Denominatives Verb δισκέω ‘mit der Wurfscheibe werfen’ (ep. poet.) mit δίσκημα ‘Wurf, Geworfenes’ (vgl. die zahlreichen Nomina auf -(η)μα in der Tragödie bei Chantraine Formation 184ff.); auch δισκεύω ‘ds.’ (poet. und spät) mit δισκευτής (Arist.-Komm.) Kompositum δίσκ-ουρα n. pl. (Ψ 523) ‘Wurfweite’, aus δίσκου οὖρα (Ψ 431) zusammengezogen, s. 2. οὖρον. — Als *δίκ-σκος zu δικεῖν ‘werfen’ mit σκ-Suffix. Wegen der Seltenheit dieses Suffixes in nominalen Ableitungen vielleicht ursprünglich zu einem verschollenen σκ-Präsens. Vgl. Bechtel Lex. s. v. I-399
δισσός, διττός s. δίς. I-399
διστάζω, Fut. διστάσω ‘zweifeln, ungewiß sein, schwanken’ (Pl., Arist. usw.) mit διστασμός (Thphr.); daneben mit analogischem γ δισταγμός (Agatharch. u. a.), δίσταγμα (Phld.), διστακτικός (A. D., Sch.), διστάξιμος (Ptol.). — Nach gewöhnlicher und einwandfreier Annahme seit Solmsen (KZ 37, 20f., IF 14, 437) denominativ von *δι-στ-ος = aind. dvi-ṣṭh-a- ‘zweideutig’, awno. tvi-st-r eig. *‘zwiespaltig’, ‘traurig’, idg. *du̯i-sth-o-, Zusammenbildung aus du̯i- (s. δίς) und sthā- ‘stehen’ (s. ἵστημι); vgl. δύστηνος. An sich kann es aber auch eine Erweiterung von δίζω sein, vgl. ἑρπυστάζω neben ἑρπύζω, κλαστάζω neben κλάω usw. (Schwyzer 706). I-399
δίστροπον n. Ben. eines Gefäßes (Pap.), nach Preisigke Wörterbuch ‘eine Kanne, die vermutlich zwei Ausgüsse hatte’; eine andere sehr unsichere Vermutung bei van Herwerden Lex. suppl., der zwischen den Lesungen δί-στροφος und δί-τροπος schwankt. — Dunkel wie so viele Gefäßnamen. I-399
διφάσιος ‘doppelt, zweifach, zwei’ (Hdt. usw.), ebenso τριφάσιος ‘dreifach, drei’ (Hdt.), von H. auch als τρίφωνος erklärt. Daneben δίφατον· διφάσιον, δισσῶς λεγόμενον H. und τρίφατος ‘dreifach’ (Nik. Th. 102). — Bildung wie διπλάσιος, somit von δί-, τρί-φατος ausgehend. Das Hinterglied ist mehrdeutig. Die Anknüpfung an φημί, die in der Wiedergabe durch δισσῶς λεγόμενον bzw. τρίφωνος bei H. zutage tritt, ist auch in neuerer Zeit von Skutsch IF 14, 488ff. unter Hinweis auf das verwandte lat. bifāriam empfohlen worden. Nach Brugmann IF 17, 367, Grundr.2 2 : 1, 186 dagegen mit Prellwitz zu πεφνεῖν, φόνος, θείνω wie ἀρηΐ-φατος ‘im Kampf getötet’, also eig. ‘zweimal geschlagen’ (vgl. den ähnlichen Deutungsvorschlag von δίπλαξ), was indessen zu der Bedeutung von πεφνεῖν, φόνος ‘tot schlagen, morden’ weniger gut paßt. Kaum besser mit Walde Lat. et. Wb.2 90, Brugmann Grundr.2 2 : 2, 71 zu φαίνω als ‘doppelt sichtbar’; man hätte *δίφαντος wie ἄφαντος (schon Il.) erwartet. I-399-400
δῑφάω nur Präsensstamm bis auf δ[ε]ιφήσαντες· ψηλαφήσαντες H. ‘(auf)suchen, durchstöbern’ (einzelne, vorw. poet. Belege seit Π 747), διφέω (AP). Davon διφαλέος ‘nachspürend, scharfsinnig’ (Hymn. Is. 10), διφήτωρ (βυθῶν) ‘Erforscher (der Tiefen)’ (Opp.), ἀστρο-δίφης ‘Astronom’ (Herod., wohlverächtlich). Denominativum διφαδεύ<σ>ει· ἐξελεῖται H., wie von *διφάς; vgl. φυγαδεύειν : φυγάς. — Hierher auch δίφας Art Schlange (Artemid. 2, 13), δίφα<ν>· τὸν ὄφιν. Κρῆτες H. (δίφατον ὄφιν cod.; corr. Salm.), "scil. a rimas scrutando appellatus" (Latte ad loc.); daneben, mit unerklärter Media, δίβαν· ὄφιν. Κρῆτες H. (nach Latte verdorben); vgl. den Schlangennamen παρείας und die übrigen Tiernamen auf -ᾱς, -ης bei Chantraine Formation 30f. Wahrscheinlich iterativ-intensives Deverbativum auf -άω (Schwyzer 717). Im übrigen unerklärt. I-400
διφθέρα f. ‘zubereitete Haut, Fell, Leder’, auch Ben. verschiedener lederner Gegenstände (ion. att.); διψάρα· δέλτος, οἱ δὲ διφθέρα H. (zum Lautlichen Schwyzer 326). Ableitungen. Deminutivum διφθέριον (Theognost.); διφθερίς = διφθέρα (AP; nach den Sekundärbildungen auf -ίς, Chantraine Formation 341ff.); διφθέρωμα ‘ds.’ (Thd.; vgl. ἄσκωμα von ἀσκός und Chantraine 187); — διφθερίας ‘Mann in Fell, Landmann usw.’ (Kom., Luk.; Chantraine 93); f. διφθερῖτις (Poll.; Redard Les noms grecs en -της 114); διφθεράριος ‘Pergamentmacher’ (Edict. Diocl. Asin.); — διφθέρινος ‘aus δ. gemacht, ledern’ (X., Str.). — Denominativum διφθερόομαι ‘in Fell gekleidet werden’ (Str.). — Zu δέφω, δέψω (de Saussure MSL 7, 91; Zweifel bei Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 2) mit ε für ι wie in ἱστίη usw. (Schwyzer 351 m. Lit.). Bildung unklar; vielleicht Erweiterung eines alten Neutrums auf -(τ)αρ (ἴκταρ, νέκταρ u. a.) wie ἡμέρα gegenüber ἦμαρ. — Über iranische LW aus διφθέρα, z. B. npers. daftar ‘office’, s. Bailey Trans. Phil. Soc. 1933, 50. I-400
δίφρος m. ‘Sessel, Stuhl, Wagenkasten, Wagen’ (seit Il.). Mehrere Ableitungen. Deminutiva: διφρίσκος (Ar.), διφρίον (Tim. Lex.), διφρίδιον (EM); — δίφραξ ‘Stuhl’ (Theok.; familiäre Bildung, Chantraine Formation 379), δίφρακον ‘ds.’ (Samos IVa; ähnliche Bildungen bei Chantraine 384); δίφρις· ὁ ἑδραῖος, καὶ καθήμενος ἀεί, οἷον ἀργός H.; vgl. τρόχις ‘Läufer’, λάτρις u. a. — Adj. δίφριος (AP). — Denominatives Verb διφρεύω ‘in Wagen fahren’ (E. u. a.) mit διφρευτής ‘Wagenlenker’ (S.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 35), διφρευτικός (Ephor.), διφρεία ‘das Wagenlenken’ X. u. a.); gewöhnlicher in derselben Bedeutung διφρ-ηλάτης (Pi., Trag. usw.) mit διφρηλατέω und διφρηλασία. — Eig. "Zwei-Träger", Zusammenbildung von δίς und φέρω mittels des thematischen ο-Vokals, δί-φρ-ο-ς, ursprünglich einen mit zwei Henkeln versehenen Korbstuhl oder einen von zwei (an beiden Seiten) getragenen Tragsessel bezeichnend, dann auf den Wagenkasten bzw. auf einen gewöhnlichen Stuhl übertragen (vgl. Fraenkel ’Αντίδωρον 282). — Der Umstand, daß δι- in δίφρος bei Homer nie Position bildet und somit keine Spur des Digamma aufweist (Solmsen Unt. 211f.), kann durch Dissimilation gegen den folgenden Labial φ verursacht sein (ähnliche Fälle aus dem Aind. bei Debrunner IF 56, 171ff., Symbolae Hrozný 110f.) oder mag, wie z. B. bei ἱδρώς (Schwyzer 222 A. 5), darauf beruhen, daß δίφρος als Element der lebenden Sprache sich der epischen Tradition entzog. Ein Grund, deswegen für δι- ‘zweifach’ auch eine idg. Grundform *di- (wie in δι-ά) anzunehmen, liegt nicht vor. I-400-401
δίχα, διχθά usw. s. δίς. I-401
δίψᾰ, -ης f. (seit Il.), vereinzelt δίψη (A. Ch. 756), auch δίψος n. (Th., Pl., X. u. spät; nach πνῖγος, ῥῖγος usw.; vgl. Chantraine Formation 420) ‘Durst’. Ableitungen: δίψιος ‘durstig, trocken’ (Trag.), διψηρός ‘ds.’ (Hp.; nach αὐχμηρός u. a.; -ήρης Nik.), διψώδης ‘durstig’ (Hp. u. a.), διψαλέος ‘durstig, trocken’ (hell. und spät; nach ἀζαλέος usw.), διψάς f. ‘ds.’ (Thphr. ,Euph., Nik. usw.), auch als N. einer Schlange, deren Bisse einen schweren Durst verursachte (zur Bildung Chantraine 354f.); — δίψακος m. Ben. der Zuckerkrankheit (Mediz.; wegen der Trinksucht der Kranken, Strömberg Wortstudien 89), auch Pflanzenname ‘Dipsacus silvestris’ (Dsk., Gal.; zur Erklärung Strömberg Pflanzennamen 78), mit διψακερός ‘durstig’ (EM), nach H. = ταλαίπωρος; — διψοσύνη = δίψα (Orac. ap. Porph.). — Komp. πολυ-δίψιος ‘sehr durstig, wasserarm’, von Argos (Hom.); metrisch für *πολύ-διψος. — Daneben διψά̄ων Ptz. (λ 584), Inf. διψῆν (Hdt. usw.), 3. sg. διψῇ (Pi., Pl.), hell. usw. auch διψᾶν, -ᾷ; auch διψέω (Archil.) und διψώω (Tryph., AP); dazu δίψησις (Ath. 1, 10b; zweifelhaft) und διψητικός (Arist.). — Der Bildung nach stimmt διψά̄ων, διψῆν zu dem bedeutungsverwandten πεινά̄ων, πεινῆν; die Formen διψά̄ων, πεινά̄ων dürften als (äolische?) Analogiebildungen nach dem gewöhnlichen epischen Ausgang -ά̄ων zu erklären sein; διψῆν und πεινῆν sind unerklärt (Chantraine Gramm. hom. 1, 21 und 362, Leroy Sprachgesch. und Wortbed. 288f.; unwahrscheinlich über διψῆν, πεινῆν K. Meister HK 89 [trotz Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 376f.]). Die eigenartige Bildungsweise zeigt, daß es sich um keine Denominativa handeln kann; vielmehr sind δίψᾰ, δίψη und πείνη, πεῖνα als postverbal aufzufassen (Schwyzer 476, Chantraine a. a. O.). — Sonst dunkel. Unwahrscheinlich Schulze Q. 368, Kl. Schr. 328f.: aus *διψ-ά̄σ-ι̯ω zu lat. āreō. Zur Stammbildung von δίψα s. auch Solmsen Wortf. 241, der geneigt ist, δίψη (aus *δίπ-σᾱ) als die ursprüngliche Form anzusehen. Weitere Lit. bei Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 376f., außerdem Lasso de la Vega Emerita 22, 88f.; 96f. I-401-402
δίω s. δείδω und δίεμαι. I-402
διώκω (seit Il.), Aor. διῶξαι, διωχθῆναι, Fut. διώξω usw. (nachhom.) ‘verfolgen, wegtreiben, anklagen’. Kompp. mit ἀπο-, ἐκ-, ἐπι- usw. Mehrere Ableitungen: δίωγμα ‘das Verfolgen, das Verfolgte’ (Trag., Pl. usw.), διωγμός ‘Verfolgung’ (Trag., X. und spät) mit διωγμίτης Ben. eines Schutzmanns (Inschr. IIp usw.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 45 m. Lit.), διωγμιτικά = persecutiones (Cod. Just.); δίωξις ‘Verfolgung’, insbes. als rechtlicher Ausdruck ‘Anklage’ (att.), διωκτύς ‘Verfolgung’ (Kall.; vgl. Benveniste Noms d’agent 72 mit Versuch einer semantischen Differenzierung). — Nomen agentis διώκτης ‘Verfolger’ (NT), als Hinterglied in γνωμιδιώκτης (haplologisch für γνωμιδιο-δι. Kratin. 307) u. a., s. Fraenkel Nom. ag. 2, 81 A. 1; διωκτήρ ‘ds.’ (Babr.). — διωκτός (S. usw.), διωκτικός (Iamb.). — Erweiterte Form διωκάθειν (-εῖν?), ἐδιώκαθον (att.); zur Frage der präsentischen oder aoristischen Funktion Schwyzer 703 A. 6 m. Lit. — Das Präsens διώκει verhält sich zu δίεμαι wie das synonyme ϝιώκει (kor.) zu ϝίεμαι (s. ἵεμαι). Herkunft des ω unklar (nicht überzeugend Meillet MSL 23, 50f.); κ-Erweiterung wie in ἐρύ-κω, ὀλέ-κω usw., Schwyzer 702 m. A. 5, wo auch Lit. Ältere Lit. bei Bq. I-402
διωλύγιος Adj. unsicherer Bed. (Pl. Tht. 162a, Lg. 890e, hell. und spät); διωλύγιον nach H. = ἠχοῦν ἐπὶ πολύ, μέγα, καὶ σφοδρόν, διατεταμένον; nach den Sch. zu Pl. = περιβόητος und σκοτεινός, mithin sowohl auf ὀλολυγή wie auf ἠλύγη bezogen. — Die Beziehung auf ὀλολυγή überwiegt in späterer Literatur (etwa ‘laut jammernd, weit tönend’); die Platonstellen (διωλύγιος φλυαρία bzw. μήκη διωλύγια) sind nicht eindeutig. I-402
δμώς, -ωός ‘Sklave, Knecht’ (ep. poet. seit Il.; zur Verbreitung E. Kretschmer Glotta 18, 71f.), thematisch erweitert in δμῶος (Hes. Op. 430; auch Kall. Hek. 1, 4, 15 nach der Ergänzung von Gomperz); — f. pl. δμω-ιαί (δμῳαί) ‘Sklavinnen’ (vorw. ep. poet. seit Il.), sekund. sg. δμῳή (Q. S. u. a.) für urspr. *δμῶ-ι̯ᾰ, *δμῷα; zum Akzentwechsel vgl. ἄγυια : ἀγυιαί und Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 118f.; auch δμωΐς (A., E. u. a.) und δμωϊάς, δμῳάς (Q. S., Man.). m. Adj. δμώ-ϊος (AP). — Abstraktbildung μνω-ΐα (μνο-ΐα, μνῴα) Bez. der leibeigenen Bevölkerung in Kreta (Str. u. a.) mit μνωΐτης, μνοΐτης, μνῴτης (Hermon ap. Ath. 6, 267c, Poll.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 29, Bechtel Dial. 2, 790); zur Entwicklung δμ > μν vgl. z. B. μεσό-μνη aus μεσό-δμη; dazu Schwyzer 208. — Von Curtius 232 und anderen zu δάμνημι gezogen; aber vielmehr nach Bréal MSL 7, 448f. zu δόμος ‘Haus’ mit derselben Bildung wie in πάτρως, ἥρως usw. (ōu-Stamm; Schwyzer 479f,), wodurch Anschluß an aind. dámū-nas- ‘Hausgenosse’ usw. (s. δόμος) erreicht wird. S. auch Fraenkel Glotta 32, 23. — Zu dem Kompositum ὑπο-δμώς δ 386 (nicht zu ὑπο-δαμνημι) s. Sommer A. u. Sprw. 26. I-402-403
δνοπαλίζω, Fut. δνοπαλίξω etwa ‘schütteln’ (Δ 472, ξ 512; danach Opp. H. 2, 295). Davon δνοπάλιξις (Sch. Opp. z. St.). — Expressive Bildung, an δονέω und πάλλω erinnernd und vielleicht aus diesen zusammengefügt. Lit. bei Schwyzer 645 m. A. 1, wo ausführlich über derartige Erscheinungen. Zur Bildung s. auch Chantraine Gramm. hom. 1, 340. I-403
δνόφος ‘Dunkel, Finsternis’ (Simon., A. in lyr.). Davon δνοφερός ‘dunkel, finster’ (poet. seit Il., Hp.), auch δνόφεος (B.), δνοφόεις (Emp.), δνοφώδης (E., Hp.), vgl. Schmid -εος und -ειος 48. Komp. δνοφο-είμων ‘in dunkle Gewänder gehüllt’ (Attika IIp). Hell. dafür γνόφος usw. (s. d.) mit δν > γν, wohl ehestens als rein lautlicher Vorgang zu verstehen (Schwyzer 208, Niedermann WuS 8, 64 A. 1; Bq. s. v.; vgl. indessen auch Lejeune Traité de phonétique 68 A. 1). m. — Auf eine Nebenform *δνέφος n. deutet ἰο-δνεφής ‘veilchendunkel’, Beiwort von εἶρος (δ 135, ι426; vgl. Porzig Satzinhalte 300); sonst isoliert. Die allgemeine Ähnlichkeit mit ζόφος ebenso wie mit κνέφας und ψέφας (s. dd.; vgl. auch νέφος) kann nicht zufällig sein und dürfte wenigstens teilweise auf Reimbildungen und Kreuzungen von sinnverwandten expressiven Wörtern zurückzuführen sein, s. die Versuche bei Güntert Reimwortbildungen 112ff. Vgl. außerdem Petersen AmJPh 56, 57ff. I-403
δοθιήν, -ῆνος ‘Furunkel’ (Hp., Kom. u. a.), auch δοθιών, -όνος (Mediz., Hdn. Gr.). m. Davon δοθιηνικόν ‘Heilmittel gegen δ.’ (Paul. Aeg.). — Bildung wie λειχήν, ἀδήν, πυρήν usw. (Chantraine Formation 166f., Schwyzer 487) bzw. βουβών, μυών u. a. (Chantraine 162, Schwyzer 488); sonst dunkel. Einzelheiten bei Solmsen Wortf. 137f., der etwas voreilig als Grundwort ein Adjektiv *δοθιος ansetzt. Die Erhaltung von θι (vgl. μέσ(σ)ος aus *μέθι̯ος) macht späte Entlehnung wahrscheinlich. — Neugr. (Athos) διάθωνος, s. Kukules ’Αρχ. 27, 61ff. I-404
δοίδυξ, -ῡκος m. ‘Mörserkeule’ (Ar., Gal. u. a.). Als Vorderglied in δοιδυκο-ποιός (Plu.) und in dem parodierenden δοιδυκο-φόβα (Luk.). Denominative Verba διαδοιδυκίζω ‘die Faust wie eine Mörserkeule ballen’ (Kom. Adesp.), ἀναδοιδυκίζειν· ἀναταράσσειν H. (EM). — Reduplizierte Bildung ohne Etymologie. I-404
δοιοί, δοιώ du., pl. ‘zwei, beide’ (ep. seit Il.), δοιός sg. ‘doppelt’ (Emp., Kall. u. a.). Davon δοιάς f. ‘Zweiheit’ (Gloss.; nach μονάς usw.) und das Denominativum δοιάζω, -ομαι, Aor. δοιάξαι, auch δοάσσαι (durch Vermischung mit δοάσσατο) ‘zögern, sich überlegen’, auch (nach δοάσσατο) ‘sich vorstellen, glauben’ (B., A. R.). — Ein fester Ausdruck ist ἐν δοιῇ ‘in dubio, in Zweifel’ (Ι 230, Kall. u. a.), wovon ἐνδοιάζω ‘in Zweifel sein, schwanken’ (Th., D. H. usw.) mit ἐνδοιαστός, -ῶς ‘zweifelhaft’ (ion., Th. usw.) und den späten ἐνδοίασις, -άσιμος, -ασμός, -αστής, -αστικός. — Ägäisch du-wo-jo-jo? Alte Bildung zum Zahlwort δύο, mit aind. dvayá-, aksl. dъvojь ‘zweifach’, germ., z. B. ahd. zweiio, got. twaddje, anord. tveggja Gen. pl. ‘zweier’ identisch, idg. *du̯o(i)i̯ó-; daneben -du̯ei̯o- in lit. dvejì ‘(je) zwei’, ahd. zwī ‘Zweig’; somit wohl zunächst als Hochstufe von *du̯i- (s. δίς) zu beurteilen. — Die Bewahrung des intervokalischen ι im Griechischen und die germanische Geminata bzw. "Schärfung" zu got. ddj, anord. ggj kann auf analogischer Restitution bzw. Verschiebung der Silbengrenze beruhen (anders WP. 1, 819 mit Brugmann). Nach Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 119f. (wozu noch Fraenkel Glotta 32, 19) wäre von dem Ausdruck (ἐν) δοιῇ auszugehen, den er dem aind. Dat. f. dvayyái (Nom. dvay-ī́) gleichsetzt. — S. auch Gonda Reflexions on the numerals "one" and "two" 44 und 47f. I-404
δόκανα, δοκάνη s. δοκός. I-404
δοκεύω, ‘ins Auge fassen, beobachten, auflauern’ (ep. poet. seit Il.), δοκέω (seit Il.), Aor. δοκῆσαι, Fut. δοκήσω (vorw. poet. seit Od.), δόξαι, δόξω (Pi., h. Merc., ion. att.; vgl. unten), Perf. δεδόκημαι (Pi. usw.), δέδογμαι (Hdt. usw.) ‘ansehen, meinen, scheinen’, δοκεῖ μοι ‘es scheint mir’ (seit Il.); προσ-δοκάω, Aor. προσδοκῆσαι ‘erwarten’ (Hdt., att.). Ableitungen von δοκέω: 1. δόκησις ‘Glauben, Meinung, Vorstellung, Schein’ (Hdt., Th., S., E. usw.), δοκησι-δέξιος, -νους, -σοφος ‘in seiner eigenen Vorstellung geschickt usw.’ (Kom. u. a., parodierend). 2. δόκημα ‘Vorstellung, Wahn’ (E., vgl. Chantraine Formation 184ff.), ‘Beschluß’ (Argos); zu δόκημα, δόκησις vgl. v. Wilamowitz Eur. Her. 281f., 241; Holt Les noms d’action en -σις 147f. m. Lit. 3. δόγμα ‘Meinung, Beschluß, Lehrsatz’ (att., hell.; zu δόξαι, δόξω gebildet nach τάξαι, τάξω : τάγμα usw.) mit δογματικός ‘dogmatisch’, δογματίας ‘der δόγματα ausspricht’, δογματίζω ‘eine Meinung usw. kundgeben’ (hell. und spät). 4. δόξα ‘Ansicht, Meinung, Ansehen, Ruhm’, s. bes. Vereinzelt belegte Bildungen: 5. δόξις = δόξα (Demokr.; nach γνῶσις Schwyzer 505 m. Lit.). 6. δοκώ f. ‘ds.’ (E. El. 747; Chantraine 116). 7. δόκος m. ‘ds.’ (Xenoph. u. a.; Rückbildung nach φορέω : φόρος u. a.). 8. δοκή ‘ds.’ (Hdn.). — 9. δόκιμος ‘zuverlässig, bewährt, ansehnlich usw.’ (ion. att., dor.), wohl direkt von δοκέω, δέκομαι nach den verbal umgedeuteten χρήσιμος, μάχιμος u. a. (anders Arbenz Die Adj. auf -ιμος 39ff. mit reichem Material); Komposita εὐ-, ἀ-δόκιμος u. a.; davon δοκίμιον, δοκιμεῖον ‘Probe’ (Pl., hell. u. spät) und die Denominativa δοκίμωμι (äol.), δοκιμόω (Parm., Theok. u. a.) ‘glauben, wähnen’, δοκιμάζω ‘prüfen, billigen’ (ion. att.) mit δοκιμασία ‘Prüfung’ (att.; zur Bildung Schwyzer 469, Chantraine 85), δοκιμαστής, δοκιμαστήρ, -ήριον, δοκιμαστός, -ικός (att. usw.); auch, als postverbale Bildung, δοκιμή ‘Prüfung, Beweis’ (Ep. Phil., Ep. Kor.); — εὐδοκιμέω ‘in gutem Rufe stehen’ (seit Thgn.) mit εὐδοκίμησις (Pl. usw.); aber εὐδοκιμάζω (Pap. IVp) sehr fraglich, s. Kapsomenakis Voruntersuchungen 70f. — 10. δοκικῶ = δοκῶ (Hermipp. 12) scherzhafte Erweiterung der Komikersprache, vgl. Bechtel Glotta 12, 211. — Von προσδοκάω : προσδοκία ‘Erwartung,’ auch προσδόκημα (Pl. Phlb. 32c), προσδόκιμος (ion. att.). — Sowohl δοκέω wie προσδοκάω sind deverbative Ableitungen von dem primären (προσ-) δέκομαι (s. δέχομαι). Wie alle sekundären Verba waren sie anfänglich auf den Präsensstamm beschränkt, indem in die übrigen Tempora bei Bedarf das primäre Verb eintrat. Ein Rest dieses Systems ist in δόξαι, δόξω, falls mit -ο- nach δοκέω für *δέξαι, *δέξω, vermutet worden (Wackernagel KZ 33, 37; weiteres bei Schwyzer 718). — Die erweiterten Formen δοκεύω (s. oben) und δοκάζω ‘erwarten’ (Sophr., S. Fr. 221, 23) sind wegen der Bedeutung eher an -δοκάω, δέκομαι als an δοκέω anzuknüpfen. — Die semantischen Beziehungen der betreffenden Verba lassen sich leichter ahnen als genau verfolgen; dt. annehmen, annehmbar, angenehm; auffassen, ansehen können immerhin von der Bedeutungssphäre und den Bedeutungsübergängen eine allgemeine Vorstellung geben. Zu δοκέω stimmt formal lat. doceō ‘lehren’; die Bedeutung läßt sich verschieden auffassen, ist aber im Gegensatz zu dem iterativ-intensiven δοκέω kausativ. Zu δοκέω im allg. s. Fournier Les verbes "dire" passim, insbes. 166f.; — Weitere Verwandte s. δέχομαι und δοκός; zu δοκεῖ μοι auch Meringer IF 17, 159; dazu Wahrmann Glotta 17, 256. I-405-406
δοκός (vgl. Schwyzer-Debrunner 34 A. 2), spät auch m. f. ‘Dachsparre, Balken’ (seit Il.). Ableitungen. Deminutiva: δοκίς (Hp., X., Arist. u. a.), δοκίον (Arist., Delos IVa), δοκίδιον (Harp.). — δοκίας (Phlp.), δοκεύς (Heph. Astr.) Ben. eines Kometen (wie auch δοκός, δοκίς; Scherer Gestirnnamen 107). — δοκώδης ‘balkenähnlich’ (Gloss.). — δοκόομαι ‘mit Balken versehen werden’ (Pap., S. E.) mit δόκωσις (LXX usw.). — Von δοκός auch δόκανα n. pl. Ben. zwei aufrechtstehender Hölzer, die mit einer Querstange verbunden sind (Plu.), δοκάναι· αἱ στάλικες, αἷς ἵσταται τὰ λίνα, ἢ κάλαμοι H., d. h. ‘Stellhölzer für Jagdnetze’; vgl. die Gerätenamen auf -ανον, -άνη bei Schwyzer 489f., Chantraine Formation 198f. — Ohne Zweifel zu δέκομαι als Nomen agentis und somit zunächst als "Aufnehmerin (der Dachung)" zu verstehen. Diese Übersetzung trägt aber dem Begriff des Angemessenen und des Anpassens, der δέκομαι von Haus aus eignet, kaum Rechnung; vgl. die s. δέχομαι angeführten Arbeiten von Wistrand und Redard, wo auch weitere Lit. — Nach Benveniste Rev. de phil. 58, 127 sind δοκός, δόκανα vorgriechische Wörter. I-406
δολιχός ‘lang’ (ep. poet. seit Il.). Davon mit regelmäßigem Akzentwechsel (Schwyzer 420) δόλιχος m. ‘Langlauf’, Bez. der langen Rennbahn (att. usw.) mit δολιχεύω ‘einen Langlauf machen’, δολιχεύς ‘Langläufer’ (Sparta IIp); über δόλιχος als Pflanzenname (Thphr.) s. Strömberg Theophrastea 107 A. 1, Pflanzennamen 24. Erweiterte poet. Form mit metrischer Dehnung δουλιχόεις (AP); EN Δολιχίστη Insel vor Lykien, eig. Superlativ, und Δουλίχιον Insel im ion. Meere (Hom. usw.), vgl. Seiler Steigerungsformen 101. Oft als Vorderglied poetischer Komposita; zu bemerken δολιχό-σκιος Beiw. des ἔγχος (Hom.), nachhom. auch von οὐρά, ἰός usw. (Opp., Nonn.), nach herkömmlicher tadelloser Übersetzung ‘langschattig, einen langen Schatten werfend’. Nach Prellwitz eig. ‘langeschig’ = ‘langschäftig’, zu ahd. asc usw. — Altes idg. Wort für ‘lang’, das in mehreren Sprachen erhalten ist: aind. dīrghá-, aw. darəγa-, aksl. dlъgъ, serb. dȕg, lit. (mit unerklärtem d-Wegfall) ìlgas, heth. dalugi-. Der einsilbigen Reduktionsstufe im Indoiranischen und Baltisch-Slavischen entsprechen im Griech. und Heth. die zweisilbigen δολιχ- bzw. dalug- mit verschieden gefärbten Reduktionsvokalen (Erklärung strittig; s. Schwyzer 278, Specht Ursprung 126 m. Lit., Locker Glotta 22, 59, Kronasser Vgl. Laut- und Formenlehre des Heth. 42). Auch lat. indulgeō ‘nachsichtig sein’ und germ., z. B. got. tulgus ‘fest, standhaft’ werden hierhergezogen (Einzelheiten bei W.-Hofmann s. v.), ebenso alb. glatë, gjatë ‘lang’ (aus *dlagh-t-? Jokl Untersuchungen 315; anders Pedersen und Vasmer, s. W.-Hofmann s. longus). — Zu δολιχός gehört ἐνδελεχής ‘fortdauernd, ununterbrochen’ (att. usw.) mit ἐνδελέχεια, ἐνδελεχέω, -ίζω, -ισμός, wie ἐν-τελής, ἐμ-μελής usw. gebildet und somit von einem Nomen *δέλεχος n. ‘Länge’, mit ebenfalls zweisilbiger Wurzel, ausgehend, das von μῆκος (wie δολιχός von μακρός) verdrängt wurde. — Ein anderes Wort für ‘lang’ bieten die westeuropäischen Sprachen mit lat. longūs, germ., z. B. got. laggs, illyr. PN Λάγγαρος, Longarus, vielleicht auch gall. Λογγο-σταλητες (Volksname). Eine vermittelnde, sehr fragliche Grundform *dlongo- kann, trotz dem nasalierten mpers. drang, npers. dirang, den Unterschied zwischen den östlichen und den westlichen Formen nicht überbrücken. Vgl. Porzig Gliederung 123f., 190f. m. Lit.; zu δολιχός noch Bechtel Lex. s. v. I-406-407
δολιχόσκιος s. δολιχός. I-407
δόλος m. ‘Lockspeise, Lockmittel, Trug, List’ (vorw. poet. seit Il.). Ableitungen: δόλιος ‘arglistig, trügerisch’ (poet. seit Od., hell. Prosa) mit δολιότης (LXX), δολιεύομαι ‘betrügen’ (LXX, S. E.) und δολιόω ‘ds.’ (LXX, Sm.); — δολερός ‘ds.’ (ion. att.), δολόεις ‘listig, geschickt’ (poet. seit Od.). — Erweiterte Form δόλευμα ‘List’ (Aen. Tact.; vgl. Chantraine Formation 186f.). — Denominatives Verb δολόω ‘überlisten, berücken, verstellen, verfälschen’ (seit Hes.) mit δόλωσις (X. u. a.) und δόλωμα (A., Aen. Tact.; Chantraine a. a. O.); daneben δολίζω ‘verfälschen’ (Dsk.). — Hierher noch δολία = κώνειον, ‘Schierling’ (Ps.-Dsk.), vgl. Strömberg Pflanzennamen 64; δολεών· ὁ δοθιήν H., vgl. Latte z. St.; δολάνα· μαστροπός. <Δάκωνες> H.; familiäres Wort, vgl. ähnliche Bildungen bei Chantraine 199; auch δόλοπα· κατάσκοπον, μαστροπόν mit δολοπεύει· ἐπιβουλεύει, ἐνεδρεύει H. — Unklar δόλος· πάσσαλος H.; vgl. Latte z. St. m. Lit.; unsichere Hypothese bei Specht Ursprung 157 und 219. — Zu δόλων s. bes. Die Identität von δόλος und lat. dolus, osk. dolom, -ud (Akk. bzw. Abl.) liegt auf der Hand; sie hat die Frage hervorgerufen, ob nicht das italische Wort einfach Entlehnung aus dem Griechischen ist (W.-Hofmann s. v.). Auch eine germanische Wortgruppe wird zum Vergleich herangezogen: anord. tāl f. ‘Betrug, Arglist’, ags. tǣl f. ‘Tadel, Verleumdung, Spott’, ahd. zāla f. ‘Nachstellung, Gefahr’, urg. *tēlō, das einem idg. *dēlā mit gedehnter e-Stufe entsprechen würde (vgl. die Bildungen bei Brugmann Grundr.2 2 : 1, 153f.). — Das primäre Verb, das hinter δόλος und Verw. vermutet werden kann, ist nirgends bewahrt. Beziehung zu dolāre und δαιδάλλω (s. d. und W.-Hofmann s. dolus mit reicher Lit.) muß als hypothetisch betrachtet werden (eig. ‘Spalt-Falle’?; Porzig Satzinhalte 315). I-407-408
δόλων, -ωνος m. 1. Ben. eines Vordersegels (Plb., D. S.) bzw. der zugehörigen Stange (Poll.), lat. LW dolō (seit Liv.); davon δολωνικός (Pap.). — 2. ‘Art Stockdegen, Stilett’ (Plu. TG 10); Deminutivum δολίσκος· δόλων, παραξιφίς H. Lat. dolō ‘ds.’ (seit Varro). — Im Sinn von ‘Stockdegen’ lassen sich δόλων dolō unbedenklich aus δόλος, dolus herleiten ("der Meuchler"); dabei könnte δόλων ebensowohl aus dem früher belegten dolō entlehnt sein wie umgekehrt. — Über δόλων als Benennung eines Segels und das daraus entlehnte dolō läßt sich wegen der rein technischen, streng spezialisierten Bedeutung nichts Bestimmtes sagen. Die Zusammenstellung mit δέλτος (s. d.), ahd. nhd. Zelt, aksl. dlanъ ‘flache Hand’ usw. (Fick 3, 159, WP. 1, 811) ruht auf einer allgemeinen formalen, begrifflich sehr schwachen Ähnlichkeit; die Anknüpfung an lat. dolāre ‘behauen’ und Verw. (s. δαιδάλλω) setzt die bei Poll. 1, 91 belegte Bedeutung ‘Segelstange’ als die primäre voraus (vgl. ἱστός). I-408
δόμος m. ‘Haus, Wohnung, Zimmer’ (vorw. poet. [für οἶκος, οἰκία] seit Il.), auch ‘Lage, Schicht’ (Hdt., LXX, Plb. u. a.; vgl. unten). Kompp. subst. wie ὀπισθό-, πρό- und adj. wie ἀγχί-, ἰσό-. Davon δομόομαι ‘mit Wohnung versehen werden’ (Pap. VIp). — Mit aind. dáma- m. ‘Haus, Bau’ identisch, ebenso mit lat. domus, insofern es ein o-Stamm ist. Neben diesem o-Stamm steht ein alter u-Stamm, der in aksl. domъ, aind. dámū-nas- m. ‘Hausgenosse’ (anders darüber Pisani KZ 72, 213ff.), arm. tanu-tēr ‘Hausherr’ zu verspüren ist (lat. domus als u-Stamm dagegen vielleicht Neuerung, W.-Hofmann s. domus, Ernout Philologica 103); s. auch δμώς. Alt ist ebenso das in δεσπότης, δάπεδον, vielleicht auch in δάμαρ vorliegende Wurzelnomen (s. dd.). Über das unklare Δ(α)μία, Μνία s. Δημήτηρ. — Die nahe Beziehung zu δέμω hat für δόμος die Sonderbedeutung ‘Lage, Schicht’ hervorgerufen; seinem Ursprung nach gehört aber δόμος nicht als Verbalabstraktum direkt zu δέμω (wie z. B. φόρος zu φέρω), sondern wurde aus dem älteren Wurzelnomen bzw. u-Stamm umgebildet. Eine andere Umbildung ist δῶμα, s. d. Etw. abweichend Benveniste BSL 51, 15ff. I-408-409
δόναξ, auch δῶναξ, δοῦναξ (s. unten), -ακος m. ‘Rohr, was aus Rohr gemacht ist, Pfeilschaft, Hirtenpfeife, Leimrute usw.’ (poet. seit Il., auch Thphr.). Davon mit auffallender Örtlichkeitsbedeutung δονακεύς ‘Röhricht’ (Σ 576 -κῆα, Erweiterung am Versende?; danach AP 6, 64, Opp. H. 4, 507; vgl. die Fälle bei Boßhardt Die Nom. auf -ευς 21f.), auch ‘Vogelfänger’ (Opp. K. 1, 73) als Postverbale zu δονακεύομαι ‘Vögel mit Leimrute fangen’ (AP), vgl. Boßhardt 35; δονακών ‘Röhricht’ (Paus. u. a.); δονακήματα· αὐλήματα H.; zur nominalen Ableitung Chantraine Formation 178. — δονακώδης ‘rohrreich usw.’ (B. u. a.), δονακόεις ‘ds.’ (E. in lyr., AP), δονάκινος (H. s. κερκίδας; nicht sicher); δονακῖτις ‘aus Rohr gemacht’, auch Pflanzenname (AP, Ps.-Dsk.; Redard Les noms grecs en -της 71, 112, Strömberg Pflanzennamen 36); δονακηδόν ‘rohrähnlich’ (A. D.). — Unsicher Δονάκτας Beiname des Apollon (Theopomp. Hist. 281), vielleicht für Δονακίτης (Redard 208). Die Nebenformen δῶναξ (Theok. 20, 29 neben δόναξ Ep. 2, 3 und Pi. P. 12, 25), δοῦναξ (AP) scheiden als Hyperdialektisierungen (bzw., für δοῦναξ, als metrische Dehnung, Schulze Q. 205) für die Beurteilung aus. Da die Mehrzahl der Wörter auf -αξ etymologisch undurchsichtig sind, bleibt die herkömmliche Anknüpfung an δονέω ‘schütteln’, obwohl völlig annehmbar (vgl. die Parallelfälle bei Strömberg Pflanzennamen 76f.), etwas ungewiß. Der Vergleich mit lett. duonis ‘Schilf, Binsen’ (Fick; s. Bq und WP. 1, 776) ist verlockend; falls damit urverwandt, könnte δόναξ seinen Vokal von δονέω bezogen haben (vgl. zu κλόνις). Got. tains ‘Zweig’ und Verw. (Bugge, Fick) sind jedenfalls fernzuhalten. Verfehlt Ribezzo RIGI 1 : 3, 49 (zu lat. iuncus). — Nehring Glotta 14, 181 hält δόναξ für ungriechisch. I-409
δονέω, Aor. δονῆσαι ‘schütteln, erschüttern’ (ep. ion. seit Il., poet. und spät). Davon δόνημα (Luk.). Als Hinterglied z. B. in ἁλί-δονος ‘auf dem Meere herumgetrieben’ (A.). — Iterativ-intensive Bildung ohne Etymologie. Pelasgische Erklärung bei v. Windekens Le Pélasgique 4 (zu aind. dhunóti). I-409
δόξα f. ‘Ansicht, Meinung, Ansehen, Ruhm, Pracht’ (seit Il. [Κ 324]; zur Bedeutung dieses geistesgeschichtlich wichtigen Begriffs Greindl RhM 89, 220ff. [bei den Vorsokratikern], Buttmann Phil. 97, 25 m. Litt. [hellenistisch], Kittel Forschungen und Fortschritte 7, 457f., Mohrmann Sprachgesch. u. Wortbed. 321ff. [LXX, NT usw.]). Hypokoristisches Deminutivum δοξάριον (Arr., Luk.); denominative Verba: 1. δοξάζω ‘meinen, glauben, rühmen’ (Trag., Th., Pl. usw.) nut δόξασμα, δοξασμός, δοξαστής, -αστός, -αστικός (att. usw.), auch δοξασία (D. C.) und δόξασις (Simp.); 2. δοξόομαι ‘im Rufe stehen’ (Hdt.). — Zu δοκέω; Bildungsweise unklar. — Unter Ablehnung der früheren Erklärungsversuche (*δόκ-τι̯ᾰ, *δόκ-σᾱ) will Leumann Hom. Wörter 173ff. von dem adverbiellen Ausdruck παρὰ (κατὰ) δόξαν (seit Thgn.) ausgehen, das als παρὰ (τὸ) δόξαν, d. h. als Akk. Ntr. des Ptz. zum Aorist ἔδοξέ μοι zu verstehen wäre, aber etwa nach παρὰ μοῖραν als Akk. eines ᾰ-Femininums, παρὰ (τὴν) δόξαν, umgedeutet wäre; trotz der Kritik bei Fraenkel Gnomon 23, 374 (s. auch Tabachovitz Homerische εἰ-Sätze. Lund 1951. S. 140ff.) erwägenswert. I-409-410
δορά — Das angebliche kret. δορά = δοκός (EM, H.; zu δόρυ?) steht auf sehr schwachen Füßen, s. Latte z. St. Jedenfalls gehört δορόω ‘bestreichen, überziehen’ mit δόρωσις zu δορά ‘Haut, Fell’; unrichtig Xanthudides ’Αρχ. 28, 130ff. (vgl. Kretschmer Glotta 11, 230). s. δέρω. I-410
δορίαλλος auch δόριλλος. ‘τὸ γυναικεῖον αἰδοῖον’ (Ar. Fr. 367), — Unerklärt. Alte und neuere Deutungsversuche bei Kock z. St. I-410
δόρκαι · κονίδες H. — Wie δερκύλλειν· αἱμοποτεῖν H. (neben δερμύλλειν von δέρμα) zu δέρω mit einer κ-Erweiterung (Fick BB 28, 99). I-410
δορκάς, -άδος f. ‘Reh, Gazelle’ (Hdt. 7, 69, E., X.). Mehrere Nebenformen: δόρξ (Kall., Luk.; Akk. δόρκᾱ̆ν E. H. F. 376 [lyr.]; δόρκα Dindorf), δόρκος (Dsk., Opp.), δόρκων (LXX u. a.); auch ζορκάς (Hdt. 4, 192), ζόρξ (Kall., Nik.); ἴορκος (Opp.), ἴορκες, ἴυρκες (H.). — Ableitungen: Deminutiva: δορκάδιον (LXX, Delos IIIa), δορκαλίς (Kall. usw.; zur Suffixkombination -αλ-ιδ- Chantraine Formation 251f., 344); δορκαλῖδες ‘Würfel aus Rehknöcheln’ (Herod.; vgl. die technischen Wörter auf -ῑδ- bei Chantraine 346f.); δορκάδε(ι)ος ‘aus Reh(knöcheln) gemacht’ (ἀστράγαλος, Thphr., Plb., Inschr. u. Pap.; vgl. Schmid -εος und -ειος 52), δόρκειος (Theognost.), δόρκιος (Edict. Diocl.). — PN Δορκεύς usw., s. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 130. — Wie κεμάς usw. gebildet, ist δορκάς ebenso wie δόρκος und δόρκων aus dem Wurzelnomen δόρξ erweitert. Wenn man von den sonst unverständlichen Formen mit ζ- ausgeht, erhält man eine direkte Übereinstimmung in einem keltischen Wort für ‘Reh’, korn. yorch, bret. iourc’h ‘Reh’, kymr. iwrch ‘caprea mas’, idg. *i̯ork-o-. Die δ-Formen beruhen auf volksetymologischem Anschluß an δέρκομαι; ἴορκος usw. können keltische (galatische) LW sein. — Sommer Lautst. 147f. I-410
δόρπον (hell. u. spät auch -ος m.) n. ‘Abendessen, Mahl’ (ep. poet. seit Il.). Davon δόρπιον ‘Zeit des Abendessens’ (Hp. Epid. 5, 22 v. l.), δόρπιος ‘zum δ. gehörig’ (Nonn.); δορπήϊα n. pl. ‘Speise, Mahl’ (Nik.; vgl. ξεινήϊα), Δορπία f. ‘Vorabend eines Festes, insbes. des Apaturienfestes’ (Hdt., Kom., Inschr.). Denominativa δορπέω ‘zu Abend essen’ (Hom.), δορπιάζειν· δειπνεῖν H. (vgl. συμποσι-άζειν u. ä.). — δορπηστός m. (scil. καιρός) ‘Zeit des Abendessens’ (Hp., A., X. u. a.), vgl. δειπνηστός s. δεῖπνον. — Unter Annahme einer gemeinsamen Grundform *dorqu̯-o- kann δόρπον mit alb. darkë ‘Abendessen, Abend’ identisch sein, vgl. Mann Lang. 26, 384f., Porzig Gliederung 178. Weitere Beziehungen (zu δρέπω usw., Bq s. v., WP. 1, 801f. mit älterer Lit.) schweben in der Luft. I-410-411
δόρυ Gen. δόρατος (att.), δορός (Trag.), δουρός und δούρατος (Hom.), du. δοῦρε (Hom.), pl. δόρατα, δοῦρα, δούρατα n. ‘Holz, Baumstamm, Speer’ (seit Il.; über Bedeutung und Gebrauch im Epos Trümpy Fachausdrücke 52ff.). Ableitungen, im allg. spärlich belegt: Deminutiva δοράτιον (Hdt., Th. u. a.), δορύδιον (auct. ap. Orib. 47, 17, 5), δορύλλιον (Suid.); Adj. δουράτεος ‘hölzern’ (ep. seit Od.; von ἵππος usw.), auch δούρειος (E. Tr. 14, Pl. Tht. 184d), δούριος (Ar. Av. 1128), δορήϊος (AP 15, 14), ep. Reminiszenzen, Schulze Q. 102 A., 516; vgl. auch Schwyzer 468. — Denominativum δορατίζομαι ‘mit Speer kämpfen’ (H., EM) mit δορατισμός (Plu.). — Unsicher δορά (< *δορϝ-ά) = δοκός (EM), s. Latte zu H. s. δορά. — Kurznamen: Δοῦρις, Δορίης usw. Als Vorderglied in zahlreichen Komposita (worunter viele EN) neben δορυ- (δορατο-, δουρο-) auch δο(υ)ρι-, zunächst als Dativ (Instrumental) in δουρι-κλειτός u. a., dann auch analogisch ohne ausgesprochene Kasusfunktion nach anderen Vordergliedern auf -ι. Von den Komposita sind zu bemerken δορυ-σσόος ‘speerschwingend’ (Hes. Sc. 54, A. Supp. usw.; zu σείω, Wackernagel Glotta 14, 54), δουρηνεκές aus *δορϝ-ηνεκές Adv. ‘einen Speerwurf weit’ (Κ 357, zu ἐνεγκεῖν, vgl. διηνεκής und Hermann Gött. Nachr. 1943, 612f., Trümpy 52ff.). — Daneben δωρι- in EN, z. B. in Δωρί-μαχος (dor., böot.), Δωρι-κλῆς (ark., dor.); die gleiche Vokalisation auch in ἀσχέ-δωρος, s. d. Eine Erklärung aus -δορϝ-ος, die für gewisse dorische Gebiete lautgesetzlich ist, könnte wegen der weiten Verbreitung der betreffenden Eigennamen Bedenken erregen; da es sich aber dabei sehr wohl um Entlehnungen über die Dialektgrenzen hinaus handeln kann, ist eine Zurückführung auf dehnstufiges *-δωρϝ-ος (Osthoff Etym. parerga 1, 158ff. m. Lit.) kaum nötig. — Mit aind. dā́ru, aw. dāuru ‘Holz’ bis auf die Vokallänge identisch (vgl. γόνυ : jā́nu), hat δόρυ eine genaue Entsprechung in heth. taru ‘Holz’, wohl auch in toch. AB or ‘ds.’ mit unerklärtem Wegfall des d- (vgl. zu δάκρυ). Neben diesem alten stoffbezeichnenden Neutrum steht ein feminines Wort für ‘Baum, Eiche’, δρῦς, s. d. Vgl. noch δρυμά und δένδρεον. — Reiche Lit. bei W.-Hofmann s. larix. I-411-412
δορύκνιον n. Pflanzenname, ‘Convolvulus oleaefolius’ u. a. (Dsk., Nik., Plu.). Deminutivum δορυκνίδιον (Gal.). — Ohne Etymologie. I-412
δοῦλος ion. att., δῶλος kret.; m. ‘Sklave, Knecht’, auch als Adj. ‘sklavisch, knechtisch’ mit dem Komp. δουλότερος (Hdt.); δούλη f. ‘Sklavin, Magd’ (seit Il.); zur Verbreitung E. Kretschmer Glotta 18, 74f. Viele subst. und adj. Kompp. Ableitungen: δουλίς f. (Hyp., AP u. a.; vgl. Schwyzer 127 und 465) mit δουλίδιον (H.), δουλάριον (Ar. usw., vorw. von Sklavinnen gebraucht). — δουλοσύνη ‘Knechtschaft’ (ion. poet. seit Od.; vgl. Porzig Satzinhalte 226) mit δουλόσυνος (E. Hek. 448 [lyr.]); dazu Frisk Eranos 43, 220. — δούλιος, -ειος ‘sklavisch, knechtisch’ (vorw. poet. seit Hom.), δούλεος ‘ds.’ (A. R.), δουλικός ‘ds.’ (att. usw.), δουλικά (σώματα) n. pl. ‘Sklaven’ (Peripl. M. Rubr., Pap.). — Denominative Verba: 1. δουλεύω ‘Sklave sein, dienen’ (ion. att.) mit δουλεία, ion. -ηΐη ‘Knechtschaft’, δούλευμα ‘Knechtschaft, Knecht’ (Trag.; vgl. Chantraine Formation 186), δουλεύτρια ‘Dienerin’ (Eust.); 2. δουλόομαι, -όω ‘geknechtet werden, knechten’ (ion. att.) mit δούλωσις (Th., Pl. usw.) und δουλωτικός (Plu.). — Ägäisch do-e-ro, do-e-ra, wenn richtig als ‘Sklave, -in’ gedeutet, erweist für δοῦλος, δῶλος eine Grundform *δόελος. Wichtig für die Erklärung des Wortes ist eine Angabe bei H.: δοῦλος· ἡ οἰκία, ἢ τὴν ἐπὶ τὸ αὐτὸ συνέλευσιν τῶν γυναικῶν (unklar δωλοδομεῖς· οἰκογενεῖς; verfehlt Schulze Q. 95 A. 3); die Änderung in δοῦμος (Latte nach Wackernagel) ist erwägenswert, verstößt aber gegen die Buchstabenfolge. Das Wort ist jedenfalls entlehnt, u. zw. nach Lambertz Glotta 6, 1ff. (wo ausführliche Behandlung) karisch-lydisch (ähnlich Benveniste Rev. d. ét. lat. 10, 438f.), nach Aßmann Glotta 9, 94ff. aus dem Nordsemitischen. — Unhaltbare idg. Etymologien bei Bq. I-412
δοῦμος m. Ben. eines kleinasiatischen Kultvereins, speziell im Kreise von Magna Mater-Kybele-Attis (Inschr., AP). — Phrygisches Wort, mit gr. θωμός ‘Haufe, Schober’, germ. z. B. got. doms ‘Urteil, Sinn’ formal identisch. WP. 1, 828 mit Lit.; außerdem Wikander Feuerpriester in Kleinasien und Iran (Lund 1946) 1ff. I-412
δοῦπος m. ‘dumpfes Geräusch, Getöse’ mit δουπέω, Aor. δουπῆσαι, Perf. Ptz. Gen. δεδουπότος (Ψ 679, A. R. 1, 1304 u. a.; Neubildung, s. Schwyzer 771, Leumann Hom. Wörter 218) ‘dumpf tönen, tosen’, sekundär (durch Mißverständnis der stehenden Wendung δούπησεν δὲ πεσών, Leumann 217 m. Lit.) ‘im Kampfe fallen’ (vorw. ep. poet. seit Il.). Als Hinterglied in ἐρί-δουπος, auch ἐρί-γδουπος ‘mit lautem Geräusch, laut donnernd’ (ep. poet. seit Il.); der Anlaut γδ- auch in ἐγδούπησαν Λ 45 und μασίγδουπον βασιλῆα· μεγαλόηχον ... H., sowie in ἁλί-, βαρύ-, μελί-γδουπος. Die zahlreichen andern Kompp. haben als 2. Glied -δουπος. — An δουπέω, Intensivbildung wie βρομέω usw., erinnert ein baltisch-slavisches Schallwort, lett. dupêtiês ‘dumpf schallen’, serb. dȕpiti ‘(mit Getöse) schlagen’ usw.; toch. AB täp etwa ‘laut tönen, verkünden’ ist mehrdeutig. Da ein Anlaut gd- sonst weder aus dem Griechischen noch aus der idg. Grundsprache bekannt ist, bleibt die Beurteilung unsicher. Eine entsprechende Tenuisverbindung bietet das sinnverwandte κτυπέω, κτύπος; sowohl γδ- wie κτ- machen den Eindruck einer expressiven Lautimitation. — Schwyzer 718 A. 3, WP. 1, 781f., Pok. 221f.; s. noch Fraenkel Lit. et. Wb. s. dùpinas mit weiterer Lit. I-412-413
δόχμη oder δοχμή f. ‘Handbreit, Spanne’ (Kom.). — Eig. "die Quere", Substantivierung von δοχμός (s. d.) mit Akzentverschiebung (Schwyzer 380) bzw. Oxytonierung nach σπιθαμή, πυγμή u. a. Nicht zu δέχομαι als "der Empfang, die Empfängerin’. I-413
δοχμός (ep. ion. poet. seit Il., auch Delphi IIa), δόχμιος (ep. poet. seit Il.) ‘in die Quere gehend, schräg, schief’; δόχμιος auch als metr. Ausdruck ‘versus dochmius’ (Choerob. usw.) mit δοχμιακός, δοχμικός, δοχμαικός, δοχμιάζω (Sch. usw.). Denominatives Verb δοχμόομαι (δοχμωθείς) ‘in die Quere gehen, sich auf die Seite drehen’ (Hes., h. Merc.), Aor. Akt. u. Med. δοχμῶσαι, -ώσασθαι (Nonn.). — δοχμαλόν· χαμαίζηλον, ταπεινόν H. nach χθαμαλός. — Altes Reliktwort, mit aind. jihmá- ‘schräg, schief’ offenbar identisch. Über die lautliche Diskrepanz sind nur Hypothesen möglich: der griech. ο-Vokal muß eine Reduktionsstufe repräsentieren oder (nach J. Schmidt KZ 32, 374) aus *δαχμός assimiliert sein; in jihmá- muß j- aus d- an den inlautenden Guttural assimiliert sein (urar. *žižhmá- aus *dižhmá-), s. Schmidt a. a. O., Schwyzer 302g; weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 769; s. auch Mayrhofer Wb. s. jihmáḥ. I-413
δραγατεύω (Thess. IIIa), Bed. nicht sicher; wahrscheinlich ‘Garben zusammenlesen’ (= δραγματεύω), ‘ernten’, — von δραγάτης *‘Schnitter, Feldarbeiter’, ngr. ‘Feldhüter’ (ἀρχιδραγάτης Ankyra IIp); zu δράσσομαι (s. d.) nach ἐργατεύομαι : ἐργάτης, Zingerle Glotta 15, 70ff. m. älterer Lit. Z. zieht noch heran: δραξών· ἐν Σικελίᾳ ἱερόν ..., εἰς ὅ οἱ γεωργοὶ εὐχὰς ἔπεμπον, ὅθεν καὶ δραξόνες (δρασοντες cod.) ἐκλήθησαν H.; vgl. auch Latte z. St. Ausführlich über δραγάτης mit neuem Erklärungsversuch Georgacas Orbis 4 (1956) 91ff. I-413-414
δραϝεους (GDI 1537, Phokis, frühestens VIa) Akk. pl. f. Ben. eines der Athena geweihten Gegenstandes. — Nach Ulbricht z. St. zu δραιόν· μάκραν, πύελον H. und δροίτη (s. d.); ganz hypothetisch. I-414
δράκων, -οντος ‘Drache, Schlange’ (seit Il.), auch Fischname, ‘Trachinus’ (Epich., Hp., Arist., vgl. Strömberg Fischnamen 121f.). - Fem. δράκαινα ‘Drachin’ (h. Ap., A. usw.) mit δρακαινίς Fischname (Kom.); vgl. unten. m. Deminutivum δρακόντιον (Delos IIIa), auch Pflanzenname ‘Arum dracunculum’ (Hp., Thphr. usw.; nach der Farbengebung, Strömberg Pflanzennamen 38); δρακοντίς N. eines Vogels (Ant. Lib.; vgl. Thompson Birds 91); δρακοντία Pflanzenname (Ps.-Dsk.); δρακοντίας (πυρός, σίκυς, πελειάς, Thphr. usw.); δρακοντίτης (λίθος; Ptol. Chenn., Plin., vgl. Redard Les noms grecs en -της 54). — δρακόντειος und δρακοντώδης ‘drachenartig’ (E. u. a.). — δρακοντίασις N. einer Krankheit (Gal.) wie von *δρακοντιάω, nach den Krankheitsnamen auf -ίασις, vgl. Holt Les noms d’action en -σις 137 A. 3. — Die seit alters herrschende Ansicht, der Drache sei nach seinem bannenden, lähmenden Blick benannt, ist von Fick BB 28, 99 in Zweifel gezogen worden. — Wenn, was immerhin wahrscheinlich ist, zu δέρκομαι, kann δράκων als ursprünglicher n-Stamm (wozu δράκαινα) vom Wurzelnomen *δρά(κ) = aind. dŕ̥ś- ‘Blick’ (vgl. ὑπό-δρα) gebildet sein. Der ντ-Stamm wäre dann nach den Partizipien eingeführt, Schwyzer 526, Chantraine Formation 268. Anders Specht KZ 63, 221. I-414
δραμεῖν Aor. (seit Il.), Fut. δραμοῦμαι (ion. att.), Perf. δέδρομα (Od.), δεδρόμᾱκα (Sapph.; vgl. unten), δεδράμηκα (ion. att.) ‘laufen’. Davon δρόμος mit mehreren Ableitungen (s. d.), δρομή (Hdn.), δράμημα ‘Lauf’ (Hdt., Trag.), auch δρόμημα (APl. u. a.; nach δρόμος). — Vereinzelt belegte Deverbativa: δρομάασκε (Hes. Fr. 117 v. l.); δρομήσασα (Vett. Val.); ὑπαδεδρόμᾱκε (Sapph.; kann auch äolische Schwundstufe sein), erweitert δρομάσσειν· τρέχειν H.; auch δρωμᾷ· τρέχει und δρωμίσσουσα· τρέχουσα H.; vgl. Schwyzer 718f. — Der Aorist- und Perfektstamm δραμ-, δρομ- verhält sich zu δρᾱ- in ἔ-δρᾱ-ν usw. (s. ἀπο-διδράσκω) wie der Präsensstamm βαν- aus *βαμ- in βαίνω zu βᾱ- in ἔ-βη-ν. Eine sichere außergriechische Entsprechung liegt vor im aind. Präsens dramati (Gramm.), Intens. dan-dram-yate ‘laufen’; sehr fraglich dagegen ags. trem ‘Fußtapfe’ und damit verwandte germ. Wörter (WP. 1, 796 m. Lit., Pok. 204f.). Es stehen also einander gegenüber idg. drem- : drā- wie gu̯em- : gu̯ā-; auf eine morphologische Erklärung dieser offenbar nicht zufällig einander parallel laufenden uralten Bildungen muß verzichtet werden, vgl. zu βαίνω. Eine dritte Variante (Kreuzungsform?) begegnet in aind. drávati ‘laufen’. — Als Präsens von δραμεῖν fungiert τρέχειν. Eine Vermutung über den Aspekt bei Benveniste Origines 120. I-414-415
δράμις f. Art Brot, nach Seleuk. ap. Ath. 3, 114b makedonisch. — Erinnert im allg. an δαράται usw. (s. d.); sonst dunkel. Vgl. Pisani Rev. intern. ét. balk. 3 (1937) 11. I-415
δραπέτης s. ἀπο-διδράσκω. I-415
δράσσομαι, δράττομαι, Aor. δράξασθαι, Perf. δέδραγμαι ‘mit der Hand fassen, greifen’ (ion. att. seit Il.). Kompp. mit δια-, ἐν-, κατα-. Davon δράγμα ‘Handvoll, bes. von Getreidehalm, Garbe’ (seit Il.; vgl. Porzig Satzinhalte 241) mit δραγμεύω ‘Garben zusammenlesen’ (Σ 555) wie von δραγμός (E. Kyk. 170) für das metrisch unmögliche δραγματεύω (Eust. 1162, 17); als Vorderglied z. B. in δραγματ-ηγός (Pap.); — daneben δραγμίς ‘kleine Handvoll’ (Hp. Morb. 2, 55 v. l. zu δραχμίς), δραγμή ‘ds.’ (EM); δραχμή s. bes.; δράγδην ‘mit der Hand greifend’ (Plu., Q. S.). — Retrograde Bildung δράξ, -κός f. ‘Handvoll, Hand’ (LXX, Batr. usw.); dazu mit Metathese δάρκες· δέσμαι H. — δραγατεύω (δραξών) s. bes. — Unklar δρακτόν ‘kleine Vase’ (Inschr.). — Primäres Jotpräsens aus *δρακ- oder *δράχ-ι̯ομαι mit durchgeführter Schwundstufe. Ohne sichere Verwandte. In Betracht kommt wegen der Bedeutung in erster Linie arm. trc̣-ak ‘Reisigbündel’ (Petersson KZ 47, 265), vgl. naw-ak ‘kleiner Kahn’ usw.; das urspr. auslautende -c̣ läßt auf irgendeine Gutturalkombination schließen. Zwischen dem anlautenden t- und r (evtl. zwischen r und c̣) muß ein urspr. idg. ē oder ō (urarm. i oder u) gefallen sein. Was sonst aus dem Germanischen, Keltischen und Slavischen herangezogen worden ist, z. B. ahd. zarga ‘Seiteneinfassung eines Raumes, Rand’, mir. dremm ‘Schar, Abteilung von Menschen’, bret. dramm ‘Bündel’, aksl. po-dragъ ‘Saum, Rand eines Kleides’, bleibt fraglich. Ausführlich über die frühere Diskussion Bq s. v., WP. 1, 807f. I-415
δραχμή (ion. att.), δαρχμά (ark., el., Knossos), δαρχνά (Gortyn, aus -χμά Schwyzer 215f.) f. ‘Drachme’, Gewicht und Münze. Davon δραχμιαῖος ‘eine D. wert’ (att. usw.; nach ἡμιωβολιαῖος u. a., s. Chantraine Formation 49), auch δραχμαῖος, -ήϊος (Nik.); — Demin. δραχμίον (Aristeas). — Verbalnomen auf -μη, -μᾱ (σμᾱ?, Schwyzer 327) von δράσσομαι (s. d.), also eig. ‘das mit der Hand Fassen, Handvoll’ (von Obolen), vgl. σπιθαμή, πυγμή u. a. (Porzig Satzinhalte 289); δραχ- und δαρχ- repräsentieren verschiedene Formen der Schwundstufe. — Aus δραχμή stammen arab. dirham, arm. dram und andere orientalische Formen, s. Bailey BSOAS 13, 128f. mit Lit.; ngr. δράμι aus δραχμίον, mit Akzent nach osm. dirhém, Maidhof Glotta 10, 10. I-415-416
δρά̄ω, äol. 3. sg. δραῖσι, Aor. δρᾶσαι usw. ‘machen, tun’ (seit Od.; att. Prosa πράττω, ποιέω). Kompp. mit ἀνα-, ἀντι-, ἐπι-, παρα-, συν-, ὑπο-. Ableitungen: δρᾶμα ‘Handlung, Schauspiel, Drama’ (A. usw.) mit dem Deminutivum δραμάτιον (Plu. u. a.) und δραματικός ‘dramatisch’ (Arist. usw.); daneben mit analog. σ (vgl. δρηστήρ usw. unten) δρασμάτων· πανουργημάτων H. und δρασματικός = δραστήριος (Cat. Cod. Astr.); erweiterte Form δραμοσύνη ‘heiliger Dienst’ (Attika IVa), daneben δρησμοσύνη ‘ds.’ (h. Cer. 476) von *δρήσμων, vgl. Chantraine Formation 174, Porzig Satzinhalte 224. — δρᾶσις ‘Handlung, Aktivum, Stärke’ (A. D., Luk.) mit τὸ δράσιμον (A. Th. 554; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 78). — Mit analog. σ (Schwyzer 531): δρηστήρ, f. δρήστειρα (Od.), δρήστης, δράστης, δράστας (Archil., Pi. usw.) ‘Diener, -in’ (vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 167f.) mit δραστήριος ‘wirksam’ (A., Th. usw.), δραστηριότης (Eust.) und δραστηριώδης (Gal.), δραστικός ‘wirksam’ (Pl. usw.; auch direkt auf δράω bezüglich), δρηστοσύνη ‘Dienstfertigkeit, Gewandtheit im Dienen’ (ο 321); denominatives Verb δρηστεύω ‘Diener (bei der heiligen Handlung) sein’ (Lesbos). — Desiderativum δρᾱσείω ‘tun wollen’ (S., E., Ar.). — Neben δράω, wahrscheinlich als Neubildung nach βαίνω, φαίνω usw. steht δραίνω ‘tun wollen, tun können’ (Κ 96, Herod.; Ionismus, Bechtel Lex., Chantraine Gramm. hom. 1, 343) mit der Zusammenbildung ὀλιγο-δρᾰνέων ‘wenig könnend, ohnmächtig’ (Il., späte Prosa; von ὀλίγα δραίνειν nach ὀλιγηπελέων u. a., vgl. Schwyzer 724, Chantraine Gramm. hom. 1, 349; auch Bechtel Lex. s. ὀλιγοδρανέω mit anderer Analyse), wovon ὀλιγοδρᾰνία (A.), ὀλιγοδρᾰνής (Ar., Luk.); späte Neubildungen ἀδρᾰνής (LXX, Arr. usw.) mit ἀδράνεια (Hdn. u. a.), ἀδρανίη (A.R., Kall. u. a.), ἀδρανέω ‘unwirksam, schwach sein’ (Arat., Opp. u. a.), ἀδρανίζω ‘ds.’ (Sch.); daraus rückgebildet δράνος· ἔργον, πρᾶξις, ὄργανον, ἄγαλμα, κατασκεύασμα, δύναμις H. (wozu ngr. δράνα ‘Weinranke’?, Bogiatzides ’Αρχ. ’Εφ. 27, 115ff.), δρανεῖς· δραστικοί H. — Wenn man von dem wahrscheinlich neugebildeten δραίνω nebst Ableitungen absieht, gehen sämtliche Formen dieses Verbs einschließlich der Nominalbildungen auf eine einsilbige langvokalische Wurzel δρᾱ- (vgl. κρᾱ-, τλᾱ- usw.) zurück, von der seit alters eine zweisilbige Form im Baltischen, lit. daraũ, darýti, lett. darît ‘tun, machen, bilden’ vermutet wird (vgl. Schwyzer 675 m. A. 7 m. Lit.). Anders über darýti Fraenkel Lit. et. Wb.: Kaus. von derù, derė́ti ‘taugen, brauchbar sein’ (mit Mühlenbach-Endzelin s. darît) mit weiterem Anschluß an aind. dhár-ma- ‘Satzung, Gesetz’, dhāráyati ‘festhalten’ usw. (?). — Über δράω, δρᾶμα handelt Snell Philol. Suppl. 20 : 1 (1928) 1ff. und Philol. 85, 141ff. — Der allgemeine Begriff ‘tun, machen’ ist eine späte Abstraktion, die Ausdrücke dafür wechseln mithin stark von Sprache zu Sprache. Vgl. πράττω, ποιέω, ἔρδω. I-416-417
δρέπω (δρέπτω Mosch., Opp. usw.), Aor. δρέψαι (auch δραπών Pi., δρόπωσιν [Konj.] Alk.) ‘pflücken, abschneiden’ (seit Od.). Kompp. mit ἀνα-, ἀπο-, ἐπι-, κατα-. Davon δρεπάνη (vorw. poet. seit Il.), δρέπανον (seit Od.) ‘Sichel’ (δράπανον Epigr.) mit δρεπανηΐς ‘ds.’ (Nik.; zur Bildung Chantraine 346), δρεπάνιον (Seleuk. ap. Ath.); δρεπανίς ‘Mauerschwalbe’ (Arist., wegen der Form der Flügel, Thompson Birds s. v.; H. auch δραπανίδες· εἶδος ὀρνέου), δρεπανώδης ‘sichelförmig’ (Agath.). In Komp., z. B. δρεπανη-φόρος ‘sicheltragend’ (X.) mit vom Satzrhythmus begünstigtem -η- für -ο-, vgl. Schwyzer 438f. — δρέμμα· κλέμμα ("etwa vom Obstdiebstahl", v. Blumenthal Hesychst. 35, falls nicht für κλῆμα), οἱ δὲ κλάσμα H. — δρεπτεῖς H., δρεπεῖς EM = τρυγηταί, ‘Winzer’, wohl direkt zu δρέπ(τ)ω, s. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 81. Neben δρέπω steht mit ω-Abtönung δρῶπαξ m. ‘Pechmutze’, wovon δρωπακίζω ‘eine Pechmütze anlegen, die Haare ausreißen’ mit δρωπακισμός, -ιστής, -ίστρια (Mediz. u. a.). Hierher wohl auch δρώπτης· πλανήτης, πτωχός H. — Das dehnstufige δρωπ- findet sich in einem slavischen Wort für ‘kratzen, reißen’, z. B. russ. drápa-ju, -ti (sek. drjáp-), poln. drapać, skr. drâpām, drápati usw. Daneben Schwundstufe (δραπών usw.) in bulg. dъ́rpam, skr. dr̂pām, dŕpati. Auf idg. drōp- fußt auch lett. druõpstala ‘Schnitzel, Stückchen, Krümchen’. Sehr unsicher ist die Verwandtschaft von awno. trǫf n. pl. ‘Fransen’ usw. (idg. *drop-) und von gallorom. drappus ‘Tuch, Leinen’ usw. (W.-Hofmann s. v.). — Daß δρέπω irgendwie nut δέρω zusammenhängt, ist längst vermutet worden; ähnliche Bildungen sind u. a. τρέπω, κλέπτω (s. dd.). — Aus dem Griech. stammt wahrscheinlich alb. drapën ‘Sichel’. — WP. 1, 801f. m. Lit., Pok. 211. I-417
δρηστεύω, δρηστήρ usw. s. δράω. I-417
δρῖλος m. ‘(Regen)wurm, Beschnittener’ (AP, Amphissa; zur Bed. Diels IF 15, 4ff.). Davon δρίλακες· βδέλλαι H. (Chantraine Formation 380). — Ohne Etymologie. Das von M. Scheller bei Pok. 208 herangezogene δριάουσαν· θάλλουσαν H. geht wie δριάεντα· χλωρά von δρίος, pl. δρία ‘Gebüsch, Dickicht’ aus; die angenommene Grundbedeutung ‘schwellend, Schwellender’ (woraus sowohl ‘Beschnittener’ [: ‘Penis’] wie ‘Blutegel’) schwebt somit ganz in der Luft. — Eine unhaltbare Anknüpfung an arm. titeṙn ‘Krokodil’ (H. Petersson) ist bei Kretschmer Glotta 14, 229 notiert. Andere vergebliche Deutungsversuche von Loewenthal WuS 10, 186 und Sapir Lang. 15, 185. Früher u. a. zu δέρω gezogen. Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 799f. — S. auch κροκόδιλος. I-417-418
δρῑμύς ‘scharf, herb, bitter’ (seit Il.). Davon δριμύλος (Mosch.; deminutivisch, vgl. ἡδύλος u. a. Chantraine Formation 250) mit δριμυλέων als philosophischer Spitzname (Gal.); δριμύτης, -ητος f. ‘Schärfe usw.’ (ion. att.). Denominatives Verb δριμύσσω ‘einen beißenden Schmerz verursachen’ (sp. Mediz.; Debrunner IF 21, 243) mit δρίμυξις und δριμυγμός; auch δριμεύω (Anon. in EN). — Wenn eig. ‘zerspaltend, schneidend’, kann δριμύς aus *δρῑ̆σ-μύς (für *δρῑ̆σ-μός nach ὀξύς usw.?) zu lett. drīs-me ‘Riß, Schramme’ gehören. Weitere Verbindung mit der großen Sippe von δέρω ist sehr wohl möglich (Persson Beitr. 2, 779). I-418
δρίος pl. δρία n., ‘Gebüsch, Dickicht’ (ep. poet. seit ξ 353 [Genus dort unsicher]; vgl. ἄλσος, τάρφος u. a.; Porzig Satzinhalte 300). Davon vielleicht δριών ‘δενδρών’ in ἐν δριῶνας (Meineke; cod. ἐνδριώνας)· δρόμος παρθένων ἐν Λακεδαίμονι H. — Von Pedersen Vergl. Gramm. 1, 80 mit air. driss ‘vepres’ (st-Suffix) verglichen. Gewöhnlich zu δρῦς usw. (s. d.) gezogen; die Bildung bleibt indessen ganz unklar (vgl. Güntert Idg. Ablautprobl. 25). Nicht hierher mit Osthoff Etym. parerga 1, 156ff. δρίς· δύναμις H. (nach Herwerden zu lesen ἁ βίς [= ϝίς]; sehr fraglich). I-418
δροίτη f. ‘Badewanne’ (A., Nik., Lyk.), auch ‘Wiege’ (Alex. Aet.), ‘Sarg’ (Parth.), N. eines Tanzes (H.; dazu Lawler AmJPh 71, 70ff.). Erweiternde Umbildung δοῖτρον· πύελον, σκάφην H., aus *δροῖτρον. Sonst keine Ableitungen. — Nicht sicher erklärt. Nach Holthausen IF 17, 294 und Lidén 18, 414 aus *δροϝ-ιτᾱ, Parallelbildung zu ags. trīg, neng. tray ‘flacher Trog, Schüssel’ aus urg. *trau-i̯a-, idg. *drou-i̯o-, beide somit vom Wort für ‘Holz’ (s. δόρυ, δρῦς) abgeleitet; zur Bed. vgl. aind. dró-ṇam ‘Trog’. Die Bildung von δροίτη wäre auffallend, aber nicht ohne Seitenstücke, z. B. λά̄ϊτον, λήϊτον ‘Stadthaus’ von λᾱός, λεώς ‘Volk’, s. Schwyzer 504. Die jüngere Form δρύτη beruht auf der Aussprache υ für οι und auf daraus folgender Assoziation mit δρῦς. Ausführlich über δροίτη mit weiterer Lit. Wackernagel Unt. 187 A. 1. Abzulehnen Specht Ursprung 139: droi̯- (auch in δρίος) und drou̯- alter Stammwechsel; Sapir. Lang. 15, 185: zu ὕδωρ(?); Lasso de la Vega Emerita 23, 109ff.: zu δρύεται. — Aus δροίτη stammt wahrscheinlich lat. dureta ‘hölzerne Badewanne’ (Schwyzer KZ 62, 199ff.). I-418-419
δρόμος m. ‘Lauf, Wettlauf, Laufbahn, Rennbahn’ (seit Il.; zur Bed. Porzig Satzinhalte 273) = γυμνάσιον (Kreta; vgl. zu δρομεύς unten). Zahlreiche Ableitungen: δρομεύς ‘Wettläufer’ (att.), ‘ἔφηβος’ (kret.; vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 38, Leumann Hom. Wörter 284f.); δρομάς f. (m., n.) ‘laufend’ (S. Ph. 678 [lyr.], E. in lyr., vgl. Schwyzer 507, Chantraine Formation 354), auch als Ben. eines Kamels (D. S., Str. usw.), als lat. LW dromas mit dromedārius, woraus δρομεδάριος, δρομαδάριος ‘Dromedar’ (Pap.; vgl. W.-Hofmann s. v.); — δρομαῖος ‘laufend, schnell’ (S., E., Ar., X. usw.), δρομικός ‘zum (Wett)laufen geeignet, schnell’ (Pl., D. usw.) mit δρομικότης (Simp.); — Δρόμιος Bein. des Hermes (Kreta), Δρομήϊος Monatsname (Kreta); — außerdem die vereinzelt und spät belegten δρομίας N. eines Fisches und eines Krebstieres (Eratosth., Ael.; wegen der Wanderungen bzw. der Schnelligkeit, Strömberg Fischnamen 51f., Thompson Fishes s. δρόμων); δρομαλός Beiw. des λαγωός (H.), δρόμων ‘leichter Kahn’ (Prokop., Lyd.), = ὁ μικρὸς καρκίνος H. (vgl. zu δρομίας), δρόμαξ (κάμηλος, Gp.); — δρόμιον ‘Wettlauf’ (Tab. Defix. Aud., Rom IV-Vp). — δρομή = δρόμος (Hdn. Gr.). — Zu δραμεῖν, s. d. I-419
δρόξιμα n. pl. ‘ungekochte, rohe Früchte’ (Pap. V-VIp) — = τρώξιμα ‘ds.’ (von τρώγω) durch volksetymologische Umbildung nach δρόσος, δροσερός ‘Tau; taufrisch, frisch’ (z. B. von λάχανα Ar. Pl. 298). I-419
δροόν · ἰσχυρόν. ’Αργεῖοι H. — Aus *δροϝ-όν, eig. ‘aus Kernholz’, von dem Wort für ‘Holz’ in δόρυ, δρῦς (s. dd.). Formal am nächsten steht ags. trīg ‘tray’ aus idg. *drou-i̯o-, s. δροίτη. Dasselbe Wort ist auch im EN Δρούθου (Gen., Telos IIa) vermutet worden. — ἔνδροια· καρδία δένδρου καὶ τὸ μέσον H. kann für ἔνδρυα stehen. — Ausführlich Osthoff Etym. parerga 145ff. I-419
δρόσος (zum Genus Schwyzer-Debrunner 32 A. 4, 34 A. 1) f. ‘Tau’, oft übertr. von verschiedenen Flüssigkeiten (Hdt., Pi. usw., vorw. poet.); bei A. Ag. 141 (lyr., pl.) = ‘Jungtiere’ (λεόντων), ähnl. Kall. Hek. 1, 2, 3; nach Bechtel Lex. 139 und Benveniste BSL 45, 102 A. 1 Metonymie; anders Leumann Hom. Wörter 258 A. 11; vgl. zu ἕρσαι. Davon mehrere Adjektive ‘tauig, feucht’: δροσόεις (poet. seit Sapph.), δροσώδης (Kom.), δροσερός (E., Ar., AP), δροσινός (AP), δρόσιμος (Plu.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 98). — Abstraktbildung δροσία (Orac. ap. Luk. Alex. 53, Cat. Cod. Astr., auch ngr.; zur Bedeutung usw. Scheller Oxytonierung 54f.). — Hypokoristisch δροσαλλίς Ben. eines bithynischen Weins (Gp.); zur Bildung Chantraine Formation 252. — Denominative Verba: δροσίζω ‘besprengen, Tau bilden’ (Ar., Arist. usw.) mit δροσισμός (Olymp. Alch.); δροσόομαι ‘mit Tau besprengt werden’ (Anakreont.). Nicht sicher erklärt. Nach v. Windekens KZ 73, 26f. als pelasgisch zu got. driusan ‘herabfallen’, mhd. trōr ‘Tau, Regen’ usw. Ältere Vorschläge von Johansson, Brugmann, Meillet, Grošelj, alle unglaubhaft, sind bei Bq und v. Windekens referiert; abzulehnen ebenfalls Sapir Lang. 15, 185 (zu ὕδωρ). I-419-420
*δροτῆτα (Π 857 u. a.) s. ἀνήρ. I-420
δρυάσαι · κατακολυμβῆσαι, δρύεται· κρύπτεται H. S. δενδρύω. I-420
δρῠμά (spät auch δρῡμά, s. unten) n. pl. ‘Gehölz, Wald’ (ep. seit Il.). — Neutrale Kollektivbildung zu *δρῠμός = aind. drŭma- m. ‘Baum’, russ. drom ‘Dickicht, Urwald’, indog. m-Ableitung des Wortes für ‘Holz, Baum’, s. δόρυ und δρῦς. Die Vokallänge, die im Sing. δρῡμός (s. d.) und den mask. Pluralformen allein herrscht, ist aus δρῦς übertragen. Wackernagel Unt. 184ff. mit Lit. und weiteren Einzelheiten; außerdem Vasmer Russ. et. Wb. s. drom. Zum neutralen Plural s. Schwyzer 581. -Anders über δρυμά Machek Listy filol. 72, 71. I-420
δρυμάσσω, -ττω, Aor. δρυμάξαι, Fut. δρυμάξω etwa ‘zerreißen, zerschmettern’, intr. ‘krachen’ (= ληκεῖν Poll. 5, 93), auch sensu obscaeno; vgl. H.: δρυμάξεις· κυρίως μὲν σπαράξεις. χρῶνται δὲ καὶ ἐπὶ τοῦ συνέσει καὶ προσομιλήσεις (Kom. Adesp. 986); — δρυμάσσειν καὶ δρυμάξαι· τὸ τύπτειν ξύλοις. ἐδρύμαξεν· ἔθραυσεν, ἔσφαξεν. ἀδρύμακτον· καθαρόν. — Expressive Bildung, wahrscheinlich durch Kreuzung von δρύπτω mit einem anderen Verb (μάσσω?, ἱμάσσω?) entstanden. Die Erklärung mit ‘τύπτειν ξύλοις’ (H.) ist offenbare Volksetymologie (nach δρυμός). — Vgl. Debrunner IF 21, 225. I-420
δρῡμός, pl. -οί m. ‘Gehölz, Wald’ (Miletos Va, Trag., hell.). Vereinzelt belegte Ableitungen: δρυμώδης ‘waldig’ (D. S., Str. u. a.), δρύμιος ‘im Walde befindlich’ (Kypros, H.), δρυμῖτις (γῆ) ‘waldbewachsen’ (Pap. IIp), δρυμίς = δρυάς (An. Ox.); δρυμών = δρυμός (J., Opp. u. a.; nach den Ortsbezeichnungen auf -ών, Chantraine Formation I64f.) mit δρυμόνιος (Orph.). — Aus *δρῠμός (s. δρῠμά) mit sekundärer Vokallänge nach δρῦς, s. d. I-420
δρύπτω, Aor. δρύψαι, Opt. ἀπο-δρύφοι Ψ 187 = Ω 21 (wohl Präsens; δρυφόμενοι· φθειρόμενοι H.) ‘zerkratzen’, insbes. als Zeichen der Trauer (poet. seit Il., X., späte Prosa). Seltene Ableitungen: ἀμφι-δρυφής, ἀμφί-δρυφος ‘an beiden Seiten (Wangen) zerkratzt’ (Il.) mit verbalem Hinterglied (Schwyzer 513); δρυπίς f. N. eines Dornenstrauches (Thphr.), vgl. Strömberg Pflanzennamen 76. Außerdem die nur lexikalisch belegten δρυφή· ἀμυχή, καταξυσμή, δρυφάδες· ὄνυχες, καταξύσματα. λῦπαι, ὀδύναι. ἢ τὰ ἀπὸ πληγῶν πελιώματα, δρύφη· ξέσματα H. — Expressive Erweiterung bzw. Umbildung von δέρω, δρέπω (s. dd.), etwa nach θρύπτω (s. d.). Die φ-Formen sind analogische Neuerungen. Nach Specht Sprache 1, 48 wäre das u "sakral" (?). I-420-421
δρῦς, δρυός (dial. vereinzelt auch m., s. Schwyzer-Debrunner 37 A. 2) f. ‘Baum’, bes. ‘Eiche’ (seit Il.). Davon δρύϊνος ‘eichen, von Eichenholz’ (seit Od.), δρυΐνᾱς N. einer Schlange, die in Eichen haust (Nik., Dsk.); δρυΐτης Art Cypresse (Thphr.), Ben. eines Edelsteins (Plin.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 71 und 54); Δρυάς ‘Dryade, Baumnymphe’ (Plu.), auch Ben. einer Schlange (Androm. ap. Gal.; vgl. δρυΐνας); thematische Erweiterung in δρύου Gen. ‘Buschwerk’ o. ä. (POxy. 7, 1044, [7]; 8; 12, II-IIIp); dagegen gehören die thematischen Hinterglieder in μελάν-δρυ-ον ‘Kernholz’, ἔν-δρυ-ον ‘Holzpflock’ (Hes. Op. 469) u. a. zunächst zu δόρυ wie aind. dru- (s. unten) zu dā́ru. — Dasselbe gilt von den Komposita, z. B. δρύ-οχοι m. pl. ‘Schiffsrippen’ (seit Od.; vgl. Wackernagel Unt. 186, Hermann Gött. Nachr. 1943, 6f.), δρῠ(ο)-κολάπτης ‘Specht’ (Ar., Arist. usw.); Bedeutungsparallelen bei Schwentner KZ 73, 112f.; Kurzform (nach den Tiernamen auf -οψ) δρύοψ (Ar. Av. 304); auch als PN (Υ 455) und als Volksname, s. v. Wilamowitz Glaube 1, 52 A. 1. — Zu δρύφακτοι s. bes. — Von der sekundären Vokallänge abgesehen, die sich aus dem femininen Genus erklären läßt (Wackernagel l. c.) aber auch mit der Einsilbigkeit verknüpft worden ist (Specht KZ 59, 280ff.; dagegen Kretschmer Glotta 22, 240f.), ist δρῦς mit aind. dru- ‘Holz’ z. B. in dru-ṣád- ‘im Holz (auf dem Baum) sitzend’, su-drú- ‘aus gutem Holz bestehend’ identisch. Von den übrigen sehr zahlreichen Verwandten seien noch erwähnt : aksl. drъva n. pl. ‘Holz’, alb. dru f. (aus *druu̯ā) ‘Holz, Baum’, germ., z. B. got. triu aus urg. *treu̯a-, idg. *dreu̯-o- mit hochstufiger Endsilbe und thematischer Erweiterung. — Die Femininbildung δρῦς (nach Analogie anderer Baumnamen, vgl. Wackernagel Syntax 2, 17) ist, wie die übrigen oben genannten Wörter, aus den obliquen Kasusformen des Wortes für ‘Holz’, gr. δόρυ, aind. dā́ru (Gen. drú-ṇ-aḥ und dró-ḥ; s. auch δροίτη) erwachsen. — Die Bedeutung ‘fest, stark’, die auf griechischem Boden vereinzelt in δροόν· ἰσχυρόν (s. d.) erscheint, ist namentlich im Germ., z. B. ags. trum ‘fest, kräftig, gesund’ (formal = δρῠμά ‘Gehölz’, aind. druma- ‘Baum’), got. triggws (aus *treu̯u̯a-, idg. *dreu(u̯)-o-) ‘treu’ vertreten. Da die Bedeutung ‘Holz’ die weitaus gewöhnlichste ist, wird sie die ursprüngliche sein, s. bes. Osthoff Etym. parerga 1, 169f. Nach Specht KZ.66, 58f., Benveniste Word 10, 257ff. wäre dagegen von einem Adjektiv ‘hart, fest’ auszugehen. — Weitere Formen und reiche Lit. bei WP. 1, 804ff., Pok. 214ff. und in den einschlägigen Spezialwörterbüchern, insbes. W.-Hofmann s. dūrus. I-421-422
δρύφακτοι m. pl. ‘Holzverschlag’, ‘(hölzerne) Schranken, Geländer, Erker’ (Ar., X., Arist. usw.); (selten sg. -ος); daneben δρύφρακτοι (Lib.) durch Wiederherstellung des dissimilatorisch geschwundenen ρ, und τρύφακτοι (hell. u. sp. Inschr., Hdn. Gr.) durch regressive Assimilation (vgl. Schwyzer 257), wenn nicht volksetymologisch an τρυφή usw. angeschlossen. Denominatives Verb δρυφάσσω ‘einfriedigen’ (Lyk.), δρυφάξαι· ++ δακεῖν H. (an alphabetisch unrichtiger Stelle). — Zusammenbildung aus δρῠ- (Schwundstufe von δόρυ, vgl. zu δρῦς) und φράσσω mittels des το-Suffixes (vgl. z. B. ἀκμό-θε-τον) mit progressiver Liquidadissimilation. I-422
δρωπάζειν · ἐμβλέπειν H., A. D. Adv. 139, 8; δρώπτειν· [διακόπτειν ἢ] διασκοπεῖν. Αἰσχύλος Ψυχαγωγοῖς (Fr. 278) H. — Expressive Bildung, die eine Kreuzung von δέρκομαι, δρακεῖν und ὄπωπα, ὄψομαι zu enthalten scheint. Nicht mit Zupitza Die germ. Gutturale 17 zu aind. darpaṇa- ‘Spiegel’. Eine ähnliche expressive Umbildung dürfte in δρωκτάζεις (δροκ-)· περιβλέπεις vorliegen. Latte z. St. vergleicht den EN Δροκυλος (Argolis), der aber für Δρακυλος stehen kann. — Das Verb δράω = ὁράω (A. D. Adv. 139, 8, EM 287, 7) mit δρᾶσις = ἡ βλέψις, δρατοί = οἱ ὀφθαλμοί (EM) ist von den Grammatikern als Erklärung von ὑπό-δρα (s. d. und δέρκομαι) erfunden. I-422
δρώψ · ἄνθρωπος H. — Nach alter Annahme (Lit. bei Bq) ein Bahuvrihikompositum aus *νρ-ώψ ‘mit männlichem Gesicht’ (s. ἀνήρ); nach Latte z. St. dagegen Grammatikererfindung. Das Fehlen des ἀ- ist ohne Zweifel auffallend, s. Kuiper ΜΝΗΜΗΣ ΧΑΡΙΝ 1, 224f., wo die herkömmliche Erklärung abgelehnt wird. — Pisani (s. Rev. intern. ét. balk. 3 [1937] 11f.) hält δρώψ für makedonisch (zu τρέφω). I-422
Δύαλος · ὁ Διόνυσος παρὰ Παίωσιν H. — Illyrisches Wort, mit θύελλα (s. d.) am nächsten verwandt; vgl. noch got. dwals ‘töricht, närrisch’ und alb. dêj, dënj (aus *dheuni̯ō) ‘berausche’. Krahe Die Sprache der Illyrier 1, 82f. m. Lit. Hierher nach Krahe auch Δευάδαι· οἱ σάτ<υρ>οι ὑπ’ Ιλλυριῶν H.; v. Windekens KZ 73, 115f. zieht noch heran lat. duellum > bellum als illyr. (bzw. pelasgisches) LW. I-422-423
δύβρις · κατὰ γλῶσσαν ἡ θάλασσα Sch. Theok. 1, 118c. — Wenn, wie sehr wohl möglich, illyrischer Herkunft, gehört δύβρις u. a. zu lett. dubra ‘Pfütze, morastische Stelle’, aksl. dъbrь ‘Schlucht’, wohl auch zu mir. dobur ‘Wasser’ (anders Schulze Kl. Schr. 120), mit weiterem Anschluß an mehrere Wörter für ‘tief’, lit. dubùs, got. diups usw. Krahe Die Sprache d. Illyrier 1, 47 m. Lit. — Nach Szemerényi Archiv. Linguist. 5, 77 gehört hierher auch lat. Tiberis (als illyrisch). Vgl. zu δύπτω. I-423
δύη, dor. δύα f. ‘Wehe, Unglück, Drangsal’ (poet. seit Od., auch sp. Prosa). Davon δύϊος ‘unglücklich, schmerzhaft’ (A. Supp. 829 [lyr.]), δυερός ‘ds.’ (metr. Inschr., Attika); kausatives Präsens 3. Sg. δυόωσι ‘ins Elend stürzen’ (υ 195), Perf. Ptz. δεδυημένη· κεκακωμένη H. Als Vorderglied in δυη-παθής (A. R. usw.) mit Ableitungen. — Wenn ursprünglich ‘brennender Schmerz’, gehört δύη zu einer Sippe ‘brennen’, die u. a. in aind. dunóti ‘brennen (trans.), quälen’, alb. dhunë (aus *dus-n-) ‘Leid, Schmerz usw.’, ahd. zuscen ‘brennen’, lat. duellum > bellum (andere Erklärung s. Δύαλος) gesucht worden ist. Im Griechischen sonst nur durch hoch- und dehnstufige Wörter (δαίω, δήϊος, s. dd.) vertreten. — WP. 1, 767ff., Pok. 179ff., W.-Hofmann s. bellum m. Lit. Ablaut- und Wurzelbetrachtungen bei Benveniste Origines 169f. I-423
Δυμᾶνες pl. Ben. einer der drei dorischen Stammphylen (Inschr., Ephor. ap. St. Byz. s. Δυμάν); in derselben Bed. die Ableitung Δυμανᾶται (Hdt. 5, 68). Fem. Δύμαινα (φυλή; Trozen) und Δυμανίς (St. Byz.); vgl. zu Δύσμαιναι. — Bildung wie ’Ακαρνᾶνες, ’Αθαμᾶνες usw. von Δύμη· ἐν Σπάρτῃ φυλή H., auch N. einer Stadt im Westen Achaias und eines Orts in Thrakien, sonst unklar; vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 69. — Nicht mit Lagercrantz Streitberg-Festgabe 218ff. zu δίδυμος und weiterhin zu ags. tēam ‘Gebären, Nachkommenschaft (eig. ‘Gespann Zugochsen’, zu got. tiuhan ‘ziehen’ usw.; vgl. δαδύσσομαι); s. Kretschmer Glotta 15, 194. I-423
δύναμαι, Aor. δυνήσασθαι, δυνασθῆναι (seit Il.), δυνηθῆναι (Trag. u. att.), Fut. δυνήσομαι (seit Od.), Perf. δεδύνημαι (att.) ‘können, vermögen, gelten, bedeuten’. Ableitungen. 1. δύναμις f. ‘Kraft, Macht’ (seit Il.; auch personifiziert, Schwyzer Glotta 11, 76f. und 203f.; zur Bildung vgl. θέμις und unten) mit δυναμικός ‘vermögend, wirkend’ (hell. und spät), δυναμερός ‘ds.’ (Mediz.), δυναμοστόν Ben. eines Bruchs (Dioph.); δυναμόω ‘stark machen’ (hell. und spät), wovon δυνάμωσις, δυναμωτικός. Als Vorderglied in mathem. Termini wie δυναμο-δύναμις, -κυβος; als Hinterglied z. B. in ἀ-δύναμος mit ἀδυναμίη, -α ‘Machtlosigkeit, Unvermögen’ (Hdt. usw.), ἀδυναμέω (LXX u. a.). 2. δύνασις ‘ds.’ (poet. seit Pi.). 3. δυνάστης m. ‘Machthaber, Herrscher, Herr’ (ion.-att.) mit δυναστικός (Arist. u. a.), δυναστεύω (ion. att.), wovon δυναστεία, δυνάστευμα, δυναστευτικός; f. δυνάστις (Demetr. Eloc.), δυνάστειρα (Tab. Defix. Aud. IIIp; nach den Bildungen auf -τειρα). 4. δυνάστωρ ‘ds.’ (E. IA 280 [lyr.]). 5. Verbaladj. δυνατός ‘potens, könnend; tunlich, möglich’ (Sapph., Pi., Hdt. usw.) mit δυνατέω ‘stark sein’ (2 Ep. Kor. 13, 3 u. a.); 6. δυνητικός ‘potential’ (A. D.). — Da sich für die Bedeutungsentwicklung eines Ausdrucks für ‘können’ mehrere Möglichkeiten öffnen, kann man für die Etymologie von δύναμαι über gewisse Vermutungen nicht hinauskommen. Am nächsten liegt eine Zerlegung in δύ-ν-αμαι, mit präsentischem Nasalinfix, das nicht nur in die außerpräsentischen Verbformen eindrang: δυ-ν-ά-σθην für *δυά-σθην (vgl. λίναμαι : λιάσθην), δυ-ν-ήσομαι für *δυή-σομαι usw., sondern auch in die Nomina δύναμις usw. weitergeschleppt wurde. Dazu kam in gewissen Formen auch ein anorganisches -σ-: δυνά-σ-θην, δυνά-σ-της. Die zweisilbige Wurzel δυᾰ-, δυᾱ- (δυη-), δϝᾱ- stimmt formal zu δ(ϝ)ά̄-ν, δ(ϝ)ᾱ-ρός (s. δήν, δηρός) und ist semantisch damit ohne Zweifel vereinbar (Grundbed. ‘sich vorwärts bewegen’; vgl. ahd. zawen ‘vonstatten gehen, gelingen’); die Erklärung hat aber selbstverständlich nur hypothetischen Wert. Andere, noch unsichrere oder ganz unmögliche Hypothesen sind bei Bq notiert. — Gegen die Annahme, δύνα-μις wäre zu δύναμαι nach der Proportion δύνα-σις : δύνασαι entstanden, mit Recht Porzig Satzinhalte 353. Kret. νύναμαι (Gortyn) muß mit δύναμαι irgendwie zusammenhängen. Wenn nicht damit verwandt (vgl. νοῦς) und nicht durch Assimilation daraus entstanden, hat sich νύναμαι dem Bildungstypus von δύναμαι angeschlossen. Hell. δύνομαι ist eine thematische Umbildung. — Einzelheiten zur Stammbildung usw. bei Schwyzer 495 A. 5, 693 m. A. 5, 762 mit Lit.; dazu noch Frisk Eranos 43, 223 m. A. 3. I-423-424
δυνδεκάτῃ · ἡμέρᾳ δωδεκάτῃ H. — Nach ἑνδέκατος; vgl. Schulze Q. 178. Latte gibt mit Voss gegen die Buchstabenfolge δυοδεκάτῃ. I-424
δύο, ep. eleg. auch δύω, lak. usw. auch δύ(ϝ)ε (nach κύν-ε u. ä.), oblique Formen δυοῖν (woraus att. δυεῖν seit IV-IIIa), δυῶν, δυοῖσ(ι), δυσί; auch indeklinabel (seit Hom.); Einzelheiten bei Schwyzer 588f. Als Vorderglied (neben dem gewöhnlichen δι-, s. δίς) z. B. in δυο-ποιός ‘zwei ausmachend’ (Arist.), außerdem in Univerbierungen wie δυο-καί-δεκα (Il. u. a.); Ableitung δυοστός ‘halb’ (Sch.), nach εἰκοστός usw. — Die auslautende Kürze in δύο erscheint auch in der armen. Zusammenrückung erko-tasan ‘zwölf’ und in der aind. (ved.) Ableitung dva-ká- ‘paarweise verbunden’, außerdem in lat. duo. Sie läßt sich in allen diesen Fällen als sekundäre (analogische bzw. lautliche) Entwicklung verstehen. Eine ähnliche Erklärung von δύο aus δύω oder *δύοι (= aind. duvé, aksl. dъvě f. n.) vor Vokal überzeugt dagegen kaum. Aber dann muß jedenfalls δύο neben der Dualform δύω (= aind. duvā́, aksl. dъva m.) ein altes Indeklinabile sein. Neben idg. *duu̯ō̆ und *duu̯ōu (in aind. duváu) stand die einsilbige Dublette *du̯ō(u) in δ(ϝ)ώ-δεκα, arm. erku, aind. dvā́(u), heth. dā- in dā-yuga- ‘zweijährig’, dān ‘ein zweites Mal’. Weitere Formen aus verschiedenen Sprachen m. reicher Lit. bei W.-Hofmann s. duo und Wackernagel-Debrunner Aind. Gramm. 3, 341ff. I-424-425
δυοχοῖ · πωματίζει παρὰ Δημοκρίτῳ (Fr. 136), ἤτοι πωμάζει, σκεπάζει; δυοχῶσαι· πωμάσαι (d. h. ‘bedeckeln’) H. — Von *δυοχος ‘Deckel’, das wie eine Zusammenbildung aus δύο und ἔχω ("Zweihälter"?) aussieht. I-425
δύπτω, Aor. δύψαι ‘eintauchen, untertauchen’, gew. intr. (Antim. [?], Lyk., A. R.). Davon δύπτης m. ‘Taucher’, vorw. als Vogelname (Kall., Lyk., Opp.); vgl. Thompson Birds s. v. — Aus δυω (s. d.) nach κύπτω erweitert; vgl. auch βύπτω (s. βάπτω). Anders Pisani Anales de filcl 6, 207ff. : δύπτω zu δύπτης gebildet; letzteres zu δυβ- in δύβρις und weiterhin zu got. diups usw. mit kleinasiatischer Entwicklung der idg. Media aspirata. I-425
δύρομαι ‘wehklagen’ (Trag.); davon πάν-δυρ-τος (Zusammenbildung) ‘über alles wehklagend, laut jammernd’ (Trag. in lyr.). — Durch Kreuzung aus ὀδύρομαι und μύρομαι entstanden, Güntert Reimwortbildungen 150. I-425
δυσ- untrennbares Präfix ‘miß-, übel-, un-’ (seit Il.). Einzelheiten über Bedeutung und Gebrauch bei Schwyzer 432, Wackernagel Syntax 2, 295ff. — Altererbtes Element, das auch im Indoiranischen (aind. duṣ-, dur-, aw. duš-, duž-) stark produktiv war. Einzelne Komposita sind in beiden Sprachzweigen zu belegen wie δυσ-μενής = aind. dur-mánas-, aw. duš-manah-; s. auch zu δύστηνος. Auch in anderen Sprachen lebt das Präfix weiter, so im Germanischen (got. tuz-werjan ‘zweifeln’, awno. ags. tor-, ahd. zur-), im Keltischen (air. du-, do-), im Armenischen (t-, z. B. t-gēt ‘unwissend’). Ob ebenfalls lat. dif-ficilis als *dus-fac. zu erklären ist (Wackernagel a. a. O.), bleibt offen. Auch das slav. Wort für ‘Regen’, aksl. dъždь, russ. doždь usw. wird von vielen Forschern hierher gezogen, aber schwerlich mit Recht; s. Vasmer Russ. et. Wb. s. v. m. Lit. — Idg. *dus- wird gewöhnlich mit δεύομαι ‘ermangeln’ (s. 2. δέω) verbunden. I-425
δυσ-ᾱής, -ές ‘widrig wehend, stürmisch’, auch übertr. ‘heftig’; ‘übelriechend’ (ep. seit Il.). — Zusammenbildung aus δυσ- und ἄημι mit metrischer Dehnung. Ähnlich ὑπερᾱής (ἄελλα, Λ 297). I-426
δυσβήρης · ὁ δύσβατος EM 291, 43, δυσβηρές· δύσβατον, δυσχερές H., δυσβῆρες· οἱ δύσβατοι τόποι Suid. — Nach EM aus δυσβατήρης synkopiert; vielmehr direkt zu βῆναι nach den Adj. auf -ήρης. Nicht mit v. Blumenthal Hesychst. 3 zu φέρειν als illyrisch. — Eine andere Bildung ist δυσῆρες· δυσχερές Suid. I-426
δύσκηλος Beiwort von χθών (A. Eu. 825), als Gegensatz zu εὔκηλος (s. ἕκηλος) gebildet, aber vielleicht mit κηλέω verbunden (s. Sch. z. St.), etwa ‘unruhig, voll Sorgen’. s. κηλέω. I-426
δύσκολος ‘unzufrieden, mürrisch, mißlich’ (Hp., att.) mit δυσκολία ‘Unzufriedenheit usw.’ Gegensatz εὔκολος ‘zufrieden, vergnügt’ mit εὐκολία. — Lauter unsichere od. wertlose Vermutungen (zu κέλομαι, πέλομαι usw.) bei Curtius, Bq und Hofmann Et. Wb. d. Griech. I-426
δυσκρᾱής ‘schlecht gemischt, ungemäßigt’ (ῥιπή, Opp. H. 2, 517). — Gegensatz εὐκραής, s. d. I-426
Δύσμαιναι · αἱ ἐν Σπάρτῃ χορίτιδες Βάκχαι H. — Nach den Femininen auf -αινα neben das Simplex μαινάς gestellt, vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 95. Zum Sachlichen v. Wilamowitz Glaube 2, 73. — Latte gibt gegen die Buchstabenfolge Δύμαιναι (zu Δυμᾶνες, s. d.) unter Verweis auf Ath. 9, 392f Δυμαναις (Dat. pl., Titel eines Dramas des Pratinas), wo Kaibel mit Toup Δυμαίναις gibt (Meineke dagegen Δυσμαίναις). — Verfehlt v. Blumenthal IF. 49, 172 (illyrisch). I-426
δυσοίζω etwa ‘jammern, in Angst sein’ (A. Ag. 1316, E. Rh. 724 u. 805), — von H. auch mit ὑπονοεῖν, ὑποπτεύειν, οἰωνίζεσθαι erklärt, wohl durch falsche Anknüpfung an οἴομαι. Aor. ἐδύσοιξα· ὑπενόησα H., Verbaladj. δύσοικτος· δυσθρήνητος H. — Wegen des nominalen Präfixes und des augmentierten Aorists ist von δύσοικτος auszugehen, das entweder zu *οἰκτός von οἴζω (A. D.) oder zu οἶκτος gehört; das affektbeladene δυσοίζω ist somit postverbal. Vgl. das ebenfalls lautmalende αἰάζω mit δυσαίακτος (LXX). — Debrunner GGA 1910, 7. I-426
δυσπέμφελος Beiwort der See (Π 748, Hes. Th. 440), der Schifffahrt (Hes. Op. 618), eines Menschen (Hes. Op. 722), des Luftzugs (Nonn. D. 2, 550), des Betts (Max. 88), etwa ‘stürmisch, aufwallend, rauh’. — Expressives Wort ohne sichere Etymologie. Das aus dem Hinterglied zu erschließende Nomen (*πέμφελος, *πεμφών?; vgl. δυσχείμερος : χειμών?) erinnert lautlich an die Gruppe πέμφιξ, πομφός, πομφόλυξ, die auch semantisch eine denkbare Anknüpfung bietet. Eine genaue Analyse, die allein Sicherheit bringen könnte, ist indessen nicht möglich. — Unbefriedigende Andeutungen bei Bechtel Lexil. s. v. und bei Schwyzer 423, der eine dissimilatorische Reduplikation annimmt. I-426-427
δύστηνος, dor. δύστανος ‘unglücklich, unselig’ (poet. seit Il.; zur Bed. vgl. v. Wilamowitz zu Eur. Her. 1346) mit δυστηνία· μοχθηρία H. Danach ἄστηνος, s. d. — Eig. ‘der einen schlimmen Stand hat’, aus δυσ- und *στῆνον, *στᾶνον, mit aind. sthā́nam, aw. apers. stāna- n. ‘Standort, Stelle’ identisch. Daneben steht im Slavischen ein alter u-Stamm, z. B. russ.-ksl. stanъ ‘Lager’, russ. stán ‘Statur, Standort, Lagerplatz’; weitere Formen bei Vasmer Russ. et. Wb. s. v. Lit. stonas ‘Stand, Amt’ kann aus dem Slavischen geholt sein; s., außer Vasmer, Fraenkel Gnomon 22, 236. — Das nur bei Hdn. Gr. 1, 217 überlieferte δύστος = δύστηνος kann mit aind. duḥstha- ‘ds.’ (idg. *dus-sth-o-s; zu στῆ-ναι) identisch sein. — Osthoff Etym. parerga 1, 126, Bechtel Lex. s. δύστηνος. I-427
δυσχερής ‘unzufrieden, widerwillig, widerwärtig, unangenehm’ (ion. att.). Abstraktbildung δυσχέρεια ‘Unzufriedenheit, Überdruß’ (att., hell.), denominatives Verb δυσχεραίνω ‘unzufrieden sein, Mißfallen empfinden (od. erregen)’ (att., hell.; zur Bildung Leumann Hom. Wörter 111 m. Lit.) mit δυσχέρασμα (Pl. u. a.), δυσχερασμός (Phld.), δυσχέρανσις (hell. u. spät), δυσχεραντικός (M. Ant. u. a.). — Gegensatz εὐχερής. — Gegen die herkömmliche Anknüpfung an χείρ wendet sich mit Recht Leumann Philol. 96, 161ff. Er zieht dafür sehr ansprechend die Sippe von χαίρω heran. Auszugehen ist entweder von einem Nomen *χέρος (vgl. δυσ-μενής zu μένος) oder von einer verschollenen hochstufigen Verbalform. I-427
δυτη, δυτα (Thebe, Trozen IV-IIIa; Akz. unbekannt). Bedeutung unsicher, etwa ‘aedicula’. — Wahrscheinlich mit ἄ-δυτον ‘Stelle die man nicht betreten darf, Allerheiligstes’ zu δύω, δύομαι ‘sich hineinbegeben, betreten’. Fraenkel Nom. ag. 2, 137, Frisk GHÅ 44 (1938 : 1) 16f. — Nicht mit v. Blumenthal Glotta 18, 154 zu θύω (‘Opferstätte’) als illyrisch. I-427
δύω, 2. δύομαι, δύνω, Aor. δῦσαι, δύσασθαι, δῦναι, Perf. δέδῡκα, Aor. Pass. δυθῆναι, Fut. δύσω, δύσομαι, δῠθήσομαι, unklares ep. Präteritum δύσετο (Schwyzer 788 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 416f.) ‘eintauchen’ trans. (δύω, δῦσαι, δύσω), gewöhnlich mit Präfix ἀπο-, ἐκ-, ἐν-, κατα-δύω; sonst intr. (δύομαι, δύνω) ‘sich eintauchen, eindringen, einschlupfen, anziehen’, oft mit Präfix ἀνα-, ἀπο-, εἰσ-, ἐκ-, ἐν-, κατα-, περι-, ὑπο-δύομαι, -δύνω usw.; selten -δύω (seit Il.). Ableitungen. 1. δύσις ‘Untergang der Sonne und Sterne, Westen’ (seit Hekat. und Heraklit.) mit δυτικός; oft zu den präfigierten Verba in verschiedenen Bedeutungen ἔκ-, ἔν-, κατά-δυσις usw. 2. δῦμα (POxy. 6, 929, 8; 15, II-IIIp) = ἔνδυμα ‘Gewand’ (seit Va), auch ὑπόδυμα u. a. 3. δύτης ‘Taucher’ (Hdt. 8, 8); in verschiedenen Bedeutungen ἐν-, ὑπεν-, ὑπο-, ἐπι-, ἐπεν-, ἐκ-δύτης mit ἐκδύσια pl. N. eines Festes in Kreta (Ant. Lib.); oft mit nominalem Vorderglied in Zusammenbildungen, z. B. τρωγλο-δύτης ‘Höhlenbewohner’ (Hdt. usw.) mit -δυτικός, -δυτέω, λωπο-δύτης ‘wer in fremde Kleider fährt, Kleiderdieb, Dieb’ (att. usw.) mit -δυτέω, -δυσίου (δίκη), -δυσία; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 225f. 4. ἐνδυτήρ ‘zum Anziehen’ (S. Tr. 674 als Attribut von πέπλος) mit ἐνδυτήριος (S.), auch ὑποδυτήρια pl. (Str. 14, 5, 6; v. l. ὑποδεκτ.). 5. δυσμαί pl. (selten sg., vgl. Schwyzer-Debrunner 43) ‘Untergang der Sonne und Sterne, Westen’ (ion. att.) mit δυσμικός (Str.); auch δυ-θμαί, -θμή ‘ds.’ (Kall.; zum Suffix Chantraine Formation 148f.). 6. δυτη s. bes. 7. δυτῖνος N. eines Wasservogels (Dionys. Av.; wie ἰκτῖνος, κορακῖνος usw.). 8. δυτικός ‘zum Tauchen geeignet, westlich’ (Arist., J. usw.). — Erweiterte Verbalformen: δύπτω (s. d.); δύσγω· ἀποδύω H., nach μίσγω (Wackernagel KZ 33, 39 = Kl. Schr. 1, 718 m. Lit.); vgl. auch φύσγων (Alk., POxy. 18, 2165; s. Specht KZ 68, 150. — Zum intransitiven Nasalpräsens δύνω s. Schwyzer 696, Schwyzer-Debrunner 230. — Im Sinn von ‘ἐνδύεσθαι, anziehen’ bietet das Altindische einen ansprechenden Vergleich in dem allerdings sehr vereinzelt belegten upā-du- (nur Gerundivum upādútya- [ved.]), s. L. v. Schroeder WZKM 13, 297f., Brugmann IF 11, 274. Ein entlegener Verwandter kann in δείελος usw. (s. d.) stecken. Weitere, sehr unsichere Vermutungen bei Bq. — WP. 1, 777f., Pok. 217f., W.-Hofmann s. imbuō. Vgl. auch ἁλιβδύω. I-427-428
δῶ bei Hom. immer am Versende, u. zw. immer als Akk. (ἡμέτερον δῶ, ἐμὸν ποτὶ χαλκοβατὲς δῶ usw.) mit Ausnahme von α 392 δῶ / ἀφνειόν, wo Nom.; außerdem bei Hes. Th. 933 χρύσεα δῶ Akk. pl. im Versinnern durch Neubildung. — Von den Alten als abgekürzte Nebenform von δῶμα aufgefaßt (δῶ· δῶμα, οἴκημα, σπήλαιον H.). Nach J. Schmidt Pluralbild. 222ff. Sandhiform. von *dōm als dehnstufiges Wurzelnomen zu δόμος usw. (s. d.); ebenso z. B. Schwyzer 569 und (zögernd) Chantraine Gramm. hom. 1, 230; ähnlich Bartholomae Grundr. d. iran. Philol. 1, 214: *dōm alter Lok. = aw. dąm. — Fick 1, 458 und Brugmann Grundr.2 2 : 1, 136, denen sich z. B. Risch 304 anschließt, sehen dagegen mit guten Gründen in δῶ ein altes Ortsadverbium (zu bemerken ἡμέτερόν δε = ἡμέτερον δῶ) *dō ‘zu’, das auch in lat. en-do, asächs. tō, ahd. zuo erhalten ist. Vgl. δῶμα. I-428-429
δώδεκα, ep. ion. dor. auch δυώδεκα, ark. δυό̄δεκο, hell. auch δεκαδύο ‘zwölf’. Mehrere Ableitungen: δωδέκατος (δυω-; zu δυνδεκάτῃ s. bes.) ‘der zwölfte’ (seit Il.) mit δωδεκαταῖος ‘zwölftätig, zwölf Tage alt’ (seit Hes.) von δωδεκάτη (ἡμέρα), und δυωδεκατεύς (μήν) ‘der zwölfte Monat’ (Tauromenion); δωδεκάς (δυω-) f. ‘Gruppe von zwölf, der zwölfte Teil’ (Pl. u. a.) mit δυωδεκαδικός; δωδεκαΐς, -ηΐς (δυω-) ‘Opfer von zwölf Tieren’, auch N. einer Festgesandtschaft (Delphi Va usw.; nach Πυθαΐς u. a.); δωδεκεύς· χοεύς H.; δωδεκάκις ‘zwölfmal’ (Ar. usw.). — Oft als Vorderglied in Bahuvrihikomp., z. B. δυωδεκά-βοιος ‘zwölf Rinder wert’ (Il.); vgl. zu βοῦς. — Alte Zusammenrückung aus *δϝώ-δεκα = aind. dvā́-daśa. Daneben nach δύω δυώδεκα wie lat. doudecim nach duo. Vgl. zu δύο. I-429
Δωδώνη f. N. eines Ortes in Epirus mit uraltem Zeusorakel (seit Il.). Heteroklitische Formen Δωδῶνος, -ι (S. u. a.). Davon Δωδωναῖος (Il. usw.), Δωδωνίς (Hdt., S. u. a.). — Nach Steph. Byz. s. Δωδών hatte der Ort seinen Namen vom Fluß Δωδών. Der Ausgang -ώνη ist mit illyrischem Ursprung wohl vereinbar, s. Schwyzer 66, Krahe Die Sprache d. Illyrier 1, 107 m. Lit. I-429
δῶμα n. ‘Haus, Wohnung, Tempel’, oft im Plur., vgl. Schwyzer-Debrunner 43 (ep. poet., späte Prosa; auch ark. [Tegea Va] = ‘Tempel’, aus Homer geholt? Leumann Hom. Wörter 279). Deminutivum δωμάτιον ‘Häuschen, Gemach, Kapelle’ (att.); sonstige Ableitungen: δωματίτης, f. -ῖτις ‘häuslich, zum Hause gehörig’ (A. u. a.); δωματόομαι ‘mit Häusern versehen werden’ (A. Supp. 958). — Wahrscheinlich ist δῶμα eine Erweiterung des in δεσπότης (s. d.) vorliegenden Wurzelnamens idg. *dem-. Am nächsten kommt der armen. n-Stamm tun ‘Haus’, Gen. tan, der indessen mehrdeutig ist. Nach Brugmann Grundr.2 2 : 1, 136 wäre für δῶμα von dem dehnstufigen Akk. eines mask. Wurzelnomens *dōm-m̥ auszugehen, der nachträglich wegen des Ausgangs -μα als Neutrum aufgefaßt worden wäre. — Andere, ebenfalls sehr hypothetische Erklärungsversuche bei J. Schmidt Pluralbild. 222 (s. Bq s. v.) und bei Brugmann selbst (Grundr.2 2 : 2, 828; s. Schwyzer 524 A. 5). I-429
Δωριεῖς, att. -ιῆς pl. ‘Dorier’ (seit τ 177, -ιέες; metri causa, Debrunner ’Αντίδωρον 33 A. 1), sg. Δωριεύς, als EN (Hdt.) und als Adj. ‘dorisch’ (Pi.); davon Δωρίεια (Knidos), Δώρεια (Kos) n. pl. Festname. Daneben Δωρίς (γῆ) f. N. einer Landschaft (Hdt. usw.), auch Adj. ‘dorisch’ von dem Peloponnes (Pi. usw.) und von verschiedenen Gegenständen (Hdt., Th. usw.). Mask. δώριος ‘dorisch’ (Pi. u. a.), auch Δώριον als ON (Β 594 u. a.); δωρικός ‘ds.’ (Hdt., Th. usw.), δωριακός (Orac. ap. Th. 2, 24, metrisch bedingt), beide auch zu Δωριεῖς, s. Chantraine Études sur le vocab. gr. 107. — Denominative Verba. 1. δωρίζω, dor. -ίσδω ‘dorisch sprechen, sich dorisch gebärden’ (Theok. usw.) mit δωρισμός (Demetr. Eloc.), δωριστί Adv. ‘auf dorisch’ (von Dialekt, Tonart, Sitte; att. usw.); 2. δωριάζω ‘ds.’ (Anakr. u. a.); zur Bildung Schwyzer 735. — Bildung wie Αἰσλεῖς, Αἰολῆς von einem unbekannten Grundwort. Schulze Berl. Sb. 1910, 805ff. (= Kl. Schr. 127ff.) sieht in Δωριεῖς eine Kurzform zu Δωρί-μαχοι ‘Speerkämpfer’ (nur als EN belegt); dagegen v. Wilamowitz Glaube 1, 70 A. 1. Nach Kretschmer Glotta 4, 343f. und 22, 255 wäre Δωρίς (wovon Δωριεῖς) eig. ‘Waldland, Baumland’. Beide Forscher knüpfen somit an δόρυ ‘Holz, Speer’ (mit Dehnstufe, vgl. s. v.) an. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 102f. ist geneigt, für Δωριεῖς von dem ON Δώριον auszugehen. I-429-430
δῶρον 1. n. ‘Gabe, Geschenk’ (seit Il.). Oft als Vorderglied, z. B. in der Zusammenbildung δωρο-δόκος ‘Geschenke annehmend, bestechlich’ (vgl. zu δέχομαι) neben δωροδοκέω ‘Geschenke annehmen, sich bestechen lassen’ (ion. att.) mit δωροδόκημα, δωροδοκία ‘Bestechlichkeit, Bestechung’. Deminutivum δωρύφιον (Pap.). Denominatives Verb δωρέομαι, δωρέω ‘schenken, verschenken, gewähren’ (seit Il.; zur Diathese Schwyzer-Debrunner 234) mit δώρημα ‘Geschenk’ (Hdt., Trag. usw.) und δωρηματικός (D. H. u. a.), δωρητής ‘Geber, Wohltäter’ (Nesos IVa) und δωρητικός (Pl.), δωρητήρ ‘ds.’ (AP), δωρητός ‘für Gaben empfänglich’ (Ι 526), ‘geschenkt’ (S. u. a.). — Eine andere Bildung in δωρύττομαι (Theok. 7, 43; scherzhafte Augenblicksbildung; Debrunner IF 2 1, 242f.); außerdem thess. δούρραντα = δωρήσαντα wie hom. φίλατο neben φιλεῖν (Fraenkel Glotta 35, 91f.)? — Neben δῶρον und δωρέομαι steht mit unklarer Bildung (vgl. γενεά, -ή usw. Chantraine Formation 91) δωρεά, älter (Attika Va) -ειά, ion. -εή ‘Gabe, Geschenk, Verleihung, Lehnsgut’ (Hdt., att. usw.); davon δωρεακός ‘Beamter eines Lehnsguts’ (Pap. IIIa), δωρεαστικός, -ρετικός ‘Geschenke betreffend’ (Pap. VIp). — Altes Wort, mit arm. tur, aksl. darъ ‘Gabe’ identisch. Daneben in derselben Bedeutung mit n-Suffix lat. dōnum = aind. dā́nam. Der Suffixwechsel kann auf einen alten r-n-Stamm zurückgehen. — Weiteres s. δίδωμι. I-430
δῶρον 2. n. ‘Handbreite’ (Nik., Miletos u. a.); als Hinterglied in ἑκκαιδεκά-δωρος ‘sechzehn Hand (lang)’ (Δ 109), δεκά-δωρος (Hes. Op. 426), ὀρθό-δωρον ‘Handlänge’ = ‘der Abstand von der Handwurzel zur Fingerspitze’ (Poll., nach H. auch = σπιθαμή, ‘Spanne’). Daneben mit anderem Vokal der i-Stamm δάριν· σπιθαμήν. ’Αρκάδες und δάρ[ε]ιρ· τὸ ἀπὸ τοῦ μεγάλου δακτύλου ἐπὶ τὸν μικρὸν διάστημα H. (vgl. Latte z. St.). — Der Vokalwechsel läßt als Reflex alten Ablautes auf indog. Herkunft schließen. Man vergleicht einige Wörter für ‘Hand’, insbes. alb. dorë, nach La Piana (s. IF 58, 98) mit δῶρον identisch (vgl. auch zu χείρ); außerdem kelt., z. B. air. dorn, und lett. dùre, dûris ‘Faust’, beide indessen mit idg. u und somit wahrscheinlich fernzuhalten. — WP. 1, 794f., Pok. 203 m. weiterer Lit. I-431
ἒ ἔ, auch wiederholt ἒ ἔ, ἒ ἔ Interjektion (Trag., Kom.). — Elementarschöpfung. Vgl. v.Wilamowitz Eur. Her. zu V. 1025, Schwyzer-Debrunner 600 m. A. 4. I-431
ἐ-, ἠ- Präteritalpräfix, sog. Augment (seit Il.). — Altererbtes Element, das auch für das Indoiranische (a-, ā-), Armenische (e-) und Phrygische (e-) belegt ist, z. B. ἔ-φερε = aind. á-bharat, arm. e-ber; phryg. ἔ-δαες ‘ἔθηκε’. Einzelheiten mit Lit. bei Schwyzer 651ff.; über die Form ἠ- s. bes. Debrunner Festschrift Zucker 85ff. I-431
ἕ, ἑ, ‘se’, ep. auch ‘eum, eam, id’, 3. Pers. Sing. Akk. des reflexiven und (enklitisch) anaphorischen Personalpronomens; lesb. ϝε, pamph. ϝhε, ep. auch ἑέ; Gen. οὗ (οὑ), ep. ἕο (εἷο), εὗ (ἑο, εὑ), ἕθεν, lesb. ϝέθεν, lokr. ϝέος; Dat. (und Gen.; Schwyzer-Debrunner 189 m. Lit.; dazu Latte Glotta 35, 296) οἷ (οἱ), ep. auch ἑοῖ, lesb. usw. ϝοῖ, kret. (Gortyn) usw. ϝιν, böot. (Korinna) ἑίν. Davon das Possessivum ὅς, ep. auch ἑός, dor. usw. ϝός ‘suus, eigen’ (auch auf die 1. und 2. Pers. bezüglich), ‘eius’. — Die ep. Formen ἑ, εὑ, ἕθεν, οἱ können, in den Fällen wo sie keine Spur des Digamma zeigen (Chantraine Gramm. hom. 1, 146ff.), auf einen idg. Reflexivstamm *se- zurückgehen, der u. a. in lat. sē, aksl. sę ‘sē’, germ., z. B. got. si-k vorliegt; dazu οἱ aus *soi = apers. šay, aw. hē, prakr. se; ἑο aus *se-so, vgl. τέο zu τίς (s. d.). Daneben stehen ϝhε, ϝοῖ aus *su̯e, *su̯oi = aind. sva- ‘sich’, nur in Ableitungen und als Vorderglied, z. B. sva-taḥ ‘von sich aus, aus sich selbst’ (vgl. zu ἐτός), sva-já- ‘von selbst entstanden’; eine zweisilbige (hochstufige) Variante von *su̯e kann in ἑέ aus *seu̯e vorliegen. — Durch Adjektivierung von *su̯e, *seu̯e entstanden die Possessiva *su̯o-s, *seu̯o-s, woraus ϝός, ἑός = aind. svá- ‘suus’, alat. sovos > lat. suus. — Weitere Formen aus dem Griechischen und den verwandten Sprachen nebst Lit. bei Schwyzer 600ff. und WP. 1, 454ff. Vgl. ἑαυτοῦ, ἑκάς, ἕκαστος, σφε und σύ. I-431-432
ἔᾱ Interjektion des Erstaunens und Unwillens (vorw. Trag.), — ursprünglich wohl nur 2. Sg. Ipv. von ἐάω, aber jedenfalls in späterer Zeit als selbständige Interjektion empfunden. — Schwyzer KZ 60, 141f. I-432
ἐάν ‘wenn’ (att.), hell. und spät auch als Modalpartikel = ἄν; daneben ἄ̄ν (att.), ἤν (ep. ion.; auch att.?). — Durch Univerbierung bzw. Krasis aus εἰ und ἄν (s. dd.) entstanden. Das langvokalische ἐά̄ν erklärt sich unschwer als Kreuzung von ἐᾰ́ν und ἄ̄ν. — Lejeune Traité de phonétique 295, Schwyzer 402, Schwyzer-Debrunner 685 m. A. 1, wo reiche Lit. und andere Deutungsvorschläge. I-432
ἑᾰνός 1. (εἱανός am Versanfang Π 9, spät auch ἑᾱνός) m. Ben. eines Frauenkleids (ep. seit Il.). — Aus *ϝεσ-ανός als Verbalnomen zu ἕννυμι (s. d.); Bildung wie στέφανος usw. (Chantraine Formation 196ff.). I-432
ἑᾱνός 2. ep. Beiwort von Gewändern (λιτί, πέπλος, ἱμάτιον), auch des Zinns (Il., inc. auct. ap. Greg. Kor., s. zu Sapph. [?] 122). — Bedeutung unbekannt (‘schmiegsam’?, ‘gut sitzend’?, ‘fein’?), — mithin ohne Etymologie. Zahlreiche Hypothesen sind bei Bq verzeichnet. Vgl. ἱανογλέφαρος. I-432
ἔαρ 1., -ρος (auch εἶαρ, ἦαρ) n. ‘Blut’, übertr. ‘Saft’ (Kall., Euph., Nik. u. a.; nach H. kyprisch). Als Vorderglied in εἰαροπότης· αἱμοπότης, ψυχοπότης H.; εἰαροπῶτις nach schol. Τ v. l. für ἠεροφοῖτις (’Ερινύς) Τ 87 (Fraenkel Nom. ag. 1, 114 m. A. 1). Keine Ableitungen. — Altererbte Benennung des Blutes: heth. ešḫar, Gen. eš(ḫa)naš, aind. ásr̥k, Gen. asnáḥ, lat. aser (Gloss., Paul. Fest.; Form unsicher), toch. AB ysār, B yasar, lett. asins; erweiterte Form wahrscheinlich in arm. ar-iwn. Der ursprüngliche r-n-Stamm, im Heth. und Aind. noch erhalten, ist sonst ausgeglichen. — Griech. ἦαρ und εἶαρ sind nicht eindeutig. Eine ursprüngliche Vokallänge (Schulze Q. 165f.) ist sehr wohl möglich (vgl. zu ἧπαρ); metrische Dehnung ist indessen nicht ausgeschlossen. Überhaupt ist die Frage des Anlauts nicht aufgeklärt; neben e sind eine oder mehrere Reduktionsstufen anzusetzen. — Wie im Griech. durch αἷμα (s. d.) wurde auch im Latein und Aind. das alte Wort durch andere Ausdrücke, sanguis, bzw. rudhirám (s. zu ἐρυθρός), ersetzt. I-432
ἔαρ 2., ἔαρος, auch ἦρος, ἦρι (att., auch ion. und Alk.) mit neuem Nom. ἦρ (Alkm.) n. ‘Frühling’ (seit Il.; zum Lautlichen Schwyzer 251). Als Vorderglied in ἐαρί-δρεπτος ‘im Frühling gepflückt’ (Pi.), ἐαρο-τρεφής (Mosch.) u. a. Ableitungen: ἐαρινός (auch εἰ-, ἠ- wie εἴαρος u. a. durch metrische Dehnung), poet. auch ἠρινός ‘zum Frühling gehörig, des Frühlings’ (seit Il.); im selben Sinn ἐάρτερος (Nik. Th. 380; kontrastierendes -τερος, Schwyzer-Debrunner 183); ἐαρίδας· τὰς κανθαρίδας H.; semantische Begründung bei Strömberg Wortstudien 13; — denominatives Verb ἐαρίζω ‘den Frühling zubringen usw.’ (Pl., X. u. a.). — Aus γέαρ· ἔαρ H. und der hom. Prosodie (Chantraine Gramm. hom. 1, 128) ist ein älteres ϝέαρ zu erschließen, das über urgr. *ϝέσαρ einen alten r-n-Stamm fortsetzt: aw. Lok. vaŋri aus *vasr-i ‘im Frühling’, arm. gar-un ‘Frühling’, Lit. vasar-à ‘Sommer’; aksl. usw. vesn-a ‘Frühling’, aind. vasan-tá- ‘ds.’ (vgl. heman-tá- ‘Winter’, s. χειμών). Über keltische Formen s. WP. 1, 311 m. Lit. — Neben idg. *u̯es-r-, *u̯es-n- steht *u̯ēr- in lat. vēr, anord. vār n. (o-Stamm). Eine uridg. Entwicklung u̯ĕsr- > u̯ēr- läßt sich selbstverständlich weder leugnen noch beweisen. Da aber wegen der starken lautlichen Ähnlichkeit ein Zusammenhang vorliegen dürfte, vermutet Porzig Gliederung 110f. ansprechend, daß lat.-germ. *u̯ēr- nach dem Wort für ‘Jahr’, idg. *i̯ēr- (s. ὥρα) umgebildet wurde. — Zu ἐαρινός vgl. die gleichgebildeten lit. vasarìnis ‘sommerlich’ und lat. vernus (wie hibernus, hornus). I-432-433
ἑαρα pl.? Bed. unbekannt (IG 12 : 3, 450a 1, alt-theräisch); vgl. ἐαρόν· λουτῆρα ἢ πρόχουν H. — Unerklärt. Vermutung von Sommer Lautstud. 119: zu umbr. vestikatu ‘libato’, wozu noch ahd. wasulun ‘pluviis’ usw. (WP. 1, 308). I-433
ἑᾱυτοῦ, -τῆς, -τῷ, -τῇ usw., ion. ἑωυτοῦ (ἑωτοῦ), ωὑτοῦ, att. auch ᾱὑτοῦ usw., hell. auch ἑατοῦ, ἁτοῦ, kret. ϝιαυτοῦ ‘sich selbst’, 3. Sing. und Plur. (auch auf die 1. und 2. Pers. bezogen) des reflexiven Personalpronomens (ion. att.). Ableitung ἑαυτότης ‘Selbstheit’ (Prokl.). — Durch Zusammenrückung aus dem Reflexivum ἕ (s. d.), ἑοῖ usw. und αὐτόν, -τῷ usw. (s. d.) entstanden: ἕο αὐτοῦ > ion. ἑωυτοῦ, att. ἑᾱυτοῦ, ἑοῖ αὐτῷ > ion. ἑωυτῷ, att. ἑᾱυτῷ usw.; ebenso ἐμεωυτοῦ, σεωυτοῦ, ἐμᾱυτοῦ, σ(ε)ᾱυτοῦ usw. (hom. ἕ αὐτόν, ἔμ’ αὐτόν, ἕο αὐτοῦ, ἐμοὶ αὐτῷ usw.). Einzelheiten über Lautentwicklung, Formen und Gebrauch (mit Lit.) bei Schwyzer 607 und 402, Schwyzer-Debrunner 193ff. I-433
ἑάφθη Aor. unsicherer Bed. (‘sank’?, ‘fiel’?, ‘stürzte’?, von ἀσπὶς καὶ κόρυς Ν 543, Ι 419). — Schon im Altertum dunkel: von Tyrannion ap. Sch. A als ‘ἥφθη’ erklärt; von Aristarch zu ἕπομαι gezogen; nach H. = ἐκάμφθη, ἐβλάβη; alles nur lose Vermutungen. Moderne Erklärer haben andere Anknüpfungen versucht : zu ἰάπτω (K. Meister HK 110A. 2; vgl. s. v.), zu got. sigqan ‘sinken’ usw. (J. Schmidt Kritik 62ff., WP. 2, 495f.). S. auch Bq s. v. I-433-434
ἐάω, Ipf. εἴων, Aor. ἐᾶσαι (Ind. εἴασα), Fut. ἐάσω (seit Il.; urspr. ἐᾰ́σ(σ)αι, bzw. ἐᾰ́σ(σ)ω?, vgl. unten), Perf. usw. εἴᾱκα, εἴαμαι, εἰάθην (D., Isok. usw.) ‘lassen, zulassen, gestatten, in Ruhe lassen, unterlassen’. Sehr vereinzelt und spät παρ-, εἰσεάω. Keine Ableitungen. — Die Glossen ἔβασον· ἔασον. Συρακόσιοι H., EM, εὔα· ... ἔα H. sichern für ἐάω ein inlautendes Digamma; das diphthongische Augment läßt auf einen ursprünglichen konsonantischen Anlaut, in erster Linie σ-, schließen; die Abwesenheit des Hauches bleibt aber dabei unerklärt (vgl. Lejeune Traité de phonétique 78 A. 2). Wir erhalten somit einen zweisilbigen Stamm (σ)εϝᾰ- wie ἐλᾰ-, τελᾰ-, δαμᾰ- usw., der im Aorist *(σ)εϝᾰ́-σαι > ἐᾰ́σαι, bzw. mit analogischem -σσ- (wie ἐλάσ(σ)αι u. a.; nach τελέσ-(σ)αι u. a.) ἐᾰ́σσαι, im Fut. ἐᾰ́σ(σ)ω ergeben hätte, Formen die tatsächlich bei Hom. zu verspüren sind (ἐᾰ́σουσιν φ 233, εἴᾰσεν Κ 299 als v. l.); demgemäß könnte man z. B. ἐάσσαι für ἐᾶσαι (Δ 42) usw. lesen wie ἐάσσω (v. l.) bei Parm. 8, 7. Auch ἐάσομεν, ἔασον bei Hdt. sind als kurzvokalische Bildungen leichter verständlich (vgl. ἔησον· ἔασον H.). Die Länge in ἐᾶσαι usw. wäre dann von den Denominativa auf -άω eingedrungen. Ebenso wurde das einmalige ἔᾰ (Ε 256) 3. Sing. eines athematischen äolischen ἔᾰ-μι sein. — Schwyzer 682 und 752 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 356. Eine einleuchtende Anknüpfung ist für ἐάω noch nicht gefunden. Formal entsprechen einander gut (σ)εϝᾰ- aus idg. seu̯ə- und aind. savi- in savi-tár- ‘Antreiber usw.’ zum Präs. suváti ‘antreiben’; bedeutungsmäßig ist die Gleichung weit weniger befriedigend. Anderseits entbehrt der Wurzelvergleich mit ahd. vir-sūmen ‘versäumen’ einer überzeugenden morphologischen Grundlage. — Ältere Lit. mit weiteren Versuchen bei Bq s. v. und WP. 2, 472. I-434
ἑβδομήκοντα (seit Hdt.), dor. (Delphi, Tab. Heracl. IVa) ἑβδεμ- ‘siebzig’. Als Vorderglied z. B. in ἑβδομηκοντ-άρουρος (Pap.) und anderen hell. u. späten Komposita. Ableitungen : ἑβδομηκοστός ‘der siebzigste’ (Hp. u. a.), ἑβδομηκοντάκις ‘siebzigmal’ (LXX u. a.). — Geht über *ἑβδμ-ήκοντα auf idg. *sebdm- zurück, das durch regressive Assimilation aus der Grundzahl *septm-, antevokalischer Form für *septm̥ in ἑπτά (s. d.), entstand. Dieselbe Entwicklung (teilweise durch Analogie?) in ἑβδομ-ᾱγέτης ‘Führer der Sieben’ (A. Th. 800), ἑβδομάς f. ‘Siebenzahl, Anzahl von sieben (Tagen, Jahren u. a.)’ (Sol., Hp., Arist. u. a.) mit ἑβδομαδικός ‘zur Woche gehörig’ und ἑβδομάζω ‘den Sabbat hakten’, ἑβδομάκις ‘sieben mal’ (Kall.). — Sommer Zum Zahlwort 10ff. I-434
ἕβδομος altkor., delph. ἑβδέμᾱ(ν); ‘der siebente’ (seit Il.), über die angebliche Bed. ‘sieben’ in A. Th. 125 s. Sommer Zum Zahlwort 7ff. Komp. ἑβδομᾱ-γενής ‘am 7. Tage geboren’, Beiwort des Apollon (Plu. 2, 717d; -ᾱ- nach ἑβδομᾱγέτης). Ableitungen: ἑβδομαῖος (ἑβδεμ- Epid.) ‘am 7. Tage erscheinend, Siebentagsfieber’ (Hp. usw.), -αῖον n. N. einer Apollonfeier (Chios, Miletos); ἑβδόμειος ‘am 7. Tage geehrt’ (von Ap. IG 2, 1653), ἑβδομεύομαι ‘seinen Namen am 7. Tage erhalten’ (Lys.). — ἑβδόματος (Il.) Erweiterung nach δέκατος, ἑβδεμάται Dat. f. (Epigramm, Argos; Herzog Philol. 71, 6). — Zu ἑβδομ-ᾱγέτης, ἐβδομάς, -άκις s. ἑβδομήκοντα. — Das Ordinale ἕβδομος, ἕβδεμος aus idg. *sebdmos (mit griech. Sproßvokal und idg. Assimilation für *septmos von *septm̥ ‘sieben’) ist mit aksl. sedmъ (mit Verdrängung des Labials) identisch. Daneben, mit Anschluß an die Grundzahl, z. B. lat. septimus, aind. saptamá-, heth.šiptam-iya- Bez. einer Flüssigkeit (vgl. Friedrich Heth. Wb. s. v., Sommer Zum Zahlwort 23 A.); mit Verdrängung des t und pm > km alit. sẽkmas. — Vgl. ἑπτά. I-435
ἔβενος (m.; vereinzelt auch ἐβένη f.) f. ‘Ebenholz(baum)’ (Hdt., Arist., Theok. usw.). Komp. ἐβενό-τριχον = ἀδίαντον (Ps.-Dsk.; vgl. Strömberg Pflanzennamen 38, 158). Ableitungen ἐβένινος ‘aus Ebenholz’ (Str. usw.), ἐβενῖτις ‘Art Gamander, πόλιον τὸ ὀρεινόν’ (Ps.-Dsk.; Redard Les noms grecs en -της 71). — Aus ägypt. hbnj ‘Ebenholz’, letzten Endes viell. nubisch (Spiegelberg KZ 41, 131); daraus auch hebr. hobnīm (Lewy Fremdw. 35f.). Aus ἔβενος arab.-pers. ’abnūs und lat. ebenus, voraus weiterhin u. a. ahd. ebenus, eng. ebon(y). — Schrader-Nehring 1, 209, Lokotsch Et. Wb. d. europ. Wörter or. Ursprungs Nr. 3. I-435
ἐβρατάγησεν · ἐψόφησεν H. — Kann von ῥάθαγος· τάραχος ... ψόφος H. nicht getrennt werden, obwohl im Einzelnen unklar. Unwahrscheinliche Kontaminationshypothese bei Grošelj Živa Ant. 3, 198f. I-435
ἔβρος · τράγος βάτης· καὶ ποταμὸς Θρᾴκης H. — Ohne Etymologie. Vgl. WP. 1, 198 und Wahrmann Glotta 19, 186f. I-435
ἐγγαρεύω, -έω, -ία s. ἄγγαρος. I-435
ἐγγαροῦντες unsicherer Bedeutung (Inscr. Olymp. 335). — Nach Dittenberger z. St. = ἐπιδημοῦντες als Denominativum von *ἔγγαρος = ἔγγειος, ebenso Schwyzer 482. Bechtel Gött. Nachr. 1920, 247f. will -γαρος mit ion. (att.) γεηρός identifizieren. Diese an sich sehr unsichere Gleichsetzung ist jedenfalls nur äußerlich berechtigt, da das angenommene *ἔγγαρος (wie ἔγγειος) von einem Präpositionsausdruck ἐν γᾷ ausgehen muß. I-435
ἔγγραυλις, -εως f. eine Art Sardelle (Ael., Opp.). — Unerklärt. Strömberg Fischnamen 68 geht von einem unbekannten Verb *ἐγ-γραυλίζειν aus, das eine Nebenform von γρυλίζειν ‘grunzen’ wäre; ἔγγραυλις mithin eig. "die Grunzerin" (zahlreiche Beispiele solcher Fischnamen bei Strömberg 63ff.). Die von S. angeführten Belege eines Wechsels αυ ~ υ sind indessen wenig überzeugend. — Ngr. γαῦρος, Hatzidakis Glotta 2, 298. I-436
ἐγγυαλίζω s. γύαλον. I-436
ἐγγύη f. ‘Bürgschaft, Ehevertrag’ (seit Od.). Als Hinterglied z. B. in den Hypostasen ὑπ-έγγυος ‘unter Bürgschaft, verantwortlich’ (A., Hdt. usw.), προ-έγγυος, πρώγγυος ‘Bürge’ (Heraklea, Miletos usw.) mit προ-εγγυάομαι, πρωγγυεύω, προεγγύησις und in den verbalen Rektionskomposita φερ-έγγυος ‘Bürgschaft leistend, Bürge’ (Hdt., A., Th. u. a.), ἐχ-έγγυος ‘Bürgschaft gebend, zuverlässig’ (S., E., Th. usw.). Daneben ἐγγυάω, -άομαι ‘Bürgschaft leisten, sich verbürgen, zur Ehe zusichern, verloben’, Med. auch ‘sich eine Bürgschaft leisten lassen, sie annehmen, sich verloben’ (seit Od.), auch δι-, ἐξ-εγγυάω u. a., mit ἐγγύησις (δι-, ἐξ- ~) ‘Bürgschaft, Verlobung usw.’ (D., Is. u. a.; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 156f.), ἐγγύημα (δι- ~) ‘ds.’ (Pap.), ἐγγυητής ‘Bürge’ (ion. att.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 183 und 226f.), f. ἐγγυήτρια (Pap.); ἐγγυητή ‘vertraglich verlobte’ (att.); ἐγγυητικός ‘zur Bürgschaft gehörend’ (Heph. Astr.); postverbal ἔγγυος m. ‘Bürge’ (Thgn., X., Inschr. usw.), vereinzelt und spät auch Adj. ‘verbürgt’ (Them., Lys. 32, 15 v. l.; vgl. unten). — Neben ἐγγυάω auch ἐγγυεύω (Delph.). — Wahrscheinlich enthalten ἐγγύη und ἐγγυάω als Zusammenbildungen die Präp. ἐν und ein im Griechischen verlorengegangenes Wort für ‘Hand’, das in aw. gava ‘die beiden Hände’ noch lebt und auch in ὑπό-γυ(ι)ος ‘nahe bevorstehend, plötzlich’, eig. ‘unter den Händen’? (ion. att.) vermutet wird. Weitere Verwandte sind dann im Griechischen γύαλον, γύης, γυῖα (s. dd.), in anderen Sprachen z. B. lit. gáunu ‘bekommen, erhalten’; s. noch WP. 1, 636f., Pok. 403f., Fraenkel Lit. et. Wb. s. gáuti. — Entweder ist ἐγγυάω wie ἐγγυαλίζω ‘einhändigen, in die Hände geben’ direkt von einer präpositionalen Verbindung abgeleitet, mithin nicht nur ἔγγυος sondern auch ἐγγύη postverbal, oder — weniger wahrscheinlich — ἐγγύη geht als Adjektivabstraktum auf ein Adjektiv *ἔγγυος ‘in den Händen’ zurück; dabei wäre ἐγγυάω ein Denominativum von ἐγγύη. Das erst spät belegte Adj. ἔγγυος ‘verbürgt’ ist indessen in jedem Falle ebenso wie ἔγγυος ‘Bürge’ postverbal. Anders, schwerlich richtig, Schwyzer 620 A. 3. — Über Bedeutung und Verbreitung von ἐγγύη, ἔγγυος, ἐγγυητής E. Kretschmer Glotta 18, 89f., Gernet Mélanges Boisacq 1, 395. S. auch ἐγγύς. I-436-437
ἐγγύς Adv. ‘nahe’ (von Raum und Zeit; seit Il.). Komp. und Superl. ἐγγυτέρω, -τάτω (-ύτερον, -ύτατα), auch ἔγγιστα, ἔγγιον (vgl. Seiler Steigerungsformen 107ff. mit weiteren Einzelheiten); spätes Adjektiv ἐγγύτερος, -τατος (LXX u. a.; Schwyzer 534 A. 5). Ableitungen: ἐγγύθι ‘in der Nähe’ (ep. seit Il.), ἐγγύθεν ‘aus, in der Nähe’ (seit Il.); ἐγγύτης f. ‘Nähe’ (A. D., Str. usw.); ἐγγύδιον· ἔγγιον, πλησίον, προσῆκον H. (nach den Deminutiva auf -ύδιον); denominatives Verb ἐγγίζω ‘sich nähern’, tr. ‘nähern’ (Arist., hell.). — Adverbiale Bildung auf -ς wie εὐθύς, ἅλις usw. (Schwyzer 620); die ursprüngliche Funktion des -ς (Nominativ?) ist strittig. Wegen lat. comminus ist man geneigt, mit Bezzenberger BB 4, 321 A. 1 (s. auch Adontz Mélanges Boisacq 1, 11) in ἐγγύς ein altes Wort für ‘Hand’ zu sehen, das auch in ἐγγύη, -άω vermutet wird. Die Anfangssilbe scheint die Präp. (das Adv.) ἐν zu enthalten, aber die nähere Deutung des Kompositums bleibt ungewiß. — Schwyzer 620A. 3 schlägt (zögernd) die Erklärung ‘die Hände zusammen’ vor mit ἐν aus ἕν zu lat. sem-el usw., s. εἷς. Nach Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 47 zu βαίνω als "colui che va innanzi" (?). Andere, ebenfalls unbefriedigende Versuche bei Bq. — Vgl. μεσσηγύ. I-437
ἐγείρω, ‘wecken, erwecken’, übertr. ‘anregen, erheben’; Aor. ἐγεῖραι, Fut. ἐγερῶ, spätes Perf. ἐγήγερκα; ἐγείρομαι, Aor. ἐγρέσθαι ‘erwachen’ mit neuem Präsens ἔγρομαι, ἔγρω (E., Kall., Opp., Q. S. usw.), Perf. ἐγρήγορα ‘ich wache’ mit den ep. Formen Ipv. ἐγρήγορθε, Inf. -θαι, 3. Plur. Ind. -θᾱσι, Partiz. -ορόων (zur Erklärung Chantraine Gramm. hom. 1, 429 m. A. 2 und 359; Schwyzer 800 A. 8 und 540 A. 4); dazu ein neues Präs. γρηγορέω (hellenist.; Schwyzer 768 m. A. 1), auch ἐγρηγορέω (Debrunner IF 47, 356). Oft mit Präfix: ἀν-, δι-, ἐξ-, ἐπ- usw. Als Vorderglied in ἐγρε-κύδοιμος (Hes.), ἐγρε-μάχᾱς (S.) usw.; vgl. ἐγερσι- unten. Ableitungen: ἔγερσις ‘das Erwachen, die Erweckung’ (ion. att.) mit ἐγέρσιμος (ὕπνος Theok. 24, 7; Gegensatz θανάσιμος ~; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 102), oft zu den Präfixkomp. ἀν-, δι-, ἐξ-, ἐπ-έγερσις; auch als Vorderglied in späten Komp., z. B. ἐγερσι-μάχᾱς (AP); ἐγερτήριον ‘Erweckung, Anregung’ (Ael.); ἐξ-εγέρτης ‘Anreger, Anstifter’ (Pap.); (δι-, ἐπ-)ἐγερτικός ‘erweckend, erregend’ Pl., Arist. usw.); ἀν-εγέρμων ‘wachsam’ (AP); ἐγερτί Adv. ‘wachsam, eifrig’ (Heraklit., S., E.). — Vom Perfektum: ἐγρήγορσις ‘Wache’ (Hp., Arist. usw.), ἐγρηγορικός ‘wach, rege’ (Arist.), ἐγρηγορότως Adv. ‘ds.’ (Plu., Luk. u. a.), ἐγρήγορος ‘ds.’ (Adam.), ἐγρηγορτί Adv. ‘wach’ (Κ 182). — Ein erweitertes Präsens expressiver Natur ist ἐγρήσσω ‘wachen’ (πάννυχοι ἐγρήσσοντες Λ 551; ähnlich υ 53 und A. R. 2, 308; ἐγρήσσεις υ 33), nach den Verben auf -σσω wie πτήσσω, κνώσσω usw., vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 335 (zweifelhafte Analysen bei Schwyzer 648 A. 3). — Das Perf. ἐγρήγορα erinnert stark an aind. jā-gā́ra, aw. ǰa-gāra ‘ich wache’ und war ursprünglich offenbar damit identisch; ἐγρη- für *γή-γορα muß aus dem Aorist ἐγρέσθαι geholt sein. Die Beurteilung von ἐ- schwankt. Nach Schwyzer 648 A. 3 war es kein Präverb (Specht KZ 62, 56), sondern entstand durch Dissimilation aus *[γ]έ-γρ-ετο. Aus diesem reduplizierten Aorist wurde es dann in die übrigen Formen verschleppt. Jedenfalls ist ἐγείρω gegenüber ἐγρέσθαι und ἐγρήγορα sekundär. Ein reduplizierter (athematischer) Aorist liegt auch vor in aind. á-jī-gar, ji-gr̥-tám usw. Die übrigen aus verschiedenen Sprachen herangezogenen Formen wie das intensive Kausativum aw. fra-ɣrā-ɣrāyeiti ‘er erweckt’ und alb. ngrē̈ ‘ich hebe auf usw.’ steuern zu der Erklärung der griech. Formen nichts bei. Unsicher ist die Zugehörigkeit von lat. expergīscor (s. W.-Hofmann s. v.). — Zu ngr. γέρνω (Aor. ἔγειρα) ‘neigen, sinken’, das für ἐγείρω ‘erheben’ eingetreten ist, s. Hatzidakis Glotta 22, 131. I-437-438
ἔγκαρος m. ‘Gehirn’ (AP, Lyk.). — Gelehrte Hypostase aus ἐν und κάρᾱ, κάρη ‘Kopf’ (s. d.) nach Muster von ἐγκέφαλος : κεφαλή. Vgl. ἴγκρος. I-438
ἐγκάρσιος s. ἐπικάρσιος. I-438
ἐγκάς (ἔγκας) ‘tief unten’ (Hp., Gal.). — Zu ἔγκατα (s. d.); Bildung wie ἀγκάς, ἐντυπάς u. a. (Schwyzer 631). I-438
ἔγκατα Dat. pl. ἔγκασι (Λ 438); durch Rückbildung später Sing. ἔγκατον (LXX, Luk.) n. pl., ‘Eingeweide’ (seit Il.) Davon ἐγκατόεις ‘Eingeweide enthaltend’ (Nik.), ἐγκατώδης ‘eingeweideähnlich’ (Sch.). — Nicht sicher erklärt. Nach Leumann Hom. Wörter 158 A. 1 von *ἔγκατος ‘interior’, Ableitung von ἐν wie ἔσχατος von ἐξ; ἔγκασι wäre dann Neubildung nach γούνασι u. a. — Lak. ἔγκυτον· ἔγκατον H. erklärt sich am einfachsten als volksetymologische Umbildung nach κύτος ‘Haut, Rumpf, Leib’ (υ nicht aus idg. n̥ mit Schwyzer 352). I-438
’Εγκέλαδος m. N. eines der Giganten (Eur., Kall. usw.); auch Ben. eines hummelähnlichen Insekts (Sch.). — Von κέλαδος, aber auch auf κελαδέω beziehbar; wohl zunächst als Bahuvrihi, falls nicht im Anschluß an die Adj. auf ἐν-. Strömberg Wortstudien 18; vgl. Greek Prefix Studies 113ff. I-438
ἐγκίλλαφον · οὐρά, ἔγκιλλον· οὐράν H. — Zum Vergleich melden sich einerseits κιλλός ‘grau’ (κίλλος "der Graue", d. h. ‘Esel’), anderseits κίλλουρος· σεισοπυγίς N. (= ‘Bachstelze’), s. dd. Die Bildung ist mehrdeutig; zum Suffix -φος Chantraine Formation 264. I-438-439
ἐγκλίς · ἡ καγκελλωτὴ θύρα EM 518, 22 ‘Gittertür’. — Zu ἐγκλίνω mit derselben Bildung wie in δικλίς, s. δικλίδες; vgl. auch Strömberg Wortstudien 15. I-439
ἐγκοακίσαι · ἐγχέαι λάθρα H. — Grošelj Živa Ant. 4, 169 vergleicht das sehr zweifelhafte κοία· κλέψημα H. I-439
ἐγκοιωταί (sc. δαρκναί) pl. ‘hinterlegte Geld’ (Gortyn). — Von *ἐγκοιόω, -όομαι, Denominativum von *ἔγκοιος oder Hypostase; jedenfalls zu κοῖον· ἐνέχυρον H., s. d. — Prellwitz Glotta 17, 143f. vergleicht (mit unhaltbarer Wurzelanalyse) κίστη und lat. cūra. I-439
ἐγκονέω ‘eilen, sich auf etwas verlegen’ (vorw. poet. seit Il.). Davon ἐγκονητί Adv. ‘eilends, emsig’ (Pi.), ἐγκονίς ‘Dienerin’ (Suid.). Neben ἐγκονέω steht διακονέω (mit διάκονος, s. d.); außerdem viell. ἀγκονέω ‘sich beeilen’ bei Ar. Lys. 1311; s. die Ausgg. z. St.; davon ἀγκόνους· διακόνους, δούλους H. Nur bei H. κόνει· σπεῦδε, τρέχε und κονεῖν· ἐπείγεσθαι, ἐνεργεῖν mit κονηταί· θεράποντες. Dazu κοναρόν· ... δραστήριον und κοναρώτερον· δραστικώτερον H. — Unsicher ἀ-κονῑτί (Olympia, Th., X., D.); vgl. zu κόνις. Iterativ-intensives Verb, das sich formell zu lat. cōnor, cōnārī ‘sich körperlich anstrengen, versuchen’ verhält wie z. B. ποτέομαι zu πωτάομαι (Schwyzer 719) und damit verwandt sein kann. Lit. bei W.-Hofmann s. cōnor. — Bei Pokorny 564 wird auch eine keltische (kymrische) Gruppe herangezogen, z. B. mkymr. digoni ‘machen’, kymr. dichon, digon ‘kann’. I-439
ἐγκρίς, -ίδος f. ‘Kuchen aus Öl und Honig’ (Stesich., Kom. usw.). Komp. ἐγκριδο-πώλης ‘Verkäufer von ἐ.’ (Kom.). — Rückbildung aus ἐγκεράννυμι, ἐγκεράσαι ‘hineinmischen’. Nicht zu ἐγκρίνειν (Strömberg Wortstudien 15), auch nicht zu κριθή, κρῖ (vgl. Chantraine Formation 336). I-439
ἐγκυτί Adv. ‘bis auf die Haut’ (Archil., Kall.), auch ἐγκυτίς (Hdh.). — Zusammenbildung aus ἐν und κύτος (s. d.) nach den Adv. auf -(τ)ί(ς) (darüber Schwyzer 623). I-439
ἔγχελυς, -υος usw. (alter ū-Stamm? Specht KZ 59, 219), att. Plur. -εις (wozu Nom. sg. -λις [Arist.]?) f. ‘Aal’ (seit Il.). Komp. ἐγχελυο-τρόφος ‘Aale ernährend’ (Arist.), ἐγχελυ-ωπός ‘mit Aalaugen’ (Luk.). Ableitungen: Deminutivum ἐγχελύδιον (mittl. Komödie), ἐγχελεών, -υών ‘Aalfang’ (Arist.), ἐγχέλειος ‘zum Aal gehörig’, gewöhnlich substantiviert im Neutr. (pl.), scil. κρέα, τεμάχη od. ähnl. (Kom.). — Wie viele Fischnamen dunkel, erinnert ἔγχελυς an andere Bezeichnungen des Aals, lat. anguilla, lit. ungurỹs und damit verwandte balt. und slav. Wörter, ohne daß man eine idg. Grundform aufstellen kann. Nach einer alten Deutung entstand ἔγχελυς durch Kreuzung von ἔχις und dem in lat. anguis (wovon anguilla) erhaltenen Wort für ‘Schlange’. Bemerkenswert ist ferner lesb. ἴμβηρις· ἔγχελυς. Μηθυμναῖοι H. — Lit. bei Bq s. v., W.-Hofmann s. anguis, Pok. 43ff. Ausführlich über ἔγχελυς Thompson Fishes s. v.; vgl. noch Strömberg Fischnamen 10ff. I-439-440
ἐγχεσί-μωρος ep. Beiwort, gewöhnlich als ‘speerberühmt’ erklärt (seit Il.). Dasselbe Hinterglied in ἰό-μωρος, Beiwort der ’Αργεῖοι (Δ 242, Ξ 479) und, als offenbare Nachahmung, in ὑλακό-μωρος, Beiw. der κύνες (ξ 29, π 4; zur Bildung Porzig Satzinhalte 239); s. noch σινάμωρος. — Das Hinterglied wird seit Osthoff PBBeitr. 13, 431ff. einleuchtend mit einem ebenfalls als Hinterglied in keltischen, germanischen und slavischen EN, z. B. gall. Nerto-mārus, ahd. Volk-mār, slav. Vladi-měrъ, auftretenden Element, idg. *-mōros, *-mēros, identifiziert. Als weitere Verwandte werden herangezogen teils ein denominatives germ. Verb ‘verkünden’, got. merjan usw. mit dem Adj. got. waila-mereis ‘εὔφημος’, ahd. māri ‘berühmt, glänzend’ usw., teils ein kelt. Adjektiv ‘groß’, z. B. air. mār. Der ō-Vokalismus des Hinterglieds im Griech. und Kelt. stimmt zum Typus ἄ-φρων : φρήν (Schwyzer 355). Ob das Hinterglied ursprünglich ein Adjektiv, etwa ‘berühmt, glänzend’, oder ein Substantiv ‘Ruhm, Glanz’ (das Komp. somit ein Bahuvrihi) war, ist kaum zu entscheiden. Die Form des Vorderglieds ist eher metrisch als syntaktisch (Lok. pl.?) bedingt. — Vgl. Leumann Hom. Wörter 37 und 272 A. 18 m. Lit. — Weitere unsichere Anknüpfungen (nach Osthoff) bei Bq s. v., WP. 2, 238, Pok. 704. I-440
ἐγχίδιον · ἔγγιον, ἐγχόδια· ἀθρόα H. — Ersteres Kreuzung von ἐγγύς und ἀγχίδιος, letzteres von ἐγγύς und ἀγχοῦ, -όθι nach Baunack Philol. 70, 379f. I-440
ἔγχος n. ‘Speer, Lanze’ (poet. seit Il.), auch ‘Waffe’ im allg., ‘Schwert’ (Pi., S., E. u. a.); näheres über Bedeutung und Gebrauch Schwyzer Glotta 12, 11, Trümpy Fachausdrücke 52ff. Als Vorderglied in ἐγχέσ-παλος ‘speerschwingend’ (Hom.), ~-φόρος ‘speertragend’ (Pi.); auch ἐγχεσί-μωρος (s. bes.); danach ~-μαργος· ἔγχει μαινόμενος H., EM, ~-χειρες pl. ‘speerbewaffnet’ (Orph. Fr. 285, 18). Daneben in derselben Bedeutung ἐγχείη (Hom.), poetische Erweiterung von ἔγχος nach Muster von ἐλεγχείη : ἔλεγχος, ὀνειδείη : ὄνειδος und anderen Abstrakta auf -είη (vorw. zu komponierten s-Stämmen, Chantraine Formation 86f., Schwyzer 469). Anders Kalén GHÅ 24 (1918) : 1, 54ff. (alter Dual [?]); Tovar Emerita 11, 431ff. (Abstraktum zu ἐγ-χέω; wozu nachträglich ἔγχος [?]). — Unklar ist ’Εγχώ· ἡ Σεμέλη οὕτως ἐκαλεῖτο. — Der Form nach ein Nomen actionis wie βέλος, aber ohne Etymologie. Frühere Versuche bei Bq, außerdem Schwyzer Glotta 12, 10ff. (zu ἀκαχμένος). S. auch Tovar a. a. O. I-440-441
ἐγώ, lesb. ep. dor. auch ἐγών, lak. tarent. ἐγώνη, böot. ἰώ(ν), ἰώνει (ἱ-?) ‘ich’. — Neben ἐγώ = lat. egō stehen venet. eχo mit quantitativ unklarem, lat. egŏ mit sekundär kurzem Auslautsvokal, der auch für die german. Formen, z. B. urn. ek, angesetzt werden kann (vgl. indessen unten); der vokalische Auslaut fehlt auch in den balt., armen. und hethit. Formen, z. B. alit. eš, arm. es, heth. uk; wenigstens im Armen. kann aber ein -ō̆ weggefallen sein. — Demgegenüber stehen im Indoiranischen und Slavischen Formen auf idg. -ŏm, z. B. aind. ahám, apers. adam, aksl. azъ; auch das enklitische urn. -(i)ka (ebenso wie das proklitische ek, ik?) ist zunächst auf idg. *eĝŏm zurückzuführen. Die alternierenden idg. Formen *eĝō, *eĝŏm können mit den verbalen Endungen der 1. Pers. -ō (primär), -ŏm (sekundär) in Verbindung stehen; doch kann in -ŏm auch eine Partikel stecken, die besonders im Altindischen sehr verbreitet ist (tuv-ám ‘du’ usw.). — Das alleinstehende ἐγών mag einen Kompromiß darstellen (oder nach ἔγνων, *ἔδων usw.?); in ἐγών-η (ἐγώ-νη? vgl. τύνη) ist noch ein deiktisches Element hinzugetreten, ebenso in ἔγω-γε. — Griechische Einzelheiten bei Schwyzer 602 und 606; für die übrigen Sprachen s. die einschlägigen etym. Wörterbücher, namentlich W.-Hofmann s. egō̆ m. Lit.; WP. 1, 115f., Pok. 291 m. weiterer Lit.; außerdem Brandenstein Μνήμης χάριν 1, 52. I-441
ἑδανός Beiwort von ἔλαιον Ξ 172 (ἐλαίῳ / ἀμβροσίῳ ἑδανῷ). — Wegen der unbekannten Bedeutung ohne Etymologie. Hypothesen bei Bq. I-441
ἔδαφος n. ‘Grund, Boden, Fuß-, Erdboden’ (seit ε 249; vgl. Richel Worte für Erde 212ff.), auch ‘Grundtext’ (Gal.). Komp. ἐδαφο-ποιέω ‘dem Erdboden gleichmachen’ (J.). — Späte Ableitungen: ἐδάφιον ‘Grundtext’ (Arist.-Komm., Sch.); ἐδαφικός ‘zum Grund usw. gehörig’ (Pap.), ἐδαφιαῖος ‘ds.’ (Sch., Tz.), ἐδαφίτης (Tz.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 112). Denominative Verba : ἐδαφίζω ‘eben machen, mit Fußboden versehen, dem Erdboden gleichmachen’ (Arist., hell.); ἐδαφόω in ἠδάφωται· κατῴκισται H. — In bezug auf Genus und Bedeutung steht ἔδαφος unter den Nomina auf -(α)φος (Chantraine Formation 262ff., Schwyzer 495) vereinzelt da. Sein auffallendes Genus mag es von ἕδος bezogen haben (Brugmann Grundr.2 2 : 1, 190) und wird gewöhnlich auch etymologisch damit verbunden. Nach WP. 1, 254 (mit Curtius 241, J. Schmidt Pluralbild. 341) dagegen zu οὖδας, s. d. I-441-442
ἐδέατρος (-τρός?) m. ‘Truchseß am persischen Hofe, Steward’, ἀρχ-εδέατρος ‘Obertruchseß am ptolem. Hofe’ (hell.) — Umbildung von ἐλέατρος (s. ἐλεόν) nach ἔδω. Güntert Reinwortbildungen 155, Kuiper Glotta 21, 272ff. I-442
ἔδεθλον n. ‘Grund, Boden, Fundament’ (Antim., Kall., A. R. usw.; wahrscheinlich auch A. Ag. 776 für ἐσθλά). Davon als formale Variante ἐδέθλιον ‘ds.’ (Kall., A. R. u. a.). — Wie ἕδος u. a. vom Verb für ‘sitzen’ (s. ἕζομαι) mit θλο-Suffix (Schwyzer 533, Chantraine Formation 375) und Hauchdissimilation, falls nicht mit ἔδαφος (s. d.) zu οὖδας. I-442
ἕδνα n. pl., hom. auch ἔεδνα (s. unten), selten sg. ἕδνον (Pi., Kall. u. a.) ‘Brautgaben, Mitgift, Hochzeitgeschenke’ (poet. seit Il., sp. Prosa; zur Bedeutung Köstler WienAkAnz. 81 [1944] 6ff., Theiler Mus. Helv. 7, 114 m. Lit.). Komp. ἀνά-εδνος ‘ohne ἕ.’ (Il., Nonn.; zur Form des Präfixes Schwyzer 432 m. A. 2, Chantraine Gramm. hom. 1, 182); daneben ἄεδνον· ἄφερνον ἢ πολύφερνον H.; ἑδνο-φορέω ‘Brautgaben bringen’ (Eust.). — Altes Denominativum ἑδνόομαι (ἐεδν-), -όω ‘eine Tochter mit ἕ. ausstatten, sie verloben’ (poet. seit β 53) mit ἐεδνωτής ‘Ausstatter, Brautvater’ (Ν 382; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 25; 2, 206). — Mehrere Hesychglossen: ἕδνιος χιτών· ὅν πρῶτον ἡ νύμφη τῷ νυμφίῳ δίδωσιν; ἑδνάς· ἡ ἀπὸ τῶν ἕδνων ἐδητύς, ἑδνεύειν· ἐνεχυράζειν. — An ἕδνα, ἕδνον aus idg. *u̯ed-no- (zum Spir. asper Schwyzer 227), woneben ἔ-(ϝ)εδνα mit Vokalprothese, erinnern stark ein slavisches und ein westgermanisches Wort für ‘Kaufpreis der Braut, Mitgift’: z. B. aruss. věno, das für idg. *u̯ēd-no- stehen kann und sich dann nur durch die Vokalquantität von ἕδνα unterscheidet (věno nicht besser zu lat. vēnum [dare]; vgl. Vasmer Russ. et. Wb. s. véno [1, 182f.], wo der letztgenannten Deutung der Vorzug gegeben wird); ags. weotuma, ahd. widomo m., aus urgerm. *wet-man-, idg. *u̯ed-mon-; dabei ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß das gr.-slav. no-Suffix aus -mno- (themat. Erweiterung von -mon-) entstanden ist. — Sehr unsicher dagegen alb. vigjë ‘Geschenk, in Eßwaren bestehend, zur Hochzeit usw.’ (aus *u̯ed-l- ?; Lit. bei WP. 1, 256). — Dies offenbar alte Wort für ‘Kaufpreis der Braut’ wird allgemein von einem Verb ‘(heim-)führen, heiraten (vom Mann)’ abgeleitet, das u. a. in lit. vedù, aksl. vedǫ, altirisch fedid vorliegt. — Aind. vadhū́- ‘Braut, junge Frau, Schwiegertochter’, das man nicht gern von den oben genannten Wörtern trennt, ist wegen des dh weder mit ἕδνα noch mit den germ. weotuma, widomo lautlich vereinbar, sofern man nicht eine nachträgliche Entgleisung annehmen will. I-442-443
ἕδος n. ‘Sitz, Sessel, Wohnsitz’, auch ‘sitzendes Götterbild’ (vorwiegend poet. seit Il., sp. Prosa). Keine Ableitungen. — Mit aind. sádas- n., wahrscheinlich auch mit awno. setr n. (vgl. zu ἔρεβος) formal und begrifflich identisch; idg. *sédos- n., Verbalsubstantiv zum Verb für ‘sitzen’, s. ἕζομαι; vgl. ἕδρα, ἑδώλια, ἔδεθλον, auch ἔδαφος. — Im Suffix etwas abweichend aw. apers. hadiš- n. ‘Wohnsitz, Palast’. I-443
ἕδρᾱ f. ‘Sitz, Sessel, Wohnsitz (der Götter), Tempel, Sitzung, Grund und Boden’ (seit Il.). Zahlreiche Komposita und Ableitungen: καθέδρα ‘Sitz, das Sitzen, Stuhl usw.’ (Hp., X., Arist. usw.) von καθ-έζομαι im Anschluß an ἕδρα; ebenso ἐφέδρα, ion. ἐπέδρη ‘Belagerung’ (ἐφ-έζομαι), ἐνέδρα ‘Hinterhalt, Nachstellung’ (ἐν-έζομαι, ἐν-ιζάνω), vgl. Risch IF 59, 45f.; aber ἐξ-έδρα "Außen-sitzung", ‘Sitz außerhalb des Hauses, Halle’ (E., hell. usw.). — Bahuvrihi mit adverbiellem Vorderglied ἔφ-εδρος eig. "mit dem Sitz daneben", ‘Nebensitzer, Reserve’ (Pi., ion. att.), aufἐφ-έζομαι bezogen; ebenso πάρ-εδρος ‘Beisitzer, Beistand’ (παρ-έζομαι), ἔν-εδρος ‘Insasse’ (ἐν-έζομαι), σύν-εδρος ‘Beisitzer’ (συν-έζομαι, -ιζάνω); aber ἔξ-εδρος ‘von seinem Wohnsitz fern’ (S., E., Ar., Arist.) Hypostase aus ἐξ ἕδρας; — Bahuvrihi mit adjektivischem Vorderglied πολύ-εδρος ‘mit vielen Sitzen’ (Plu.). Ableitungen von ἕδρα: ἑδραῖος ‘mit festem Wohnsitz, fest, ruhig’ (ion. att.) mit ἑδραιότης und ἑδραιόω, wozu ἑδραίωμα, -ωσις (alle spät); ἑδρικός ‘zum Gesäß, zum Anus gehörig’ (Mediz.), ἑδρίτης ‘Schutzflehender’ (Suid., EM; πρωτοκαθεδρίτης ‘Vorsitzender’ [Herm.] zu πρωτοκαθεδρία [Ev. Matt. 23, 6]; vgl. Redard Les noms grecs en -της 24). Denominative Verba. 1. ἑδρ-ιάομαι ‘sich niedersetzen’ (Hom., Hes.), -ιάω ‘setzen’ (Theok., A. R.); zur Bildung Schwyzer 732, Chantraine Gramm. hom. 1, 359; vom Metrum begünstigt; 2. ἑδράζω ‘setzen, feststellen’ (hell. und spät) mit ἑδρασμός, ἑδραστικός, ἀν-έδραστος (spät); ἕδρασμα = ἕδρα (E. Fr., Ph. u. a.), viell. nur Erweiterung nach στέγασμα u. a. (vgl. Chantraine Formation 177). — Aber ἐφ-, ἐν-, παρ-, συν-εδρεύω von ἔφ-εδρος usw. — Mehrere Hesychglossen: ἑδρήεσσα· βεβαία (poet. Bildung nach τελήεσσα u. a.; vgl. Schwyzer 527), ἑδρίας· ἀεὶ πνέων (nach den Windnamen auf -ίας); ἕδρια· συνέδρια (auch als Erklärung von ἑδώλια), ἑδρίς· ἑδραῖος. — Durch Erweiterung von ἕδρᾱ nach den Nomina auf -ᾰνον (bzw. durch Kreuzung von ἕδρᾱ und *ἕδᾰνον?) entstand ἕδρᾰνον = ἕδρα (poet. seit Hes.); dazu ἑδρανῶς = στερεῶς (Eust.). Ortsbezeichnung auf -ρᾱ wie χώρα u. a. (Schwyzer 481) zu ἕζομαι (s. d.). Genaue außergriech. Entsprechung fehlt; über awno. setr n. s. ἕδος. I-443-444
ἔδω mit athem. Inf. ἔδμεναι (Hom.), Fut. ἔδομαι (seit Il.), Perf. Ptz. Akt. ἐδηδώς (Ρ 542 u. a.), Med. ἐδήδοται (χ 56; nach πέποται), wozu Akt. ἐδήδοκα (att.); Aor. Pass. ἠδέσθην, Perf. Med. ἐδήδε(σ)μαι (att.); neues Präsens ἔσθω (ep. poet. seit Il.), ἐσθίω (seit Od.) ‘essen, fressen’. Mit Präfix κατ-έδω, -εσθίω (-έσθω), -έδομαι ‘aufessen, auffressen, verzehren’ (seit Il.), ἀπ-εσθίω, -έδομαι ‘abessen, -fressen, abnagen’ (att.) u. a. Mehrere Ableitungen: 1. εἶδαρ für *ἔδ-ϝαρ ‘Speise’ (ep. poet. seit Il.; vgl. Porzig Satzinhalte 347; ἔδαρ· βρῶμα H., vgl. unten). 2. ἐδωδή ‘Speise, Nahrung, Mahlzeit’ (seit Il.), reduplizierte Bildung mit ω-Ablaut wie ἀγωγή u. a.; davon ἐδώδιμος ‘eßbar’ (Hdt., Th. usw.; s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 50f.), ἐδωδός ‘zur Speise geeignet’ (Hp.). 3. ἐδητύς f. (nur Gen. -τῠ́ος) ‘Speise’ (Hom.); Herkunft des η unklar, vgl. indessen βοητύς, ἀγορητύς und andere (jüngere?) Bildungen; dazu Porzig Satzinhalte 183f., Benveniste Noms d’agent 67. 4. ἔδεσμα ‘Speise’ (att.) mit ἐδεσμάτιον (Prokl.); vgl. zu ἠδέσθην unten; 5. ἐδεστής ‘Esser, Verzehrer’ (Hdt., Antiph.). 6. ἐδηδών· φαγέδαινα H., vgl. ἐδηδώς und Specht Ursprung 389. — Zu ὀδούς (ὀδών), ὀδύνη, ὠδίς s. bes. — Das alte athematische Präsens, das im Griech. im Inf. ἔδμεναι, in dem als Futurum benutzten kurzvokalischen Konjunktiv ἔδ-ο-μαι, vielleicht auch im Ipv. ἔσθι (ρ 478?; s. Chantraine Gramm. hom. 1, 292) erhalten ist, findet sich in mehreren idg. Sprachen wieder; heth. ed-mi (e-it-mi) ‘ich esse’, aind. ád-mi ‘ds.’, 3. Sg. át-ti, lat. ēs-t, lit. ė́s-ti, aksl. jas-tъ ‘er ißt (frißt)’; idg. *ē̆d-mi, -ti. Aus dem athematischen Paradigma erwuchsen allmählich im Griech. wie in anderen Sprachen (z. B. got. itan, 3. Sg. Präs. it-iþ) themat. Formen, s. Chantraine a. a. O. Das Armenische hat eine iterative Bildung utem (wäre gr. *ὠδέω). — Aus dem Ipv. ἔσθι (= aind. addhí) wurden, wahrscheinlich in der Kinder- und Alltagssprache, die sekundären Präsentia ἔσθω und ἐσθίω gebildet (Lit. bei Schwyzer 713 A. 6). Auch die übrigen Verbalformen sind griechische Neubildungen, ἠδέσθην, ἐδήδε(σ)μαι, wohl nach ἐτελέσθην, τετέλεσμαι, ᾐδέσθην, ἀλήλε(σ)μαι u. ä.; danach ἔδεσμα, ἐδεστής (gegenüber der Zusammenbildung ὠμηστής), ἐδεστός; daß ἐδέσθην aus *ἔσ-θην "aufgefrischt" sei (Schwyzer 775 A. 7 m. Lit.), ist wenig wahrscheinlich, da es von ἔδω ursprünglich keinen Aorist gab (dafür φαγεῖν, s. auch βιβρώσκω; dazu Schwyzer-Debrunner 258). — Der r-n-Stamm εἶδαρ für *ἔδϝαρ, pl. εἴδατα hat ein Gegenstück in aind. vy-advar-á- ‘gefräßig, zernagend’ und agrādvan- (agra-ad-van-) ‘zuerst essend’; s. noch zu ὀδύνη. — Weitere Lit. bei W.-Hofmann s. edō, Fraenkel Lit. et. Wb. s. ė́sti; dazu bes. Ernout-Meillet s. edō. — S. auch ἄ̄ριστον und δείπνηστος (s. δεῖπνον). I-444-445
ἑδώλια, selten sg. -ιον n. ‘Sitz, bes. der Ruderer auf dem Schiffe, Ruderbänke, Wohnsitz’ (ion. poet.). Rückbildung ἕδωλα ‘Ruderbänke’ (Lyk.). Umbildung nach den Nom. auf -ωλή ἑδωλή (Naukratis). Denominatives Verb ἑδωλιάζω ‘mit Sitzen versehen’ (Delos IIIa, Lykurg.). Hierher auch ἑδωλός· λόχος Λακεδαιμονίων οὕτως ἐκαλεῖτο H. — Die in ἑδώλια vorliegende l-Ableitung des Verbs für ‘sitzen’ (s. ἕζομαι) ist in mehreren Sprachen vertreten: lat. sella (aus *sed-lā) ‘Stuhl, Sessel’ = ἑλλά· Λάκωνες H., kelt., gall. caneco-sedlon (Vorderglied unklar), germ., z. B. got. sitls, ahd. sezzal ‘Sessel’ (urg. *set-la-), slav., z. B. aruss. ksl. sedь-lo, russ. sedló ‘Sattel’. In Betracht kommt auch arm. etɫ ‘Platz, Stelle’. Zugrunde liegt ein ablautender l-Stamm *sed-ōl, *sed-l- (Schwyzer 483 m. Lit., dazu Specht Ursprung 93 mit teilweise anfechtbaren Kombinationen). Neubildung ist dagegen lat. sedīle (W.-Hofmann 2, 508 m. Lit.), ebenso aksl. sědalo ‘Sitz, Stuhl’. Unklar der Herkunft und Bildung nach ist nhd. Sattel u. Verw., s. Kluge-Götze s. v. — Weitere Lit. bei WP. 2, 485, Vasmer Russ. et. Wb. s. sedló. I-445
ἕζομαι ‘sitzen, sich setzen’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa), wozu Fut. καθεδοῦμαι (att.), später καθεσθήσομαι (LXX), καθεδήσομαι (D. L.); Aor. καθεσθῆναι (Paus. u. a.); — andere Präsensbildung ἵζω, erweitert ἱζάνω (Schwyzer 700) ‘sitzen lassen, setzen, sich setzen, sitzen’ (vorw. ep. ion. poet., sp. Prosa), wozu ἵζησα, ἵζηκα (sp.), präfigiert καθ-ίζω (seit Il., att.), ion. κατ-ίζω, καθ-ιζάνω, äol. κατ-ισδάνω ‘niedersetzen, sich niedersetzen, sitzen’, Med. καθ-ίζομαι ‘sich niedersetzen’, wozu (nach den Verba auf -ίζω) Fut. καθιῶ (D. usw.), καθίσω (hell.), κατίσω (ion.), καθιξῶ (dor.), Med. καθιζήσομαι (att.), καθιοῦμαι (LXX), καθίσομαι (NT., Plu.); Aor. καθίσ(σ)αι, καθίσ(σ)ασθαι (X. usw., bei Hom. falsch für καθέσ(σ)αι, s. unten), κατίσαι (Hdt., wohl für κατέσαι), καθίξαι (dor.), καθιζῆσαι (sp.); sp. Perf. κεκάθικα, sp. Aor. Ptz. Pass. καθιζηθείς. Neben diesen Präsensformen und daraus gebildeten Aoristformen steht ein alter sigmatischer Aorist εἷσα ‘ich setzte’, Inf. ἕσ(σ)αι, Med. εἱσάμην, ἕσ(σ)ασθαι, καθ-εῖσα, καθ-έσ(σ)αι (so auch bei Hom. zu lesen für καθίσ(σ)αι; danach auch κατέσαι für κατίσαι bei Hdt.); dazu Fut. καθέσω (Eup.); vgl. Wackernagel Unt. 63ff. mit wichtigen Ausführungen. mit terminativem Präfix (vgl. Brunel Aspect verbal 83ff., 257ff.) καθ-έζομαι (seit Il., att.) ‘sich niedersetzen, sitzen’, — Oft mit Präfix: ἀνα-, ἐν-, ἐπι-, παρα-, συν- usw.; auch zu den als Simplicia empfundenen καθέζομαι, καθίζω (dazu Schwyzer 656, Schwyzer-Debrunner 429). — Die betreffenden Verbalnomina nehmen alle in formaler Hinsicht gegenüber dem Verb eine selbständige Stellung ein, s. ἕδος, ἕδρα, ἑδώλια, ἑλλά; auch ἔδαφος und ἔδεθλον. Vgl. noch ἱδρύω. — Sowohl ἕζομαι wie ἵζω vertreten idg. Bildungen, ἕζομαι ein indeterminiertes thematisches Jotpräsens *sed-i̯o-(mai), das auch im Germ., z. B. ano. sitia, asächs. sittian, ahd. sizzen ‘sitzen’, belegt ist (anders über die germ. Formen Karstien KZ 65, 149 m. A. 1), ἵζω ein terminatives redupliziertes *si-zd-ō (aus *si-sd-ō mit Schwundstufe) = lat. sīdō, umbr. sistu ‘sidito’, aind. sī́dati ‘sich setzen’. Da das Präteritum ἑζόμην bei Homer oft als Aorist fungiert, ist es vielleicht als reduplizierter Aorist *se-zd- (vgl. aw. Opt. ha-zd-yā-t_) aufzufassen; es könnte sogar für augmentiertes schwundstufiges *e-zd- (mit sekundärer Aspiration) stehen. Sicher präsentisch ist bei Homer nur ἕζεαι (κ 378). Vgl. Schwyzer 652 A. 5 und 716 A. 3 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 336. — Der Aorist εἷσα, ἕσ(σ)αι aus idg. *e-sed-s-m̥ (mit sekundärer Aspiration), *sed-sai stimmt zum aind. Konj. ní ... ṣát-s-a-t ‘er möge sich niederlassen’ (RV 10, 53, 1). — Über andere Formen dieser weitverzweigten Wortsippe, z. B. lat. sedēre, sēdāre, aksl. sěděti, s. W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. sedeō, Vasmer Russ. et. Wb. s. sidétь m. Lit.; außerdem WP. 2, 483ff. — Als Zustandeperfekt zu (καθ-)ἕζομαι, (καθ-)ἵζω fungiert ἧμαι, κάθ-ημαι (vgl. Schwyzer-Debrunner 258). — Ein altes Kausativum zu ἕζομαι vermutet Specht KZ 62, 51 in ὁδεῖν· πωλεῖν H. usw. (eig. ‘dauernd hinsetzen’ = got. satjan usw.). I-445-446
ἔθειραι f. pl. ‘Mähne des Pferdes, Helmbusch’ (Il.), ‘Haupthaar’, auch im Sing. (h. Ven., Pi., A., E., Theok. usw.), ‘Löwenmähne, Borste des Ebers’ usw., auch im Sing. (Theok., Opp. usw.). Komp. χρυσο-έθειρος ‘mit goldenem Haar’ (Archil. u. a.), εὐ-έθειρα f. ‘schönhaarig’ (Anakr. u. a.) usw. Abl. ἐθειράδες ‘Barthaare’ (π 176 v. l. für γενειάδες); ἐθειράζω ‘langes Haar tragen’ (Theok. 1, 34); auch ἐθείρεται ‘ist (mit Schuppen) bedeckt’ (Orph. A. 929; zur Bildung Schwyzer 722f.). — Nicht sicher erklärt. Vielleicht als "die sich Schüttelnden, Wallenden" zu ἔθων ‘stoßend, zerwühlend’ (s. d.) wie πίειρα zu πίων; der r-Stamm auch in ἔθρις, s. d. Zur selben Gruppe gesellt sich dann — von dem unsicheren ἔνοσις (s. d.) abgesehen — u. a. ὄθη· φροντίς, ὤρα, φόβος, λόγος H.; zu ἔθειρα : ὄθη vgl. bes. φόβη : φόβος. Andere Ausdrücke für ‘Mähne, Helmbusch’ als "die sich Schüttelnde, Wallende" sind lat. iuba, crista, crīnis, vgl. W.-Hofmann s. vv. — Frisk GHÅ 36 (1930 : 3) 1ff. mit morphologisch nicht ganz befriedigender Analyse und Kritik anderer Ansichten. — S. auch ὄθομαι, ὠθέω. I-446-447
ἐθείρω nur Φ 347 χαίρει δέ μιν (sc. ἀλωήν) ὅστις ἐθείρῃ. Bedeutung unbekannt, gewöhnlich als ‘besorgen’ (vgl. H.: ἐθείρῃ· ἐπιμελείας ἀξιώσῃ), ‘bearbeiten, bebauen’ erklärt. — Herkunft unbekannt (verfehlt Doederlein bei Bechtel Lex. s. v., Kuiper Glotta 21, 267ff.). — Zu ἐθείρεται ‘ist bedeckt’ s. ἔθειραι. Vgl. noch Debrunner IF 21, 203. I-447
ἐθέλω, durch Aphärese θέλω (äol. ion. hell.; bei Hom. nur ο 317; ausführlich darüber Debrunner Festschrift Zucker 87ff.), Aor. (ἐ)θελῆσαι, Fut. (ἐ)θελήσω (seit Il.), Perf. ἠθέληκα (X., Aesch., D.), τεθέληκα (hell.) ‘wollen’. Als Vorderglied in ἐθελο-κακέω ‘sich freiwillig feig zeigen, sich dem Feind ergeben’ (Hdt. usw.), ‘freiwillig (absichtlich) schlecht handeln’ (Ph. usw.) mit ἐθελοκάκησις (Plb.), vgl. μνησι-κακέω u. a.; ἐθελό-δουλος ‘freiwilliger Sklave’ mit -δουλεία (Pl.; nach dem Simplex), ἐθέλ-εχθρος (Krat.) usw. EN ’Εθελο-κράτης u. a. (Inschr.). Ableitungen. 1. Aus (ἐ)θελη- : (ἐ)θελημός ‘freiwillig’ (Hes., Kall., A. R.; Emp., B.), (ἐ)θελήμων ‘ds.’ (Pl., A. R.) mit ἐθελημοσύναι pl. (PMag. Par.); θέλημα ‘Wille’ (Antipho Soph., hell. und spät; θελήμη Theognost.) mit θελημάτιον; -τικός, θέλησις, -ητής, -ητός (LXX usw.). — 2. Aus dem Partizip ἐθελοντ- : ἐθελοντής ‘Freiwilliger’ (Hdt., Th. usw.) mit -τήν Adv. (Hdt. u. a.); sehr vereinzelt θελοντής (Hdt. v. l. u. a.); Hom. dafür ἐθελοντῆρας (β 292); Substantivierungen nach den Nomina auf -τής, -τήρ (Schwyzer 481 m. A. 1, Schwyzer-Debrunner 2, 175, Chantraine Formation 322, Fraenkel Nom. ag. 1, 11f., 2, 206); ἐθελούσιος ‘freiwillig’ (seit X., nach ἑκούσιος). Adv. ἐθελοντί, -τηδόν ‘in freiwilliger Weise’ (Th. usw.), ἐθελόντως (Sch.). — Für sich steht θέλεος ἀθέλεος ‘volens nolens’ (A. Supp. 862 [lyr.]), poet. Bildung nach den Adj. auf -εος (gewiß nicht mit Schwyzer 458 : 4 zu einer zweisilbigen Wurzelförm). Weitere Einzelheiten bei Debrunner a. a. O. 99ff. — Während βούλομαι auf einem kurzvokalischen sigmatischen Aor. Konj. aufgebaut ist, liegt in (ἐ)θέλω ein primärer thematischer Präs. Ind. vor, der in allen außerpräsentischen Tempora durch -η- erweitert wurde. Aus dem Griechischen selbst wird seit Fick BB 16, 289; 18, 141 die Hesychglosse φαλίζει· θέλει herangezogen; der dabei vorauszusetzende labiovelare Anlaut gu̯h- ermöglicht Anschluß an aksl. želéjǫ, -ěti ‘wünschen, begehren’. Pedersen Le groupement des dial. i.-eur. 20f. vergleicht noch arm. gelǰ ‘Wunsch’ (mit mehrdeutigem Auslaut; außerdem wäre g- für ǰ- durch Dissimilation erhalten); jedenfalls nicht hierher (mit Pedersen) toch. A yšalm-, B yšelme ‘Sinn(engenuß), Liebe’, vgl. v. Windekens Lexique étymol. 172. Auch nicht mit Pisani Ist. Lomb. 77, 550f. zu altirisch tol ‘Wille’. — Zur Erklärung des ἐ- in ἐθέλω (Präverb?) s. Schwyzer 434, Schwyzer-Debrunner 563. Vgl. die Lit. zu βούλομαι. I-447-448
ἐθμή · ἀτμός, καπνὸς λεπτός, ἀτμή H. — Persson Beiträge 2, 664 vergleicht zögernd ἀετμόν· τὸ πνεῦμα H. u. a. (s. ἀτμός); Grundform somit *u̯e-dhm-ā; ganz unsicher. Vgl. WP. 1, 222. I-448
ἐθμοί · πολλοί, δεσμοί, πλόκαμοι H. — Nach Lagercrantz KZ 35, 273 als *u̯edh-mo- zu got. ga-widan ‘συζευγνύναι, verbinden’ usw. (WP. 1, 256 m. Lit.). I-448
ἔθνος n. ‘Schar, Haufe, Schwarm’ (von Menschen und Tieren; Hom., Pi., A.), ‘Klasse, Volk’ (Hdt., A. usw.), ‘fremdes Volk’ (Arist. usw.), τὰ ἔθνη ‘die Heiden’ (NT); zur Bed. Chantraine BSL 43, 52ff. Als Vorderglied in ἐθν-άρχης ‘Statthalter, Fürst’ (LXX, J., NT usw.), als Hinterglied u. a. in ὁμο-εθνής ‘demselben Volke gehörig’ (Hdt. usw.), ἀλλο-εθνής ‘einem fremden Volke gehörig’ (hell. u. sp.). Spärliche Ableitungen: ἐθνικός ‘zum (fremden) Volke gehörig, national, volkstümlich, heidnisch’ (hell. u. sp.), vgl. γενικός zu γένος; ἐθνίτης ‘zum (selben) Volke gehörig’ (Eust., Suid.), ἐθνισταί· οἱ ἐκ τοῦ αὐτοῦ ἔθνους H.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 22; ἐθνυμών Bed.? (Hdn. Gr.; nach δαιτυμών?); ἐθνηδόν Adv. ‘volksweise’ (LXX). — Nicht sicher erklärt. Bei Abtrennung von -νος als Suffix (ἔρ-νος, σμῆ-νος usw.; Chantraine Formation 420, Schwyzer 512) ergibt sich unter Vergleich mit ἔθος (s. d.) ein urspr. *su̯edh-nos, das wie got. sibja ‘Sippe’, der Volksname Suēbī u. a. (idg. *s(u̯)ē̆bh-; WP. 2, 456) letzten Endes auf das Reflexivum *s(u̯)e (s. ἕ, ἑ) zurückgehen könnte (Persson IF 2, 201 A. 1). Andere, mehr oder weniger unwahrscheinliche Hypothesen von Fick (s. Bq), von Fay (s. Kretschmer Glotta 1, 378), von Bonfante (s. Schwyzer 512 A. 6). — Mit ἔθνος ist auch ὀθνεῖος (Demokr., Pl., E. usw.) als ‘dem ἔθνος gehörig’ = ‘(dem γένος) fremd’ verknüpft worden (Fraenkel Gnomon 22, 238 m. Lit.). Der ο-Vokal muß dann entweder aus einem mask. *ὄθνος oder besser aus einer analogischen Übertragung (vom Oppositum οἰκεῖος?; vgl. Chantraine Formation 53) stammen. — Aus ἔθνος (gespr. ἕθνος, s. Schulze unten) stammen kopt. hεθνος, arm. het‘anos, vielleicht auch, mit volksetymologischem Anschluß an das germ. Wort für ‘Heide’, got. haiþno ‘Heidin’ (woraus weiterhin die übrigen germ. Wörter). So namentlich Schulze BerlAkSb. 1905, 746ff. (= Kl. Schr. 517ff.). Reiche Lit. über die vieldiskutierten germ. Wörter bei Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. haiþno. I-448-449
ἔθος n. ‘Gewohnheit, Sitte, Brauch’ (ion. att.). Ableitungen: alt nur ἐθάς m. f. ‘gewohnt’ (Hp., Th. u. a.); spät ἔθιμος ‘gewöhnlich, gebräuchlich’ (Amorgos Ia, D. S. usw.; nach νόμιμος, Arbenz Die Adj. auf -ιμος 99), ἐθικός ‘gewohnheitsmäßig’ (Plu.), ἐθήμων ‘gewohnt, gewöhnlich’ (Musae., Nonn.) mit ἐθημο-λογέω ‘gewohnheitsmäßig sammeln’ (AP), ἐθημοσύνη (H., Suid.). Denominatives Verb ἐθίζω (nicht mit Schwyzer 716 aus angeblichem *ἔθω erweitert, s. ἔθων und εἴωθα), auch mit Präfix (z. B. συν-, ἀπ-), ‘gewöhnen’ (Hp., att.; zur Bedeutung Brunel Aspect verbal 109) mit ἔθισμα ‘Gewohnheit’ (Pl.), ἐθισμός ‘Gewöhnung, Herkommen’ (Arist., hell. und sp.). — Bei Ansetzung einer Grundform *ϝέθος aus idg. *su̯édhos (mit Hauchdissimilation) ist es möglich, an das vielerörterte aind. svadhā́ etwa ‘Eigenart, Neigung, Gewohnheit’ anzuknüpfen, das sich dann zu ἔθος verhält wie γονή zu γένος. Hinzu kommt noch das germanische Wort für ‘Sitte’, got. sidus m. usw., das auf idg. *sedhu- zurückgehen kann. Auch lat. sodālis ‘Genosse, Kamerad, Gefährte’ wird als *su̯edhālis (su̯odh-) hiehergestellt. Als gemeinsame Grundlage von su̯edh-, sedh- kommt das Reflexivum *s(u̯)e (s. ἕ, ἑ) in Betracht; das erweiternde dh wird gewöhnlich, aber ganz willkürlich, mit dem Wort für ‘setzen, tun’ (s. τίθημι) identifiziert. — S. noch εἴωθα, ἦθος, auch ἔτης und ἕταρος. I-449
ἔθρις (cod. ἐθρίς) · τομίας, κριός H. Daneben ἴθρις· σπάδων, τομίας, εὐνοῦχος H. und ἄθρις (Suid.), ὄθρις (Zonar.). — Altes idg. Wort, mit aind. vádhri- ‘verschnitten, entmannt’ identisch. Die wechselnden Anlautvokale hängen offenbar mit dem unliterarischen Charakter des griech. Wortes zusammen; alt ist wohl nur ἐ-; dagegen kann ὀ- durch Angleichung an das verwandte ὠθέω (s. d.), ἀ- durch Umdeutung nach dem ἀ- privativum, ἰ- durch Vokalharmonie entstanden sein (anders Specht KZ 66, 4ff. mit weitgehenden Wurzelspekulationen und historischen Schlüssen, Lexis 3, 70). Zugrunde liegt ein r-n-Stamm, der in aind. vádhar-, aw. vadar- n. Ben. einer Waffe (bes. des Indra) erhalten ist. — Lit. bei WP. 1, 254f., außerdem Benveniste Origines 14. S. auch ἔθων. I-449
ἔθων in χλούνην σῦν ἄγριον ... ὅς κακὰ πόλλ’ ἔρδεσκεν ἔθων Οἰνῆος ἀλωήν (Ι 540), pl. σφήκεσσιν ἐοικότες ..., οὕς παῖδες ἐριδμαίνουσιν ἔθοντες (Π 260). — Nach einigen antiken Gewährsmännern = βλάπτων, φθείρων, bzw. ἐρεθίζοντες; danach ἔθει· φθείρει, ἐρεθίζει H. Nach Anderen dagegen zu εἴωθα ‘ist gewohnt’. — Gegen die letztgenannte Deutung ist einzuwenden, daß es neben dem Zustandsperfekt εἴωθα sonst überhaupt keine anderen Tempusformen gibt, daß neben einem solchen Perfekt namentlich ein synonymes Präsens, zumal in ältester Zeit, äußerst unwahrscheinlich ist, daß die betreffende Konstruktion mit dem Gebrauch von εἴωθα im Widerspruch steht, daß endlich eine Übersetzung ‘seinem Charakter gemäß handelnd’ o. ä., vom Eber gesagt, seltsam klingt. Mit Recht hat darum K. Fr. W. Schmidt KZ 45, 231ff. ἔθων als primäres Präsens zum iterativ-intensiven ὠθέω erklärt. Nur könnte man geneigt sein, in ἔθων einen ursprünglichen n-Stamm (vgl. ἀρηγών zu ἀρήγω) mit sekundärer Umbildung in nt-Starmn zu sehen (vgl. Schwyzer 526); dann wurden ἔθων : aind. vádhar- (s. ἔθρις) : ἔθειρα (s. d.) eine vollkommene Parallele zu πίων : πῖαρ : πίειρα bilden. Vgl. auch Leumann Hom. Wörter 212f. — Anders über ἔθω (zu εἴωθα, ἔθος) namentlich Bechtel Lex. s. v. I-449-450
εἰ (ion. att., ark.), daneben αἰ (äol. dor.), vereinzelt εἰκ, αἰκ (nach οὐ : οὐκ), ἠ (kypr. dor.) ‘wenn’, — Wunsch-, Konditional- und Fragepartikel unsicherer Herkunft. — Für interjektivischen Ursprung von αἰ, wenigstens teilweise auch von εἰ Schwyzer-Debrunner 557 und 683, wo auch weitere Lit. Daneben mag (mit Brugmann-Thumb 616) ein demonstratives εἰ ‘da, dann’ (vgl. εἶ-τα) bestanden haben, ursprünglich Lokativ des idg. Demonstrativums *e-, o-, das auch in ἠ als urspr. Instrumental gesucht wird (Schwyzer 550). Einzelheiten mit Lit. und Referat anderer Auffassungen bei Schwyzer-Debrunner a. a. O. I-450
εἶα (εἷα; vgl. zu Hdn. Gr. 1, 495, 14) Ermunterungsruf ‘he, hei, wohlan’ (att.). Davon εἰάζω ‘εἶα rufen’ (E. Fr. 844; vgl. αἰάζω). — Als Elementarschöpfung mit lat. (h)eia und entsprechenden Ausrufen in anderen Sprachen identisch. Vgl. εἶἑν. I-450
εἱαμενή (εἰ-) ‘Niederung, feuchte Wiese, Aue’ (ep. seit Il.), ἴαμνος pl. ‘ds.’ (Nik., H.). Vgl. ἰαμενή, -αί, auch εἱαμένον· νήνεμον, κοῖλον, βοτανώδη H. f. — Partizip mit Akzentverschiebung wie in δεξαμενή (s. d.); sonst dunkel. Anlautendes εἱ- kann metrisch bedingt sein. I-450
εἴβω, -ομαι, gew. κατ-είβω, -ομαι nur Präsensstamm ‘träufeln, (tropfenweise) vergießen’, Med. ‘herabrinnen’ (ep. poet. seit Il.). Daneben mit abweichendem Anlaut (Itazismus oder Ablaut?) ἰβάνη· κάδος, ἀντλητήριον, ἴβανον· κάδον, σταμνίον, χαλκίον mit ἰβανεῖ (für -ᾷ?)· ἀντλεῖ, wozu ἰβανατρίς· ἱμητήριον H.; außerdem ἴβδης ‘Pflock im Schiffsboden, um das angesammelte Wasser auszulassen’ (Eust.), vgl. Solmsen Wortforschung 67, Fraenkel Nom. ag. 2, 175 A. 1. — eimwort zu λείβω, sonst dunkel. Vielleicht Kreuzung von λείβω und einem zu ἰκμάς (s. d.) gehörenden *εἴκω. Vgl. Güntert Reimwortbildungen 148, Walleser WuS 14, 165f., WP. 2, 466f., Bq s. v. mit älteren Vorschlägen. I-450-451
εἰδάλιμος s. εἶδος. I-451
εἰδαλίς, ἰδαλίς · ὄρνις ποιός H. — Unerklärt. I-451
εἶδαρ ‘Speise’ s. ἔδω. I-451
εἴδημα, εἴδησις usw. s. οἶδα. I-451
εἴδομαι, Aor. εἴσασθαι (Ptz. auch ἐ-(ϝ)εισάμενος, Chantraine Gramm. hom. 1, 182) ‘scheinen, erscheinen, sich den Anschein geben, gleichen’ (ep. lyr. seit Il.). Komp. δια-είδομαι mit faktitivem Futurum δια-είσομαι ‘erscheinen lassen’ (Θ 535; vgl. Chantraine 1, 442). Verbalnomina εἶδος, εἴδωλον, s. bes. — Neben dem thematischen Wurzelpräsens (ϝ)είδομαι und dem dazu gebildeten σ-Aorist stehen in abweichenden Bedeutungen der thematische Wurzelaorist (ϝ)ιδεῖν und das Perfekt (ϝ)οῖδα, beide altererbt (s. bes.). Dagegen findet sich zu εἴδομαι ‘(er)scheinen, gleichen’ in anderen Sprachen keine Entsprechung; lautlich vergleichbare keltische und germanische Formen, z. B. air. ad-féded ‘narrabat’, got. fra-weitan ‘rächen’, die beide auf idg. *u̯eid- zurückgehen, weichen in der Bedeutung stark ab. Umgekehrt stimmt εἴδομαι semantisch gut zu dem altererbten εἶδος. Es spricht mithin manches dafür, daß εἴδομαι ‘das Aussehen, die Gestalt annehmen’ aus εἶδος ‘Aussehen, Gestalt’ rückgebildet ist wie σθένω aus σθένος und andere Verba bei Schwyzer 723. Jedenfalls wurde es von εἶδος semantisch beeinflußt. — Nicht mit Kuiper Nasalpräs. 152 A. 3 alter kurzvokalischer Konjunktiv. I-451
εἶδος n. ‘species, Aussehen, Gestalt, Beschaffenheit, Gattung (auch Liedgattung), Zustand’ (seit Il.). Als Hinterglied z. B. in εὐ-ειδής ‘wohlgestaltet’ (seit Il.); als Vorderglied u. a. in εἰδ-εχθής ‘von häßlichem Aussehen’ (Thphr. u. a.), εἰδοποιός ‘ein εἶδος bildend’ (Arist. u. a.) neben εἰδο-ποιέω ‘mit Gestalt ausrüsten, abbilden’ (hell. u. sp.). Ableitungen: Deminutivum εἰδύλλιον ‘Einzellied, Gedicht’, "Idyll" (Sch.; zur Bildung Leumann Glotta 32, 214ff., zur Bed. Bickel Glotta 29, 29ff., Zucker Hermes 76, 382ff.); Adjektiva εἰδάλιμος ‘schöngestaltet’ (ω 279, nach κυδάλιμος; Leumann Hom. Wörter 248 m. A. 1 m. Lit.), εἰδικός ‘zum εἶδος gehörig’ (hell. u. spät; wie γενικός : γένος); Abstraktbildung εἰδότης ‘das εἶδος-Sein’ (Dam.). — Als Verbalnomen zum Wort für ‘sehen’, ἰδεῖν (s. d.), mit aind. védas- n. ‘Besitz, Erwerb’ formal identisch; der bei εἶδον ‘ich erblickte’ = aind. ávidam ‘ich fand, ich erwarb’ vorliegende Bedeutungsunterschied kommt auch bei den zugehörigen Nomina zum Ausdruck. Semantisch besser zu εἶδος stimmen aksl. vidъ (serb. vȋd) ‘εἶδος, θεωρία’ (aus *u̯eido(s)-), lit. véidas ‘Angesicht’ (wohl urspr. Langdiphthong) und das von einem s-Stamm ausgehende ahd. wīsa ‘Art, Weise’. — WP. 1, 239 m. Lit.; auch Porzig Satzinhalte 294. — Über die Bedeutung von εἶδος s. P. Brommer ΕΙΔΟΣ et ΙΔΕΑ. Étude sémantique et chronologique des oeuvres de Platon. 1940. I-451-452
εἴδωλον n. ‘Gestalt, Bild, Trugbild, Götzenbild’, "Idol" (seit Il.; vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 371). Komp. und Abl. (vorw. Pl., NT und LXX): εἰδωλο-ποιέω ‘ein Bild machen’, -λάτρης ‘Götzendiener’ mit -λατρία u. a.; κατ-, φιλ-είδωλος; εἰδωλεῖον ‘Götzentempel’, εἰδωλικός ‘zum εἴδ. gehörig’. — Alter l-Stamm zu ἰδεῖν (Schwyzer 483 m. Lit.), aber ohne sichere genetische Entsprechung. Davon unabhängig εἰδάλιμος, εἰδάλλεται· φαίνεται H. (Leumann Hom. Wörter 248 A. 1), ἀείδελος (s. ἰδεῖν), εἰδυλίς, aind. vidura- (s. οἶδα); ebenso lit. vaidalas ‘Erscheinung’ (nach den zahlreichen Nomina auf -alas; vgl. Leskien Bildung der Nomina 472ff.). S. indessen auch zu ἰνδάλλομαι. I-452
εἶἑν (zur Interaspiration, von Grammatikern und cod. Rav. des Ar. bezeugt, Schwyzer 219 und 303) Interjektion ‘nun gut!’ o.ä. (att.). — Von Froehde BB 10, 297 mit aind. evám ‘so, nun gut!’ identifiziert, aber vielleicht eher zu εἶα (s. d.); Ausgang nach μέν? (anders v. Wilamowitz Eur. Her. 320). I-452
εἶθαρ Adv. ‘sogleich’ (ep. seit Il.). — Ursprünglich neutrales Nomen auf -αρ und mit ἰθύς, εὐθύς (aus *εἰθύς?) verwandt? Schwyzer 350 und 519, Schwyzer-Debrunner 70, Pok. 892. Ältere Lit. bei Bq. I-452
εἴθε, αἴθε ‘utinam, o daß doch’ (seit Il.). — Aus εἰ, αἰ (s. εἰ) und einer Partikel -θε, ohne sichere Etymologie. Meillet MSL 8, 238 vergleicht die hervorhebenden Partikeln aind. gha, aksl. že; somit idg. *gu̯he? Weiteres bei Schwyzer-Debrunner 561 A. 2. I-452
εἰκάζω, lesb. ἐϊκάσδω, Aor. εἰκάσαι, Fut. εἰκάσω, Perf. Pass. εἴκασμαι (ᾔ-) Mit Präfix, bes. ἀπ-; auch ἐξ-, ἐπ-, προσ- u. a.; ‘abbilden, vergleichen, vermuten’ (ion. att.), zur Bedeutung vgl. Brunel Aspect verbal 71, 155, 174, 184. Ableitungen: (ἀπ-)εἰκασία ‘Abbildung, Vergleichung, Vermutung’ (ion. att.; zur Bildung Schwyzer 469) mit εἰκάσιμος ‘aestimabilis’ (Gloss.; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 99), (ἀπ-)εἴκασμα ‘Abbild’ (A., Pl. u. a.), (ἀπ-, ἐπ-)εἰκασμός ‘Vermutung’ (D. H., Str. usw.); — εἰκαστής ‘Vermuter, Mutmaßer’ (Th. 1, 138; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 73f.), ‘Abbilder, Darsteller’ (D. H.); εἰκαστός ‘vergleichbar usw.’ (S. u. a.), εἰκαστικός ‘zum Abbilden gehörig usw.’ (Pl. u. a.). — Das viersilbige ἐϊκάσδω läßt im Verein mit dem synonymen hom. (ϝ)ε(ϝ)ίσκω ein ursprüngliches *ϝεϝικάζω vermuten. Beide Bildungen schließen sich als neugeschaffene faktitive Präsentia an das alte intrans. Perf. (ϝ)έ-(ϝ)οικ-α ‘ähnlich sein, gleichen’, du. (ϝ)έ-(ϝ)ικ-τον, Prät. (ϝ)έ-(ϝ)ικ-το usw. an (Schwyzer 735). Näheres s. ἔοικα. I-452-453
εἰκῇ Adv. ‘aufs Geratewohl, unüberlegt’, spät auch ‘vergebens’ (ion. att.). Als Vorderglied in εἰκο-βολέω ‘ins Blaue schießen’ (E., Ar. u. a.) mit εἰκοβολία (Phld.). Ableitung εἰκαῖος ‘unüberlegt, planlos, zufällig’ (S., Plb., J. usw.) mit εἰκαιότης (Phld. u. a.) und εἰκαιοσύνη (Timo). Bildung wie σπουδῇ, κομιδῇ usw.; somit wahrscheinlich ein nominaler Dativ (Schwyzer 622). — Die herkömmliche Anknüpfung an ἔοικα ablehnend und auf das Kompositum εἰκο-βολεῖν hinweisend, das an hom. ἑκη-βόλος stark erinnert, schlägt Wackernagel Unt. 137 A. 1 unter Heranziehung von aind. semantischen Parallelen ansprechend vor, εἰκῇ aus *ἐ-ϝεκῇ ‘nach Willkür, nach Lust und Laune’ mit ἑκών, ἕνεκα (s. dd.) zu verbinden. I-453
εἴκοσι, hom. auch ἐείκοσι (s. unten), dor. ϝίκατι ‘zwanzig’. Als Vorderglied oft εἰκοσα-, z. B. ἐεικοσάβοιος ‘zwanzig Rinder wert’ (Od.; nach ἑπτα-, τετρα- usw.). Zu εἰκοσινήριτος Χ 349 s. νήριτος. Abl. εἰκοσάκις ‘zwanzig mal’ (Il. u. a.), εἰκοσάς f. ‘zwanzig Stück, Stiege’ (spät; vgl. εἰκάς unten), (ἐ)εἰκοστός (böot. ϝικαστός) ‘der zwanzigste’ (seit Il.); f. εἰκοστή ‘das Zwanzigstel usw.’ mit εἰκοσταῖος ‘zum 20. Tage gehörig’ (Hp., Antipho u. a.; wie δευτεραῖος u. a.); — auch εἰκάς f., dor. ἰκάς, ther. hικάς ‘die Zahl zwanzig, der 20. Tag des Monats’ (Hes. usw.), nach δεκάς, τριακάς usw. (nicht mit Schwyzer 597 Originalbildung zu (ἐ)ἴκατι); davon εἰκαδεῖς Ben. der Mitglieder eines Vereins, der am 20. Monatstage zusammenkam, mit dem eponymen Stifter Εἰκαδεύς (Athen; Fraenkel Nom. ag. 2, 71 u. 180, v. Wilamowitz Glaube 2, 368 A. 1), εἰκαδισταί Bein. der Epikureer (Ath.), vgl. δεκαδισταί zu δεκάς (s. δέκα). — Hom. ἐείκοσι für ἐ-(ϝ)ί̄κοσι (mit prothetischem Vokal; anders v. Windekens L’Ant. class. 14, 133ff.) ist von dem kontrahierten εἴκοσι graphisch beeinflußt; ebenso herakl. ϝείκατι. Der ο-Vokal in εἴκοσι stammt zunächst von εἰκοστός (anders Meillet MSL 16, 217ff.; s. Schwyzer 344), dies nach τριακοστός usw. mit -ο- nach τριάκοντα usw. — Urgr. somit ϝί̄κατι, ϝῑκαστός (= dor., böot.), ersteres mit aw. vīsaiti identisch. Daneben aind. viṃśatí- f. mit sekundärer Nasalierung und i-Flexion, wohl auch sekund. Betonung (Schulze KZ 28, 277 A. 1 = Kl. Schr. 99 A. 3; vgl. Schwyzer 381), lat. vīgintī mit sekundärem g; idg. Grundform also *u̯ī-ḱm̥t-ī̆ eig. Du. ‘zwei Dekaden’ (aus *-dḱm̥t-), zu idg. *u̯i- ‘zwei’ (vgl. zu ἴδιος) und δέκα, s. d. und ἑκατόν. Dementsprechend ϝῑκαστός aus *u̯ī-ḱm̥t-tós. — Einzelheiten (mit reicher Lit.) aus dem Griech. und anderen Sprachen bei Schwyzer 591, Wackernagel-Debrunner Aind. Gramm. 3, 366f., W.-Hofmann s. vīgintī. I-453-454
εἴκω Aor. εἶξαι (ἔ(ϝ)ειξε Alkm., γῖξαι [d. h. ϝεῖξαι]· χωρῆσαι H.), Fut. εἴξω, -ομαι (seit Il.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 229f.), Perf. Ptz. ἐεικώς (Chron. Lind.) ‘weichen, zurückgehen, nachstehen’. Mit Präfix: ὑπ(ο)-, παρ-, συν-είκω u. a. Erweiterte Form. (ὑπ-, παρ-)εἰκάθειν od. -θεῖν (S., Pl. usw.; Schwyzer 703 A. 6 m. Lit.). Seltene Ableitungen: ὕπειξις ‘das Zurückweichen, das Nachgeben’ (Pl., Thphr. u. a.; vgl. Holt Les noms d’action en σις 164; εἶξις Plu. u. a.) mit ὑπεικτικός (Arist.; εἰκτικός Phld. usw.). Mit seinem hochstufigen thematischen Wurzelpräsens und seinem sigmatischen Aorist bietet (ϝ)είκω ein regelmäßiges Bild dar, das wahrscheinlich durch Ausmerzung älterer Unregelmäßigsten zustande gekommen ist. — Unter den vielen auf idg. u̯eik- zurückgehenden Verba (WP. 1, 232ff.; s. auch W.-Hofmann s. vicis und vincō) gibt keines eine semantisch überzeugende Anknüpfung. Dagegen stimmen bedeutungsmäßig gut zu (ϝ)είκω das schwundstufige aind. vijáte (jünger vejate) ‘fliehen vor, zurückweichen’ und das hochstufige germ. Präsens, z. B. ags. wīcan, ahd. wīhhan ‘weichen usw.’, beide indessen aus idg. u̯eig- gegenüber u̯eik- in (ϝ)είκω. Der Gutturalwechsel kann unschwer aus Assimilation an konsonantisch anlautende Endungen erklärt werden; vgl. z. B. die aind. Aoristformen vik-thās, vik-ta (Medialformen zu ϝεῖξαι?). Alle die genannten Sprachen haben aber offenbar verschiedene Neuerungen eingeführt mit dem Resultat, daß die Paradigmata ganz auseinandergehen. — Lit. bei WP. und W.-Hofmann a. a. O. S. auch ἐπίεικτος. I-454
εἰκών, -όνος (ion. att., ϝεικόνα kypr.), ion. poet. auch εἰκώ, -οῦς f. f. ‘Abbild, Bild, Gleichnis’. Als Vorderglied u. a. in εἰκονολογία ‘das Reden in Bildern’ (Pl.). Ableitungen: Deminutiva εἰκόνιον (hell. u. sp.) und -ίδιον (sp.); εἰκονικός ‘abbildend, bildlich’ (hell. u. sp.), εἰκονώδης (Gloss.). Denominatives Verb (ἐξ-)εἰκονίζω ‘nachbilden, kopieren, urkundlich beschreiben’ (LXX, Pap., Plu. usw.; vgl. Mayser Pap. 1 : 3, 146) mit εἰκόνισμα = εἰκών (S. Fr. 573 usw.; vgl. Chantraine Formation 188), εἰκονισμός ‘Abbildung, Personalbeschreibung’ (Pap., Plu. u. a.), εἰκονιστής Ben. eines Beamten, ‘Personalbeschreiber, Registrator’ (Pap.). — Bildung auf -ών (Chantraine 159f.), wohl eigentlich als Nomen agentis direkt zu ἔοικα (s. d.) mit derselben Vokalisation wie in εἰκώς, -ός, εἴκελος. — Über die Neubildung εἰκώ s. Schwyzer 479 A. 4 m. Lit. I-454-455
εἰλαμίδες f. pl. Ben. zweier Hirnhäute (Poll. 2, 44). Deminutivum von *εἴλαμος (wie πλόκαμος u. a.), — zu εἰλέω ‘drehen, winden’, "ὅτι περὶ μυελὸν εἰλοῦνται", mit εἰ- (für *ϝέλ-αμος) wie in εἰλεός. I-455
εἰλαπίνη f. ‘Trinkgelage, Festschmaus’ (vorw. poet. seit Il.; äol. ἐλ(λ)απίνα Hoffmann Dial. 2, 487). Davon εἰλαπινάζω ‘schmausen’ (seit Il.; nur Präsensstamm) mit εἰλαπιναστής (Ρ 577 u. a.). — Ohne Etymologie (Versuch notiert bei Bq und WP. 1, 295). Als Kulturwort der Entlehnung stark verdächtig; vgl. zu δεῖπνον. Anl. εἰ- kann metrische Dehnung sein; vgl. darüber Schulze Q. 166 A. 5. I-455
εἶλαρ nur Nom. u. Akk., n. etwa ‘Schutzwehr’, εἶλαρ νεῶν τε καὶ αὐτῶν (Η 338 = 437; Ξ 56 = 68, auf πύργοι, bzw. τεῖχος bezogen), κύματος εἶλαρ (ε 257, ῥῖπες οἰσύϊναι); H. auch ἔλαρ. βοήθεια. — Aus *ϝέλ-ϝαρ (mit Dissimilation *ἔλ-ϝαρ?) als Nomen actionis von einem nicht mit Sicherheit festzustellenden Verb. In Betracht kommt in erster Linie 1. εἰλέω, (ϝ)έλσαι ‘zusammendrängen, einengen, einschließen’ ("das Zusammengedrängte, die Einengung, Einschließung"). Besondere Beachtung verdient das semantisch verwandte, aber anders gebildete βήλημα· κώλυμα, φράγμα ἐν ποταμῷ H.; s. zu 1. εἰλέω. Weniger glaubhaft ist die Anknüpfung an 2. εἰλέω ‘rollen, winden, wälzen’. — Schulze Q. 121, dazu Bechtel Lex. s. v., Chantraine Gramm. hom. 1, 131, Porzig Satzinhalte 348; auch WP. 1, 300. I-455
Εἰλείθυια N. der Geburtsgöttin(nen), oft im Plur. (ep. ion. att.) auch ’Ελείθυια (Pi., Inschr. u. a.), Εἰλήθυια (Kall., Paus. u. a.), ’Ελεύθυια (kret.), ’Ελευθίη (Paros), ’Ελευθία, mit Assibilation ’Ελευσία (lakon.); dazu noch einige belanglose Varianten. Für sich stehen die Kurzform ’Ελευθώ (AP u. a.) und das ganz abweichende Εἰλιόνεια (Plu. 2, 277b; richtig?). Ägäisch E-re-u-ti-ja? Zum Lautlichen Kalén Quaest. gramm. graecae 8 A. 1. f., Ableitung Εἰλειθυ(ι)αῖον ‘Tempel des E.’ (Delos), ’Ιλύθυιον (ibid.). — Herkunft unsicher. Unter der wahrscheinlichen Annahme, daß ’Ελεύθυια die ursprüngliche Form ist, woraus durch Dissimilation (oder nach ’Ωρείθυια?; s. Kalén a. a. O.) ’Ελείθυια und, mit metr. Dehnung, Εἰλείθυια, knüpft Schulze Q. 260f. an ἐλευθ- in ἐλεύσομαι, ἤλυθον an; zum Suffix vgl. Ἅρπυια(ι) usw. Auch Wackernagel (s. Nilsson Gr. Rel. I2, 313) geht von ’Ελεύθυια aus, das er aber wegen des sicher ungriechischen ON ’Ελευθέρνα mit guten Gründen für vorgriechisch hält. Güntert Kalypso 38 A. 3, 258 sieht in Ε(ἰ)λείθυια ein nichtgriechisches Wort, das dem aktiven und faktitiven ἐλεύθω ‘bringen’ (dor.; nur in ἐλεῦσαι, ἐλευσέω, s. ἐλεύσομαι) im Sinn von ‘Hervorbringerin’ (vgl. lat. Fortuna : ferre) volksetymologisch angeglichen wäre. — Nicht mit Theander (s. Nilsson a. a. O. A. 11) zu ἐλελεῦ. Noch anders Vürtheim; s. die ablehnende Kritik bei Kretschmer Glotta 16, 192. Vgl. auch Kerényi Saeculum 1, 241. I-455-456
εἰλεός (ἰλεός) m. 1. als mediz. Fachausdruck ‘Darmverschlingung, Bauchgrimmen’ (Hp. usw.; lat. īleus); vereinzelt 2. Ben. eines Weinstocks (Hippys Rheg. [Va?]); 3. ‘Schlupfwinkel, Höhle der Tiere, insbes. der Schlangen’ (Theok. 15, 9, Ark., Poll.). — Von 1. εἰλεώδης ‘auf Darmverschlingung bezüglich’ (Hp. u. a.). Bildung wie φωλεός, κολεός usw. (Chantraine Formation 51). Eine ursprüngliche Bedeutung ‘Windung’ (vgl. H.: εἰλεός· ἡ τοῦ θηρίου κατάδυσις καὶ στρόφος), von εἰλέω ‘rollen, winden’ mit Beibehaltung des Diphthongs (nicht *ἐ-ϝελ-ε(ϝ)ος), erklärt ohne weiteres die Bedd. 1. und 2. Auch der ‘Schlupfwinkel’ dürfte sich mit der ‘Windung’ vertragen können; die in diesem Sinn vorliegende Form. εἰλυός (A. R., Kall., Nik.) geht indessen wie das synonyme εἰλυθμός von εἰλύω ‘umwinden, umhüllen, bedecken’ aus oder ist davon beeinflußt; das synonyme φωλεός mag die Form εἰλεός begünstigt haben. — Vgl. Solmsen Unt. 242ff.; -εός nicht lautlich aus -υός mit Kalén Quaest. gramm. graecae 19. I-456
εἰλέω 1. (ep. ion.), ep. delph. auch εἴλομαι in εἰλόμενος, εἰλέσθω(ν), dor. el. ϝηλέω, att. vereinzelt ἴλλω, εἴλλω (vgl. unten), Aor. ἔλσαι, ἐέλσαι (ep. lyr.), Med.-Pass. ἀλήμεναι, ἀλῆναι, ἀλείς, Perf. Med. ἔελμαι, -μένος (ep.), Perfektpräteritum ἐόλει? (Pi., s. unten); dazu die vom Präsens aus neugebildeten εἰλῆσαι, εἰλήσω, εἴλημαι, εἰλήθην (ion. hell.) ‘zusammendrängen, -drükken, -ziehen, einengen, einschließen’. Mit Präfix ἀπ(ο-), z. B. ἀπο-ϝηλέω (el.), ἐξ-, z. B. ἐγ-ϝηληθίωντι (her.) = ἐξ-ειληθῶσι, κατ(α)-, z. B. κατα-ϝελμένος (kret.), προσ- (προτι-), συν-ειλέω, -(ε)ίλλω usw. mit verschiedenen Sinnfärbungen. Von den Ableitungen hat sich die Mehrzahl formal und semantisch verselbständigt: ἁλής, ἀολλής, ἐξουλή, ἴλη (εἴλη), οὐλαμός (s. dd.). Es kommen hinzu: βήλημα· κώλυμα, φράγμα ἐν ποταμῷ H.; d. h. ϝήλημα, mess. ἤλημα, κατ-, συν-είλησις ‘das Zusammendrängen, das Gedrängte’ bzw. ‘das Zusammenziehen’ (Epikur. bzw. Ael.), εἰληθμός (εἰδ- cod.)· συστροφή, φυγή H., προσείλημα (κεφαλῆς) ‘Turban’ (Kreon Hist.; zu 2?). Von (ϝ)ίλλω wohlϝιλσιιος Gen. ‘Drangsal’ (Pamphyl. IVa); unklar ἰλλάς ‘zusammengedrängt (?)’ (S. Fr. 70, E. Fr. 837), vgl. zu 2. εἰλέω; erweitert ἰλλίζει, s. ebd. S. auch zu εἶλαρ. — Als gemeinsame Grundform von εἰλέω, ϝηλέω, wozu noch ἀπελλεῖν (?, cod. -ειν)· ἀποκλείειν H. (äol.), ist ein Nasalpräsens *ϝελ-νέω anzusetzen, das eine Nebenform von εἴλω aus *ϝέλ-νω sein kann (Schwyzer 720; vgl. auch 693 m. A. 11, Chantraine Gramm. hom. 1, 130). Daneben findet sich ein redupliziertes ἴλλω aus *ϝί-ϝλ-ω (gewöhnlich zu 2., so wohl auch ἰλλόμενος A. R. 2, 27, s. zu 2.) auch εἴλλω, mit Vokalprothese (wie in ep. ἐ-(ϝ)έλ-σαι) aus *ἐ-ϝέλ-νω (ἐ-ϝέλ-ιω?; so Solmsen, s. unten), falls nicht einfach durch (graphischen) Einfluß von εἰλέω. — Die außerpräsentischen Tempora waren in ältester Zeit, wie zu erwarten, primär: Aor. (ϝ)έλ-σαι, Perf. *(ϝ)έ-(ϝ)ολα in ἐόλει ‘bedrängte’ (Pi. P. 4, 233; coni. Boeckh)?, Med. mit sekundärer Hochstufe (ϝ)έ-(ϝ)ελ-μαι, intr. Aor. mit Schwundstufe (ϝ)αλῆ-ναι; diese Formen wurden aber schon früh von den Neubildungen εἰλῆσαι usw. verdrängt. Unter der unabsehbaren Menge idg. Wörter, die ein Element u̯el- enthalten (WP. 1, 293-305), können nur einige baltisch-slavische Bildungen als Verwandte von 1. εἰλέω in Frage kommen. So liegt in russ. válom ‘in Menge’ der Instrumental eines Nomens *valъ (idg. *u̯ōlos) mit mehreren Ablegern, z. B. zavál ‘Verstopfung, Verhau, Sperre’ (vgl. ϝήλημα), vor; zur Bed. vgl. besonders (ϝ)άλις. Ein anderer Instrumental begegnet in aksl. russ. velьmí ‘μεγάλως, sehr’, von *velь (idg. *u̯eli-). Aus dem Baltischen: lit. su-valýti ‘(Getreide) zusammenbringen, einernten’; in Betracht kommt noch lit. veliù, vélti (wozu russ. valjátь) ‘walken’ (veliù = *ἐ-ϝέλ-ι̯ω?); vgl. aber auch zu 2. εἰλέω. Überhaupt ist es nicht immer möglich, εἰλέω ‘drängen’ und εἰλέω ‘winden’ rein zu scheiden. — Ausführlich über die ganze Sippe Solmsen Unt. 224ff., 285ff.; weitere Lit. bei WP. 1, 295f.; außerdem noch Burdach NJbb. 49, 254ff. I-456-457
εἰλέω 2. ‘rollen, drehen, winden, wälzen’ (vorw. hell. und spät). ἴλλω, εἴλλω (att.; s. unten). Die außerpräsentischen Tempora, die fast ausschließlich auf die Komposita beschränkt sind, gehen alle von den Präsentia aus: εἰλῆσαι, εἰλήσω, εἴληκα usw.; von ἴλλω nur ἰλλάμην (IG 5 (2) : 472, 11; Megalopolis II-IIIp). Oft mit Präfix, insbes. ἐν-, περι-ειλέω (X., hell. u. sp.), -(ε)ίλλω (Th. 2, 76; codd. Ar. Ra. 1066), auch ἀπ-, δι-, ἐξ-, ἐπ-, κατ-, παρ-ειλέω (vorw. hell. u. sp.), ἐξ-, κατ-ίλλω (X. bzw. Hp.). Ableitungen. Vom Präsens εἰλέω : εἰλεός (s. d.; wohl nur durch sekundäre Anpassung); (ἐν-, ἐξ-, ἐπ-, κατ-, περι-)εἴλησις ‘Windung usw.’ (Pl., hell. u. sp.), (ἐν-, περι-) εἴλημα ‘ds.’ (J., Poll.); εἰλετίας Art Rohr (Thphr.), εἰλητάριον ‘Umwindung, Rolle’ (Aët.), εἰληδόν Adv. ‘in Windungen’ (AP). Von ἴλλω : ἰλλός ‘schielend’ (s. d.) mit mehreren Ableitungen; ἰλλάς f. ‘Strick, Seil’ (Ν 572; Chantraine Formation 351) mit ἰλλίζει· δεσμεύει, συστρέφει, ἀγελάζει H. (auch zu 1. ἴλλω); unklar ἰλλάδας γονάς· ++ἀγελειὰς καὶ συστροφάς H. (S. Fr. 70 und E. Fr. 837); wahrscheinlich zu 1. — Zu dieser Wortfamilie gehören außerdem zahlreiche Nomina, die sich formal vom Verb losgelöst haben: s. ἕλιξ, εἶλιγξ, ἕλμις, ἑλένη, εὐλή, εὔληρα, λῶμα, ὅλμος, οὖλος u. a. m.; außerdem ἀλινδέω, wohl auch αἰόλος; endlich die u-Erweiterung εἰλύω mit vielen Ablegern (s. bes.). — Wie 1. εἰλέω, (ἐ)ίλλω ‘drängen’ sind auch εἰλέω, ἴλλω ‘drehen’ auf ein n-Präsens *ϝελ-νέω, bzw. auf ein redupliziertes *ϝί-ϝλ-ω zurückzuführen. Der lautliche Zusammenfall hat bisweilen auch zur begrifflichen Vermischung geführt; so war für A. R. ἰλλόμενος in 2, 27 λέων ... ἰλλόμενός περ ὁμίλῳ, auch wenn ursprünglich nicht ‘umringt’, sondern ‘gedrängt’, mit dem gleichlautenden Ptz. in 1, 129 δεσμοῖς ἰλλόμενος gewiß identisch. — Auch in den übrigen Sprachen gibt es eine Menge Wörter, die auf den leider sehr dehnbaren und in concreto stark wandelbaren Begriff ‘drehen, winden, wälzen’ u. dgl. zurückgehen; von Interesse hier besonders air. fillim ‘drehen, biegen’, wenn mit Pedersen Vergl. Gramm. d. kelt. Spr. 2, 522 altes n-Präsens, außerdem. lit. veliù, vélti ‘Haare verwirren, verschlingen’ (= εἴλλω?; s. zu 1.). Eine besondere Gruppe bilden die u-Erweiterungen, s. zu εἰλύω. Von den übrigen Vertretern werden einige unter den oben zitierten Stichwörtern Erwähnung finden; hier sei noch erinnert an arm. glem ‘rollen, niederwerfen’, das als sekundäre Bildung für idg. *u̯ēl- oder *u̯ōl-ei̯ō stehen kann (Meillet MSL 8, 163; 9, 144, Hübschmann Armen. Gramm. 1, 435), gil ‘runder Wurfstein’ (Rückbildung?); unsicher aind. valati, -te (klass.) ‘sich drehen, wenden’, s. Tedesco JournAmOrSoc. 67, 100ff. — Reiches Material mit Lit. bei WP. 1, 298ff., bes. Solmsen Unt. 229ff. I-457-458
εἴλη 1. ‘Schar’ s. ἴλη. I-458
εἵλη 2. ‘Sonnenwärme, -hitze’ (Ar. Ve. 772 [v. l. ἕλη], Luk., Alkiphr.), (εἴλη, ἕλη), βέλα (=ϝέλα)· ἥλιος, καὶ αὐγή, ὑπὸ Λακώνων H. (ähnlich zu ἔλα); unsicher γέλαν (=ϝέλαν?)· αὐγὴν ἡλίου, wegen γελεῖν· λάμπειν, ἀνθεῖν H. vielleicht zu γελάω, γαλήνη (s. dd.), aber γελοδυτία· ἡλιοδυσία H. jedenfalls zu ϝέλα. f. Als Vorderglied in εἱλη-θερής ‘von der Sonne gewärmt’ (Hp., Gal.), ἐλαθερές· ἡλιοθαλπές H., eher zu θέρομαι als zu θέρος (vgl. Schwyzer 513); davon εἱληθερέω, -έομαι ‘(sich) in der Sonne wärmen’ (Hp., Xenarch. u. a.); εἱλι-κρινής, εἱλό-πεδον, s. dd. Als Hinterglied in πρός-ειλος ‘der Sonnenhitze ausgesetzt, sonnig’ (A., Eup., Thphr. u. a.), εὔ-ειλος ‘ds.’ (Ar. u. a.), ἄ-ειλος ‘sonnenlos’ (A. Fr. 334). Ableitungen: εἰλήϊον· ἐν ἡλίῳ θερμανθέν H. (falsche Erklärung von ’Ιλήϊον Φ 558 ?); denominatives Verb ἐλᾶται· ἡλιοῦται, Fut. βελ[λ]άσεται· ἡλιωθήσεται H. — Urgr. *ϝhέλᾱ (*hϝέλα; vgl. Schwyzer 226f.), woraus ϝέλᾱ, ἕλᾱ und mit Vokalprothese *ἐ-ϝhέλᾱ zu εἵλη, εἴλη, gehört als Verbalnomen aus idg. *su̯elā zu einem Verb ‘langsam verbrennen, sengen’, das im Germanischen und Baltischen, z. B. ags. swelan, nhd. schwelen (Hochstufe), lit. svìlti (Tiefstufe) ‘sengen (intr.), ohne Flamme brennen’, noch lebt und dort viele Ableger gefunden hat. Aus dem Griech. gehört noch hierher 1. ἀλέα (ἁλ-) ‘Sonnenwärme’, s. d. Zu ἑλάνη ‘Fackel’ s. bes. — Über weitere, entlegenere Verwandte, z. B. ahd. swelzan ‘brennen’, ags. sweltan ‘sterben’, anord. svelta ‘hungern, sterben’, s. WP. 2, 531f., wo auch Lit., bes. Solmsen Unt. 248ff. — S. auch ἥλιος. I-458-459
εἴλιγγος (ἴλ-) m., oft im Plur. ‘Schwindel’ (Hp., Pl. usw.), ‘Wasser-, Rauchwirbel’ (Peripl. M. Rubr. 40, A. R. 4, 142), εἶλιγξ (ἶλ-), -γγος m. ‘Wirbel’ (D. S. u. a.). Denominatives Verb εἰλιγγ-ιάω (ἰλ-) ‘vom Schwindel befallen werden, schwindlig werden’ (Ar., Pl. usw.); danach εἰλιγγιώδης ‘schwindlig’ (Gloss.). — Bildung auf -ιγγ(ο)- (Schwyzer 498, Chantraine Formation 398ff.), u. zw. entweder direkt von εἰλέω ‘drehen, winden’ oder durch Vermittlung eines unbekannten Nomens. Anlautendes εἰ- erklärt sich unschwer durch Anschluß an das Präsens (vgl. ähnliche Fälle s. 2. εἰλέω); die Annahme eines prothet. ἐ- (Solmsen Unt. 243f. als Alternative) erübrigt sich. Über ἰλ- für εἰλ- vgl. zu ἴλη. — Weiteres s. 2. εἰλέω; unsicher ist toch. B wai walau ‘Schwindel’ (zwei Wörter?), s. außer v. Windekens Lexique étymologique 150 Sieg OLZ 46, 137. I-459
εἰλικρινής (εἱ-) ‘rein, lauter, absolut, echt’ (Hp., att. Prosa, hell. u. spät). Davon εἰλικρίνεια ‘Reinheit usw.’, εἰλικρινέω ‘reinigen’ (hell. u. sp.), εἰλικρινότης (Gloss.). — Expressives Wort ohne überzeugende Etymologie. Gewöhnlich als Kompositum von κρίνω (mit σ-Stammflexion, Schwyzer 523) und εἴλη (mit kompositionellem -ι, Schwyzer 447f.) erklärt, somit eig. "von der Sonne unterschieden, in der Sonne beurteilt" o. ä.; man hat dabei εἴλη nicht wie sonst im Sinn von ‘Sonnenhitze’ aufzufassen sondern als ‘Sonne(nlicht)’, eine Bedeutung die nur für dor. ϝέλα belegt ist und in Anbetracht der Etymologie sekundär sein muß. Anknüpfung an 1. oder 2. εἰλέω gibt keinen Sinn; ein Versuch in dieser Richtung wird von Bq mit Recht abgelehnt. I-459
εἰλίονες s. ἀέλιοι. I-460
εἰλίπους (εἰλιπόδης Nonn.; zur Bildung Schwyzer 451) Adj. unsicherer Bedeutung, bei Hom. nur im Dat. und Akk. pl. -πόδεσσιν, -ποδας als Beiwort von βόες; später (Anakr., Eup., Nonn.) auch auf andere Nomina übertragen. — Wegen der unklaren Bedeutung haben alle Etymologien nur hypothetischen Wert. Da der Ausdruck ἀερσίποδες ἵπποι (Σ 532) ‘fußhebende Rosse’ auf eine damit kontrastierende Bedeutung ‘fußschleppend’ o. ä. schließen läßt, hat Osthoff BB 22, 255ff. im Vorderglied eine Entsprechung von lit. selù, selė́ti ‘schleichen, leise auftreten’, aind. tsárati ‘heranschleichen’ finden wollen; εἰλίπους wäre also eig. ‘schleichfüßig’. Diese mit Hilfe außergriechischer Wörter gewonnene Erklärung ist aber in Prägnanz und Anschaulichkeit den innergriechischen Anknüpfungsmöglichkeiten kaum überlegen, obgleich das Fehlen des Digamma (Chantraine Gramm. hom. 1, 132) Bedenken erregen kann; vgl. indessen Shipp Studies 60 (späte Bildung ohne alte Tradition?). Dabei kommen sowohl ‘fußdrängend, fußdrückend’ (zu εἰλέω ‘drängen’) als ‘fußdrehend’ (zu εἰλέω ‘drehen’; so auch H. : διὰ τὸ ἑλίσσειν τοὺς πόδας κατὰ τὴν πορείαν) in Betracht. Der Anlaut εἰ- kann dann nicht nur metrisch gedehnt sondern auch aus dem Präsens geholt sein. Über das -ι in der Kompositionsfuge Schwyzer 447f., Knecht Τερψίμβροτος 31, — Die unklare Hesychglosse ἀνελλίπους· ὁ τοῖς ποσὶ μὴ ἁλ<λ>όμενος, ἤτοι χωλός hilft nicht weiter. S. auch zu εἰλιτενής. I-460
εἰλιτενής Beiwort der ἄγρωστις (d. h. ‘Feldkraut, Quecke’) unklarer Bedeutung (Theok. 13, 42). — Dichterische Bildung, wahrscheinlich nach formalem Vorbild von εἰλι-κρινής, -πους; das Hinterglied zu τείνω mit σ-Stammflexion (vgl. zu ἀτενής), das Vorderglied am ehesten zu εἰλέω ‘drehen, winden’, somit eig. ‘die sich windend ausdehnende’? Anders Osthoff; s. zu εἰλίπους. — Nicht zu ἕλος ‘Niederung, Wiese’. I-460
εἱλόπεδον η 123 ἀλωή ... / τῆς ἕτερον μέν θ’ εἱλόπεδον ... / τέρσεται ἠελίῳ nach Doederlein (s. Bechtel Lex., Leumann Hom. Wörter 44 mit weiteren Einzelheiten) für überlief. θειλόπεδον. Schon im Altertum als ‘Sonnenplatz’ erklärt, wodurch sich als Vorderglied εἵλη ‘Sonnenwärme’ von selbst ergibt. — Die falsche Lesung θειλόπεδον hat sich schon im Altertum durchgesetzt (AP, Dsk.); dazu θειλοπεδεύω ‘auf dem Sonnenplatz, in der Sonne dörren’ (Dsk.). S. auch UreClQuart. N. S. 5, 227. I-460
εἰλυσπάομαι (ἰλ-) ‘wie eine Schlange oder ein Wurm kriechen’ (Hp., Pl., Arist. usw.). Davon εἰλύσπασις und -σπαστικός (Arist.). — Expressives verbales Dvandva aus εἰλύομαι und σπάομαι. Schwyzer 645 m. Lit. I-460
εἰλῠφάω nur Ptz. -φόων, -φόωντες (Λ 156, Hes. Th. 692, trans.; Nonn. D. 30, 81 intr.), -ῡφάζω nur Präsensstamm (Υ 492 tr.; Hes. Sc. 275 intr.) ‘wirbeln, aufwirbeln’. — Iterativ-intensive Bildung auf -άω mit Erweiterung zu -άζω (Schwyzer 734, Chantraine Gramm. hom. 1, 337), letzten Endes von εἰλύω aber mit im Einzelnen unklarer Bildungsweise, was bei einem expressiven Wort nicht Wunder nehmen kann (εἰλύω : *εἰλύπτω : εἰλυφάω wie ἅπτω : ἁφάω?). Jedenfalls nicht mit Schwyzer Mélanges Pedersen 66 A. 2 aus εἰλύω und ὑφάω (Bedeutung.); auch die Annahme eines vermittelnden Nomen auf -φος, -φη (Solmsen Unt. 235, Bechtel Lex.) erregt Bedenken. — Die schwankende Quantität des -υ- ist metrisch bedingt (Chantraine 1, 360). I-461
εἰλύω ‘umwinden, umhüllen, bedecken’; (Arat. 432; καταείλυον v. l. Ψ 135 für -νυον, -νυσαν), Perf. Med. εἴλῡμαι (ep. seit Il.), Fut. κὰδ δέ ... / εἰλύσω Φ 319, Aor. κατ-ειλύσαντε (A. R. 3, 206); εἰλύομαι ‘sich winden und krümmen, sich fortschleppen, vorwärtskriechen’ (S. Ph. 291 und 702, von den mühsamen Bewegungen des verwundeten Philoktetes), ‘kribbeln’ (Kom., von einem Fischschwarm), Aor. Pass. ἐλύσθη ‘rollte’, ἐλυσθείς ‘sich krümmend, windend, duckend’ (ep. seit Il.; Theok. 25, 246 dafür εἰλυθείς; A. R. 3, 296 εἰλυμένος); ‘umhüllt, bedeckt’ (A. R., Opp.). Vereinzelte Präfixkomposita: κατ-ειλύω (s. oben, -υμένος Hdt.), δι-ειλυσθεῖσα ‘durchkriechend’ (A. R. 4, 35), ἐξ-ειλυσθέντες ‘hinauskriechend’ (Theok. 24, 17), συν-ειλύω ‘zusammenrollen’ (EM 333, 42). Ableitungen: 1. Aus ἐλῠ-: ἔλῠ-τρον ‘Hülle, Schale, Futteral, Behälter’ (ion. att.) mit ἐλυτρόομαι (Hp.); ἔλῡμα ‘Pflugbaum’ (Hes., Vokallänge sekundär, s. unten), nach H. auch = νύσσα (‘Wendepunkt der Laufbahn’) καὶ τὸ ἱμάτιον, vgl. εἴλυμα; ἔλῠμος Bez. einer phrygischen Pfeife (S., Kom.), nach H. auch ‘Futteral’; ἔλυστα· ἄμπελος μέλαινα H. (-σ- wie in ἐλύσθη, s. unten); Deverbativum ἐλύσσει· εἰλεῖται H. — 2. Aus εἰλῡ-: εἴλῡμα ‘Hülle’ (ζ 179 usw., vgl. ἔλυμα); εἰλυθμός ‘Schlupfwinkel, Höhle’ (Nik.), nach H. = ἕλκος, τρόμος (zu εἰλύομαι); εἰλυός = εἰλεός s. d.; εἴλυσις ‘das Vorwärtskriechen’ (Sch., zu εἰλύομαι); εἰλύτας, ἐλλύτας N. eines Kuchens, "Brezel" (Inschr., H., ἐλύτης Gramm.; s. Fraenkel Nom. ag. 1, 171f.); Deverbativum εἰλύσσεται· εἰλεῖται H. (vgl. ἐλύσσει) mit εἰλυστήριον (Gloss.). — 3. Aus ἀλῠ- (Schwachstufe): ἅλυσις, ἀλύτας, s. dd. — S. noch πέλλυτρον und γολύριον. — Die Hesychglosse γέλουτρον· ἔλυτρον, ἤγουν λέπυρον ergibt urgr. ϝέλυ-τρον, das mit aind. varu-tra- n. ‘Obergewand’ (Gramm.) formal identisch ist. Ebenso kann das Präsens εἰλύω für urgr. *ϝελ-ν-ύ-ω stehen und damit bis auf die sekundäre Hochstufe und die abweichende Flexionsweise zu aind. vr̥ṇóti ‘umhüllen, bedecken’ genau stimmen (idg. Grundform *u̯l̥-ne-u-(ti), vgl. (ϝ)άλυσις); das späte und sporadische Auftreten von εἰλύω, -ομαι ist indessen einer unmittelbaren Gleichsetzung nicht ganz günstig, vgl. unten. Das zweisilbige ϝελυ- in (ϝ)ελύ-σ-θη usw. (mit analogischem -σ-; Schwyzer 761) erscheint noch in arm. gelu-m ‘drehen’ (Bildung nicht eindeutig) und in dem thematischen Wurzelpräsens lat. volvō; eine Iterativbildung davon ist got. walwjan, ags. wealwian ‘(sich) wälzen’. Zu bemerken noch (ϝ)έλῡ-μα mit derselben sekundären Vokallänge und derselben Bildungsweise wie lat. volūmen; dazu noch arm. gelumn ‘Drehung’ (dessen u auch zum Suffix gehören kann; vgl. die kritischen Bemerkungen bei Bq 225 A. 1). — Bei der Gestaltung des griechischen Formensystems hat das reduplizierte Perfekt εἴλῡμαι aus *ϝέ-ϝλῡ-μαι (mit langvokalischer einsilbiger Schwundstufe und unklaren Spuren des ϝ-, s. Chantraine Gramm. hom. 1, 131 und Schwyzer 649e) eine entscheidende Rolle gespielt; sowohl für die späten εἰλῦσαι und εἰλυσθείς wie für die zahlreichen Nomina auf εἰλῡ- war es maßgebend; auch εἰλύσω und sogar εἰλύω, -ομαι lassen sich daraus erklären. — Ausführliche Behandlung (teilweise abweichend) bei Solmsen Unt. 232ff.; weiteres s. 2. εἰλέω. I-461-462
εἴλω, -ομαι s. 1. εἰλέω. I-462
Εἵλωτες - Fem. Εἱλωτίς (Plu., St. Byz.). m. pl. Sonstige Ableitungen: Εἱλωτικός ‘helotisch’ (Paus., Plu.), εἱλωτεύω ‘Helote sein’ (Isok.) mit εἱλωτεία ‘Helotenstand’ (Pl., Arist. u. a.). ‘Heloten’, Ben. der Staatssklaven der Spartaner (ion. att.). — Eigentliche Bedeutung unbekannt und somit ohne sichere Etymologie. Nach antiker Überlieferung eig. Bewohner der lakonischen Stadt Ἕλος; lautlich unhaltbar. Nach Solmsen Unt. 251 aus *ἐ-ϝέλω-τες, zu (ϝ)αλῶ-ναι usw., weil die Heloten ursprünglich Kriegsgefangene waren (ἁλῶναι πολέμῳ Ephor. ap. Str. 8, 365); über Spuren des Lenis in der Thuk.-Überlieferung Sommer Lautst. 101f. Man kann gegen die Erklärung einwenden, daß eine Hochstufe ϝελ(ω)-, vom prothetischen Vokal abgesehen, im Griechischen sonst nicht belegt ist. — Ausführliche Behandlung bei Fraenkel Nom. ag. 1, 99ff. I-462
εἱμάδες · ποιμένων οἰκίαι H. — Bildung wie δειράς usw.; aus *ϝεῖμα = lat. vīmen ‘Rute, Flechtwerk’? Unsichere Hypothese von H. Petersson Fran Filol. fören. i Lund. Språkl. upps. IV (1915) 139. I-462
εἶμι, Inf. ἰέναι nur Präsensstamm im Aktivum ‘gehen’ (perfektiv-futurisch; vgl. Schwyzer-Debrunner 265). Sehr oft mit Präfix: ἄν-, ἄπ-, δί-, εἴσ-, ἔξ- usw. Ableitungen. Vom Simplex; ἴ-θματα pl. ‘Schritte, Tritte’ (Ε 778 = h. Ap. 114, von den Tauben), = ‘Füße’ (Kall. Cer. 58); zur Bildung Schwyzer 492 A. 12, 523); ἰσθμός (s. d.), wohl auch ἰταμός, ἴτης (s. d.); vgl. noch οἶτος, οἶμος. — Von den Komposita: εἰσ-ί-θμη ‘Eingang’ (ζ 264, Opp.; vgl. ἴθματα und Porzig Satzinhalte 283); ἐξ-ί-τηλος ‘vergänglich’ (ion. att.), wozu nach H. ἴτηλον· τὸ ἔμμονον, καὶ οὐκ ἐξίτηλον (A. Fr. 42; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 119 A. 2); εἰσ-ί-τημα ‘Einkommen’ (Delos, Delphi); εἰσ-, ἐξ-, κατ-ι-τήριος (D. usw.); δι-, συν-ι-τικός (Arist.). — Zusammenbildung ἁμαξ-ι-τός (s. ἅμαξα), danach ἀταρπιτός (s. ἀτραπός). — Iterativbildung ἰτάω in ἰτητέον ‘eundum est’ (att.) und ἐπανιτακώρ = ἐπανεληλυθώς (Elis); davon εἰσ-ιτητήρια n. pl. ‘Opfer beim Antritt eines Amtes’ (att.; auch εἰσ-ιτήρια, s. oben), εἰσ-ιτητός ‘zugänglich’ (Alkiphr.) und ἰτητικός = ἰταμός (Arist. u. a.). — Als Verbalnomen zu εἶμι, namentlich zu den Komposita, fungiert ὁδός (ἄν-οδος usw.), Schwyzer-Debrunner 75, Porzig Satzinhalte 201. S. auch φοιτάω. — Altes athematisches Wurzelpräsens mit genau entsprechenden Formen in mehreren Sprachen: εἶ-μι, εἶ (aus *εἶ-hi), εἶ-σι = aind. é-mi, é-ṣi, é-ti, lit. ei-mì, ei-sì, eĩ-ti, heth. pāi-mi, pāi-ši, pāi-zi (Präverb pe-, pa-), lat. ī-s, i-t (1. Pers. eō < *ei-ō), idg. *ei-mi, -si, -ti; 1. Plur. ἴ-μεν : aind. i-más; Ipv. ἴ-θι = aind. i-hí : heth. i-t; Impf. hom. ἤϊα = aind. ā́yam (mit analogischem -m), idg. *ēi-m̥. Iterativ ἰτάω = lat. itāre, mir. ethaim. Weitere Einzelheiten aus der vergleichenden Flexion bei Schwyzer 674, WP. 1, 102ff., Pok. 293 ebenso wie in den einschlägigen Spezialwörterbüchern und Grammatiken. Glottogonische Vermutung über den Ursprung bei Kretschmer Glotta 13, 137f. (aus Interj. ei?). — Zum Verhältnis zwischen εἶμι — ἔρχομαι — ἦλθον und anderen Verba des Gehens Bloch Suppl. Verba 22ff. I-462-463
εἰμί, Inf. εἶναι (ion. att.), dor. ἠμί, Inf. ἤμεν, äol. ἔμμι, Inf. ἔμμεν, -αι nur Präsensstamm (mit Futurum) ‘sein’. Oft mit Präfix: ἄπ-, ἔν-, ἔξ- (ἔξεστι), ἔπ-, πάρ-, σύν- usw. Ableitung ἐστ-ώ f. (zu ἐστί) = οὐσία (zu ὤν) ‘Substanz’ (Archyt. Philos.), ἀπ-εστώ ‘Abwesenheit’ (Hdt. 9, 85; συν-εστώ 6, 128 v. l. zu συνεστίη), s. Schwyzer 478 m. Lit., Chantraine Formation 117; vgl. auch zu εὐεστώ; ἀπεστύς· ἀποχώρησις H. (Chantraine 291). — Vom Part. ὤν, ὄντ-ος : οὐσία (s. oben) mit ἀπ-, ἐξ-, παρ-, συν-ουσία usw. von ἀπ-ών usw.; davon z. B. συνουσιάζω mit συνουσιαστής, -αστικός u. a. m. — Altes athematisches Wurzelpräsens mit genau entsprechenden Formen in mehreren Sprachen: εἰμί, εἶ (ep. dor. ἐσσί), ἐστί = aind. ásmi, ási, ásti, alit. esmì, esì, ẽsti, heth. ešmi, ešši (eši), ešzi, got. im, is, ist, lat. es(s), est (sum ist Neubildung) usw., idg. *es-mi, *esi (aus *es-si, das sich durch die Analogie daneben erhalten hat), *es-ti; 3. Plur. mit Schwundstufe εἰσί, dor. ἐντί aus *hεντι (Psilose nach εἰμί usw.) = aind. sánti, umbr. sent, got. usw. sind, idg. *s-enti. Ipf. 1. Sg. hom. ἦα = aind. ā́sam (mit anal. -m), idg. *ēs-m̥, 3. Sg. dor. äol. ark. kypr. ἦς = aind. (ved.) ā́s, idg. *ēs-t; weitere Flexionsformen mit vergleichendem Material bei Schwyzer 676ff.,WP. 1, 160f., Pok. 1, 340ff. ebenso wie in zahlreichen historisch-grammatischen Darstellungen und etymologischen Wörterbüchern. I-463-464
εἰνατέρες, -έρων (Il.), Sing. ἐνατηρ, -τρι, -τερα (sp. kleinasiat. Inschr.; Akzent wie θυγάτηρ, μήτηρ?), Vok. εἴνατερ, Gen. -τερος (Hdn.) f. (pl.) ‘Ehefrau des Mannesbruders’. — Alte aussterbende Verwandtschaftsbezeichnung aus der Zeit der Großfamilie (s. zuletzt Risch Mus. Helv. 1, 117). Die gleichbedeutenden phryg. Akk. ιανατερα, lat. ianitrīcēs (nach genetrīcēs u. a.) erweisen für das griech. Wort eine Grundform mit zweisilbigem kurzvokalischem Stamm vor dem suffixalen -τερ- (ep. εἰν- somit metrische Dehnung für psilotisches ἐν-); daneben mit anderem Ablaut aind. yā-tar-, alit. jen-tė, russ. ksl. ja-try (nach svekry ‘Schwiegermutter’); unklar arm. ner (nēr), Gen. nir-i. — Lit. bei Bq s. ἐνάτηρ, Schwyzer 568, WP. 1, 207f., Pok. 505f., W.-Hofmann s. ianitrīcēs, Wackernagel-Debrunner Aind. Gramm. II : 2, 692, Fraenkel Lit. et. Wb. s. jentė (mit weiteren balt. Formen). I-464
εἰνοσίφυλλος s. ἔνοσις. I-464
εἶπον, ep. ἔειπον, ion. usw. auch εἶπα, Inf. εἰπεῖν, εἶπαι, kret. ϝεῖπαι ‘sagen, sprechen’ (Präs. λέγειν, ἀγορεύειν ‘reden’; vgl. Schwyzer-Debrunner 258). Oft mit Präfix, z. B. ἀπ(ο)-, ἐξ-, μετ(α)-, παρ-, προ-(ϝ)ειπεῖν, -(ϝ)εῖπαι (seit Il.). — Der synonyme reduplizierte aind. Aorist á-vocam ‘ich sprach’, der auf idg. *e-u̯e-uqu̯-om zurückgeht, läßt auf eine griech. Grundform *ἔ-ϝε-υπ-ον schließen, woraus durch Dissimilation ἔ(ϝ)ειπον; über eine unsichere Spur des Digamma in einem antiken Homertext s. Kretschmer ’Αντίδωρον 190ff. Weiteres s. ἔπος. — Einzelheiten bei Schwyzer 745. Über Bedeutung, Gebrauch und Flexion noch Fournier Les verbes "dire" 3ff., 99f., 227ff. I-464
Εἰραφιώτης, -ου ‘Ερραφεώτης (Alk. 90) m. , Beiname des Dionysos (h. Hom. 1, 2; 17; 20, Kall. Fr. anon. 89 u. a.). Daneben der Monatsname Εἰραφιών (Amorgos IIIa). — Bildung auf -ιώτης (Chantraine Formation 311) von *εἴραφος, *εἰράφιον; vgl. ἔλαφος, -ιον und andere Tiernamen; somit wahrscheinlich auf die Tiergestalt des Gottes bezüglich. Da Dionysos am liebsten als Stier auftritt, denkt man in erster Linie an aind. r̥ṣabhá- ‘Stier’, eine Erweiterung auf -bha- des in ἄρσην ‘von männlichem Geschlecht’ vorliegenden alten n- Stamms (vgl. noch aw. ap. aršan- ‘ds.’). Auszugehen wäre von einer hochstufigen Form wie ἔρσην aber mit Schwund des σ und Ersatzdehnung wie in lak. εἰρήν ‘Jüngling’ (s. d.; Erklärung unsicher), κεῖραι usw. (zum Lautlichen Schwyzer 285f., Lejeune Traité de phonetique 107f.). Anknüpfung an ἔριφος ‘junger Bock’ (s. v. Wilamowitz Glaube 2, 67 A. 1), obwohl sachlich ebenfalls möglich, ist lautlich schwieriger zu begründen. — Anders Bechtel Dial. 1, 128f. (mit Fick): zu εἶρος, *εἰράφιον ‘Flöckchen’; dagegen Solmsen IF 7, 47 A. 1. — Näheres über Bildung usw. bei Fraenkel Nom. ag. 2, 208 A. 2 mit Lit., außerdem Redard Les noms grecs en -της 9 und 13. I-464-465
εἴργω (εἵργω), εἴργνυμι, ep. ἐέργω, ἐέργνυμι, ep. ion. poet. usw. ἔργω, ἔργνυμι, Aor. 1. εἶρξαι (εἷρ-, ἔρ-, ἕρ-), Aor. 2. κατ-Έϝοργον (kypr.), Pass. εἰρχθῆναι (εἱρ- usw.), Fut. εἴρξω (εἵρξω, herakl. ἀφ-, ἐφ-έρξοντι, συν-hέρξοντι), Perf. Med. εἶργμαι, ἔεργμαι (ἔργμαι), ep. 3. Plur. ἔρχαται, -ατο mit der künstlichen Erweiterung ἐρχατόωντο ξ 15 (s. Leumann Hom. Wörter 179ff. mit kühnem Erklärungsversuch und weiterer Lit.), erweitertes Prät. εἰργαθεῖν (-άθειν?; Schwyzer 703 m. A. 6 m. Lit.) ‘einschließen, ausschließen, abhalten’ (zur Bed. Brunel Aspect verbal 27f., 122). Oft mit Präfix: ἀπ(ο)-, ἀφ-, δι-, εἰσ-, ἐφ-, ἐξ-, κατ- (καθ-), συν- u. a. Wenige Ableitungen: εἱρκτή (ἐρ-), oft im Plur. ‘Verschluß, Gefängnis, Frauengemach’ (ion. att.); εἱργμός ‘Einsperrung, Gefängnis’ (Pl. usw.); (σύν-, κάθ-, ἔξ-)εἷρξις ‘das Einschließen usw.’ (Pl., Plu., Ael. u. a.) mit -ειρκτικός; ἄφ-ερκτος ‘ausgeschlossen’ (A. Ch. 446 [lyr.]). — Bis auf den schwundstufigen thematischen Aorist kypr. κατ-Éϝοργον (-έ- oder -ή-, Schwyzer 653 β) gehen alle Formen, einschließlich der Nomina, auf das hochstufige (ϝ)έργω, mit Vokalprothese ἐ-(ϝ)έργω, εἴργω, zurück; die Aspiration in εἷρξαι, ἕρξω, εἵργω usw. entstand nach Sommer Lautstud. 127f. vor stimmlosem ρ in ἑρκτ-, ἑρξ-. Einzelheiten bei Solmsen Unt. 221ff. — Die übrigen Sprachen bieten nichts, was mit den griechischen Formen direkt vergleichbar wäre. Wahrscheinliche Verwandte liegen indessen vor in dem schwundstufigen athematischen Opt. aw. vərəz-yąn ‘sie sollen absperren’ ebenso wie in lit. veržiù, ver̃žti ‘einengen, schnüren, pressen’ (Fraenkel KZ 72, 193ff.). Semantisch mehrdeutig sind in etymologischer Hinsicht einige indoiranische Nomina: aind. vr̥jána- n. ‘Umhegung, Einfriedigung’ = aw. vərəzə̄na-, varəzāna- ‘Gemeinschaft’, ap. vardana- ‘Stadt’ (woraus durch Entlehnung aind. vardhana- ‘ds.’, Wackernagel-Debrunner KZ 67, 168; abzulehnen Hall Lang. 12, 297ff.), aind. vrajá- m. ‘Hürde, Umhegung’; unsicher ebenfalls ein irisches Wort für ‘Wand usw.’, air. fraig, nir. fraigh ‘Wand aus Flechtwerk, Dach, Hürde’; vgl. die Diskussion bei WP. 1, 290, wo auch weitere Lit. I-465-466
εἴρερον Akk. ‘Gefangenschaft, Knechtschaft’ (θ 529). — Nicht sicher erklärt. Gegen Anknüpfung an lat. servus Frisk Eranos 50, 6ff., wo eine Grundform *ϝερϝερον erwogen wird mit Anschluß an arm. gerem ‘gefangennehmen’; dazu noch εὑρίσκω ‘finden’ und ἀρύω ‘schöpfen’ (s. dd.); zur Bedeutung vgl. aind. gráha-, gráhaṇa- ‘das Greifen, Gefangenschaft, das Schöpfen’. — Andere Vorschläge bei Bechtel Lex. und Brugmann IF 19, 382ff. (s. Bq). I-466
εἰρεσιώνη ‘ein mit roten und weißen Binden geschmückter und mit Früchten behangener Öl- oder Lorbeerzweig’ als Fruchtbarkeitssymbol (Ar.), ‘ein beim Herumtragen desselben gesungenes Lied’ (Hom. Epigr., Plu.), ‘Ehrenkranz, Kranz’ (hell. u. sp.); auch εἰρυσιώνη (Delos Ia), volksetymologische Umbildung, wohl nach εἰρύομαι ‘schützen’. f. — Zur Bildung vgl. besonders die Pflanzennamen auf -ώνη bei Chantraine Formation 207f.; Strömberg Pflanzennamen 81 erinnert an ἰασιώνη; sonst dunkel. Gewöhnlich, aber ohne eigentlichen Grund, auf εἶρος bezogen; Chantraine denkt dafür an ’Ερέσιος Bein. des Apollon (H.). Wieder anders Schönberger Glotta 29, 85ff. (etwa zu 1. εἴρω ‘reihen’?) und Grošelj Živa Ant. 1, 122f.; s. noch WP. 1, 70 und, zur Bildung, Meid IF 62, 277 A. 22. I-466
*εἴρη nur εἰράων Σ 531 (am Versanfang), außerdem (ebenso) εἰρέας H. Th. 804 (Konj. εἴραις, εἴρας) als ‘Sprech-, Versammlungsplatz’ erklärt, nach H. = ἐρώτησις, φήμη, κληδών, nach EM 483, 3 = ἐκκλησία und μαντεία. — Seit alters zu ἐρῶ, εἴρηκα (εἴρω) ‘sagen’ gezogen, aber Grundform unklar; Nom. *εἶρα aus *ϝέρ-ι̯α? — S. auch εἰρήνη. I-466
εἰρήν, -ένος (εἴρην, ἴρην, -ήν) m. Ben. des erwachsenen Jünglings in Sparta, ‘κόρος τέλειος’ H. (IG 5 (1), 279, Plu. Lyk. 17 u. a.; Näheres über Bedeutung, Akzent und Belegstellen bei Solmsen IF 7, 37ff.). Als Hinterglied in μελλ-είρην ‘Knabe im Begriff εἰρήν zu werden’ (Plu. Lyk. 17) mit μελλειρενεια (Sparta), τριτιρενες pl. ‘im dritten Jahre des Eirenenalters stehend’ (Messen.). — Nicht sicher erklärt. Nach Solmsen a. a. O. mit Legerlotz und Brugmann aus *ἐρσήν und somit nur im Akzent von ion. ἔρσην unterschieden; die Ersatzdehnung wäre von der Oxytonierung verursacht (Wackernagel KZ 29, 127ff. = Kl. Schr. 1, 630ff.). Echtlakonisch hätte man allerdings, wie Bechtel Dial. 2, 370f. mit Recht bemerkt, *ἠρήν erwartet. — Nicht mit Ehrlich KZ 39, 570 zu ἦρι ‘früh’, auch nicht mit Brugmann zu εἰρήνη (s. d.) und ἀραρίσκω. I-466
εἰρήνη (ion. att., seit Il.), ἰράνα (dor., böot., ark. usw.), außerdem ἰρήνα (gort. IIa: χ[ἱ]ρήνας Gen.; Hauch sekundär), ἰρείνα thess.), εἰρήνα (delph. IVa, Pi., B.), εἰράνα (nwgr. usw.), εἴρηνᾰ (äol., Gramm.), Εἰρήνα, -άνη (EN, Lykien) f. ‘Friedenszustand, Friedenszeit’ (vgl. Trümpy Fachausdrücke 183ff.), später ‘Friedensvertrag’, in d. LXX auch ‘Heil(wunsch)’ als Hebraismus (Wackernagel IF 31, 263f. = Kl. Schr. 2, 1240f.); als Göttinnenname Tocher d. Zeus u. d. Themis (Hes. usw.). Als Vorderglied in εἰρηνο-ποιός (X.) u. a. Ableitungen: εἰρηναῖος ‘friedlich’ (Hdt., Th. u. a.), εἰρηνικός ‘zum Frieden gehörig, friedlich’ (att. hell. usw.; nach πολεμικός; Chantraine Études sur le vocab. grec 151); denominatives Verb εἰρηνεύω ‘Frieden halten, im Frieden leben’ (Pl., Arist. usw.) mit εἰρήνευσις (Iamb.), εἰρηνέω ‘ds.’ (Arist. u. a., nach πολεμέω). — Über den lakon. EN ϝειράνα s. Kretschmer Glotta 7, 332, Bechtel ’Αντίδωρον 155. — Die bunten Dialektformen lassen sich nicht rein lautlich unter einer Grundform vereinigen sondern müssen als Entlehnungen mit unvollkommener Anpassung an den betreffenden Heimatdialekt erklärt werden (Leumann Hom. Wörter 277 m. A. 27 und Lit.). Als ursprünglicher Anlaut ist vielleicht nach einer zögernden Vermutung von Wackernagel IF 25, 327 A. 1 (Kl. Schr. 1023 A. 1) ein im Ionischen und anderswo offen ausgesprochenes ἰ̄ρ- anzusetzen, das im Attischen zuerst durch ἐ-, dann durch εἰρ- wiedergegeben wurde; die attische Orthographie wurde in der Literatur und auch in gewissen anderen Dialekten maßgebend. Die Beurteilung von -ρήνη, -ρά̄νᾱ usw. ist strittig; vgl. Schwyzer 189 m. Lit. — Ohne Etymologie (abzulehnen Brugmann [s. unten]: mit εἴρη und εἰρήν zu ἀραρίσκω); vorgriechische Herkunft ist schon wegen der Endung (’Αθήνη, Μυκήνη usw.) sehr wahrscheinlich (so z. B. Chantraine Formation 206). — Näheres zur Wortgeschichte Brugmann und Keil Sächs. Ber. 68 : 3, 4 (1916); Kretschmer Glotta 10, 238f.; weitere Lit. bei Trümpy a. a. O. I-467
εἴρομαι (ep. ion.), auch ἐρέομαι, ἐρέω (ep.), Aor. ἐρέσθαι (seit Od.), Fut. εἰρήσομαι (Od., ion.), ἐρήσομαι (att.) ‘fragen’. Mit Präfix: ἀν-, δι-, ἐξ-, ἐπ-. Ableitungen. Nomen agentis ἐρευταί ‘ζητηταί’, Ben. der Eintreiber von Staatswegen auf Kreta (Inschr., vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 181); sekundäre Präsentia ἐρεείνω, ἐρευνάω, ἐρωτάω, s. dd. — Das Verbalnomen ἐρευ-ταί im Verein mit ἔρευε· ἐρεύνα H. (äol.) und der Konjunktiv ἐρείομεν (Α 62), der für *ἐρέϝ-ο-μεν stehen kann, führen auf ein hochstufiges zweisilbiges Präsens ἐρέ(ϝ)-ω, athematisch *ἔρευ-μι. In Übereinstimmung damit wird für εἴρομαι als Grundform ein schwachstufiges einsilbiges *ἔρϝ-ομαι, für den Aorist ἐρέσθαι ebenfalls (mit attischer Lautentwicklung, Wackernagel Unt. 121f.) *ἐρϝ-έσθαι mit Recht vermutet. Die schwankende Akzentuation (ἔρεσθαι neben ἐρέσθαι, anderseits auch ἐπ-ειρέσθαι) zeugt von der Unsicherheit des Sprachgefühls hinsichtlich der Funktion der schwachstufigen Formen. Einzelheiten bei Schwyzer 680 und 746, Chantraine Gramm. hom. 1, 31; 162; 297; 394, wo auch weitere Lit. — Ohne direkte außergriechische Entsprechung. Ein entfernter Verwandter liegt wahrscheinlich vor in awno. raun f. ‘Versuch, Probe, Untersuchung’, idg. *rou-nā; Näheres s. ἐρευνάω und ἐρεείνω. I-467-468
εἶρος n. ‘Wollvlies’ (Od.), auch Pflanzenname = γναφάλλιον (Ps.-Dsk.; zum Benennungsmotiv Strömberg Pflanzennamen 105) und Ben. eines Fiebers (Hp. ap. Erot.; wegen des Wärmesymptoms, vgl. die Fiebernamen bei Strömberg Wortstudien 74ff.). Als Vorderglied z. B. in εἰρο-πόκος ‘mit wollenem Vlies’, -κόμος ‘Wolle bearbeitend’ (beide Il.). Als Hinterglied in εὔ-ειρος (Hp., AP), att. εὔ-ερος (mit εὐερ-ία [Pl. Kom.]) ‘schönwollig’, ἔπ-ερος ‘Widder’ (Schwyzer Ex. 644, 15, etwa 300a, kleinasiat. Äolis); zur Erklärung und Lautentwicklung Schulze Kl. Schr. 367f., Forster ’Επίχρυσος 41; zum Hinterglied (für *εὐ- bzw. *ἐπ-ειρής) s. Sommer Nominalkomp. 112; über das unsichere εὔειρας Akk. pk. f. (S. Fr. 751, v. k.) Fraenkel Nom. ag. 1, 130. Ableitungen: εἴριον (ep. ion. seit Il.), att. kret. ἔριον ‘Wolle’, durch künstliche Abkürzung (Schwyzer 584 A. 6) ἔρι (hell. Dichter); davon εἰρίνεος ‘von Wolle’, att. usw. ἐρεοῦς, ἐρειοῦς (für -ιοῦς) ‘ds.’, durch Kreuzung ἐρεινοῦς (Pap. V-VIp); — ἐρέα ‘Wolle’ (hell. u. sp.; nach αἰγέα u. a.; Chantraine Formation 91); zu den Ableitungen im allg. Schwyzer 468. — Von den zum Vergleich herangezogenen Wörtern interessiert in erster Linie (nach Schulze Q. 119f.) lat. vervēx, -ēcis ‘Hammel’ als k-Ableitung eines hypothetischen Stammes u̯eru̯-, der auch in εἶρος, falls, wie wahrscheinlich, aus *ἔρϝος und letzten Endes (durch Dissimilation?, Solmsen Unt. 188f.) aus *ϝέρϝ-ος, vorliegen kann; die Funktion dieses Stammes bleibt allerdings unbekannt. Entferntere Beziehung zum Wort für ‘Lamm’, gr. (ϝ)ἀρήν (s. d.) usw. ist gewiß möglich. Dagegen bleibt air. ferb ‘Kuh’ schon wegen der Bedeutung (außerdem wohl b aus idg. bh; Pokorny bei WP. 1, 270) besser weg. Andere Hypothesen, die für εἶρος ohne Belang sind, bei WP. a. a. O., W.-Hofmann s. vervēx (m. Lit.). — Die Zusammenstellung mit heth. ešri- ‘Wollvlies’ (Benveniste BSL 50, 42f.), an sich sehr verlockend, ist möglich nur unter der ganz unwahrscheinlichen Annahme, daß die att. Formen εὔ- ερος, ἔριον usw. nicht lautgerecht wären, sondern ihren ion. Entsprechungen nach Fällen wie δειρή : δέρη analogisch an die Seite getreten sind. I-468-469
εἴρω 1. (seit Pi.) vorw. Präsensstamm, Aor. εἶραι, ἔρσαι (ion. att.; vgl. Schwyzer 753 m. Lit.), Perf. Med. Ptz. ἐερμένος, εἰρμένος (ion. usw.), Plusquamperf. ἔερτο (Hom.), Perf. Akt. δι-εῖρκα (X.) ‘reihen, anfügen, zusammenfügen’, meistens mit Präfix, insbes. συν-είρω ‘zusammenknüpfen’, auch ἐν-, ἀν-, δι-, ἐξ- u. a. (ion. att.). Ableitungen: ἕρματα pl. ‘Ohrgehänge’ (Od.), ‘Schlinge’ (Ael.), auch καθέρματα (Anakr.); ἔνερσις (ἐνείρω) ‘das Einfügen, Hineinstecken’ (Th. 1, 6), δίερσις ‘das Hindurchstecken’ (hell. u. sp.); vom Präsensstamm εἱρμός ‘Anreihung, Verbindung, Verknüpfung’ (Arist.; zum Spir. asper s. unten), συνειρμός (Demetr. Eloc. 180); — mit ο-Ablaut ὅρμος ‘Kette, Halsband’ (s. d.), wovon ὁρμιά, ὁρμαθός. — Dem Jotpräsens εἴρω (als Simplex nur Pi. und seit Arist.), das wie alle übrigen Verbalformen Hochstufe zeigt, steht im Latein ein gleichbedeutendes hochstufiges Wurzelpräsens serō gegenüber; diese Etymologie setzt voraus, daß εἴρω den Spir. asper verloren hat, was in Anbetracht der Seltenheit des Simplex im Vergleich zu συν-είρω usw. leicht verständlich ist; ein aspiriertes εἵρω wird übrigens von EM 304, 30 (s. Solmsen Unt. 292 A. 2) gelehrt. Auch die Verbalnomina können den alten Hauch bewahrt haben, sofern er nicht vor ρμ sekundär entstanden ist (vgl. Schwyzer 306). — Spuren von diesem Verb einschließlich davon abgeleiteter Nomina sind auch sonst vorhanden: im Italischen noch osk. aserum ‘asserere’, im Keltischen air. sern(a)id ‘serit’, Nasalpräsens, mit sern(a)id ‘sternit’ zusammengefallen (Thurneysen Grammar 133); dazu die Nomina aind. sarat f. ‘Faden’ (Lex.), alit. sėris ‘Faden, Pechdraht’; in Betracht kommt noch awno. sørvi n. ‘Halsband’ (urg. *saru̯ii̯a-), von dem das altgerm. Wort für ‘Waffen, Rüstung’, z. B. got. sarwa n. pl. (urg. *saru̯a-, idg. *sor-u̯o-; mit *sor-mo- in ὅρμος parallel) nicht zu trennen ist (eig. "geknüpfter Harnisch" wie lat. serta lorīca o. ä.?); außerdem toch. A sark, B serke m. ‘Geschlecht, Kranz’ (Schneider KZ 66, 259, Duchesne-Guillemin BSL 41, 161; idg. *sor-ko-, *sor-g(h)o-). — Die Gleichung ἔνερσις = inserti-ō beruht auf paralleler Neubildung. — Anders über εἴρω Sommer Lautstud. 134. — WP. 2, 499f., W.-Hofmann s. serō mit weiterer Lit. I-469
εἴρω 2. ‘sagen’. nur 1. Sg. Präs. (Od.) und 3. Sg. εἶρεν in aoristischer Funktion (B. 16, 20; 74), aber εἴρετο (Α 513), -οντο (λ 342) vielmehr ‘fragte(n)’ (vgl. Chantraine Gramn. hom. 1, 341 A. 3), εἴρεται (Arat.) für εἴρηται wie vereinzelt hell. εἴρεκα für εἴρηκα (zu ἐρρέθην), Fut. ep. ion. ἐρέω, att. ἐρῶ, Perf. Med. εἴρηται (seit Il.; arg. ϝεϝρημένος, kret. ϝερημένος), dazu Fut. Pass. εἰρήσομαι (ep. ion. poet. seit Il.), Perf. Akt. εἴρηκα (A., Ar. usw.), Aor. Pass. Ptz. ῥηθείς (seit Od.), εἰρέθην (Hdt.; eher mit Lejeune Traité de phon. 136 nach εἴρηται als mit Schwyzer 654 aus *ἐϝρέθην), att. ἐρρήθην, hell. Neubildung ἐρρέθην, Fut. ῥηθήσομαι (att.) — Als Aorist fungiert εἶπον, als Präsens φημί, λέγω, hell. auch ἐρῶ (Schwyzer 784 A. 4 m. Lit.) mit dem Ipf. ἤρεον (εἴ-) ‘sagte’ (Hp.). Oft mit Präfix: προ-, προσ-, κατ-, auch ἀν-, ἀπ-, δι-, ἐπ-, συν-, ὑπ-ερῶ usw. Ableitungen. Nomina actionis: 1. ῥῆσις (ion. att. seit φ 291), ark. ϝρῆσις ‘Aussprache, Rede’ (zur Bed. Chantraine Formation 283, außerdem Holt Les noms d’action en -σις 87f. m. A. 1), oft zu den präfigierten Verba: ἀνά-, ἀπό-, διά-, ἐπί-, κατά-, παρά-, πρό-, πρόσ-ρησις (vgl. Holt, s. Index); 2. ῥῆμα ‘Ausspruch, Wort, Erzählung’, als Grammatikerterminus ‘Verbum’ (ion. poet. seit Archil., att.), auch ἀπό-, ἐπί-, πρό-, πρόσ-ρημα; 3. ῥήτρα, -η (ξ 393, X. usw., dor.), el. ϝράτρα, kypr. mit Dissim. ϝρήτα (wovon εὐϝρητάσατυ) ‘Verabredung, Vertrag, Gesetz, Ausspruch’ (Chantraine Formation 333), mit ῥητρεύω ‘aussprechen’ (Lyk.); zum τρᾱ-Suffix vgl. ῥητήρ, ῥήτωρ. — Nom. agentis: ῥητήρ ‘Sprecher’ (vereinzelt seit Ι 443), ῥήτωρ ‘Sprecher’, bes. ‘Redner’ im staatsrechtlichen Sinn (Trag., att.) ‘Redemeister’ (sp.); Näheres s. v. — Verbaladj. ῥητός ‘verabredet, bestimmt’ (seit Φ 445; vgl. Ammann Μνήμης χάριν 1, 20), ‘sagbar, was gesagt werden kann (darf), rational’ (A., S., Pl. u. a.), oft im Gegensatz zu ἄρρητος (z. B. Hes. Op. 4), ἀπό-, ἐπί-, πρό-ρρητος; παρα-ρρητός ‘überredend, möglich zu überreden’ (Il.; zu παρά-φημι, -ειπεῖν). — Adv. δια-ρρήδην ‘ausdrücklich’ (h. Merc. usw.; Schwyzer-Debrunner 450), ἐπι-ρρήδην ‘offen’ (hell.), ῥήδην nur A. D., EM (aus δια-ρρ. herausgelöst). — Zu beachten die rechtliche und feierliche Bedeutung die seit jeher (vgl. die außergriech. Verwandten unten) der Mehrzahl der Nomina eignet; darüber Porzig Satzinhalte 265f., Fournier Les verbes "dire" 5ff., 94ff., 224ff. — Mit Ausnahme des vereinzelten (ϝ)είρω (über das Digamma Chantraine Gramm. hom. 1, 136), das als Neubildung zu (ϝ)ερέ-[σ]ω nach Muster vom Typus κτεν-έ[σ]ω : κτείνω erklärt werden kann (vgl. indessen heth. u̯erii̯a- unten; das jedenfalls aoristisch gebrauchte εἶρεν [B.] nach κτεῖνεν?), verteilen sich sämtliche Formen auf ein zweisilbiges kurzvokalisches (ϝ)ερε- und ein einsilbiges langvokalisches (ϝ)ρη-; ersteres liegt dem Futurum, letzteres dem Perfekt (ϝέ-ϝρη-μαι usw.; zum Lautlichen Schwyzer 649 m. Lit.), dem Passivaorist und sämtlichen Verbalnomina zugrunde. — Eine primäre Verbalform findet sich noch in dem heth. Jotpräsens u̯erii̯a- ‘rufen, nennen, beauftragen’ (= (ϝ)είρω, s. oben), wozu noch das als Partikel der zitierten Rede gebrauchte -wa(r)- eig. ‘sagte (er)’; auch das russ. Deverbativum vrú, vrátь ‘lügen, faseln’ (aus *vьrǫ, *vьrati) wird damit verbunden. Von den Nomina interessiert in erster Linie aw. urvāta- n. ‘Bestimmung, Gebot’, das zu ῥητός genau stimmt (idg. *u̯rē-to-). Daneben mit kurzem Vokal aw. urvata- n. = aind. vratá- n. ‘Bestimmung, Gebot, Gesetz’, idg. *u̯re/o-to-, russ. usw. rotá ‘Eid’, idg. *u̯ro-tā; die entsprechende einsilbige Wurzelform erscheint in der alten dh-Erweiterung lat. verbum, lit. var̃das ‘Name’, got. waúrd ‘Wort’. Sehr zweifelhaft ist das an falscher Stelle (nach ἔραχος) überlieferte ἔρθει· φθέγγεται H., das von Specht KZ 59, 65 m. A. 3 und Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 374 zu verbum usw. gezogen wird. — S. auch εἴρων. I-470-471
εἴρων m. f. ‘der sich unwissend stellt, sich verstellt’ (Ar., Arist. usw.; vgl. die Beschreibung bei Thphr. Char. 1, 1). Davon εἰρωνικός ‘nach Art und Weise des εἴρων’ (Pl., Ar. u. a.; vgl. Fournier Les verbes "dire" 88); denominatives Verb εἰρωνεύομαι ‘sich unwissend stellen, sich verstellen, ironisieren’ (att., Arist. u. a.) mit εἰρωνεία ‘erheuchelte Unwissenheit, Verstellung, Ironie’ (att., hell.; vgl. Büchner Hermes 76, 339ff.), εἰρωνεύματα pl. ‘ds.’ (Max. Tyr.), εἰρωνευτής = εἴρων (Timo) und εἰρωνευτικός (Sch.); auch εἰρωνίζω ‘ds.’ (Philostr. VS 7, 1; v. h). — Substantivierend-individualisierende Bildung auf -ων (Chantraine Formation 161, s. auch Hoffmann Münch. Stud. z. Sprachwiss. 6, 35ff.) von einem unbekannten Grundwort. Von Solmsen Unt. 263 zu εἴρω ‘sagen’ gezogen als "einer der etw. (nur) sagt (ohne es zu meinen)"; man geht dann mit Schwyzer 487 A. 9 am einfachsten vom Präsens aus. Von Prellwitz EtWb. als "Frager" aus εἴρομαι ‘fragen’ abgeleitet. I-471
εἰς (ep. ion., att., lesb.), ep. ion. auch ἐς, aus ἐνς (kret., arg.; Einzelheiten bei Schwyzer-Debrunner 455f. m. Lit.); — neben ἐν wie ἐξ neben ἐκ und vielleicht nach diesem Oppositum gebildet (Lit. bei Schwyzer-Debrunner a. a. O.). — Davon εἴσ-ω, ἔσ-ω Adv. ‘hinein’ (seit Il.) mit Hinzufügung von -ω (vgl. ἄνω s. ἀνά) und analogischer Erhaltung des -σ- (zuletzt Lasso de la Vega Emerita 22, 93; ältere Lit. bei Schwyzer 550 A. 7). I-471
εἷς, dor. ἧς f. μία, n. ἕν, Gen. ἑνός, μιᾶς usw. ‘einer’, — Urgr. *ἕνς (gort. εν[δ] δ- aus ἕνς δ-) aus *ἕμ-ς, idg. *sem-s mit dem schwundstufigen Fem. μίᾰ aus *sm-ii̯ə, ἑν-ός für *ἑμ-ός nach *ἕνς, ἕν. — Altes Zahlwort, u. a. in lat. sem-per ‘in einem fort, immer’, toch. B ṣe(me), A sas m. usw. (Einzelheiten bei Pedersen Tocharisch 129f., v. Windekens Lex. étym. s. v.), germ. wahrscheinlich in got. sin-teins ‘täglich’ usw., arm. mi ‘unus, -a, -um’ (aus dem Fem. verallgemeinert). — Damit ablautend ὁμός, ἁ-, ἅμα (s. dd.) mit weiteren Ableitungen; zu bemerken noch ἴγγια· εἷς. Πάφιοι H. mit Gutturalsuffix wie in lat. singulī. — Weiteres mit Lit. bei Schwyzer 588, W.- Hofmann s. semel und similis (auch singulus), Pok. 902ff.; außerdem noch Hahn Lang. 18, 83ff. — Idg. *sem-s nicht mit Specht Ursprung 330 aus *se-mn-s. I-471-472
εἴσομαι 1. Fut., Aor. (ἐ)είσατο ‘sich in Bewegung setzen, sich beeilen’, auch mit Präfix: ἐπι- ‘auf etw. losfahren’, κατα- ‘hinab-’, μετ- ‘dazwischen fahren’ (Hom.). — Ursprünglich zu (ϝ)ί̄εμαι (Lit. bei Bechtel Lex. s. v.) und somit vielleicht als (ϝ)ί̄σομαι, ἐ(ϝ)ί̄σατο, (ϝ)ί̄σατο zu verstehen; der allmähliche Verlust des Digamma hat Anschluß an εἶμι ‘gehen’ begünstigt (Chantraine Gramm. hom. 1, 293 und 412). — Weiteres s. ἵ̄εμαι. I-472
εἴσομαι 2. Fut. ‘ich werde wissen’ s. οἶδα. I-472
εἴσομαι 3. in δια-είσεται (Θ 535) s. εἴδομαι ‘scheinen’. I-472
εἶτα, ion. mess. böot. εἶτεν; auch ἔπ-ειτα, ion. dor. ἔπ-ειτε(ν) ‘dann, darauf’. — Aus εἰ (s. d.) und einem adverbialen Element -τα, -τε(ν); ohne sichere außergriech. Anknüpfung; vgl. Schwyzer 629. I-472
εἴτε, dor. αἴτε, gew. verdoppelt εἴτε — εἴτε ‘sive — sive, sei es daß — oder daß, ob — oder ob’ (seit Il.). — Aus εἰ und dem enklitischen τε, s. d. I-472
εἴωθα, ἔωθα (zum Lautlichen Wissmann Münch. Stud. z. Sprachwiss. 6, 124ff.), lesb. εὔωθα, Plusquamperf. εἰώθειν, ion. ἐώθεα ‘bin gewohnt, pfiege’ (seit Il.), — altes intransitives Perfekt des Zustands. Als transitives Präsens mit durchgeführter Flexion (Aor. ἐθίσαι usw.) fungiert das denominative ἐθίζω (von ἔθος); über angebl. intrans. *ἔθω s. ἔθων. Unklar εὐέθωκεν· εἴωθεν (von *ἐθόω?, Bechtel Dial. 1, 88; 369), ἐθώκατι· εἰώθασιν H.; vgl. Schwyzer 775. Die Dehnstufe in urgr. *σέ-σϝωθ-α, woraus mit Hauchdissimilation εἴωθα usw., kehrt auch in dem ebenfalls alten γέ-γων-α ‘ich bin vernehmlich’ wieder. Primäre damit verwandte Verbformen sind weder im Griechischen noch in anderen Sprachen belegt. Die Dehnstufe (mit ē-Qualität) erscheint noch in ἦθος, die Hochstufe in ἔθος, s. dd. I-472
‘Εκάβη korinth. ϝεκαβα f., Gemahlin des Priamos (seit Il.); metonymisch = χοῖρος (Orph. Fr. 46; wegen der zahlreichen Abkommenschaft; vgl. Χσιρίλη s. χοῖρος). — Kurzform für *‘Εκαβόλος, s. ἑκηβόλος und Kretschmer Glotta 12, 104, Sohnsen Unt. 25f. I-472-473
ἑκάεργος Beiname des Apollon (Il. usw.), auch auf Artemis übertragen (Ar. Th. 972 [lyr.]). — Von den Alten als ‘fernschirmend’ oder ‘fernwirkend’ erklärt (ἑκάς und εἴργω bzw. ἔργον), aber vielmehr als ‘freiwirkend, freiwaltend’ zu verstehen, somit ein Bahuvrihi von *ἕκα aus *ϝέκᾰ, Adverb auf -ᾰ (σάφα usw.) zu ἑκών (s. d.), und ἔργον. — Ausführlich Bechtel Lex. s. v. m. Lit.; s. auch Schwyzer 439 A. 8. Vgl. ἑκηβόλος. — Außerdem erscheint ἑκα- in einigen EN, ‘Εκα-μήδη (Hom.), ‘Εκά-διος (Teos), ϝhεκά-δᾱμος (böot.), woraus durch Assimilation einerseits ϝεκέ-δᾱμος (thess.), anderseits ’Ακά-δημος att. (Schwyzer 226 u. 256, Lejeune Traité de phon. 208). I-473
ἑκάς, Adv. ‘fern, entfernt, entlegen’, lokal, auch temporal (vorw. poet. seit Il.); βεκάς (= ϝεκ.)· μακράν H. Komp. ἑκαστέρω, Superl. ἑκαστάτω Davon ἕκᾰ-θεν ‘von fern, aus der Ferne’ (poet. seit Il., späte Prosa; vgl. ἑκά-τερος), ἀφ-εκάς ‘entfernt’ (Nik.). — Bildung wie ἀνδρα-κάς ‘Mann für Mann’ (ν 14 u. a.) aus dem reflexiv-anaphorischen ἕ, ἑ (s. d.), also eig. ‘für sich’. Dasselbe Distributivsuffix liegt auch im Altind., z. B. śata-śáḥ ‘hundert für hundert, zu Hunderten’, vor; vgl. Schwyzer 630 m. A. 4, wo weitere Lit. — Unklar εκαδι (Dat., Dura, hell.) Ben. eines Grundstücks, s. Cumont Rev. de phil. 48, 104. I-473
ἕκαστος, ϝέκαστος (gort., el., nwgr., ark.) ‘ein jeder, jeder einzelne’ (seit Il.). Zahlreiche adverbiale Ableitungen: ἑκάστοτε ‘jedesmal’ (ion. att.), ἑκάστοθι ‘an jeder Stelle’ (γ 8), ἑκασταχοῦ ‘überall’ und mehrere andere Bildungen mit χ-Suffix, außerdem ἑκαστάκις ‘bei jeder Gelegenheit’ (kerk.) u. a. — Wahrscheinlich mit Wackernagel KZ 29, 144ff. (= Kl. Schr. 1, 647ff.; weitere Lit. bei Schwyzer 630 A. 4) aus *ἑκάς τις ‘jeder für sich’ (vgl. εἶς τις ‘unusquisque’); aus *ἑκάς τεο > ἑκάστου, *ἑκάς τῳ > ἑκάστῳ erwuchs im Anschluß an die Superlativa auf -ιστος ἕκαστος usw. — Zu ἕκαστος, das als ἕκα-στος zerlegt wurde, entstand ἑκάτερος (ion. att.), ϝεκάτερος (gort., delph.) ‘jeder von beiden’ (nach ἅτερος, πότερος u. a.) mit mehreren adverbialen Ableitungen, z. B. ἑκατέρωθεν, -ωθι, -ωσε (ion. att. usw.); besonders zu bemerken ἑκάτερθε(ν) ‘auf beiden Seiten’ (ep. seit Il.), nach ὕπερθεν, ἔνερθεν u. a. für das metrisch unbequeme ἑκατέρωθεν. Lit. bei Schwyzer 627f., Lejeune Les adv. grecs en -θεν 223f., Mastrelli Stud. itfilclass. 27, 8. [Zu ἕκαστος jetzt Lazzeroni Ann. di Pisa 2 : 25, 136ff.] I-473
‘Εκάτη f. volkstümliche Göttin kleinasiatischen (karischen) Ursprungs (Hes. Th. 411ff.; interpoliert; h. Cer. usw.), auch mit Artemis identifiziert (E. Supp. 676 [lyr.]); ausführliche Behandlung bei Nilsson Gr. Rel. 1, 722ff. Ableitungen: ’Εκαταῖος ‘zu H. gehörig’ (S., D. u. a.), auch ‘Εκατήσιος und ‘Εκατικός ‘ds.’ (spät); ‘Εκάταιον n. Bild der H., das vor den Häusern oder an den Dreiwegen aufgestellt wurde (Ar.), ‘Εκατήσιον ‘ds.’ (Plu.), ‘Εκατήσια n. pl. Hekate-Feier (Kos). Zahlreiche kleinasiat. EN: ‘Εκαταῖος, ‘Εκατήνωρ, ‘Εκατᾶς usw. (Bechtel Hist. Personennamen 150f.). — Eig. Beiname, durch Kürzung aus ἑκατηβόλος oder ἑκηβόλος (s. dd.) entstanden. I-473-474
ἑκατηβελέτης danach ἑκατηβελέτις (Theol. Ar.). Beiname des Apollon (Α 75, Hes. Sc. 100, h. Ap. 157; überall im Gen. -έτᾱο); — Entweder Zusammenbildung mit dem alten hochstufigen Aorist von βάλλω (so s. v.) oder (besser) für *ἑκατη-βελής mit erweiterndem -της wie in αἰει-γενέτης für *αἰει-γενής usw. nach Muster von den Zusammenbildungen ἀκαλα-ρρεϝέ-της (> ἀκαλαρρείτης), νεφελ-ηγερέ-τα usw., vgl. Schwyzer 451f. Eine Zusammenbildung mit βάλλω ist jedenfalls das synonyme ἑκατη-βόλος, dor. -ᾱ- (ep. lyr. seit Il.). Schon von den alten mit ἑκη-βόλος verglichen und entweder wie dies als ‘ferntreffend’ oder als ‘mit hundert Geschossen’ erklärt. Gegen die letztgenannte Erklärung, die von Wackernagel IF 45, 314ff. (= Kl. Schr. 2, 1254ff.) empfohlen wird (er übersetzt etwas abweichend: ‘hunderte treffend’), ist u. a. einzuwenden, daß man als Vorderglied unbedingt ἑκατομ- erwartet hätte, vgl. besonders das alte ἑκατόμ-βη. Die begrifflich sehr naheliegende und kaum abzuweisende Gleichsetzung mit ἑκη-βόλος nötigt allerdings zu der Annahme, ἑκατη-βελέτης, -βόλος seien aus metrischen Rücksichten künstlich erweiterte "Streckformen", evtl. unter Anlehnung an ἑκατόν. Eine dritte Möglichkeit wäre vielleicht, in ἑκατη-βόλος eine Kreuzung von ἑκη-βόλος und dem Apollonepithet Ἕκατος (Il.) zu sehen, das dann als Kürzung nicht von ἑκατη-βόλος sondern von ἑκη-βόλος zu gelten hätte (vgl. z. B. Ἴφι-τος für ’Ιφι-κράτης, -κλῆς u. a.). Abzulehnen Bechtel Lex. s. v.: ἑκατη- ein altes Abstraktum auf -τᾱ. — Nach v. Wilamowitz Glaube 1, 325 sind Ἕκατος, ‘Εκάτη aus einer kleinasiatischen Sprache geholt und von den Griechen zu ἑκατηβόλος, ἑκηβόλος volksetymologisch erweitert; gegen diese an sich überflüssige Annahme spricht u. a. das sicher griechische ἑκά-εργος. — Weitere Lit. bei Schwyzer 439 A. 8, außerdem Kretschmer Glotta 18, 235f. I-474
ἑκατόμβη f. Bez. eines großen, öffentlich dargebrachten Festopfers (ep. poet. seit Il.). Davon der Festname ‘Εκατόμβαια n. pl. (delph., arg.) mit dem Monatsnamen ‘Εκατομβαιών, -ῶνος (att. u. a.), auch ‘Εκατομβεύς (lak.); ‘Εκατόμβαιος Beiname des Zeus und des Apollon (H., EM). — Kollektives Bahuvrihi mittels eines ā-Suffixes (Schwyzer 450, Sommer Nominalkomp. 76) von ἑκατόν und der Schwundstufe von βοῦς, βο(ϝ)ός : *ἑκατόμ-βϝ-ᾱ. Ein Gegenstück dieser Bildungsweise bietet das Indoiranische, z. B. aind. śata-gu- ‘hundert Rinder besitzend’, wozu, evtl. durch *śata-gv-a- vermittelt, śata-gv-ín- ‘ds.’; mit thematischem Vokal im den als Nom. pr. gebrauchten Dáśa-gv-a-, Náva-gv-a- eig. ‘zehn bzw. neun Rinder besitzend’. — Seit alters u. zw. mit Recht wird ἑκατόμβη als ‘Opfer von hundert Rindern’ erklärt. Anders Thieme Studien 62ff.: ‘hundert Rinder gewinnend’ (scil. δαίς). Zum Lautlichen s. auch Wackernagel IF 45, 319 (= Kl. Schr. 2, 1259) m. Lit. — Nach ἑκατόμβη bildete man in der Spätzeit (Jul.) χιλιόμβη. I-474-475
ἑκατόν, ark. ἑκοτόν ‘hundert’. Als Vorderglied in zahlreichen Komp., z. B. ἑκατόμ-πεδος ‘hundert Fuß messend’ (seit Ψ 164; ausführlich darüber Sommer Nominalkomp. 28ff.); auch ἑκατοντα- (nach -κοντα-), z. B. ἑκατοντα-έτης ‘hundertjährig’ (Pi.). Abl. ἑκατοστός ‘der hundertste’ (ion. att.) mit ἑκατοστύς ‘die Hundert’ (X. u. a.); ἑκατοστή f. ‘Abgabe von 1 Prozent’ mit ἑκατοστ-ήριος, -ηρία, -ιαῖος, -εύω (att. usw.). — Aus aind. śatám, aw. satəm, toch. B känte, lat. centum, air. cēt, got. hund, lit. šim̃tas, aksl. sъto ergibt sich ein idg. *ḱm̥tóm, von dem sich ἑκατόν, ark. ἑκοτόν (darüber Schwyzer 88, 344) durch das anlautende ἑ- unterscheidet; es muß irgendwie mit ἕν ‘eins’ oder idg. *sm̥- (gr. ἁ-) zusammenhängen. Die ursprüngliche Form ist indessen in τετρακάτιοι usw. erhalten. — Das idg. Wort für ‘hundert’ ist wahrscheinlich aus einer Kollektivbildung von ‘zehn’, *dḱm̥-tóm, entstanden. — Weitere Einzelheiten mit Lit. bei Schwyzer 592ff., W.-Hofmann s. centum, WP. 1, 786, Pok. 192. I-475
ἐκεῖ (att., Hdt.), κεῖ (Archil., Herod.), κῆ (Sapph.) ‘dort’. Davon (ἐ)κεῖθι, κῆθι ‘ds.’, (ἐ)κεῖθεν ‘von dort’, (ἐ)κεῖσε ‘dorthin’. — Ausgang wie in πεῖ, πῆ ‘wo?’, τεῖ-δε, τῆ-δε ‘hier’ usw. (Schwyzer 549f.) und wie diese somit am ehesten als erstarrter Lokativ bzw. Instrumental aufzufassen. Zugrunde liegt eine deiktische Partikel, idg. *ḱe, *ḱi, die u. a. in lat. cĕ-do, hi-c, ci-s und mit pronominaler Funktion bzw. Flexion in heth. ki ‘dies’, lit. šì-s ‘dieser’ usw. vorliegt (ausführlich WP. 1, 452ff., W.-Hofmann s. -ce, Pok. 609f.; s. auch τήμερον); die jener-Deixis muß dann eine griechische Neuerung sein, vgl. zu ἐκεῖνος. Auch das anlautende ἐ- (vgl. ἐ-κεῖνος, ἐ-χθές) ist eine altererbte Demonstrativpartikel: osk. e-tanto ‘tanta’, russ. é-tot ‘dieser’, aind. a-sáu ‘jener’ (s. οὗτος; WP. 1, 98f., Pok. 283f.). — Brugmann Grundr.2 2 : 2, 323f., dem sich Schwyzer 613 anschließt, erwägt als Alternative, ἐκεῖ als Rückbildung aus ἐκεῖνος nach dem Vorbild *τε-ενος (dor. τῆνος) : τεῖ-δε zu erklären. I-475-476
ἐκεῖνος (att., ep., Hdt. usw.), κεῖνος (ep. ion. poet.), κῆνος (äol., dor.; dor. auch τῆνος) ‘jener, der dort’ (zum Gebrauch Schwyzer-Debrunner 208f.); mit deiktischer Endpartikel ἐκεινοσ-ί (att.). Adv. ἐκείνως, -νῃ; κήνο-θεν (Alk.), τηνῶθε(ν) (dor.) ‘ἐκεῖθεν’, Stoffadjektiv ἐκείν-ινος ‘aus jenem Material’ (Arist.). — Expressive Bildung, wahrscheinlich durch Zusammenrückung aus mehreren demonstrativen Elementen entstanden: *ἐ-κε-ενος (ἐ-κεῖ-ενος?); das Hinterglied auch in dem erstarrten ἔνη ‘der dritte Tag’ (s. d.), in aksl. usw. onъ ‘jener’, heth. eni-, anni- ‘jener’ usw. (Schwyzer 613, W.-Hofmann s. enim, WP. 2, 336f., Pok. 319f. mit weiteren reichhaltigen Literaturangaben); zu ἐ-κε- s. ἐκεῖ, das seine jener Deixis von ἐκεῖνος bezogen hätte. I-476
ἐκεχειρία, dor. ἐκεχηρία ‘Waffenstillstand, Ferienzeit’ (Th., Ar., att. Inschr. usw.). — Zusammenbildung aus ἔχειν χεῖρας mittels des abstraktbildenden Suffixes -ία (vgl. Schwyzer 441; zur Dissimilation ebd. 261). Davon, mit Ersatz von -ία durch -ο- in der Kompositionsfuge, ἐκεχειρο-φόρος ‘Überbringer einer ἐκεχειρία, Vermittler’ (Max. Tyr., Poll.). — Durch Rückbildung (vgl. s. βίβλος) entstand ἐκέχειρον, -χηρον n. ‘Reiseerstattung bei Überbringung eines Waffenstillstandes’ (hell.), auch ἐκεχείριον (hell.); in derselben Bedeutung noch die Hypostase ἐν-εκέχειρον, -χηρον (hell.); außerdem μετ-εκέχηρον ‘Zwischenraum zwischen zwei Ferienzeiten’ (Olympia 24a). — Zur Stammbildung vgl. Sommer Nominalkomp. 118f. I-476
ἑκηβόλος, böot. ϝεκαβόλος Beiname des Apollon, später auch der Artemis (S.), endlich auf verschiedene Gegenstände bezogen (poet. seit Il., sp. Prosa). Davon das Abstraktum ἑκηβολίη, -α (Ε 54 im Plur.; Kall., Str. u. a.) und das denominative ἑκηβολέω (Max. Tyr.). In derselben Funktion auch ἑκηβελέτης (Orph. Fr. 297, 11; vgl. ἑκατηβελέτης). — Durch metrische Dehnung in der Kompositionsfuge für *ἑκᾰ-βόλος, in der Antike zu ἑκάς gezogen und als ‘fernschießend, -treffend, Ferntreffer’ gedeutet (so noch Belardi Doxa 3, 203f.), aber wie ἑκά-εργος eher zu ἑκών als ‘nach Belieben treffend, treffsicher’; ἑκηβολίη somit eig. ‘Treffsicherheit’, pl. ‘zielsichere Geschosse’, aber wahrscheinlich schon vom Verfasser des Ε 54 als ‘Fernschüsse’ verstanden (Trümpy Fachausdrücke 114; s. auch Porzig Satzinhalte 204 und 210). Vgl. ἑκάεργος und ‘Εκάβη. I-476
ἕκηλος, dor. ἕκᾱλος ‘sorglos, nach Herzenslust, unbehelligt, ruhig’, daneben in derselben Bedeutung εὔκηλος, εὔκᾱλος (beide ep. poet. seit Il.). Davon ἑκηλία· φιλοτησία, εὐκαλία· ἡσυχία, εὐκαλεῖ· ἀτρεμίζει H. — Nicht sicher erklärt. Am ehesten mit Buttmann Lexilogus 1, 141 als *ϝέκᾱλος (= γέκαλον· ἥσυχον H.; zum Digamma auch Chantraine Gramm. hom. 1, 129f.) zu *ϝέκᾰ in ἑκά-εργος (s. d.) u. a. mit suffixalem -ᾱλος, -ηλος (Chantraine Formation 241f., Schwyzer 484), somit eig. "nach Wunsch". In εὔκηλος steckt gewiß keine schwache Nebenform (für *ὑκ- wie εὐρύς neben aind. urú- u. a.), sondern einfach eine volksetymologische Umbildung nach den vielen Komposita mit εὐ-; danach δύσκηλος, s. d. — Die semantisch ansprechende Anknüpfung an aind. úc-yati ‘Gefallen finden, gewohnt sein’, ókas- n. ‘gewohnter Aufenthalt, Behausung’ usw. (Persson Studien 7) erklärt die Form ἕκηλος nicht; ein zweisilbiges eu̯eq- ist eine leere Konstruktion. — Unrichtige "Wurzel"-Analyse bei Bechtel Lex. s. v. — Nach Fraenkel Lexis 3, 64ff. (wo weitere Lit.) sind ἕκηλος und εὔκηλος zwei verschiedene Wörter. I-477
ἕκητι, ἕκᾱτι ‘nach dem Willen, um willen, wegen’ (poet. seit Od.), ἀέκητι ‘gegen den Willen’ (Hom., Hes. Th. 529, B. 18, 9 [-ᾱ-], A. R.). — Zu ἑκα-, ἑκών bzw. ἀέκων mit unklarer Bildungsweise. Nach Leumann Hom. Wörter 251ff. wurde (θεῶν) ἀέκητι zuerst von einem Rhapsoden für (θεῶν) ἀεκόντων nach dem Gegenstück (θεῶν) ἰότητι geschaffen; im Anschluß daran entstand ἕκητι, das von der Odyssee aus in der dorischen und dorisierenden Chorlyrik, endlich auch in der Tragödie einen erweiterten Gebrauch fand. — Referat älterer Erklärungsversuche bei Leumann a. a. O. und Schwyzer 550 A. 8; s. auch Björck Alpha impurum 122f. I-477
ἔκπαγλος, -ως, -α Adv. ‘erschrecklich, erstaunlich, gewaltig’ (seit Il., fast nur poet.). Davon ἐκπαγλέομαι ‘staunen, sich höchlich verwundern’ (Hdt., Trag., auch sp. Prosa). — Durch Metathese ἐκπλαγότητα· ἐξαισιότητα H. — Aus *ἔκπλαγ-λος von ἐκπλαγ-ῆναι ‘erschrecken’ mit dissimilatorischem Schwund des ersten λ. Buttmann Lexilogus 1, 76. I-477
ἐκποδών ‘aus dem Wege, fort, fern’ (ion. att.). — Zusammenrückung aus ἐκ ποδῶν mit Akzentverschiebung (Schwyzer 389δ und 625 : 12; ältere Lit. bei Bq). Vgl. ἐμποδών. I-477
ἑκτικός ‘die ἕξις, d. h. den Zustand, die Körperbeschaffenheit, die Fähigkeit betreffend, zuständlich, gewohnheitsmäßig, gewandt’ (hell. u. spät); auch Ben. eines anhaltenden ("hektischen") Fiebers (Mediz.; vgl. Strömberg Wortstudien 85f.); davon ἑκτικεύομαι ‘von einem ἑκτικός (πυρετός) leiden’ (Alex. Trall.). — Von ἕξις, aber auch auf ἔχω (s. d.) beziehbar. I-477
ἐκτός (seit Il.), ἐχθός (lokr., delph.), [ἐ]κθός (arg.) Adv. und Präp. ‘außen, draußen, außerhalb, fern von’. Davon ἔκτο-θι ‘ds.’ (ep. seit Il.; nach οἴκο-θι u. ä.), ἔκτο-θεν (ep. poet. seit Od.), ἔκτοσ-θε(ν) (ep. ion. seit Il., sp. Prosa) ‘von außen, draußen, außerhalb’, ἔκτο-σε ‘heraus’ (ξ 277); — ἐχθο-δαπός ‘ausländisch, feindlich’ (Pergam. IIp, nach ἀλλο-δαπός; auch mit ἔχθος, ἐχθρός assoziiert?), ἐχδόσ-δικος δίκα ‘Prozeß gegen einen Ausländer’ (ark. IIIa; vgl. Schwyzer-Debrunner 538); — ἔχθοι ‘außerhalb’ (epid.; nach οἴκοι u. ä.), ἔχθω = ἔξω (delph.). — Nominalbildung ἐκτό-της, -ητος f. ‘das Fern-sein, Abwesenheit’ (Gal.). — Zu ἐκ nach ἐν-τός; ἐχθός aus *ἐκο-τός. Schwyzer 326 und 630, Lejeune Les adv. grecs en -θεν (s. Index). Vgl. zu ἐξ und ἐχθρός. I-478
Ἕκτωρ, -ορος m. Sohn des Priamos und der Hekabe, der größte Held der Troer (Il. usw.). Davon ‘Εκτόρεος ‘den Ἕ. betreffend’ (Il. usw.; äolisch?, Wackernagel Unt. 68f., vgl. Schwyzer 106 und 275); Patron. ‘Εκτορίδης Astyanax (Il. usw.). — Zu ἔχω und mit dem Nom. ag. ἕκτωρ (s. zu ἔχω) formal identisch. Nach der "Bedeutung" eines Eigennamens zu fragen, ist eigentlich immer zwecklos; vgl. zu dem vorliegenden Fall Fraenkel Nom. ag. 1, 14 A. 1. Gegen die Auffassung von Ἕκτωρ als Kurzname (Macurdy Class. Quart. 23, 23ff.) wendet sich Kretschmer Glotta 20, 230. I-478
ἑκυρός m. ‘Vater des Ehemanns, Schwiegervater’, ἑκυρά, -ή ‘Mutter des Ehemanns, Schwiegermutter’ (Il. u. a.). Denominativum böot. ἑκουρεύω ‘Schwiegervater sein’ (Korinn.). — Zu ὑκερός, -ά mit Vokalmetathese (Lydien) s. Schulze KZ 52, 152 (= Kl. Schr. 58). Alte Verwandtschaftsbezeichnung, die in mehreren Sprachen bewahrt ist: aind. śváśura- (aus *svaś- assimiliert), aw. xvasura-, lat. socer, germ., z. B. ahd. swehur, lit. šẽšuras (aus *seš assimiliert), idg. *su̯éḱuro-s m.; der ursprüngliche Anlaut läßt sich noch in φίλε (ϝh)ἑκυρέ Γ 172 verspüren (vgl. Schwyzer 304, Chantraine Gramm. hom. 1, 146); die Oxytonierung muß griechische Neuerung sein (nach ἑκυρά oder dessen Vorgänger, s. unten; vgl. auch πενθερός). — Zu ἑκυρά stimmt arm. skesur (aus [idg.] *ḱu̯eḱurā mit Assimilation für *su̯eḱ-); der ā-Stamm hat einen älteren ū-Stamm abgelöst, vgl. aind. śvaśrū́-, npers. xusrū, lat. socrus, kelt., z. B. kymr. chwegr, germ., z. B. ahd. swigar, aksl. svekry, idg. *su̯eḱrū́-s f. Eine andere Neubildung ist got. swaihro = anord. svǣra (ōn-Stamm), das wahrscheinlich ein neues Maskulinum, got. swaihra, nach sich zog. Auch in anderen Sprachen haben die Namen der Schwiegermutter neue Bezeichnungen des Schwiegervaters herbeigeführt, so am klarsten in arm. skesr-ayr eig. ‘Mann der Schwiegermutter’, kymr. chwegr-wn, nhd. Schwiegervater zu Schwieger(mutter); wohl auch in aksl. svekrъ. Die Oxytonierung in ἑκυρός wird dadurch leicht begreiflich. Offenbar hat im Leben der alten Großfamilie, namentlich für die junge Frau (vgl. Risch Mus. Helv. 1, 117), die Schwiegermutter eine wichtigere Rolle gespielt als der Schwiegervater. Die Frage ist somit berechtigt, ob nicht auch idg. *su̯éḱuros gegenüber *su̯eḱrū́s sekundär ist; eine Vermutung darüber bei Specht KZ 65, 193. — Das Wort enthält wahrscheinlich das Reflexivum *su̯e (vgl. zu ἀέλιοι); der Ausgang ist indessen dunkel. — WP. 2, 521f., W.-Hofmann s. socer, Vasmer Russ. et. Wb. 2, 588. Ältere Lit. auch bei Bq. I-478-479
ἐκ-φλῆναι intr. Aor. ‘hervorsprudeln, -quellen’ (E. Fr. 470). — Bildung wie das Oppositum ἀπο-σκλῆναι ‘vertrocknen’ zu σκέλλω, aber sonstige Formen unbekannt. Zu φλέω, φλύω; s. auch φελλός, φληνύω, φλήναφος und ἐκ-φλυνδάνω. I-479
ἐκ-φλυνδάνω ‘hervorbrechen, sprießen’ (Hp. Int. 13, 46). — Expressives Nasalpräsens neben φλυδάω, φλύζω; s. φλύω. Vgl. Schwyzer 699. I-479
ἑκών (kret., lokr. ϝεκών), ἑκοῦσα (kyren. IVa ἑκασσα, kret. ϝεκαθ<θ>α in γεκαθά· ἑκοῦσα H.; ἀέκων, att. ἄ̄κων, ἀέκουσα, ἄ̄κουσα (dor. ἀέκασσα in <ἀέ>κασσα· ἄκουσα H.), ἀέκον, ἆκον ‘unfreiwillig, wider Willen, unabsichtlich’ (seit Il.).vgl. Leumann Hom. Wörter 252 m. Lit.), ἑκόν; ‘freiwillig, absichtlich’ Ableitungen: ἑκούσιος "zu einem Wollenden in Beziehung stehend", d. h. ‘aus freien Stücken, freiwillig’ (ion. att.) mit ἑκουσιότης ‘Freiwilligkeit’ (spät), ἑκουσιάζομαι ‘freiwillig opfern (geopfert werden)’ mit ἑκουσιασμός ‘freiwilliges Opfer’ (LXX); ἀεκούσιος, ἀκούσιος "zu einem Nichtwollenden in Beziehung stehend", d. h. ‘unfreiwillig, ungern, gezwungen’ (ion. att.; über den Unterschied zwischen den prädikativen ἑκών, ἄκων und den auch attributiven ἑκούσιος, ἀκούσιος Schwyzer-Debrunner 180 m. Lit.); — ἑκοντ-ί, -ήν, -ηδόν ‘freiwillig’ (nachklass.; Schwyzer 623), ἑκοντής m. ‘Freiwilliger’ (Epikt. u. a.), wie ἐθελοντής, vgl. Schwyzer-Debrunner 175 Zus. 1; — denominatives Ptz. ἀεκαζόμενος (Od., h. Cer.), nach ἀναγκαζόμενος (Wackernagel IF 45, 314 A. 2 = Kl. Schr. 2, 1254 A. 2). — Altes Partizipium (vgl. Wackernagel Syntax 1, 283 und 286), mit aind. uś-ánt-, f. uś-at-ī́ (: ἑκασσα aus *ϝεκ-ατ-ι̯ᾰ) bis auf den Stammvokal identisch (zum Spir. asper Schwyzer 227); die sekundäre griechische Hochstufe stammt aus einem im Griechischen verlorengegangenen Indikativ *ϝέκ-μι = heth. u̯ek-mi, aind. váś-mi ‘ich wünsche, verlange’ (griech. dafür βούλομαι, ἐθέλω u. a.). — Vgl. ἑκάεργος und ἕνεκα. I-479
>ἐλαίᾱ, att. auch ἐλά̄α, ion. ἐλαίη ‘der Ölbaum, die Olive’ (seit Od.), vereinzelt ἔλαιος (m.) ‘(wilder) Ölbaum’ (Pi. Fr. 46, S. Tr. 1197 u. a.); — ἔλαιον n. ‘Olivenöl, Öl im allg.’ (seit Il.); über das Wortpaar ἐλαία (-ος) : ἔλαιον, um den Baum bzw. das Produkt desselben zu bezeichnen, s. Wackernagel Syntax 2, 17, Schwyzer-Debrunner 30. — Die große wirtschaftliche Bedeutung des Öls und des Ölbaums hat zahlreiche Komposita, namentlich seit der hellen. Zeit, hervorgebracht. Als Vorderglied bezieht sich dabei ἐλαιο- nicht nur auf ἔλαιον, sondern auch auf ἐλαία, z. B. ἐλαιό-φυτος ‘mit Ölbäumen bepflanzt’ (A.). Als Hinterglied in Bahuvrihi, z. B. ἄν-ελαιος ‘ohne Öl, Oliven’ (Thphr., Str.); in Determinativa, z. B. ἀγρι-έλαιος = ἄγριος ἔλαιος (Thpr. usw.), χαμ-ελαία ‘Daphne oleoides’ (Nik. u. a.), vgl. Risch IF 59, 257, Strömberg Pflanzennamen 110; γλυκ-έλαιον ‘Süß-Öl’, ὑδρ-έλαιον "Wasseröl", d. h. ‘Öl mit Wasser gemischt’ (Kaiserzeit). — Ableitungen. Substantiva: 1. ἐλᾱΐς f., Akk. pl. ἐλᾷδας ‘Ölbaum’ (att.; vgl. Chantraine Formation 344), Deminutivum ἐλᾴδιον (-ίδιον) ‘kleiner Ölbaum’, auch (von ἔλαιον) ‘ein wenig Öl’ (Kom., Pap.); 2. ἐλαιών, -ῶνος m. ‘Olivenhain’ (LXX, Pap. usw.), ‘der Ölberg’ (NT, J.), Deminutivum ἐλαιωνίδιον (Pap.); 3. ἐλαιεύς ‘ds.’ (Chalkis; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 21f.). Adjektiva: 4. ἐλαίϊνος, ἐλά̄ϊνος ‘aus Olivenholz, zum Ölbaum, zur Olive gehörig’ (seit Il.), ‘aus Olivenöl’ (Orph. L. 717); 5. -ίνεος ‘aus Olivenholz’ (ι 320 und 394; metrisch bequeme Kontamination von -ινος und -εος, Risch Wortbildung 122, Schmid -εος und -ειος 38); 6. ἐλαϊκός ‘vom Ölbaum, Olivenöl betreffend’ (Aristeas, Pap. u. a.); 7. ἐλαιηρός ‘das Öl betreffend, ölig’ (Hp., Pl., Pap. u. a.; vgl. Chantraine 232); 8. ἐλαιώδης ‘ölig’ (Hp., Arist.); 9. ἐλαιήεις ‘zum Ölbaum gehörig, ölig’ (S., Nik. u. a.; zur Bildung Schwyzer 527). Denominative Verba: ἐλαΐζω ‘Oliven bauen’ mit ἐλαιστήρ, -τής ‘Olivensammler’ (Poll.) und ἐλαιστήριον ‘Olivenpresse’ (Mylasa); ἐλαιόομαι ‘geölt werden’ (Arist. u. a.) mit ἐλαίωσις (Zos. Alch.). Das aus dem Griech. entlehnte lat. olīva erweist eine Grundform *ἐλαίϝᾱ, woneben *ἔλαιϝον zu lat. oleum. Aus dem Latein stammen sämtliche europäische Formen (s. W.-Hofmann 2, 205f.). Für sich steht arm. ewɫ ‘Öl’, das zusammen mit ἐλαία, ἔλαιον aus einer unbekannten mediterranen Quelle (Kreta?, s. die Lit. bei W.-Hofmann s. v.) geholt ist. Ältere Lit. bei Bq. I-480
ἐλαίαγνος N. eines Strauches, Salix Capra (Thphr. HP 4, 10, 1; 2; böot.; ἐλέ- H.). — Determinativkompositum aus ἐλαία und ἄγνος (s. d.); vgl. Bechtel Dial. 1, 305 und Strömberg Theophrastea 72. I-480
ἑλάνη f. ‘Fackel aus Rohr, Rohrbündel’ (hell.); daneben ἑλένη· λαμπάς, δετή H., auch ‘geflochtener Korb, in dem die heiligen Geräte bei einem der Artemis Brauronia gewidmeten Feste, den sog. ‘Ελενηφόρια, getragen wurden’ (Poll.); dazu ἑλένιος· ἀγγεῖον χωροῦν τέταρτον H. — Unsicher der Pflanzenname ἑλένιον, s. ‘Ελένη. Zu ἑλάνη vgl. σκαπάνη, πλεκτάνη usw. (Chantraine Formation 199); zu ἑλένη höchstens ὠλένη, äol. φερενα; man hat deshalb progressive Assimilation aus ἑλάνη vermutet (Lit. bei Schwyzer 255f.). — In der Bedeutung ‘Rohrbündel, geflochtener Korb’ gehören ἑλάνη, -ένη offenbar zu εἰλέω ‘drehen, winden’ (s. d.); aber auch für die Bedeutung ‘Fackel’ ist diese Etymologie zutreffend, wie u. a. das synonyme δεταί ‘λαμπάδες, δράγματα’ erweist. Die Heranziehung von εἵλη ‘Sonnenwärme, -hitze’ (s. Solmsen Unt. 196), die auch semantisch nicht ganz ohne Bedenken ist, scheidet somit aus. I-481
ἐλάργει · ἔλαβεν, ἐπόρ<θ>ησεν, καθεῖλεν H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 35 Denominativum von *λαργός = lat. largus (?). I-481
ἐλασᾶς, -ᾶ m. "Treiber", N. eines unbekannten Vogels (Ar. Av. 886). — Bildung auf -ᾶς zu ἐλάσαι wie τρεσᾶς, χεσᾶς (Petersen Class. Phil. 32, 129); kaum zu *ἔλα-σος (Solmsen Wortforsch. 245, Fraenkel Nom. ag. 2, 15f., Schwyzer 461 m. weiterer Lit.). Vgl. auch ἐλέα, ἐλεᾶς. I-481
’Ελάστερος m. Beiname des Zeus (Paros Va, s. Nilsson Cults 163f.). — Vgl. ἐλατήρ als Zeusepithet (Pi. O. 4, 1, Kall. Jov. 3) und Formen mit anorganischem -σ- : ἐλασ-τής, ἐλάστωρ, ἐλαστός (s. ἐλαύνω). Dazu ’Ελάστερος wie ὀρέστερος neben ’Ορέστης, πενέστερος neben πενέστης? Dieselbe Bildung liegt offenbar auch in dem expressiven ἐλαστρέω ‘treiben’ (zu ἐλαύνω, ἐλάσαι, ep. ion. seit Σ 543; vgl. zu βωστρέω und Schwyzer 706) vor. Frisk bei Nilsson a. a. O. I-481
ἐλάτη f. ‘Fichte, Tanne’, meton. ‘Ruder, Kahn’ usw. (seit Il.). Davon ἐλάτινός (metr. gedehnt εἰλ-) ‘fichten-, tannen-, aus Fichten-, Tannenholz’ (seit Il.), ἐλατηΐς Adj. f. ‘fichtenähnlich’ (Nik.; zur Bildung Chantraine Formation 345f.). — Ohne überzeugende Etymologie. Semantisch am nächsten kommt das lautlich stark abweichende arm. eɫew-in ‘Zeder’, wozu russ. jálov-ec ‘Wacholder, Juniperus’; lautlich etwas besser stimmt dazu (wenn ἐλάτη aus idg. *e-ln̥-tā) russ. jelén-ec ‘Wacholder, Juniperus’, falls nicht aus jálovec durch Suffixübertragung entstanden. Lidén IF 18, 491ff., Vasmer Russ. et. Wb. 1, 395, Specht Ursprung 62. — Eine Grundform *e-ln̥-tā ließe sich auch mit ahd. linta ‘Linde’ usw. vereinigen (Bezzenberger BB 6, 240), das indessen auch ganz anders gedeutet werden kann (vgl. W.-Hofmann s. lentus). Noch anders >Mann Lang. 17, 20 (alb. lândë, lëndë ‘Holz, Material’), Machek Lingua Posnan. 2, 148; s. auch v. Windekens Le Pélasgique 63. Ältere Lit. bei Bq s. v., WP. 1, 152; 2, 437. I-481-482
ἐλαύνω, vereinzelt ἐλάω im Inf. ἐλάᾱν, Ptz. ἐλάων, Impf. ἔλων (Hom.), Ipv. ἔλα (Pi. u. a.), ἐλάτω, -άντω, -άσθω (dor. Inschr.) usw. (zur näheren Beurteilung Schwyzer 681f. m. Lit.), Aor. ἐλάσ(σ)αι, -ασθαι, Fut. ἐλάω, Perf. Med. ἐλήλαμαι (seit Il.), -ασμαι (Hp. usw.), Akt. ἐλήλακα (Hdt., att.), Aor. Pass. ἐλα(σ)θῆναι (Hdt., att., hell.) ‘treiben, stoßen, schmieden’, intr. ‘fahren, reiten, ziehen’ (zur Bedeutung im Epos vgl. Trümpy Fachausdrücke 95f., 115f.); oft mit Präfix: ἀπ-, δι-, εἰσ-, ἐξ-, ἐπ-, περι-, προσ- usw. Ableitungen. Nomina actionis: 1. ἔλασις ‘Zug, Heerzug, Ritt, Vertreibung usw.’ (ion. att.), oft zu den präfigierten Verba mit verschiedenen Sinnfärbungen: δι-, ἐξ-, ἐπ-, περι-έλασις usw. (Einzelheiten bei Holt Les noms d’action en -σις, s. Index); 2. vereinzelt ἐλασία ‘Ritt, Marsch’ (X. u. a.) mit ἀπ-, ἐξ-, ἐπ-ελασία (hell. u. spät), nach βο-ηλασία usw. (von βο-ηλατέω, -άτης), vgl. Schwyzer 468f., Chantraine Formation 83f.; 3. ἔλασμα ‘getriebenes Metall, Blech, Sonde’ (Ph. Bel., Gal. u. a.) mit ἐλασμάτιον (Delos IIa, Dsk. u. a.); 4. ἐλασμός = ἔλασμα, ἔλασις (Aristeas u. a.); 5. ἔλατρον ‘flacher Kuchen’ (Miletos Va u. a.), vgl. B. ἐλατήρ. Nom. agentis: 6. A. ἐλατήρ ‘Treiber, Wagenlenker’ (Il. usw.) mit ἐλατήριος ‘vertreibend’ (A. Ch. 968 [lyr.]), gewöhnlich ‘abführend, purgierend’, n. ‘Purgativ’ (Hp. usw.; vgl. Andre Les ét. class. 24, 41); B. ἐλατήρ ‘flacher Kuchen’ (Kom.); 7. ἐλάτης ‘Treiber’ (E. Fr. 773, 28 [lyr.] u. a.) aus βοηλάτης (mit βοηλατέω, -σία, vgl. oben), ἱππηλάτης u. a. Zusammenbildungen herausgelöst, Fraenkel Nom. ag. 2, 31f.; 8. ἐλάστωρ ‘ds.’ (App. Anth. 3, 175); 9. ἐλαστής ‘ds.’ (EM); 10. ἐλατρεύς· ὁ τρίτην πύρωσιν ἔχων τοῦ σιδήρου παρὰ τοῖς μεταλλεῦσιν H.; zur Erklärung Boßhardt Die Nomina auf -ευς 82f.; auch als EN (θ 111); vgl. Boßhardt 120. Verbaladj.: ἐλατός ‘geschmeidig, getrieben’ (Arist. usw.), ἐξ-ήλατος ‘getrieben’ (Μ 295; mehrere Zusammenbildungen wie ἱππ-ήλατος, θε-ήλατος (ep. ion., att.); ἐλαστός ‘ds.’ (Pap.). — Desiderativum ἐλασείω (Luk.), Iterativpräteritum ἐλάσασκεν (Β 199). — Zu ἐλασᾶς und ’Ελάστερος s. bes. — Sämtliche Formen gehen als primäre Bildungen auf ein zweisilbiges ἐλᾰ- zurück mit Ausnahme von ἐλαύνω, das als denominatives Jotpräsens ein Verbalnomen *ἐλα-ϝαρ, ἐλα-υν- voraussetzt (zu ἐλά-ω wie *ἀλε-ϝαρ, ἀλέ-(ϝ)ατα zu ἀλέω, s. d.), s. Benveniste Origines 112; ein Adjektiv *ἐλαΰς läßt sich schwerlich mit Schwyzer 521 A. 4 aus ἐλαύτατον· δεινότατον H. präsumieren. Eine andere Sekundärbildung ist ἐλαστρέω, das mit ’Ελάστερος zusammenhängt, s. d. — Eine sichere Entsprechung des zweisilbigen ἐλά-ω ist nirgends zu belegen. Arm. eɫanim ‘werden’ mit dem eigenartigen und offenbar alten Aorist eɫē (aus *eɫe-y) hat, von der abweichenden Bedeutung abgesehen, auch wegen des velaren ɫ, das eine Konsonantengruppe ln oder ls voraussetzt, auszuscheiden. Arm. elanem ‘ausgehen, hinaufsteigen’ mit dem Aorisz el-i gehört zu den Präsentia auf -anem (= gr. -άνω) und kann also schwerlich mit dem zweisilbigen ἐλά-ω direkt zusammenhängen. Für das keltische nā-Präsens air. ad-ellaim ‘hinzugehen, besuchen’, do-ellaim ‘devio, declino’ ist auch Anknüpfung an πίλναμαι stark zu erwägen. Die übrigen zahlreichen aus dem Keltischen herangezogenen Formen gehen alle von (p)el- aus. So muß man sich jedenfalls auf ein gemeinsames el- beschränken, das außer in den schon angeführten armenischen und keltischen Wörtern mit wechselndem Erfolg auch anderswo gesucht worden ist, s. ἰάλλω, ἐλεύσομαι und W.-Hofmann s. alacer, ambulō, exsul, proelium; außerdem WP. 1, 155f., Pok. 306f.; daselbst auch reichliche Literaturangaben. Vgl. auch zu ἄγω. — Kretschmer Glotta 12, 201; 13, 137 erwägt interjektivischen Ursprung. (lá, lá); vgl. dazu Fraenkel IF 59, 164f. I-482-483
ἔλαφος (vgl. Schwyzer-Debrunner 31) m. u. f. ‘der Hirsch, die Hirschkuh’ (seit Il.). Unter den Komposita ist zu bemerken ἐλαφη-βόλος (mit rhythmisch vorzuziehendem -η- für -ο-, Schwyzer 438f. m. Lit.) ‘Hirsche erlegend’ (Σ 319 u. a.) mit ἐλαφηβολία ‘Hirschjagd’ (S. u. a.), ἐλαφηβόλια (sc. ἱερά) n. pl. N. eines Artemisfestes (Phokis), wovon der Monatsname ‘Ελαφηβολιών (Vertrag bei Th. 4, 118 usw.). Als Hinterglied in Determinativkompp., τραγ-έλαφος ‘Bockshirsch’ (Ar., Pl. u. a.; vgl. Risch IF 59, 56), ἱππ-, ὀν-, ταυρ-έλαφος (Arist., hell. u. spät). Ableitungen: Hypokoristisches Deminutivum ἐλάφιον (Ar. Th. 1172 u. a.), ἐλαφίνης ‘junger Hirsch, Hirschkalb’ (Aq., H.; vgl. Chantraine Formation 203); ἐλαφῆ ‘Hirschfell’ (Poll.); ἐλαφίαι· οἱ τῶν ἐλάφων ἀστράγαλοι H.; ἐλαφίς N. eines Wasservogels (Dionys. Av. 2, 11); vgl. Thompson Birds s. v., der den Namen für eine volksetymologische Verdrehung des idg. Namens für ‘Schwan’ (s. ἀλφός) hält; ἐλάφειος ‘vom Hirsch, zum H. gehörig’ (X., Arist. usw.); ἐλάφειον und ἐλαφικόν als Pflanzennamen (Ps.-Dsk.), s. Strömberg Pflanzennamen 118, Wortstudien 50. — Zu Elaphe als N. einer Schlangenart und ngr. Dialektformen λαφιάτης usw. vgl. die Ausführungen von Georgakas Μνήμης χάριν 1, 119f., 124f. — Die Nebenform ἐλλός ‘Hirschkalb’ (τ 228, Ant. Lib. 28, 3), die (mit äolischer Lautentwicklung?) für *ἐλ-νος stehen kann (Lejeune Traité de phonétique 132, Schwyzer 284), läßt sich mit einer weitverbreiteten Benennung des Hirschs und der Hirschkuh direkt vereinigen: arm. eɫn, Gen. eɫin, lit. élnis, aksl. jelenь, kelt., z. B. kymr. elain, agall. Monatsname Elembiu (: ’Ελαφηβολιών?, s. Kořínek unten); zu bemerken auch ἔνελος· νεβρός H. (durch Umstellung aus *elen- ?); der daraus zu erschließende n-Stamm kann auch in ἔλαφος aus *eln̥-bho-s (vgl. aind. vŕ̥ṣan- : vr̥ṣa-bhá- und Schwyzer 495, Chantraine 263) vorliegen. Unklar toch. A yäl ‘Antilope, Gazelle’. Über die sehr fragliche Heranziehung von got. usw. lamb ‘Lamm’ s. zuletzt Kořínek Listy filol. 62, 280ff. — Weitere, ganz unsichere Anknüpfungen s. 2. ἄλκη ‘Elch’; s. noch Bechtel Lex. s. v., WP. 1, 154, Fraenkel Lit. et. Wb. s. élnis, Vasmer Russ. et. Wb. s. olénь m. älterer und neuerer Lit., Porzig Gliederung 210. I-483-484
ἐλαφρός ‘leicht, behend, schnell, gering’ (seit Il.). Als Vorderglied in ἐλαφρο-τοκία ‘niedriger Zinsfuß’ (Pergamon IIa) u. a. Ableitungen: ἐλαφρότης ‘Leichtigkeit, Schnelligkeit’ (Pl., Plu.); ἐλαφρία ‘Leichtigkeit, Leichtsinn’ (NT u. a.); ’Ελάφριος (μήν) Monatsname (Knidos); denominative Verba: 1. ἐλαφρίζω ‘erleichtern, verringern’, intr. ‘schnell sein’ (Archil., E., Kall. usw.); 2. ἐλαφρύνω ‘erleichtern’ (spät; nach βαρύνω; Debrunner IF 21, 84); 3. ἐλαφροῦται H. als Erklärung von ἀλεγύνεται. — Mit einem altgermanischen Wort, ahd. lungar, asächs. lungor ‘schnell’, ags. lungre Adv. ‘schnell, bald’ identisch (Fick 1, 537); idg. *ln̥guhros. Etwas abweichend Schwyzer 302 (aus lautlichen Gründen): ἐλαφρός aus *ἐλαχ-ρός = lungar und *ἐλαφός < *ἐλαχ-ϝός = lit. lẽngvas ‘leicht’ kontaminiert (?). Weiteres s. ἐλαχύς. Hierher auch nach Krahe Gymnasium 59, 79, Die Sprache der Illyrier 1, 94 der illyr. Flußname Lambros (Oberitalien) = ἐλαφρός. Haas Sprache 1, 54f. zieht noch heran den gallischen Göttinnennamen Alambrima und den franz. Bergnamen Alambre, Arambre (?). I-484
ἐλαχύς (Kall. Hek. 3 K.), ἐλάχεια (zum Akzent Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 115f. = Kl. Schr. 2, 1172f., Schwyzer 379; ι 116, κ 509 als v. l. zu λάχεια; vgl. Leumann Hom. Wörter 54; alexandr. u. sp. Epik), ἐλαχύ (AP); mask. auch ἔλαχος (Kall., vgl. Leumann a. a. O.); ‘’ Als Vorderglied in ἐλαχυ-πτέρυξ, [ἐλα]χύ-νωτος (Pi.). Komp. ἐλά̄σσων, -ττων (seit Il.), Sup. ἐλᾰ́χιστος (ion. att.). — Ableitungen. 1. Von ἐλάσσων, -ττων (mit Anschluß an die o-Stämme, Schwyzer 731f.): Denominativum ἐλασσόομαι, -ττόομαι ‘kleiner werden, den kürzeren ziehen, Schaden leiden’ (ion. att.), -όω ‘verringern, beeinträchtigen’ (Lys., Isok., hell.) mit ἐλάττωσις ‘Verringerung, Nachteil, Gebrechen, Verlust’ (Antipho Soph., Pl. Def., Arist. usw.) und ἐλαττωτικός ‘nicht auf seinen Rechten bestehend, verringernd’ (Arist. u. a.), ἐλάσσωμα, -ττωμα ‘ds.’ (D. usw.). 2. Von ἔλασσον-, -ττον- : ἐλαττον-άκις ‘wenigere Male, seltener’ (Pl., Arist., nach πλεον-ακις), ἐλαττον-ότης ‘das Wenigsein’ (Iamb.; neben μειζον-ότης); ἐλασσον-έω, -ττονέω ‘weniger haben oder geben, rechnerisch zurückstehen usw.’ (LXX, Pap.), ἐλαττον-όω ‘verkleinern’ (LXX). 3. Von ἐλάχιστος : ἐλαχιστ-άκις ‘am seltensten’ (Hp.), ἐλαχιστ-ιαῖος ‘von geringstem Maß, infinitesimal’ (Diog. Oen. 2). — Altes Adjektiv, mit aind. laghú-, raghú- ‘schnell, leicht, gering’, aw. ragu- ‘schnell’ identisch; das damit im Suffixwechsel stehende ἐλαφρός = ahd. lungar macht auch für ἐλαχύς, laghú- eine idg. Tiefstufe *ln̥guh-ú- wahrscheinlich. (Das ἅπ. λεγ. r̥hánt- RV 10, 28, 9 ist offenbar eine Augenblicksbildung nach dem Oppositum br̥hánt- : br̥hántam cid r̥haté randhayāmi.) Die entsprechende Hochstufe lengu̯h- findet sich dann sowohl im aw. Komp. rənǰyō (mit dem analogischen Superlativ rənǰišta-) wie in lit. lẽngvas und got. leihts ‘leicht’, falls, wie wahrscheinlich, aus urg. *linχta-, idg. *lengu̯h-to-. Diesen nasalisierten Formen stehen aber andere ohne Nasal entgegen, u. zw. mit ĕ-Vokal lat. lĕvis ‘leicht, gering, schnell’ (damit kann an und für sich aind. laghú-, aw. ragu- identisch sein), mit Reduktionsvokal aksl. lьgъ-kъ ‘leicht’, mit a-Vokal kelt., z. B. air. Komp. laigiu ‘kleiner, schlechter’, urkelt. *lag-i̯ōs (Positiv bec(c)). Eine Erklärung, die alle Schwierigkeiten behebt, ist noch nicht gefunden. Einzelheiten mit reicher Lit. und Referat abweichender Auffassungen bei WP. 2, 426f., Pok. 660f., W.-Hofmann s. levis, Fraenkel Lit. et. Wb. s. lẽngvas, Vasmer Russ. et. Wb. s. lëgkij (2, 24). — Die Vokallänge in ἐλά̄σσων ist sekundär, s. Schwyzer 538 m. A. 4 und Lit., außerdem Seiler Steigerungsformen 43f. Vgl. ἐλέγχω. I-484-485
ἔλδομαι, gew. ἐέλδομαι nur Präsensstamm ‘sich sehnen, wünschen, verlangen’ (ep. poet. seit Il.), ἐπι-έλδομαι (A. R. 4, 783). Davon ἐέλδωρ n. (nur Nom.-Akk.) ‘Wunsch, Verlangen’ (ep. seit Il.; ἔλδωρ Hdn., H.), auch ἐέλδω f. (Ibyk. 18; richtig?). Aus (ϝ)έλδομαι, ἐ-(ϝ)έλδομαι (Chantraine Gramm. hom. 1, 133 und 182). — Keine außergriechische Entsprechung. Durch Zerlegung in (ϝ)ἐλ-δ-ομαι (mit präsensbildendem -δ-, Schwyzer 701f.) wird Anschluß erreicht an lat. vel-le usw.; Näheres s. ἔλπομαι. Nicht mit van Blankenstein IF 23, 134f., Brugmann Grundr.2 2 : 3, 376 zu got. swiltan ‘hinsterben’ usw., s. WP. 1, 294. I-485
ἐλέα (Arist. HA 616b 13), ἔλεια (Kall. Fr. 100c 14), ἐλεᾶς m. (Ar. Av. 302; zur Bildung Schwyzer 461, Chantraine Formation 31); auch ἔλαιος m. (Alex. Mynd. ap. Ath. 2, 65b) f. Art (Sing)vogel, vielleicht ‘Teichrohrsänger, Salicaria arundinacea’, vgl. Thomson Birds s. w. — Bildung und Herkunft unklar. Man vergleicht seit Fick 1, 365, 2, 42 den latino-keltischen Namen des Schwans, lat. olor, air. elae, außerdem mit Lidén Arkiv f. nord. fil. 13, 30f. schwed. al(l)a, al-fågel ‘Fuligula glacialis’ u. a., s. WP. 1, 155, Pok. 304, Ernout-Meillet und W.-Hofmann s. olor mit Lit. und weiteren unsicheren Kombinationen. I-485-486
ἐλέατρος s. ἐλεόν. I-486
ἐλεγαίνειν = παραφρονεῖν, ἀσελγαίνειν, ἀκολασταίνειν (EM 152, 51; 327, 6). — Erinnert an λέγαι Attribut von γυναῖκες (Archil. 179), das zu λάγνος usw. gezogen wird, s. Solmsen Unt. 111 und W.-Hofmann 1, 759 m. weiterer Lit. Wahrscheinlich durch Volksetymologie nach ἔλεγος umgebildet, vgl. EM 327, 6: καὶ τὸ ἐλεγεῖον μέτρον ἀπὸ τούτου κληθῆναι τινὲς νομίζουσιν. I-486
ἔλεγος m. ‘Klagelied, Trauergesang mit Flötenbegleitung’ (vorw. poet. seit E., Ar.). Komp. ἰαμβ-έλεγος und ἐλεγ-ίαμβος Ben. zweier Verse (Gramm.), vgl. Risch IF 59, 284f. Ableitungen: ἐλεγεῖον Versmaß, ‘Distichon’, ein in diesem Versmaß abgefaßtes Gedicht, poet. ‘Inschrift’ überhaupt (att. usw.) mit ἐλεγειο-ποιός, -γράφος (Arist. u. a.); Deminutive ἐλεγ(ε)ίδιον und ἐλεγ(ε)ιδάριον (sp.); Adj. ἐλεγειακός (D. H., Ath.); auch ἐλεγεία (Str., Plu. u. a.) und, als Adjektiv, ἐλεγεῖον (δίστιχον, Ael.); — wahrscheinlich auch der Fischname ἐλεγῖνος (Arist. HA 610b 6), nach der Lautgebung, s. Strömberg Fischnamen 74 mit semantischen Parallelen. — Kleinasiatischer (phrygischer?) Herkunft, s. zuletzt Hommel RhM 88, 194. Verfehlt Theander Eranos 15, 98ff. (zu ἐλελεῦ, ὀλολύζω usw.) und Lagercrantz GHÅ 26 (1920) : 2, 68ff. (zu ἄλγος); vgl. Kretschmer Glotta 9, 228; 12, 220. Arm. eɫēgn ‘Rohr’ weicht semantisch von ἔλεγος stark ab. — Aus ἐλεγεῖον als LW lat. ēlogium (nach λόγος umgestaltet), W.-Hofmann s. v. I-486
ἐλέγχω, ἐλέγξαι (seit Il.), Fut. ἐλέγξω, Aor. Pass. ἐλεγχθῆναι mit ἐλεγχθήσομαι, Perf. ἐλήλεγμαι, 3. sg. -γκται (att.) v 1. ‘beschimpfen, schmähen, tadeln, zu Schanden machen’ (Hom.); 2. ‘beschämen, übertreffen, überführen, widerlegen, den Beweis führen, beschuldigen, zur Untersuchung ziehen, ausfragen’ (Hdt., Pi., att.); zur Bedeutung Daux REGr. 55, 252ff. Ableitungen. Zu 1: ἔλεγχος n. (wie ὄνειδος) ‘Schimpf, Schande’ (Hom., Hes., Pi.; vgl. Porzig Satzinhalte 263), im Plur. auch auf Personen bezogen, ‘Memmen’; ins Maskulinum umgesetzt ἐλεγχέες (Δ 242, Ω 239; nicht ganz sicher, s. Bechtel Lex. s. ἐλεγχής, Frisk GHÅ 41 [1935] : 3, 19f., Sommer Nominalkomp. 137); dazu der primäre Superlativ ἐλέγχιστος (Hom.; Seiler Steigerungsformen 83f.); von ἔλεγχος auch ἐλεγχείη ‘ds.’ (ep. seit Il.; vgl. zu ἔγχος und Porzig Satzinhalte 218). — Zu 2: ἔλεγχος m. (wie λόγος) ‘Überführung, Widerlegung, Beweismittel, -führung, Untersuchung’ (Hdt., Pi., att.); ἔλεγξις ‘Überführung, Widerlegung’ (LXX, NT, Philostr.) mit der scherzhaften Bildung ἐλεγξῖνος (D. L.; Wortspiel mit ’Αλεξῖνος; Chantraine Formation 204); ἐλεγμός ‘ds.’ (LXX, NT); ἐλεγκτήρ ‘der überführt’ (Antipho; ionisch?, Fraenkel Nom. ag. 2, 52); ἐλεγκτικός ‘zum ἐλέγχειν geeignet, geschickt’ (att. usw.). — Nicht sicher erklärt. Seit Pott oft zu ἐλαχύς gezogen, aber ebenso oft davon getrennt, s. Osthoff MU 6, 7ff. mit ausführl. Literaturverzeichnis. Semantisch lassen sich ἐλαχύς und ἐλέγχω ohne Zweifel wohl vereinigen: vgl. nhd. schmähen, mhd. smæhen ‘verächtlich behandeln’, ahd. smāhen ‘klein machen, verringern’, von smāhi ‘klein’; dazu nhd. Schmach, mhd. smāhe, smæhe ‘Beschimpfung, Schmähung’, Abstraktum zu mhd. smehe, ahd. smāhi. Ebenso aschwed. smæla ‘schimpfen’ aus mnd. smelen = nhd. schmälen zu schmal. Die in der klassischen Zeit herrschende juridische Bedeutung kann ebenfalls aus dem Begriff ‘verringern, (vor Gericht) übertreffen’ entwickelt sein. Lautlich setzt indessen diese Etymologie voraus, daß ἐλέγχω für *ἐλέμφω (idg. *lengu̯h-) sein χ aus ἐλαχύς, ἐλάσσων (< *ἐλάχ-ι̯ων), ἐλάχιστος bezogen hätte. Als primäres Verb wäre ἐλέγχω mit aw. rənǰaiti ‘macht leicht, flink’ formal identisch. — Nach Fick 1, 537 dagegen zu lett. langāt ‘schimpfen’, wozu nach Osthoff a. a. O. noch ahd. as. lahan ‘schmähen, schelten, tadeln’ u. a. (s. WP. 2, 436f.); nach Sturtevant Comp. gr.1 89, 2 58 zu heth. lingazi, li(n)kzi ‘schwören’. Pok. 676 erinnert außerdem zweifelnd an nur. lang ‘Scham, Betrug, Verrat’. Alles wenig überzeugend. I-486-487
ἑλεδώνη (ἐλ.) f. Art Tintenfisch (Arist. HA 525a 17 u. a.), vgl. Thompson Fishes s. v. — Bildung auf -ώνη (Pflanzennamen; auch χελώνη, γογγρώνη u. a.), sonst dunkel; ohne Zweifel Mittelmeerwort. I-487
ἑλεῖν Aor., Iterativ-präteritum ἕλεσκον ‘nehmen, in die Gewalt nehmen’, Med. ‘an sich nehmen, wählen’ (seit Il.). Oft mit Präfix: ἀφ-, ἀν-, ἐξ-, προ- usw. Als Vorderglied in ἑλέ-π(τ)ολις ‘Städte erobernd’ Bein. der Helena (A. Ag. 689 [lyr.] u. a.), auch N. einer Belagerungsmaschine (Ph. Bel. u. a.); ἑλένα<υ>ς (A. ibid.) mit Anspielung auf Helena. Daneben ἕλωρ n. (nur im Nom.-Akk. sg. und pl.) ‘Raub, Fang, Beute’ (vorw. ep. seit Il.); daneben als metrische Variante (Schwyzer 470) ἑλώριον ‘ds.’ (Α 4, A. R. 2, 264). Da an einigen Stellen die Prosodie anl. ϝ- zu erfordern scheint (anders Solmsen Unt. 251 A. 1), erwägt Chantraine Formation 219, Gramm. hom. 1, 152 Anknüpfung an ἁλίσκομαι, lat. vellō. — Neben dem. hochstufigen Wurzelaorist ἑλεῖν steht im Germanischen ein sekundäres Jotpräsens got. saljan ‘darbringen, opfern’, anord. selja ‘übergeben, verkaufen’, ahd. sellen ‘übergeben, überliefern’ usw. (wäre gr. *ὁλέω) mit den postverbalen Nomina anord. sal(a) ‘Übergabe, Verkauf’, ahd. sala ‘Übergabe’ usw. Wegen der Bedeutung wird es allgemein als Kausativ zu ἑλεῖν ("nehmen machen") aufgefaßt, was in keiner Weise notwendig ist, vgl. zu αἴνυμαι, außerdem z. B. anord. fā (= got. fahan) ‘nehmen’ und ‘geben’. Eine primäre u̯-Ableitung findet sich im Keltischen, z. B. air. selb f. ‘Besitz’ (idg. *sel-u̯ā). Aksl. sъlati ‘schicken, senden’ ist dagegen strittig, ebenso lat. cōn-silium, s. Vasmer Russ. et. Wb. s. slatь und W.-Hofmann s. v. — Als Suppletivverb zu ἑλεῖν fungiert αἱρέω (s. d.); s. auch zu ἀγρέω (s. ἄγρα). I-487-488
ἐλειός (ἑλ-) m. ‘Art Siebenschläfer, Haselmaus, Myoxus glis’ (Arist. HA 600b 12 u. a.); nach H. auch = εἶδος ἱέρακος (?). Daneben ὄλιος· σκίουρος, ἐλειός H., wozu unterital. oḍḍío usw. ‘Siebenschläfer, Haselmaus’; Rohlfs WB Nr. 621. — Herkunft unbekannt. I-488
ἐλελεῦ Wehruf (A. Pr. 877), Kriegsruf (Ar. Av. 364: ἐλελελεῦ), Ausruf im allg. (Plu. Thes. 22). Davon 1. ἐλελίζω, Aor. ελελίξαι ‘einen Wehruf oder Kriegsruf (ἐλελεῦ) erheben’ (Ar., E., X. u. a.); auch ἐλελύσδω (Sapph. 44, 31 LP; v. l. ὀλολύσδω). — Primäre Interjektion, vgl. ἀλαλά, -άζω (m. Lit.) und ὀλολύζω; dazu Schwyzer 716, Schwyzer-Debrunner 600f. I-488
ἐλελίζω 2. (h. Cer. 183, Pi. u. a.), gew. Aor. ἐλελίξαι, Pass. ἐλελιχθῆναι, 3. sg. Prät. ἐλέλικτο, Perf. Med. ἐλέλιγμαι (hell.) 1. ‘erschüttern’, Med.-Pass. ‘zittern, erschüttert werden’, 2. ‘herumdrehen, sich drehen’ (ep. poet. seit Il.). Als Vorderglied (vgl. Schwyzer 444 : 3) in ἐλελί-χθων ‘erderschütternd’ (Pi. P. 2, 4), ‘Erderschütterer’, Beiname des Poseidon (Pi. P. 6, 50), des Dionysos (S. Ant. 153); auch in ἐλελί-σφακος, -ον s. bes. — In die Aoristformen ἐλέλιξα, ἐλελίχθην scheinen zwei verschiedene Verba zusammengeflossen zu sein: 1. eine reduplizierte Bildung mit dem Präsens ἐλελίζω ‘erschüttern’; 2. ein augmentiertes *ἐ-ϝέλιξα mit dem Präsens (ϝ)ελίσσω ‘herumdrehen’ (s. d.). Das Präteritum ἐλέλικτο bezieht sich in Λ 39 auf eine Schlange und gehört somit als *ϝεϝέλικτο ‘ringelte sich’ zu 2; der Ausdruck ἔγχος ... σειόμενον ἐλέλικτο Ν 558 kann ebensogut die sich drehende oder wirbelnde wie die erschütternde oder zitternde Bewegung veranschaulichen. Da diese sich inhaltlich berührenden Verba schon vor dem Abschluß der epischen Dichtung mit einander vermischt wurden, ist eine reinliche Scheidung nicht mehr möglich. Vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 132, außerdem Bechtel Lex. s. ἐλελίζω. — Im Sinn von ‘erschüttern’ wird ἐλελίξαι, ἐλελίζω seit Fick 1, 421 mit aind. réjate ‘zittern, beben’, réjati ‘in (zitternde) Bewegung versetzen’, got. laikan ‘hüpfen, springen’, lit. láigyti ‘wild umherlaufen’ usw. verbunden (WP. 2, 399, Pok. 667f.); dabei wird vorausgesetzt, daß -ίξαι, -ίζω kein formantisches Element ist, sondern zur Wurzel gehört; sehr wohl möglich, aber nicht zwingend; vgl. die Zusammenstellung der betreffenden Verba bei Risch 257ff. Man hat dann von einem reduplizierten Aorist ἐ-λέ-λιξ-α auszugehen, wozu der Passivaorist ἐ-λελίχ-θην und das Präsens ἐ-λελίζω entweder mit Vokalprothese oder mit Verschleppung des Augments hinzugebildet wurden (vgl. Schwyzer 648). I-488-489
ἐλελίσφακος ἐλελίσφακον n. (Dsk.) m. (Thphr.), Art Salbei, ‘Salvia triloba’ (zum Genus vgl. zu διόσπυρον). — Eigentlich "Zittersalbei", zu 2. ἐλελίζω, wegen des zitternden Fruchtstandes (Strömberg Pflanzennamen 76); davon ἐλελισφακίτης (οἶνος; Dsk., Plin.; Redard Les noms grecs en -της 96). — Zu der apokopierten Form λελίσφακος (Dsk.) und ngr. ἁλισφακιά (nach ἅλς ‘Meer’) usw. s. Strömberg Wortstudien 44. I-489
ἔλεμος · σπέρμα ὅπερ ἕψοντες Λάκωνες ἐσθίουσιν H. — = ἔλυμος, s. d. Zum Vokalwechsel ε : υ vgl. Strömberg Wortstudien 46. I-489
‘Ελένη f. Tochter des Zeus und der Leda, Schwester der Dioskuren, Gattin des Menelaos (seit Il.). — Nilsson Gr. Rel. 1, 315 vermutet in Helena eine alte minoische Vegetationsgöttin, die mit dem Baumkultus verbunden war (anders v. Wilamowitz Glaube 1, 231 A. 1). Davon wahrscheinlich der Pflanzenname ἑλένιον (Thphr., Dsk. u. a.), s. Strömberg Pflanzennamen 130. — Ob Zusammenhang mit dem Appellativum ἑλένη (s. ἑλάνη) besteht, bleibt offen. Nach Grégoire BelgAkBull. 5 sér. 32 (1946) 255ff. ist ‘Ελένη, d. h. *ϝελένα aus *ϝενένα dissimiliert und mit lat. Venus usw. am nächsten verwandt. I-489
ἐλεόν (Ι 215, ξ 432 ἐλεοῖσιν, Ar. Eq. 152, 169 τοὐλεόν) n. ‘Tisch auf dem das gebratene Fleisch zerlegt wird’; ἐλεο-δύτης ‘Koch bei den delischen Opferfesten’ (Ath. 4, 173a: διὰ τὸ τοῖς ἐλεοῖς ὑποδύεσθαι διακονοῦντες ἐν ταῖς θοίναις). Davon ἐλέατρος ‘Trugseß, Steward’ (Pap. IIIa), εἰλέατρος (Pamphil. bei Ath. 4, 171b, metr. Dehnung?), eher -τρός mit Oxytonierung wie δαιτρός u. a. — Technisches Wort ohne Etymologie. Zur Bildung vgl. κολεόν, στελεόν, θυρεός u. a. (Chantraine Formation 51), zur Bedeutung Kuiper Glotta 21, 272ff. I-489
ἔλεος 1. (hell. auch n., vgl. Schwyzer-Debrunner 38 m. A. 2 u. Lit.) m. ‘Mitleid, Erbarmen’, nach Schadewaldt Herm. 83, 131ff. eher ‘Jammer, Klage, Rührung’ als ‘Mitleid’; Kritik bei Pohlenz ebd. 84, 49ff. (seit Il.). Als Hinterglied in νηλ(ε)ής, -ές ‘ohne Mitleid, erbarmungslos’ (ep. poet. seit Il.), wohl aus *νε-ελεής mit der idg. Satznegation *ne (vgl. zu ἀ-) und dem Hinterglied nach den s-Stämmen umgeformt, falls nicht von ἐλεέω (vgl. Schwyzer 513); daneben ἀν-ηλεής ‘ds.’ (And., hell.). Ableitungen: ἐλεόν als Adv. ‘erbärmlich’ (Hes. Op. 205), ἐλ(ε)εινός ‘Mitleid erregend, kläglich, mitleidsvoll’ (seit Il.), eher nach ἀλ(ε)γεινός und anderen Adj. auf -εινός (Chantraine Formation 195f.) als von dem erst spät belegten τὸ ἔλεος; ἐλεήμων ‘mitleidig, barmherzig’ (ε 181, att., hell.), zunächst von ἐλεέω (vgl. Chantraine 173), mit ἐλεημοσύνη ‘Mitleid’ (Kall.), ‘Almosen’ (LXX, NT); dazu mit innerer Kürzung ἐλεημο-ποιός ‘Almosen spendend’ (LXX); ἐλεητικός = ἐλεήμων (Arist.; ebenfalls von ἐλεέω). Denominative Verba: 1. ἐλεέω, Aor. ἐλεῆσαι ‘bemitleiden, sich erbarmen’ (seit Il.) mit ἐλεητύς = ἔλεος (ξ 82, ρ 451; versausfüllend?, Porzig Satzinhalte 182; Versuch einer semantischen Präzisierung Benveniste Noms d’agent 66); ἐλεήμων, ἐλεητικός s. oben; 2. ἐλεαίρω ‘ds.’ (ep. seit Il.; ἐλέηρα A. R. 4, 1308) nach ἐχθαίρω u. a. (Risch 249; nicht von *ἐλε-ϝαρ mit Benveniste Origines 112 und Schwyzer 724); βλεερεῖ· οἰκτείρει. Βοιωτοί H. ist aus ἐλεαίρει verderbt. — Ohne Etymologie. Interjektiver Ursprung (vgl. ἐλελεῦ, ὀλολύζω usw.) ist nicht ausgeschlossen (Pok. 306 m. Lit.). Ältere Lit. bei Bq. I-490
ἐλεός 2. m. eine Art Eule (Arist. HA 592b 11 u. a., s. Thompson Birds s. v.). — Unerklärt. Onomatopoetischer Ursprung liegt nahe; vgl. z. B. lat. ulula und ἐλελεῦ, ὀλολύζω. I-490
ἑλεσπίδας Akk. pl. A. R. 1, 1266, mit πίσεα koordiniert und als ‘Sumpffläche’ od. ähnl. erklärt. — Die Zerlegung in ἕλος ‘Sumpf’ und einem Wurzelnomen *σπίς (*ἑλε[σ]-σπίδ-), das mit σπίδιος, ἀσπιδής und sogar mit ἀσπίς (s. dd.) eng verwandt wäre, ist indessen morphologisch alles andere als befriedigend. Bechtel Lex. s. ἀσπίς, Schwyzer 507, W.-Hofmann s. spatium. — Unklar bleibt der Zusammenhang mit der Hesychglosse λέσπιν· μεγάλην, ὑδρηλήν. Δίδυμος τὴν καταδυομένην εἰς πέλαγος πέτραν. οἱ δὲ τὴν νοτεράν. ἄλλοι δὲ σπίδα (leg. λέσπιδα?) βαθεῖαν. οἱ δὲ λόχμην. I-490
ἐλεύθερος ‘frei, freier Mann’, im Gegensatz zu δοῦλος ‘Sklave’ (seit Il.). Vereinzelt als Vorderglied, z. B. ἐλευθερό-στομος ‘mit freiem Munde’ (A.); als Hinterglied u. a. in ἀπ-ελεύθερος ‘Freigelassener’ (att.), allgemein als postverbal zu ἀπ-ελευθερόω ‘befreien, zum Freigelassenen machen’ (Pl., Arist. u. a.) aufgefaßt, Schwyzer 421, Strömberg Greek Prefix Studies 39f. m. Lit. Ableitungen: 1. ἐλευθερία ‘Freiheit’ (Pi., ion. att.) mit ἐλευθεριωτικός ‘freiheitsverkündend’ (Him.); 2. denominative Verba: a. ἐλευθερόω ‘frei machen, befreien, frei lassen’ (ion. att.) mit ἐλευθέρ-ωσις, -ωμα, -ωτής; b. ἐλευθερεσθείς (thess., Schwyzer 736 m. Lit.); 3. ἐλευθέριος ‘nach Art eines Freien, freimütig, edel’ (ion. att.), auch als Beiname des Zeus (Pi., Hdt. usw.; wegen des Sieges über die Perser) mit ’Ελευθεριών Monatsname (Halikarnassos); davon ἐλευθεριότης ‘Freimütigkeit, Freigebigkeit’ (Pl. u. a.) und das Denominativum ἐλευθεριάζω ‘nach Art eines Freien reden und handeln’ (Pl. u. a.); 4. ἐλευθερικός ‘zum Freien gehörig’ (Pl. Lg. 701e neben δεσποτικός; 919e neben dem Bahuvrihi ἀν-ελεύθερος; vgl. Chantraine Études sur le vocab. gr. 146). Kret. ἐλούθερος beruht auf sekundärer Lautentwicklung (Schwyzer 194). — Fremden Ursprungs aber vielleicht nach ἐλεύθερος umgebildet und mit oppositivem Akzent der ON ’Ελευθεραί, woraus ’Ελευθερεύς als Beiname des Dionysos; vgl. zu Εἰλείθυια und ’Ελευσίς. — Myk. e-re-u-te-ro. — Altes Adjektiv, das auch auf italischem Boden belegt ist: lat. līber, -era, auch als Götternamen = venet. Louzera, pälign. loufir, osk. (Iúveis) Lúvfreis = (Iovis) Līberī; vgl. falisk. lōferta = līberta, alat. loebertāt-em = falisk. loifirtat-o; unsicher dagegen toch. A lyutāri ‘die Oberen, Aufseher?’ (Duchesne-Guillemin BSL 41, 181; vgl. Pedersen Zur tochar. Sprachgeschichte 29, Fraenkel IF 50, 15). — Auszugehen ist wahrscheinlich von einem alten Wort für ‘Volk’, das aber auf einem ganz verschiedenen Gebiet, im Germanischen und Baltisch-Slavischen heimisch ist: ahd. liut ‘Volk’, pl. liuti ‘Leute’, ags. lēod ‘Volk’, lit. liáudis ‘niederes, gewöhnliches Volk’, ksl., russ. ljudъ ‘Volk’, aksl. ljúdьje, russ. ljúdi pl. ‘Leute, Menschen’; idg. *leudh-o-, -i-; daraus anderseits burgund. leudis ‘der Gemeinfreie’, aksl. aruss. ljudinъ ‘freier Mann’; ἐλεύθερος, līber (aus idg. *leudh-ero-s) somit eig. ‘zum Volk (Stamm) gehörig’, im Gegensatz zu den unterworfenen Völkern. — Gegen die Auffassung Altheims (s. W.-Hofmann s. 3. Līber), der ital. Līber sei durch oskische Vermittlung von den Griechen entlehnt (: Ζεὺς ’Ελευθέριος, Διόνυσος ’Ελευθερεύς; aber s. darüber oben), s. v. Wilamowitz Glaube 2, 334 A. 2, außerdem Pisani Ist. Lomb. 89 (1956) 17f., der als Argument für die Bodenständigkeit des italischen Gottes mit Recht auf venet. Louzera (darüber auch Krahe Das Venetische 24) hinweist. — Reiche Literatur mit weiteren Einzelheiten bei W.-Hofmann s. 2. līber, 3. Līber und līberī, Fraenkel Lit. et. Wb. s. liáudis, Vasmer Russ. et. Wb. s. ljúd. S auch ἐλεύσομαι. I-491
ἐλεύθω, ἐλεῦσαι s. ἐλεύσομαι. I-492
’Ελευσίς, -ῖνος f. Stadt und Gemeinde westlich von Athen, in vorhistorischer Zeit selbständig, später (etwa am Ende des VII. Jhts. v. Chr.) in den athenischen Staat inkorporiert (seit h. Cer. 97); Lok. -ῖνι, mit Postpositionen -ῑνάδε, -ῑνόθεν (att.). Davon ’Ελευσίνιος (kret., ther. -σύνιος als Monatsname; vgl. Brause Lautlehre d. kret. Dialekte 14 A. 2) ‘eleusinisch’ (seit h. Cer. 266), n. N. des Demetertempels in Eleusis, n. pl. (lak. -hύνια) "die Eleusinien", ein Demeterfest. — Vorgriechische Siedelung mit undurchsichtigem, gewiß vorgriechischem Namen; vgl. Fick ON 83; zum Sachlichen Nilsson Cults 36ff. Vgl. zu Εἰλείθυια, auch ’Ελευθεραί (s. ἐλεύθερος). I-492
ἐλεύσομαι Fut. (ep. ion. trag. hell. u. spät), Aor. Ind. ἤλυθον (ep. lyr.), Perf. εἰλήλουθα (ep. mit metr. Dehnung für ἐλ-), Ptz. ἐ(ι)ληλουθώς (ep.), ἐλήλυθα (nachhom.), Plur. auch ἐλήλυμεν, -τε (att. Kom.), kyren. Ptz. κατ-εληλευθυῖα (Fraenkel Glotta 20, 88f.) ‘kommen, gehen’. Oft mit Präfix: ἀν-, ἀπ-, δι-, εἰσ-, ἐξ-, κατ- usw. Vereinzelte transitive (faktitive) Formen im Dorischen: ἐλευσίω· οἴσω H., Aor. 3 pl. ἐλεύσαν (Ibyk.), ἐπ-ελευσεῖ, ἐπ-ελεῦσαι (Gortyn) ‘bringen’. Als Präsens fungiert ἔρχομαι. Ableitungen: ἔλευσις ‘Ankunft’ (Act. Ap. 7, 52 u. a.), außerdem von den Komposita, meistens spärlich belegt, alle (hell. und) spät, z. B. συν-, ἐπ-έλευσις. Daneben das ältere und gewöhnlichere ἤλυσις ‘Gang, Weg’ (E.), ἐξ-, περι-ήλυσις (Hdt. u. a.) usw. (vgl. Holt Les noms d’action en -σις 58 u. 149) mit kompositioneller Dehnung (ἤλυσις nach den Komposita) und derselben Vokalstufe wie in den Zusammenbildungen νέ-ηλυς, -δος ‘neuangekommen’ (Il. usw.), ἔπ-ηλυς ‘eingewandert, Fremdling’ (Hdt., A., Th. usw., ἐπ-ηλύ-της Th. u. a.) u. a.; προσ-ήλυ-τος ‘hinzugekommen, Proselyt’ (LXX, NT) u. a.; dazu noch die Abstrakta ἐπ-ηλυσίη (h. Hom.), κατ-, συν-ηλυσίη (hell. u. sp.). — Das semantisch und formal beste Gegenstück zu diesem wegen des Ablautwechsels altererbten Verb bietet das Keltische mit dem altir. Präteritum lod, luid ‘ich, er ging’ (aus *ludh-om, -et : ἤλυθον, -ε), lotar ‘sie gingen’ (*ludh-ont-r̥); formal ebenso gut aber semantisch weniger befriedigend ist der weitere Vergleich mit aind. ró(d)hati, germ., z. B. got. liudan ‘wachsen, in die Höhe steigen’ (wovon das alte Wort für ‘Volk, Leute’, ahd. liut usw.; s. ἐλεύθερος). In beiden Fällen ist anzunehmen, entweder daß -θ- (idg. -dh-) nicht nur in ἤλυσις, ἐλήλυμεν, -τε sondern auch in (νέ)-ηλυς, (προσ)-ήλυτος analogisch (nach ἐλεύ[θ]σομαι) weggefallen wäre (vgl. Schwyzer 704 A. 2, 769 A. 7 m. Lit.), oder daß der entsprechende Dental der keltischen, bzw. der altind. und germ. Formen eine sekundäre Erweiterung darstelle. Als möglich muß auch die Heranziehung von arm. eluzanem ‘hinaus-, hinaufbringen’ (fungiert als kausativ zu elanem, s. zu ἐλαύνω) betrachtet werden. Ob weitere Verwandtschaft mit ἐλαύνω (s. d.) vorliegt, bleibt offen. — WP. 2, 417, Pok. 306f. S. auch ἐλθεῖν. I-492-493
ἐλεφαίρομαι, Aor. Ptz. ἐλεφηράμενος etwa ‘betrügen, täuschen’ (Ψ 388, τ 565), auch etwa ‘schädigen, zerstören’ (Hes. Th. 330). — Bei H. auch aktive Formen (ἐλεφαίρειν, ἐλεφῆραι), mit (ἐξ)απατᾶν, βλάπτειν, ἀδικεῖν erklärt. Alter, spärlich belegter epischer Ausdruck mit schwankender Bedeutung, unklarer Bildung und unsicherer Etymologie. Der Ausgang -αίρω scheint mit einem r-Stamm in Verbindung zu stehen (*ἔλεφαρ?), könnte aber auch suffixal sein. Der Stamm kehrt im PN ’Ελεφ-ήνωρ wieder, der aber für *Ελεφηρ-ήνωρ mit dissimilatorischer Kürzung stehen kann (Sommer Nominalkomp. 170A.2). Aus dem Griechischen bietet das selbst dunkle ὀλοφώϊος ‘trügerisch, verderblich o. ä.’ eine annehmbare Anknüpfung, hinzu kommt lit. vìlbinti ‘locken, äffen, zum Besten haben’. WP. 1, 298 m. Lit., bes. Bechtel Lex. s. v., außerdem Schwyzer 724 m. A. 11 und Lit. I-493
ἐλέφᾱς, -αντος m. ‘Elfenbein, Elefantenzahn’ (seit Il.; vgl. Treu Philol. 99, 149ff.), ‘Elefant’ (Hdt., Arist. usw.), auch als Name einer Krankheit = ἐλεφαντίασις, s. Strömberg Theophrastea 193. Myk. e-re-pa, -to, -te usw. Als Vorderglied in beiden Bedeutungen, z. B. ἐλεφαντό-πους ‘mit elfenbeinernen Füßen’ (Pl. Kom. u. a.), ~ -μάχος ‘gegen Elefanten kämpfend’ (Str. u. a.). Ableitungen: Deminutivum ἐλεφαντίσκιον ‘junger Elefant’ (Ael.); Adj. ἐλεφάντινος ‘aus Elfenbein’ (Alk., att.), -ίνεος ‘ds.’ (poet. Inschr.; zur Bildung Chantraine Formation 203), ἐλεφάντ-ειος ‘zum Elefanten gehörig’ (Dsk., Opp.), -ώδης ‘elefantenartig’ (Mediz.), -ιωδής ‘aus Elefantenkrankheit leidend’ (Mediz.); Subst. ἐλεφαντιστής ‘Elefantentreiber’ (Arist.), auch ‘Schild aus Elefantenhaut’ (App.; Vorbild?), ἐλεφαντεύς ‘Elfenbeinarbeiter’ (Pap.). Denominativa 1. ἐλεφαντ-ιάω ‘aus Elefantenkrankheit leiden’ (Phld., Mediz. u. a.) mit -ίασις, auch -ιασμός (EM); 2. -όω ‘mit Elfenbeineinlagen versehen’ mit -ωτός (Inschr.). — Wie lat. ebur ist ἐλέφας (zur Bildung vgl. ἀδάμας ‘Stahl, Diamant’) ein Fremdwort. Das Endstück von ἐλέφας (vom ντ-Suffix abgesehen) erinnert wie lat. eb-ur an ägypt. āb(u), kopt. εβ(ο)υ ‘Elefant, Elfenbein’, aind. íbha- ‘Elefant’; die Anfangssilbe kehrt in hamit. eḷu ‘Elefant’ (woraus durch ägypt. Vermittlung [p- Art.] pers. pīl, arab. fīl) wieder; die Einzelheiten bleiben unklar. — Aus ἐλέφας lat. elephās, elephantus, daraus weiterhin die germanischen und romanischen Formen. W.-Hofmann s. ebur, Lokotsch Et. Wb. d. europ. Wörter or. Ursprungs Nr. 605, Mayrhofer Wb. s. íbhaḥ2, Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. ulbandus mit weiterer Lit. — Abzulehnen Kretschmer WienAkAnz. 1951 : 21, 307ff.: zu ἐλεφαίρομαι als "Schädling, Zerstörer" (urspr. auf das Mammut bezogen), s. Mayrhofer Stud. z. idg. Grundsprache 44f. I-493-494
ἐλθεῖν Aor. (seit Il.), Ind. ἦλθον, ep. lyr. auch ἤλυθον (s. ἐλεύσομαι), Konj. ἔλθω usw. ‘kommen, gehen’. Oft mit Präfix ἀν-, ἀπ-, δι- εἰσ-, ἐξ-, κατ- usw. Daneben dor. usw. ἐνθεῖν, s. d. — Wegen ihrer semantischen und funktionellen Identität können ἤλυθον und ἦλθον schwerlich voneinander getrennt werden. Da ἤλυθον auf das Epos und die Lyrik beschränkt ist und außerdem eine annehmbare idg. Etymologie hat, wird es allgemein als die ursprüngliche Form angesehen. Bei dieser Betrachtungsweise empfiehlt sich am meisten, mit Johansson IF 8, 182 ἦλθον als eine Mischbildung von ἤλυθον und ἦνθον zu betrachten. Ähnlich schlägt Wackernagel Dehnungsgesetz 3 (= Kl. Schr. 2, 899) als Hypothese vor, in ἦλθον eine Umbildung von ἤλυθον und *ἦρθον (zu ἔρχομαι, s. d.) zu sehen. Nach Schulze Jagić-Festschrift 343 A. 1 (= Kl. Schr. 75 A. 1) entstand dagegen ἦλθον aus ἤλυθον dadurch, daß der υ-Vokal von dem velaren λ "aufgesaugt" wurde, ein Vorgang der von Schulze selbst als eine "unter anderen Bedingungen unerhörte" Entwicklung bezeichnet wird. I-494
ἑλίκη 1. f. ‘Weide’ (IG 12, 864: hορος hελικης att.); nach Thphr. HP 3, 13, 7 arkad. = ἰτέα). Davon ‘Ελικών, -ῶνος (Hes. Op. 639 usw., ϝελ- Korinna) "Weidenberg, Viminalis" (Böotien) mit ‘Ελικών-ιος, f. -ιάς, -ίς (Υ 404 ‘Ε-ιος ἄναξ von Poseidon, s. v. Wilamowitz Glaube 1, 213 und 336 A. 2, Nilsson Gr. Rel. 1, 447 A. 6) Hes., Pi. usw.; zu ‘Ελικωνιάς als Pflanzennamen Strömberg Pflanzennamen 126. — Myk. e-ri-ka? — Böot. ϝελικών macht den Vergleich mit lat. salix hinfällig; dafür empfiehlt sich die Zusammenstellung mit einem alten westgermanischen Wort für ‘Weide’, ags. welig, asächs. wilgia, mhd. wilge. Zu ἕλιξ, s. d. Referat der früheren Diskussion bei WP. 1, 300f., Bq s. v. — Die Bedeutung von heth. u̯elku ist nicht näher bekannt (‘Gras’?). I-494
ἑλίκη 2. ‘Spirale, Schnecke’ s. ἕλιξ. I-494
ἑλίκωψ immer im Plur. Nom. od. Akk. -ωπες, -ωπας (Il., Versende), f. ἑλικῶπις, -ιδος (Α 98 κούρη, Hes. Th. 298 νύμφη; auch Sapph., Pi.). Beiwort der ’Αχαιοί, — Aus ἕλιξ (s. d.) und ὠπ- (zum Hinterglied Schwyzer 426 A. 4, Sommer Nominalkomp. 1), somit eig. ‘mit Augen die eine Windung bilden’, d. h. ‘mit gewundenen, gebogenen Augen’; wie das danach gebildete ἑλικο-βλέφαρος (h. Hom. 6, 19 usw.) als prägnanter Ausdruck für ‘schön gebogene, gewölbte Augen’ (vgl. H. ἑλικοβλέφαρος· καλλιβλέφαρος)? Bechtel Lex. mit Düntzer KZ 12, 17. Anders Prellwitz Glotta 15, 128ff.: "mit Locken versehen" (vgl. H. ἑλίκωπες· οὐλότριχες). — Die Deutung ‘mit rollenden = schnellbeweglichen (lebhaften) Augen’ (s. Bq; außerdem Brouzas ProceedAmPhilAss. 1930, S. XXVIIf.) geht, schwerlich richtig, von ἑλίσσω aus. Aus der alternativen Erklärung von ἑλίκωπες als μελανόφθαλμοι bei H. wurde ein Adjektiv ἑλικός = μέλας falsch erschlossen; so, außer H., Kall. Fr. 299 u. a., s. Leumann Hom. Wörter 152 A. 126 m. Lit. — Vgl. auch Grošelj Slavistična Revija 1954, 122f. I-494-495
ἕλῐνος m. f. ‘Weinranke, Weinstock’ (hell. und sp. Dichter). — Wie ἕλιξ, ἕλμις, ἑλένη u. a. zu 2. εἰλέω ‘drehen, winden’, zunächst von einem ι-Stamm, vgl. γέλιν (= ϝ-)· ὁρμιάν H. I-495
ἐλῑνύω, Aor. ἐλινῦσαι, Fut. ἐλινύσω ‘ruhen, rasten, mit etw. aufhören’ (ion. poet., sp. Prosa). Davon ἐλινύες f. pl. (ἡμέραι) ‘Feiertage’ (Plb. 21, 2, 1, = lat. supplicatio). — Unerklärt. Zahlreiche Vorschläge, alle ganz hypothetisch: zu λίναμαι, λιάζομαι (Prellwitz Et.Wb., Bq, Brugmann Grundr.2 2 : 3, 300, Schwyzer 693 m. A. 4); zu lat. lētum usw. (Scheftelowitz IF 33, 158); zu aind. iláyati ‘still stehen, zur Ruhe kommen’ (Persson Beitr. 2, 743); zu lit. ilsė́tis ‘sich ausruhen’ (Thurneysen KZ 30, 353, Bally MSL 12, 323). Vgl. die Kritik bei WP. 2, 388; außerdem 2, 394f., Mayrhofer Wb. s. iláyati (S. 92), Fraenkel Lit. et. Wb. s. il̃sti (S. 184 Sp. 2). I-495
ἕλιξ, -κος f. ‘Gewinde, Windung, gewundene Spange, Ranke, Locke, Spirale, Hebewinde’ (seit Il.); ep. poet. auch adjektivisch als Beiwort von βόες, später auch von anderen Gegenständen (ποταμός, δρόμος u. a.), vgl. unten. Als Vorderglied in ἑλίκ-ωψ (s. d.), ἑλικ-άμπυξ (Pi.), ἑλικο-στέφανος (B.) u. a., daneben, mit Beziehung auf ἑλίσσω, ἑλι- in ἑλί-τροχος ‘radwindend’ (A. Th. 205 [lyr.]); zu ἑλίχρυσος s. bes. Als Hinterglied u. a. in τετρα-έλιξ Art Distel (Thphr., H.), außerdem in ἀμφι-έλισσα, ep. Beiwort der νηῦς (Hom.), später auf andere Gegenstände (z. B. ἱμάσθλη) übertragen, eig. ‘eine ἕλιξ an beiden Seiten (vorn und hinten?) bildend, doppelt geschweift’. Ableitungen: ἑλίκη 1. ‘Weide’ s. bes.; 2. ‘Spirale, Schnecke’ (Arist. u. a.), auch Benennung des Großen Bären (wegen der kreisenden Bewegung um den Pol; vgl. Scherer Gestirnnamen 133, der es aber schwerlich richtig als Adjektiv ‘die sich im Kreise drehende’ auffaßt); 3. εἱλικόεις ‘mit Windungen versehen’ (Nik., Opp., Nonn.; metr. gedehnt). Denominatives Verb ἑλίσσω, -ίττω, ion. auch εἰλίσσω nach εἰλέω (nicht mit Solmsen Unt. 230ff. aus *ἐ-ϝελίσσω), Aor. ἑλίξαι, εἰλίξαι ‘eine Windung machen, winden, wälzen, herumdrehen’ (seit Il.); auch mit Präfix ἐν-, περι- u. a.; davon ἑλιγμός (εἰ-) ‘Windung, Wirbel’ (Hdt., X. usw.), ἕλιγμα (εἴ-) ‘Armband, Haarlocke usw.’ (Sapph. [?], Kom. u. a.), ἕλιξις ‘Rollbinde, Windung’ (Mediz.), ἑλικτήρ ‘Ohrgehänge’ (att.), -ελίκτης in Zusammenbildungen wie ἱμαντ-ελίκται ‘Riemendreher’ (Demokr.), s. Fraenkel Nom. ag. 1, 244; ἑλίγδην (εἰ-) Adv. ‘sich windend’ (A. u. a.). Vgl. 2. ἐλελίζω. — Bildung wie ἧλιξ, χόλιξ, δέλφιξ u. a. (Chantraine Formation 382f.) und somit wie diese wahrscheinlich zunächst von einem Nomen abgeleitet, das seinerseits zu dem primären εἰλέω (*ϝελ-νέ-ω) ‘drehen, winden’ (s. d.) gebildet wurde. — Das ep. Epithet ἕλιξ ist wahrscheinlich mit Bechtel Lex. s. v. und Risch 149 als ein verkürztes Kompositum (*ἑλικό-πους, -κραιρα?) zu verstehen. I-495-496
ἑλίτροχος s. ἕλιξ. I-496
ἑλίχρυσος auch -ον n. (vgl. zu βούτυρον) m., Pflanzennamen, ‘Heliochrysum siculum, Immortelle’ (Alkm., Ibyk., Kratin., Theok., Dsk.); daneben ἑλειόχρυσος (Thphr.). — Nach der goldgelben Blüte benannt (Strömberg Pflanzennamen 25). Wie z. B. ἑλειοσέλινον ist auch ἑλειόχρυσος als Zusammenrückung aus ἕλειος χρυσός (zu ἕλος) verständlich, u. zw. nach Muster von den Kompp. mit ἀγρι(ο)-, z. B. ἀγρι-έλαιος = ἄγριος ἔλαιος (darüber Risch IF 59, 257). In ἑλι- könnte eine weitere Kürzung nach ἄγρι-, αἰγι-, καλλι- und anderen Vordergliedern auf -ι vorliegen. Kaum mit Strömberg 153 Lehnwort. Die Alkmanstelle (16) hat kein Digamma; vgl. dazu Solmsen Unt. 146. I-496
ἕλκος n. ‘Wunde, Geschwür’ (seit Il.). Als Vorderglied in ἑλκο-ποιός ‘Wunden machend’ (A.) mit ἑλκοποιέω (Aeschin.). Ableitungen. Deminutivum ἑλκύδριον (Hp., Ar.; zum Suffix Chantraine Formation 72f.); ἑλκώδης ‘voller Geschwur’ (Hp., E., Arist. usw.), ἑλκήεις ‘ds.’ (Man.); denominative Verba: 1. ἑλκόομαι, -όω ‘schwären, eitern’, Akt. ‘verwunden’ (Hp., E., Arist. usw.; auch mit Präfix: ἀν-, ἀφ-, ἐξ-, ἐφ-, καθ-, προ-); davon (ἀφ-, ἐξ-, ἐφ-)ἕλκωσις ‘Eiterung usw.’ (Hp., Th., Thphr. usw.) mit ἑλκωτικός, ἕλκωμα ‘Wunde, Geschwür, verwundete Stelle’ (Hp., Thphr.) mit ἑλκωματικός; von ἐφελκόομαι auch ἐφελκίς ‘Wundschorf’ (Mediz.); 2. ἑλκαίνω ‘schwären, eitern’ (A. Ch. 843) mit dem postverbalen ἕλκανα· τραύματα H. (anders, nicht richtig, Benveniste Origines 16); auch ἑλκανῶσα· ἡλκωμένη ἢ ἡλκοποιημένη ὑπὸ πυρός H. (Schwyzer 700). — Altes Nomen, mit lat. ulcus (aus *elkos) ‘Geschwür’, aind. árśas- n. ‘Hämorrhoiden’ identisch. Der Spir. asper kann aus ἕλκω stammen. I-496-497
ἕλκω ‘ziehen, schleppen’ (seit Il.). Die außerpräsentischen Tempora zeigen drei verschiedene Bildungsweisen auf: 1. von einem erweiterten Stamm ἑλκη-: ἑλκήσω, ἑλκῆσαι, ἑλκηθῆναι (Hom.), wozu Ipf. εἵλκεον (Ρ 395; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 348; s. auch unten); 2. von ἑλκυ- (nach dem synonymen ἐρῠ́-σαι): ἑλκύσαι (Pi., att.), ἑλκυσθῆναι, εἵλκυσμαι (ion. att.), ἑλκύσω (Hp. u. a.), εἵλκυκα (D.); 3. von ἑλκ-: außer dem Fut. ἕλξω (A. usw.) nur die spät belegten ἕλξαι, ἑλχθῆναι; weitere Einzelheiten bei Schwyzer 721. Oft mit Präfix: ἀν-, ἀφ-, ἐξ-, παρ- usw. Als Vorderglied in den ep. Epitheta ἑλκε-χίτωνες, ἑλκεσί-πεπλος, danach ἑλκε-τρίβων (Pl. Kom.), ἑλκεσί-χειρος (AP); zu ἑλκε(σι)- Knecht Τερψίμβροτος 29. Ableitungen. 1. Von ἑλκ-: (ἔφ-)ἕλξις ‘das Ziehen, Schleppen’ (Hp., Pl. usw.) mit (ἐφ-)ἑλκτικός (Pl. usw.) und den Pflanzennamen ἑλξί̄νη, ἑλξῖτις ‘Winde usw.’ (Dsk., Ps.-Dsk., Redard Les noms grecs en -της 71 m. Lit.), auch ἑλκίνα (Ps.-Dsk. 4, 85; wahrscheinlich Akk.) direkt von ἕλκω, ebenso ἕλκιμος ‘ziehbar, dehnbar’ (Olymp. in Mete. 320, 27; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 76, wo ohne Not und wenig wahrscheinlich ein vermittelndes *ἕλκος ‘das Ziehen, Dehnen’ angesetzt wird); mit ο-Abtönung ὁλκός, ὁλκή usw., s. bes. 2. Von ἑλκη- die im allg. alten aber nur vereinzelt belegten ἑλκηθμός ‘das Fortschleppen, Fortschleifen’ (Ζ 465; vgl. Benveniste Origines 201, Porzig Satzinhalte 236f.), ἕλκημα ‘das Fortgeschleppte, die Beute’ (E. HF 568; Chantraine Formation 178), ἕλκηθρον ‘Pflugeisen’ (Thphr. HP 5, 7, 6; Strömberg Theophrastea 170); ἑλκητήρ ‘Zieher’ (AP 6, 297); ἑλκηδόν Adv. ‘ziehend, schleppend’ (Hes. Sc. 302). 3. Von ἑλκυ-, fast nur späte Wörter: (ἀφ-, ἐφ-, παρ-)ἕλκυσις ‘das Ziehen usw.’ (LXX, Aret. u. a.), ἕλκυσμα = ἕλκημα (Man.), auch ‘Schlacke’ (Dsk., Gal. u. a.), (ἐξ-, ἐφ-, δι- usw.) ἑλκυσμός ‘Anziehung usw.’ (Chrysipp., Mediz., Pap. u. a.); ἑλκυστήρ ‘Zieher’, ‘Instrument zum Ausziehen usw.’ (Hp. u. a.), ἕλκυστρον ‘Gerät zum Ziehen’ (Apollod. Poliork.); ἑλκύσιμος, ἑλκυστήριος (sp.); sekundäres Verb ἑλκυστάζω ‘schleifen’ (Ψ 187 = Ω 21), expressive Bildung am Versende, zunächst nach ῥυστάζω (Schwyzer 706, Risch 257). — Das thematische Wurzelpräsens ἕλκω hat kein genaues Gegenstück. Eine alte Iterativbildung liegt indessen vor in alb. helq, heq ‘ziehen, abreißen’, idg. *solqei̯ō; ein entsprechendes *ὁλκέω wird von Porzig Satzinhalte 236f. wegen ἑλκήσω, Ipf. εἵλκεον (für *ὁλκήσω usw. nach ἕλκω) erwogen; s. aber oben. Hinzu kommt toch. B sälk- ‘herausziehen, vorführen’ mit dem nasalinfigierten Präsens slaṅk-tär; außerdem die Nomina arm. heɫg ‘tardus, träge’ (a-Stamm; vgl. im übrigen gr. λευκός), lat. sulcus ‘Furche’ u. a., s. ὁλκός. — Vgl. zu ἄλοξ, außerdem Porzig Gliederung 172. I-497-498
ἑλλά · καθέδρα. Λάκωνες H. s. ἑδώλια. I-498
‘Ελλάς, -άδος ‘Hellas’, Land der Ἕλληνες (s. u.), Ben. einer Landschaft des südlichen Thessaliens (Il.), des griech. Festlandes, bisweilen im Gegensatz zum Peloponnes (seit Od.), auch auf das kleinasiat. Ionien ausgedehnt (seit Hdt.); — auch Adj. f. ‘hellenisch’ (γλῶσσα, πόλις usw.; Hdt., A. u. a.). Als Vorderglied in ‘Ελλαδ-άρχης (mit ἑλλαδαρχέω) ‘Führer der ‘Ε.’, N. des Vorsitzenden des achäischen Bundes, der delphischen Amphiktyonie und anderer Körperschaften (Kaiserzeit). Ableitung ‘Ελλαδικός ‘zu ‘Ε. gehörig’ (Xenoph., Str. u. a.). - Daneben Ἕλληνες, dor. -ᾱνες pl. ‘Hellenen’, N. eines thessalischen Stammes (Β 684), Ben. aller Griechen (seit Hdt.), ‘Heiden, Nicht-Juden’ (LXX usw.), im Sing. auch Adj. ‘hellenisch’ (Pi., A. u. a.). Als Vorderglied u. a. in ‘Ελλανο-δίκαι pl. "Hellenenrichter", Ben. der Kampfrichter bei den olympischen Spielen (Pi. u. a.), auch N. eines Kriegsgerichts in Sparta (X.); ‘Ελληνο-ταμίαι pl. Ben. der Schatzmeister des delisch-attischen Bundes (att.). Als Hinterglied in Πανέλληνες ‘Gesamthellenen’ (Β 530 neben ’Αχαιοί, Hes. Op. 528, Archil. 52, E., hell. u. spät); vgl. unten; φιλ-έλλην ‘Hellenenfreund’ (ion. att.), μισ-έλλην ‘Hellenenfeind’ (X. u. a.) usw. — Ableitungen: ‘Ελλήνιος, -ά̄νιος ‘hellenisch’ (Hdt., Pi., E. usw.), f. -ηνίς, -ᾱνίς (Pi., att.), ‘Ελληνικός ‘ds.’ (seit Hdt. u. A.; vgl. Chantraine Ét. sur le vocab. grec, s. Index); denominatives Verb ἑλληνίζω ‘griechisch sprechen’, auch trans. ‘hellenisieren’ (spät), mit ἑλληνισμός ‘griechische Ausdrucksweise’, auch im Gegensatz zu ἀττικισμός ‘attische Ausdrucksweise’ (hell. n. spät), ἑλληνιστής ‘der griechisch spricht’, Ben. eines griechisch sprechenden Juden (Act. Ap. 6, 1; Gegens. ‘Εβραῖος) usw.; -ιστί Adv. ‘auf griechisch’ (Pl., X. usw.). f. — Wie die meisten Länder- und Völkernamen sind ‘Ελλάς und Ἕλληνες ohne überzeugende Etymologie. — Als Bildung auf -άς (vgl. Τρωάς, Φθιάς, Λευκάς usw.; Schwyzer 507f., Chantraine Formation 356) setzt ‘Ελλάς zunächst ein Nomen voraus (Sommer Münch. Stud. z. Sprachwiss. 4, 1ff.). Auch für Ἕλληνες ist ein nominales Grundwort anzunehmen; die abweichende Betonung gegenüber ’Αθαμᾶνες, ’Ακαρνᾶνες, Δυμᾶνες usw., die übrigens auch bei Ἴωνες (s. d.) zu finden ist, wird gewöhnlich aus Παν-έλληνες (wie πάν-δεινος, παν-άγαθος u. a.) erklärt (aber Παν-αχαιοί Β 404 usw.!). — Neben Ἕλληνες steht Ἔλλοπες (wie Δρύοπες u. a.) in ’Ελλοπία N. der Umgegend von Dodona (Hes. Fr. 134, 1) und des nördlichen Euböa (Hdt. 8, 23); seit Arist. (Mete. 352a 34) galt das Gebiet von Dodona und das Acheloos-Tal als die Urheimat der Hellenen, die ἀρχαία ‘Ελλάς. Das gemeinsame Grundwort von ‘Ελλάς und Ἕλληνες findet sich anscheinend eben in ’Ελλοί (Pi. Fr. 59), nach H. = Ἕλληνες οἱ ἐν Δωδώνῃ, καὶ οἱ ἱερεῖς; es ist aber vielleicht nur eine Folge der Lesung σ’ ‘Ελλοί für Σελλοί in Π 234, s. Leumann Hom. Wörter 40. Es liegt indessen nahe, die Ἕλληνες auch mit den ebenfalls in Dodona sitzenden Σελλοί zu verbinden; dabei hätten Ἕλληνες und ‘Ελλάς ihr σ- durch griechische Lautentwicklung eingebüßt. — Im übrigen bleiben die Namen trotz vieler Erklärungsversuche dunkel, s. v. Wilamowitz zu Eur. Her. 1 A. 1, Güntert WuS 9, 132 (vgl. Kretschmer Glotta 17, 250), Chatzis (s. PhilWoch 58, 497), weitere Lit. bei Chantraine Formation 168 A. 1. Einzelheiten auch bei Schwyzer 77f. I-498-499
ἑλλέβορος, ion. ἐλ- m. ‘Nieswurz, Helleborus, Veratrum album’ (Hp., Ar., Thphr. usw.; zur Bed. Dawkins JournofHellStud. 56, 3f.). Als Vorderglied in ἑλλεβοροποσία ‘das Trinken von ἑ.’ (Hp.; von *ἑλλεβορο-πότης), ἑλλεβορο-σήματα Pflanzenname =- λειμώνιον (Ps.-Dsk. 4, 16); eig. Bahuvrihi: ‘Pflanze, die Helleborus-Symptome hervorruft’, Strömberg Wortstudien 51. Ableitungen: ἑλλεβορίνη ‘Herniaria glabra’ (Thphr., Dsk.), ἑλλεβορίτης ‘κενταύρειον τὸ μικρόν’ (Ps.-Dsk.), auch N. eines Weins (Dsk., Plin.), vgl. Redard Les noms grecs en -της 71 und 96; denominatives Verb ἑλλεβορίζω ‘mit Nieswurz behandeln, zur Vernunft bringen’ (Hp., D. u. a.) mit ἑλλεβορισμός (Hp.). — Wahrscheinlich als "von Hirschkälbern gefressen" zu ἐλλός (ἑλλός) und βιβρώσκω (s. βορά), s. Strömberg Wortstudien 48ff. mit ausführlicher Begründung und Kritik anderer Ansichten. Das ε in der Kompositionsfrage bleibt indessen trotz der von S. herangezogenen Beispiele auffallend. I-499
ἐλλεδανοί (-ά) pl. m. (n.) ‘Strohseile zu Garben, Garbenbänder’ (Σ 553, h. Cer. 456, Hes. Sc. 291; überall ἐν ἐλλεδανοῖσι; H., Suid. -οί, -ός). — Von äol. *ἐλλέω aus *ϝελνέω ‘drehen, winden’ (s. 2. εἰλέω) mit suffixalem -δανός, evtl. über *ἐλλεδών. Solmsen Unt. 244, Schwyzer 530 mit Lit. Gewisse Bedenken bei Chantraine Gramm. hom. 1, 131. I-499
ἔλλερα Beiw. zu ἔργα Kall. Fr. 434, nach Hes. ἐχθρά, πολέμια, ἄδικα, nach Suid. φόνια, χαλεπά, κακά; Einzelheiten bei Pfeiffer z. St. — Unerklärt. I-499
Ἕλληνες pl. s. ‘Ελλάς. I-499
‘Ελλήσποντος (seit Il.), m. in ältester Zeit Ben. der Propontis und der Dardanellen einschließlich eines Teils des äußeren sich nach dem Ägäischen Meere und dem Golf Melas hin öffnenden Meeres, seit dem 5. Jhdt. oft auf die Dardanellenstraße eingeschränkt, s. V. Burr Nostrum mare (Würzb. Stud. z. Altertumswiss. 4 [1932]) 11ff. Komp. ‘Ελλησποντο-φύλακες Ben. der Zollbeamten am Hellespont; Ableitungen ‘Ελλησπόντιος, -ποντιακός, f. -ποντιάς ‘hellespontisch’, ‘Ελλησποντίας, ion. -ίης (ἄνεμος) N. des Nordostwindes (vgl. Chantraine Formation 95), alles ion.-att. — Die herkömmliche Erklärung als "Meer der Helle" wird von Kretschmer Glotta 27, 29 unter Heranziehung ähnlicher Fälle gegen Burr (s. oben) mit Recht verteidigt. I-500
ἔλλοψ, -οπος m. 1. poet. Beiwort von ἰχθῦς (Hes. Sc. 212), in dieser Funktion auch ἔλλοπος (Emp. 117) und ἐλλός (S. Aj. 1297, Ath. 277d); von κούρα (Theok. Syrinx 18); 2. poet. für ‘Fisch’ im allg. (Lyk., Nik., Opp. usw.); 3. Ben. eines großen, seltenen und kostbaren Fisches, der mit dem Stör verglichen oder sogar identifiziert wird (Arist.), in dieser Bedeutung gewöhnlich ἔλοψ geschrieben (Epich., Archestr., Plu., Ael. u. a.), lat. (h)elops; 4. Ben. einer Schlange (Nik. Th. 490). Denom. Verb ἐλλοπιεύω ‘fischen’ (Theok. 1, 42); zu bemerken noch ἐλλόπιδας Akk. pl. (Krat. 408 nach H.; -οδες EM 331, 53), nach H. u. a. = τοὺς στρουθοὺς ἢ νεοττοὺς ὄφεως; unklar ἀλλοπίης Beiwort von τράχουρος (Numen. ap. Ath. 7, 326a). — Von den Alten entweder als ‘stumm’ oder als ‘schuppig’ erklärt, ersteres mit ganz unmöglichen etymologischen Kombinationen. Die Bedeutung ‘schuppig’ verlangt als ursprüngliche Form ἔλλοπος aus *ἔν-λοπος, präpositionales Bahuvrihi von λοπός ‘Schale, Schuppe’; die abgekürzte Form ἔλλοψ wäre im Anschluß an andere Tiernamen auf -οψ (teilweise metri causa?) entstanden; eine neue analogische Kürzung (vgl. αἶθοψ : αἰθός) hätte endlich ἐλλός ergeben können. Zu erklären bleibt aber dann noch das einfache λ in ἔλοψ, lat. (h)elops; da diese Schreibung dem Worte in erster Linie als Bezeichnung eines bestimmten Fisches zuzukommen scheint, ist jedenfalls für ἔλοψ fremde Herkunft zu erwägen. Auch dt. Stör und lat. acipenser sind dem Ursprung nach unklar. Somit Kreuzung von einem fremden Fischnamen mit einem heimischen Adjektiv? — Vgl. Thompson Fishes s. v. und Strömberg Fischnamen 30f. I-500
ἐλλύτας (Thera), ἐλλυτίς (für -της?)· πλακοῦς τις H., εἰλύτας Akk. pl. (Böotien), ἐλύτης (Gramm.) Ben. eines Backwerks, ‘Kringel, Brezel’ o. ä. — Zu εἰλύω (s. d.), u. z. entweder vom Verbalstamm (ϝ)ελυ- oder vom Präsensstamm ϝελνυ- oder Perfektstamm ϝεϝλῡ- zu (ϝ)ελλυ-, (ϝ)ειλυ-. Anderer Versuch, mit den wechselnden Formen zurechtzukommen, bei Solmsen Unt. 240. S. noch Bechtel Dial. 1, 304. I-500-501
ἕλμις (Arist.), Gen. ἕλμινθος (wozu neuer Nom. ἕλμινς Hp.), auch ἕλμιγγος usw., daneben Akk. ἕλμιθα (epid.), Nom. pl. ἕλμεις (Dsk.) f. ‘Eingeweidewurm, Schmarotzerwurm’ (Hp., Arist., Thphr. usw.); neugr. Formen bei Rohlfs ByzZ 37, 56f. Als Vorderglied in ἑλμινθο-βότανον ‘Heilkraut gegen Würmer’ (Mediz.). Ableitungen: ἑλμίνθ-ιον (Deminutivum), -ώδης ‘wurmähnlich’, -ιάω ‘von W. leiden’ (Hp., Arist.). — Bei Abtrennung der sekundären Dental- und Gutturalerweiterungen (Schwyzer 510 und 498, Chantraine Formation 366 und 400) ergibt sich ein Wort, das im Ausgang mit zwei anderen Benennungen für ‘Wurm’ übereinstimmt. Eine von ihnen hat eine sehr weite Verbreitung mit Vertretern im Indoiranischen (z. B. aind. kŕ̥mi-), Albanesischen (krimp), Baltischen (z. B. lit. kirmìs), Slavischen (z. B. aksl. črъmьnъ ‘rot’ von *črъmь, slov. čr̂m ‘Fingerwurm, Karbunkel’), Keltischen (z. B. air. cruim). Die andere ist wesentlich auf das Latein (vermis) und das Germanische (z. B. got. waurms) beschränkt, hat aber Ableger im Baltisch-Slavischen (z. B. apr. vormyan ‘rot’, aruss. vermie ‘ἀκρίδες’) und im Griechischen (böot. EN ϝάρμιχος; vgl. noch, mit anderer Bildungsweise, ῥόμος· σκώληξ ἐν ξύλοις H.). Von diesen scheint idg. *qu̯r̥mi- sowohl wegen der großen Verbreitung, namentlich in den Randgebieten, wie wegen seiner etymologischen Undurchsichtigkeit das älteste zu sein (vgl. Porzig Gliederung 208f.). Das Reimwort *u̯r̥mi- kann durch Angleichung an ein verschollenes Verb *u̯er- ‘drehen, biegen’ (vgl. zu ῥόμος und ῥατάναν) entstanden sein. Eine weitere Neuerung hat das Griechische durch die Eingliederung in die in dieser Sprache stark vertretene Sippe u̯el- ‘drehen, winden’ (s. 2. εἰλέω) vorgenommen, die u. a. noch zwei Wörter für ‘Wurm’ enthält, εὐλή und ϝάλη (geschr. ὑάλη); aus Tocharisch A kommt noch hinzu walyi pl. ‘Würmer’. — Eine unklare Umbildung liegt in λίμινθες· ἕλμινθες. Πάφιοι vor. I-501
ἑλξίνη, ἑλξῖτις s. ἕλκω. I-501
ἕλος n. ‘feuchte Wiese, sumpfige Niederung, Marschland’ (seit Il.); nach H. ἕλη· σύνδενδροι τόποι (vgl. unten zur Etymologie). Als Vorderglied thematisch erweitert in ἐλεό-θρεπτος ‘auf feuchten Wiesen erwachsen’ (Β 776, Nik.; Beiwort von σέλινον), ἑλεο-σέλινον ‘Sumpfeppich’ (Thphr., Dsk.), auch ἑλειο- durch Zusammenrückung aus ἕλειον σέλ.; auch in ἑλειο-βάτης ‘durch Sümpfe gehend, in Sümpfen wohnend’ (A. Pers. 39 [anap.]) u. a.; von τὰ ἕλεια oder mit metrischer Dehnung; — mit Elision in ἑλεορέω ‘Wiesenaufseher (Waldaufseher? s. u.) sein’ (Erythrae IVa), von *ἑλεο-(ϝ)όρος. Unklar ἑλεσπίδας (s. d.); vgl. noch ἑλίχρυσος. Ableitungen: ἕλειος ‘sumpfig’ (ion. att.), ‘Ελεία Bein. der Artemis (Kos), ἑλώδης ‘sumpfig’ (Hp., Th. u. a.), ἑλείτης ‘in Sümpfen wachsend’ (Dion. Byz.), auch Bein. des Apollon (Kypros; vgl. Redard Les noms grecs en -της 12, 24, 208; zur Bildung noch Schwyzer 500 m. Lit.); ἑλει-ήτης (λέων Kall. Fr. an. 88). — Altererbtes Wort, mit aind. sáras- n. ‘Teich’ identisch, idg. *sélos; ἕλειος = aind. sarasíya-. Dagegen bleiben sowohl lat. silva wie ὕλη fern (trotz der Erklärung bei H. und trotz thess. ὑλορέων neben erythr. ἑλεορέων; dazu Wahrmann Glotta 19, 165); vgl. W.-Hofmann s. silva. I-501-502
ἔλπομαι, ep. auch ἐέλπομαι, Perf. (mit Präsensbed.) ἔολπα, Plusquamperf. ἐώλπει (für *(ἐ)(ϝ)ε(ϝ)όλπει, s. unten und Debrunner Mus. Helv. 2, 199, Chantraine Gramm. hom. 1, 479f. mit Add. et corr.) ‘erwarten, hoffen, meinen’ (ep. poet. seit Il., Hdt.); Akt. ἔλπω ‘hoffen machen’ nur β 91 = ν 380 πάντας μὲν (ϝ)έλπει. Als Hinterglied in dem negierten Verbaladjektiv ἄ-ελπ-τος ‘unerwartet, unverhofft, ohne Hoffnung’ mit ἀελπτ-ία, -έω (ep. ion. poet. seit Il.), auch ἀ-ελπ-ής (ε 408); als Vorderglied in ’Ελπ-ήνωρ (Od.; zur Bildung Schwyzer 441, zur Frage der "Bedeutung" Sommer Nominalkomp. 175 m. Lit.). Verbalnomina: 1. ἐλπωρή ‘Hoffnung’ (Od., A. R.; für -ωλή; vgl. Porzig Satzinhalte 235); 2. ἐλπίς, -ίδος f. ‘Erwartung, Hoffnung’ (seit π 101 = τ 84; vgl. Porzig 353; zur Bedeutung Martinazzoli Stud. itfilclass. 1946, 11ff.) mit εὔ-, ἄν-ελπις u. a.; denominatives Verb ἐλπίζω ‘erwarten, hoffen, meinen’ (ion. att.; kann auch Erweiterung von ἔλπομαι sein, vgl. Schwyzer 735 A. 4; ἐλπίς dann postverbal) mit ἐλπιστικός, ἐλπισμός, ἔλπισμα (Arist., hell. u. spät). — Zu ἐλπίς, ἔλπομαι usw. s. auch Myres ClRev. 63, 46. — Zu dem primären thematischen Wurzelpräsens (ϝ)έλπομαι, ἐ-(ϝ)έλπομαι (vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 133 und 182) und dem alten aktiven Zustandsperfekt (ϝ)έ(ϝ)ολπα bieten die anderen Sprachen kein Gegenstück; ein hierhergehöriges Verbaladjektiv wird aber in lat. volup(e) in volup(e) est ‘es ist mir angenehm’ (Kom.; davon volup-tas) vermutet, das dann mit unaufgeklärtem Sproßvokal idg. *u̯olp-i- oder *u̯l̥p-i- (vgl. τρόχις bzw. turpis und Brugmann Grundr.2 2 : 1, 167ff.), evtl. auch *u̯elp-i- vertreten muß. Aus dem Griechischen werden noch herangezogen ἄλπνιστος und ἁρπαλέος (s. dd.). — Neben ϝελπ- steht ϝελδ- in (ϝ)έλδομαι; beide können auf u̯el- in lat. vel-le, dt. wollen usw. (WP. 1, 294f.) zurückgehen. Der Dental mag präsensbildend sein; die Funktion des Labials bleibt unbekannt. I-502-503
ἔλπος · ἔλαιον, στέαρ, εὐθηνία; ἔλφος· βούτυρον. Κύπριοι H. Daneben ὄλπη ‘Ölflasche’ (Achae. [Va], Theok. usw.), ὄλπις, -ι(δ)ος f. ‘Weinkanne’ (Sapph.), ‘Ölflasche’ (Theok., Kall.); zur Bedeutung u. a. Bechtel Dial. 1, 123 und 209. — Keine Zusammensetzungen oder Ableitungen. — Altes Wort für ‘Fett, Schmalz’ u. dgl. Bis auf den Akzent und den Vokal der Endsilbe stimmt ἔλπος, wenn psilotisch für *ἕλπος, zu aind. sarpíṣ- n. ‘Schmelzbutter, Schmalz’ (unsichere Vermutung über den Stammwechsel bei Specht Ursprung 298). Toch. B ṣalype, A ṣälyp ‘Fett, Öl’ kann, obwohl im Auslaut nicht eindeutig, mit ἔλπος sogar identisch sein. Idg. *selp- liegt noch in alb. gjalpë ‘Butter’ vor. Zu ὄλπη stimmt bis auf den Akzent ahd. salba, ags. sealf ‘Salbe’ (idg. *solpā́; zu ἔλπος : ὄλπη vgl. z. B. τέγος : lat. toga); davon das denominative got. ahd. salbōn ‘salben’ usw. Zu ὄλπις vgl. das synonyme κάλπις; die Bedeutung von ὄλπη gegenüber germ. salbe ist bemerkenswert. — Für sich steht mit Schwundstufe aind. sr̥prá- ‘schmierig, schlüpftig, geölt’, wohl zunächst von einem r-Stamm. — Kypr. ἔλφος kann auf Hauchversetzung beruhen (Bechtel Dial. 1, 402); Bq erinnert an ἄλειφα neben λίπος. Nach Specht Ursprung 260 erklären sich ἔλπος : ἔλφος aus einem idg. Wechsel p ~ ph (?). I-503
ἐλύδριον n. = χελιδόνιον, ‘Schellkraut’ (Pap.). — Bildung auf -ύδριον (Chantraine Formation 72f.), wohl von ἕλος; somit nach dem Standort benannt. I-503
ἔλυμος 1. N. einer phrygischen Pfeife s. εἰλύω. I-503
ἔλυμος 2. f. (m.) ‘Hirse’ (Hp., Ar., hell. u. spät). Bei H. auch ἔλεμος· σπέρμα ὅπερ ἕψοντες Λάκωνες ἐσθίουσιν. Keine Komposita oder Ableitungen. — Kulturwort unbekannter Herkunft (vgl. Schwyzer 494). Die Zusammenstellung mit ὄλυραι ‘Speltkörner’, οὐλαί ‘geschrotetes Getreide’ (Fick) oder gar mit ἀλέω ‘mahlen’ (J. Schmidt KZ 32, 382) steht auf sehr schwachen Füßen, s. WP. 1, 89 Anm. 1. Weitere zweifelhafte oder unhaltbare Kombinationen bei Prellwitz und Bq s. v. I-503
ϝελχανος Beiname des Zeus auf Kreta (Inschr., H.). Davon das Fest ϝελχάνια pl. (Βελ-, Lyttos) und der Monat ’Ελχάνιος (Knossos, Gortyn), auch PN (Kypros). — Von Sittig KZ 52, 202 mit rät. velχanu- identifiziert; die große formale Ähnlichkeit mit dem lat. Feuergott Volcanus ist schon längst beobachtet. Einen Versuch, den italischen Feuergott aus dem kretisch-pelasgischen Vegetationsgott zu erklären, macht Kretschmer Glotta 28, 109f., 30, 172f. Forrer Rev. hitt. et as. 1, 144ff. will den ϝελχανος auf kleinasiatischem Boden in den angeblichen "Valḫanasses-Riesen od. -Götter" (immer ideographisch dGUL-šeš geschrieben) wiederfinden; die fraglichen Riesen sind aber vielmehr als Schicksalsgöttinnen aufzufassen; s. Friedrich Heth. Wb. 275 Sp.2 m. Lit. — Über Bedeutung und Herkunft dieses offenbar vorgriechischen Wortes ist nichts bekannt. Weitere Lit. bei W.-Hofmann s. Volcanus und bei Nilsson Gr. Rel. 323 A. 2. I-503-504
ἕλωρ, ἑλώρια s. ἑλεῖν. I-504
ἐμβάδες f. pl. N. sandalenartiger Schuhe aus Filz od. Leder (Hdt., Ar. usw.). Davon das Deminutivum ἐμβάδια pl. (Ar.) und ἐμβαδᾶς "Flickschuster" Spitzname des Gerbers Anytos (Kom.; Björck Alpha impurum 50). — Von ἐμβαίνω nach den Nomina auf -άς, -άδος wie z. B. δικλίδες (s. d.) von κλίνω; dazu Schwyzer 507. In ähnlicher Bedeutung auch ἐμβά-ται (X., Luk. u. a.). I-504
ἐμέ, enkl. με Akk. ‘mich’, ἐμοί (dor. phok. ἐμίν), enkl. μοι Dat. (auch Gen.) ‘mir’ (‘meiner’); dazu wechselnde Genetivformen: ion. usw. ἐμέο (hom. auch ἐμεῖο), ἐμεῦ, μευ, att. kontr. ἐμοῦ, μου; dor. auch ἐμέος, ἐμεῦς usw.; lesb. hom. usw. ἐμέθεν; weitere Formen bei Schwyzer 602. Pron. ‘mich, mir’ — Altererbtes Pronomen mit entsprechenden oder ähnlichen Formen in mehreren Sprachen: zu με vgl. lat. mē, aind. mā, got. usw. mi-k (nach ik ‘ich’; nicht = *μέ γε), idg. *mē̆; μοι = aind. mē, lat. mī (als Vokativ gebraucht), altlit. -mi usw.; ἐμέ, ἐμοί nach ἐγώ (wie arm. im ‘mei’ u. a.); ἐμίν nach ἁ̄μίν usw. Die Genetive sind alle Neubildungen: ἐμέο (woraus ἐμεῖο durch Analogie oder metr. Dehnung) nach τέο usw. (s. τίς), dazu ἐμέο-ς, ἐμέ-θεν (wie οἴκο-θεν usw.). — Durch Adjektivierung von ἐμέ usw. entstand das Possessivum ἐμός ‘meus’; ebenso aw. ma-, heth. -miš, lat. meus. — Einzelheiten mit reicher Lit. bei Schwyzer 601ff.; s. auch W.-Hofmann s. meus. I-504
ἐμέω, Aor. ἐμέσ(σ)αι (seit Il.), Perf. ἐμήμεκα (Hp., Luk. u. a.), Fut. ἐμέσω (Hp.), ἐμῶ, ἐμοῦμαι (att.), Präs. ἐμέθω (Hdn.) ‘sich erbrechen’. Mit Präfix ἀπ-, ἐξ-, ἐν-, ὑπερ- u. a. Verbalnomina: 1. ἔμετος ‘das Erbrechen’ (ion., Arist.) mit den Bahuvrihi ἀν-, δυσ-, εὐ-έμετος, -ήμετος (Hp. u. a.; auch, mit direkter Anknüpfung an ἐμέω, δυσ-, εὐ-εμής, -ημής), κοπριήμετος (Hp.); zu ὑπερεμέω : ὑπερέμετος (Hp.). Von ἔμετος : ἐμεσία ‘Neigung zum Erbrechen’ (Hp.), ἐμετ-ικός, -ώδης, -ήριος, -ιάω (Hp., Arist. u. a.). 2. ἔμεσις und 3. ἔμεσμα ‘ds.’ (Hp.). 4. ἐμίας "Speier" (Kom.; vgl. Chantraine Formation 93). — S. noch ἐμύς und περιημεκτέω. — Gegenüber dem zweisilbigen thematischen ἐμέ-ω steht im Aind. das ebenfalls zweisilbige athematische vámi-ti; auch in lat. vomit, vomimus u. a. (neben vomi-tus) können alte zweisilbige athematische Formen stecken, die indessen dann durch den Zusammenfall mit reg-i-mus als thematisch umgedeutet wurden. Nach Specht KZ 63, 213f.; 66, 211 trat ἐμέ-ω aus rhythmischen Gründen an die Stelle von *ἔμε-μι = vámi-mi ( ̆ ̆ ̆) nach ἐμέ-σαι ein. Die zweisilbige Wurzel wird noch durch lit. vémti (mit neugebildetem Jotpräsens vemiù) erwiesen. Die Sippe ist auch im Nordgermanischen, aber nur in übertragener Bedeutung, vertreten, z. B. aschw. vami m. ‘Ekel’. — Das Fehlen des Digamma bei Hom. ist nicht befriedigend erklärt. Specht KZ 59, 118f. vermutet mit L. Meyer Dissimilation aus ϝεμ-; Schwyzer 222 A. 5 ist geneigt, in ἐμέω ein Element der lebenden Sprache zu sehen, das sich der epischen Tradition entzogen hätte (vgl. ἱδρώς, auch δίφρος). I-504-505
ἔμμᾱνις s. μῆνις. I-505
ἐμμαπέως Adv. ‘sofort, rasch’ (ep. seit Il.). — Zu *ἐμμαπής ‘zugreifend’ von *ἐμ-μαπεῖν, s. μαπέειν. I-505
ἐμπάζομαι nur Präs. (und Impf.) ‘sich um etwas kümmern, auf etw. achten’ (ep. poet. seit Il., auch sp. Prosa; fast immer mit Negation); Akt. κατ-εμπάζω ‘ergreifen’ (ὁπόταν χρειώ σε κατεμπάζῃ Nik. Th. 695). — Ohne befriedigende Etymologie. Die formal naheliegende Anknüpfung an ἔμπης ‘jedenfalls usw.’ (s. d.) ist semantisch schwer zu begründen. Wegen des schwed. Ausdrucks für ‘auf etw. achten, sich um etw. kümmern’ fästa sig vid något eig. "sich an etw. feststecken, heften" könnte vielleicht ein ursprüngl. *ἐμ-πάγ-ι̯ομαι, zu ἐμ-πᾰγῆναι (ion. πᾰκ-τός, πᾰκτοῦν) ‘in etw. stecken bleiben’, Akt. ‘feststecken, -halten’ in Betracht kommen. — Jedenfalls nicht mit Lagercrantz KZ 34, 392ff. aus *ἔμπω zu μαπέειν ‘greifen’ (formal unmöglich). Unklar bleibt ἐμπαστῆρας μύθων· πιστωτάς, μάρτυρας H. I-505
ἔμπαιος 1. ‘erfahren, vertraut, geschickt’ (υ 379, φ 400; Lyk. 1321). — Nicht sicher erklärt. Nach Schwyzer 467 A. 6 und 620 von ἔμπης im hypothetischen Sinn von *‘voll verfügend’ (zu ἐμ-πάομαι, s. πάομαι). Ähnlich schon Collitz BB 18, 212 m. A. 2. Anders Lagercrantz KZ 34, 395; s. auch Sommer Lautstud. 80f. I-505
ἔμπαιος 2. ‘hereinbrechend’ (A. Ag. 187 [lyr.], auch Emp. 2, 2?). — Von ἐμπαίω ‘hereinbrechen’ (S. El. 902; s. παίω) mit Anschluß an die Komposita mit thematischem Hinterglied (Schwyzer 452 : 2). I-505-506
ἔμπεδος ‘fest stehend, unerschütterlich’ (seit Il.). Als Vorderglied u. a. in mehreren Eigennamen, z. B. ’Εμπεδο-κλῆς, s. Bechtel Hist. Personennamen 152f. Denominativum ἐμπεδόω (ἐμπεδέω Elis) ‘befestigen, bestätigen, unverbrüchlich halten’ (att. usw.) mit ἐμπέδωσις (D. H.). — Erweiterte Form ἐμπέδιος (Kyme). — Hypostase aus ἐν πέδῳ ‘im Boden (stehend)’; s. πέδον. I-506
ἔμπειρος ‘erfahren, kundig’ (ion. att.) mit ἐμπειρία, ἐμπειρικός und dem seltenen Denominativum ἐμπειρέω ‘erfahren sein’ (hell.); ἐμπειράομαι ‘erproben’ (Hp., Form und Bedeutung nach πειράομαι). Poetische Erweiterung ἐμπείραμος = ἔμπειρος (Lyk., AP u. a.; Vorbild?) mit der metrischen Variante ἐμπέραμος (Kall., poet. Inschr. u. a.). — Auch ἐμπερής (S. Fr.; nach ἐντελής usw.). — Bahuvrihikompositum von πεῖρα (s. d.) mit besitzanzeigendem ἐν-: ‘mit πεῖρα ausgerüstet’; Gegensatz ἄ-πειρος. Vgl. Strömberg Prefix Studies 115. I-506
ἔμπης, dor. ἔμπᾱς, auch ἔμπαν, ἔμπᾰ ‘jedenfalls, tatsächlich, durchaus, gleichwohl’ (ep. seit Il., Pi., Trag., sp. Prosa). — Herkunft unsicher. Nach Brugmann IF 27, 274ff. eig. Nom.-Akk. n. ‘Gültigkeit, Wirklichkeit, Wahrheit’, zu el. ἐμπάω (ἐμπῷ, ἐπ-εμπήτω) ‘(eine beschlossene Strafe) zur Geltung bringen, realisieren, vollstrecken’, πέπᾱμαι, πᾶς usw. Ähnlich Hirt IF 32, 221 und WP. 1, 366. — Die Gleichsetzung von ἐμ- mit idg. sem- in εἷς (Schwyzer 620) hat wenig für sich. — ἔμπᾰ wie ἠρέμᾰ, ἀτρέμᾰ; ἔμπαν (ᾱ od. ᾰ) wie ἅπαν (Brugmann a. a. O.); vgl. noch Björck Alpha impurum 123f. I-506
ἐμπίς, -ίδος f. ‘Stechmücke’ (Ar., Arist. u. a.). — Volkstümliche Rückbildung aus ἐμπίνειν ‘sich voll (von Blut) trinken’, vgl. z. B. δικλίδες zu κλίνειν. Strömberg Wortstudien 14 (s. auch Prellwitz Glotta 16, 153) mit ausführlicher Begründung. Ältere Deutungen, alle verfehlt, bei Strömberg und Bq. I-506
ἐμπλατία nur ark. ἰμπ- f. Ben. eines Kuchens (IG 5 [2], 4; IVa). — Wohl zu πλάτος ‘Breite’, zunächst als Abstraktum von ἐμπλατής (nur Anon. in Tht. 30, 1) oder mit Beziehung auf ἐμπλατύνειν ‘ausbreiten’ (LXX usw.). — Vgl. zu πέλανος. Eine ähnliche Bildung ist ἐπίπλατορ· πλακοῦντος εἶδος H. I-506
ἔμπλην Adv. 1. ‘nahe (da)bei’ (Β 526, Hes. Sc. 372, Lyk. 1029); 2. ‘außer’ (Archil., Kall., Nik.). — Verbindung von ἐν und πλήν, eig. Akk. sg. eines Wurzelnomens der Bed. ‘Nähe’, also eig. ‘in die Nähe (von)’, dann wie πλήν auch ‘außer’. Vgl. πλήν und Schwyzer 625. I-506
ἐμποδών Adv. ‘vor den Füßen, im Wege, hinderlich’ (ion. att.). Selten und spät ἐπ-, παρ-εμποδών. Als Vorderglied in ἐμποδοστάτης ‘der im Wege steht’ mit ἐμποδοστατέω (hell. u. sp.). Davon ἐμπόδιος ‘im Wege stehen’ (ion. att.); denominatives Verb ἐμποδίζω ‘im Wege stehen, verhindern’ (att.), selten ‘(die Füße) fesseln, binden’ (Hdt., A.) mit Beziehung auf πούς; davon ἐμπόδισις, -ισμός, -ισμα ‘Verhinderung, Hindernis’, -ιστής, -ιστικός; auch παρ-εμποδίζω (Luk.) mit παρεμποδισμός. — ἐμποδεῖαι pl. ‘Hindernisse’ (Epikur.) nach den Nomina auf -εία. — Analogiebildung nach dem Oppositum ἐκποδών, s. d. Nicht mit Brugmann4 452 aus ἐν ποδῶν ‘im Bereich der Füße’ (Gen. des örtlichen Bereiches). I-507
ἐμπολή (ark. ἰνπολα, IVa) f. ‘Handel, Handelsware, Kauf, Gewinn’ (Pi., att. usw.). Komp. ἀπεμπολή s. unten. Zu bemerken noch ἐμπέλωρος· ἀγορανόμος H. (wohl für ἐμπολ-; anders Chantraine, s. u.). — Davon ἐμπολαῖος ‘zum Handel gehörig usw.’, Bein. des Hermes (Ar. u. a.), ἐμπολεύς ‘Einkäufer’ (AP; vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 74). Denominatives Verb ἐμπολάω -άομαι, Impf. ἠμπόλων, Aor. ἠμπόλησα (ἐνεπόλησα Is.), ἠμπολήθην, Perf. ἠμπόληκα (ἐμπεπόληκα Luk.), ἠμπόλημαι ‘handeln, sich erhandeln, einkaufen, verkaufen, gewinnen’ (seit Od.). Auch mit Präfix: ἀπ-, δι-, ἐξ-, παρ-, προσ-. Ableitungen: ἐμπόλημα ‘Ware, Gewinn’ (S., E., Thphr.), (ἀπ-)ἐμπόλησις (Hp., Poll.), ἀπεμπολητής ‘Verkäufer’ (Lyk.); postverbal ἀπεμπολήν· ἀπαλλαγήν, πρᾶσιν, ἐμπορίαν H. — Neben ἐμπολάω auch das seltene (ἐξ-)ἐμπολέω ‘ds.’ (Herod., J. u. a.). Bildung wie ἐντολή, ἐντομή usw. und somit auf ein Verb *ἐμπέλω, -ομαι (bzw. mit einem besonders charakterisierten Präsens) zurückgehend. Zum Vergleich eignet sich in erster Linie das dehnstufige Iterativum πωλέω ‘verkaufen’. Auch ἐμπολάω könnte übrigens an und für sich als deverbativ erklärt werden, aber die augmentierten und reduplizierten Formen erweisen es als ein Denominativum, das das primäre Verb verdrängt hat. Immerhin hat ἐμπολάω, -άομαι sein Grundwort semantisch beeinflußt. — Die landläufige Anknüpfung an πέλομαι, -ω eig. ‘drehen, wenden, sich bewegen’ liegt formal sehr nahe und ist semantisch denkbar; ἐμπολή wäre dann eig. s. v. a. ‘Verkehr’. Anderseits besitzt das Idg. ein altes Wort für ‘verkaufen, verdienen usw.’, das in mehreren nominalen Ableitungen im Altindischen, Baltisch-Slavischen und Germanischen vorliegt, z. B. aind. paṇa- m. ‘Wette, Lohn’ (mit paṇate ‘wetten, einhandeln, kaufen’), lit. pel̃nas ‘Verdienst, Lohn’, ahd. fāli, ano. falr ‘verkäuflich, feil’; auch πωλέω wird hierher gezogen und somit von ἐμπολή getrennt, was, obwohl möglich, jedoch gewisse Bedenken erweckt. Eine sichere Entscheidung ist schwierig. Vgl. Schwyzer 720 A. 8. Ausführlich über ἐμπολή, ἐμπολάω Chantraine Rev. de phil. 66, 11ff. mit abweichendem Deutungsvorschlag (πελάζω, πέλας usw.). Ältere Lit. bei Bq. I-507-508
ἔμπορος m. ‘wer auf einem (fremden) Schiffe fährt, Passagier’ (Od.), ‘Reisender’ im allg. (B., Trag.), gew. ‘Kauffahrer, -mann’ (ion. att.; zur Bedeutungsabgrenzung gegenüber κάπηλος, ναύκληρος Finkelstein ClassPhil. 30, 320ff.). Zahlreiche Kompp., z. B. συν-, οἰν-, μικρ-έμπορος. — Ableitungen: ἐμπορία ‘(See-, Groß-)handel’ (seit Hes.), ἐμπόριον ‘Handelsplatz’ (ion. att.), ἐμπορικός ‘zum Kaufmann oder Handel gehörig’ (Stesich., ion. att.; vgl. Chantraine Ét. sur le vocab. grec 115); denominatives Verb ἐμπορεύομαι ‘ἔμπορος sein, reisen, Handel treiben’ (ion. att.), auch ‘überlisten’ (2 Ep. Pet. 2, 3), mit ἐμπόρευμα, -εῖον, -ευτικός. — Hypostase aus ἐν πόρῳ (ὤν), "auf der (Über)fahrt (seiend)"; s. πόρος und Porzig Satzinhalte 258. — Ngr. ἐμπορῶ ‘ich kann’ steht für εὐπορῶ, s. Hatzidakis Glotta 22, 131f. I-508
Ἔμπουσα Ben. einer volkstümlichen Spukgestalt (Ar., D.); vgl. Nilsson Gr. Rel. 725 und 817. — Unerklärt. Solmsen KZ 34, 552ff., dem sich Specht KZ 63, 221 anschließt, vermutet Zusammenhang mit κατ-εμπάζω, ἐμπάζομαι (s. d.); vgl. Chantraine Formation 269. Verfehlt Dumézil BSL 39, 100 (zu arm. ambewt ‘Maulwurf’). I-508
ἔμπροσθε(ν), ἔμπροσθα s. πρόσθεν. I-508
ἐμπυριβήτης, -ου m. ‘der im Feuer steht’, Ben. eines τρίπους Ψ 702. — Zusammenbildung aus dem Präpositionsausdruck ἐν πυρί und βῆ-ναι mittels des τη-Suffixes; vgl. Schwyzer 452. Dafür πυριβήτης Arat. 983, archaisierendes Simplex. — Zur Sache Bromner Hermes 77, 366f. I-508
ἐμύς, -ύδος f. ‘Süßwasserschildkröte’ (Arist.). — Zur Bildung Chantraine Formation 126 und 347; Herkunft unsicher. Vermutung bei Sommer Lautstud. 100: von ἐμέω wegen der Gewohnheit des Tieres, während des Aufenthalts unter dem Wasserspiegel beim Ausatmen beständig Luftbläschen an die Oberfläche steigen zu lassen. — Keltische Kombination bei Stokes BB 21, 132. I-508
ἔμφωτον (-ος) ‘Hohlraum’ (Hero Stereom. 1, 55). — Eig. ‘Lichtraum’, Hypostase oder Bahuvrihi von ἐν und φῶς; in derselben (oder einer ähnlichen) Bed. steht ebd. auch ἀήρ ‘Luft’. I-508
ἔν, ἔνι Adv. und Postposition, ἐν, poet. ἐνί Präposition, metr. gedehnt εἰν(ί), ark. kypr. kret. ἰν ‘darin, in’ (seit Il.); als Präp. gewöhnlich mit Dat. (Lok.), um die Ruhelage oder das erreichte Ziel zu bezeichnen; nwgr., el. ark. kypr. thess. böot. auch mit richtungsbezeichnendem Akk. (die übrigen Dialekte dafür ἐν + ς, s. εἰς). — Altes Adverb, in mehreren Sprachen als Adverb oder Präposition erhalten: alat. en (> in), osk.-umbr. en, germ., z. B. got. in, kelt., z. B. air. in, balt., z. B. apreuß. en, arm. i usw., idg. *en, *eni (wie ἔπι, πέρι u. a., mit dem Lok. auf -i identisch?), s. WP. 1, 125f., Pok. 311f.,W.-Hofmann s. 2. in mit weiteren Formen und Lit. — Ob im α copulativum auch ein schwundstufiges n̥- ‘darin, zusammen mit’ steckt (vgl. s. v. und zu ἀλέγω), ist unsicher; vgl. zuletzt, mit kühnen Hypothesen, Winter Lang. 28, 186ff. Einzelheiten mit reicher Lit. bei Schwyzer-Debrunner 454ff.; auch Porzig Satzinhalte 151ff. — Über ἔνι als Kopula (sicher erst vom V-VIp), woraus ngr. εἶναι (εἶνι, ἔνι usw.) ‘ist, sind’, Debrunner Mus. Helv. 11, 57ff. m. Lit. I-508-509
ἔναγχος Adv. ‘neuerdings, jetzt, vor kurzem’ (att.). — Von ἐν und ἄγχι, aber im einzelnen unklar. Zu ἐν- vgl. ἔμ-πλην, ἔμ-παλιν, ἔν-αντι u. a.; der Ausgang -ος erinnert an πάρος, ist aber nicht befriedigend erklärt. Nicht überzeugend Schwyzer 633 : aus *ἀγχος Gen. zu ἄγχι mit verstärkendem ἐν. I-509
ἐναλίγκιος s. ἀλίγκιος. I-509
ἔναντα, ἔναντι, ἐναντίος s. ἄντα und ἀντί. I-509
ἐναντίβιον Adv. ‘feindlich gegenüberstehend, entgegen’ (Hom.), -βιος Adj. (AP). — Aus ἐναντίον und ἀντίβιον gemischt (Leumann Hom. Wörter 338); letzteres eig. entweder aus *ἀντὶ βίης ‘der Gewalt entgegentretend’ hypostasiert oder als Bahuvrihi ‘mit der Gewalt gegenüber’; auch im Fem. ἀντιβίην (wie ἀμφαδίην u. a.) und als Adj. ἀντί-βιος (vgl. ἀμφάδιος). -Anders, schwerlich richtig, Leumann Hom. Wörter 206f. I-509
ἔναρα n. pl. ‘Waffen eines gefallenen Gegners’ (Il., Hes. Sc. 367, S. Aj. 177 [lyr.]). — Nicht sicher erklärt. Von Schwyzer IF 30, 440f. mit aind. sánara-, ἅπ. λεγ. (RV. 1, 96, 8) unsicherer Bedeutung, gleichgesetzt. Die weitere Anknüpfung an aind. sanóti ‘gewinnen’ (vgl. ἄνυμι) muß dabei für ἔναρα auf eine ursprüngliche Bed. ‘Gewinn, (Kriegs)beute’ führen. Auch frühere Forscher (Prellwitz, Bechtel Lex.) haben an Zusammenhang mit sanóti gedacht. Über den Vergleich mit mir. inar ‘Tunika’ (Pedersen) s. WP. 2, 5. — Zur Stammbildung (urspr. r-n-Stamm?) Schwyzer 518 m. Lit.; zur Bed. usw. auch Trümpy Fachausdrücke 86ff. S. auch ἔντεα. Als Vorderglied in ἐναρο-κτάντας, Beiwort des Todes (A. Fr. 151 [lyr.]), ἐναρη-φόρος ‘die ἔ. wegtragend’ (APl.); daneben ἐναρσ-φόρος Bein. des Ares (Hes. Sc. 192), auch Heroenname (Alkm.) mit σ vor der Kompositionsfuge nach ἐγχεσπάλος (Leumann Glotta 15, 155f., Schwyzer 336). Denominative Verba: 1. ἐναίρω, Aor. ἐναρεῖν (ἐξ- Hes. Sc. 329) eig. ‘die ἔ. wegnehmen’, euphemistisch für ‘erlegen, töten’ (poet. seit Il.); davon ἐναρί-μβροτος ‘Männer erlegend’ (Pi.; nach φθεισί-μβροτος); 2. (jünger) ἐναρίζω, Aor. ἐναρίξαι (poet. seit Il.; bei Hom. öfter ἐξ-; auch ἀπ-, ἐπ-, κατ-) ‘ds.’. I-509-510
ἐναργής, -ές ‘klar, sichtbar, erkennbar, leibhaftig’ (seit Il.); zur Bed. Mülder RhM 79, 29ff. Davon ἐνάργεια ‘Klarheit usw.’ (Pl., hell.), ἐνάργημα ‘äußere Erscheinung’, auch im Plur. -ήματα ‘erkennbare Tatsachen’ (hell.; zum Typus Chantraine Formation 190); auch ἐναργότης (Poll.); erweiterte Adj.-form ἐναργώδης (Aret.). — Bildungen wie ἐν-τελής zu τέλος erweisen für ἐν-αργής als Hinterglied einen σ-Stamm *ἄργος ‘Glanz’, der auch in ἀργεστής und ἀργεννός zu verspüren ist (s. 1. ἀργός und Schwyzer 512). Die Beurteilung von ἐναργής ist sonst strittig, aber am ehesten ist es als ein Bahuvrihi mit adverbalem Vorderglied zu verstehen: ‘mit ἄργος dabei, von Glanz umgeben’. Strömberg Prefix Studies 118f.; anders Sommer Nominalkomp. 108. S. auch Fraenkel Nom. ag. 1, 143, Specht Ursprung 345. I-510
ἐνάτηρ s. εἰνατέρες. I-510
ἐναυλίζομαι s. 2. ἔναυλος. I-510
ἔναυλος 1. m. ‘Flußbett, Gießbach’ (Il.); nachhom. ‘Höhle, Grotte, Schlucht’ (Hes., h. Ven. 74, 124, E. in lyr.), auch im Meer (Opp.). — Eig. ‘mit αὐλός (s. d.) versehen’, u. z. wie αὐλών ‘höhlenartige Gegend, Schlucht usw.’ von αὐλός im Sinn von ‘hohler Gegenstand, Röhre’; auf den nachhom. Gebrauch mag das anklingende αὐλή eingewirkt haben. Zur Bed. ‘Gießbach’ vgl. die analoge Entwicklung bei χαράδρα (eig. zu χέραδος). I-510
ἔναυλος 2. Attribut von στίβος als Gegensatz zu θυραῖος (S. Ph. 158 [lyr.]), also Hypostase von ἐν αὐλῇ (ὤν) ‘im Hofe befindlich, zu Hause’; auch als Attribut von λέοντες ‘in Höhlen wohnend’ (E. Ph. 1573 [lyr.]). — In derselben Bedeutung auch ἐναύλιος mit dem Subst. ἐναύλιον ‘Aufenthaltsort’ (hell. u. spät). — Dagegen ist ἐναυλίζομαι, -ω ‘sein Lager wo nehmen, übernachten’ (ion. att.) mit ἐναύλισμα, ἐναυλιστήριος (spät) eher als ἐναυλίζομαι zu verstehen; ebenso ἐν-αυλοστατέω ‘eine Hürde einrichten’ (SIG 685, 82, Itanos 139a: μήτε ἐννέμηι μήτε ἐναυλοστατῆι) neben αὐλοστατέω (Kreta IIIa). I-510
ἔναυλος 3. Adj. ‘mit Flöte versehen, auf der Flöte begleitet, in die Ohren klingend, in frischem Gedächtnis’ (att., hell. u. sp.). — Bahuvrihikomp. von αὐλός und adverbalem ἐν. I-510
ἐναυλοστατέω s. 2. ἔναυλος. I-510
ἐνδάπιος ‘einheimisch’ (hell. u. sp. Poesie, auch sp. Prosa). — Aus ἔνδον nach ἀλλοδαπός, τηλεδαπός u. a. erweitert mit gleichzeitiger Umbildung nach den Adj. auf -ιος (ἐντόπιος u. a.). Vgl. Schwyzer 625. I-511
ἐνδελεχής s. δολιχός. I-511
ἔνδινα nur Gen. ἐνδί̄νων (Ψ 408) n. pl., ‘Eingeweide’. — Von ἔνδον mit ινο-Suffix. Metrische Dehnung anzunehmen (nach Schulze Q. 253), ist nicht notwendig; vgl. Chantraine Formation 204, Meid IF 62, 275 m. A. 16. Vendryes MSL 15, 358 betont ἐνδῖνος wie ἀγχιστῖνος usw.; anders Brugmann Grundr.2 2 : 1, 176 (Akzent nach ἔντερα). I-511
ἔνδιος ‘mittäglich, am Mittag’ (poet. seit Il.), -ον n. (-ος m.) ‘Mittag’ (Kall., A. R.); vereinzelt ‘zum Himmel gehörig, vom Himmel kommend’ (ὕδωρ, Arat. 954), ‘in der Luft schwebend’ (AP 9, 71); bei Hom. ῑ, später (von εὔδῐος?) auch ῐ, s. Sommer Nominalkomp. 75 A. 5 m. Lit. — Hypostase aus *ἐν διϝί (: ἔν-διϝι-ος, vgl. ἐν-νύχι-ος), Lok. des idg. Wortes für ‘(Tages-)Himmel, Tag’ (s. δῖος, Ζεύς). — Ob im Ausdruck ἔνδιον ὕδωρ (Arat.) u. ä. noch eine Spur der Bedeutung ‘Himmel’ vorliegt, scheint fraglich; eher liegt Vermischung mit δῖος vor. I-511
ἐνδεδιωκότα s. βίος. I-511
ἐνδοιάζω s. δοιοί. I-511
ἔνδον Adv. ‘innen, darin, zu Hause’ (seit Il.). Als Vorderglied z. B. in ἐνδο-μάχᾱς ‘zu Hause kämpfend’ (Pi.), ἐνδό-μυχος ‘der sein Versteck drinnen hat’ (S. u. a.), -μενία, ἐνδουχία ‘Hausrat’ (Plb. usw.; ἐνδυμενία Phryn., Pap.; nach δύομαι ‘eingehen’?). Ableitungen: ἔνδο-θεν (wie οἴκο-θεν usw.) ‘von innen her, aus dem Haus’ (seit Il.), ἔνδο-θι = ἔνδον (ep.); zu ἐνδοθίδιος s. unten; ἐνδοσε (Akz.?) = εἴσω (Keos), ἔνδω (delph.; nach ἔξω). Kompar. und Superl. ἐνδοτέρω (Hp., nachklass.), -τάτω (nachklass.); dazu die späten Adjektiva ἐνδότερος, -τατος (VIp). — Durch Kreuzung mit ἐντός entstand ἐνδός (dor.; vgl. Kretschmer Glotta 27,11) mit ἐνδοσθίδια pl. ‘Eingeweide’ (epidaur.), mit kret. Lautentwicklung ἐνδοθίδιος ‘im Hause lebend’ (gort.), ἐνδόσθια (LXX) = ἐντόσθια. Nach οἴκοι u. a. ἔνδοι (lesb. dor.; dazu Solmsen Wortforschung 114); zu ἐνδάπιος s. bes.; unsicher ἐνδύλω· ἔνδοθεν H. (wie μικκύλος, δριμύλος? Baunack Phil. 70, 383). — ἔνδον ist mit heth. andan ‘darin’ identisch; daneben anda ‘ds.’ = lat. endo. Gewöhnlich als ‘innen im Haus’ erklärt, von ἐν und dem endungslosen Lokativ des Wurzelnomens für ‘Haus’ in δά-πεδον, δεσ-πότης, δόμ-ος (s. dd.); dafür besonders der Ausdruck Διὸς ἔνδον ἀγηγέρατο Υ 13, wo aber der Gen. ebensogut elliptisch stehen kann; s. Vendryes MSL 15, 358ff. mit Kritik der landläufigen Ansicht. — Schwyzer 625f., Schwyzer-Debrunner 546f., außerdem Lejeune Les adv. en -θεν (s. Index), Brugmann Grundr.2 2 : 2, 723 m. A. 1. I-511-512
ἔνδορα (SIG 1025, 48; 1026, 8; Kos: ἔνδορα ἐνδέρεται), n. pl. eig. ‘was in die Haut gelegt wird’ (beim Opfern), — Verbalnomen zu ἐνδέρομαι mit gleichzeitiger Beziehung auf δορά; vgl. die Erklärung von ἔνδρατα (nach ἔγκατα?) bei H.: τὰ ἐνδερόμενα σὺν τῇ κεφαλῇ καὶ τοῖς ποσί. Von Stengel Hermes 54, 208ff. (m. Lit.) als σπλάγχνα gedeutet; seine Anknüpfung an δέρτρον ‘Netzhaut’ wird indessen von Kretschmer Glotta 12, 220f. mit Recht abgelehnt. I-512
ἔνδρυον (μεσάβων) n. Hes. Op. 469, nach den Sch. ‘hölzerner Pflock am Pfluge, womit das Joch an der Deichsel befestigt wird’; nach H. = καρδία δένδρου. καὶ τὸ μέσον (μέσ<αβ>ον Schmidt). — Wohl eig. ‘im Holz sitzend’, Hypostase aus ἐν und (der Schwundstufe von) δόρυ; s. d. und δρῦς. — Vgl. zu μέσαβον. I-512
ἐνδυκέως ep. poet. Adv. seit Il. (auch Hp., vgl. unten) etwa ‘liebevoll, sorgsam’, bei Hp. (und B. 5, 112?) als ‘anhaltend’ erklärt. Daneben ἐνδυκές (Nik. Th. 263, H. [neben ἐνδύκιον]; wohl auch A. R. 1, 883 für metr. unmögl. -έως). — Wahrscheinlich zu ἀδευκής (s. d.) mit unsicherer Analyse; sowohl ein Verb *ἐν-δυκεῖν wie ein Nomen *δύκη o. ä. sind denkbar. Vgl. Strömberg Prefix Studies 90; zur Bedeutung Leumann Hom. Wörter 311f., der den Gebrauch bei Hp. (und B.) aus einer falschen Homerinterpretation erklären will. I-512
ἐνεγκεῖν, ἐνέγκαι Aor. ‘herbeischaffen, davontragen’, konfektiv-resultativ (att., auch Pi., B. und Hp.), oft mit Präfix: ἀπ-, εἰσ-, ἐξ-, κατ-, προσ- usw.; Aor. Pass. ἐνεχθῆναι mit Fut. ἐνεχθήσομαι, Perf. Akt. ἐνήνοχα, Med. ἐνήνεγμαι; als Präsens fungiert φέρω, als Fut. οἴσω. Als Hinterglied mit kompositioneller Dehnung in δι-, δουρ-, ποδηνεκής usw. (s. vv. und δόρυ m. Lit.). Verbalnomen ὄγκος s. bes. — Seiner Bildung nach erinnert ἐν-εγκ-εῖν stark an ἀλ-αλκ-εῖν, ist also wie dies am ehesten als ein reduplizierter Aorist zu verstehen (nach Brugmann Grundr.2 2 : 3, 461 wäre ἐν Präposition); ἐνέγκαι ist Neubildung nach ἐνεῖκαι (s. d.). Neben ἐγκ- steht das zweisilbige ἐνεκ- der übrigen Formen wie ἀλεκ-σ- (ἀλεξ-) neben ἀλκ-; dazu mit ο-Abtönung, attischer Reduplikation und Aspiration ἐν-ήνοχ-α (nur ο-Abtönung in κατ-ήνοκα H.). Kreuzung von ἐγκ- und ἐνεκ- ergab ἐν-ήνεγκται; durch weiteren Einfluß von ἐνεῖκαι entstanden ἐν-ήνειγκ-ται, ἤνειγκαν u. a. (att. Inschr.). — Genaue Entsprechungen der griechischen Formen gibt es nirgends. Das zweisilbige ἐνεκ- hat überhaupt kein Gegenstück; einsilbiges idg. enḱ-, onḱ- erscheint dagegen auch in dem reduplizierten aind. Perf. ān-ámś-a ‘ich habe erreicht’ und ist auch im Keltischen zu belegen, z. B. air. t-ān-ac ‘ich kam’. Größere Verbreitung hat die Reduktionsstufe neḱ-, noḱ-: sie liegt nicht nur im baltisch-slavischen Wort für ‘tragen’, z. B. lit. neš-ù, aksl. nes-ǫ ‘ich trage’, vor, sondern wird auch in mehreren Wörtern der Bedeutung ‘erreichen’ o. ä. vermutet; so im Indo-Iranischen, z. B. aind. náśati ‘erreicht’ (dazu K. Hoffmann, Münch. Stud. 2 [Neudruck] 121ff.), im Germ., z. B. got. ga-nah ‘ἀρκεῖ, es reicht = genügt’. Eine weitere Vokalschwächung zeigt lat. na-n-c-īscor (Nasalpräsens), nactus sum ‘erreichen’; dazu, mit Schwundstufe (idg. n̥ḱ-), aind. aś-nó-ti ‘erreicht’, wohl auch arm. has-anem, Aor. has-i ‘ankommen’. Auch andere Wörter werden mit Recht oder Unrecht hierhergezogen: heth. ninink- ‘heben, hochnehmen’ (zu lit. -ninkù, -nìkti, Benveniste BSL 50, 40), mit nakkiš ‘schwer’, toch. B eṅk-, A ents- ‘nehmen, fassen’; fern bleibt jedenfalls heth. ḫink- ‘überreichen, zuteilen’. Abweichende Analyse bei Ernout-Meillet s. nancior. — Reiche ältere und neuere Lit. bei WP. 1, 128f., Pok. 316ff., W.-Hofmann s. nanciō; außerdem Fraenkel Lexis 2, 186. Griechische Tatsachen, ebenfalls mit Lit., bei Schwyzer 647, 744f., 766. I-512-513
ἐνεῖκαι Aor. Ind. ἤνεικα (ep. ion. seit Il., lyr.), schwachstufig ἤνικα (lesb. dor.; teilweise = ἤνῑκα für ἤνεικα) mit kurzvokalischem Konj. ἐνίκει (kyren.); sigmatisch 3. Plur. εἴνιξαν (böot. für ἤνειξαν); Aor. Pass. ἐν(ε)ιχθῆναι, Perf. Med. ἐνήνειγμαι. ‘hintragen’, Auch mit Präfix: ἀν-, ἀπ-, εἰσ-, ἐξ- usw. Keine Ableitungen. — Aus ἐν-εῖκαι, s. ἵκω. I-513
ἕνεκα (att., auch ep. ion.), ἕνεκεν (bes. nachklass.); εἵνεκα, -κεν (ion.), ἔννεκα (äol.; vgl. unten); hell. auch ἕνεκε, -κο(ν), -καν — Unzweifelhaft in ἕν-ϝεκα zu zerlegen (*ϝεκα in οὔφεκα· οὐκ ἀρεστῶς H. mit Schulze Q. 494 A. 3 noch erhalten?), zu ἑκών (s. d.) usw., aber sonst noch der Erklärung bedürftig. Nach Brugmann IF 17, 1ff. aus ἕν und *ϝέκα(τ), Ntr. des Ptz. ἑκών, eig. "nur eines wollend"; dagegen Wackernagel Unt. 137 A. 2. Anders Prellwitz Wb. und Glotta 17, 145f., Bechtel Lex. 115f. (nach Ebel): aus der Präposition ἐν und einem Akk. *ϝέκα eig. "in Rücksicht auf den Willen" (εἰς χάριν); der Spir. asper bleibt unerklärt (aus dem Inlaut versetzt? Prellwitz). S. auch Schwyzer 433 (ἕν aus idg. *sem, zu ὁμός) und 622. — Über den Anlautswechsel ἕν-, ἕιν- (ἔνν- hyperäolisch?) Schwyzer 228 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 161, Bolling Lang. 30, 453f. — Das namentlich bei den att. Dichtern auftretende οὕνεκα = ἕνεκα entstand nach einem vorangehenden Gen. auf -ου durch falsche Verlegung der Wortgrenze: τούτοὔνεκα wurde als τούτου οὕνεκα aufgefaßt (Schwyzer 413 m. Lit.). ‘wegen, um — willen’ (mit Gen.; zur Bedeutung bei Hom. Porzig Satzinhalte 169). Myk. e-ne-ka. Zum Auslautswechsel vgl. Fälle wie εἶτα : εἶτεν, ἔπειτα : ἔπειτε(ν); ἕνεκον nach ἔνδον u. a.; durch neue Kreuzungen ἕνεκο, -καν, s. Schwyzer 627 m. A. 4, 406, Schwyzer-Debrunner 552. I-513-514
ἔνελος · νεβρός (‘Hirschkalb’) H. — Aus ἔνελος stammt lat. inuleus ‘junger Hirsch- oder Rehbock’ (W.-Hofmann s. hinuleus m. Lit.); weitere Beziehungen unsicher. Nach Niedermann IF 18, Anz. 78f. aus *ἔλενος umgestellt, zu ἐλλός, ἔλαφος; s. d. I-514
ἐνενήκοντα (Β 602, att.) ‘neunzig’. Als Vorderglied z. B. in ἐνενηκοντά-πηχυς (hell.). Ordinale ἐνενηκοστός ([Χ.] usw.). Zum Hinterglied und -η- vgl. zu ἑβδομήκοντα. Daneben heνενηκοντα (herakl.; wie hογδοηκοντα nach heβδεμηκοντα), ἐνηκοντα (Delos, Phokis [III bzw. IIa]; wohl haplologisch); unsicher ἐννήκοντα (τ 174); wenn echt, Neubildung nach ἐννέα, ἐννῆμαρ u. a.; Gen. pl. ἐνενηκοντων (Chios; äolisierend). — Die Form des Vorderglieds ist nicht sicher erklärt. Nach Sommer Zum Zahlwort 25ff. (wo ausführliche Behandlung mit Lit. und Kritik anderer Ansichten) zunächst durch Assimilation aus *ἐναν-ήκοντα, das ein idg. *enu̯n̥- (in antevokalischer Stellung) enthalten kann. — Weiteres s. ἐννέα. I-514
ἐνεός ‘sprachlos, stumm, taubstumm’ (ion. att.); als Vorderglied z. B. in ἐνεο-στασίη ‘sprachloser Zustand’ (A. R. 3, 76); Ableitung ἐνεότης ‘Stummheit’ (Arist.). — Der Form nach an κενεός erinnernd, aber ohne Etymologie. Nach Brugmann Festschrift Vilh. Thomsen 1ff. zu εὖνις usw.; dagegen mit Recht Kretschmer Glotta 6, 305. I-514
ἔνερθε(ν), auch νέρθε(ν) (ep. ion. poet.), ἔνερθα (dor. lesb.) Adv. und Präp. ‘(von) unten, unter(halb)’. Auch ὑπ-, ἐπ-ένερθε(ν). Näheres bei Lejeune Les adv. en -θεν, bes. 341ff. — Zur Bildung vgl. die Opposita ὕπερ-θε(ν), ὑπέρ-τερος, -τατος, zu ὑπέρ; auch ὕπερον, ὑπέρα (s. dd.). — Ein genaues formales Gegenstück zu νέρτερος bietet das Italische in umbr. nertru ‘sinistro’, osk. nertra-k ‘a sinistra’; sehr verlockend ist die weitere Heranziehung des germanischen Wortes für ‘Norden’, z. B. awno. norđr n., das allerdings Schwundstufe voraussetzt: urg. *núrþra-, idg. *nr̥tro-. Grundbedeutung: ‘Gegend wo die Sonne unten ist’, bzw. ‘linke Seite des gegen Osten sich wendenden Beters’. Eine andere Bildungsweise zeigt arm. ner-k‘-in ‘der untere’ (vgl. i nerk‘oy, i nerk‘ust ‘unten, von unten’), wieder anders aind. naraka- ‘Hölle’ (Wackernagel-Debrunner Ai. Gramm. II : 2, 150). Ohne konsonantisches Suffix toch. B ñor ‘unter’ (Grundform sonst unklar); dagegen A ñare, B nray, nrey ‘Unterwelt, Hölle’ eher LW aus aind. niraya- ‘ds.’; vgl. die Lit. bei Duchesne-Guillemin BSL 41, 180. — Da das anlautende ἐ- in ἔνεροι usw. im Armenischen fehlt, dürfte es sich um eine griechische Neuerung handeln. Nach Bezzenberger BB 27, 174 wäre ἔνεροι als Hypostase aus οἱ ἐν ἔρᾳ "die in der Erde" von νέρθε und νέρτερος zu trennen; erst durch Kontamination hätten sich daraus ἔνερθε und ἐνέρτερος ergeben. Ähnlich Güntert IF 27, 49 mit Sonne KZ 14, 11: ἔν-εροι zu ἐν als "die drinnen (= in der Erde)". Eine Benennung "die Binnenirdischen" oder "die Innern" für "die Unterirdischen" ist indessen mehr logisch als glaubhaft. — Weitere Beziehung zu lit. neriù, ner̃ti ‘untertauchen, hineinschlüpfen’ usw. (s. δενδρύω) ist auch zu erwägen. S. auch νειρός. — WP. 2, 333f., Pok. 765f. Daneben ἔνεροι ‘die Untern, Unterirdischen’, von den Toten und unterirdischen Göttern (ep. poet.), ἐνέρτερος, νέρτερος ‘unterirdisch, unterer’ (ep. poet.), Sup. ἐνέρτατος ‘der unterste’ (Emp.). I-514-515
ἐνετή ‘Spange, Nadel’, ἐνετήρ, -ῆρος m. ‘Klistierspritze’, f. — Verbalnomina von ἐν-ίημι, s. ἵημι. I-515
ἐνέωρα Inschr. aus Miletos (Philol. 65, 637f.), nach Baunack ebd. ‘in die Höhe’, vgl. μετέωρα; s. μετέωρος. I-515
ἔνη z. B. ἔς τ’ αὔριον ἔς τε ἔνηφιν (Hes. Op. 410), ἔνης, εἰς ἔνην, τῇ ἔνῃ (att.), ἔνας (Theok.), ἔναρ (lakon.)· ἐς τρίτην, ἐπέναρ· εἰς τετάρτην. Λάκωνες H. f. (sc. ἡμέρα), nur in adverbiellen Ausdrücken im Sinn von ‘übermorgen’, — Erstarrtes Pronomen, das auch in ἐκεῖνος u. a. erhalten ist; s. d. I-515
ἐνηής (IG 14, 1648, 8; metrische Grabinschrift), Gen. und Akk. sg. ἐνηέος, -έα (Hom., Hes.), Nom. pl. -ῆες, -έες (Opp.) ‘mild, sanft, wohlwollend’. Davon ἐνηείη ‘Milde, Wohlwollen’ (Ρ 670, Opp.). — Nicht sicher erklärt. Bildungen wie ἐν-τελής (zu τέλος) lassen ein Hinterglied *ἦος vermuten, das für urgr. *ἆϝος stehen kann und sich unter dieser Voraussetzung nur im Ablaut von aind. ávas-, aw. avah- n. ‘Gunst, Wohlwollen, Hilfe’ (wozu noch lat. aveō usw.) unterscheidet; ἐνηής somit eig. ‘Wohlwollen in sich habend, mit Wohlwollen versehen’ (vgl. Schwyzer-Debrunner 456). Zum Ablaut vgl. ἄγος gegenüber aind. ā́gas- (kompositionelle Dehnung ist nicht wahrscheinlich). Andere, noch unsicherere Möglichkeiten werden bei Strömberg Prefix Studies 115 erörtert. — Auch ἀΐτης ‘Geliebter’ wird seit alters mit ἐνηής verbunden; dabei wäre indessen von einem kurzvokalischen Grundwort, *ἄ(ϝ)ος o. ä., auszugehen. Weitere Formen mit Lit. bei WP. 1, 19, Pok. 77f., W.-Hofmann s. aveō. Ältere Lit. bei Bechtel Lex. s. v. I-515-516
ἐνήνοθεν s. ἐνθεῖν. I-516
ἐνηρόσιον n. ‘Pachtzins, Anbaurecht’ (Delos, Halik.; seit IVa); im selben Sinn ἐναράτιον (Rhodos IIIa). — Hellenistischer Fachausdruck, aus ἐν ἀρότω bzw. ἀράτω (vgl. zu ’Αράτυος) mittels des ιο-Suffixes hypostasiert: "auf dem gepflügten Land (ruhend)"; -η- durch kompositionelle Dehnung. Ebenso προ-ηρόσιος ‘vor der Zeit des Pflügens’ (hell. u. sp.). I-516
ἔνθα demonstr. und relat. Adverb, zunächst lokal, aber auch temporal ‘da, dort, hier, wo’, auch ‘dahin, hierher; wohin’ (zum Gebrauch bei Hom. Bolling Lang. 26, 371ff.); ἔνθεν ‘von da, dorther; von wo’ (seit Il.). Zu ἔνθα — ἔνθεν im allg. Lejeune Les adv. en -θεν 375ff. Davon ἐνθά-δε ‘dort(hin), hier(her)’, ἐνθέν-δε ‘von hier aus’ (seit Il.); auch ἔνθινος ‘hiesig’ (megar.; vgl. Bechtel Dial. 2, 204), ἐνθάδιος· ἐντόπιος H. Durch Zusammenrückung aus ἔνθα αὐτά (mit Elision oder aus *ἐνθᾱυτα gekürzt) entstand ion. ἐνθαῦτα (vgl. τοῖα : τοιαῦτα); mit Hauchversetzung nach ἔν-θα, ἔν-θεν att. ἐνταῦ-θα (und ἐντεῦ-θεν) ‘daselbst, hier, hierher’ (seit Ι 601; vgl. Wackernagel Unt. 23; att. Inschr. auch ἐνθαῦθα, -θοῖ) sekundärer Hauchverlust (nach ν) in arg. ἐντάδε, el. ἐνταῦτα. Ion. ἐνθεῦτεν, att. ἐντεῦθεν ‘von hier, von dort aus’ (seit τ 568) ist als Kreuzung von ἔνθαῦτα und ἔνθεν leicht verständlich (Wackernagel IF 14, 370 A. 1 = Kl. Schr. 2, 964 A. 1); anders Schwyzer 628 A. 7: *ἐνθᾱυτα > *ἐνθηυτα > *ἐνθευτα : ἐνθεῦτεν. Nach τοῦτο usw. ἐντοῦθα (Kyme, Oropos). — Ohne sichere außergriechische Verwandte. — Zu ἔν-θεν vgl. πό-θεν usw. Ein altererbtes suffixales -θα ist auch in ἰθαγενής (s. d.) vorhanden; was sonst aus verschiedenen Sprachen zum Vergleich herangezogen worden ist (arm., altirisch and ‘dort’, lat. inde, aksl. kǫdu ‘woher?’), ist zweifelhaft oder unhaltbar. Lit. bei W.-Hofmann s. inde und ēn, Vasmer Russ. et. Wb. s. kudá; außerdem Schwyzer 628 m. A. 7, WP. 1, 99, Pok. 284. Ältere Lit. auch bei Bq. I-516
ἐνθεῖν Aor., Ind. ἦνθον, Part. ἐνθών usw. ‘kommen, gehen’ (dor., delph., ark.). Daneben ep. Perfekt- und Plusquamperfektformen: ἀνήνοθεν (Λ 266, αἷμα), ἐνήνοθεν (ρ 270, κνίση; v. l. ἀν-), ἐπ-ενήνοθε (Β 219, Κ 134, λάχνη; θ 365, ἔλαιον), κατ-ενήνοθεν (Hes. Sc. 269, κόνις; h. Cer. 279, κόμαι, Plur.), παρ-ενήνοθε (A. R. 1, 664, μῆτις); Bed. etwa ‘emporquellen’ bzw. ‘sich über etwas hingießen, ausbreiten’, ‘herabwallen’. — Wegen des namentlich auf dorischem Gebiet auftretenden Übergangs von λτ zu ντ (Schwyzer 213) liegt es nahe, ἐνθεῖν als eine sekundäre Nebenform von ἐλθεῖν zu betrachten. Gegen diese Annahme spricht andererseits die verhältnismäßig weite Verbreitung von ἐνθεῖν ebenso wie der Umstand, daß ἐλθεῖν selbst das Gepräge einer Neubildung trägt. Eine einwandfreie außergriechische Anknüpfung ist aber für ἐνθεῖν nicht gefunden; weder das sehr fragliche pāli andhati ‘geht’ noch das sicher anders zu beurteilende ital. andare ‘gehen’ (Johansson IF 3, 203ff.; 8, 181ff.) sind dafür verwertbar (Pisani IF 58, 254f., Ist. Lomb. 75 : 2, 29ff.). Auch das mehrdeutige arm. ənt‘anam ‘laufen’ (Pisani), das doch zunächst das Präverb ənd- enthält und außerdem schon wegen des als Entsprechung von gr. θ sonst unbekannten t‘ Schwierigkeiten bereitet, bleibt besser beiseite. — Das von Johansson u. A. zu ἐνθεῖν gezogene ἐν-, ἀν-ήνοθε ist semantisch ohne Zweifel damit vereinbar und als attische Reduplikationsbildung auch formal ganz in der Ordnung (ἐνεθ- : ἐνοθ- : ἐνθ-); ob ἐν- und ἀν- dabei als verschiedene Reduplikationsformen zu gelten haben oder ob ἀνήνοθεν nicht vielmehr aus *ἀν-ενήνοθεν haplologisch gekürzt wurde, ist kaum zu entscheiden. Als sicher kann natürlich jedoch diese Kombination keineswegs betrachtet werden. Ebenso hypothetisch ist die Heranziehung von ἄνθος (ἀνεθ- : ἀνθ- ?); s. d. I-516-517
ἔνθινος 1. ‘hiesig’ s. ἔνθα. I-517
ἔνθινος 2. ‘göttlich’, ἔνορκόν τε ... καὶ ἔνθινον (Hierapytna, Kreta); — aus ἔνθεος (kret. *ἔνθιος) und θέϊνος (kret. *θί-ινος > θῖνος; nach ἀνθρώπινος) kontaminiert. — Vgl. Bechtel Dial. 2, 724. I-517
ἐνθουσιάζω (Pl. usw.), -ιάω (A., E., Pl. u. a.), Aor. ἐνθουσιάσαι, -ᾶσαι ‘von einer Gottheit erfüllt, (gott)begeistert sein’; συν~ ‘mitbegeistert sein’ (hell. u. spät). Davon ἐνθουσίασις (Pl., Ph. u. a.), ἐνθουσιασμός (Demokr., Pl. usw.), ἐνθουσία (Prokl.; postverbal) ‘göttliche Begeisterung, Verzückung’; ἐνθουσιαστικός ‘begeistert, begeisternd’ (Pl., Arist. usw.), -αστής ‘Begeisterter’ (Ptol.); ἐνθουσιώδης, Adv. -δῶς ‘begeistert’ (Hp., D. H., Ph. usw.). — Aus ἐνθεάζω (Hdt. 1, 63, Plu., Luk.; von ἔνθεος) ‘ds.’ nach den Verba auf -σιάζω (θυσιάζω u. a.) und im Anschluß an die Krankheitsverba auf -ιάω expressiv erweitert (Osthoff MU 2, 38); zur Kontraktion εο > ου Schwyzer 251 m. Lit. — Zu ἔνθεος (späte Prosa durch Rückbildung auch ἔνθους) eig. "worin ein Gott ist" s. Schwyzer 429 und 435, Strömberg Prefix Studies 115. I-517
ἐνθύσκει · ἐντυγχάνει; ἀποθύ<σ>κειν· ἀποτυγχάνειν; συνθύξω· συναντήσω H. — Aus *θύχ-σκ-ει usw. zu τυχεῖν (s. τυγχάνω) mit Hauchdissimilation bzw. Hauchversetzung? Schwyzer 708 m. A. 5. Zweifel bei Brugmann IF 9, 348 A. 1. I-517
ἐνιαυτός m. ‘Jahrestag, Jahr’ (seit Il., wo immer am Versende; Risch Mus. Helv. 3, 254). Davon ἐνιαύσιος, delph. koisch -τιος ‘(ein)jährig, ein Jahr lang, alljährlich’ (seit π 454), ἐνιαυσιαῖος ‘ein Jahr lang’ (Arist., J. usw.; nach den Massadj. auf -αῖος, Chantraine Formation 49); denominatives Verb ἐνιαυτίζομαι, -ίζω ‘ein Jahr zubringen’ (Pl. Com. u. a.). — Neben dem altererbten ἔτος besitzt das Griechische in ἐνιαυτός einen neugebildeten Ausdruck für ‘Jahr’, eig. ‘Jahrestag’ (vgl. Bechtel Lex. s. v.). — Der Bildung nach an κονι-ορ-τός, βου-λυ-τός usw. (Schwyzer 501) erinnernd, scheint es als Vorderglied ein Wort für ‘Jahr’, ἔνος (H., Sch. Theok. 7, 147) zu enthalten, das in mehreren Komposita (vielleicht nur aus diesen erschlossen) zu belegen ist: δίενος ‘διετής’ (Thphr.), ἑπτάενον· ἑπταετῆ H., τετράενος (Kall.); als σ-Stamm τετράενες n. (Theokr. 7, 147), ὕπενες· εἰς τετάρτην H., s. auch ἦνις. Dasselbe Wort ist auch in einem baltischen und germanischen Adj. vermutet worden, z. B. lit. pér-nai ‘πέρυσι’, got. fram fair-nin jera ‘vom Vorjahre’. — Als Hinterglied empfiehlt sich der Form wegen ἰαύω, u. z. entweder im Präsensstamm ἐν-ιαυτός (Meillet MSL 23, 274f.) oder eher von der Verbalwurzel (vgl. κονι-ορ-τός usw. oben), wobei -ι- Kompositionsvokal wäre: ἐν-ι-αυ-τός (Schwyzer 424 A. 5, wo auch Lit., 448). Die dabei anzusetzende ursprüngliche Bedeutung *"Jahresruhe" leuchtet indessen nicht ganz ein. — Nach Brugmann IF 15, 87ff., 17, 319f. und zahlreichen Nachfolgern dagegen zu ἐνιαύω also *"Rast-, Ruhestation der Sonne, Jahreswende"; eine το-Bildung von einem Präsens wäre indessen sehr eigenartig. Jedenfalls nicht mit Prellwitz u. A. aus ἐνι αὐτῷ "am selben Punkte (wie im Vorjahre)"; noch anders Murray JournofHellStud. 71, 120. I-518
ἔνιοι ‘einige’, ἐνίοτε ‘einigemal, zuweilen’, ἐνιαχῆ, -οῦ ‘an einigen Orten, bisweilen’, urspr. ion. Wörter (nur Prosa), die ins Attische aufgenommen wurden; dazu als späte dorisierende Nachbildung ἐνίοκα (Archyt.), außerdem ἐνιάκις ‘bisweilen’ (Sor.; nach πολλάκις u. a.). — Nicht sicher erklärt. Die von Ebel KZ 5, 70f. stammende und noch von Schwyzer 614 A. 4 mit gewissem Vorbehalt empfohlene Herleitung aus ἔνι οἵ, ἔνι ὅτε = ἔστιν οἵ, ἔσθ’ ὅτε ist aufzugeben, da ἔνι im Sinn von ‘ist, sind’ erst seit V-VIp sicher steht (s. ἔν). Am meisten für sich hat die auf Benfey zurückgehende und von Wackernagel Hellenistica 6 A. 1 (= Kl. Schr. 2, 1037 A. 1) näher begründete Anknüpfung an ἕν ‘eins’ (wie einige zu eins); die Psilose stimmt zum ion. Ursprung. Zum Ausgang vgl. μύριοι, χίλιοι; ἐνίοτε, ἐνιαχῆ, -οῦ wie ὅτε, πότε, πολλαχῆ, -οῦ usw. — Unwahrscheinlich Brugmann IF 28, 355ff.: zu dem in ἔνη ‘der dritte Tag’, ἐκεῖνος usw. enthaltenen Demonstrativ *ἔνος. I-518-519
ἐνῑπή f. ‘tadelnde, rügende Anrede, Vorwurf, Drohung’ (ep. poet. seit Il.). Daneben als primäres Jotpräsens ἐνίσσω, Aor. ἐνένῑπον, ἠνίπαπον (Schwyzer 648 und 748, Chantraine Gramm. hom. 1, 398), neues Präsens ἐνίπτω (alles ep. seit Il.; ἐνίπτω auch A. Ag. 590, vgl. zu ἐννέπω) ‘tadelnd, rügend anreden, ahnden, schelten’; erweitertes Präsens ἐνιπτάζω (A. R.). — Hierher auch der Flußname ’Ενιπεύς (Hdt., Plb., Str.) als "der Toser, der Lärmer" (vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 98)? — Als Verbalnomen zu ἐνίσσω muß ἐνῑπ-ή einen Labiovelar qu̯ enthalten haben (zum Lautlichen Risch 245, Schwyzer 704 m. A. 11). Die dadurch nahegelegte Anknüpfung an ὀπῑπεύω (s. d.), aind. ī́kṣate ‘sehen’ usw. hat Brugmann IF 12, 31 semantisch zu begründen versucht unter Heranziehung von ὄπις ‘ehrfürchtiges Sehen’, auch ‘Ahndung, Strafe’. Ähnlich Porzig Satzinhalte 228: ἐνίσσω urspr. ‘schädigend ansehen’, ἐνιπή ‘böser Blick’. Noch unsicherer ist indessen Brugmanns weitere Kombination mit den ungenügend erklärten ἴψαο, ἴψεται (s. ἴπτομαι) etwa ‘bedrücken, bedrängen, schädigen’. — Ältere Versuche bei Johansson Beitr. 61 A. 2. I-519
ἐννέα ‘neun’ (seit Il.); daneben hεννέα (herakl.; nach ἑπτά, ὁκτώ) ἐννῆ od. -ή (delph., kyren. usw.; vgl. Fraenkel Glotta 20, 88). Als Vorderglied neben ἐννεα- (z. B. hom. ἐννεά-βοιος) auch älteres ἐνα-, ion. εἰνα-, z. B. hom. εἰνά-ετες Adv. ‘neun Jahre lang’, εἰνά-νυχες ‘neun Nächte lang’ (eher Adj. pl. als analogische Adverbbildung), ἐνα- (εἰνα-)κόσιοι; ebenso in den Ableitungen ἔνα-τος ‘der neunte’, ion. εἴνατος, argiv. kret. ἤνατος, äol. ἔνοτος; εἰνάς f. ‘der neunte Tag’ (Hes. Op. 810) neben ἐννεάς ‘Anzahl von neun’ (Theok. usw.); ἐνάκις (εἰ-) ‘neunmal’ u. a.; — dagegen ἐννῆμαρ ‘neun Tage lang’ (Α 53 usw.) eher Zusammenschweißung aus ἐννέα ἦμαρ als aus *ἐνϝ’ ἦμαρ, s. Sommer Zum Zahlwort 28f., 33 m. Lit. und weiteren Einzelheiten, z. B. böot. ἐνακηδεκάτη und ἐνναετήρω (Hes. Op. 436); auch Schwyzer 590f. m. Lit. — Zu ἐνενήκοντα s. bes.; zu ἔνατος vgl. δέκατος s. δέκα. — Gegenüber aind. náva, lat. novem (mit -m nach decem, septem), got. niun, lit. devynì, aksl. devętь (mit d- durch Dissimilation gegen -n- bzw. nach dẽšimt, desętь) usw., die alle auf idg. *neu̯n̥ zurückgehen, setzen gr. ἐννέ(ϝ)α, *ἐνϝα- (woraus εἰνα-, ἐνα- usw.) ebenso wie das in Einzelheiten mehrdeutige arm. inn (= inən, zweisilbig gesprochen) vokalisch anlautende Grundformen voraus, idg. *eneu̯n̥, *enu̯n̥; unsicher bleibt thrak. ενεα (v. Blumenthal IF 51, 115). — Ein besonderes Problem bietet die Geminata in ἐννέα. Nach Ward Lang. 24, 50ff. wäre sie von der entsprechenden Positionslänge in ἑπτά, ὀκτώ verursacht; nach Sommer Zum Zahlwort 27 hätte das tautosyllabische ἐν- in *ἐν|ϝα- ein urspr. *ἐ|νέϝα zu *ἐν||νέϝα umgeformt. Wieder anders Wackernagel KZ 28, 132ff. (= Kl. Schr. 1, 614ff.): aus *ἐν νέϝα (wie ἐς τρίς u. ä.); zustimmend Schwyzer 591. S. auch Belardi Doxa 3, 204f. mit weiteren Hypothesen, z. B. Windekens L’Ant. class. 14, 133f. — Seit lange (Lit. bei W.-Hofmann s. novem) wird Zusammenhang mit dem Wort für ‘neu’, νέος usw., vermutet, weil die Dualform ὀκτώ auf eine Tetradenrechnung weist; dann wäre ‘neun’ die erste Zahl nach der Doppeltetrade. I-519-520
ἐν(ν)έπω (ep. poet. seit Il.), Aor. ἐνισπεῖν, Ipv. pl. ἔσπετε (ep.), Fut. ἐνισπήσω (ε 98), ἐνίψω (Η 447 u. a.; für *ἐνέψω? Chantraine Gramm. hom. 1, 443), neues Präsens ἐνίπτω (Pi. P. 4, 201, Nonn.; vgl. s. ἐνιπή) ‘ansagen, erzählen, verkünden’. Über Bedeutung und Gebrauch Fournier Les verbes "dire" 47f. Auch mit Präverb: ἐξ-, προσ-, παρ- usw. Vom Simplex ἄσπετος (s. d.); auch θεσπέσιος, θέσπις (s. dd.). Zu bemerken noch προσ-εψία (cod. -ιά; leg. -ις?)· προσαγόρευσις H. — Zu ἐνοπή s. bes. — Der primäre Imperativ ἔννεπε ist mit lat. inseque, insece ‘sag an, erzähle’ (wozu inquam, inquit) identisch; -νν- in dieser und anderen Formen ist als metrische Dehnung unmittelbar verständlich (Solmsen Unt. 35, Chantraine Gramm. hom. 1, 100f.); die Annahme einer äolischen Assimilation aus -νσ- (z. B. Schulze Q. 128 A. 2, 173, Lejeune Traité de phon. 110; vgl. auch Schwyzer 300) ist jedenfalls nicht notwendig. Die Schwundstufe von (σ)επ- (idg. sequ̯-) liegt u. a. im Aorist ἐνι-σπ-εῖν (Ipv. ἔσπετε aus *ἔν-σπ-ετε) vor. Zum Präverb ἐν- Chantraine Rev. de phil. 68, 117, Schwyzer-Debrunner 457. Ein entsprechendes Verbalnomen ist in air. insce ‘Rede’ aus idg. *en(i)-squ̯-iā erhalten; auch sonst ist diese Sippe im Keltischen stark vertreten, z. B. mit dem Simplex akymr. hepp ‘inquit’. Dazu noch das primäre lit. (dial.) sekù, sèkti, das indessen sonst im Baltischen wie im Slavischen von der Sekundärbildung lit. sakaũ, -ýti ‘sagen’, russ. sočítь ‘anzeigen’ ersetzt worden ist. Als sekundäre Präsensbildung gehört hierher gewiß auch das germanische Wort für ‘sagen’, awno. segja, asächs. seggian usw. (ahd. sagēn ist Neubildung), urg. Präs. *saʒi̯ō aus *saʒu̯i̯ō, idg. *soqu̯eíō (wäre gr. *ὁπέω). Weitere Formen mit Lit. und hypothetischen Kombinationen bei WP. 2, 477ff., Pok. 897f., W.-Hofmann s. inquam. — Die Gleichung πρόσ-εψις (vgl. oben) : lat. in-secti-o erklärt sich aus paralleler Neubildung. I-520
ἐννεσίαι pl. ‘Ratschläge, Pläne’ (ep.), nur im Dat. -ῃσι(ν) (seit Ε 894) außer A. R. 3, 1364 (Gen. -άων). — Eig. ‘Eingebungen, Einflößungen’, von ἐν-ίημι mit metrischer Dehnung. Zum Suffix -σίη (für -σις) Schwyzer 469, Risch 114, Porzig Satzinhalte 199. Ebenso ἐξεσίη (Hom.) ‘Aussendung, Botschaft’ von ἐξ-ίημι. I-521
ἐννότιος ‘feucht’ (Kall. Fr. 350). — Nach Leumann Hom. Wörter 51f. aus Λ 811 κατὰ δὲ ννότιος ῥέεν ἱδρώς durch falsche Worttrennung erschlossen. Auch andere Erklärungen sind aber möglich: Kreuzung von νότιος und ἔν-υγρος o. ä.; Bahuvrihi von ἐν und νοτία ‘Feuchtigkeit’, Strömberg Prefix Studies 124. I-521
ἕννυμι, -μαι, ion. εἵνυμι, -μαι, Impf. κατα-είνυον Ψ 135 (v. l. -νυσαν, -λυον; vgl. εἰλύω), Aor. ἕσ(σ)αι, -ασθαι, Fut. ἕσ(σ)ω, -ομαι, att. ἀμφιῶ, -οῦμαι, Perf. Med. εἷμαι, ἕσσαι, εἷται od. ἕσται, εἱμένος, Plusquamp. ἕστο, ἕεστο (ep. poet.; vgl. unten), att. ἠμφίεομαι, ἠμφιεσμένος, poet. ἀμφεμμένος, Aor. Pass. Ptz. ἀμφιεσθείς (Hdn.) ‘bekleiden, anziehen, sich anziehen’ (seit Il.). Oft mit Präverb, namentlich ἀμφι- (so immer im Attischen); auch ἐπι-, κατα-, περι-, ἀπαμφι- usw. Neugebildete Präsentia: ἀμφι-έζω, ἀμφιάζω (s. d.). Mehrere Ableitungen, teilweise altererbt (s. unten). 1. ἑανός Ben. eines Frauenkleids s. bes. 2. εἵματα pl. (selten sg.) ‘Gewänder, Kleider, Decken’ (ep. ion. poet. seit Il.), äol. (ϝ)έμματα (γέμματα· ἱμάτια H.), kret. ϝῆμα (γῆμα· ἱμάτιον H.), daneben Gen. sg. ϝήμας, von ϝήμᾱ f. (vgl. γνῶμα ~ γνώμη u. a.); oft als Hinterglied, z. B. εὐ-, κακοείμων; Deminutivbildung εἱμάτια pl., att. ἱμάτια, -ιον (s. bes.), mit ἱματίδιον, -ιδάριον, ἱματίζω, ἱματισμός. 3. ἔσθοςn. ‘Kleidung, Anzug’ (Ω 94, Ar. [lyr. u. dor.]), Bildung wie ἄχθος, πλῆθος usw. (Schwyzer 511, Benveniste Origines 199); denominatives Perfekt ἤσθημαι, vorwiegend im Ptz. ἠσθημένος (ἐ-) ‘bekleidet’ (ion. poet.) mit ἐσθήματα pl. (spät sg.) ‘Kleider’ (Trag., Th.), ἐσθήσεις ‘ds.’ (Ath.); vgl. zu den letztgenannten Formen Fraenkel Nom. ag. 1, 106f. 4. Gewöhnlicher als ἔσθος ist das davon irgendwie umgebildete ἐσθής (Pi. ἐσθάς), -ῆτος f. ‘ds.’ (seit Od.); Vorbild unklar; Erklärungsversuche bei Brugmann Grundr.2 2: 1, 527, Schwyzer IF 30, 443; erweiterter Dat. pl. ἐσθήσεσι (hell.). 5. γέστρα (= ϝέστρα; cod. γεστία, vgl. unten) ἔνδυσις, στολή, ἱμάτια H.; vgl. Latte z. St.; davon zu ἐφ- bzw. ἀμφι-έννυμι: ἐφεστρίς f. ‘Oberkleid, Mantel’ (X. usw.), ἀμφι-εστρίς f. ‘Mantel, Schlafrock’ (Poll.); zur Bildung Schwyzer 465, Chantraine Formation des noms 338. 6. Von ἀμφι-έννυμι außerdem ἀμφίεσμα (ion. att.), -ίεσις (Sch.), -ιεσμός (D. H. 8, 62; v. l. -ιασμός, von ἀμφιάζω). — Das Präsens ἕννυμι, εἵνυμι aus *ϝέσ-νυ-μι (att. -νν- aus analogischem -ον-, Schwyzer 284, 312, 322, Lejeune Traité de phon. 105) ist mit arm. z-genum ‘sich anziehen’ (Aor. z-ge-c̣ay, Med.) identisch. Neben diesem nu-Präsens steht im Indoiranischen und Hethitischen ein athematisches Wurzelpräsens, z. B. aind. vás-te ‘er zieht sich an’, heth. Impv. Akt. 2. pl. u̯eš-ten, Ind. Präs. Med. 3. sg. u̯eš-ta. Eine genaue formale Entsprechung dazu bieten tatsächlich die Perfektformen εἷμαι aus *ϝέσ-μαι, wozu analogisch εἷται, 2. sg. ἕσ-σαι (Od.), 3. sg. ἐπί-εσται (Hdt. 1, 47, Orakelspruch; = aind. vás-te); es handelt sich wahrscheinlich um umgedeutete (Part. εἱμένος) alte Präsensformen; Einzelheiten bei Chantraine Gramm. hom. 1, 297, Schwyzer 767. Zum σ-Aorist vgl. toch. B Prät. wässāte ‘er zog sich an’ und Pedersen Tocharisch 106. — Auch die nominalen Ableitungen können teilweise alt sein: ἑανός m.: aind. vás-ana-m n. ‘Kleid’; εἷμα = aind. vás-man- n. ‘Gewand’; ϝέστρᾱ : aind. vás-tra-m n. ‘ds.’, mhd. wes-ter ‘Taufkleid’. Dagegen fehlt im Griechischen (bis auf das unsichere γεστία, s. oben) die sonst gewöhnliche t-Ableitung in lat. ves-ti-s, arm. zges-t (Instr. zgest-u, u-Stamm), got. wasti, toch. B was-tsi (eig. Inf.). — Weitere Formen aus verschiedenen Sprachen bei WP. 1, 309, Ernout-Meillet s. vestis. Die landläufige Ansicht, idg. u̯es- ‘kleiden’ sei eine es-Erweiterung von eu- ‘anziehen’ in lat. ind-uō usw., gehört zu den entbehrlichen Wurzelanalysen. I-521-522
ἐνόπαι f. pl. ‘Ohrgehänge’ (S. Fr. 54). — Hypostase aus ἐν ὀπαῖς eig. "in den Löchern (sitzend)"; in derselben Bedeutung διόπαι (Attika, Ar.) aus δι’ ὀπῶν "durch die Löcher (gesteckt)". Dagegen δί-οπος ‘mit zwei Löchern versehen’ (Epid., Ath.) Bahuvrihi. — Zu μετόπη s. bes. I-522
ἐνοπή f. ‘Geschrei, Schlachtgeschrei, Getöne, Stimme’ (ep. lyr. seit Il.; zur Bedeutung, kaum ganz richtig, Trümpy Fachausdrücke 154f.). — Der formal nächstliegenden Anknüpfung an ἐν(ν)έπω ‘ansagen’ (Fick 1, 559, Schwyzer 460) ist vielleicht die Herleitung aus *ἐν-ϝοπ-ή (zu ἔπος usw.; Curtius 459, Brugmann KZ 25, 306 A. 2) aus semantischen Gründen vorzuziehen. Sie setzt ein mit ἐν- präfigiertes Verb voraus; vgl. dazu lat. in-vocō, apreuß. en-wackēmai ‘wir rufen an’. Die Bildung war vielleicht vorgriechisch (Porzig Satzinhalte 251). I-522
ἐνοργείας · τὰς νεοσσείας (‘das Brüten, Nisten, Nest(bau)’). Κρῆτες H. — Nach Bechtel Dial. 2, 784 (der ἐνοργία schreibt) Abstraktbildung aus ἔνοργος ‘der ἐν ὀργῇ, d. h. in Brunst ist’. I-522
ἕνος ‘alt’ im Gegensatz zu ‘neu’, nur in stehenden Redewendungen von Früchten und Beamten des vorigen Jahres, auch von dem letzten Tag des vorigen Monats oder Mondumlaufes, der zugleich den neuen Umlauf einleitet (seit Hes.); in der letztgenannten Bedeutung gewöhnlich ἕνη καὶ νέα (sc. σελήνη; att. seit Solon). — Das gemeinidg. Wort für ‘alt’, *sénos, hat sich in den meisten Sprachzweigen erhalten, u. z. in erster Linie als Gegensatz zu ‘neu’: gr. ἕνος, arm. hin, aind. sána-, lit. sẽnas, kelt., z. B. air. sen; hierher noch awno. sina f. ‘verwelktes Gras vom vorigen Jahre’ (vgl. ἕνος βλαστός u. ä.). Einige der genannten Sprachen gebrauchen es auch im Gegensatz zu ‘jung’, so namentlich das Keltische und Litauische, aber auch das Germ., z. B. got. sineigs ‘πρεσβύτης’, und das Iranische, aw. hana- ‘alt, greis’; von aind. sána- gibt es dagegen keinen sicheren Fall dieser Verwendung. Umgekehrt ist diese Bedeutung im Italischen alleinherrschend geworden, lat. senex, osk. senateís ‘senātūs’. Im Osten wurde *sénos in dieser Bedeutung von der expressiven Wortsippe von γέρων (s. d.) ersetzt bzw. stark zurückgedrängt. — Vgl. Porzig Sprachgeschichte und Wortbedeutung 343ff., der nur ‘alt’ im Gegensatz zu ‘neu’ als die ursprüngliche Bedeutung gelten lassen will. I-522-523
ἔνοσις f. ‘Erschütterung’ (Hes., E. inlyr.). Als Vorderglied in den ep. Komposita ἐνοσί-χθων, ἐννοσί-γαιος ‘Erderschütterer’ Beinamen des Poseidon; in derselben Bedeutung ἐννοσίδᾱς (Pi.), wohl zu δα- in Δα-μάτηρ (s. Δημήτηρ und v. Wilamowitz Glaube 1, 203); danach εἰνοσί-φυλλος ‘laubschüttelnd’ (Hom.; ἐνν-, εἰν- metrische Dehnung; vgl. Chantraine Gramm. Hom. 1, 100); vgl. Knecht Τερψίμβροτος 26. — Nicht sicher erklärt. Der seit Pott von vielen Forschern angenommenen Zerlegung in *ἔν-ϝοθ-τις zu ὠθέω (s. auch ἔθων, ἔθειρα) stehen in der Tat mehrere Bedenken entgegen: eine Verbindung -θ-τ- hätte in alter Zeit -στ- ergeben sollen (vgl. z. B. πύσ-τις gegenüber πεῦ-σις); die ο-Abtönung wie in ἄ-φρων : φρήν ist in einer τι-Ableitung nicht angebracht; ein präfixales ἐν- entbehrt der rechten Begründung ("An-stoßen"?). Wenn ἔνοσις überhaupt als eine primäre τι-Ableitung zu verstehen ist (vgl. Holt Les noms d’action en -σις 94f.), liegt es am nächsten, darin eine Bildung wie ἄρο-σις zu sehen. — Lit. bei WP. 1, 255, Porzig Satzinhalte 193f. I-523
ἐνσχερώ s. ἐπισχερώ. I-523
ἐνταῦθα, ἐντεῦθεν s. ἔνθα. I-523
ἔντεα n. pl. (ἔντος sg. Archil. 6) ‘Geräte’, insbes. ‘Defensivwaffen, Rüstung’ (ep. lyr. seit Il.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 79ff.). Als Vorderglied in ἐντεσι-μήστωρ (auch ἐντεο-)· ἔμπειρος ὅπλων H., außerdem in ἐντεσι-εργούς ‘in den Geschirren arbeitend’(?) Beiwort von ἡμιόνους (Akk. pl. Ω 277), von Schulze Q. 158f. nach Nauck, der an ἀνυσιεργός bei Theok. 28, 14 erinnert, semantisch ansprechend in ἐννεσι-εργούς ‘Arbeit verrichtend’ geändert (s. auch Knecht Τερψίμβροτος 35 mit weiterer Lit.; Bedenken bei Trümpy 81; s. noch Patzer Hermes 80, 321); seine Anknüpfung an den erst seit IIa belegten Aorist ἤνεσα (wohl Neubildung nach ἐτέλεσα o. ä.) überzeugt allerdings nicht. Einzelheiten bei Bechtel Lex. s. v. Keine Ableitungen. — Neben ἔντεα steht ἐντύνω, -ομαι, ἐντύω, Aor. ἐντῦναι ‘ausrüsten, zubereiten, (sich) fertig machen’ (poet. seit Il.). In Bedeutung und Bildung an ἀρτύ(ν)ω stark erinnernd, kann es sehr wohl nach diesem Vorbild geschaffen sein (Porzig Satzinhalte 338). Ein zugrundeliegendes Nomen *ἐντύς würde sich sonst zu ἔντος verhalten wie κλειτύς zu κλεῖτος (zum ει-Diphthong Wackernagel Unt. 74f.), wie πληθύς zu πλῆθος. — Bei Abtrennung eines suffixalen -τος (bzw. -τυ-) ergibt sich die Möglichkeit, mit Lobeck Rhematicon 121 ἔντεα als primäres hochstufiges Nomen an ἄνυμι, ἀνύω (s. d.) anzuschließen mit weiterer Anreihung von ἔναρα und αὐθέντης (s. d.; zur Psilose Chantraine Gramm. hom. 1, 186). Unrichtige Analyse von ἔντεα bei Tovar Emerita 11, 431ff. I-523-524
ἐντελέχεια f. philosophischer Begriff, von Aristoteles geschaffen, ‘Vollendung, Vollkommenheit, volle Wirklichkeit’ (Gegensatz δύναμις). — Zusammenbildung aus ἐντελὲς ἔχειν (vgl. νουνέχεια, συνέχεια u. a.), kaum von dem sehr seltenen und überhaupt etwas fraglichen ἐντελεχής, das eher als Rückbildung zu betrachten ist. Die Ähnlichkeit mit ἐνδελεχής, -εια hat in den Hss. oft zu Verwechselungen geführt. — Einzelheiten, auch über die Wortbildung, bei Diels KZ 47, 200ff. I-524
ἔντερα n. pl. ‘Eingeweide, Gedärme’, auch sg. ‘Darm’ (seit Il.). Als Vorderglied z. B. in ἐντερο-κήλη ‘Eingeweidebruch, Hernie’ (Dsk., Gal.; vgl. Risch IF 59, 285, Strömberg Wortstudien 69). Ableitungen. Deminutivum ἐντερίδια (Kom.); ferner ἐντέριον (M. Ant. 6, 13?; Form und Bedeutung sehr unsicher); ἐντεριώνη ‘das Innere einer Frucht, bes. der Wildgurke, einer Pflanze, eines Baums, Mark’ (Hp., Thphr. u. a.; Strömberg Theophrastea 127f.); Bildung wie ἰασιώνη, εἰρεσιώνη (Chantraine Formation 208); ἐντερόνεια (Ar. Eq. 1185) Bed. unklar; nach H. und Suid. = ἐντεριώνη; Adjektiva ἐντερικός ‘zu den ἔ. gehörig’ (Arist.), ἐντέρινος ‘aus Därmen gemacht’ (Sch.); denominatives Verb ἐντερεύω ‘Fische ausnehmen’ (Kom.). — Als alte Bezeichnung der Eingeweide mit arm. ənder-k‘, -ac̣ pl. (gr. LW?, Hübschmann Armen. Gramm. 1, 447f.), awno. iđrar pl. (urg. *inþerōz) begrifflich und formal identisch. Die ursprüngliche adjektivische Bedeutung erscheint in aind. ántara-, aw. antara- ‘innen befindlich usw.’, wozu osk. Entraí Dat. sg. *‘Interae’, N. einer Göttin; im Latein von interior ersetzt. Idg. *enter-o- ist aus einem Adv. *enter adjektiviert, das in aind. antár ‘innen, innerhalb, zwischen’, lat. inter ‘zwischen’ noch erhalten ist. Daneben ahd. untar, osk. anter ‘unter’ = ‘zwischen’ aus der Schwundstufe *n̥ter; weitere Formen aus verschiedenen Sprachen bei WP. 1, 126f., Pok. 313, W.-Hofmann s. inter, interior, Ernout-Meillet s. in. — Auszugehen ist von dem Adverb *en (s. ἔν) mit dem Komparativsuffix -ter, wodurch das Gegensätzliche und Absondernde ausgedrückt wird; s. Benveniste Noms d’agent 120f. I-524-525
ἐντός Adv. und Präp. ‘innen, drinnen, innerhalb’ (seit Il.). Davon ἔντοσθε(ν), vereinzelt ἔντοθεν (nach ἔνδοθεν, ἔκτοθεν usw.) ‘von innen, drinnen, innerhalb’ (ep. ion. seit Il.; späte Prosa) mit ἐντόσθια und ἐντοσθίδια n. pl. ‘Eingeweide’ (Hp., Arist. usw.; vgl. Chantraine Formation 39), wozu die Adj. ἐντόσθιος, -ίδιος ‘auf die Eingeweide bezüglich’ (Mediz. u. a.); vgl. unten. — Komparativbildung ἐντότερος ‘innerer’ (LXX). — Mit lat. intus ‘(von) innen’ uridentisch; idg. Bildung auf -tos (z. B. aind. i-táḥ ‘von hier’, lat. peni-tus ‘[von] innen’) zum Adverb *en; s. ἔν. Vgl. ἐκτός m. Lit. — ἐντόσθια nicht mit Vendryes REGr. 23, 74 aus *ἐντόστια (nach ἔντοσθε) = aind. antastya- n. ‘Eingeweide’; das letztgenannte Wort gehört zu aind. antár ‘innen’ (s. ἔντερον) mit regelmäßigem Ersatz von -r durch -s- im Sandhi vor dem Suffix -tya-. I-525
ἐντροπαλίζομαι nur Ptz. -όμενος ‘sich oft umkehren, zurückwenden’ (Il., Q. S.). — In derselben Bedeutung auch μετατροπαλίζεο (Impf. Med., Υ 190). — Expressive Bildung; zu τροπέομαι, τρέπομαι geschaffen wie στροφαλίζω zu στροφέω, στρέφω, κροταλίζω zu κροτέω. Als Ausgangspunkt diente ursprünglich ein Nomen auf -αλ(ο-), vgl. κρόταλον, στροφάλιγξ. Chantraine Gramm. hom. 1, 340. Ein Adj. ἐντροπαλός ‘beschämt, furchtsam’ ist tatsächlich aus dem Neugriech. bekannt; vgl. Schwyzer 32. Anders Bechtel Lex.. 318f. (nach Fick). I-525
ἐντύνω, ἐντύω s. ἔντεα. I-525
ἐντυπάς Adv. Ω 163 ὁ δ’ ἐν μέσσοισι γεραιὸς || ἐντυπὰς ἐν χλαίνῃ κεκαλυμμένος (danach A. R., Q. S. u. a.; auch ἐντετύπασται ‘ist gehüllt’ BSA 16, 107 [Pisidien]). Davon ἐντυπαδία H. — Bedeutung schon in der Antike strittig, wie u. a. aus den Erklärungsversuchen bei H. hervorgeht: ἐντυπάς· ἐντετυπωμένος. ἐγκεκαλυμμένος τὸ πρόσωπον τῷ ἱματίῳ, τὴν χεῖρα ἔχων πρὸ τοῦ προσώπου. ἢ κεκυφώς. — Gewöhnlich mit den Schol. zu τύπτω, τύπος gezogen und als ‘fest eingeschlagen’ o. ä. verstanden, d. h. so daß sich die Umrisse der Glieder und des Hauptes in dem Gewande ausdrücken. — Nach Kurschat bei Prellwitz als ‘kauernd, hockend’ zu lit. tũpti ‘sich hinhocken’, tupė́ti ‘hocken’ (unsichere germ. Verwandte bei WP. 1, 714). — Zu den Adverbia auf -ας Schwyzer 631, Chantraine Gramm. hom. 1, 251. I-525-526
’Ενυάλιος (’Ενυϝαλιος Argos VIIa; myk. E-nu-wa-ri-jo) m. alter Kriegsgott, mit dem Kriegsgeschrei ἐλελεῦ verbunden und mit Ares identifiziert (seit Il.). Davon ’Ενυαλία N. einer Phyle in Mantinea (IG 5 (2), 271); ’Ενυάλιον N. eines Tempels auf der Insel Minoa (Th. 4, 67). — Daneben ’Ενυώ f. N. einer Kriegsgöttin (Kurzname?; seit Il.) mit ’Ενυεύς König in Skyros (Ι 668; vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 125). — Vorgriechischer Name mit unklarer Bildung und unbekannter Etymologie. Verfehlt Carnoy Beitr. z. Namenforschung 7, 119f. — Zu Enyalios s. Nilsson Gr. Rel. 1, 519 m. Lit. I-526
ἐνῴδιον n. ‘Ohrgehänge’ (att. Inschr. seit 399a; Meisterhans3 65 und 79), oft im Dual (Schwyzer-Debrunner 47). — Hypostatische Deminutivbildung aus *ἐν-ου(σ)-ίδιον mit Übertragung des ω von ὦτα usw. Wackernagel Phil. Anz. 15, 199ff.; s. auch Schulze Q. 38 A. 1. — Seit hellenistischer Zeit dafür, mit voller Angleichung an ὦτα, ἐνώτιον (Delos 279a usw.) mit dem neuen Deminutivum ἐνωτίδιον (Delos, Tanagra); außerdem ἐνωτάριον nach ὠτάριον (H. s. βοτρύδια). — Unrichtige Analyse bei Specht Ursprung 208 und 224 (δ ~ τ alter Suffixwechsel). — Daneben eine Bildung auf -άδιον in ἐξωβάδια· ἐνώτια. Λάκωνες H. (aus *ἐξ-ωυ(σ)-άδια; vgl. Schwyzer 520). I-526
ἐνῶπα nur in κατενῶπα (κατ’ ἐνῶπα, κατένωπα) ‘ins Angesicht, entgegen’ m. Gen. (Ο 320, Orph. L., Epigr.), Univerbierung aus ἐν ὦπα, vgl. ἔναντα und Schwyzer 619. Davon ἐνωπα-δίως ‘von Angesicht zu Angesicht, leibhaftig’ (ψ 94), -δίς (A. R. 4, 351), -δόν (Q. S. 2, 84) ‘ds.’. — Durch Hypostasierung entstand ἐνώπ-ιος ‘vor dem Gesicht seiend, sichtbar, gegenwärtig usw.’, vorw. im. Neutr. als Adv. und Präp. ἐνώπιον (m. Gen.) ‘angesichts, in Gegenwart, persönlich’ (hell. u. spät), κατενώπιον ‘ds.’ (hell. u. sp.). Im Neutr. pl. ἐνώπια ‘Vorderwände, Außenwände, Fassade eines Hauses’ (Hom.), auch im Sing. (Delos IIa); ‘Antlitz’ (A. Supp. 146 [lyr.]). — Ein isolierter Dativ ist ἐνωπῇ ‘im Anblick, öffentlich’ (Ε 374), von einem Verbalnomen ἐνωπή ‘Anblick, Angesicht’ (nur in ἐνωπῆς γλήνεα Nik. Th. 227; Simplex ὠπή A. R., Nik.), falls nicht einfach Umbildung von ἐνῶπα nach den adverbiellen Dativen auf -ῇ (σπουδῇ usw.; Schwyzer 622), vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 249. — Weiteres s. ὤψ; vgl. auch πρόσωπον und μέτωπον. I-526-527
ἐνώτιον s. ἐνῴδιον. I-527
ἐξ, vor Konsonant ἐκ (ἐγ, ἐχ), dial. ἐς, böot. immer ἐ(σ)ς Adverb (Präverb) und Präposition ‘aus’ (seit Il.). Einzelheiten mit Lit. bei Schwyzer-Debrunner 461ff. Davon ἔξω usw., s. bes. — Genaue Entsprechungen zu ἐξ liegen im Italischen und Keltischen vor, z. B. lat. ex (ē, ec-), gall. ex-, air. ess-; daneben stehen im Baltischen und Slavischen Formen mit unklarem i-, z. B. lit. ìš, ìž, aksl. is, iz; sehr fraglich arm. i, y- ‘aus, von’ (neben i, y- ‘in’). — Wegen ἔσχατος, ἐχθός (= ἐκτός) u. a. wird nach Wackernagel KZ 33, 38ff. (= Kl. Schr. 1, 717ff.) als idg. Grundform nicht *eḱs, sondern *eĝhs (*eĝzh) angesetzt; eine Annahme, die, für ἐκτός entbehrlich (s. d.), für das unklare ἔσχατος unumgänglich zu sein scheint, vgl. s. v. I-527
ἕξ, dor. usw. ϝέξ ‘sechs’. Als Vorderglied neben seltenen ἑξ-, ἑκ- gewöhnlich ἑξα- (ἑξά-μετρος, ἑξα-κόσιοι usw.) nach ἑπτα-, τετρα-; ἑξή-κοντα nach πεντή-κοντα; zu den Hintergliedern -κοντα und -κόσιοι s. Schwyzer 592 und zu διακόσιοι. Ableitungen: ἑξίτης (sc. βόλος) ‘Sechs-Wurf im Würfelspiel’ (Epigr., Poll.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 48); ἑξᾶς, -ᾶντος m. (sizil.) = lat. sextans und diesem nachgebildet; davon ἑξάντιον (Epich.). — Daneben das Ordinale ἕκτος, kret. ϝέκτος und das Zahladv. ἑξάκις (nach πολλάκις usw.); Kollektivum ἑξάς f. ‘Zahl von sechs’ (Ph. usw.) mit ἑξαδικός. — Über das unklare ξέστριξ κριθή· ἡ ἑξαστιχος. Κνίδιοι H. s. Schwyzer 590 m. Lit. Das idg. Zahlwort ‘sechs’ liegt in mindestens zwei Varianten vor. Lat. sex, germ., z. B. got. saíhs, aind. ṣáṣ-, lit. šeš-ì, aksl. šes-tь, alb. gjash-tē, toch. A ṣäk sind alle (mit einzelsprachlichen Veränderungen des Anlauts) auf idg. *seḱs zurückführbar. Ihnen stehen in gr. ϝέξ, arm. vec̣, kelt., z. B. kymr. chwech, aw. xšvaš Formen mit u̯-haltigem Anlaut gegenüber; Grundlage etwa *su̯eḱs; viele Einzelheiten bleiben indessen unklar. Auch gr. ἕξ erklärt sich wie ϝέξ unschwer aus idg. *su̯eḱs mit Schwund des Digamma bzw. des Hauches; zu böot. ἕξ (neben ϝικαστῆ) Schwyzer 226 m. A. 4. — Das Ordinale ἕκτος, ϝέκτος kann sowohl *su̯eḱs-to-s wie *su̯eḱ-to-s repräsentieren; eine idg. Lautgruppe -ḱt- scheint für gewisse germanische Formen, ahd. sehto (neben sehsto), awno. sétte erforderlich zu sein. Andere Formen zeigen indessen ein inlautendes -s-: lat. sextus, got. saíhsta, toch. A ṣkäst; wieder andere sind mehrdeutig: aind. ṣaṣṭhá-, lit. šẽštas, aksl. šestъ. — Lit. bei Schwyzer 590f., 595f., WP. 2, 522f., W.-Hofmann s. sex ebenso wie in zahlreichen grammatischen und lexikalischen Darstellungen der einzelnen Sprachen. I-527-528
ἔξαιτος ‘auserlesen’ s. αἴνυμαι. I-528
ἐξαίφνης ‘plötzlich’ (seit Il.). Davon ἐξαιφνίδιος (Pl., Gal. u. a.) nach dem älteren αἰφνίδιος. — Zusammenrückung aus ἐξ αἴφνης, von einem Nomen *αἴφνη (wozu αἰφνίδιος), also vielleicht eig. "aus der Jähe" bzw. "dem jähen" (sc. τῆς ὁδοῦ?; Strömberg Prefix Studies 56; vgl. auch Bechtel Lex. s. v.). Das später auftretende αἴφνης (s. d.) kann eine Kreuzung von ἐξαίφνης und αἰφνίδιος sein (anders Schwyzer 625). — Vgl. ἐξαπίνης. I-528
ἔξαλος ‘außerhalb des Meeres, fern vom Meer, aus dem Meer hinausragend’ λ 134 = ψ 281 als schwach bezeugte v. l. für ἐξ ἁλός; Emp. 117 (ἰχθύς; auch auf ἐξάλλομαι bezogen), hell. u. sp. Prosa (Plb., Str., Luk.), Opp. — Hypostase aus ἐξ ἁλός. Die Ansicht Leumanns, Hom. Wörter 55 A. 24, das dichterische Adjektiv ἔξαλος sei aus der Lesung der Odysseestellen entstanden, ist kaum haltbar. I-528
ἐξάντης, -ες ‘genesen, gesund, frei von’ m. Gen. (z. B. νούσου. Hp., Pl. Phdr. 244e, späte Prosa). — Medizinischer Ausdruck, der Bildung nach zu προσ-, κατ-, ἀν-άντης usw. stimmend. Es wäre somit eig. "mit der Vorderseite, dem Angesicht weg", d. h. ‘abgewendet, frei von’; vgl. zu ἄντα und ἀντί, außerdem Schwyzer-Debrunner 441f. m. Lit. — Verfehlt Ehrlich Sprachgesch. 40; s. Kretschmer Glotta 4, 349. I-528
ἐξαπίνης, dor. -ᾱς Adv. ‘plötzlich’ (vorw. ep. ion. poet. seit Il.; nicht Trag.); hell. und spät auch ἐξάπινᾰ (nach den Adv. auf -ᾰ). Davon ἐξαπιναῖος mit dem Adv. -αίως ‘ds.’ (Hp., Th., X., Plb. u. a.). — Bildung wie ἐξαίφνης (s. d.) aber sonst dunkel. Die Heranziehung von ἄφαρ, ἄφνω (Strömberg Prefix Studies 56) hat wenig Wert; ältere, ebenfalls fragliche Versuche (lat. opīnor, νηπύτιος) bei Bq. I-528
ἔξαστις, -ιος f. ‘Rand eines Gewebes, Franse’ (Samos IVa), pl. ‘herausstehende Fäden am Gewebe’, bes. ‘die Fäden, die beim Zerzupfen der Leinwand zu Charpie entstehen’ (Mediz.). — Nicht sicher erklärt. Nach J. Schmidt Kritik 89 A. 1 aus *ἔξ-αν-στ-ις, Verbalnomen zu ἐξανίστημι mit Apokope und Nasalverlust wie in epid. ἀ-στάς = ἀν(α)-στάς; dazu Schwundstufe wie in μετ-ανά-στ-ις (s. μετανάστης), also eig. "die herausstehende". Dagegen erwägt Boisacq (nach Schneider) mit Recht Anknüpfung an ἄττομαι ‘das Gewebe anzetteln’, ἄσμα ‘Kettenfaden’ usw. (s. dazu Fraenkel IF 32, 121); auszugehen wäre von *ἐξ-άττομαι oder *ἐξ-άζομαι (genaue Bedeutung?). I-528
ἐξαυστήρ, -ῆρος m. ‘κρεάγρα, Fleischzange’ (A. Fr. 2, Inschr., Poll. usw.) mit dem Deminutivum ἐξαύστριον (Delos IIIa). — Auch ἐξαύστης (Delos IIa; nach der Zusammenbildung πυραύστης). S. 2. αὔω. I-529
ἐξαυτῆς Adv. ‘sofort’ (hell.). — Wahrscheinlich aus ἐξ αὐτῆς τῆς ὁδοῦ abgekürzt, s. Wackernagel Unt. 41 A. 4. I-529
ἐξερἄω — s. ἀπ-εράω. — Zu ngr. ξερνῶ, ἐξέρασα ‘sich erbrechen’ (so auch im Altgr.) Grégoire-Goossens Byzantion 13, 399f. I-529
ἑξῆς Adv. ‘der Reihe nach, hintereinander, nächstdem’ (Od., att.); ἐφ-εξῆς, ion. ἐπ- ~ ‘ds.’, καθ-εξῆς ‘ds.’ (Ev. Luk. 1, 3, Plu., Ael.); daneben ἑξείης (Hom.), ἐφ-, καθ-εξείης (Orph., Opp.); ἑξαν (dor., Akzent?) ‘ds.’. — Daß der adverbiale Genetiv ἑξῆς zu einem von ἔχεσθαι ‘sich anschließen, folgen’ abgeleiteten Nomen gehört, scheint sicher, aber die nähere Beurteilung schwankt. Schulze Q. 293 sieht in ἑξῆς und ἑξαν Formen von einem Nomen *ἕξᾰ mit derselben Flexion wie μίᾰ, μιᾶς, μίᾰν; Bechtel Lex. s. v. geht, weniger ansprechend, von einem Adjektiv *ἑξός aus. Beachtung verdient die Vermutung Solmsens, Wortforsch. 240 A. 1, ἑξῆς sei aus dem früher belegten ἑξείης (metrische Dehnung für *ἑξέης?) kontrahiert. Wie Solmsen selbst bemerkt, erklärt diese Annahme jedenfalls nicht dor. ἑξαν. — In ἑξε(ί)ης scheint ein Adjektiv *ἑξε(ι)ος (vgl. ἑξεῖα· τα ἑξῆς H.) zu stecken (von ἕξις?). — Die synonymen ἐπεχές (arg.), ἐπεχεῖ (delph.), ποτεχεῖ (herakl.) gehen direkt von ἐπ-, ποτ-έχεσθαι aus; vgl. Schwyzer 549. I-529
ἕξιστων Beiwort von χιτωνίσκον (Akk.), zusammen mit κτενωτόν (IG 22, 1514, 30; 1516, 9; Mitte IVa; Verzeichnis von Kleidungsstücken, die der Artemis geschenkt wurden; zahlreiche eigentümliche technische Wörter). — Ohne Zweifel für ἕξ ἱστῶν ‘aus sechs Webstücken bestehend’; zur Sache s. Preisigke Wörterbuch s. ἱστός. I-529
ἐξονομακλήδην (ἐκ δ’ ὀν.) Adv. ‘bei Namen, namentlich’ (Hom.). — Hypostase aus dem Ausdruck ὄνομα καλεῖν (τινα) ‘(jn.) bei Namen nennen’ nach κλήδην (Ι 11) und mit ἐξ wie in ἐξονομαίνω (-άζω) ‘mit Namen nennen’ (vgl. zu diesem Ausdruck die, wie es scheint, allzu kritischen Ausführungen von Jacobsohn KZ 62, 132ff.). — Nach H. Fränkel Glotta 14, 2f. wäre ἐξονομακλήδην = ‘mit Vatersnamen’ mit Bezug auf die patronymische Anrede τίς πόθεν εἰς ἀνδρῶν gesagt. I-529
ἐξουλή f. ‘Verdrängung, Verbannung’ (att.), fast nur in ἐξουλῆς δίκη; außerdem vereinzelt ἐξουλήν und -άς. — Juridischer Ausdruck, aus *ἐκ-ϝολνά̄ zu *ἐκ-ϝελνέω ‘verdrängen’ (s. 1. εἰλέω); vgl. auch zu ἁ̄λής und οὐλαμός. — Zur Oxytonierung Wackernagel-Debrunner Philol. 95, 178f. I-529-530
ἔξω Adv. und Präp. m. Gen. ‘außerhalb’ (seit Il.); dazu ἔξω-θεν ‘von außen her, draußen’ (ion. att.), auch ἔξοθεν (Stesich., Ibyk. u. a.; nach πόθεν u. a.); ἐξωτέρω, -τάτω u. a. — Von ἐξ wie εἴσ-ω von εἰς, ἄνω von ἀνά usw.; Schwyzer 550. — Dial. ἐξεῖ· ἔξω. Λάκωνες H. (nach ἐκεῖ u. a.), kret. ἔξοι (ἔνδοι usw., s. ἔνδον), lesb. ἐξός (ἐκτός u. a.). Schwyzer-Debrunner 538. I-530
ἐξωφάκαι pl. ‘eine Art von äußeren Hämorrhoidalknoten, die Linsenfrüchten ähnelten’ (Kyran.). — Zu φακός ‘Linse’; vgl. ἀφάκη m. Lit. I-530
ἔοικα (seit Il.), ep. du. ἔϊκτον, att. pl. ἐοίκαμεν, Prät. sg. ἐῴκειν, ep. du. ἐΐκτην, att. pl. ἐῴκεσαν, Med. ep. ἔϊκτο, ἤϊκτο, Ptz. εἰκώς (Φ 254, att.) neben ἐοικώς (für *ϝε-ϝικ-ϝώς nach ἔοικα? Leumann Celtica 3, 241ff.), f. ἐϊκυῖα, n. εἰκός; οἶκα, οἰκώς (Hdt.) ‘ähnlich sein, gleichen’; weitere Formen bei Chantraine Gramm. hom. 1, 424f., 479f., Schwyzer 769, 773, 541. Auch mit Präfix ἐπ-, ἀπ-έοικα u. a. Dazu als Neubildung die faktitiven εἰκάζω (s. d.) und ἐΐσκω (ep. poet. seit Il., nur Präsensstamm, Ipf. ἴσκε(ν), Ptz. ἴσκοντ-) ‘gleich machen, finden, vergleichen, vermuten’. — Das alte intransitive Perfekt ἔοικα (woraus durch Hyphärese οἶκα usw.; anders Schwyzer 766f.) geht, wie schon aus dem Metrum erhellt (Chantraine 1, 129), auf *ϝέ-ϝοικ-α, du. *ϝέ-ϝικ-τον, Plusquamperf. *(ἐ-)ϝε-ϝοίκ-ει (> ἐῴκει; Debrunner Mus. Helv. 2, 199) zurück; dazu wurden *ϝε-ϝίκ-σκ-ω (> ἐΐσκω), *ϝε-ϝικ-άζω > ἐϊκάζω, εἰκάζω neugebildet (anders über ἐΐσκω, schwerlich richtig, Schwyzer 298 mit Schulze KZ 43, 185). Ein reduplikationsloses *ϝικ-σκ-ω wird in ἴσκε(ν), ἴσκοντ’ vermutet (z. B. Schwyzer 708); daneben auch mit Prothese *ἐ-ϝίσκω ι 321 usw.? (Chantraine 317). Ohne Reduplikation ist jedenfalls (ϝ)εικών (s. d.); für εἰκώς kommt dagegen neben ϝεικ- (Schwyzer 541, 767; so auch s. εἰκών) auch *ϝε-ϝικ-ϝώς (s. oben) ernstlich in Betracht. Zu εἴκελος s. ἴκελος; zu ἐπιεικής s. bes. — Eine sichere außergriechische Entsprechung von ἔοικα usw. fehlt. Der Vergleich mit der baltischen Sippe lit. į-vỹkti ‘eintreffen, zutreffen, wahr werden’, pa-véikslas ‘Beispiel’ usw. ist sehr fraglich; s. WP. 1, 233 m. Lit. I-530
ἐόλει ‘bedrängte’ (Pi. P. 4, 233 coni. Boeckh) s. 1. εἰλέω. I-530
ἔορ · θυγάτηρ, ἀνεψιός. ἔορες· προσήκοντες, συγγενεῖς H. — Absterbendes Relikt des idg. Wortes für ‘Schwester’, das u. a. in aind. svásar-, lat. soror, germ., z. B. got. swistar vorliegt; idg. *su̯ésor-. Die griechischen Formen müssen, mit ungenauer Bedeutungsangabe (anders Specht Ursprung 335), aus einem psilotischen Dialekt stammen; ἔορ scheint Vokativ zu sein. Im Griech. sonst durch ἀδελφή ersetzt, was zu einer Bedeutungsverschiebung hat beitragen können, wie φράτηρ durch αδελφός. — Reiche Lit. bei Bq, WP. 1, 533ff., W.-Hofmann s. soror usw. I-530-531
ἔοργα von ἔρδω s. d. I-531
ἐόργη f. ‘τορύνη, Quirl’ mit den Denominativa ἐοργῆσαι· τορυνῆσαι und ἐοργίζεται· τορυνᾶται (Poll., H., Eust. usw.). Daneben εὐέργη, εὐεργέτις (Poll., H., EM). — Semantisch und formal nahe steht das sekundäre Verb ὀργάζειν ‘weich machen, kneten, gerben’ (att.), ebenso εὐεργής als Beiwort von ἄρτος (‘wohlgeknetetes Brot’) bei Andromachos (ap. Gal. 14, 38, 9). Der Bildung nach erinnert ἐόργη (für *ἐοργή wie δείλη, δέρη u. a.? Solmsen; s. unten) an ἐδ-ωδ-ή usw. und ist wahrscheinlich als intensive Reduplikationsbildung *ϝε-ϝοργ-η zu verstehen. Die Nebenformen εὐέργη, -έτις scheinen volksetymologische Umbildungen zu sein (vgl. εὐεργής oben). In ὀργάζω liegt ein mit -άζω erweitertes iterativ-intensives ὀργάω (Schwyzer 718) vor. Die Wörter gehören zu ἔργον, ἔρδω (s. dd.); zur Bedeutung vgl. dt. (Teig) wirken = ‘kneten’. — Solmsen Unt. 256f. (nach Lobeck). I-531
ἑορτή, ion. Prosa ὁρτή (durch Hyphärese) ‘Fest, religiöse Feier’ (seit Od.). Als Hinterglied in φιλ-έορτος (Ar. in lyr.) u. a. Davon die späten Adj. ἑορταῖος ‘zum Fest gehörig’ (D. H.), ἑορτώδης ‘festlich’ (J., Ph.) und das Denominativum ἑορτάζω, ὁρτάζω ‘ein Fest feiern’ (ion. att.) mit ἑόρτασις (Pl.), -ιμος (J. usw.; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 87), ἑόρτασμα (LXX), ἑορταστής (Poll., Max. Tyr.), ἑορταστικός ‘zum Fest geeignet’ (Pl. Lg. 829b u. a.). — Verbalnomen mit suffixalem -τή (Schwyzer 501, Chantraine Formation 301f.), aber ohne sichere Anknüpfung. Nach Sonne KZ 13, 442 A. aus *ϝε-ϝορ-τή zu ἔροτις, ἔρανος (s. d.), wozu noch mit Brugmann IF 13, 155ff. ἦρα usw. (s. d.). Zur Bildung usw. Solmsen Unt. 257, zum Spir. asper Sommer Lautstud. 124ff. I-531
ἑός ‘suus, eigen’ s. ἕ, ἑ. I-531
ἐπαινή Beiwort der Persephone (Hom.), spät auch auf andere Göttinnen übertragen (Hekate, Demeter). — Wahrscheinlich durch falsche Worteinung (zunächst Ι 457) aus ἐπ’ αἰνὴ Π. ‘dazu die schreckliche P.’ entstanden. Buttmann Lexilogus 2, 101, Leumann Hom. Wörter 72, Schwyzer 102. I-531
ἐπᾱλής Beiwort der λέσχη (Hes. Op. 493 ἐπαλέα λέσχην), als ‘sonnig’ (zu ἀλέα ‘Sonnenwärme’) oder ‘dicht gedrängt’ (zu ἁ̄λής) erklärt. — Da bei der letztgenannten Deutung das Präfix ἐπ’ unklar ist, kommt auch eine Lesung ἐπ’ ἀλέα (wie ἐπ’ αἰνή) in Frage; Bechtel Lex. 129. I-531-532
ἔπαλπνος ‘angenehm’ o. ä. (Pi. P. 8, 84, von νόστος). — Zu ἁρπαλέος (s. d.) aus ἀλπαλέος, *ἄλπιστος (s. ἄλπνιστος), wahrscheinlich von einem r-n-Stamm *ἄλπαρ, ἄλπν- als Bahuvrihikompositum mit adverbialem Präfix. Zur Stammbildung noch Schwyzer 484 m. A. 2 und Lit. I-532
ἐπάντης, -ες ‘schroff, steil’ (Th. 7, 79). — Wie ἀν-, κατ-άντης u. a. von einem Nomen ἀντ- in ἄντα, ἀντί (s. dd.) ‘Vorderseite, Stirn’ mit adjektivischer σ-Stammflexion; somit eig. ‘mit der Vorderseite zugewandt’ . I-532
ἐπαρετέω ‘in Gebrauch, in seinen Dienst nehmen’ (PTeb. 5, 182; 252; IIa; κτήνη, πλοῖα, von Beamten usw.). — Von ἀρετή im Sinn von ‘Dienstfertigkeit, Dienst’ mit ἐπί wie ἐπι-χειρ-έω, ἐπι-θυμ-έω u. a. I-532
’Επάριτοι pl. Ben. der Soldaten des arkadischen Bundes (X., Ephor. usw.), eig. = ἐπίλεκτοι, ‘die Auserlesenen’ (D. S. 15, 62); — vgl. die EN Πεδ-άριτος (ark., lak.), ’Επ-ήριτος (ω 306), Μετ-ήριτος (ion.); außerdem das Adj. νήριτος (s. d.) aus *νε-αρι-τος ‘nicht zu zählen, zahllos’, von einem Verb ‘zählen’, das auch dem Nomen ἀρι-θμός zugrunde liegt, mit ἐπι- wie in ἐπι-λέγειν ‘auswählen’. — Leumann Hom. Wörter 247 m. Lit., Schwyzer 502. I-532
ἐπασσύτεροι auch sg. -ος pl., ‘einer nach dem andern, rasch aufeinander, haufenweise’ (ep. seit Il.); als Vorderglied in ἐπασσυτερο-τριβής ‘rasch aufeinander treffend’ (A. Ch. 426 [lyr.]). — Erklärung unsicher. Nach Sonne KZ 13, 422 und Brugmann RhM 53, 630ff. von einem Adv. *ἐπ-αν-(σ)σύ zu *ἐπ-αν(α)-σσεύομαι ‘nach einander eilen’, vgl. ἀνά-σσυτος ‘in die Höhe steigend’ (Hp.), ἐπί-σσυτος ‘andringend’ (A., E.), παν-συ-δίῃ ‘mit allem Eifer’; dabei könnte ebensogut mit Ehrlich RhM 63, 109 ein haplologisch gekürztes ἐπασσυ[τό]-τερος in Betracht kommen. — Nach Risch 87 und Seiler Steigerungsformen 44 dagegen eher Kontamination von *ἀγχύτερος und ἀσσοτέρω; ähnlich Baunack Philol. 70, 387: aus ἀσσοτέρω und ἐγγύτερος. Bei der ersten Deutung vermißt man eine befriedigende Rechtfertigung des komparativen -τερος; bei der letztgenannten scheint das Präfix ἐπι- überflüssig; vgl. indessen das synonyme ἐπήτριμοι. I-532
ἐπαυρίσκω, gew. -ομαι (ἐπαυρεῖ H. Op. 419), Aor. ἐπαυρεῖν, -έσθαι, Fut. ἐπαυρήσομαι ‘berühren, an etw. teilhaben, genießen’ (vorw. ion. poet. seit Il.). Davon ἐπαύρεσις ‘Genuß, Gewinn’ (Hdt., Demokr., Th.). — Ohne Etymologie. Vermutung bei Schwyzer 709 A. 3: *ἐπ-ᾱ-ϝρ- zu εὑρίσκω (s. d.). Eine Form mit anderem Präfix scheint in ἀπαυρίσκομαι ‘Nahrung schöpfen’ (Hp. Nat. Puer. 26) vorzuliegen. I-532-533
Ἔπαφος 1. m. Sohn des Zeus und der Io, den diese am Nil gebar (A. Pr. 851); griech. Name des Apis (Hdt.). — Von den Alten (z. B. A. Supp. 17 und 45, Pr. 849f.) auf die Berührung (ἐπαφή, ἔφαψις, ἐπαφάω) der Io durch Zeus zurückgeführt, was eine offenbare Volksetymologie ist; vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 246 A. 2. Auch für ein heilendes Handauflegen (Gruppe; s. P.-W. s. Epaphos) gibt es in dieser Sage keinen Anhalt. I-533
ἔπαφος 2. -ον Beiwort der ἄμπελος, Ausdruck des Weinbaus unsicherer Bedeutung (PAvrom. 1 A 26, 1 B 27; Ia). — Wohl eig. ‘mit ἁφή, d. h. Haft, versehen’, ‘gestützt, aufgebunden’ (so schon Moulton z. St. JournofHellStud. 35, 55). Das Wort hat keinen direkten Zusammenhang mit dem juristischen Ausdruck ἀν-έπαφος ‘ohne ἐπαφή’, d. h. ‘unberührt, frei von dinglicher Belastung’; darüber Preisigke Wb. s. v. I-533
ἐπεί Konj. der Zeit und des Grundes ‘da, als, weil’ (seit Il.); auch mit angeschlossenen (hinzugefügten) Partikeln, z. B. ἐπεί τε (ep. ion.), ἐπεὶ δή, ἐπειδή (seit Il.), ep. auch ἐπεὶ ἦ (ἐπειή), mit ἄν : ἐπεὶ ἄν, ἐπεάν (ion.), ἐπήν (ion. att.), ἐπάν (hell.); ἐπεὶ δ’ ἄν, ἐπειδά̄ν (att.). — Aus ἐπ-εί (s. εἰ); wohl urspr. demonstrativ wie εἶτα, ἔπ-ειτα. Weitere Einzelheiten mit reicher Lit. bei Schwyzer-Debrunner 658ff.; auch Chantraine Gramm. hom. 2, 258f. I-533
ἐπείγω, -ομαι ‘drücken, drängen, antreiben; sich drängen, eilen’ (seit Il.); Impf. ἔπειγον (Od.), ἤπειγον (Pi., S.); die außerpräsentischen Formen treten gegenüber dem Präsens zurück : Aor. ἤπειξα (Hp. Ep. 17 u. a.), Pass. ἠπείχθην (Th., Pl.), Fut. ἐπείξομαι (A.), Perf. Med. ἤπειγμαι (J. u. a.). — Hdn. Gr. 2, 436 notiert als äol. ἐποίγω. Auch mit Präfix, namentlich κατ-επείγω (vorw. att.). Wenige Ableitungen: ἔπειξις ‘Dringlichkeit, Eile’ (J., Plu., Luk. u. a.) mit ἐπείξιμος ‘dringlich’ (POxy. 531, 9, IIp; Epismus?, Arbenz Die Adj. auf -ιμος 102); ἐπείκτης ‘Andringer, andringend’ mit ἐπεικτικός ‘dringend’ (EM, Sch. u. a.); ἐπειγωλή ‘Eile’ (EM); ’Επειγεύς PN (Π 571; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 99). — Ohne überzeugende Erklärung. Nach Brugmann IF 29, 238ff. zu οἴγνυμι ‘öffnen’ (aus *ϝο-(ε)ιγ-, lesb. ὀείγην), eig. ‘weichen machen’. Ältere Versuche werden bei Bq abgelehnt. I-533
ἔπειτα, ἔπειτε(ν) s. εἶτα. I-533
ἐπενήνοθε s. ἐνθεῖν. I-533
ἐπενπέτω Ipv., ἐπένποι Opt. (Schwyzer 409, Elis), Bed. unsicher, etwa ‘auflegen’?; vgl. Bechtel Dial. 2, 864. — Ohne Etymologie. I-533
ἔπερθα, κατ-έπερθεν ‘oberhalb’ (Alk.). — Zu ἐπί nach ἔνερθα, -θεν, ὕπερθα, -θεν. Vgl. noch ἐπέρτερα· μείζω καὶ ὑψηλότερα, ἄψερον· ὕστερον, πάλιν H. — Weitgehende Kombinationen bei Mastrelli Stud.itfilclass. 27, 1ff. I-534
ἔπερος m. ‘Widder’ — Nicht mit Meillet Rev. d. ét. slav. 5, 9 zu κάπρος, lat. aper usw.; auch nicht mit Mastrelli Stud. itfilclass. 27, 1ff. zu ἐπέρτερα· μείζω, καὶ ὑψηλότερα H., alb. epërë ‘oben befindlich’. s. εἶρος. I-534
ἐπεσβόλος ‘Worte ausstoßend, schmähend’ (Β 275, A. R., AP) mit ἐπεσβολίη ‘Schmähung’ (δ 159 u. a.) und ἐπεσβολέω ‘schmähen’ (Lyk., Max.). — Zusammenbildung aus ἔπος und βάλλειν mit ε-Vokalismus des s-Stammes und o-Abtönung des Hinterglieds (Schwyzer 440 bzw. 449). I-534
ἐπέτοσσε = ‘ἐπέτυχε, traf, erreichte’ Aor. mit dem Ptz. sg. m. ἐπιτόσσαις (Pi. P. 4, 25; 10, 33). — Unerklärt; vgl. Schwyzer 755 A. 2. I-534
ἐπήβολος ‘dem etwas zufällt, teilhaftig, habhaft’ (seit Od.), auch ‘erreichbar’ (A. R.; vgl. Wifstrand Krit. und exeget. Bemerkungen zu A. R. [Lund 1929] 28f.); ἐπαβολά f. ‘Anteil’ (Gortyn), ἐπηβολή· μέρος H. Daneben κατηβολή· τὸ ἐπιβάλλον (E. Fr. 614, 750). — Verbalnomina von ἐπι-, κατα-βάλλω mit -η- nach ἐπ-, κατ-ήκοος, ἐπ-ημοιβός usw. (Dehnung in der Kompositionsfuge). Brugmann Sächs. Ber. 1901, 103. I-534
ἐπηγκενίδες f. pl. Benennung eines Schiffsteiles (ε 253); — nach Doederlein (s. Bechtel Lex. s. v.) "die auf den ἀγκόνες (‘Schiffsrippen’?) Ruhenden", d. h. ‘die Bohlen’, also Hypostase mit kompositioneller Dehnung und ε-Abtönung im Anschluß an die Nomina auf -ίδ-ες, z. B. σανίδες. Es könnte aber ebensogut die oberen Teile der ἀγκόνες bezeichnen, vgl. zu ἐπωτίδες. Der sachliche Inhalt bleibt sowieso unklar. Einzelheiten bei Bechtel a. a. O. I-534
ἐπηετανός (ἐπητανός h. Merc. 113, Hes. Op. 607) ep. Adj. unbestimmbarer Bedeutung, etwa ‘ausreichend, reichlich, immerwährend’ (seit Od.). — Wohl eig. ‘das ganze Jahr dauernd’ (wie ἐπ-έτ-ειος, ἐπ-ετ-ήσιος) mit -η- wie in ἐπήβολος (s. d.) u. a. und suffixalem -ανος wie in σητάνιος (s. d.). Die Annahme einer Haplologie *-ϝετι-τανος oder *-ϝετο-τανος (wie diūtinus u. a.; Brugmann Sächs. Ber. 1901, 101, 105; Grundr. 22 : 1, 285; Schulze Kl. Schr. 74 A. 1) erübrigt sich. — Nach Benveniste Origines 45 alter Stammwechsel mit ἔταλον, s. d. Abzulehnen Pisani Ist. Lomb. 77, 563f. (zu αἰών). I-534
ἐπηλυγάζομαι, ἐπῆλυξ s. ἠλύγη. I-534
ἔπηλυς ‘eingewandert, Fremdling’ s. ἐλεύσομαι. I-534
ἐπήρεια f. ‘übermütige Behandlung, Kränkung, Drohung’ (att.). Davon ἐπηρεάζω (-ει- IG 5 [2] : 6, 46, Tegea IVa) ‘übermütig (be)handeln, schöpfen, bedrohen’ (Hdt., att., ark.) mit ἐπηρεασμός (Arist. usw.), -αστής (Sm., Pap. u. a.), -αστικός (Com. Adesp. 202 u. a.). — Abstraktbildung von einem Adjektiv *ἐπ-ηρής, gewöhnlich zu ἀρειή, ἀρή (s. dd.) gezogen aber im Einzelnen unklar. Nach Wackernagel KZ 33, 57 = Kl. Schr. 1, 736 mit Kompositionsdehnung von einem Nomen *ἔρος, das er auch in ἐρεσχηλέω (s. d.) vermutet. Fraenkel Nom. ag. 1, 109 A. 3 betrachtet *ἔρος als Hochstufe zu ἀπ-αρές, ἄρος (s. ἀρή), ἀρειή (aus *ἀρεσ-ιά̄), Ἄρης. I-535
ἐπήρετμος Beiw. von νῆες ‘mit Rudern versehen’, von ἑταῖροι ‘an den Rudern sitzend’ (Od.); auch von πόνοι (Opp. H. 4, 76). — Bahuvrihikompositum, sekundär auch Hypostase von ἔπι (ἐπὶ) und ἐρετμόν mit kompositioneller Dehnung. Strömberg Prefix Studies 79, 83, 135; Forster ’Επίχρυσος 17. I-535
ἐπητής, -οῦ (ν 332, σ 128), ἐπητέες pl. f. (A. R. 2, 987; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 32 A. 2) etwa ‘besonnen, sich gut benehmend, wohlwollend’; ἐπητύς f. (φ 306) ‘gutes Benehmen, Wohlwollen’. — Nicht sicher erklärt. Nach Wackernagel Unt. 42 A. 2 von ἕπω in der in aind. sápati belegten Bedeutung ‘hegen, pflegen, huldigen’ mit η-Erweiterung wie in ἐδ-η-τύς. Verfehlt Strömberg Prefix Studies 83. Ältere Hypothesen bei Bq. I-535
ἐπήτριμοι etwa ‘dicht nebeneinander, haufenweise’ (Il., A. R., nur pl.; bei Q. S. und Opp. sg. etwa ‘ansehnlich, gewaltig’). — Schon von den Alten auf ἤτριον ‘Aufzug, Kette’ bezogen, was von Bechtel Lex. s. v. näher begründet wird. Ernste Bedenken bei Arbenz Die Adj. auf -ιμος 25f. In derselben Bed. auch ἐπασσύτεροι, s. d. I-535
ἔπι, ἐπί Myk. e-pi. Adverb und Präposition ‘dazu, darauf, dabei; auf, an, bei, während, wegen’ mit Gen., Dat. und Akk. (seit Il.). — Indog. Adverb *épi, das auch im Indoiranischen und Armenischen erhalten ist: aind. ápi, aw. aipi, apers. apiy ‘auch, dazu; bei, in’, arm. ew ‘auch, und’. Damit ablautend ὄπι- in ὄπιθεν (s. d.) u. a. Eine reduzierte Form *πι- (= aind. pi-, lit. -pi) wird in πιέζω, πτυχή (s. dd.) vermutet. — Einzelheiten mit reicher Lit. bei Schwyzer-Debrunner 465ff. I-535
’Επίασσα f. Beiname der Demeter (H.). — Erstarrtes schwundstufiges Ptz. = ἐπ-ιοῦσα wie ἔασσα = (ἐ)οῦσα, ἕκασσα = ἑκοῦσα; aind. yatī́ ‘gehende’, idg. *i̯-n̥t- neben *i̯-ont- in ἰ-όντ-ος usw. Schwyzer 525, Chantraine Formation 103f. I-535
ἔπιβδᾰ f. ‘Tag nach dem Fest’ (Pi. P. 4, 140); sonst im Plur. ἔπιβδαι oder ἐπίβδαι (Kratin. 323, Aristid., EM 357, 54); nach H. ἀπὸ τοῦ ἐπι<βι>βάζεσθαι ταῖς ἑορταῖς οὐκ οὔσαις ἐξ αὐτῶν. — Somit eig. ‘auf dem Fuße, in der Fußspur folgend’, mit derselben assimilierten schwundstufigen Form des Wortes für ‘Fuß’ (s. πούς; auch πεδά), die auch in aind. upa-bd-á- ‘Getrampel’, aw. fra-bd-a- ‘Vorderfuß’ vorliegt. Die Stammbildung von ἔπιβδα ist nicht eindeutig: für ein ι̯α-Suffix mit geschwundenem Jot Schwyzer 475; dagegen betrachtet Solmsen Wortforsch. 269 ἔπιβδᾰ als sekundäre Kürzung für *ἐπί-βδ-ᾱ. I-536
ἐπιβουκόλος in βοῶν ἐπιβουκόλος ἀνήρ (Od.), zu βουκόλος gebildet nach Muster etwa von ἐπίουρος (von ἐφορᾶν, ἐπὶ ... ὄρονται) neben οὖρος ‘Wächter’. Ebenso ἐπιβώτορι μήλων (ν 222) neben βώτορες ἄνδρες (Μ 302). — Vgl. Leumann Hom. Wörter 92, wo auch eine andere Erklärung erwogen wird; außerdem Strömberg Prefix Studies 81 und Sommer Aḫḫijavāfr. u. Sprw. 26. I-536
ἐπιεικής ‘schicklich, geziemend, angemessen, billig; geschickt, tüchtig’ (seit Il.) mit ἐπιείκεια ‘Billigkeit, Tüchtigkeit’ (ion. att.) und ἐπιεικεύομαι (LXX 2 Es. 9, 8 [v. l.], H.). — Gegensatz ἀ-εικής (s. ἀϊκής) mit Beziehung auf ἐπέοικα und Hochstufe wie in εἰκών. — Daneben ἐπι-είκελος ‘ähnlich’ (Hom., Hes.) nach εἴκελος; vgl. Strömberg Prefix Studies 91, Schwyzer-Debrunner 466. I-536
ἐπίεικτος fast immer (bei Hom. immer) mit Negation, οὐκ ἐπίεικτον (μένος, σθένος, πένθος) = ‘un-bezwinglich, un-nachgiebig’ (Hom.); auch = ἐπιεικής ‘angemessen, geziemend’ (θ 307, spät). — Da ein Kompositum *ἐπι-(ϝ)είκω ‘weichen’ nicht belegt ist, hat Schulze Q. 495 A. 1 in Anlehnung an EM 638, 39: οὐκ ἐπίεικτον = οὐ νικώμενον dafür das formelhafte Adjektiv an lat. vincō ‘siegen’, got. weihan, air. fichim ‘kämpfen’ anknüpfen wollen. I-536
ἐπι-είσομαι Fut. ‘werde verfolgen’ s. 1. εἴσομαι. I-536
ἐπιζαρέω ‘anstürmen, bedrängen’ (E. Ph. 45, Rh. 441 [codd. hier -ζάτει]), nach Eust. 909, 28 arkad. — Ohne überzeugende Etymologie. Nach Hoffmann Dial. 1, 102 zu ζωρός ‘feurig, stark’ gezogen mit weiterem Anschluß an ζά-λη ‘Sturm’, δίεμαι usw. I-536
ἐπιζάφελος ‘heftig, hitzig’, vom Zorn (χόλος Ι 525), Adv. -ῶς (χαλεπαίνειν, μενεαίνειν, ἐρεείνειν Ι 516, ζ 330, h. Merc. 487; zur Akzentverschiebung Schwyzer 618), -ον (κοτέουσα A. R. 4, 1672). Daneben in derselben Bedeutung mit archaisierendem Wegfall des Präfixes ζάφελος (Nik. Al. 556, EM), ζαφελές, -ῶς (H.), -ής (Suid.). — Expressives Wort ohne Etymologie. In ζα- steckt gewiß die äolische Form von δια-; das übrige bleibt unklar (ἐθέλω? [Prellwitz], ὄφελος? [Chantraine Gramm. hom. 1, 169]). Nicht besser Strömberg Prefix Studies 89. I-536-537
ἐπιήρανος 1. ‘wohlgefällig, willkommen’ (τ 343) s. ἐπίηρος. I-537
ἐπιήρανος 2. ‘mächtig, herrschend, schützend’ s. ἤρανος. I-537
ἐπίηρος, ‘gefällig, angenehm’ (Emp., Epich. u. a.); ἐπίηρον n. sg. Marc. Sid. (Glotta 19, 176); sonst n. pl. ἐπίηρα, Adv. = χάριν (Antim. 87 u. a.), ἐπίηρα δέχθαι (AP 13, 22), φέρεσθαι (A. R. 4, 375), φέροντα (S. OT 1094 [lyr.]). Komp. ἐπιηρέστερος (Schwyzer 535) — Aus ἐπὶ ἦρα φέρων (Α 572 usw.) durch mißverständliche Univerbierung entstanden. Davon ἐπιήρανος ‘wohlgefällig, willkommen’ (τ 343). Sommer Nominalkomp. 139 mit weiterer Lit. S. ἦρα. I-537
ἐπίθυμβρον n. N. einer Pflanze, nach Paul. Aeg. 7, 4, 9 = τὸ επὶ θύμβρᾳ γενόμενον. — Vgl. ἐπιμήδιον, ἐπιμηλίς und die Ausführungen von Strömberg Wortstudien 34f. I-537
ἐπικάρσιος ‘in die Quere, seitwärts’ (ι 70, von den Schiffen, Hdt., Plb. usw.). — In derselben Bedeutung ἐγκάρσιος (Th. u. a.), wohl nach ἐναντίος u. a. Sekundäres Simplex κάρσιον· πλάγιον H., -ίως Suid. — Letzten Endes zu κείρειν, ἐπικείρειν ‘schneiden’ aber im Einzelnen unklar. Strömberg Prefix Studies 92 geht ansprechend von einem Verbaladjektiv *ἐπίκαρτος aus, wovon ἐπικάρσιος wie ἀμβρόσιος von ἄμβροτος u. a. (s. auch zu διπλάσιος); eine σ-Erweiterung wie in κορσόν· κορμόν H., ἀ-κερσε-κόμης (s. auch κόρση) ließe sich ebenfalls denken. — Die allgemeine Ähnlichkeit mit lit. sker̃sas ‘quer, zwerch’, apreuß. kirscha ‘über’, russ. čerez ‘durch, über-hinaus’ erklärt sich unschwer durch parallele Bildung von der weitverbreiteten Sippe (s)qer-t- ‘schneiden’. — Nicht von *ἐπὶ καρσί, Plur. von ἐπὶ κάρ (Π 392) ‘auf den Kopf’ (Bechtel Lex. s. v. mit Fick u. A.). Ältere Lit. bei Bq und WP. 2, 590. I-537
ἐπίκερας n. Pflanzenname = τῆλις, ‘Trigonella’ (Hp. ap. Gal. 19, 99). — Nach der langen sichelförmigen Hülse ‘hornähnlich’ oder ‘mit Horn versehen’ genannt. Strömberg Wortstudien 33. Zur Erhaltung des ας-Ausgangs vgl. πάγκρεας und ἐρυσίπελας. I-537
ἐπικοκκάστρια f. Attribut von ἠχώ, etwa ‘nachäffend, widerschallend’ (Ar. Th. 1059); ἐπικοκκαστής (unsichere Konj. in Timo 43). — Bildung auf -τριᾰ (besonders der Komödiensprache angehörig, Chantraine Formation 106) wie von *ἐπικοκκάζω (Ar. Byz. ap. Eust. 1761, 26); onomatopoetisch. I-537
ἐπίκουρος Subst. und Adj. ‘Helfer, Hilfstruppen’ (pl.), ‘Beistand; helfend, schützend’ (seit Il.). Davon ἐπικουρικός ‘aus Hilfstruppen bestehend’ (Th., Pl.), ἐπικούριος ‘zu Hilfe eilend’ (Paus.), ἐπικουρία, -ίη ‘Hilfe, Beistand’ (ion. att.) ebenso wie das Denominativum ἐπικουρέω ‘zu Hilfe eilen, beistehen’ (seit Ε 614; zur Verbreitung E. Kretschmer 18, 98f.) mit ἐπικούρησις, -ημα, -ητικός. — Wahrscheinlich für *ἐπίκορσος (Solmsen KZ 30, 600f. mit Fick; wie ἐπίφορος usw.) von einem im Griechischen verlorengegangenen primären Verb, das in schwundstufiger Form in lat. currō ‘laufen’ (aus *kr̥s-ō) erhalten ist. Auch die übrigen herangezogenen Wörter zeigen Schwundstufe, so namentlich das sicher urverwandte keltische Wort für ‘Wagen’, air. carr, gall. carros (wovon lat. carrus, arm. kaṙ-k‘ (pl.) ‘Wagen’; aus dem Galatischen). In Betracht kommt ferner σάρσαι· ἅμαξαι als illyrisch (Lagercrantz IF 25, 367); sehr fraglich dagegen mhd. hurren ‘sich rasch bewegen’. — Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 427f.; dazu noch W.-Hofmann s. currō. I-537-538
ἐπιλᾱΐς, -ίδος N. eines Vogels (Arist. HA 592b 22; v. l.); s. ὑπολᾱΐς und λᾶας. I-538
ἐπιμήδιον n. Pflanzenname (Dsk., Gal.), wegen der Ähnlichkeit mit der Pflanze μήδιον (Campanula); ebenso ἐπιμηλίς, -ίδος f. ‘Mistel’ (Dsk., Gal. u. a.) von μῆλον wegen ihrer Ähnlichkeit mit dem Apfelbaum. Strömberg Wortstudien 32f. — Auch die Eigenschaft der Mistel als Schmarotzerpflanze kann den Namen hervorgerufen haben; vgl. die synonymen ἁμαμηλίς und ὁμομηλίς. I-538
ἐπίνητρον n. Name eines Tongeräts (Poll., EM). — Von ἐπινέω ‘anhäufen’; Xanthudides Ath. Mitt. 35, 323ff., Blinkenberg ebd. 36, 145ff. I-538
ἐπίξενος 1. ‘Ortsfremder, Gastfreund’ (POxy. 480, 11; IIp u. a.) mit ἐπίξενον n. ‘Fremdensteuer’ (Pap.). m. — Postverbal zu ἐπιξενόομαι (τινί) ‘als ξένος bei jm weilen usw.’ (A. Ag. 1320, S. Fr. 146, D., Arist. usw.) mit ἐπιξενώσεις pl. ‘gastfreundliche Beziehungen’ (D. S. u. a.); urspr. wohl ‘im fremden Land (ἐπὶ ξένης) weilen’. I-538
ἐπίξενος 2. · ἐπιχθόνιος H. — Unklar. Nach Hoffmann Festschrift Bezzenberger 80 von χθών mit besonderer Lautentwicklung; dazu Schwyzer 326. Wegen ξενῶνες· οἱ ἁνδρῶνες ὑπὸ Φρυγῶν H. von Pisani Anales defilcl 6, 213 als phrygisch erklärt. I-538
ἐπίξηνον ‘Hackblock, Henkerblock’ (A., Ar., Eust., H.). - Daneben ξηνός = ‘κορμός, Klotz’ (Suid.) n. — von ξέω ‘behauen, glätten’; ἐπίξηνον eher nach ἐπικόπανον ‘Hackblock’ = (erst hellen. belegt) als von ἐπι-ξέω. I-538
ἐπίορκος, -ον bei Hom. nur im Ausdruck ἐπίορκον ὀμόσσαι ‘falsch schwören’ (Γ 279 = Τ 260, Κ 332; danach auch Hes. u. a.; ἐπίορκον ὅρκον ὀμόσαι Ar. Ra. 150) und als Adj. n. ‘eidbrüchig, falsch geschworen’ (Τ 264); später m. ‘eidbrüchig, der falsch geschworen hat’ (Hes. Op. 804, Ar. Nu. 399, Gortyn usw.). Daneben ἐπιορκέω ‘den Eid brechen, falsch schwören’ (allg. seit Τ 188; auch ἐφιορκέω mit Hauchantizipation [Schwyzer 219]) mit ἐπιορκία ‘Eidbruch, Meineid’ (D., X. u. a.), ἐπιορκοσύνη ‘ds.’ (AP). — Schon wegen der weiten Verbreitung des Verbs ἐπιορκέω ‘den Eid brechen’ liegt es nahe, mit Strömberg Prefix Studies 86ff. das allerdings ebenso alte, aber ungleich seltenere ἐπίορκος ‘eidbrüchig’ als eine Rückbildung daraus zu verstehen. Dann ist ἐπιορκέω direkt von ὅρκος mittels des Präfixes ἐπι- abgeleitet wie ἐπιθυμέω von θυμός, ἐπιχειρέω von χείρ usw.; ἐπιορκέω somit eig. ‘gegen den Eid handeln’ (Gegensatz εὐορκέω ‘den Eid halten’ von εὔορκος ‘eidestreu’ [seit Hes.]); zur Erhaltung des -ι- in diesem alten juristischen Ausdruck Fraenkel Nom. ag. 1, 237. — Anders Leumann Hom. Wörter 79ff. (mit ausführlicher Behandlung und Kritik früherer Ansichten): der Ausdruck ἐπίορκον ὀμόσσαι ‘einen Meineid schwören’ (woraus ἐπιορκέω) wäre durch falsche Umdeutung aus ep. ἐπὶ ὅρκον ὀμόσσαι ‘einen Eid dazu-schwören’ entstanden; dagegen W. Luther Weltansicht und Geistesleben (Göttingen 1954) 86ff. mit einer anderen Erklärung; s. auch Fraenkel Gnomon 23, 373 und Bolling AmJPh 76, 306ff., die mit Schwyzer IF 45, 255 von (ὁ) ἐπὶ ὅρκῳ (βάς) mit Berufung auf ἐφ’ ὁρκίοις ἔβη (Archil.) ausgehen. Übrigens neigt auch Leumann 88 dazu, in ἐπίορκος im Sinn von ‘eidbrüchig’ (auf Menschen bezogen) eine Rückbildung aus ἐπιορκέω zu sehen. I-538-539
ἐπίουρος m. ‘Aufseher, Hüter’ (Hom., Theok., A. R.). — Von ἐφορᾶν, ἐπὶ ... ὄρονται (ξ 104, γ 471) nach dem Simplex οὖρος. Anders Leumann Hom. Wörter 92. — Die Bedeutung ‘Holzpflock’ (Epid., Hero, Gp. u. a., auch ἐπίορος [Delos]) ist als scherzhafter Ausdruck in der Sprache der Handwerker entstanden, s. Hiller v. Gaertringen Ath. Mitt. 51, 152f.; dazu auch Wahrmann Glotta 17, 256. I-539
ἐπιούσιος Beiwort von ἄρτος (Ev. Matt. 6, 11, Ev. Luk. 11, 3), in der Vulg. mit ‘quotidianus’, danach mit ‘täglich’ übersetzt; außerdem ἐπιουσι[ων (Sammelb. 5224, 20; Wirtschaftsbericht), Bed. unbekannt. — Die sprachlich unzweifelhaft am nächsten liegende Deutung aus ἡ ἐπιοῦσα (ἡμέρα) scheint eine Übersetzung ‘für den kommenden Tag’ zu erfordern; trotz des dafür aufgebotenen exegetischen Scharfsinns muß sie als sachlich höchst unwahrscheinlich betrachtet werden. Wenn man dagegen (mit Debrunner Glotta 4, 249ff.) von ἐπι τὴν οὖσαν (ἡμέραν) ausgeht, was sprachlich gewiß härter ist, erhält man einen annehmbaren Sinn: ‘für den betreffenden Tag’. — Die Streitfrage muß immer noch als ungeklärt betrachtet werden; über die reiche Literatur und die zahlreichen Erklärungsvarianten orientiert Bauer Gr.-dt. Wb. zum NT. (5. Aufl. 1957) s. v.; dazu noch Dornseiff Glotta 35, 145ff., der das Rätsel durch einen Hinweis auf Exod. 16, 19ff. lösen will. I-539-540
ἐπιπακτίς, ίδος f. ‘Bruchkraut, Herniaria glabra’ (Dsk. 4, 108), — von *ἐπίπᾰκτος ‘befestigt, geschlossen’ zu ἐπιπήγνυμι (vgl. ἐπιπᾰκτόω ‘schließen’), wegen der heilenden Kraft. Vgl. den Pflanzennamen πηκτή = σύμφυτον und Strömberg Pflanzennamen 89. Zum kurzen ᾰ-Vokal in (ἐπι)πακτόω, der gegenüber dem η in πηκτός usw. den ursprünglichen Zustand vertritt, s. Wackernagel Unt. 11. I-540
ἐπιπατρόφιον n. ‘Vatersname’ (Schwyzer 462 A 28, Tanagra IIIa). — Univerbierung von *ἐπὶ πατρόφι mit ιο-Suffix; vgl. Schwyzer 551 und 451. I-540
ἔπιπλα n. pl. (selten -ον) ‘bewegliche Habe, Gerätschaften, Hausgeräte’ (ion. att.). — Alter Ausdruck, wohl als ἔπι-πλ-α von ἐπι-πέλομαι ‘hinzukommen’ (‘sich obenauf bewegen’?), also "die hinzugekommenen (beweglichen?) Geräte" im Gegensatz zu dem festen Besitz; zur Bildung vgl. z. B. δί-φρ-ος und Schwyzer 449. Wegen der Undurchsichtigkeit volksetymologisch umgebildet in ἐπίπλοα (Hdt. 1, 94, Pap.; nach ἐπιπλεῖν, vgl. zu ἐπίπλοον), ἐπίπολα (Dodona; nach ἐπιπολή, s. d.). I-540
ἐπίπλοον (auch -οος m.) n. ‘die Netzhaut um die Gedärme, das Darmnetz, Omentum’ (ion. hell.). — Die Ähnlichkeit mit lit. plėvė̃ ‘feine dünne Haut (auf der Milch, unter der Eischale u. a.), russ. plevá ‘dünnes Häutchen’, sloven. plė́va ‘Augenlid’ (Curtius, Fick; auch Specht Ursprung 182) ist unverkennbar; dabei bleibt aber vor allem das Präfix unerklärt. Es spricht deshalb manches dafür, in ἐπίπλοον ein rein griechisches Verbalnomen von ἐπι-πλεῖν im Sinn von ‘oben schwimmen’ zu sehen; s. Strömberg Wortstudien 65f., wo mehrere ähnliche Ausdrücke, z. B. ἀκρό-πλοος ‘oben schwimmend, oberflächlich’ (von den Adern, der Gebärmutter), herangezogen werden; ἐπίπλοον somit ‘das Organ, das oben schwimmt’. — Die Form ἐπιπόλαιον (Eub. 95, 3) beruht auf volksetymologischer Angleichung an ἐπιπόλαιος, s. ἐπιπολή. I-540
ἐπιπολῆς Adv. und Präp. ‘auf der Oberfläche, obendrauf, oberhalb’ (ion. att.). Davon ἐπιπόλαιος ‘auf der Oberfläche befindlich, oberflächlich’ (Hp., D., Isok., X. usw.), ἐπιπολάζω ‘auf der Oberfläche sein, emporkommen, die Oberhand gewinnen, geläufig sein’ (Hp., att., Arist. usw.) mit ἐπιπόλασις, -ασμός, -αστικός; zuletzt auch ἐπιπολή f. ‘Oberfläche’ (Argos IIIa, Aret., Gal.) mit ἐπιπολεύω ‘auf der Oberfläche sein’ (Ael.). — Als mutmaßliche Zusammenrückung aus *ἐπὶ πολῆς (Schwyzer 625) scheint das Adv. ἐπιπολῆς ein Nomen *πολή vorauszusetzen. Die formal nächstliegende Anknüpfung an πέλομαι, πόλος, τέλος leuchtet semantisch wenigstens nicht unmittelbar ein: *πολή wie τέλος (γονή : γένος) eig. ‘Dreh-, Endpunkt’ > ‘Höhepunkt’ oder etwa ‘das Umherwandern, Platz wo man wandert, Fläche’? Begrifflich besser stimmen dazu schwed. fala f. ‘(baumlose) Ebene, Heide’, abg. polje ‘Feld’ von aruss. polъ ‘offen, frei, hohl’ (Persson Beitr. 1, 228); weitere Verwandte s. παλάμη, πέλανος. — Hierher noch ’Επιπολαί pl. Ben. der Hochebene bei Syrakus (Th. usw.). I-540-541
ἐπίρροθος m. und f., als Adj. auch -ον n. ‘Helfer, -in, helfend’ (Δ 390, Ψ770; Hes. Op. 560, A. R.; auch A. Th. 368 [lyr.]); ‘entgegen-, umlärmend, scheltend’ (S. Ant. 413, Fr. 583, 10), als Beiwort von ὁδός = ‘wo die Fahrzeuge lärmen’ (AP 7, 50). Daneben ἐπιρροθέω ‘umlärmen, zurufen, umtoben, schelten’ (Trag., D. H.). Von ῥόθος ‘Lärm’, ῥοθέω ‘lärmen’ nicht zu trennen; für das Epos ist eine expressive Bedeutung ‘lärmend auf jem. zukommend’ = ‘mit Lärm herbeieilend, zu Hilfe kommend’ anzunehmen, vgl. Brugmann BphW 39, 136ff. — Nach Schwyzer Glotta 12, 15f. wäre ἐπίρροθος ‘Helfer(in)’ bei Hom. fehlerhaft für das gewöhnlichere und allein richtige ἐπιτάρροθος, s. d. I-541
ἐπίσιον (ἐπείσιον) n. = ἐφήβαιον, euphemistische Benennung der Schamgegend (Hp., Arist., Lyk., Gal. u. a.). — Unklar. I-541
ἐπισκῠ́νιον n. ‘die Stirnhaut über den Augen’ (poet. seit Il.), übertr. ‘Stolz, Strenge’ (auch Plb. 25, 3, 6). — Wenn das Simplex σκύνια n. pl. ‘Augenbrauen’ (Nik. Th. 177, 443, Poll. 2, 66) wider Erwarten nicht aus ἐπισκύνιον erschlossen sein sollte, liegt in dem letztgenannten Wort eine Substantivierung von *ἐπι-σκύνιος ‘oberhalb der Brauen befindlich’ vor. Aber auch wenn σκύνια als sekundäres Simplex für die unmittelbare Erklärung von ἐπισκύνιον wegfällt, hat man wahrscheinlich von einem nominalen *σκυν- auszugehen, das zusammen mit ahd. scūr ‘Wetterdach, Schutz’, lat. ob-scūr-us *‘bedeckt’, ‘dunkel’ u. a. auf einen r-n-Stamm schließen läßt; daneben, mit l-Suffix, σκύ-λος n. ‘abgezogene Tierhaut’, σκῦλα n. pl. ‘spolia’. Ein Reflex dieses Nominalstamms kann auch in aind. sku-nā-ti, sku-no-ti ‘bedecken’ vorliegen. — Weitere Anknüpfungen bei WP. 2, 246ff., Pok. 951ff., W.-Hofmann s. obscūrus. I-541
ἐπίσκυρος 1. m. N. eines Ballspiels H. (= ὁ μετὰ πολλῶν σφαιρισμός), Poll. 9, 103, Sch. Pl. Tht. 146a; auch ἐπίκοινος genannt. — Mit ἐπίσκυρος 2. identisch? I-541
ἐπίσκυρος 2. unsicheres Wort bei Kall. Fr. 231 (s. Pfeiffer z.St.) und Fr. anon. 135; von H. mit ἄρχων, βραβευτής, βοηθός, ἐπίσκοπος, ἔφορος, ἐπήκοος erklärt. — Ohne Etymologie. I-542
ἐπισμύγερος, Adv. ἐπισμυγερῶς s. σμυγερός. I-542
ἔπισσαι f. pl. ‘nachgeborene Töchter’ (Hekat. 363 J.); H. auch ἔπισσον· τὸ ὕστερον γενόμενον. — Zur Bildung vgl. zunächst μέτασσαι f. pl. ‘Lämmer mittleren Alters’ (ι 221); auch die Stadtnamen Ἄμφισσα, Ἄντισσα. Ableitung mehrdeutig; am nächsten liegt ein τ-ι̯ο-Suffix (Schulze KZ 40, 412ff. = Kl. Schr. 71 A. 1). Nach Giles ClassRev. 3, 3f. wäre ἔπι-σσαι Analogiebildung nach μέτ-ασσαι ̂ μετ-οῦσαι mit altertümlicher Schwundstufe des Ptz. f. Ältere Auffassungen bei Bq s. v.; s. noch Schwyzer 472 m. A. 2 und Lit. I-542
ἐπίσσωτρον n. ‘der auf das hölzerne Rad gefügte eiserne Beschlag’ (Il., Poll.). — Von σῶτρον ‘Radfelge’ (Poll.), auch in ἐΰ-σσωτρος (Hes. Sc. 273; v. l. Ω 578); dazu σωτρεύματα· τὰ τοῦ τροχοῦ ξύλα. καὶ ὁ ἐπὶ τούτοις σίδηρος ἐπίσωτρον H.; zur Erweiterung -(ευ)μα Chantraine Formation 186f. — Schon längst (z. B. von H.) auf σεύομαι, ἔ-σσυτο ‘eilen’ bezogen mit alter Dehnstufe und Reduktion des Langdiphthongs wie z. B. in τρῶμα neben τραῦμα. Am nächsten kommt aind. cyautná- n. ‘Unternehmung, Tat’ = aw. šyaōϑna- ‘Tun, Handeln’; beide Wörter können tatsächlich als thematische Erweiterungen auf ein Verbalnomen mit ter- : ten-Suffix (lat. i-ter; vgl. Benveniste Origines 103ff.) zurückgehen; idg. *qi̯ō[u]- -t(e)r-, -t(e)n-. I-542
ἐπίσταμαι, Fut. ἐπιστήσομαι (seit Il.), Aor. ἠπιστήθην (Hdt., att.) ‘(sich auf etw.) verstehen, wissen’, auch ‘glauben, meinen’ (Heraklit., Hdt.), zunächst intr. wie in ἐπιστάμενος μὲν ἄκοντι Ο 282. Auch mit Präfix, z. B. ἐξ-, συν-επίσταμαι. Ableitungen. 1. ἐπιστήμων ‘sich auf etw. verstehend, wissend, kundig’ (seit Od.) mit ἐπιστημονικός ‘zum ἐπιστήμων gehörig’, gew. ‘zum Wissen, zur Wissenschaft gehörig’ mit Beziehung auf ἐπιστήμη (Arist.), ἐπιστημοσύνη (Xenokr.); auch ἐπίστημος (Hp.; Chantraine Formation 152); denominative Verba, beide selten und spät: ἐπιστημονίζομαι (Al.), ἐπιστημόομαι (Aq.) ‘ἐπ. werden’. — 2. ἐπιστήμη ‘Verständnis, Wissen, Wissenschaft’ (ion. att.; zur Bedeutungsgeschichte Snell Die Ausdrücke für die Begriffe des Wissens 81ff.); das -η- der Ableitungen wurde von den Adj. auf -ήμων, bzw. von μνή-μη, φή-μη begünstigt (Chantraine 173, 148; Schwyzer 522); ebenso im Verbaladjektiv. — 3. ἐπιστητός ‘was verstanden werden kann, wissenschaftlich faßbar’ (Pl., Arist.). — Aus *ἐπι-hίσταμαι mit früh eingetretenem Schwund des Hauches und Vokalkontraktion (bzw. Hyphärese), Wacker- nagel KZ 33, 20f. = Kl. Schr. 1, 699f. Durch die Bedeutungsentwicklung (*‘vor etw. stehen’ > ‘mit etw. konfrontiert werden, von etw. Kenntnis nehmen’?; zunächst von praktischen Berufen, Bréal MSL 10, 59f., ebenso ahd. firstān, ags. forstandan; nach Fraenkel REIE 2, 50ff. ‘auf die Spur kommen, erforschen’; s. auch Snell a. a. O.) hat sich ἐπίσταμαι auch formal von ἵσταμαι getrennt, was schon bei Homer zu einem neuen ἐφ-ίσταμαι ‘herantreten, dabeistehen’ geführt hat. — Nach Anderen alte reduplikationslose Bildung (Lit. bei Schwyzer 675 A. 2), nach Brugmann Grundr.2 2 : 3, 160 aus einem Aorist ἐπι-στάμενος, -σταίμην neugebildet. I-542-543
ἐπίστιον n. ‘Stapelplatz, Schiffgestell’ (ζ 265). — Ausdruck des Schiffsbaus, von Aristarch als κατάλυμα erklärt und als ion. mit ἐφέστιος, -ον identifiziert; nach den Sch. z. St. von ἱστίον. Schwyzer 425 vermutet (wie Risch 107) suffixale Erweiterung eines Wurzelnomens *ἐπι-στᾱ (vgl. apers. upa-stā ‘Hilfe’). — Unklar ist πίνουσα τὴν ἐπίστιον Anakr. 90, 4; es handelt sich offenbar um eine scherzhafte Benennung eines Tranks. I-543
ἐπισχερώ Adv. ‘in einer Reihe, einer nach dem anderen, ununterbrochen, allmählich’ (Il., Simon., Theok., A. R.). Daneben ἐνσχερώ (A. R. 1, 912) und, in zwei Wörtern, ἐν σχερῷ (Pi.) ‘ds.’; somit Zusammenrückung von ἐπί und einem Instr. σχερώ (Schwyzer 550 und 625). — Zum Nomen *σχ-ερός (Bildung Schwyzer 482, Chantraine Formation 224; *σχερόν n. ‘continuum’, Schwyzer-Debrunner 469 m. A. 1) von σχ-έσθαι, ἔχεσθαι ‘sich anschließen, folgen’; vgl. das stammverwandte ἑξῆς. Eine Umbiegung in σ-Stamm zeigt ὁλο-σχερής ‘gänzlich, vollständig’ (hell.; Schwyzer 513); eine Ableitung ist Σχερ-ίη etwa "ununterbrochene Küste, Festland", Ben. des Landes der Phäaken (Od.). — Bechtel Lex. s. v., Kretschmer Einleitung 281. I-543
ἐπιτάρροθος m. und f. ‘Helfer, -in’ (Hom. 8 mal, Terp. 6). — Dunkel. Die Ähnlichkeit mit dem synonymen ἐπίρροθος springt in die Augen; Kreuzung davon mit einem anderen Wort oder "Streckform" (vgl. zu ἑκατη-βελέτης, -βόλος)? Nach Schwyzer Glotta 12, 15f. mit Ehrlich Betonung 54 Zusammenbildung aus *ἐπι-τάρρο-θος = ταρσῷ (-οῖς, -οῖιν) ἐπιθέων, -θέουσα; dabei bleibt vor allem -ρρ- für -ρσ- zu erklären. Nicht besser Brugmann BphW 39, 136ff.: *ἐπ-ιθά-ρροθος, zu ἰθα- in ἰθα-γενής. — τάρροθος (Lyk.) ist sekundär. I-543
ἐπίτεξ, -εκος ‘der Niederkunft, der Geburt nahe’ (Hp., Hdt., Gortyn, Luk.); daneben der Akk. ἐπίτοκ-α (Andania, Hdt. 1, 108 als v. l.). f. — Aus ἐπί (ἔπι) und einem unbelegten Hinterglied, wahrscheinlich einem Wurzelnomen *τέξ, entstanden, u. zw. entweder als Hypostase von ἐπὶ *τεκ-ί (Dat.; Schwyzer 424) oder vielleicht mit Sommer Nominalkomp. 111 und 115 als Bahuvrihi vom Typus ἔνθεος: "mit der Niederkunft bevorstehend". Danach das späte ἀγχί-τεξ ‘ds.’ (Theognost.). — Der ο-Vokal in ἐπίτοκ-α ist wohl eher von dem späteren ἐπί-τοκος geholt als mit Sommer a. a. O. auf alten Ablaut zurückzuführen. Vgl. auch Strömberg Prefix Studies 86, Fraenkel Nom. ag. 2, 161, Forster ’Επίχρυσος 49f. — Weiteres s. τίκτω. I-543-544
ἐπιτηδές (Α 142, ο 28), ἐπίτηδες (ion. att.), ἐπίτᾱδες (Theok. 7, 42) Adv. etwa ‘mit Vorbedacht, absichtlich’; zur Proparoxytonierung (gefühlsbedingt?) Schwyzer 380. Komp. ἐξεπίτηδες ‘ds.’ (ion. att.). Davon das Adj. ἐπιτήδειος (att.; -εος ion.) ‘geeignet, geschickt, passend’ mit ἐπιτηδειότης (ion. att.); ferner das denominative Verb ἐπιτηδεύω ‘geflissentlich, mit Fleiß betreiben’ (ion. att.) mit ἐπιτήδευμα, ἐπιτήδευσις ‘Beschäftigung, Beruf, Benehmen’ (att.; zur Bedeutung Röttger Plat. Subst. 22ff.), kret. ἐπιτάδουμα; ἐπιτηδευ(μα)τικός (hell.). — Scheint ein Nomen *τῆδος, *τᾶδος vorauszusetzen; sonst dunkel. Nach Bücheler (s. Bechtel s. v.) zu osk. tadait ‘censeat’ (?; nach Vetter eher ‘videatur’); weitere, sehr unglaubhafte Hypothesen von Brugmann Grundr.1 2, 684 und Demonstr. 140ff. (s. Bq), von Prellwitz Glotta 19, 97. I-544
ἐπιτηλίς, -ίδος Mohnart, ‘Glaucium flavum’ (Nik. Th. 852). — Wegen der Ähnlichkeit mit τῆλις ‘Trigonella’; Strömberg Wortstudien 33; vgl. zu ἐπιμήδιον. I-544
ἐπίτυρον n. ‘Speise von eingemachten Oliven’, nur als lat. LW epityrum aus Cato RR 119, Plaut. Mil. 24 bekannt; nach Varro LL 7, 86 eine sizilianische Spezialität. — Von τυρός, weil sie mit oder nach dem Käse gegessen wurde. I-544
ἐπιωγαί f. pl. etwa ‘Anlege-, Ankerplätze’ (ε 404, A. R. 4, 1640 [sg.], Opp. H. 1, 602). — Als Verbalnomen zu ἐπι-(ϝ)άγνυμαι ‘sich gegen etw. brechen’ wohl eig. ‘Ort, wo sich Wind und Wogen brechen’; zu vergleichen sind einerseits κυματωγή aus *κυματο-ϝαγή (Hdt. u. a.) ‘Ort, wo sich die Wogen brechen, Meeresstrand’, anderseits βορέω ὑπ’ ἰωγῇ (ξ 533) eig. "unter dem Bruch des B.", d. h. ‘im Schutz vor dem B.’; letzteres mit Reduplikation *ϝι-ϝωγ-ή; ἐπιωγή wohl somit auch aus *ἐπιϝιϝωγή. Bechtel Lex. s. v. zieht vor, ein reduplikationsloses *ἐπι-ϝωγή neben ϝαγή anzusetzen. Zum Bildungstypus Jacobsohn Gnomon 2, 384. I-544
ἕπομαι, Ipf. εἱπόμην, Fut. ἕψομαι, Aor. ἑσπόμην, Inf. σπέσθαι (seit Il.); ἑσπ-έσθαι, -όμενος, -οίμην sind sicher erst seit A. R., der dazu als Neubildung das Präsens ἕσπεται einführt; auch mit Präfix ἐφ-, παρ-, συν-, μεθ-, ‘folgen, begleiten’. Davon ἑπέτᾱς ‘Begleiter’ (Pi.), = myk. e-qe-ta; -τις f. (A. R.); außerdem ἀοσσέω, ὀπάων, ὀπάζω, s. bes.; vgl. ὀπηδός. — Altes thematisches Wurzelpräsens, mit aind. sácate, aw. hačaitē (= ἕπεται, idg. *séqu̯etai) identisch; nur in der Flexion weichen ab lat. sequor = air. sechur, lit. sekù, sèkti ‘folgen’; sehr fraglich das germ. Wort für ‘sehen’, got. saíƕan usw. — Der Aorist ἑσπόμην steht (mit sekundärem Hauch nach ἕπομαι wie εἱπόμην) für *ἐ-σπ-; die erst hellenistisch sicher belegten ἑσπέσθαι usw. sind sekundär. Debrunner Μνήμης χάριν 1, 81ff. — WP. 2, 476, W.-Hofmann s. sequor. I-544-545
ἔπος ‘Wort, Rede’ (seit Il.), im Plur. auch = ‘Lied, episches Gedicht’ (Pi., Hdt. usw.; über Bedeutung und Gebrauch im allg. Fournier Les verbes "dire" 212ff.). n. Als Vorderglied in ἐπεσβόλος (s. d.), ἐπο-ποιός (mit analog. Komp. vokal); als Hinterglied z. B. in ἀπτοεπής (s. d.). Ableitungen: ἐπύλλιον ‘Liedchen, Verschen’ (Ar.; danach andere Deminutiva auf -ύλλιον, Leumann Glotta 32, 214 und 225); ἐπικός ‘zur epischen Dichtung gehörig’ (D. H. u. a.). — Griech. ϝέπος (el., kypr.) ist mit aind. vácas-, aw. vačah- ‘Wort’ identisch; idg. *u̯équ̯os- n. Daneben stehen im Griech. noch die Nomina *ὄψ in ὄπ-α (Akk.), ὄσσα, wohl auch ἐν-οπή, und der Aorist εἶπον, s. bes. Ein primäres athematisches Verb ist in aind. vák-ti ‘er spricht’ erhalten. — Weitere idg. Formen bei WP. 1, 245f., W.-Hofmann s. vōx. S. auch die Lit. zu αἶνος. I-545
ἔποψ, -οπος m. ‘Wiedehopf’ (Epich., Ar., Arist. usw.), auch ἔποπος· ὄρνεον, ἔπωπα· ἀλεκτρυόνα ἄγριον, ἄπαφος· ἔποψ τὸ ὄρνεον (nach den Tiernamen auf -φος) H. — Bildung wie δρύοψ u. a. (Chantraine Formation 259) auf onomatopoetischer Grundlage; vgl. ἐποποῖ, πόποπο vom Ruf des Vogels (Ar. Av. 58 bzw. 227). Parallele Benennungen des Wiedehopfes in anderen Sprachen: arm. popop, lat. upupa, lett. pupukis usw. WP. 1, 123f., Pok. 325, W.-Hofmann s. upupa mit weiterer Lit. Zu ἔποψ außerdem ausführlich Thompson Birds s. v. I-545
ἑπτά ‘sieben’. Als Vorderglied in dem kopulativen ἑπτακαίδεκα, in ἑπτακόσιοι (vgl. zu διᾱκόσιοι) sowie in zahlreichen Bahuvrihi wie ἑπτα-βόειος (Il.). Ableitungen: ἑπτάκι(ς), -ιν ‘sieben mal’ (seit Pi.), ἕπτᾰχᾰ ‘in sieben Teilen’ (ξ 434), ἑπτάς f. ‘Siebenzahl’ (von Tagen, Jahren; Arist. u. a.); ἑπταδεύω ‘zu den ἑπτά gehören’ (Olbia IIIa). — Zu ἑβδομήκοντα, ἕβδομος s. bes. Gr. ἑπτά, aind. saptá, lat. septem, arm. ewt‘n, germ., z. B. got. sibun und übrige damit urverwandte Wörter für ‘sieben’ gehen auf idg. *septḿ̥ zurück (Akzent nach idg. *oktṓ[u] > ὀκτώ, aṣṭáu). — Einzelheiten mit reicher Lit. bei WP. 2, 487.und in den betreffenden Spezialdarstellungen, bes. Wackernagel-Debrunner Ai. Gramm. 3, 356, W.-Hofmann s. septem. I-545
ἔπω in ἔπουσιν (Nik.). ‘nennen’ — Künstliches Präsens zu εἶπον. I-545
ἕπω (Ζ 321, ἕποντα), sonst nur mit Präfix (Adverb), ἀμφ(ι)-, δι-, ἐφ-, μεθ-, περι-έπω, vorw. im Präsensstamm, daneben Futur- und Aoristformen wie ἐφ-έψω, ἐπ-έσπον, ἐπι-σπεῖν, μετα-σπών, ‘besorgen, betreiben, verrichten usw.’ (poet. seit Il., ion. hell.); im Epos zuweilen mit ἕπομαι verwechselt oder davon semantisch beeinflußt (Chantraine Gramm. hom. 1, 309 A. 1, 388) Davon ὅπλον, δίοπος, wohl auch ἐπητής, -τύς; s. bes. — Altes thematisches Wurzelpräsens, mit aind. sápati ‘hegen, pflegen, huldigen’ identisch; daneben athematische iranische Formen, aw. haf-šī, hap-tī (2. 3. sg.) ‘(in der Hand) halten, stützen’. Eine alte Weiterbildung ist lat. sepeliō ‘begraben’ = aind. saparyáti ‘verehren’. — WP. 2, 487, Pok. 909. I-546
ἐπωτίδες f. pl. ‘Sturmbalken an Kriegsschiffen, die an beiden Seiten des Schnabels hervorstanden’ (E., Th., Str. u. a.). — Bildung von οὖς, ὠτός wie ἐπωμίς ‘Oberschulter, Schulterspitze’ von ὦμος, ἐπιδορατίς ‘Lanzenspitze’ von δόρυ u. a. m. (Strömberg Prefix Studies 99); somit eig. ‘Ohrspitzen’, wegen ihrer hervorragenden Position. Die Gleichung bezieht sich offenbar nicht auf das Menschen- sondern auf das Tierohr. — Etwas abweichend Forster ’Επίχρυσος 70. I-546
ἐπῴχατο nur Μ 340 πᾶσαι γὰρ ἐπῴχατο (scil. πύλαι) ‘sie waren nämlich alle geschlossen’. — Wahrscheinlich mit Wackernagel Gött. Nachr. 1902, 737ff. = Kl. Schr. 1, 127ff. (Syntax 2, 183) 3. sg. Med. Plusquamperf. von ἐπ-οιγνύναι im Sinn von ‘schließen’ mit Aspiration des Gutturals (Schwyzer 771). Zur Bedeutung vgl. besonders (τὴν θύραν) προσέῳξεν ‘er schloß ab’ (LXX Ge. 19, 6); nähere Begründung bei Wackernagel a. a. O., wo auch über andere Deutungsvorschläge (zu ἔχω, mit Zugrundelegung der schlechteren Lesart ἐπώχατο). — S. auch Bechtel Lex. s. οἴγνυμι. I-546
ἔρα f., von Erot., Str. u. a. mit γῆ erklärt, ‘Erde’ in ἔραζε, dor. ἔρασδε ‘auf die Erde, zur Erde’ (ep. poet. seit Il.); dazu ἔρας· γῆς H. Es wird ferner in Komposita gesucht, u. zw. als Hinterglied in πολύ-ηρος· πολυάρουρος, πλούσιος H., als Vorderglied in ἐρεσι-μήτρην· τὴν γεωμετρίαν H.; zum Letzteren Hoffmann Festschr. Bezzenberger 82ff., der bei H. ἔρας· γῆ lesen will und das Wort als neutr. faßt; ἔραζε somit aus *ἔρασ-δε. Ableitungen: ἐράναι· βωμοί H. (Schwyzer 489; sehr fraglich); denominatives Verb wohl in ἀπ-εράω (s. d.) u. a. — Vgl. noch zu ἔνεροι. — Eine allgemeine Ähnlichkeit zeigen einige germanische und keltische Ausdrücke für ‘Erde usw.’: ahd. ero ‘Erde’, anord. jǫrvi ‘Sand(bank)’, kymr. erw ‘Feld’, alle mit u̯-Suffix (alter u-Stamm?); got. airþa, anord. jǫrđ, mir. ert ‘Erde’; alle mit t-Suffix; mehrdeutig ist arm. erkir ‘Erde’. — Betrachtungen über die Stammbildung bei Specht Ursprung 22; s. noch Fraenkel Glotta 35, 79, Chantraine Gramm. hom. 1, 247 m. A. 2 und Lit. Ältere Lit. bei WP. 1, 142, Pok. 332. I-546-547
ἔραμαι (ep. poet. seit Il.), zerdehnte Form ἐράασθε Π 208 (vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 83), ion. att. ἐράω; Aor. ἐράσ(σ)ασθαι, ἐρασθῆναι, Fut. ἐρασθήσομαι (ep. ion. poet.) ‘heftig verlangen, begehren, lieben’. Verbaladj. ἐρατός ‘erwünscht, geliebt’ (ep. poet. seit Il.) mit ’Ερατώ f. N. einer der Musen (Hes. usw.) und ἐρατίζω ‘heftig verlangen’ (Λ 551 usw.); erweiterte Form ἐρατεινός ‘lieblich, liebenswürdig’ (ep. lyr. seit Il.; nach den Adjektiven auf -εινός, z. B. ἀλγεινός; ποθεινός erst Pi.); zu ἐραστός s. unten. — Daneben ἔρως (seit Il.), Gen. usw. -ωτος m. (Hdt., Pi., att.), ep. lyr. auch ἔρος m. ‘(Geschlechts)liebe’, personif. ‘der Liebesgott’, mit mehreren Ableitungen: außer den vereinzelt belegten Hypokoristika ’Ερώτ-ιον, -άριον, -ίσκος, -ιδεύς noch ἐρωτικός ‘zur Liebe gehörig’ (att.), ἐρωτύλος ‘lieblich, Liebling’, ἐρωτίς f. ‘ds.’ (Theok. u. a.); ἐρωτ-ιάδες (Νύμφαι; AP); ἐρωτίδια (-εια, -αια) ‘Eros-fest’ (Ath., Inschr.); denominatives Verb ἐρωτ-ιάω ‘liebeskrank sein’ (Hp. u. a.). Von ἔρος : ἐρόεις (Hes., h. Hom. usw.); vgl. Treu Von Homer zur Lyrik 245. — Von einem Stamm ἐρασ- gehen aus: äol. ἐραννός ‘lieblich, anmutig’ aus *ἐρασ-νός (ep. lyr. seit Il.), ἐράσμιος ‘ds.’ (Semon., Anakr., A. u. a.; vgl. Schwyzer 493 A. 10, Chantraine Formation 43), ἐραστής ‘Liebhaber, Verehrer’ (ion. att.), auch in Kompp., z. B. παιδ-εραστής (vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 33 und 86), f. ἐράστρια (Eup. u. a.); ἐραστός = ἐρατός (att. usw.); denominatives Verb ἐραστεύω = ἐράω (A. Pr. 893 [lyr.]). — Die mannigfachen σ-Bildungen, die nicht gut alle analogisch sein können, lassen auf einen ursprünglichen σ-Stamm ἔρως, ἔρασ- (wie γέλως, γέλασ-) schließen, der mit -τ- erweitert, bzw. in einen ο-Stamm übergegangen wäre (weitere Hypothesen bei Schwyzer 514 A. 4). — Ohne Etymologie. Unbefriedigende Hypothesen bei Bq s. v.; tocharische Kombination bei v. Windekens Philol. Stud. 11-12, 164f. I-547
ἔρανος m. ‘Mahl auf gemeinschaftliche Kosten, Freundesmahl, Schmaus’ (Od., Pi. u. a.); ‘Beisteuer, Gesellschaftsbeitrag, wohltätige Gesellschaft’ (att. hell. u. spät.). Komp. ἐραν-άρχης ‘Vorsitzer eines ἔρανος’ mit -έω (Pap. u. a.), auch ἀρχ-έρανος = ἀρχ-ερανιστής (Fraenkel Nom. ag. 1, 232; 2, 111) mit -ίζω (Inschr.). Davon ἐρανικός ‘auf einen ἔ. bezüglich’ und das Denominativum ἐρανιζω, -ομαι ‘Beiträge einsammeln, zusammenbetteln’ (att. hell. u. spät) mit ἐράν-ισις (Pl.), -ισμός (D. H.), ἐρανιστής ‘Teilnehmer oder Mitglied eines ἔ.’ (att. hell. u. spät; Fraenkel 1, 173f.), auch ἐρανεστής (achä.) nach κηδεστής u. a. (anders Fraenkel a. a. O. nach Schulze). — Nicht sicher erklärt. Nach Brugmann IF 13, 155ff. zusammen mit ἔροτις ‘Fest’ (äol. usw.) und ἑορτή (s. d.) zu ἦρα ‘Gefallen, Dienste’; s. d. mit außergriechischen Anknüpfungen. Grundformen dann *ϝέρα-νος, *ϝέρο-τις. I-547-548
ἐράω 1. ‘heftig verlangen, lieben’ s. ἔραμαι. I-548
*ἐράω 2. s. ἀπ-εράω. I-548
ἔργον n. ‘Werk, Arbeit, Kunstwerk’ (seit Il.). Als Vorderglied z. B. in ἐργο-λάβος ‘Unternehmer’; daneben EN ’Εργα-μένης (Bechtel Namenstud. 23f.; vgl. ἐργά-της aber auch ’Αλκαμένης); sehr oft als Hinterglied -εργός (oder -οργός), z. B. γεωργός (s. γῆ), δημιουργός (s. d.). — ϝέργον (dor.; daraus el. ϝάργον) ist mit aw. varəzəm n., germ., z. B. ahd. werc, ano. verk n. ‘Werk’ identisch; idg. *u̯érĝom n.; daneben mit sekundärem o arm. gorc ‘ds.’ (wohl nach dem deverbativen gorcem ‘wirken’; anderer Vorschlag bei Lidén GHÅ 39 [1933] : 2, 47 A. 1); unsicher gall. vergo-bretus ‘oberste Behörde der Aeduer’. — Neben dem altererbten ἔργον stehen die primären Verba ἔρδω und ῥέζω, außerdem andere selbständige Bildungen wie ὄργανον, ὄργια, ἐόργη, s. bes. Ableitungen: 1. ἐργώδης ‘mühsam, schwer’ (Hp., X., Arist. u. a.). 2. ἐργάτης m., myk. we-ka-ta (pl.), (vom Plur. ἔργα; Schwyzer 500; vgl. ἐργάζομαι) ‘Arbeiter’, bes. ‘Feldarbeiter’, ‘arbeitsam’ (ion. att.), f. ἐργάτις, mit ἐργατικός ‘auf einen ἐργάτης bezüglich, arbeitsam’, ἐργατίνης = ἐργάτης (Theok., A. R. u. a.; vgl. Chantraine Formation 203, Schwyzer 490), διεργάτινος (Mytilene), ἐργατήσιος ‘einträglich’ (Plu. Cat. Ma. 21; nicht sicher; vgl. Chantraine 42); ἐργασία, auf ἐργάζομαι bezogen, s. unten; denominatives Verb ἐργατεύομαι, -εύω ‘hart arbeiten’ mit ἐργατεία (LXX, Pap.). 3. ’Εργάνη, delph. ϝαργάνα Bein. der Athena (Delphi VI-Va usw.), auch = ἐργασία (Pap., H.); ἔργανα, ϝέργανα (geschr. γέργ-)· ἐργαλεῖα H. 4. ἐργαλεῖον, gew. pl. -εῖα, kret. ϝεργ- ‘Arbeitszeug, Werkzeug’ (ion. att.); ein vermittelndes *ἔργαλον o. ä. fehlt (vgl. Chantraine 60 m. A. 1). 5. Denominatives Verb ἐργάζομαι (Schwyzer 734 m. A. 7), kret. ϝεργάδδομαι ‘arbeiten’ (seit Il.), oft mit Präfix ἀπ-, ἐν- usw.; davon mehrere Ableitungen: ἐργαστικός ‘tätig, verarbeitend, produktiv, Arbeiter’ (ion. att.); ἐργασία, kret. ϝεργ- ‘(schwere) Arbeit, Feldarbeit, Betrieb’ (ion. att.; vgl. Porzig Satzinhalte 215) mit ἐργάσιμος ‘im Betrieb befindlich, urbar gemacht’ (auch auf ἐργάζομαι bezogen; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 44f.); ἐργαστήρ ‘Feldarbeiter’ (X.), ἐργαστής ‘ds.’, auch ‘negotiator’ (A. D., röm. Inschr.); daneben, wohl als selbständige Bildung, ἐργαστήριον ‘Werkstatt’ (ion. att.; vgl Chantraine 62f.; daraus wahrscheinlich nach vinculum u. a. lat. ergastulum; nach Leumann [zuletzt Sprache 1, 207 A. 11] aus ἔργαστρον) mit ἐργαστηριακός ‘Handwerker’ (Plb., D. S.), Deminutivum ἐργαστηρίδιον (Pap.); ἔργαστρα pl. ‘Arbeitslohn’ (Pap. u. a.; Chantraine 332); vgl. zur ganzen Gruppe Fraenkel Nom. ag. 1, 147 m. A. 3, wo weitere Einzelheiten. 6. Desideratives Ptz. ἐργασείων ‘tun wollend’ (S.). I-548-549
ἔργω ‘einschließen’ s. εἴργω. I-549
ἔρδω, Aor. ἔρξαι (kypr. ἔϝερξα), Perf. ἔοργα (ep. ion. poet. seit Il.), Med. ἐ]ργμένος (B. 12, 207; nicht sicher), Fut. ἔρξω (seit Od.) ‘tun, machen, vollbringen’, auch ‘opfern’; vereinzelt mit Präfix ἀπ-, προσ-, συν-. In der Prosa von ποιέω, πράττω, ἐργάζομαι usw. zurückgedrängt bzw. ersetzt. Davon ἔργμα ‘Tat’ (h. Hom., Archil. usw.; vgl. Porzig Satzinhalte 268), ἕρκτωρ ‘Täter’ (Antim.). — Das Präsens (ϝ)έρδω (kret. βέρδηι; vgl. Schwyzer 224; zum Digamma noch Chantraine Gramm. hom. 1, 135; zur sekundären Aspiration ἕρδω ebd. 1, 187f., Sommer Lautstud. 131) kann über *ϝέρzδω auf *ϝέργι̯ω zurückgehen und unterscheidet sich somit nur im Ablaut von den schwundstufigen Jotpräsentia aw. vərəzyeiti = got. waurkeiþ, ahd. wurchit, idg. *u̯r̥ĝ-i̯eti. Die Hochstufe stammt wahrscheinlich von (ϝ)έργον; ebenso asächs. wirkiu nach werk; vgl. Schwyzer 716 A. 2. — Die außerpräsentischen Formen zeigen die erwartete Hochstufe mit regelmäßiger o-Abtönung im Perfekt. Vgl. ῥέζω. WP. 1, 290f. I-549
ἐρέα ‘Wolle’ s. εἶρος. I-549
ἐρέας Dazu Gen. und Dat. pl. ἐρέων, ἔρεσσι (Puchstein Epigr. Gr. p. 76). · τέκνα. Θεσσαλοί. ἐρέεσφι· τέκνοις H. — Bis auf ἐρέας sind alle überlieferten Formen aus einem *ἔρος n. verständlich, das mit ἔρνος ‘Sproß’ zu ὄρνυμι gehören kann; Bildung wie γένος, τέκος. Es liegt somit nahe, dafür mit Schmidt ἔρεα zu schreiben. Wenn richtig, läßt sich ἐρέας mit dem übrigen Formenbestand nur unter Annahme eines mask. *ἐρής vereinigen, das sich trotz Bechtel Dial. 1, 205 (mit Baunack) nicht leicht rechtfertigen läßt. I-549
ἐρέβινθος m. ‘Kichererbse’ (seit Il.). Davon das Deminutivum ἐρεβίνθιον (Pap.) und die ebenfalls vereinzelt belegten ἐρεβινθ-ώδης (Thphr.), -ειος (Zen.), -ιαῖος (Dsk.), -ινος (H., Phot., Suid.). — Ohne Zweifel zu ὄροβος ‘Kichererbse’ (s. d.) mit dem fremden Suffix -ινθος (Schwyzer 526, Chantraine Formation 370; s. noch Kretschmer Glotta 30, 133). In Betracht kommt ferner lat. ervum ‘eine Art Wicke’, womit einige keltische und germanische Wörter für ‘Erbse usw.’ zusammengestellt werden: ahd. araweiz, arwiz ‘Erbse’, mir. orbaind ‘Körner’. Das Wort stammt wahrscheinlich aus dem ostmediterranen Raum, s. W.-Hofmann ervum. Nach v. Windekens Le Pélasgique 11 usw. pelasgisch. Weitere unsichere Hypothesen (-ινθος < *-ιθος zu -weiz in ara-weiz?) bei Kuiper Μνήμης χάριν 1, 217f., Deroy Glotta 35, 180ff. — Aind. aravinda- n. ‘Lotusblume’ gehört nicht hierher; vgl. Mayrhofer Wb. s. v. I-549-550
ἔρεβος n. ‘Dunkel der Unterwelt, Totengrund’ (poet. seit Il.). Davon ἐρεβεννός, äol. aus *ἐρεβεσ-νός eig. ‘zum ἔρεβος gehörend’, ‘finster, dunkel’ (Il., Hes.), gewöhnlicher ἐρεμνός aus *ἐρεβ-νός (vgl. Risch 92; s. auch zu δεινός) ‘ds.’ (ep. poet. seit Il.); ἐρεβώδης ‘ds.’ (spät). — Altes Wort für ‘Dunkel usw.’, auch im Altindischen, Armenischen und Germanischen erhalten: aind. rájas- n. ‘dunkler (niederer) Luftkreis, Dunst, Staub’ (anders darüber Burrow BSOAS 12, 645ff.; zustimmend Gonda KZ 73, 163f.), arm. erek, -oy ‘Abend’, got. riqiz, awno. røkkr n. ‘Dunkel, Dämmerung’; idg. *régu̯os- n. — WP. 2, 367, Pok. 857. I-550
ἐρέγματα ἐρεγμός pl., ‘geschrotete Hülsenfrüchte’ s. ἐρείκω. I-550
ἐρεείνω nur Präsensstamm ‘(aus)fragen’ (ep. seit Il.). — Wie bei dem gleichgebildeten ἀλεείνω (s. 2. ἀλέα) hat man eine denominative Bildung, in diesem Falle von einem hochstufigen r-n-Stamm *ἐρεϝ-εν-, vermutet (Schwyzer 521 m. Lit., 724). Ein primäres Präsens ist εἴρομαι, s. d. Vgl. noch ἐρευνάω, ἐρωτάω. I-550
ἐρέθω (ep. poet. seit Il.), ἐρεθίζω (seit Il.) mit Aor. ἐρεθίσαι (A. u. a.), Pass. ἐρεθ-ισθῆναι, -ισθεῖς (Hdt. u. a.), -ίξαι (AP), Perf. Pass. ἠρέθ-ισμαι, -ισμένος (ion. att.), Akt. ἠρέθικα (Aeschin.), Fut. -ίσω, -ιῶ (hell. u. sp.); ‘reizen, aufreizen, anfeuern, heftig erregen’. mit Präfix ἀν-, δι-, ἐξ-, προσ-ερεθίζω usw., auch ἐξ-, κατ-ερέθω, Von ἐρεθίζω: ἐρεθισμός (Hp., hell.), ἐρέθισμα (Ar. u. a.; vgl. Porzig Satzinhalte 186) ‘Reizung, Aufreizung, Anforderung’, ἐρεθιστής ‘Aufwiegler’ (LXX u. a.), -ιστικός ‘aufreizend usw.’ (Hp. u. a.) — Von ἐρέθω: vielleicht *ὄροθος in ὀροθύνω, s. d. — Das Präsens ἐρέθω, wovon ἐρεθίζω eine Erweiterung ist (Schwyzer 736), kann wie θαλέθω, φλεγέθω u. a. (Schwyzer 703, Chantraine Gramm. hom. 1, 327ff.) ein formantisches θ enthalten; zugrunde liegt dann ein primäres Verb unbekannter Form. Der Anknüpfung an die Sippe von ὄρνυμι ‘erregen usw.’ (Lidén BB 21, 113 A. 1) stehen keine Bedenken entgegen; es liegt in der Natur der Sache, daß sie, in Anbetracht der dehnbaren Begriffe des "Erregens" und des "Reizen", unsicher bleiben muß. Beachtung verdienen dabei besonders die bei H. erhaltenen Formen ἔρετο· ὡρμήθη, ἔρσεο· διεγείρου, ἔρσῃ· ὁρμήσῃ, die die von ἐρέθω erforderte Grundlage bilden können. Weiteres s. ὄρνυμι. I-550-551
ἐρείδω, -ομαι, Aor. ἐρεῖσαι, -είσασθαι, Pass. ἐρεισθῆναι (seit Il.), Perf. Med. ἐρήρεισμαι (seit Il.), 3 pl. ἐρηρέδαται, -έδατο (Hom.) für -ίδαται, -ίδατο (Äolismus?, vgl. Schwyzer 106 m. A. 3 und Lit.), ἐρήρεινται, ἠρήρειντο (A. R.; Schwyzer 671), Akt. συν-, προσ-ήρεικα (Hp., PIb.), (προσ-)ἐρήρεικα (Dsk., Plu.), Fut. ἐρείσω, -ομαι (Arist., Kall. usw.), sehr oft mit Präfix ἀντ-, ἀπ-, ἐπ-, προσ-, συν-, ὑπ- usw., ‘stemmen, stützen, sich anstemmen, anlehnen’. Davon (-)ἔρεισις, (-)ἔρεισμα, (-)ἐρεισμός, (-)ἐρειστικός. — Ohne sichere außergriechische Entsprechung. Von Froehde KZ 22, 263 zu lat. ridica f. ‘ein durch Spalten größerer Pflöcke gewonnener Weinpfahl, aus Eichen- oder Wacholderholz’ gezogen; Bedenken bei WP. 2, 348. I-551
ἐρείκη f. ‘Heidekraut’ (A., Eup., Theophr. usw.). Als Hinterglied wahrscheinlich in ὑπ-έρεικος f. (Nik.), -ον n. (Hp., Dsk.; geschr. ὑπερικόν) ‘Hypericum’, so benannt als Heidepflanze; Strömberg Wortstudien 42. Ableitungen: ἐρείκια n. pl. ‘Heidekräuter’, ἐρείκινος ‘aus Heidekraut’ (Pap.), ἐρεικηρός ‘ds.’ (Mediz.), ἐρεικαῖον (scil. μέλι) n. ‘Honig aus Heidekraut’ (Plin.). EN ’Ερείκεια mit ’Ερεικειεύς (Attika IVa; geschrieben ’Ερικ-, wohl itazistisch; vgl. Meisterhans3 42 und 53), ’Ερεικοῦς λόφος (Kleinasien IVa), ’Ερεικοῦσσα Insel nahe Sizilien (Str. u. a.). — Keltische und baltisch-slavische Benennungen des Heidekrauts zeigen mit ἐρείκη, falls aus *ϝερείκᾱ, eine auffallende Ähnlichkeit, ohne indessen dazu ganz zu stimmen: air. froech, kymr. grug aus idg. *u̯roiko-; lett. virši pl., lit. vir̃zis, russ. véres, véresk u. a. mit unklarem gutturalem Auslaut. Nach Machek Lingua posnan. 2, 158f. sind ἐρείκη und véres usw. aus gemeinsamer Quelle entlehnt. — WP. 1, 319 und 273; außerdem Vasmer Russ. et. Wb. s. véres m. Lit. Unbefriedigende Wurzelanalyse bei Specht Ursprung 164 und 206. I-551
ἐρείκω (ἐρεικόμενος intr. Ν 441), Aor. ἤρῐκε (Ρ 595, intr.), ἐρεῖξαι (ion. att.), Perf. Pass. ἐρήριγμαι, -μένος (Hp., Arist.), vereinzelt mit Präfix κατ-, δι-, ὑπ-, ‘zerbrechen, zermalmen, zerreißen, bersten’ (vorw. ep. ion. poet. seit Il.). Ableitungen: ἐρεικίδες pl. (Gal.), ἐρεικάς (H.) ‘geschrotete Gerstenkörner, Grütze’, ἐρείκιον ‘zerbröckelndes Gebäck’ (Gal.; Bildung wie ἐρείπια), ἐρεικίτας (ἄρτος, Ath.; Redard Les noms grecs en -της 89), alle oft itazistisch ἐρικ- geschrieben; ebenso ἐρίγματα pl. (Hp.), ἐρίγμη (Sch.) ‘geschrotete Hülsenfrüchte’ für ἐρειγ-; in derselben Bedeutung mit unerklärtem ε: ἐρέγματα (Thphr., Erot.), ἐρεγμός (Pap., Gal., Erot.) mit ἐρέγμινος (Dsk., Orib.). — Zu dem hochstufigen thematischen Wurzelpräsens ἐρείκω und dem offenbar alten schwachstufigen Aorist ἤρικε bieten die anderen idg. Sprachen keine formal und semantisch genauen Entsprechungen. Große Ähnlichkeit zeigen indessen aind. rikháti, likháti ‘ritzen’ (mit aspiriertem Velar), lit. riekiù, riẽkti ‘Brot schneiden, zum erstenmal pflügen’, aind. riśáti, liśáti ‘rupfen, abreißen’ (mit palatalem Guttural); die wechselnden Formen können mit der expressiven Bedeutung in Verbindung stehen. Als verwandte Nominalbildungen kommen in Betracht ahd. rīga, mhd. rīha ‘Reihe, Linie’, lat. rixa ‘Hader, Streit’, wohl auch rīma ‘Ritze, Spalt’ (mehrdeutig). — Weitere Formen mit Lit. bei WP. 2, 344, W.-Hofmann s. rīma, rixa, ricinus. Vgl. ἐρείπω. I-551-552
ἐρείπω, Aor. ἐριπεῖν (seit Il., intr.), ἐρεῖψαι (Hdt., Pi. usw.), ἐριπέντι Ptz. Dat. = ἐριπόντι (Pi. O. 2, 43), Pass. ἐρειφθείς (S. Aj. 309), Perf. ἐρήριπε (Ξ 55, intr.), Plusquamp. ἐρέριπτο (Ξ 15); dazu Chantraine Gramm. hom. 1, 423 m. A. 3, 426 A. 3); ἐρήριμμαι, ἠρίφθην (Arr.); Fut. ἐρείψω (S. usw.), mit Präfix ἐξ-, κατ- u. a., ‘niederwerfen, niederreißen, niederstürzen, fallen’ (ep. ion. poet. seit Il.). Davon ἐρείπια pl. ‘Ruinen’ (vorw. poet., auch Hdt., Arist.; zur Bildung Schwyzer 470, Chantraine Formation 55), adjektiviert ἐρείπιος (οἰκία Ph.; ἐρείπιος γῆ· ἡ χέρσος Suid.); ἔρειψις Bed. unklar (att. Inschr.) mit ἐρείψιμος ‘eingestürzt’ (E. IT 48), ἐρειψιπύλᾱς m. (B.), -τοιχος (A. Th. 883 [lyr.]) ‘Tore, bzw. Mauern niederreißend’ (vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 82); von der Schwachstufe ἐρίπναι pl. ‘Absturz, Abhang’ (E., A. R.; sg. Nik.); zum Suffix vgl. κρημνός, κραιπνός und Chantraine Formation 192. — Zum hochstufigen Wurzelpräsens ἐρείπω stimmt das primäre ano. rīfa ‘zerreißen’ (trans.), auch von Gebäuden wie ἐρείπω; dazu als Verbalnomen lat. rīpa ‘steiler Rand, Ufer’ (zur Bed. vgl. ἐρίπναι und ἐρείπιος γῆ = χέρσος, d. h. ‘Ufer’); mit gedehntem Labial ano. rīp ‘Oberkante eines Bootes’, ostfries. rip(e) ‘Ufer’, mhd. rīf ‘ds.’; WP. 2, 345, W.-Hofmann s. rīpa. — Durch mechanische Zerstückelung von ἐρείπω und ἐρείκω in idg. rei-p-, rei-k- kann man beide Verba wie überaus zahlreiche andere Wörter auf ein idg. rei- ‘ritzen, reißen’ zurückführen (WP. 2, 343ff., Pok. 857ff.). I-552
ἐρέπτομαι ‘fressen, essen’, von Tieren und Menschen, wohl eig. ‘abrupfen, an sich raffen’. nur Ptz. ἐρεπτόμενος (Hom., AP; ἐρέπτων Nonn.). Mit ἀν- Aor. 3. pl. ἀν-ηρέψαντο (Hom.; codd. überall -ρειψ-; corr. Fick; so auch A. R. (neben -ρεψ-), Orph., Them.), Ptz. ἀναρεψαμένη (Hes. Th. 990, cod. Ven,). ἀνερεψάμενοι (AB 401, 27); ἀνερέψατο Pi. Pae. 6, 136 ‘hinweg-, entraffen’. ἀν- — Das primäre Jotpräsens ἐρέπτομαι hat nahe Entsprechungen in dem ebenfalls primären lit. ap-rė́pti ‘fassen, ergreifen’ und in alb. rjep ‘aus-, abziehen, berauben’; dazu mit a-Vokal lat. rapiō, -ĕre ‘raffen, an sich reißen’. Weitere Verwandte aus verschiedenen Sprachen mit Lit. WP. 2, 369f., Pok. 856, W.-Hofmann s. rapiō. I-552-553
ἐρεσχηλέω (v. l. -χελέω) nur Präsens ‘necken’ (ion. att.) mit ἐρεσχηλία, -χελία (Pap., EM 371, 1, Suid.). Daneben ἐρίσχηλος· λοίδορος (EM, Parth. Fr. 18; nach ἔρις). — Wie βλασφημέω (s. d.) u. a. wahrscheinlich aus einem nominalen Vorderglied und einem verbalen Hinterglied zusammengefügt, aber sonst unklar. Wackernagel KZ 33, 57 = Kl. Schr. 1, 736 sieht in ἐρεσ- einen mit ἔρις synonymen neutralen Stamm, den er auch in ἐπήρεια wiederfinden will; das Hinterglied möchte er mit χηλεύειν· ῥάπτειν, πλέκειν H. zusammenstellen; ἐρεσ-χηλεῖν somit ‘Streit anzetteln’. — Nach v. d. Osten-Sacken IF 23, 380ff. zu ἀρειή (s. d.). I-553
ἐρέτης myk. e-re-ta. m. ‘Ruderer’ (seit Il.), Als Hinterglied in ὑπ-ηρέτης, s. d. Ableitungen. 1. ἐρετικός ‘die Ruderer betreffend’ (att.); 2. kollektive Abstraktbildung εἰρεσίη, -ία (εἰ- metr. Dehnung, auch in der Prosa behalten) ‘Rudermannschaft’, auf ἐρέσσω bezogen = ‘das Rudern’ (seit Od.); denominatives Verb ἐρέσσω, selten att. ἐρέττω, Aor. ἐρέσ(σ)αι ‘rudern’ (seit Il.; zur Bildung Schwyzer 725). — Daneben das Nomen instr. ἐρετμόν n. ‘Ruder’ (poet. seit Il.) mit ἐρετμόω ‘mit Rudern versehen usw.’ (E. u. a.), EN ’Ερετμεύς (θ 111; Boßhardt Die Nomina auf -ευς 121). — Hierher noch der ON ’Ερέτρια als "die Ruderin, die rudernde Stadt", zunächst von *ἐρε-τήρ, s. unten. — Für sich stehen die Nomina auf -ηρης und -ερος, -ορος wie τρι-ήρης ‘Dreiruderer’ (ion. att.), ἁλι-ήρης ‘meerdurchrudernd’ (κώπη E. Hek. 455 [lyr.]), πεντηκόντερος, πεντηκόντ-ορος ‘Fünfzigruderer’ (ion. att.), s. unten. — Das Nomen agentis ἐρέ-της setzt wie das synonyme aind. ari-tár- (= gr. *ἐρε-τήρ in ’Ερέτρ-ιᾱ) ein zweisilbiges primäres Verb ‘rudern’ voraus, das im Griechischen von dem Denominativum ἐρέσσω verdrängt worden ist (sehr unsicher myk. e-re-e), aber in anderen Sprachen noch lebt: lit. iriù, ìrti (mit Stoßton, dem zweisilbigen ἐρε- entsprechend), germ., z. B. ano. rōa, kelt., z. B. air. imb-rā ‘rudern, zu Schiffe fahren’ (idg. rō- gegenüber rē- in lat. rēmus, vgl. unten). Auch im Griechischen liegen wahrscheinlich Spuren von diesem Verb vor in τρι-ήρης ‘Dreiruderer’ usw. (mit kompositioneller Dehnung und Ausgang nach den σ-Stämmen), πεντηκόντ-ερος, -ορος ‘Fünfzigruderer’ usw. (nach den ο-Stämmen, dazu mit -ο- nach -γονος, -φορος u. a.; nicht mit J. Schmidt KZ 32, 327 Vokalharmonie). Dazu vielleicht mit το-Suffix (lesb.) τέρρητον· τριήρης H., falls mit Brugmann IF 13, 152f. haplologisch für *τερρ-έρητον aus *τρι-έρητον, vgl. Schwyzer 274. — Auf Einfluß von ἐρέτης beruht wahrscheinlich die Form ἐρετμόν gegenüber aind. arí-tr-a- ‘Ruder’ (von ari-tár-), lat. rēmus (Bildung nicht eindeutig). — Einzelheiten bei Schwyzer KZ 63, 52ff., Hermann Gött. Nachr. 1943, 3f.; dazu WP. 1, 143f., Pok. 338, W.-Hofmann s. rēmus. I-553-554
ἐρεύγομαι 1. (seit Il.), ἐρυγγάνω (Hp., att.), Aor. ἤρυγον (Ar., Arist. usw.), ἠρευξάμην (Prokop.), Fut. ἐρεύξομαι (Ev. Matt. 13, 35), auch mit Präfix ἀν-, ἀπ-, ἐξ-, ἐπ-, κατ-, προσ- u. a., ‘aufstoßen, ausrülpsen, sich erbrechen, von sich geben, ausspeien’, auch übertr., z. B. vom Meere (vgl. 2. ἐρεύγομαι). Davon ἔρευξις, ἐρευγμός, auch ἔρυξις, ἐρυγμός, ἔρυγμα mit ἐρυγματώδης (auch ἐρευγματώδης), ἐρυγή ‘das Aufstoßen usw.’ (Hp. u. a.). — Das primäre thematische Wurzelpräsens ἐρεύγομαι (woneben das Nasalpräsens ἐρυγγάνω wie πυνθάνομαι neben πεύθομαι usw.) gehört zu einer expressiven Wortgruppe, die in mehreren Sprachen zahlreiche Vertreter hat, z. B. lat. ē-rūgō (= ἐρεύγομαι), lit. riáugmi, riáugėti (athem.), russ. Iter. rygátь ‘Aufstoßen haben, wiederkäuen’; mit Schwundstufe wie in ἤρυγον ahd. ita-ruchjan ‘wiederkäuen’, ags. rocettan (aus urg. *rŭkatjan) ‘rülpsen’, arm. orcam (aus o-rŭc-am, iterative Bildung mit prothetischem o- wie gr. ἐ-); dazu noch npers. ā-rōγ ‘Rülpsen’. — WP. 2, 357, Pok. 871, W.-Hofmann s. ērūgō, Ernout-Meillet s. *rūgō. I-554
ἐρεύγομαι 2. bei Hom. nur von der See ἐρευγομένης ἁλὸς (Ρ 265), κῦμα ... δεινὸν ἐρευγόμενον (ε 403), (κύματα) ἐρεύγεται ἤπειρόνδε (ε 438); an den zwei letztgenannten Stellen liegt eine Übersetzung mit ‘brüllen’ nahe (vgl. Ξ 394 κῦμα ... βοάᾳ ποτὶ χέρσον), jedoch ist auch hier wie in Ρ 265 ‘sich (er)brechen, ausspeien’ (= 1.) an sich möglich. Auf das Brüllen bezieht sich jedenfalls der Aorist ἤρυγεν Υ 403f. ἤρυγεν ὡς ὅτε ταῦρος ἤρυγεν, 406 τόν γ’ ἐρυγόντα λίπε ... θυμός, ebenso Theok. 13, 58. Auch das Präsens und Futurum werden in d. LXX im Sinn von ‘brüllen’ verwendet (σκύμνος ἐρευγόμενος, λέων ἐρεύξεται). Das abgeleitete ἐρύγμηλος Σ 580 (von ἐρυγμή [H.] oder *ἐρυγμεῖν; vgl. Risch 41; Frisk Eranos 41, 52) steht ebenfalls als Beiwort von ταῦρος; anders dagegen EM 379, 27 ἐρυγμήλη (H. ἐρυγηλή)· ἐπίθετον ῥαφανίου, ἴσως ἀπὸ τῆς ἐρυγῆς. H. erwähnt noch ἐρυγμαίνουσα· ἡ βοῦς (= ‘Wiederkäuer’?,vgl. zu 1.). καὶ ὁ ταῦρος ἐρυγμαίνων, ἀπὸ τῆς ἐρυγμῆς, und ἐρυγήτωρ· βοητής. — Offenbar werden die beiden Wortsippen nicht immer auseinandergehalten. Wie nahe sie sich in casu kommen können, zeigen die Wendungen ἡμέρα τῇ ἡμέρᾳ ἐρεύγεται ῥῆμα (LXX Ps. 18 [19], 2), ἐρεύξομαι κεκρυμμένα (Ev. Matt. 13, 35), wo ‘ausrülpsen, ausspeien’ als vulgär-expressive Ausdrücke für ‘ausrufen’ o. ä. benutzt werden. Entschieden auf die Lautgebung beziehen sich das ablautende ὀρυμαγδός (s. d.) und ὠρῡγή, ὠρυγμός, s. ὠρύομαι. Auch andere Sprachen besitzen anklingende Wörter in ähnlicher Bedeutung, so lat. rūgiō, rūgīre ‘brüllen’; im Auslaut (idg. q) abweichend aksl. rykati ‘brüllen’, ags. rȳn ‘ds.’ (urg. *rūhjan), ahd. rohōn (urg. *rŭhōn; wäre lat. *rŭcāre; vgl. runcāre ‘schnarchen’ s. ῥέγκω) u. a. m., s. WP. 2, 350f., Pok. 867f., W.-Hofmann s. rūgiō. — Letzten Endes beziehen sich sowohl 1. wie 2. ἐρεύγομαι und ihre außergriechischen Verwandten als Schallwörter auf die Lautgebung. I-554-555
ἐρεύθω, Aor. ἐρεῦσαι, auch mit Präfix συνεξ-, κατ-, ‘röten, rot färben’ (ep. ion. poet. seit Il.). Daneben ἔρευθος n. ‘Röte’ (Hp., A. R., Ph. u. a.) mit ἐρευθής ‘rötlich’ (Str., Arat.; zur Bildung Chantraine Formation 428, Schwyzer 513), außerdem die poetischen ἐρευθήεις (-ιόεις) ‘ds.’ (A. R., Nik.; Schwyzer 527), ἐρευθαλέος ‘ds.’ (Nonn.), wohl Neubildung (Debrunner IF 23, 7); nicht alter l-n-Wechsel trotz ‘Ερευθαλίων (Hom.; wie Δευκαλίων, Πυγμαλίων u. a.), ‘Ερευθαλία Stadt in Argos (Sch.; wie Οἰχαλία). Denominative Verba: ἐρευθέω ‘rot werden, erröten’ (Luk., Pap.) mit ἐρεύθημα (Gal.), ἐρευθιάω ‘ds.’ (Hp.; nach den Krankheitsverba). — Dazu der Pflanzenname ἐρευθέδανον n. ‘Färberröte, Krapp’ (Hdt., Thphr. u. a.; Schwyzer 530, Chantraine 362); auch ἐρυθρόδανον, s. ἐρυθρός. — Das primäre thematische Wurzelpräsens ἐρεύθω ist mit ano. rjōđa ‘blutig machen’, ags. rēodan ‘rot färben’ identisch. Auch ἔρευθος kann eine außergriechische Entsprechung haben, u. z. in lat. rōbus, rōbur, -oris ‘Kernholz’ (mit dialektalem ō aus eu), da das Kernholz kräftiger rot oder bräunlich ist als der Splint (näheres bei W.-Hofmann s. v.); auch sonst liegen mehrere Spuren eines alten s-Stamms vor, s. ἐρυσίβη. — Eine uralte Bildung ist ἐρυθρός; s. d. mit weiteren Einzelheiten und Lit. I-555
ἐρευνάω, Aor. ἐρευνῆσαι, auch mit Präfix ἀν-, δι-, ἐξ-, κατ- u. a., ‘ausspüren, nachforschen’ (seit Il.; zum Aspekt Brunel Aspect verbal 148); hell. u. spät (LXX, Pap., NT usw.) auch ἐραυνάω mit ευ > αυ (vgl. Schwyzer 126 und 198). Davon (δι-)ἐρευνητής ‘Späher, Kundschafter’ (X. u. a.) mit ἐρευνήτριᾰ f. (Corn.), (δι-)ἐρεύνησις ‘Ausforschung’ (Str. u. a.), (δι-, ἐξ-)ἐρευνητικός (Str. u. a.). Außerdem die Rückbildung ἔρευνα f., spät auch ἔραυνα (vgl. oben) ‘Nachsuchung, Nachforschung’ (S., E., Arist., Pap. u. a.). — Wie ἐρεείνω (s. d.) ist auch ἐρευνάω von einem zu εἴρομαι, ἐρέ(ϝ)-ω ‘fragen’ gebildeten Nomen *ἐρεϝ-(ε)ν- abgeleitet (Schwyzer 680), u. zw. im Anschluß an die Präsentia auf -νάω. Eine Umbildung dieses Nomens ist awno. raun f. ‘Versuch, Probe, Untersuchung’, idg. *rou-n-ā neben *reu-n- in ἐρε-υνάω. — Weiters s. εἴρομαι; s. auch ἐρωτάω. I-555-556
ἐρέφω (Pi., Ar.), ἐρέπτω (Pi., B., Kratin.), Aor. ἐρέψαι (seit Il.), Fut. ἐρέψω (A., E.), ‘überdecken, überdachen’. Davon ἔρεψις ‘Bedachung’ (Thphr., Plu. u. a.) mit ἐρέψιμος (Pl., Thphr.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 49); mit altem Ablaut ὄροφοςm. ‘Bedeckung, Dach’ (Orac. ap. Hdt. 7, 140, A., Th., Pl. u. a.), auch ‘(Dach)schilf’ (Ω 451), ὀροφή f. ‘Dach’, insbes. ‘Zimmerdecke’ (ion. att. seit Od.) mit ὀροφίας Ben. einer Schlange (Ar. V. 206), = ὄφις τῶν κατ’ οἰκίαν H.; dazu Georgakas Μνήμης χάριν 1, 126; ὀρόφινος ‘mit Schilf gedeckt’ (Aen. Tact.), ὀροφ-ιαῖος, -ιος, -ικός ‘zu ὀροφή (ὄροφος) gehörig’ (att., hell.); denominatives Verb ὀροφόω ‘überdachen’ (hell. und spät) mit ὀρόφωμα, ὀρόφωσις. vereinzelt mit Präfix ἀμφ-, ἐπ-, κατ-, — Als Hinterglied z. B. in ὑψ-όροφος ‘mit hohem Dach’ (Hom.)· daneben ὑψ-ερεφής, -ηρεφής ‘hochgedeckt, mit hohem Dach’ (Hom. usw.), κατ-ηρεφής ‘überdacht, überwölbt, gewölbt’ (seit Il.), πετρ-ηρεφής ‘mit Felsen überwölbt’ (A., E.) u. a. m.; neben ἐρέφω (mit σ-Stammflexion; vgl. Schwyzer 513) als Hinterglied ein Nomen *ἔρεφος anzunehmen, ist jedenfalls nicht notwendig; vgl. Schwyzer-Debrunner 475, Strömberg Prefix Studies 140. — Die einzigen Anknüpfungen, die sich für dieses ohne Zweifel altererbte Wort bisher geboten haben, sind teils das Hinterglied in ahd. hirni-reba ‘Schädel’ (eig. "Hirnbedeckung"), teils das germanische Wort für ‘Rippe’ (als "Dach der Brusthöhle"?) ahd. rippa, rippi, ags. ribb, awno. rif n., idg. *rebh-i̯o-, wozu noch russ. usw. rebró ‘ds.’ — Schrader KZ 30, 469f.; weitere Einzelheiten bei WP. 2, 371, Pok. 857, Vasmer Russ. et. Wb. s. v. Zur griech. Vokalprothese noch Harl KZ 63, 18. — Anders über ἐρέφω Machek Listy filol. 68, 94ff. I-556
ἐρέχθω nur Präsens etwa ‘zerren, hin und her reißen’ (Ψ 317, ε 83, h. Ap. 358, Prokl.). Daneben ’Ερεχθεύς, att. Vasen Ερεχσες (Schwyzer 326 m. Lit.) Heros und König von Athen (seit Β 543, η 81), auch Bein. des Poseidon (Plu., H. u. a.), mit ’Ερεχθηΐς f. N. einer att. Phyle (D., Inschr.), ’Ερεχθεΐδαι pl. Bez. der Athener (Pi. u. a.); eig. ‘der Reißer, (Erd)erschütterer’? Vielmehr Kurzform für ’Εριχθόνιος (s. d.) mit volks-etymologischem Anschluß an ἐρέχθω; vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 129. — Unklar ist der Pflanzenname ἐρεχθῖτις = ἠριγέρων (Ps.-Dsk.); zur Form Redard Les noms grecs en -της 171. — Seit alters zu aind. rákṣas-, aw. rašah- ‘Zerstörung, Beschädigung’, aw. rašayeiti ‘schädigen’ gezogen. Semasiologische Bedenken bei Kretschmer KZ 31, 432f. — Ganz anders über aind. rákṣas- usw. Renou Journ. asiat. 1939, 187. I-556-557
ἐρέω 1. ‘ausfragen’ s. εἴρομαι. I-557
ἐρέω, 2. att. ἐρῶ Fut. ‘ich will sagen’ s. 2. εἴρω. I-557
ἐρῆμος, jungatt. ἔρημος ‘einsam, unbewohnt, verlassen’, von Orten und Sachen, Menschen und Tieren (seit Il.); auch in Kompp., z. B. ἐρημο-νόμος ‘in Einsamkeit lebend’ (A. R. u. a.), vorw. poet. u. spät. Als Hinterglied in παν-, φιλ-, ὑπ-έρημος u. a. Ableitungen. Poetische Erweiterungen ἐρημ-αῖος (Emp., A. R. u. a.; vgl. Chantraine Formation 49), -εῖος (Mykonos); f. ἐρημάς (Man.; Chantraine 354f.). Abstraktbildung ἐρημία ‘Einsamkeit, Öde, Mangel’ (ion. att.) mit ἐρημίτης, ἐρημικός ‘in der Einsamkeit lebend’ (LXX). Denominative Verba 1. ἐρημόομαι, -όω ‘öde, verwüstet, beraubt werden’, bzw. ‘öde machen, verwüsten, verlassen, berauben’ (Pi., ion. att.) mit ἐρήμωσις (LXX usw.), ἐρημωτής (AP); auch mit Präfix ἀπ-, ἐξ-, κατ-, wozu ἀπέρημος (Sch.; vgl. Strömberg Prefix Studies 45). 2. ἐρημάζω ‘in der Einsamkeit leben’ (Thphr. u. a.). — Ohne sichere Erklärung. Es wird u. a. mit lat. rēte ‘Netz, Garn’, rārus ‘locker, dünn, vereinzelt’, aind. r̥-té ‘mit Ausschluß von, ohne, außer’ verknüpft; s. W.-Hofmann und Mayrhofer Wb. s. vv.; dazu WP. 1, 143f., Pok. 332f. I-557
ἐρητύω, Aor. ἐρητῦσαι (ep. seit Il.; vereinzelt S., E.), (dor.) ερατύει S. OC 164 (lyr.), ἐράτοθεν (= ἐρήτυθεν Β 99)· ἀνεπαύσαντο H. (vgl. Schwyzer 182, Hoffmann Dial. 1, 166; 283, Bechtel Dial. 1, 401; wohl kyprisch), auch mit ἀπ-, κατ-, ‘zurückhalten, hindern’ Keine Ableitungen. — Ohne Etymologie. Vgl. zu ἐρωή, ἐρωέω. I-557
ἐρι- untrennbares verstärkendes Präfix ‘sehr, hoch’ (ep. poet. seit Il.), vorwiegend in Bahivrihi wie ἐρί-(γ)δουπος, -σθενής, -τιμος, -αύχην; auch ἐρι-βρεμέτης, -δμᾶτος (A. Ag. 1461 [lyr.]) u. a.; vgl. Chantraine REGr. 49, 406. — Neben ἐρι- steht in derselben Bedeutung ἀρι-, das aber wie aind. ari- im Gegensatz zu ἐρι- in Verbaladjektiven zu Hause ist, vgl. s. v. und Schwyzer 434. Der unansehnliche Lautkörper im Verein mit der allgemeinen Bedeutung läßt allerhand Kombinationen freien Raum; als eine Möglichkeit mag an die Sippe von ὄρνυμι ‘erregen, erheben usw.’ (ἐρι- neben *ἔρος?, vgl. s. ἐρέας) erinnert werden. I-557-558
ἐρίηρες, Akk. -ας pl., selten und sekundär sg. ἐρίηρος Beiwort von ἑταῖροι, -ος (Hom.), auch von ἀοιδός (α 346, θ 62 = 471) etwa ‘traut, lieb’. — Zur Stammbildung ausführlich Sommer Nominalkomp. 138f. m. Lit., außerdem Chantraine Gramm. hom. 1, 232. — Bahuvrihikomp. von ἦρα (s. d.) und verstärkendem ἐρι-; s. Bechtel Lex. 136ff. I-558
ἐρίθακος (Arist. u. a.), ἐριθεύς (Thphr. u. a.), ἐρίθυλος (Sch.) m. Name eines Vogels, wahrscheinlich ‘Rotkehlchen’ (s. Thompson Birds s. v.). ἐριθάκη f. ‘Bienenbrot’ (Arist., Varr., Plin.). — Adj. ἐριθακώδης (γραῖαι Epich. 61; Bed. unklar). — Wahrscheinlich zu ἔριθος, s. d. Nach Gehring Glotta 14, 183 dagegen vorgriechisch. I-558
ἔρῑθος m. f. ‘Tagelöhner’, von Schnittern, Garbenbindern (Σ 550, 560), ‘Spinnerin’ (S., D., Theok. u. a. mit volksetymologischem Anschluß an ἔριον), ‘Diener usw.’ im allg. (h. Merc. 296 u. a.); Komp. συν-έριθος m. f. ‘Mitarbeiter(in), Gehilfe’ (ep. poet. seit Od., Pl.), φιλ-έριθος ‘die das Spinnen liebt’ (Theok., AP). — Mit familiärem κ-Suffix ἐριθακίς f. (Theok.). Denominatives Verb ἐριθεύομαι, selten -εύω, auch mit ἐξ-, ‘Tagelöhner sein, für Lohn arbeiten, um Gunst schleichen, Ämter erschleichen’ (LXX, Arist., Plb.) mit ἐριθεία ‘Amtserschleichung, Ränkesucht’ (Arist., NT), ἐριθευτός ‘dessen Gunst erschlichen ist, bestochen’ (Kreta, Delphi). — Nach aller Wahrscheinlichkeit gehören hierher auch die Namen des Rotkehlchens (?) ἐρίθακος, ἐριθεύς, ἐρίθυλος (s. dd.), obwohl eine einleuchtende Begründung fehlt (wegen seines schleichenden Wesens?; kaum richtig Boßhardt Die Nomina auf -ευς 57f., wo auch über die Bildung); ebenso ἐριθάκη ‘Bienenbrot’ (als "Tagelöhnchen", Boßhardt ebd.). — Unklar ’Εριθάσεος Bein. d. Apollon (Attika IVa); zur Sache P.-W. s. v. Ohne Etymologie (vgl. δοῦλος). Unwahrscheinlich Brugmann IF 19, 384 m. Lit. (s. Bq und WP. 2, 348); vgl. noch Schwyzer 511 A. 2. I-558
ἐρῑνεός (Il., Hes., Arist., Thphr. u. a.), ἐρινός m. (Stratt., Theok., Delos usw.; vgl. ἀδελφεός : -φός), att. auch ἐρινεώς (Delos, Kom.; nach anderen Baumnamen auf -εώς; Wackernagel Akzent 32 A. 1 = Kl. Schr. 2, 1101 A. 1) m. ‘wilder Feigenbaum, Ficus caprificus’ (Gegensatz συκῆ; vgl. Strömberg Theophrastea 166 A. 1). Davon ἐρινεόν, -νόν ‘wilde Feige’ (Kom., Arist., Thphr., Pap. u. a.); zu ἐριν(ε)ός : -ν(ε)όν Wackernagel Syntax 2, 17, Schwyzer-Debrunner 30; ἐρινάς f. = ἐρινεός (Nik.; wie κοτινάς u. a.; Chantraine Formation 353); Adjektiv ἐρίνεος, -νοῦς ‘zum Feigenbaum gehörig’ (Epich., E., Arist.), ἐρινεώδης ‘voll von Feigenbäumen’ (Str.); denominatives Verb ἐρινάζω ‘kaprifizieren mit ἐρινασμός (Thphr.). — Nicht sicher erklärt. An messen. (Paus. 4, 20, 2) τράγος = ἐρινεός und lat. caprifīcus erinnernd, will Prellwitz BB 22, 284f. ansprechend von einem alten Wort für ‘Bock’ ausgehen, das auch in ἔριφος vorliegt, s. d. Nach Chantraine Formation 203 und Schwyzer 491 dagegen Fremdwort. I-558-559
ἔρῑνος m. Pflanzenname (Nik., Ps.-Dsk.). — Unerklärt. I-559
’Ερῑνύ̄ς, -ύος f. N. einer rächenden Gottheit, urspr. die zürnende und rächende Seele des Ermordeten; appellativisch ‘Rache, Fluch’ (seit Il.), Benennung der Demeter in Arkadien (Antim., Kall., Paus. 8, 25, 6). Davon ἐρινυώδης ‘ähnlich der E.’ (Plu.); ἐρινύω = θυμῷ χρῆσθαι (ark., Paus. a. a. O., EM), vgl. Bechtel Dial. 1, 390. — Nicht überzeugend erklärt. Mehrere Vorschläge: zu ἔρις, ὀρίνω (Solmsen KZ 42, 230 A. 2), zu aind. ríṣyati ‘Schaden nehmen’ (Ehrlich Sprachgesch. 35, Prellwitz KZ 47, 187); zu aind. roṣati, ruṣyati ‘unwirsch sein, zürnen’ mit Dissimilation υ-υ zu ι-υ (Froehde BB 20, 187f.); vgl. Kretschmer Glotta 9, 233; WP. 1, 140; 2, 349. — Der behauptete Zusammenhang mit dem Namen des mythischen Hengstes ’Ερίων (’Αρίων, ’Ορίϝων; Bechtel Dial. 1, 349; s. auch v. Wilamowitz Glaube 1, 399f.) bedarf einer näheren sprachlichen Begründung. — Über die Erinyen Nilsson Gr. Rel. 1, 100f. m. Lit. I-559
ἔριον ‘Wolle’ s. εἶρος. I-559
ἐριούνης (Υ 34, θ 322), ἐριούνιος (Il., h. Merc., Ar. Ra. 1144) Beiwort des Hermes, spät auf θεοί (Ant. Lib. 25, 2), νόος (Orph. L. 199) übertragen. — Die alten Grammatiker und Lexikographen haben daraus mit Beziehung auf verschiedene Eigenschaften des Hermes zwei Simplizia fälschlich erschlossen: οὔνης· κλέπτης, οὔνιος· [εὖνις,] δρομεύς, κλέπτης H.; vgl. Leumann Hom. Wörter 123. Bessere Gewähr haben die Glossen οὖνον· [ὑγιές.] Κύπριοι δρόμον und οὔνει (für οὔνη?)· δεῦρο, δράμε. ’Αρκάδες. Hinzu kommt der kypr. EN Φιλουνίου (Gen.), vgl. Φιλόδρομος. ’Ερι-ούνης, -ούνιος somit der schnelle Götterbote? So (nach Bergk Philol. 11, 384) mit neuer Begründung Latte Glotta 34, 192ff. — Mehrere verfehlte Vorschläge bei Bq s. v. (s. auch Add. et corr.); abzulehnen ebenfalls Pisani KZ 72, 216. I-559
ἔρις, -ιδος, -ιδα und -ιν f. ‘Streit, Zank, Kampf, Wetteifer’ (seit Il.; zur Bedeutung bei Hom. Trümpy Fachausdrücke 139ff.; zu Ἔρις und Δίκη bei Hes. Kühn Würzb. Jb. 1947 : 2, 259ff.). Als Hinterglied in δύσ-ερις (att. usw.), auch mit Kompositionsdehnung δύσ-ηρις (Pi. u. a.) ‘unglücklichen Streit erzeugend, streitsüchtig’. Denominative Verba. 1. ἐρίζω ‘streiten, zanken, wetteifern’ (seit Il.; aus *ἐρί-ω erweitert? Schwyzer 735 A. 4; s. auch unten) mit ἔρισμα ‘Streit’ =- ‘Gegenstand des Streites’ (Δ 38; vgl. Porzig Satzinhalte 187), ἐρισμός ‘ds.’ (Timo), ἐριστικός ‘streitsüchtig, zum Disputieren geneigt’ (Pl., Arist. usw.), ἐριστής ‘Zänker’ (LXX Ps. 138 [139], 20; v. l.). 2. ἐριδαίνω ‘ds.’ (ep. seit Il.; nur Präsens bis auf das unklare ἐρῑδήσασθαι Ψ 792; vgl. dazu Schwyzer 733 m. A. 1 und Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 416). 3. ἐριδμαίνω ‘necken, reizen’ (Π 260), = ἐριδαίνω (hell. u. späte Epik); nach den Verba auf -μ-αίνω wie πημ-αίνω; Schwyzer 724. — Wegen der EN ’Αμφ-, ’Αν-ήρι-τος (Bechtel Namenstud. 7; auch -ιστος) muß ἔρις ein ursprünglicher ι-Stamm sein; schon dadurch wird die Anknüpfung an ἐρείδω ‘stemmen, stützen’ hinfällig (Schwyzer 464 m. A. 4 und Lit.). Von den verschiedenen lautgewordenen Hypothesen über die Herkunft dieses semantisch mehrdeutigen Wortes sei die Anreihung an ὀρίνω, ἐρέθω, ’Ερινύς (s. d.) erwähnt. Die alte sehr fragliche Zusammenstellung mit aind. ári-, arí- m. ‘Feind (?) usw.’ ist von Porzig Satzinhalte 351 wieder aufgenommen worden. Weitere Versuche bei Bq s. v. I-559-560
ἐρίσφηλος Attribut des Herakles (Stesich. 82). Daneben ἄσφηλοι· ἀσθενεῖς. σφηλὸν γὰρ τὸ ἰσχυρόν H. — Unerklärt; vgl. σφάλλω? Eine andere unsichere Vermutung von Fick GGA 1894, 227; s. Prellwitz s. φθάνω, WP. 2, 657. I-560
ἔριφος m. und f. ‘junger Bock, junge Ziege’ (ep. poet. seit Il., Kreta); im Plur. Benennung eines Gestirns (Demokr., Theok. u. a.; s. Scherer Gestirnnamen 124f.). Davon das hypokoristische Deminutivum ἐρίφιον (Athenio Kom., Ευ. Matt. 25, 33 u. a.) mit ἐριφιήματα· ἔριφοι. Λάκωνες H. (zur Bildung Chantraine Formation 178, Schwyzer 523 m. Lit.); Adj. ἐρίφειος ‘zu ἔριφος gehörend’ (Kom., X.); ’Ερίφιος Bein. des Dionysos in Metapontum (Apollod.; vgl. zu Εἰραφιώτης); ἐριφέας (für *ἐριφίας?)· χίμαρος H. — Bildung wie ἔλαφος u. a. (s. d.). — Zu ἔριφος stimmt fast genau ein irisches Wort für ‘Ziege, Damtier usw.’, air. heirp (idg. *erbhī?; weitere irische Formen bei Pok. 326). Eine ganz abweichende Bildung zeigen dagegen arm. oroǰ ‘agnus, agna’ (aus *er-oǰ, erinǰ ‘junge Kuh’ (unklar) ebenso wie das italische Wort für ‘Widder’, lat. aries, -ĕtis, umbr. erietu ‘arietem’. Auch in ἐρῑνεός ‘wilder Feigenbaum’ ist ein altes Wort für ‘Bock’ vermutet worden (s. ebd.), das indessen überall Erweiterungen und Umbildungen erlitten hat und sich nicht mehr rekonstruieren läßt. — Reiche Lit. bei WP. 1, 135, W.-Hofmann s. aries. Vermutungen über die Stammbildung bei Specht Ursprung 156 und 221. I-560
’Εριχθόνιος m. N. eines Heros und Königs von Athen, Sohn der Ge, Vater des Pandion (A., E., Arist. u. a.); auch N. eines Troers, S. des Dardanos, V. des Tros (Υ 219, 230). Davon οἱ ’Εριχθονίδαι = ’Ερεχθεΐδαι (IG 3, 771; poet., Kaiserzeit). — Nach ἐπι-χθόνιος u. a. zu schließen in ’Ερι-χθόνιος zu zerlegen; vielleicht volksetymologische Umbildung eines vorgriech. Wortes. Eine Kurzform kann in ’Ερεχθεύς vermutet werden, s. d. I-561
ἐριώλη f. ‘Wirbelwind, Orkan’ (Ar. Eq. 511, A. R.; zum Akzent Hdn. Gr. 1, 324). — Unerklärt. Ob aus *ϝελι-ϝωλη mit intensiver Reduplikation und Dissimilation λ-λ > ρ-λ zu εἰλέω ‘rollen, drehen, winden’? I-561
ἕρκος n. ‘Gehege, Zaun, Umzäunung, Vorhof; Fangnetz; Abwehr, Schutz’ (ep. ion. poet. seit Il.). Als Hinterglied z. B. in εὐ-ερκής ‘wohl umhegt’ (Il. usw.); selten als Vorderglied, so in der Zusammenbildung ἑρκο-θηρ-ικός ‘zur Jagd mit Fangnetz gehörig’ (Pl. Sph. 220c). Ableitungen: ἑρκίον ‘Umzäunung’ (ep. seit Il., vgl. τειχίον : τεῖχος u. a.); ἕρκειος, ἑρκεῖος (nach οἰκεῖος u. a.) ‘zum ἕρκος, Vorhof gehörig’ , insbes. als Beiname des hausschirmenden Zeus, dessen Altar im Hofe stand (seit χ 935); ἑρκίτης ‘ein zum Gehöft gehöriger Sklave’ (Amer. ap. Ath. 6, 267c, H.). — Daneben ἑρκάνη ‘Umzäunung’ (spät) durch Kreuzung mit ὁρκάνη ‘ds.’ (A., E.), das wie ὅρκος (s. bes.) ο-Vokal aufweist; vgl. zur Bildung im allg. Chantraine Formation 198. Außerdem ἕρκατος· φραγμός, ἑρκάτη· φυλακή H., Ὅρκατος Ortsbezeichnung in Kalymna (Inschr. IIa; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 147); zum Suffix vgl. ὄρχατος; s. auch ἔρχατος. — Seiner Form nach ist ἕρκος als Verbalnomen anzusehen (wie τέλος, γένος usw.); eine sichere Anknüpfung bleibt aber noch zu finden. Nach Meringer IF 17, 157f. als *‘Flechtwerk’ zu lat. sarciō, -īre ‘flicken, ausbessern, wiederherstellen’, eig. *‘verflechten, zusammennähen’; vgl. sartum tectum ‘unversehrt, vollständig’, eig. *‘geflochten und gedeckt’, sarcina f. ‘Bündel’; zu sarciō jedenfalls heth. šar-nin-k- (Nasalinfix) ‘entschädigen, ausbessern’ (Pedersen Hittitisch 145). — Eine ursprüngliche Bedeutung ‘flechten, Flechtwerk’ ist gewiß nicht unmöglich; zum a-Vokal in sarciō s. Ernout-Meillet s. v. Ältere unhaltbare Vorschläge bei Bq; s. noch WP. 2, 502, Pok. 912, W.-Hofmann s. sarciō. I-561
ἕρμα 1. n. ‘Stütze’, in der Il. (und h. Ap. 507) im Plur. von den Stützen (Steinen oder Balken), die unter die ans Land gezogenen Schiffe gelegt wurden, um sie aufrecht zu halten; sonst übertr. von Menschen, ‘Stütze, Säule’ (ep. poet. seit Il., späte Prosa); ‘unterseeische Klippe, Riff, auf dem das Schiff sitzen bleibt’ (poet. seit Alk. Supp. 26, 6, auch Hdt. 7, 183, Th. 7, 25 und sp. Prosa); ‘Stein, bzw. ein anderes Gewicht, das als Ballast usw. dienen kann’ (Ar., Arist., hell. u. spät); ‘Steinhaufen, Steinhügel’ (S. Ant. 848 [lyr.], AP 9, 319). Ableitungen. 1. ἑρμί̄ς (oder -ί̄ν), Akk. ἑρμῖνα, Dat. pl. -ῖσιν ‘Bettpfosten’ (θ278, ψ 198, Herod. 3, 16; vgl. ῥηγμῖν- von ῥῆγμα, σταμῖν- usw.); vgl. Hdn. Gr. 2, 431 mit etymologischen Spekulationen. 2. ἕρμαξ f. ‘Steinhaufen’ (Nik. u. a.), ngr. ἑρμακιά (ἁρ-) ‘Mauer aus trockenen Steinen’, viele Ableger in der unterital. Gräzität, s. Rohlfs WB 78f.; ἕρμακες· ὕφαλοι πέτραι H. (vgl. λίθαξ, μύλαξ u. a.). 3. ἑρμεών· σωρὸς λίθων H. (vgl. βολεών s. βάλλω usw.). 4. ἑρματίτης πέτρος ‘als Ballast dienender Stein’ (Lyk. 618). 5. ἑρματικός ‘feststehend, -ruhend’ (κράββατος, PGen. 68, 10; IVp). 6. ἑρμαῖος λόφος ‘Steinhaufen’ (π 471; unsicher, vgl. zu ‘Ερμῆς). — Denominative Verba. 1. ἑρμάζω ‘unterstützen, fest machen’ (Hp.) mit ἕρμασμα, -σμός (Hp.), ἕρμασις (Erot., auch Trozen IVa [-σσ-]; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 149); 2. ἑρματίζω ‘ds.’ (Hp. usw.). — Zu ‘Ερμῆς (‘Ερμείας, ‘Ερμάων) s. bes. — Wegen der in concreto stark auseinandergehenden Bedeutungen bereitet ἕρμα den Erklärern erhebliche Schwierigkeiten. Es ist mithin kein Wunder, daß man darin zwei oder sogar drei verschiedene Wörter hat finden wollen. So wird bei WP. 1, 267 mit Froehde BB 17, 304 ἕρμα ‘Klippe, Riff, Hügel’ als ein besonderes Wort betrachtet und mit aind. várṣman- n. ‘Anhöhe, Hügel, Oberstes, Spitze’ identifiziert. Diese Etymologie läßt aber gerade das wichtigste Merkmal der unterseeischen Klippen unbeachtet. Dagegen wird ἕρμα im Sinn von ‘Schiffsballast’ bei WP. 1, 265 mit Vaniček und Fick (s. auch W.-Hofmann s. sērius) zu lit. sveriù ‘wägen’, svarùs ‘schwer’, ahd. swār(i) ‘schwer’ gezogen. Im Sinn von ‘Stütze, Stützpfahl’ wird (2, 528) mit Schroeder Anknüpfung gesucht bei Wörtern für ‘Pfahl usw.’, z. B. aind. sváru- ‘Pfahl, Opferposten’, ags. swer ‘Pfosten, Säule’, lat. surus ‘Zweig, Sproß, Pfahl’. Es ist aber sehr zweifelhaft, ob ἕρμα überhaupt je ‘Pfahl’ bedeutet hat. — Einen Versuch, sämtliche Bedeutungen der philologischen Tradition gemäß unter einen Hut zu bringen, macht Porzig Satzinhalte 266: die ursprüngliche Bedeutung wäre ‘Stein (zum Stützen der Schiffe)’, woraus einerseits ‘Ballaststeine’, anderseits, als sarkastischer Ausdruck der Seeleute, ‘unterseeische Steine, Klippen’. Wie dem auch sei, jedenfalls scheint das Wort in der Berufssprache der Seeleute gut eingebürgert zu sein. — Der Form nach bietet ἕρμα den Anblick eines Verbalnomens auf -μα mit regelmäßigem ε-Vokal. Wenn überhaupt eine Anknüpfung an das Idg. gewagt werden soll, können vielleicht lit. sveriù ‘wägen’ und verwandte Wörter (s. oben) immerhin in Betracht kommen; die ursprüngliche Bedeutung wäre dann ‘schweres Gewicht, schwerer Stein, Steinblock, Feldstein’, idg. *su̯ér-mn̥. — Dagegen betrachtet Kretschmer Kleinas. Forsch. 1, 4 ἕρμα als kleinasiatisch, indem er teils an den lydischen Fluß Ἕρμος (πολυψήφιδα παρ’ Ἕρμον Orac. ap. Hdt. 1, 55), teils an lykische EN auf Erm-, Arm- erinnert. Für nicht-idg. Ursprung auch Chantraine L’Ant. class. 22, 69. — Abzulehnen Gonda Mnemos. 3 : 6, 165f.: zu lat. sĕra ‘Querbalken’, gr. ἅρπη ‘Sichel’ usw.; idg. *ser- ‘(spitziger) Ast usw.’; vgl. dazu oben über die Bedeutung von ἕρμα. I-562-563
ἕρματα 2. pl. ‘Ohrgehänge’ s. 1. εἴρω. I-563
ἑρμηνεύς (Pi. O. 2, 85 ἑρμανεύς) m. ‘Dolmetsch, Übersetzer’, auch ‘Deuter, Ausleger’ im allg. (ion. att.). Denominatives Verb ἑρμηνεύω (-μαν- Epid.), auch mit Präfix δι-, ἐξ- u. a., ‘verdolmetschen, übersetzen’, auch ‘deuten, auslegen, erklären’ (ion. att.) mit mehreren Ablegern: ἑρμηνεία ‘Auslegung, Erklärung, Ausdrucksweise, Stil’ (Pl., X., Arist. usw.); ἑρμήνευσις ‘ds.’ (D. C., Longin.); ἑρμηνεύματα pl. ‘Auslegungen, Erklärungen, interpretamenta’ (E., Ph. usw.); ἑρμηνευτής = ἑρμηνεύς (Ph Plt. 290c, LXX Ge. 42, 23, Poll. 5, 154; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 63) mit ἑρμηνεύτρια f. (Sch.); ἑρμηνευτικός ‘auf die Erklärung, Interpretation bezüglich’ (Pl. usw.), vgl. Chantraine Études sur le vocab. gr. 134 und 137. — Technischer Ausdruck ohne Etymologie, wahrscheinlich kleinasiatischen Ursprungs; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 36f., Krahe Die Antike 15, 181. — Idg. Deutungsversuche (zu εἴρω ‘reihen’, εἴρω ‘sagen’, lat. sermō) bei Bq. S. auch ‘Ερμῆς. I-563
‘Ερμῆς, -οῦ (ion. att. seit Od.), ‘Ερμείας, -έας (ep. seit Il.), ‘Ερμείης (Kall. u. a.), ‘Ερμᾶς (dor. böot.), ‘Ερμάων (Hes. u. a.), ‘Ερμάν, -ᾶνος (lak. ark. usw.), ‘Ερμάου, -άο, -ᾶ (thess. Dat.), ‘Ερμαον (kret. Akk.); Myk. E-ma-a2 (Dat.)? Hermes, Sohn des Zeus und der Maia, auch ‘Hermespfeiler, -kopf’. Als Vorderglied z. B. in ἑρμο-γλυφεῖον (Pl.) mit den retrograden ἑρμογλυ-φεύς, -ικός, -ος (Luk. u. a.), s. γλύφω. Ableitungen. Hypokoristische Deminutiva ‘Ερμίδιον (Ar.), -άδιον (Luk.; auch ‘kleiner Hermespfeiler’ [Lydien]), nach den Nomina auf -ίδιον, -άδιον. ‘Ερμαῖος ‘dem H. gehörig, von H. stammend’, auch als N. eines Monats (A., S. usw.; wohl auch Ερμαῖος λόφος π 471, falls nicht von 1. ἕρμα; vgl. unten); ntr. Ἕρμαιον ‘Hermestempel’ (Ephesos usw.; zum Akzent Hdn. Gr. 1, 369), pl. Ἕρμαια (ἱερά) ‘H.-feier’ (att.); als Appellativ ἕρμαιον n. "Hermesgabe", d. h. ‘Glücksfund, unverhoffter Vorteil’ (Pl., S. u. a.), auch Pflanzenname (Stromberg Pflanzennamen 129); f. ‘Ερμαΐς (Hp.); ‘Ερμαιών N. eines Monats (Halikarn., Keos); ‘Ερμαϊσταί pl. N. der H.-verehrer, Mercuriales (Rhodos, Kos, Delos), vgl. z. B. ’Απολλωνιασταί und Chantraine Formation 317; ‘Ερμαϊκός (spät). ‘Ερμεῖα pl. Bed. unsicher (Str. 8, 3, 12). — ‘Ερμῆς aus ‘Ερμέας < ‘Ερμείας (äol.; vgl. Αἰνείας u. a.; dazu Chantraine Gramm. hom. 1, 20 m. Lit.; nach Solmsen Wortforsch. 240 A. 1, Schwyzer 562 dagegen -είας < -έας durch metr. Dehnung) und ‘Ερμάν aus ‘Ερμάων für *‘Ερμά̄ϝων (wie Ποσειδάϝων u. a.) vertreten zwei verschiedene Namenstypen. Wenn man mit K. Meister HK 155f. ‘Ερμείας über *‘Ερμήας auf *‘Ερμάϝας zurückführt, was ziemlich willkürlich erscheint, reduziert sich der Unterschied auf die Endsilbe. — Die auf K. O. Müller zurückgehende, u. a. von Wilamowitz (Glaube 1, 159 und 285) und Nilsson (Gr. Rel. 1, 503f. m. Lit.) befürwortete, sachlich sehr ansprechende Anknüpfung an 1. ἕρμα ist in sprachlicher Hinsicht, wenn auch nicht glatt (Schwyzer 562 A. 1), jedoch ohne ernste Bedenken; sowohl ‘Ερμ-είας wie ‘Ερμ-ά(ϝ)ων scheinen, zwei eingebürgerte Namenstypen vertretend, mit ἕρμα vereinbar zu sein. Nach dieser Ansicht wäre ‘Ερμῆς "nach dem Pfeiler der ihn vertritt" (Wil.) benannt oder einfach "der vom Steinhaufen" (Nilsson). Zu beachten ist nur dabei, daß ἕρμα, wie man es auch auffassen mag, wohl nie den Pfeiler bezeichnet und auch im Sinn von ‘Steinhaufen’ selten und sekundär ist (dafür ἕρμαξ, ἑρμεών); auch ἑρμαῖος λόφος π 471 kann, wenn überhaupt von ἕρμα und nicht von ‘Ερμῆς, was formal unbedingt näher liegt, nur den aus ἕρματα bestehenden Haufen bezeichnen. — Die lautliche Ähnlichkeit mit ἑρμηνεύς hat Boßhardt Die Nomina auf -ευς 36f. (wo zweifelhafte sprachliche Analyse) veranlaßt, den ‘Ερμῆς, "den gewandten Begleiter von Göttern und Menschen", als den "unter die Götter projizierten Urdolmetsch" deuten zu wollen; das angebliche Appellativ ‘Ερμῆς wäre selbst vorgriechisch. Für vorgriechischen Ursprung auch z. B. Schwyzer 62, Chantraine Formation 125. I-563-564
ἔρνος (auch ἕρνος mit sekundärer Aspiration; Schwyzer Glotta 5, 193) n. ‘junger Trieb, Sproß, Schößling’, urspr. von Bäumen, auch auf Menschen übertragen (ep. poet. seit Il.). Als Vorderglied in ἐρνεσί-πεπλος (Orph. H. 30, 5; nach ἑλκεσί-πεπλος), ἐρνοκόμων· παραδεισαρίων (d. h. ‘Gärtner’) H. Als Hinterglied in εὐ-ερνής ‘mit guten Schößlingen’ (E., Str. usw.), δυσ-ερνής (Poll.). Wenige Ableitungen: Deminutivum ἐρνίον (hell. Lyrik), ἐρνώδης ‘sproßähnlich’ (Dsk., Gp.), ἐρνόομαι ‘hervorsprießen’ (Ph.); zwei H.-Glossen: ἔρνατις· ἀναδενδράς (vgl. Schwyzer 464) und ἔρνυτας· ἔρνη, βλαστήματα, κλάδοι, falsch für ἔρνυγας (Arist. Po. 1457b 35; nach πτέρυξ usw.; Schwyzer 498). — Bildung auf -νος (Schwyzer 512, Chantraine Formation 420) zu ὄρνυμι usw. mit ε-Stufe; vgl. dazu s. ἐρέθω, ἐρέας. Zur Bedeutung vgl. das synonyme ὄρμενος und das entfernt verwandte norw. run(n)a ‘Zweig’ von renna ‘rennen, emporschießen, wachsen’; s. auch zu τέρχνος. — Formal stimmt ἔρνος zu aind. árṇas- n. ‘Flut, Strom’. I-564-565
ἔρος m. ‘Liebe’ s. ἔραμαι. I-565
ἔροτις ‘Fest’ (äol. und kypr.); zum Gebrauch Bechtel Dial. 1, 119 und 447. — Vielleicht zu ἔρανος und ἑορτή, s. dd. I-565
ἕρπω, Aor. ἑρπύσαι (att.; vgl. ἑρπύζω unten), ἕρψαι (LXX), Fut. ἕρψω, auch ἑρπύσω, dor. ἑρψῶ, sehr oft mit Präfix, z. B. ἀν-, εἰσ-, ἐξ-, ἐφ-, προσ-,Als Vorderglied in ἑρπ-άκανθα = ἄκανθος (Ps.-Dsk.). ‘kriechen, schleichen, auf allen Vieren gehen’, poet. und dor. auch ‘gehen’ im allg. (seit Il.). Zahlreiche Ableitungen: ἑρπετόν n. ‘Tier das auf allen Vieren kriecht, geht’ im Gegensatz zu Vögeln (πετεινά) und Menschen (ion. att. seit δ 418; äol. ὄρπετον mit Schwundstufe, vgl. unten; zur Bildung Schwyzer 502, Chantraine Formation 299); ἕρπης, -ητος m. ‘Hautgeschwür’ (Hp.; Schwyzer 499, Chantraine 267), ἑρπήν, -ῆνος m. ‘ds.’ (Ph.; nach λειχήν u. a.; auch ἑρπήνη EM) mit ἑρπηνώδης (Ph. u. a.); ἕρπηλα Art Krustentier (Ath.; Form unsicher); ἑρπηδών, -όνος f. ‘das Kriechen’ (Nik.; Chantraine 360f.); ἑρπηστής ‘kriechendes Getier, kriechend’ (Nik., AP; seltene und poetische Bildung wie τευχηστής u. a.; Chantraine 317); — ἕρπυλλος m. f. ‘Thymian’ (Kom. usw.; danach lat. serpullum) mit ἑρπύλλ-ιον, -άριον ‘ds.’ und ἑρπυλλίς ‘Heuschrecke’ (H.; vgl. Strömberg Wortstudien 17); unsicher ἑρπυξή (Dsk. 3, 69; nach πύξος?; Strömberg Pflanzennamen 111). — ἕρψις ‘das Kriechen’ (Pl., Arist.). — Eine poetische und expressive Erweiterung von ἕρπω ist ἑρπύζω ‘kriechen’ (ep. seit Il.; vgl. Schwyzer 736, Chantraine Gramm. hom. 1, 336), wozu der attische Aorist ἑρπύσαι (nach ἐρύσαι, ἑλκύσαι?); davon wiederum ἑρπυστικός (Hp., Arist.) und die vereinzelt und spät belegten ἕρπυσις, -υσμός, -υστήρ, -υστής, -υστάζω. — Zu ὅρπηξ ‘Sprößling, Zweig’ s. bes. — Das thematische Wurzelpräsens ἕρπω ist mit aind. sárpati ‘kriecht, schleicht, geht’, lat. serpō ‘krieche, schleiche’ unmittelbar identisch. Die Schwundstufe in äol. ὄρπετον findet sich in dem aind. thematischen Wurzelaorist á-sr̥p-at wieder. Mehrere Sprachen haben von diesem Verb unabhängig voneinander Bezeichnungen der Schlange geschaffen: aind. sarpá- m., lat. serpens, alb. gjarpër. Die ursprüngliche Bedeutung war offenbar ‘kriechen, schleichen’; daraus entstand sekundär ein expressiv-volkstümlicher Ausdruck für ‘gehen’. — Zur Bedeutung und Verbreitung von ἕρπω Bloch Suppl. Verba 71ff. Weitere Einzelheiten bei WP. 2, 502, W.-Hofmann (m. Lit.) und Ernout-Meillet s. serpō. I-565-566
ἔρραος m. ‘Widder’ (Lyk. 1316), ‘Eber’ (Kall. Fr. 335). — Ohne Etymologie. I-566
ἐρρεντί Adv. unbekannter Bed. (Alk. 130); — vgl. Hdn. Gr. 1, 505, 7 ἀπὸ τοῦ ἔρρω ἢ ἐρρῶ περισπωμένου ἡ μετοχὴ ἐρρείς, ἐρρέντος ὡς παρὰ τὸ ἐθέλοντος ἐθελοντί. Ähnlich ἐρόντι· μάλα, λίαν, πάνυ H. — Brugmann IF 17, 11, Schwyzer 623. I-566
’Ερρηφόρος s. ἀρρηφόρος und ἕρση. I-566
Ἔρρος · ὁ Ζεύς H. — Unklar. Nach Specht KZ 66, 200f. zu angebl. *u̯orsos in οὐρανός (s. d.); nach Fick KZ 43, 132 dagegen ‘der Taugott’, att. Mask. zu Ἕρση ‘Tauschwester’. — Hierher auch ‘Ερσαῖος· ἄκριος Ζεύς H. I-566
ἔρρω (seit Il.), lokr. Ipv. ϝερρέτω, el. Inf. (in imperat. Funktion) ϝάρρεν; außerpräsentische Formen, die alle vom Präsens ausgehen, sind selten: Fut. ἐρρήσω (h. Merc. 259, Kom.), Aor. ἤρρησα (Kom.), Perf. εἰσ-ήρρηκα (Ar. Th. 1075) ‘(weg)gehen, untergehen, dahinschwinden’, meistens perfektisch ‘fort sein, verloren sein’ (Schwyzer-Debrunner 274), gewöhnlich mit schlimmem Nebensinn des Unglücks, Verderbens, Mühevollen, vorw. im Ipv. und imperativischen Redewendungen, auch mit Präfix ἀν-, ἀπ-, εἰσ-, ἐξ-, περι-. — Expressiver Ausdruck der Volkssprache und der dichterischen Sprache, der Prosa im Ganzen fremd. Unerklärt. Die herkömmliche Zurückführung auf *ϝέρσι̯ω und Zusammenstellung mit lat. verrō ‘schleifen, fegen’, aksl. vrъchǫ, vrěšti ‘dreschen’ scheitert, von der Bedeutungsverschiedenheit abgesehen, an der gemeingriechischen, offenbar expressiven Geminata -ρρ-, die dabei unverständlich bleibt. Man hätte im Epos unbedingt -ρσ- erwartet; vgl. Wackernagel Unt. 1 A. 2. Alte Interjektion? I-566
ἕρσαι f. pl. ‘Jungtiere, kleine Lämmer’ (ι 222). — Wohl nur metonymisch = ἕρση ‘Tau’. Ebenso δρόσος bei A. und Kall. (s. s. v.), vgl. noch μητέρες ψακαλοῦχοι (S. Fr. 793) mit ψάκαλον (Ar. Byz.) von ψακάς ‘Staubregen, Tropfen’; Näheres bei Bechtel Lex. s. ἕρση. — Nach Leumann Hom. Wörter 258 A. 11 wäre δρόσος im Sinn von ‘Jungtier’ bei A. und Kall. durch Imitation von ι 222 entstanden und ἕρσαι ‘Jungtiere’ ein Homonym zu ἕρση ‘Tau’. I-566
ἕρση ep. poet. ἐέρση, dor. ἕρσᾱ, Pi. N. 3, 78 ἔερσᾰ (dazu Solmsen Wortforsch. 240 A. 1); im Anlaut abweichend ἄερσαν· τὴν δρόσον. Κρῆτες H., ἀέρσην (PLit. Lond. 60 [hell.]) f. ‘Tau’, pl. ‘Tautropfen’ (ep. poet. seit Il.). Als Hinterglied vielleicht in Λιτυέρσης, s. d. Abl. ἑρσήεις, ἐερσήεις ‘tauig’ (Il., AP), ἑρσαῖα· ἐαρινά, νέα, ἁπαλά, δροσώδη; ἐρρήεντα· δροσώδη, καταψυκτικά H. mit att. -ρρ- gegenüber dem hieratischen Ionismus in Ἕρση als Name der Kekropstochter; ἑρσώδης ‘ds.’ (Thphr.). — Unklar ist ’Ερρηφόροι, nach H. οἱ τῇ Ἕρσῃ ἐπιτελοῦντες τὰ νομιζόμενα, mit ἐρρηφορέω; auch ἐρσηφόροι, -ρία neben ἀρρη-φόροι; s. d. m. Lit., dazu Nilsson Gr. Rel. 1, 441. Neben ἕρση aus *ϝέρση, mit prothetischem Vokal ἐ(ϝ)έρση, auch ἀέρση (vgl. Solmsen Unt. 261), stehen aind. varṣám n. ‘Regen’ und várṣati ‘es regnet’, idg. *u̯érseti. Dazu das iterativ-intensive *u̯orseíō > gr. οὐρέω ‘harnen’ (euphemistisch) mit dem postverbalen οὖρον; s. auch οὐρανός. Sowohl wegen des Akzents wie wegen des ε-Vokals kann ἕρση nicht Verbalnomen sein (man hätte *οὐρά aus *u̯orsā erwartet); es steht vielmehr neben dem Verb als kollektive Ableitung eines neutralen Nomens *u̯er-os-, u̯er-s- mit weiterem Anschluß an aind. vā́r(i) n. ‘Wasser’ usw. und weiteren Verwandten in z. B. mir. frass ‘Regen’, aind. vŕ̥ṣan- ‘männlich, Männchen, Stier, Hengst’; WP. 1, 268 m. Lit. I-566-567
ἔρσην (ion. lesb. kret. usw.) ‘männlich’ s. ἄρσην. I-567
ἐρυγγάνω, ἐρυγεῖν, ἐρυγή usw. s. 1. und 2. ἐρεύγομαι. I-567
ἐρυθρός Myk. e-ru-to-ro, e-ru-ta-ra. ‘rot’ (seit Il.). Auch in Kompp. wie ἐρυθρό-πους ‘mit roten Füßen’ Vogelname (Ar.) usw.; ἐξ-έρυθρος ‘rötlich’ als Krankheitssymptom, ‘abnorm rot’ (Hp., Arist., Thphr. usw.; Strömberg Prefix Studies 67f.), λευκ-έρυθρος ‘weißrot, blaßrot’ (Arist. u. a.; Risch IF 59, 60). Mehrere Ableitungen: ἐρυθρίας m. "der Rote", Beiname nach der roten Farbe (Arist., Pap.; vgl. ὠχρίας usw. und Chantraine Formation 93, Schwyzer-Debrunner 18); ἐρυθρῖνος, auch mit Dissimilation (oder nach ἐρυθαίνομαι, s. unten) ἐρυθῖνος N. eines Fisches (Arist. usw.; Strömberg Fischnamen 21); ’Ερυθῖνοι pl. N. einer Stadt (Β 855; vgl. ’Ερυθραί unten); ἐρυθρόδανον, -ος Pflanze (Dsk. u. a.), auch ἐρευθέδανον, s. ἐρεύθω; ἐρυθραῖος = ἐρυθρός (D. P.); ἐρυθρότης ‘rote Farbe’ (Gal. u. a.). — Pl. f. ’Ερυθραί Stadt Ioniens (Hdt. usw.; von der dunkel-rötlichen Farbe der innerhalb des Stadtbezirkes anstehenden Trachytfelsen) mit ’Ερυθραϊκὸν σατύριον Pflanzenname (Dsk., Plin.), auch ἐρυθρόνιον (Ps.-Dsk.; nach ’Ιόνιον und anderen Nomina auf -όνιον); ’Ερυθραϊκός auch von ἡ ’Ερυθρά (θάλασσα; Beiwort von κυβερήτης, Inschr. Ip). — Denominative Verba. 1. ἐρυθριάω ‘erröten’ (att. usw.; nach den Krankheitsverba auf -ιάω; Schwyzer 732) mit ἐρυθρίασις, -ησις (Hp., H.); 2. ἐρυθραίνομαι, -ω ‘rot werden, rot färben’ (X., Arist., Thphr. u. a.). — Daneben ἐρυθαίνομαι, -ω, Aor. ἐρύθηνα ‘ds.’ (ep. poet. seit Il., späte Prosa) mit ἐρύθημα ‘Errötung, Röte’ (Hp., Th., E. usw.); vgl. unten. — Altes Farbenadjektiv, in mehreren Sprachen erhalten: lat. rŭber, r.-ksl. rьdьrъ (vgl. Vasmer Russ. et. Wb. s. rëdryĭ), toch. A. rtär, B. rätre, aind. rudhirá- (nach rudhi- in rudhikrā́- Dämonenname umgebildet); dazu die Ableitung awno. rođra f. ‘Blut’. — Andere Sprachen weichen in der Stammbildung ab. Awno. rjōđr, ags. rēod haben im Unterschied von der Mehrzahl der germanischen Formen (s. unten) denselben Vokal wie die entsprechenden primären Verba rjōđa, bzw. rēodan (= ἐρεύθω, s. d.) und unterliegen deshalb dem Verdacht, sekundär zu sein; eine Grundform idg. *reudhós stimmt andererseits zu λευκός (neben λεύσσω). Ein alter eu-Diphthong kann an sich auch vorliegen in lit. raũdas, lat. (dial.) rūfus, rōbus, kelt., z. B. air. rūad, aind. lohá- ‘rötlich’ m. n. ‘rötliches Metall, Kupfer, Eisen’. Die genannten Formen können indessen auch idg. *roudhos fortsetzen, das von der Mehrzahl der germanischen Formen, got. rauþs, ano. rauđr, ags. rēad, ahd. rōt, gefordert wird und dadurch an Wahrscheinlichkeit gewinnt. — Das alte Denominativum ἐρυθαίνομαι läßt zusammen mit ἐρυθρός und Verw. auf einen ursprünglichen r-n-Stamm *rudh-r-, *rudh-n- schließen. Neben diesem Nomen waren teils ein neutraler s-Stamm *réudhos (= ἔρευθος), teils ein primäres Verb *réudhō (= ἐρεύθω) in alter Zeit vorhanden; hinzu kommt der o-Stamm mit erwartetem o-Vokal der Stammsilbe in *roudhos. Dieser muß am ehesten substantivische Funktion gehabt haben (‘rote Farbe, Röte’), vgl. z. B. lat. lūcus aus idg. *louqos neben λευκός (s. d.). Über das chronologische Verhältnis dieser Bildungen lassen die vorhandenen Formen keine sicheren Schlüsse zu; nur muß das Adjektiv *rudhrós uralt sein. Weitere Formen mit Lit. bei WP. 2, 358f., Pok. 872f., W.-Hofmann s. ruber, Ernout-Meillet s. rubeō; dazu noch Porzig Gliederung 194f., Schwentner KZ 73, 110ff. — S. auch ἐρεύθω und ἐρυσίβη. I-567-568
ἐρύ̄κω, Aor. ἐρῦξαι, ep. auch ἠρύκακον, ἐρυκακέειν (Schwyzer 648 und 749, Chantraine Gramm. hom. 1, 398), auch mit Präfix, insbes. ἀπ-, κατ-, ‘zurückhalten, abhalten’ (vorw. poet. seit Il.). Davon κατερυκτικός ‘zurückhaltend’ (Pap.). — Erweiterte Präsentia ἐρυκάνω, -ανάω (Schwyzer 740, Chantraine Gramm. hom. 1, 316 und 360). — Erweiterung auf -κ- wie ὀλέ-κω, διώ-κω u. a. (Schwyzer 702 m. A. 5 und Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 329), eher von ἔρυμαι, ἐρύομαι ‘zurückhalten, abwehren’ als von ἐρύω ‘ziehen’. I-568
ἔρυμαι (ἔρυσθαι, ἔρῡ-το, -σο), ἐρύομαι (ἐρύεσθαι, ἐούετο), auch ῥύομαι, Inf. ῥῦσθαι, Aor. ἐρύσ(σ)ασθαι, ῥύσασθαι, Fut. ἐρύσσομαι, ῥύσομαι; daneben mit anlaut. εἰ-: εἴρῡτο, εἰρῠ́-αται, -ατο, -ντο, vielleicht reduplizierte Perfekta mit Präsensbedeutung (Inf. εἴρυσθαι); davon bzw. durch metrische Dehnung εἰρύσσασθαι, εἰρύσσονται, εἰρύομαι; vgl. auch unten; Aor. Pass. ἐρρύσθην (Ev. Luk. 1, 74, 2. Ep. Ti. 4, 17, Hld. 10, 7) ‘abwehren, schützen, retten’ (ep. ion. poet. seit Il.). Weitere Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer 681 m. A. 1, Chantraine Gramm. hom. 1, 294f., Bechtel Lex. s. v. Als Vorderglied: 1. ἐρυ- in ’Ερύ-λαος, ’Ερύ-μας, -μηλος (auch Εὐρυ-, entweder nach εὐρύς oder aus ϝερυ- umgestellt, evtl. Vokalprothese ἐ-ϝρυ-; s. unten und vgl. Specht KZ 59, 36f.); ἐρῠσι- in ἐρυσίπτολις ‘stadtschirmend’ (Ζ 305 u. a.), ’Ερυσί-χθων (s. d.); äol. Εὐρυσί-λαος (vgl. oben). 2. ῥῡσί- z. B. in ῥῡσί-πολις (A. Th. 129 [lyr.] u. a.). Ableitungen. 1. ἔρῠμα n. ‘Abwehr, Schutz, Schutzwehr’ (seit Il.), Deminutivum ἐρυμάτιον (Luk.); davon ἐρυμν-ός ‘zur Abwehr, zum Schutz dienend, befestigt, geschützt’ (ion. att.) mit ἐρυμνότης ‘Abwehrkraft, Stärke’ (X., Arist., Plb.), ἐρυμνόω ‘befestigen’ (Agath.). 2. ἐρυσμός ‘Abwehr, Schutzmittel’ (h. Cer. 230). 3. ἐρῠ́σιμον (εἰ- metr. Dehnung) N. einer Senfart (Thphr., Nik., Dsk. u. a.), wegen ihrer Heilwirkungen (Strömberg Pflanzennamen 81); von *ἔρῠ-σις oder direkt vom Verb, vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 20. 4. ῥῦ̄τήρ m. ‘Beschützer, Bewacher’ (ρ 187, 223 u. a.), ῥύ̄τωρ ‘ds.’ (A. Th. 318 [lyr.], AP); Versuch einer semantischen Differenzierung bei Benveniste Noms d’agent 33 und 36. 5. ῥύ̄σιος ‘befreiend, rettend’ (A. Supp. 150 [lyr.], AP), nach den Adj. auf -σιος (Chantraine Formation 41) oder von ῥῦσις ‘Rettung’ (Epigr. Gr. 200 [Kos], LXX). 6. ῥῦμα ‘Schutz’ (Hp., Trag.). — Für die Ansetzung eines urspr. *ϝέρυ-μαι sprechen ganz besonders die aind. Nomina varū-tár- m. ‘Schützer, Schirmer’, várū-tha- n. ‘ Schutz, Schirm’ (wozu noch vr̥ṇóti ‘wehren’, germ., z. B. got. warjan ‘wehren’ usw.; s. WP. 1, 280ff. m. Lit.). Gewisse Bedenken erweckt das fast völlige Fehlen jeder Spur des Digammas im Homertext; Versuch, diese Schwierigkeit zu beheben, bei Solmsen Unt. 245ff. Wir hätten somit zwei Ablautstufen anzusetzen, ϝερυ- und ϝρῡ-, letzteres sicher in εἴρῡται aus *ϝέ-ϝρῡ-ται usw. (vgl. oben), aber sonst mit ungewisser Verteilung. Besonders für das allgemeine ionische Präsens εἰρύομαι, vielleicht auch für Εὐρυσί-λαος, ist daneben mit Vokalprothese, ἐ-ϝερυ-, ἐ-ϝρυ- zu rechnen, s. Solmsen a. a. O. — Gegen Verbindung mit lat. servāre Solmsen a. a. O., wo auch Lit. I-568-569
ἐρυσί̄βη f. ‘Rost bei Pflanzen’ (Pl., X., Arist., Thphr. usw.; ī Orph. L. 600). Davon ἐρυσιβώδης ‘von Rost angegriffen’ (Arist., Thphr.), ἐρυσίβιος Beiname des Apollon in Rhodos (Str.). Denominative Verba ἐρυσιβάω, -όομαι ‘von Rost leiden’, auch faktitiv -όω (Thphr.). — Sehr fraglich ist ἐρυθίβη (Str. 13, 613), s. Solmsen KZ 38, 442 A. 1. Volkstümliches Wort mit β-Suffix (Chantraine Formation 260ff.); im Einzelnen unklar. Der Stamm ἐρυσι- erscheint auch als Vorderglied in ἐρυσίπελας (s. d.) und im Pflanzennamen ἐρυσί-σκηπτρον (Thphr., Dsk.); er erinnert dadurch an die verbalen Vorderglieder vom Typus τερψίμβροτος (Schwyzer 443). Darin kann aber auch eine alte s-Erweiterung des Wortes für ‘rot’ stecken (s. ἐρυθρός, ἐρεύθω), die auch in lat. russus, lit. raũsvas ‘rot’, aksl. rusъ ‘rötlich blond’, germ., z. B. ahd. rost ‘Rost’, khotansak. rrusta ‘rot’ u. a. vorliegt; idg. *reudh-s- (roudh-s-, rudh-s-) mag mit dem s-Stamm in ἔρευθος in Verbindung stehen. I-569-570
ἐρύσιμον N. einer Senfart. S. ἔρυμαι. I-570
ἐρυσίπελας, -τος oft im Plur. n., N. einer Hautkrankheit, ‘Erysipelas, Rose, Rotlauf’ mit -ατώδης (Hp., Gal. usw.). — Medizinischer Fachausdruck von eigenartiger Bildung; offenbar ein gelehrtes Kompositum. Das Vorderglied begegnet auch in dem Pflanzennamen ἐρυσί-σκηπτρον (Thphr. u. a.) und in ἐρυσί̄βη ‘Rost’ (s. d.); es gehört somit letzten Endes zu ἐρυθρός und Verw.; ein Wort πέλας ist sonst nicht belegt, vgl. indessen zu πέλμα. Eig. "das die Haut Rötende"? (Schwyzer 443 A. 5). I-570
’Ερυσίχθων, -ονος m. 1. Thessalier, S. des Myrmidon oder Triopas, wegen seiner Verwüstung eines der Demeter geweihten Haines von der Göttin mit einem unersättlichen Hunger bestraft (Hellanik. ap. Ath. 416b, Kall. Cer. 33ff.); von Strat. Kom. 1, 19 (Ath. 382d) travestierend als Benennung eines Tieres, vermutlich eines Schweins (eines Ochsen?) verwendet, sei es wegen seiner Gefräßigkeit oder wegen seiner Zerstörungssucht. 2. Athener, S. des Kekrops und der Agraulos (Pl. Kriti. 111a). — Zur Bildung vgl. ἐρυσί-πτολις ‘stadtschirmend’ (Ζ 305 u. a.). Eine spätere Zeit, die den Namen mit den Taten seines Trägers in besseren Einklang bringen wollte, hat daraus, mit Beziehung auf ἐρύω ‘ziehen, reißen’, einen "Erdreißer" gemacht, eine Benennung, die sich mit der Ausrodung des Haines leidlich zu vertragen schien; ’Ερυσίχθων wird demnach von Lykophr. 1396 mit γατομῶν umschrieben. — An diese Deutung anknüpfend hat Schulze Q. 318 (s. auch KZ 55, 112 A. 2) ἐρυσίχθων als "die Erde aufwühlend" mit lat. ruō ‘wühlen, scharren’, aksl. rъvǫ ‘ausreißen’ usw. (WP. 2, 351f., Pok. 868) verbunden (dazu noch ῥυτοῖσι λάεσσι [Od.], das indessen sicher zu ἐρύω ‘ziehen’ gehört; s. d.); diese Kombination muß bei der oben gegebenen Deutung der Straton-Stelle, auf die sie sich vor allem stützt, als hinfällig betrachtet werden. — Vgl. v. Wilamowitz Hellen. Dichtung 2, 40f. I-570-571
ἐρύω, -ομαι (εἰ- Hdt., Hp.), Inf. εἰρύμεναι (Hes. Op. 818, Versanfang; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 294), Aor. ἐρύσ(σ)αι, -ασθαι (auch εἰ- Hdt., Hp.), Pass. ἐρυσθῆναι, εἰ- (Hp.), dor. Ipv. ϝερυσάτω (Delphi IVa; nicht sicher), Fut. ἐρύω, -ομαι (Hom.), ἐρύσω (Opp.), ἐρύσσω, -ομαι (Orph., Nonn.; als v. l. Φ 176), Perf. Pass. εἴρῡμαι, εἰρῠ́αται, ‘ziehen, reißen, an sich ziehen’ (ep. ion. poet. seit Il.). Einzelheiten bei Schwyzer 681, 780, Chantraine Gramm. hom. 1, 30, 136f. usw., Solmsen Unt. 244f., Bechtel Lex s. v. auch mit Präfix ἀν- (ἀϝ-), ἐξ-, κατ-, προ- usw. — Als Vorderglied in ἐρῠσ-άρματες (ἵπποι) ‘wagenziehend’ (Hom.); zur Bildung Sommer Nominalkomp. 1 1f. Ableitungen. Vereinzelt ἐρυ-: ἔρῠ-σις ‘das Ziehen’ (Max. Tyr.), ἐρῠ-τήρ ‘der Zieher’ (Nik.), ἐρυ-σ-τός (S.). Daneben mehrere alte Wörter mit konkreten Bedeutungen, alle von ῥῡ- (ρῠ-): 1. ῥῡ-τήρ m. ‘Zügel, Seil’ (seit Il.), auch ‘Bogenspanner, Schütze’ (Od.); 2. ῥύ̄-τωρ ‘Bogenspanner’ (Ar. Th. 108 [lyr.]); 3. ῥῡ-μός m. ‘Zug(holz), Deichsel usw.’ (seit Il.); 4. ῥῦ-μα ‘Zug, Zugseil’ (A., X., Plb. u. a.); 5. ῥύ̄-μη ‘Zug, Andrang, Wucht’ (Hp., att. usw.); 6. ῥῡ-τός ‘herbeigeschleift’ (ῥυτοῖσι λάεσσι ζ 267; ξ 10), ῥῡ-τά n. pl. ‘Zügel’ (Hes. Sc. 308); davon mit ιο-Suffix ῥύσιον, dor. ῥύτιον *‘das Weggeschleppte’, d. h. ‘Pfand, Vergeltung’ (seit Il.); 7. ῥῠτίς ‘Falte, Runzel’, ῥῡσός ‘runzelig’ s. bes. — Expressive Erweiterung (Schwyzer 706) : ῥυστάζω ‘hin- und herschleifen, mißhandeln’ (Hom.) mit ῥυστακτύ̄ς (σ 224), ῥύσταγμα (Lyk. 1089). Das primäre (ϝ)ερύω, *ϝέ-ϝρῡ-μαι > εἴρῡμαι, woneben vielleicht mit Vokalprothese *ἐ-ϝερύομαι > εἰρύομαι (vgl. die Lit. oben; zum Digamma besonders ep. (äol.) αὐερύω = ἀϝ-ϝερύω < ἀν-ϝερύω, βρυτῆρες = ῥυτῆρες [A. D.]), hat, obwohl ohne Zweifel alt, keine sichere außergriechische Entsprechung. — Über das mehrdeutige lat. rū̆dēns ‘Schiffseil’ s. W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. v.; außerdem die sehr unsicheren Kombinationen bei WP. 1, 292f. I-571
ἔρφος n. ‘Haut’ (Nik. Al. 248, Th. 376). — Reimwort zu dem besser belegten στέρφος ‘ds.’ (A. R., Nik. usw.) und zu τέρφος (Nik.); sonst unklar. Eine fragwürdige Vermutung von H. Petersson wird bei WP. 1, 291 notiert. — Ob Kreuzung von στέρφος und ἔριον? Ähnlich Güntert Reimwortbildungen 139f.: ἔρφος jüngere Umbildung bzw. Angleichung von (σ)τέρφος an *ἔρεφος von ἐρέφω ‘überdachen’. I-571
ἔρχατος · φραγμός H. Daneben ἕρκατος· φραγμός, ἑρκάτη· φυλακή. — Kontaminationen aus ἕρκος ‘Gehege’ und ὄρχατος ‘Baumgarten’, evtl. mit Angleichung an ἐρχατόωντο (ξ 15), das zu εἴργω gehört; s. d. m. Lit. — Nach Fraenkel KZ 72, 193ff. zu lit. sérgėti ‘behüten, bewachen’. I-572
ἔρχομαι nur Präsensstamm, sehr oft mit determinierendem Präfix ἀπ-, εἰσ-, ἐξ-, κατ- usw. ‘kommen’, auch ‘gehen, wandern’ (seit Il.). — Nach aller Wahrscheinlichkeit zu ἐρ- ὀρ- in ὄρνυμι (s. auch ἐρέθω) aber ohne sichere außergriechische Entsprechung. Als Präsensformans erscheint -χ- auch in τρύ-χ-ω, στενά-χ-ω, wohl auch postkonsonantisch in σπέρχομαι. Als außergriechischer Verwandter wird (von G. Meyer Wb. 96 u. a.) alb. erdha ‘ich kam’ herangezogen, obwohl schon die präteritale Funktion Bedenken erregt; auch lautlich ist der Vergleich anfechtbar (Pedersen KZ 36, 335; 37, 243). Ebenso unsicher bleiben die Vergleiche mit den mehrdeutigen air. Ipv. eirg ‘geh!’ Fut. regaid ‘er wird gehen’ (Sarauw KZ 38, 160) und mit aind. r̥ghāyáti ‘beben, tosen, stürmen’, zu denen sich dann auch das iterative ὀρχέομαι ‘tanzen’ gesellt (Persson Stud. 25, 236 A. 1). Die Zusammenstellung mit aind. r̥ccháti ‘auf etwas stoßen, erreichen’ (seit Fick 13, 20), wozu noch heth. ar-šk- iter. ‘wiederholt gelangen, Einfälle machen’, toch. A ar-s- B er-s- kaus. ‘hervorbringen’, setzt voraus, daß ἔρχομαι für *ἔρ-σκ-ομαι stehen kann (vgl. zum Lautlichen Schwyzer 335f.). — Kritik bei Meillet MSL 23, 249ff., der von idg. ser- in aind. sí-sar-ti ‘fließen, eilen’ (s. ὁρμή) ausgeht und auch ἕρπω einbeziehen will; daselbst auch eine unsichere Hypothese über den Aspekt ("valeur déterminée"). Noch anders McKenzie Class. Quart. 15, 44ff.: zu ἄρχω (mit Autenrieth). Ausführliche Lit. bei Bq s. v. und WP. 1, 137; s. auch Pok. 328 und Schwyzer 702 A. 6. — Eine parallele Bildung ist arm. ert‘am ‘gehe, komme’, ebenfalls nur Präsens (Prät. č̣ogay, zu σεύομαι). I-572
ἐρῳδιός (nach Hdn. Gr. 2, 924 und gew. Hss.); ‘Reiher’ (seit Κ 274) sonst (Hss. und Pap.) ἐρωδιός; auch ῥωδιώς (Hippon. 63) und ἀρωδιός (LXX als v. l.). Wertlos dagegen ++ἐρωγάς· ἐρωδιός H. m. — Ausgang wie in αἰγωλιὸς, αἰγυπιός, χαραδριός und anderen Vogelnamen. Die Ähnlichkeit mit lat. ardea ‘Reiher’ kann nicht zufällig sein; zum Vergleich bietet sich außerdem serb. róda ‘Storch’; sehr fraglich dagegen anord. arta ‘Kriekente’. Dann muß die Schreibung mit ι adscriptum sekundär sein (nach den Nomina auf -ίδιος mit Anschluß an ἔρως, ἐρωή? Solmsen Unt. 75f.); zum Wegfall des Anlautvokals in ῥωδιός Strömberg Wortstudien 44. — Die ursprüngliche Form des Namens läßt sich im Detail nicht konstruieren, da überall mit volkstümlichen Umbildungen zu rechnen ist; man hat einen ablautenden Konsonantstamm *(a)rōd-, (a)rəd- o. dgl. anzunehmen. WP. 1, 146f., Pok. 68. I-572-573
ἐρωή f. 1. ‘Schwung, Andrang, Wurf, Gewalt’, in d. Il. gewöhnlich von Speeren (δουρός, βελέων ἐ.), auch von Männern (ἀνδρός, λικμητῆρος, Πηνελέοιο), nachhom. von anderen Gegenständen (πετράων A. R. 4, 1657, πυρός AP 9, 490, γαστρός Opp. K. 3, 175, περὶ Κύπριν AP 10, 112). 2. ‘Nachlassen, Rast, Ruhe’, in d. Il. vom Kampf (πολέμου Π 302, Ρ 761), ebenso Theok. 22, 192 (μάχης), auch δακρύων (Mosch. 4, 40) und absolut ‘Rettung’ (D. P. 601). Daneben ἐρωέω,Aor. ἐρωῆσαι 1. intr. ‘zurückweichen vor, zurückbleiben, nachlassen, ausruhen’, auch mit ἀπ-, ἐξ-, ὑπ-, gewöhnlich mit ablat. Gen. πολέμοιο, χάρμης (Il.), καμάτοιο (h. Cer. 301) u. a., auch absol. ‘einer Krankheit entgehen’ (Nik.); 2. trans. ‘zurückstoßen, wegdrängen, hemmen’ (Ν 57, Theok., Kall. u. a.), auch ‘verlassen’ (Theok.); außerdem vom Blut αἶμα κελαινὸν ἐρωήσει περὶ δουρί (Α 303 = π 441), mit ‘fließen, strömen’ übersetzt. — Von ἐρωέω : ἐρωΐα f. ‘Aufschub, Frist’ (Theok. 30, 9); von ἀπερωέω : ἀπερωεύς ‘Verhinderer, Vereitler’ (ἐμῶν μενέων Θ 361; anders Boßhardt Die Nomina auf -ευς 29). Seit Fick KZ 22, 375 werden zwei Homonyme auseinandergehalten. 1. ἐρωή ‘Schwung usw.’ mit ἐρωέω ‘fließen, strömen’ (Α 303 = π 441) aus idg. *rōs-ā́ zu germ., mndd. rās n. ‘heftige Strömung’, ags. rǣs m. ‘Lauf, Anfall’, anord. rās f. ‘Lauf’, idg. *rēs-o-, -ā; anord. rasa ‘einstürzen’ mit ras n. ‘Einsturz’, nhd. rasen, idg. *rəs-; dazu noch nach Persson KZ 48, 132f. lat. rōrāriī pl. ‘leicht bewaffnete Plänkler, die mit Schleudern den Kampf einleiteten’ von *rōsā ‘Schwung, Wurf’ = ἐρωή. — 2. ἐρωή ‘Rast, Ruhe’ mit ἐρωέω ‘nachlassen, ausruhen usw.’ aus idg. *rōu̯ā́ = germ., ahd. ruowa, ags. row, anord. rō f. ‘Ruhe’; daneben ahd. rāwa ‘ds.’, idg. *rēu̯ā; weitere, z. T. sehr anfechtbare Anknüpfungen bei WP. 1, 149ff. bzw. 1, 144, Pok. 336, 338. — Diese Gruppierung bedarf einer erneuten Prüfung; zu beachten ist dabei, daß das Nomen ἐρωή ‘Schwung usw.’ und das Verb ἐρωέω ‘zurückweichen usw.’ an Häufigkeit ἐρωή ‘Ruhe’ und ganz besonders ἐρωέω ‘strömen (?)’ weit übertreffen. Es ist auch zu erwägen, ob nicht ἐρωέω ein intensives Deverbativum wie z. B. ὠθέω (Schwyzer 720) sein kann mit der Möglichkeit, ἐρωή teilweise als Rückbildung aufzufassen. — Abzulehnen Boßhardt a. a. O.: ἐρωή ‘das Abhalten’ zu ἐρύκω, ἐρύω, ἐρύομαι und zu ἐρητύω. I-573
ἐρωτάω, ep. ion. εἰρωτάω (seit Od.), nachhom. auch außerpräsentische Formen ἐρωτήσω, ἐρωτῆσαι usw. ‘fragen, ausfragen’, hell. und spät auch ‘bitten’. Auch mit Präfix, insbes. ἐπ-. Zum Gebrauch usw. Fournier Les verbes "dire" (s. Index). Davon ἐρώτημα (ἐπ-) ‘Frage, Anfrage’ (ion. att.) mit ἐρωτημα-τικός (D. T. u. a.) und -τίζω (Arist.); ἐρώτησις (ἐπ-) ‘Befragung’ (ion. att.; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 126); ἐρωτητικός ‘im Ausfragen geschickt, auf das Ausfragen bezüglich’ (Pl., Arist.); ἀν-ερωτίζω (Telekl. 52). — Das Präsens ἐρωτάω, εἰρωτάω aus *ἐρϝωτάω, das namentlich im Attischen für das primäre (ion.) εἴρομαι (s. d.) aus *ἔρϝ-ομαι eingetreten ist, stellt eine Erweiterung auf -τ- vom Grundwort auf; die Herkunft des -ω- bleibt allerdings dabei dunkel. Zum Typus im allg. vgl. zu ἀρτάω und Schwyzer 705f. m. Lit. — Andere sekundäre Präsentia sind ἐρεείνω und ἐρευνάω, s. dd. I-574
ἐσθής, ἔσθος ‘Kleid’ s. ἕννυμι. I-574
ἐσθίω, ἔσθω ‘essen’ s. ἔδω. I-574
ἐσθλός, äol. Pi. ἔσλος, ἐσλός, ark. ἑσλός ‘tüchtig, brav, edel’ von Menschen und Sachen (poet. s. Il.). Als Vorderglied in ἐσθλο-δότης (Man.), Ableitung ἐσθλότης (Chrysipp.). — Nicht sicher erklärt. Nach Brugmann K. vergl. Gr. 201, 522, Grundr. 22 : 3, 128; 374, Benveniste Origines 191 zu aind. édhate ‘gedeiht’ (aus *azdh-, aw. azd-ya- ‘wohlgenährt, kräftig’; idg. *es-dh-) mit weiterer Beziehung zu ἐύ̄ς (s. d.). Schwyzer 533 A. 5 zieht vor, darin ein Kompositum *es-dhl-ó- ‘ἀγαθοεργός’ zu sehen, von ἐσ- in ἐΰς und einer schwundstufigen Variante von aksl. dělo ‘Tat’ (idg. *dhē-lo-; s. τίθημι). Wieder anders Specht Ursprung 256, Pisani Ist. Lomb. 77, 550 (s. Glotta 35, 62). I-574
ἔσκον hom., ἦσκε Alkm. ‘war’, — aus *ἔσ-σκον, Iterativpräteritum zu εἰμί mit demselben Suffix wie in alat. escit, escunt ‘erit, erunt’. Schwyzer 708. — Sehr unsicher thrak. ησκο ‘bin?’ (Kretschmer Glotta 7, 89). Fern bleiben toch. B skente ‘sie sind’ (Pedersen Tocharisch 194 A. 1) und pāli acchati ‘bleibt, befindet sich’ (Turner BSOS 8, 795ff.). I-574
ἕσμα n. ‘Fruchtstiel’ (Arist.). — Aus *ἕδ-σμα, Verbalnomen von ἕζομαι ‘sitzen’ mit σμ-Suffix (Schwyzer 523f.). Vgl. zu ὄζος ‘Ast’. I-574
ἑσμός m. ‘Bienenschwarm, Schwarm’ (ion. att.). Als Vorderglied z. B. in ἑσμο-τόκος ‘Bienenschwärme gebärend’ (AP). Davon ἕσμιον· νόστιμον H. — Auch ἀφεσμός ‘ds.’ (Arist. HA 629a 9) durch Kreuzung mit ἄφεσις ‘ds.’ (Arist. HA 625a 20; pl.). — Von ἵημι, bzw. ἀφ-ίημι mit σμο-Suffix. Schwyzer 493 m. A. 5 und Lit., Brugmann IF 28, 354f. I-574-575
ἕσπερος m. ‘Abend’ (ep. poet. seit Od.), Adj. ‘abendlich, westlich’, auch substant. ‘Abendstern’ (poet. seit Il., hell. u. spät); ἑσπέρα, ion. -ρη f. ‘Abend, Westen’ (Pi., ion. att., wie ἡμέρα). Als Hinterglied in ἐφέσπερος ‘westlich’ (S. OC 1059 [lyr.]), ἀκρ-έσπερος ‘am äußersten Abend, bei einbrechender Nacht’ (Arist., Theok., Hp. usw., -ιος AP), ποθ-έσπερα Adv. (Theok.), προσ-εσπέριος (seit Arist.) u. a. Ableitungen: ἑσπέριος ‘abendlich, westlich’ (vorw. poet. seit Φ 560, sp. Prosa), subst. ‘Εσπερία ‘Westen, Hesperien’ (Agathyll. ap. D. H. 1, 49), ϝεσπάριοι Ben. der westlichen Lokrer (Va), f. ἑσπερίς, insbes. im Plur. als EN ‘die Hesperiden’ (Hes. usw.); später ἑσπερινός ‘ds.’ (X., LXX usw., Schwyzer 490 m. Lit.); ἑσπερικός ‘ds.’ (Juba), ἑσπερίτης, -ῖτις (χώρα; D. L.; Redard Les noms grecs en -της 112). — Denominatives Verb ἑσπερίζω ‘den Abend verbringen’ (Doroth.; ngr. σπερίζω, vgl. Kretschmer Glotta 11, 247 m. Lit.) mit ἑσπέρισμα (Lex. ap. Ath. 1, 11 d). — Erbwort, mit lat. vesper, -ī ‘Abend’ identisch. Neben idg. *u̯esper-o-s stehen lit. vãkaras, aksl. večerъ ‘Abend’ aus *ueqeros. Ähnliche Wörter für ‘Abend’ begegnen im Keltischen, z. B. kymr. ucher, und in arm. gišer. Über die mehrfachen Versuche, diese Formen miteinander in Einklang zu bringen, s. W.-Hofmann s. vesper. — Nach Havers Sprachtabu 125 war der Wechsel tabuistisch (?); ähnlich Specht Ursprung 13f. I-575
ἔσπετε Ipv. pl. — von ἐν(ν)έπω s. d. I-575
ἐσσήν, -ῆνος m. Ben. des Artemispriesters in Ephesos (Inschr. IV-IIIa, Paus.), auch ‘Fürst, König’ (Kall.); nach Hdn. Gr. 2, 923, 8 = οἰκιστής, nach EM 383, 30 eig. ‘Bienenkönig, Weisel’. — Zur Verbreitung usw. Erika Kretschmer Glotta 18, 88. Davon ἐσσηνία, ἐσσηνεύω (Inschr. Ephesos). Bildung auf -ήν wie βαλ(λ)ήν ‘König’, κηφήν ‘Drohne’ usw. (Schwyzer 487, Chantraine Formation 167f.). — Wahrscheinlich kleinasiatisch mit Solmsen Wortforsch. 138ff., dessen hypothetische Erklärung aus dem Phrygischen (zu aind. sáhate ‘bewältigt usw.’) allerdings auf sehr schwachen Füßen steht. Für vorgriechische Herkunft auch Oikonomos ’Αρχ. Δελτ. 7, 258ff. (dazu Kretschmer Glotta 16, 194; Wahrmann ebd. 19, 221); ebenso Schwyzer 316 und Chantraine a. a. O. — Indog. Etymologien von Ehrlich KZ 42, 316 A. 1, Persson Beitr. 1, 358ff. (s. Bq s. v. mit Add. et corr.), Pisani Stud. itfilclass. 12, 304ff. (dagegen Leumann Glotta 27, 73). I-575
ἔστε (ion., süddor., ätol., auch Trag. und X.), böot. ἔττε, lokr. ἔντε, delph. hέντε (auch εἴστε Mitte IVa), dor. ἕστε (EM 382, 8; v. l. bei Theok.) ‘bis’, später auch ‘solange’ Konj., Adv., Präp. (seit Hes. Th. 754; nicht ganz sicher). — Zum Gebrauch Schwyzer-Debrunner 675f. — Aus *ἐν(σ)-τε, aber nähere Erklärung strittig; s. Schwyzer 629f. mit kritischem Referat der verschiedenen Ansichten; dazu Wackernagel KZ 67, 5 (Nachlaß), der auf dieselbe Funktion des enklitischen idg. *-qu̯e in dōnec u. a. hinweist. I-575-576
ἑστία (att., auch Pi., delph. u. a.), ion. ἱστίη, äok. böot. lokr. dor. ark. ἱστία f. ‘Herd, Feuerstätte, Altar’, übertr. ‘Haus, Familie usw.’ (seit Od.), auch mit Ansätzen einer Personifikation als Göttin des Herdes aufgefaßt (h. Hom., Hes. Th. 454 usw.); später der lat. Vesta gleichgesetzt (Str. u. a.). Als Vorderglied z. B. in ἑστι-οῦχος ‘den Herd enthaltend’ = ‘heimatlich’, ‘den Herd beschützend’ (Trag. usw.); als Hinterglied in ἐφ-έστιος, ion. ἐπ-ίστιος ‘an (auf) dem Herde befindlich, zum Herd gehörig’ (seit Β 125), ἀν-έστιος ‘ohne Herd’ (Ι 63 usw.), συν-, ὁμ-έστιος usw.; über att. -έστιος im Homertext Wackernagel Unt. 9ff., Chantraine Gramm. hom. 1, 15; anders Solmsen Wortforsch. 214. Ableitungen. ‘Ιστιήϊα n. pl. ‘Geldmittel eines ‘I.-tempels’ (Miletos Va); ἑστιῶτις ‘zum Herd (Haus) gehörig’ (S. Tr. 954 [lyr.]; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 208 A. 2); ‘Εστ-ιασταί m. pl. N. der H.-verehrer (Rhod.; vgl. ’Απολλων-ιασταί u. a.); ἕστιος ‘zum Herd gehörig’ (Hld., nach ὁμέστιος u. a.). Als Übersetzung von lat. Vesta, Vestālēs ‘Εστιαῖον ‘Vestatempel’ (D. C.), ‘Εστιάδες pl. ‘Vestales’ (D. H., Plu.). Gewöhnliches Denominativum ἑστιάω, ἱστιάω (augm. εἱσ- in εἱστίων [Lys.] usw.), auch mit Präfix, z. B. συν-, ‘am Herde aufnehmen, speisen, bewirten’ (ion. att. dor.) mit zahlreichen Ableitungen: ἑστί-ασις, -ᾱμα, -ασμός ‘Bewirtung’, ἑστιάτωρ (ἱστ-) ‘Gastgeber’ usw., mit ἑστιατόριον (ἱστια-, ἱστιη-), auch ἑστιατήριον (nach den Nomina auf -ήριον) ‘Speisesaal’ (vgl. Benveniste Noms d’agent 34 und 48); ἑστιατορία (ἱστ-) ‘Fest’ u. a. — Daneben ἑστιόομαι (E. Ion 1464 [lyr.] δῶμα) ‘mit einem Herd versehen werden, befestigt werden’. — Als Kollektiv- oder Abstraktbildung auf -ία (vgl. besondere οἰκ-ία, κλισ-ία) setzt ἑστία, woraus sekundär ἱστία, -ίη durch Lautschwächung oder Assimilation (Schwyzer 256 und 531, Lejeune Traité de phon. 208 u. a.; anders Buck IF 25, 259 [nach ἵστημι] und Solmsen a. a. O. [Unbetontheit des ἱ-]), ein Nomen ἑστο-, -ᾱ o. ä. voraus. — Für die Etymologie entscheidend ist die noch nicht gelöste Frage des Anlauts. Den in Zweifel gezogenen Zeugnissen für anlaut. ϝ-, ϝιστιαυ (PN, Mantineia IVa), γιστία· ἐσχάρη (cod. -τη) H., stehen Fälle entgegen, wo ϝ wider Erwarten fehlt; s. Solmsen Unt. 213ff. Dadurch wird auch die alte, von vielen Forschern immer noch verteidigte Zusammenstellung mit lat. Vesta gefährdet. Eine bessere Erklärung ist indessen trotz mehrfachen Versuchen nicht gefunden: zu ἐσχάρα (Solmsen a. a. O.), lat. sīdus (Ehrlich KZ 41, 289ff.), ἕζομαι (Bq; dazu ιστία nach ἵζω?), slav. jestěja ‘Herd’ (Machek Lingua posnan. 5, 59ff.). — Ältere Lit. bei Bq und W.-Hofmann s. Vesta; s. noch Schwyzer 58 und 227 m. A. 1, Scheller Oxytonierung 60, Fraenkel Gnomon 22, 237, Benveniste BSL 44, 53. Über ‘Εστία im allg. Nilsson Gr. Rel. 1, 337f., v. Wilamowitz Glaube 1, 156ff. I-576-577
ἐστώ, -οῦς f. ‘Substanz, οὐσία’ (Archyt. Phil., Philol.) — Rückbildung aus ἀπ-, συν-εστώ ‘Abwesenheit’ bzw. ‘Beisammensein’ (Hdt.), εὐ-εστώ ‘Wohlbefinden’ (Hdt., A.), κακ- ~ (Konj. in Demokr. 182; κακεστοῦν· κακὴν κατάστασιν ἢ ἀπραγίαν (H.), ἀει- ~ ‘ewiges Dasein’ (Antiph. Soph.); vom Präs. Ind. ἄπεστι usw. Schwyzer 478 m. Lit., Fraenkel KZ 53, 47; s. auch zu εἰμί ‘sein’. I-577
ἕστωρ, -ορος m. ‘Deichselnagel’ (Ω 272, v. l. ἕκτορι nach ἔχειν; Aristobul.). — Unerklärt; zur Bildung Benveniste Noms d’agent 55, Fraenkel Glotta 32, 28f. mit hypothetischen Ausführungen. Nach Fick, Sommer, Ehrlich (s. Bq mit Add. et corr.) mit ὕσταξ· πάσσαλος κεράτινος H. aus *u̯ers-tor-, zu aind. várṣ-man- ‘Anhöhe, Hügel’ usw. Andere zögernde Vermutungen bei WP. 1,267: aus ἕκτωρ nach σχ-εῖν für *ἕσχτωρ umgebildet?; bei Schwyzer 531 A. 12: zu ἵζω als ‘Setzer’? I-577
ἐσχάρᾱ, ion. -ρη f. ‘Herd, Haus-, Opferherd’ (seit Il.), übertr. ‘Gerüst, Gestell’ (Ph. Bel. u. a.), in medizin. Sprache ‘Schorf auf einer Brandwunde’ (Hp., Arist. usw.). Davon ἐσχαρίς, -ίδος ‘Kohlenbecken’ (Kom., Plu. u. a.) mit -ίδιον (Delos IIIa), ἐσχάριον ‘ds.’ (Ar.), auch ‘Gerüst, Gestell’ (Plb. u. a.) neben ἐσχαρεῖον ‘ds.’ (Attika); ἐσχαρ(ε)ών ‘Herdstelle’ (Delos IVa, Theok. u. a.; nach den Ortsbezeichnungen auf -(ε)ών, Chantraine Formation 164); ἐσχαρεύς ‘Schiffskoch’ (Poll.; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 83); ἐσχαρίτης (ἄρτος) ‘Brot das über dem Feuer gebacken wird’ (Kom., LXX u. a.; s. Redard Les noms grecs en -της 89); unklar ἐσχάρινθον N. eines Tanzes in Sparta (Poll.); ἐσχάριος ‘zum Herd gehörig’ (AP). — Als medizinischer Fachausdruck Grundlage vom Denominativum ἐσχαρόομαι ‘eine ἐσχάρα bilden’ mit ἐσχάρωσις, -ωμα, -ωτικός; zur selben Bedeutungssphäre auch ἐσχαρώδης (Poll., Gal.). — Zu ἔσχαρος Fischname s. bes. Bildung auf -ρᾱ (wie χώρᾱ, τέφρᾱ u. a.), aber ohne annehmbare Anknüpfung. Von Prellwitz mit aksl. iskra ‘Funke’ verglichen (wozu nach Solmsen Unt. 218 auch ἑστία), was von Vasmer Russ. et. Wb. s. v. abgelehnt wird. Andere, noch weniger überzeugende Versuche bei Bq, bei W.-Hofmann s. cartibulum und bei Deroy Revue Belge de phil. 26, 529ff. I-577
ἔσχαρος m. N. eines Fisches, = κόρις, vielleicht Art Seezunge (solea; Kom., Dorio ap. Ath. 7, 330a). — Von ἐσχάρη als ‘Bratfisch’; Strömberg Fischnamen 89; s. auch Thompson Fishes s. v. I-578
ἔσχατος ‘der äußerste, letzte’ (seit Il.). Vereinzelt in Kompp. wie ἐσχατό-γηρως (-ος) ‘im äußersten Alter’ (hell. u. sp.), παρ-έσχατος ‘der nächstletzte’ (Ph.). Ableitungen: ἐσχατιά, -ιή ‘äußerster Teil, Grenze, Grenzgut’ (ion. poet. seit Hes., att.; vgl. Scheller Oxytonierung 81f.) mit ’Εσχατιῶτις f. ‘Bewohnerin einer ἐσχ.’ (Tenos; Redard Les noms grecs en -της 9); poet. Erweiterung ἐσχάτιος (Nik. u. a.). Denominative Verba. 1. ἐσχατάω ‘der äußerste, letzte sein’, nur im Ptz. ἐσχατάων, -όων (Il., Theok., Kall. u. a.; vgl. Shipp Studies 62). 2. ἐσχατεύω ‘ds.’ (Arist., Thphr. usw.). 3. ἐσχατίζω ‘zu spät kommen’ (LXX). — Adjektivische Ableitung von ἐξ, aber im einzelnen nicht ganz klar. Das Oppositum ἔγ-κατα, zu ἐν, legt eine Bildung *ἔξ-κατος nahe; die Tenuis aspirata χ erheischt aber dann als Grundform *ἔχσ-κατος, was für ἐξ eine indogerm. Grundlage *eĝhs zu erfordern scheint; zu beachten bleibt indessen die in älteren Alphabeten auftretende Schreibung χσ = ξ (Schwyzer 210), die für Aspiration eines Gutturals vor σ spricht. -Das Suffix -κατος wäre in ein gutturales Element (vgl. πρό-κα, lat. reci-pro-cus; *ἐχσ-κο- ‘außen befindlich’) und in einen hinzutretenden Dental (μέσ(σ)-ατος, τρίτ-ατος u. a.) zu zerlegen. Wackernagel KZ 33, 40f. = Kl. Schr. 1, 719f., Leumann Hom. Wörter 158 A. 1 mit Lit. Zum Lautlichen noch Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 29ff. I-578
ἐτάζω, Aor. ἐτάσαι ‘prüfen’ (Hdt. 3, 62 v. l., Demokr. 266, Pl. Kra. 410d, LXX u. a.), gew. ἐξ-ετάζω, Aor. ἐξετάσαι, -άξαι (Theok.) usw. ‘ausforschen, genau untersuchen, mustern, ausfragen’ (ion. att.); auch mit Präfix, z. B. ἐπ-, συν-, προ-εξετάζω; ark. παρ-hετάζω in παρ-hεταξάμενος, παρ-ετάξωνσι ‘sich zubilligen lassen, billigen’ (Tegea IVa); falls nicht vielmehr von παρ-ίημι ‘zugestehen’, πάρ-ετος. Ableitungen. ἔτασις, ἐτασμός ‘Prüfung, Plage’ (LXX), ἐταστής = ἐξετ. (Lampsakos). — ἐξέτασις ‘Prüfung, Musterung’ (att.), -σία ‘ds.’ (Astypalaea, Kaiserzeit; vgl. Schwyzer 469), ἐξετασμός ‘ds.’ (D. usw.); ἐξεταστής ‘Untersucher, Kontrollbeamter’ (Aeschin., Arist., Inschr.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1,227) mit ἐξεταστήριον ‘Kontrollamt’ (Samos IIa), ἐξεταστικός ‘zur Prüfung geschickt, zum Kontrollbeamten gehörig’ (X., D. u. a.), ’Εξεταστέων PN (Bechtel Namenstud. 22). — Denominativum von ἐτός, nur in ἐτά· ἀληθῆ, ἀγαθά H. erhalten; somit eig. ‘verifizieren, bewähren, auf die Wahrheit prüfen’. — Nicht sicher erklärt. Gewöhnlich wird ἐτός als ein schwundstufiges thematisches Verbaladjektiv von εἰμί ‘sein’ betrachtet (Schwyzer 502); ἐτός für *ἑτός (aus idg. *s-e-tó-s) somit eigentlich wie germ., z. B. ano. sannr (urg. *sánþa-), aind. satyá- ‘wahr’ u. a. (idg. *s-ón-t-o-, bzw. *s-n̥-t-i̯ó-) ‘existierend, tatsächlich’?; dagegen Luther "Wahrheit" und "Lüge" 51. S. noch ἐτεός und ὅσιος. I-578-579
ἑταῖρος, ἕταιρος ‘Gefährte, Genosse, Freund’, f. ἑταίρα, ion. -ρη ‘Gefährtin, Freundin, Hetäre’ (seit Il.); daneben in derselben Bedeutung ἕταρος (ep. poet. dor. seit Il.), f. ἑτάρη (Δ 441). m. Als Hinterglied z. B. in φιλ-έταιρος ‘seine Freunde liebend’ (att.) mit φιλεταιρ-ία u. a. Ableitungen: ἑταιρήϊος, -εῖος (zur Bildung Chantraine Formation 52) ‘den Freund, die Freundin betreffend usw.’ (ion. att.), ἑταιρικός ‘ds.’, -όν n. ‘politischer Klub’ (Th., Hyp., Arist. u. a.), ἑταιρόσυνος ‘freundlich’ mit -σύνη (spät); f. ἑταιρίς = ἑταίρα (X. HG 5, 4, 6 v. l., Ph. u. a.), ἑταιρίδιον (Plu. u. a.); ἑταιρηΐη, -ρεία, -ρία ‘Kameradschaft, Freundschaft, politischer Klub usw.’ (ion. att.). Denominative Verba: 1. ἑτα(ι)ρίζω, -ομαι ‘Gefährte sein, sich zum Gefährten machen’, spät ‘überwinden, Hetäre sein’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa) mit ἑταίρισμα, -ισμός, -ιστής (spät); auch ἑταιρίστρια = τριβάς (Pl. Smp. 191e u. a.; verächtlich). 2. ἑταιρέω ‘Buhlerei treiben usw.’ (att.) mit ἑταίρησις. 3. ἑταιρεύομαι ‘sich prostituieren’ (hell. u. spät). — Das Nebeneinander der verschiedenen Formen läßt sich folgendermaßen verstehen: An ἕταρος trat zuerst mit ια-Suffix ein Fem. *ἕταιρᾰ (vgl. z. B. χίμαρος : χίμαιρα), das zu ἑταίρη, -ρᾱ umgebildet wurde und dann ἑταῖρος, ἕταιρος nach sich zog; nach Muster von ἑταῖρος : ἕταρος wurde endlich neben ἑταίρη ein ἑτάρη gestellt (Schulze Q. 82; s. auch Glotta 4, 338 und Schwyzer 459; gewisse Bedenken bei Lommel Idg. Femininbildungen 67). — Da ἕταρος u. Verw. keine Spur des Digamma zeigen (Chantraine Gramm. hom. 1, 150, Solmsen Unt. 203), muß die sonst naheliegende direkte Anknüpfung an ϝέτης ‘Angehöriger, Freund’ (s. ἔτης) fallen. Auszugehen ist statt dessen von dem neben idg. *su̯e in ϝέ-της stehenden Reflexivum *se (s. ἕ, ἑ), das mit paralleler t-Erweiterung in aksl. po-sětiti ‘besuchen’ (von *setъ ‘Gast’, idg. *set-o-) vermutet wird. Zum ρ-Suffix vgl. z. B. νεαρός, γεραρός (teilweise von ρ-Stämmen). — Nicht zu lat. satelles ‘Leibwächter’ (wahrscheinlich etruskisch; s. W.-Hofmann s. v.). Verfehlt Prellwitz Glotta 19, 85ff. I-579
ἔταλον Bez. eines jungen Tieres, etwa ‘Jährling’ (Schwyzer 644, 18; Aegae IV-IIIa), auch ἔτελον (ebd. 252, 11; Kos IIIa: τοῦ μὲν ἐτέλου im Gegensatz zu τοῦ δὲ τελείου ‘ausgewachsenes Tier’). n. — Bis auf das Genus mit lat. vitulus ‘Kalb’, umbr. vitluf ‘vitulōs’ (mit unregelmäßigem i für e) identisch; hierher noch als iran. LW wotjak. vetël ‘Kalb, zweijährige Kuh’ (Jacobsohn IF 46, 339). Auszugehen ist von einem idg. Wort für ‘Jahr’, das im Griechischen als s-Stamm vorhanden ist, ἔτος, idg. *u̯étos- n., wovon u. a. aind. vats-á- ‘Kalb’. Zum Stammwechsel ἔτος : ἔτελον, ἔταλον vgl. z. B. νέφος : νεφέλη, ἄγκος : ἀγκάλη; der Wechsel -αλο- : -ελο- kann also alt sein (-ε- somit nicht an das anlautende ἐ- assimiliert). Daneben vielleicht mit Wechsel l : n ἐπη-ετανός, s. d. Ein alternierender r-Stamm erscheint im Germ., z. B. got. wiþrus ‘(jähriges) Lamm’, nhd. Widder, idg. *u̯et-r(u)-. — Vgl. zu ἔτος; außerdem W.-Hofmann s. vitulus. I-579-580
ἔτελις (ἐτελίς) m. (f.) N. eines Fisches, ‘Goldbrasse’? (Arist. HA 567 a 20, H.). — Eine allgemeine Ähnlichkeit zeigt lat. attilus ‘ein störähnlicher großer Fisch im Po’ (Plin., rom.; auch *atillus), wohl gallisches, evtl. ligurisches Wort. Ferner liegt der baltische Name des Steinbutts, lett. ãte, alit. atìs, lit. ō̃tas; Lit. bei W.-Hofmann s. attilus, Pok. 70. — Strömberg Fischnamen 39 ist eher geneigt, darin eine Ableitung von ἔτελον (ἔταλον) zu sehen. I-580
ἐτεός, Adj. ‘wahr, wirklich’, fast nur im Sing. n. ἐτεόν (ἐτεά pl. Υ 255, Lesung ganz unsicher), auch als Adv. ‘in Wahrheit’ (Hom., Theok.); in Fragesätzen ‘tatsächlich’ (Ar.); ἐτεῇ Adv. ‘in Wirklichkeit’, auch Nom. ἐτεή f. ‘Wirklichkeit’ (Demokr.). Oft als Vorderglied in Namen wie ’Ετεό-κρητες pl. ‘Kreter im eigentlichen Sinne, Urkreter’ (τ 176; vgl. Risch IF 59, 25), ’Ετε-άνωρ (Thera VIIa), ’Ετέϝ-ανδρος (Kypros VIIa), dazu Sommer Nominalkomp. 185 und 199; ’Ετεο-κλῆς (Tegea usw.; sehr fraglich die Zusammenstellung mit heth. Tau̯ag(a)lau̯aš; vgl. Schwyzer 79 m. Lit.); auch ἐτεό-κριθος f. ‘echte κριθή’ (Thphr.; Determinativkomp. mit formalem Anschluß an die Bahuvrihi; vgl. Strömberg Pflanzennamen 28f.). Daneben ἔτυμος ‘wahr, wirklich’ (poet. seit Il.; die Prosa dafür ἀληθής) mit ἐτυμό-δρυς f. ‘echte Eiche’ (Thphr.); τὸ ἔτυμον ‘der wahre (ursprüngliche) Sinn eines Wortes, die Etymologie’ (Arist. usw.); als Vorderglied in ἐτυμο-λογέω ‘den wahren Sinn untersuchen, feststellen’ mit ἐτυμολογία, -λογικός (hell. u. spät; formal nach ψευδο-λογέω u. a.; vgl. Schwyzer 726); ἐτυμό-της = τὸ ἔτυμον (Str. u. a.). — Expressive Reduplikationsbildung mit rhythmischer Verlängerung der urspr. Anfangssilbe (vgl. Schwyzer 447 A. 2; anders Bq s. ἐτά) ἐτήτυμος ‘wahr, wirklich, echt’ (poet. seit Il.) mit ἐτητυμία (Kall., AP u. a.). Erweiterte Form ἐτυμώνιον· ἀληθές H.; vgl. Chantraine Formation 42f. — Zu κενε(ϝ)ός ‘leer, eitel’ im Ausgang stimmend setzt ἐτε(ϝ)ός zunächst einen diphthongischen u-Stamm voraus, dessen schwachstufige Form in dem erweiterten ἔτυ-μος (Vorbild?) vorliegt; neben diesem u-Stamm scheinen ἐτάζω, ἐτά· ἀληθῆ, ἀγαθά H. für einen o-Stamm zu sprechen. — Weitere Analyse unsicher; s. ἐτάζω m. Lit. Zur Geschichte von ἐτεός usw. Frisk GHÅ 41 (1935) : 3, 15ff. I-580-581
ἕτερος (ion. att. seit Il.), ἅτερος (dor. äol.; auch att. in der Krasis ἅ̄τερος, θά̄τερα usw.), myk. a2-te-ro ‘der eine von zweien, einer, der andere’. Mit Negation οὐδ-, μηδ-έτερος, -άτερος ‘keiner von beiden’ (ion. att. dor. seit Hes.). Sehr oft als Vorderglied in Bahuvrihi mit verschiedenen Sinnfärbungen, z. B. ἑτερ-αλκής ‘der einen Partei Hilfe bringend’ (vorw. ep. poet. seit Il.; vgl. zu ἀλέξω), ἑτερ-ήμερος ‘einen Tag um den andern lebend’ (λ 303 von den Dioskuren; auch Ph., Jul. u. a.), ἑτερό-πτολις ‘aus einer andern Stadt stammend’ (Erinn. 5). bleitungen: ἑτέρ-ωθεν, -ωθι, -ωσε, -ωτα ‘von der anderen Seite her’ usw. (Hom. usw.); ἑτεροῖος ‘von anderer Art’ (ion. att.; nach τοῖος, ἀλλοῖος u. a.) mit ἑτεροιότης ‘Verschiedenartigkeit’ (Pl., Ph. u. a.), ἑτεροιόομαι, -όω ‘anders werden’ bzw. ‘verändern’ (ion. usw.), -οίωσις ‘Veränderung’ (hell. u. sp.); ἑτερότης ‘das Anderssein’ (Arist. u. a.). — Aus idg. *sm̥-teros, Schwundstufe von *sem- in εἷς ‘einer’ (s. d. und ἅπαξ) mit demselben Suffix wie in ἀριστερός (s. d.) u. a.; vgl. bes. das gleichbedeutende aind. eka-tara- ‘alteruter’; der ε-Vokal in ἕτερος eher nach εἷς als durch Assimilation (vgl. Schwyzer 614). — Mit ἅτερος ist wahrscheinlich ein keltisches Wort für ‘Hälfte’, kymr. hanther, korn. bret. hanter identisch; s. zuletzt Gonda Reflexions on the numerals "one" and "two" 33f. m. Lit.; daselbst auch ein Versuch, die germ. Gruppe got. sundro ‘fm: sich, κατ’ ἰδίαν’, ahd. suntar ‘abgesondert, aber’ usw. (s. ἄτερ) einzubeziehen. I-581
ἔτης m., dor. ἔτας, el. ϝέτας ‘Angehöriger, Stammesgenosse’ (Hom., nur im Plur.), ‘Mitbürger, Bürger, Privatmann’ (el., dor., auch A. und E.). Keine Komposita oder Ableitungen. — Neben ϝέτᾱς steht im Slavischen ein Wort für ‘verschwägerter Verwandter, Brautwerber’, z. B. aruss. svatъ, idg. *su̯ōtos (*su̯ātos); im Baltischen ein Wort für ‘Gast’, lit. svẽčas, idg. *su̯eti̯os; als gemeinsame Grundlage ist das mit t-Suffix erweiterte Reflexivum *su̯e, gr. ϝ(h)ε (s. ἕ), zu betrachten, idg. *su̯e-t-; zum griech. Anlaut mit Psilose und Schwund des Digamma vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 125, Chantraine Gramm. hom. 1, 150 und 185. Eig. somit "Eigener", d. h. ‘Angehöriger der (eigenen) Sippe’, bzw. ‘Privatmann’; im letzteren Sinn vgl. ἑ-κάς ‘fern’, eig. ‘für sich’ (so auch lit. svẽčias wegen >svẽtimas, lett. sweschs ‘fremd’?; Schulze KZ 40, 417 = Kl. Schr. 73). — Zur Bildung von ἔτης noch Schwyzer 500, Chantraine Formation 312 und Bechtel Lex.; weitere Lit. bei Vasmer Russ. et. Wb. s. svát; außerdem WP. 2, 457. Abzulehnen Fay AmJPh 28, 413f.; vgl. Kretschmer Glotta 1, 378. — S. auch ἑταῖρος und ἴδιος. I-581-582
ἐτήτυμος s. ἐτεός. I-582
ἔτι Adv. ‘noch, noch dazu, ferner’ von Zeit und Grad (seit Il.). — Altes Adverb, auch im Indoiranischen, z. B. aind. áti ‘ds.’, Italischen, lat. und umbr. et ‘und’, Germanischen, z. B. got. iþ ‘δέ, καί’, erhalten; dazu noch phryg. ετι-τετικμενος u. a.; idg. *éti. Weitere Formen nebst hypothetischen Kombinationen bei WP. 1, 42ff., Pok. 70f., Ernout-Meillet und W.-Hofmann s. et; zu ἔτι noch Schwyzer-Debrunner 564. I-582
ἔτνος n. ‘Brei von Hülsenfrüchten’ (Ar., Hp. u. a.). Als Vorderglied in ἐτν-ήρυσις ‘Breilöffel’ (Ar.; vgl. zu 1. ἀρύω), ἐτνο-δόνος ‘breirührend’ (τορύνη, AP). Ableitungen: ἐτν-ηρός ‘breiähnlich’ (Ath.; Chantraine Formation 232f.), ἐτν-ίτης (ἄρτος; Ath.; Redard Les noms grecs en -της 89). — Ohne sichere Anknüpfung. Über die Zusammenstellung mit kelt., z. B. mir. eitne ‘Kern’ (Zupitza KZ 36, 243, Pedersen Vergl. Gramm. 1, 160) s. die Bedenken bei Pok. 343. Arm. und ‘Brei, Korn’ (Hofmann Et. Wb. d. Griech.) ist mit ἔτνος lautlich nicht vereinbar. I-582
ἑτοῖμος, jünger ἕτοιμος ‘bereit, vorhanden, gewiß’ (seit Il.). Als Vorderglied in ἑτοιμο-θάνατος ‘zum Tode bereit’ (Str.) und anderen hell. und sp. Kompp.; als Hinterglied in ἀν-έτοιμος ‘nicht bereit’ (Hes. Fr. 219, hell.; funktionell wohl postverbal zu ἑτοιμάζω, vgl. Frisk Adj. priv. 13f.). Ableitungen: ἑτοιμότης ‘Bereitschaft, Bereitwilligkeit’ (D., Plu. usw.); ἑτοιμάζω ‘bereiten’ (seit Il.) mit ἑτοιμασία (LXX, NT usw.) — Keine überzeugende Etymologie. Von Prellwitz Glotta 19, 85ff. aus ἐτός ‘wahr, wirklich’ (s. ἐτάζω) und οἶμος ‘Gang, Weg’ erklärt (anders Wb. s. v.); nach Kuiper Glotta 21, 278ff. dagegen aus einem Lokativ *ἑτοῖ von *ἑτός = ἐτός mit μο-Suffix; gewiß nicht besser. Ältere Versuche bei Bq. I-582
ἐτός 1. Adv., nur mit Negation οὐκ ἐτός ‘nicht umsonst, nicht ohne Grund’ (att.); daneben ἐτώσιος Adj. ‘vergeblich, erfolglos’ (ep. seit Il.). — Obschon der Bildung nach dunkel (vgl. Chantraine Formation 42, Schwyzer 466 m. Lit., Mezger Word 2, 229) ist ἐτώσιος für *ϝετώσιος (dagegen Fay Class. Quart. 3, 273) wahrscheinlich eine adjektivierende Erweiterung von ἐτός (vgl. περιώσιος neben περί), das somit für *ϝετός steht und formal >zu den Adverbia auf -τός (ἐν-τός usw.) stimmt. Sonst unklar; semantisch am nächsten kommt alb. hut ‘vergeblich, leer, eitel’ aus idg. *uto- (Jokl WienAkSb. 168: 1,31); Meillet MSL 8, 235f. und Brugmann Grundr.2 2 : 2, 809 ziehen noch heran αὔτως im Sinn von ‘eitel, vergebens’ (vgl. s. αὐτός). Nach Ebel KZ 5, 69 (zustimmend Prellwitz und Bartholomae WB.) dagegen mit aind. svatáḥ, aw. xvatō ‘von selbst’ formal identisch (idg. *su̯e-tós), was trotz der Bedeutungsverschiedenheit (‘von selbst’ > ‘ohne äußeren Grund’?) immer Beachtung verdient. I-582-583
ἔτος 2. dial. ϝέτος, myk. we-to (Akk.), we-te-i (Dat.). n. ‘Jahr’ (seit Il.); Oft als Hinterglied, z. B. τοι-ετής (τρι-έτης) ‘dreijährig’ (ion. att.) mit τριετία ‘Zeitraum von drei Jahren’ (hell. u. spät), τριετίζω ‘drei Jahre alt sein’ (LXX); auch τρι-έτ-ηρος ‘drei Jahre alt’ (Kall. usw.) mit -ηρίς f. ‘jedes dritte Jahr (einschließlich)’, d. h. ‘alle zwei Jahre wiederkehrend’ (ἑορτή u. a.; Pi., ion. att.; nach den Nomina auf -ηρός, -ηρίς; Schwyzer 482, Chantraine Formation 346); davon τριετηρικός ‘zu einer τριετηρίς gehörend’ (spät). Ableitungen. 1. ἔτειος ‘jährlich, das ganze Jahr dauernd, einjährig’ (Pi., A., X. usw.); durch Hypostase ἐπέτειος ‘ds.’ (ion. att., von ἐπ’ ἔτος; vgl. Schwyzer-Debrunner 473) u. a.; 2. ἐτήσιος ‘ds.’ (att.; nach dem Adj. auf -τήσιος; Schwyzer 466, Chantraine 42) mit ἐτησίαι m. pl. ‘Jahreswinde’ (ion. att., Arist. usw.); auch ἐπετήσιος ‘ds.’ (η 118, Th. usw.) u. a.; 3. ἐπηετανός, s. bes. — Altes Wort für ‘Jahr’, das in mehreren Sprachen durch verschiedene Bildungen und Ableitungen vertreten ist. Eine genaue Entsprechung scheint in alb. vit, pl. (auch sg.) vjet ‘Jahr’, aus idg. *u̯etes- vorzuliegen (Mann Lang. 26, 383). Als Hinterglied ist der neutrale s-Stamm in schwundstufiger Form in aind. tri-vats-á- ‘dreijährig’ erhalten; die Hochstufe wird vermutet in messap. atavetes (= αὐτό-ετες, ‘im selben Jahre’?; Schwyzer 513 A. 3 m. Lit.) und in heth. ša-u̯itiš-t- ‘Säugling’ (eig. t-Abstraktum *"Gleichjährigkeit"?; s. Kronasser Vgl. Laut- und Formenlehre 53 und 130). Daneben steht im Heth. ein Konsonantstamm u̯itt- (= u̯et-) ‘Jahr’, dessen Alter strittig ist, s. Kronasser 126 A. 20. Eine Umbildung in a-Stamm kommt für hier.-heth. usa-, luw. ušša- ‘Jahr’ (< idg. *u̯et-o-?) in Betracht; Kronasser Μνήμης χάριν 1, 201. Ein semantisches Problem bietet lat. vetus ‘alt’, formal = ϝέτος; über die Versuche den Bedeutungswandel zu erklären s. W.-Hofmann s. vetus, dazu Benveniste Rev. de phil. 74, 124ff. — Alte Erweiterungen des s-Stammes liegen in verschiedenen Benennungen von (einjährigen) Tieren vor: aind. vats-á- ‘Kalb’, alb. vic̣ ‘Kalb’ (idg. *u̯etes-o-), kelt., z. B. ir. feis ‘Sau, Schwein’ (< *u̯ets-i-). — Für sich steht endlich ein >baltisch-slavisches Wort für ‘alt’, lit. vẽtušas, aksl. vetъchъ, idg. *u̯etus-o- (so auch lat. vetus?); vgl. indessen Ernout-Meillet s. v., wo das balt.-slavische Adjektiv ohne genügenden Grund vom Wort für ‘Jahr’, ἔτος usw., getrennt wird. — Eine neue Benennung des Jahres schuf sich das Griechische in ἐνιαυτός, s. d. S. auch ἔταλον, νέωτα, οἰετέας, πέρυσι, σῆτες. Weitere Einzelheiten bei WP. 1, 251, W.-Hofmann s. vetus. I-583-584
ἐττημένος ‘gesiebt’ s. διαττάω. I-584
εὐᾱγής ‘strahlend, klar, mit guter Sicht, weit umher sichtbar’ (Parm., Pi., A., E. u. a.; vorw. poet.). — Für εὐ-αυγής (v. l. Pi. Pae. Fr. 19, 25 u. a.), von εὖ und αὐγή mit Übergang in die s-Stammflexion und kompositioneller Dehnung; dazu Wegfall des zweiten υ, wohl durch Dissimilation, vgl. Schwyzer 203 A. 3. Durch Loslösung aus dem Kompositum entstand ἀ̄γέα (κύκλον Emp. 47, von der Sonne); vgl. auch Björck Alpha impurum 148 A. 1. — Eine poetische Erweiterung scheint in εὐά̄γητον (φύσιν Ar. Nu. 276 [lyr.], von den weithin sichtbaren Wolken) vorzuliegen; Björck a. a. O. I-584
εὐάζω ‘εὖα, εὐαί rufen’ (S. und E. in lyr., AP u. a.) mit εὐάσματα pl. (E. in lyr.), εὐασμός (hell. u. sp.); εὐαστής, -τήρ (vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 136 m. A. 7) mit εὐάστειρα, εὐαστικός (spät). — Von der Interjektion εὖα· ἐπιφημισμὸς ληναϊκὸς καὶ μυστικός H., εὐαί (-αῖ) Ruf am Bakchosfest (Ar. u. a.); auch εὐά̄ν (E. u. a.), εὐοί, -οῖ (Ar. u. a.); mit Interaspiration εὐαἵ, εὐἅν, εὐοἵ (D. T., Hdn., A. D.); lat. LW euhoe, euhān. Derselbe Ausruf auch in lat. ovō, -āre ‘frohlocken, jubeln’, falls aus *euāi̯ō; vgl. W.-Hofmann s. v. Vgl. εἰάζω, αἰάζω und Schwyzer 303. S. auch Εὔιος. I-584
εὐδείελος Beiwort von Ortschaften, in der Od. fast nur von Ithaka, auch von Κρίση (h. Ap. 438), vom Berg Κρόνιον (Pi. O. 1, 111) u. a. (poet. s. Od.). — Wahrscheinlich mit Schulze Q. 244 metrische Dehnung von *εὐ-δέελος ‘wohlsichtbar’, zu δέελος (Κ 466); zum rhythmischen Wechsel -ει- : -ε- im allg. Chantraine Gramm. hom. 1, 166ff. — Daneben εὔδειλον Alk. G I 2 (POxy. 2165 I 2; Zusammenhang unklar; [λόφος] ist eine ganz unsichere Ergänzung von Gallavotti); nach Specht KZ 68, 190 Suffixvariation -λ- : -ελ-. — Die Anknüpfung an δείελος, δείλη ‘Abend’, ‘mit schönen Abenden, in schöner Abendbeleuchtung’ o.ä. (Düntzer, Gentili Maia 2 : 3, 1f.) ist kaum vorzuziehen. I-584
εὐδία, -ίη f. ‘schönes, heiteres Wetter, Windstille, (Meeres)ruhe’ (Pi., Trag., ion. att.). Davon 1. εὐδιᾱνός ‘Windstille, Ruhe bringend’, von φάρμακον (Pi. O. 9, 97); 2. εὐδίαιος Beiwort zum Fischnamen τριγόλας (Sophr. 67), ‘bei gutem Wetter gefangen’ (?) mit εὐδιαίτερος (X.); als Subst. m. ‘Abflußloch im Schiffsboden’ (Plu., Poll. u. a.); 3. εὐδιεινός ‘heiter, ruhig, still’ (Hp. Aph. 3, 12 v. l. neben εὔδιος, Pl. Lg. 919a, X. Kyn. 5, 9, Arist. usw.; nach φαεινός, ἀλεεινός usw.); 4. εὔδιος ‘ds.’ (Hp., hell. Dichtung, späte Prosa; zu εὐδία nach αἰθρία : αἴθριος u. ä.). Denominative Verba εὐδιάω ‘ruhig, still sein’, vom Meer und Wetter (A. R., Arat., Opp.; nur Ptz. εὐδιόων); εὐδιάζω ‘beruhigen, besänftigen, ruhig sein’ ([Pl.] Ax. 370d, Ph. u. a.). — Abstrakte Zusammenbildung (kollektives Bahuvrihi) von εὖ und der Schwundstufe des alten Wortes für ‘Tag, Himmel’ (s. Ζεύς), εὐ-δίϝ-ᾱ; vgl. ἑκατόμ-β(ϝ)-ᾱ, μεσό-δμ-η. Ein altes Gegenstück ist aind. su-dív- ‘einen schönen Tag bringend’ mit su-div-á-m n. "Schöntätigkeit", ‘schöner Tag’. — Sommer Nominalkomp. 73ff. m. Lit. und weiteren Einzelheiten. I-585
εὕδω, im Simplex nur Präsensstamm bis auf das Fut. εὑδήσω (A. Ag. 337) ‘schlafen’ (ep. ion. poet.). Mit Präfix ἐν-, συν-, aber insbes. καθ-εύδω (seit Il.), Ipf. καθ-εῦδον, -ηῦδον, att. auch ἐ-κάθευδον, Fut. καθ-ευδήσω (att.), selten Aor. καθ-ευδῆσαι (ion. u. spät); dazu ἐν-, ἐπι-, παρα-, συγ- καθεύδω usw. Als Aorist fungiert im allg. (κατα-)δαρθεῖν, (-)δραθεῖν; Schwyzer-Debrunner 258, Schulze KZ 40, 120 = Kl. Schr. 443; s. δαρθάνω. Keine Ableitungen. — Mehrere hypothetische Deutungsvorschläge, von denen keine überzeugt. Zu got. sutis ‘ruhig, sanft’ (Wood ClassPhil. 9, 148f., Thurneysen IF 39, 189f. [mit anderer Analyse], Mayrhofer KZ 71,74f.), wozu noch lat. sūdus ‘sanft, wolkenlos’ (Mayrhofer KZ 73, 116f.); aus idg. *seu-d- neben *su̯-ep- in aind. svapiti ‘schläft’ usw. (Benveniste Origines 1, 156f.; vgl. zu ὕπνος); zu lit. snáudžiu, snáusti ‘unwillkürlich schlafen’ (Otrębski KZ 66, 247ff.); zu ags. swodrian ‘fest schlafen’ (Grošelj Živa Ant. 7, 42). Über die prinzipiellen Schwierigkeiten, zu einer befriedigenden Etymologie zu gelangen Schwyzer 648 A. 1. I-585
εὔεξος · εὐφυής H. — Rückbildung aus εὐεξία, s. ἔχω. Leumann Hom. Wörter 156 A. 130. I-585
εὐηγενής Λ 427, Ψ81 (hier v. l. εὐηφενής), h. Ven. 229, Theok. 27, 43, IG 14, 1389 : 1, 29. — Die Lesung εὐηγενής = εὐγενής (Hss., Aristarch) ist bei Hom. als Verschlimmbesserung von εὐηφενής (als EN IG 12 : 8, 376, 14) stark verdächtig, das sowohl wegen des nur aus der Dichtung bekannten ἄφενος wie wegen der kompositionellen Dehnung nicht unmittelbar verständlich war. Das sekundär entstandene εὐηγενής, das in den zahlreichen Kompp. auf -γενής mit vorangehendem -η- einen gewissen Anhalt hatte, ist aber von nachhom. Dichtern aufgenommen worden. — Abzulehnen Prellwitz Glotta 19, 103: -η- hervorhebend. Zu εὐηφενής s. auch Bechtel Lex. s. v. und Leumann Hom. Wörter 117 A. 83. I-585-586
εὐθενέω ‘gedeihen, blühen’, von Tieren und Pflanzen, auch übertr. von Städten, Völkern usw. (A., att., Arist. usw.); als Vorderglied in εὐθηνι-άρχης ‘Vorsteher der (Korn)zufuhr’ mit -αρχέω, -ία, -ικός (Pap.; auch εὐθενι-). εὐθένεια, -ία (-ίη Epigr. Ia) ‘blühender Zustand, Fülle, Zufuhr, annona’ (Arist. als v. l. neben εὐθηνία, Pap. aus d. Kaiserzeit) mit εὐθενιακός (Pap.). — Auch εὐθηνέω ‘ds.’ (h. Hom. 30, 10, Hdt., Hp., LXX usw.) mit εὐθηνία = εὐθενεια, -ία (Arist. als v. l., LXX, hell. u. sp. Inschr., Pap. usw.); — Seltene und späte Adj.: εὐθενής· εὐπαθοῦσα, ἰσχυρά H. mit εὐθενέστατος (Pap. VIp), εὐθηνός ‘gedeihend’ (Hdn. Epim. 175, Lyd. Ost. [VIp]). — Die Erklärung der obigen Formen hängt selbstverständlich von der richtigen Beurteilung ihres gegenseitigen Verhältnisses zueinander ab. Wenn die Formen mit -ε- ursprünglich sind, liegt es nahe, εὐθενέω als Denominativum von εὐθενής zu beurteilen, wozu anderseits als Abstraktum εὐθένεια, -ία. Auszugehen wäre dann von einem Nomen *θένος neben φόνος in dem ἅπ. λεγ. φόνον αἵματος (Π 162), wenn die Erklärung als ‘Masse Blutes’ richtig ist, was keineswegs als sicher gelten kann, s. s. v. Dann wäre *θένος : εὐθενής : εὐθένεια : εὐθενέω wie μένος : εὐμενής : εὐμένεια : εὐμενέω. Das sehr späte und sporadische Vorkommen von εὐθενής im Verein mit der chronologischen Priorität von εὐθενέω gegenüber εὐθένεια ist aber der Ansetzung einer solchen Entwicklungsreihe nicht günstig. Dann wird aber die direkte Gleichsetzung von -θενής mit aind. ā-hanás- etwa ‘üppig, strotzend’ (Bechtel Lex. 78f. mit Fick BB 8, 330), idg. *-gu̯henes-, fraglich. Zu ā-hanás- und εὐ-θενης werden ferner gezogen aind. ghana- ‘kompakt, dick, voll von’ (ep. klass.; sehr fraglich RV. 1, 8, 3), npers. ā-ganiš ‘voll’, ā-gandan ‘anfüllen’; aus dem Baltisch-Slavischen noch lit. ganà ‘genug’, aksl. goněti ‘genügen’; endlich alb. zânë ‘dicht, dick’, idg. *gu̯hen- (Jokl Mélanges Pedersen 131) und arm. y-ogn ‘multum, sehr, viel’ (letzteres ganz unsicher). Mehrdeutig sind einige EN auf -φόντης wie Κρεσ-φόντης (vgl. zu κράτος), Πολυ-φόντης ebenso wie φανᾶν· θέλειν H. Fern bleiben jedenfalls die dunklen ἄφενος und παρθένος (s. dd.). Das -η- in εὐθηνέω usw. kann an sich alte Dehnstufe sein; sekundäre Verlängerung (nach κτῆνος, μῆλα usw.?; Fraenkel Lexis 3, 61) kann indessen nicht in Abrede gestellt werden. — Bei Ansetzung eines ursprünglichen η -Vokals wäre für εὐθενέω entweder eine entsprechende Entgleisung (nach σθένος?; Sommer Lautstud. 66) oder alte Schwachstufe (Schwyzer 340f.) anzunehmen; gr. *θῆνος könnte tatsächlich mit lat. fēnus ‘Ertrag’ (zu fē-līx, s. θῆλυς, und θῆ-σθαι) lautlich und begrifflich identisch sein (vgl. Fick 1, 415, Froehde BB 21, 326f.), wobei die Anknüpfung an aind. ā-hanás- usw. natürlich in Wegfall käme. — Weitere Lit. bei Bq s. v., WP. 1, 679, Fraenkel Lit. et. Wb. s. ganà. I-586-587
εὐθύς, -εῖα, -ύ — Ohne außergriechische Entsprechung. Wahrscheinlich Kreuzung von εἶθαρ und ἰθύς (s. dd.) mit Assimilation ει : υ > ευ : υ (Schwyzer 256 m. Lit.); εὐρύς liegt semantisch etwas fern, um in Betracht zu kommen. Ältere Lit. bei Bq; dazu WP. 2, 450. ‘gerade’, auch übertr. ‘gerecht’; εὐθύς, -ύ auch Adv. (neben εὐθέως) ‘geradeswegs, sogleich’ von Ort und Zeit (Pi., att.; vgl. Schwyzer 620f.). Sehr oft als Vorderglied, z. B. in εὐθυ-ωρία, s. bes. Davon εὐθύτης ‘Geradheit’ (Arist., LXX u. a.) und das Denominativum εὐθύνω ‘gerade machen, richten, lenken, züchtigen, bestrafen’ (Pi., att.; Schwyzer 733) mit mehreren Ablegern: εὔθυνσις ‘das Geradrichten’ (Arist. u. a.), εὐθυσμός ‘ds.’ (Ph.); εὐθυντήρ ‘Lenker, Züchtiger’ (Thgn., A., Man.) mit εὐθυντήριος ‘gerade richtend, lenkend’ (A. Pers. 764), εὐθυντηρία f. ‘Steuerlager’ (E. IT 1356), ‘Grundmauer, Sockel’ (Inschr.), -ιαῖος (Didyma); εὐθυντής = εὔθυνος (Pl. Lg. 945b, c), -τικός (Arist., D. H.). — Gewöhnlicher sind die postverbalen Fachausdrücke εὔθυνος m. ‘Revisor der Staatsverwaltung’ (Pl., Arist., Inschr. seit Va usw.), auch ‘Richter, Züchtiger’ im allg. (A., E.); εὔθυνα f. ‘öffentliche Rechenschaft(sablegung), Revision’ (att.; vgl. Solmsen Wortforsch. 256, Schwyzer 421 A. 3). I-587
εὐθυωρία (Pl., Arist., ätol., kret. u. a.), herakl. -ωρεία, ark. -ορϝία, epid. -ορία f. ‘Geradlinigkeit, gerade Richtung’, fast nur in adv. Ausdrücken wie (ἀν’, κατ’) εὐθυωρίαν, εὐθυωρίᾳ ‘in gerader Richtung, geradeswegs’; auch εὐθύωρον Adv. ‘ds.’ (X. u. a.). Ion. ἰθυωρίη (Hp.). — Ausdruck der Feldmessersprache (Geurts Mnemos. 3 : 11, 108ff.), aus εὐθύς (ἰθύς) und ὅρος, ὅρϝος ‘Grenzmarke’ als Bahuvrihi ‘mit geraden Grenzmarken, geradlinig’, bzw. als Ableitung (Zusammenbildung) auf -ία. Die Vokallänge kann auf Kompositionsdehnung beruhen, sofern nicht bei diesem geometrischen Ausdruck mit dorischem Einfluß zu rechnen ist. — Verfehlt Bechtel Dial. 1, 345: zu aw. aurva- ‘schnell’ usw.; εὐθύωρος eig. ‘geradeaus eilend’. — Vgl. zu ὅρος. I-587
Εὔιος, Εὔἱος (EM) Ben. des Dionysos, auch Adj. ‘dionysisch, bakchisch’ (S., E. u. a.) mit εὐιακός, f. εὐιάς (APu. a.), εὐιώτης, f. -τις (Lyr. Alex. u. a.); lat. LW Euhius. — Aus dem Ruf εὐαί (-αἵ), εὐοί (-οἵ) usw.; s. εὐάζω. I-588
εὔκηλος, dor. εὔκᾱλος s. ἕκηλος. I-588
εὔκολος ‘zufrieden, vergnügt’ (att.) mit εὐκολία (Pl., Plu. u. a.). S. δύσκολος. I-588
εὐκρᾱής, ἐϋκρᾱής ‘temperiert’, Beiwort von τόποι (Arist. Mete. 352a 7), von ἀήρ (Thphr. CP 1, 11, 6; 2, 3, 3), von ἔρως (Opp. H. 4, 33); aber von οὖρος, bzw. ἄνεμος ‘gut wehend’ (A. R. 2, 1228; 4, 891); auch v. l. für ἀκραής (ξ 299, Hes. Op. 594). — Aus εὐκρά̄ς (zu κεράννυμι) nach den s-Stämmen umgebildet, evtl. mit Beziehung auf ἄημι, das bei A. R. die Bedeutung beeinflußt hat. Es wurde gleichzeitig als Oppositum von ἀκρ-ᾱής ‘scharf wehend’ (eig. wohl ‘auf den Höhen wehend’), in ἀ-κρᾱής zerlegt, aufgefaßt; vgl. Marxer, Die Sprache des Ap. Rhod. in ihren Beziehungen zu Homer (Diss. Zürich 1935) 46f. — Danach δυσκρᾱής (Opp.), s. d. I-588
εὐλάκᾱ f. ‘Pflug(schar)’ (dor.). S. ἄλοξ. I-588
εὐλή fast nur pl. -αί f., ‘Maden, Raupen’ (ep. ion. seit Il., Arist. u. a.). — Für *ἐ-ϝλ-ή (Schwyzer 224), falls nicht mit Metathese aus *ϝελ-ή; vgl. zu εὐρύς. Altes Verbalnomen zu 2. εἰλέω, ἴλλω ‘drehen, winden’, also eig. ‘Windung’ bzw. ‘der sich windet’. Da sich der Ausgangspunkt nicht mehr genau feststellen läßt, sprechen wir von einer Ableitung der "Wurzel" u̯el-. — Vgl. ἕλμις. I-588
εὔληρα n. pl. ‘Zügel’ (Ψ 481, Q. S.); dor. αὔληρα (Epich. 178, H.). — Unklar εὐληρωσίων· πληγῶν H. (von *εὐλήρωσις zu *εὐληρόομαι, -όω?). — Für *ἐ-ϝληρ-ο-, *ἀ-ϝληρ-ο- (Schwyzer 224) mit Vokalprothese zu lat. lōrum ‘Riemen, Zügel’, arm. lar ‘Strick, Seil, Band’, idg. *u̯lēr-, *u̯lōr-, *u̯lər-, r-Ableitung vom primären Verb für ‘drehen, winden, flechten’ in 2. εἰλέω. Lit. bei WP. 1, 304 und W.-Hofmann s. lōrum. S. auch λῶμα. I-588
εὐμαρής ‘leicht, mühelos’ (poet. seit Alk., Pi.; auch späte Prosa). Davon εὐμάρεια (-(ε)ίη, -ία) ‘Leichtigkeit, Bequemlichkeit’ (ion. att.), εὐμαρότης ‘ds.’ (Kallistr. Soph.), εὐμαρέω ‘leichten Zugang zu etw. haben’ (B. 1, 175). — Bahuvrihi von εὖ und μάρη ‘Hand’ (s. d.) mit Anschluß an die σ-Stämme (Schwyzer 513), aber nicht besonders nach εὐχερής (Bq), das nicht zu χείρ gehört, s. δυσχερής. I-588
εὔμᾱρις, -ιδος, -ιν f. Bezeichnung eines asiatischen Schuhs oder Pantoffels aus Hirschhaut (A. und E. in lyr., AP 7, 413 [ᾰ], Poll.); εὐμᾱρίδας Akk. pl. als Attribut von ἀσκέρας, somit wohl adjektivisch (Lyk. 855). — Fremdwort unbekannter Herkunft; vgl. die fremden Schuhbezeichnungen bei Schwyzer 61; dazu Björck Alpha impurum 68. I-588-589
εὐνή f. ‘Lager’ (von Tieren und Soldaten), ‘Bett, Ehebett’, übertr. ‘Ehe’ und ‘Grab’, als nautischer Ausdruck im Plur. ‘Ankersteine’ (vorw. poet. seit Il.). Als Vorderglied in εὐνοῦχος m. "Bettschützer", ‘Kämmerer, Eunuch’ (ion. att.; zur Bed. E. Maaß RhM 74, 432ff.) mit εὐνουχίζω, -ίας u. a. Als Hinterglied u. a. in χαμαι-εύνης (zur Bildung Schwyzer 451), f. -ευνάς ‘das Lager auf dem Boden habend, auf dem nackten Boden liegend’ (Hom. usw.); auch χαμ-ευνάς ‘ds.’ (Lyk., Nonn.), als Determinativum ‘Lager auf dem Boden’ (Nil. Th. 23); in dieser Bedeutung sonst χαμ-εύνη, -α (Trag. usw.) mit χαμεύνιον (Pl. u. a.), -ευνίς (Theok.), -ευνία (Ph., Philostr. u. a.). Zahlreiche Ableitungen: εὐναῖος ‘zur εὐνή gehörig’ (Trag. usw.), εὔνια pl. = εὐνή (App.), εὐνέτης ‘Lagergenosse, Gatte’ (E. u. a.), -έτις f. (Hp., A. R.), εὐνάτας ‘ds.’ (E. Med. 159, conj.), εὖνις f. (S., E. u. a.). Zwei Denominativa. 1. εὐνάομαι, εὐνηθῆναι, -άω ‘sich lagern, zu Bett gehen, schlafen’ bzw. ‘lagern, zur Ruhe bringen’ (ep. poet. seit Il.) mit εὐνήματα pl. ‘Ehe’ (E. Ion 304; wohl nur aus εὐνή erweitert, vgl. Chantraine Formation 184ff.), εὐνήτωρ, -ά̄τωρ, -ητήρ, -ᾱτήρ = εὐνέτης (Trag.), f. εὐνήτειρα, -άτειρα, -ήτρια (Trag.), εὐνατήριον ‘Schlafzimmer’ (A.). 2. εὐνάζομαι, εὐνασθῆναι, εὐνάζω ‘ds.’ mit τὰ εὐνάσιμα ‘Schlafstätten’ (X. Kyn. 8, 4; nach ἱππάσιμος u. a., vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 48), εὐναστήρ = εὐνέτης (Lyk.), εὐνάστειρα λίθος (Opp.), εὐναστήριον = εὐνατήριον (S., E.). Einzelheiten aus der Tragikersprache bei Fraenkel Nom. ag. 2, 17, Björck Alpha impurum 139f.; dazu noch Chantraine REGr. 59-60, 227f. — Unerklärt. Von Strachan bei Fick 2, 48, Lidén IF 19, 320f. mit air. (h)uam ‘Höhle’ und aw. unā f. ‘Loch, Riß (in der Erde)’ verglichen; über weitere Versuche s. Bq s. v., WP. 1, 259 und 110, W.-Hofmann s. exuō und 1. venus. Auch arm. unim ‘haben, besitzen’ bleibt fern (wohl mit Meillet MSL 23, 276 zu heth. epmi ‘fassen, ergreifen’, lat. apīscor usw.). I-589
εὖνις, -ι(δ)ος, -ιν ‘beraubt, ermangelnd’ (ep. poet. seit Il.). — Man vergleicht einige Adjektiva, die teils mit ū̆-, teils mit u̯ā- anlauten: aind. ūná-, aw. ū̆na- ‘unzureichend, ermangelnd’, arm. unayn ‘leer’ (Anlaut mehrdeutig, auch idg. eu- möglich), lat. vānus ‘leer, eitel’, germ., z. B. got. wans ‘mangelhaft, fehlend’. Lit. bei Bq s. v., Bechtel Lex. s. v., WP. 1, 108, W.-Hofmann s. vānus. I-589
εὐνοῦχος m. ‘Kämmerer, Eunuch’ s. εὐνή. I-589
Εὔξεινος πόντος ‘das Schwarze Meer’ (Hdt., Pi. usw.). — Wahrscheinlich euphemistisch für ἄξε(ι)νος ‘ungastlich’ (vom Schwarzen Meer z. B. Pi. P. 4, 203, E. IT 348) aus dem Iranischen (Skytischen?) durch Volksetymologie, vgl. aw. axšaēna- ‘dunkelfarbig’. Vasmer Osteur. Ortsnamen (Acta Univ. Dorp. B : I 3 [1921]) 3ff., Jacobsohn KZ 54, 254ff. S. auch Allen Class. Quart. 41, 86ff.; 42, 60 gegen Moorhouse ebd. 34, 123ff.; 42, 59f., der iranische Herkunft ablehnt. I-590
εὔοχθος Beiwort von δαῖτες (B. Fr. 18, 4), βορά (E. Ion 1169), γῆ (Hom. Epigr. 7, 2), etwa ‘reich, üppig, fruchtbar’. Davon εὐοχθέω vom Menschen (Hes. Op. 477, Rhian. 1, 9) ‘reich sein, üppig leben’. — Anknüpfung an ὄχθος, ὄχθη ‘Anhöhe, steiles Ufer’ gibt keinen befriedigenden Sinn. Entweder ist εὔοχθος davon zu trennen, oder man hat von einer sonst unbekannten Bedeutung (*‘Haufen, Masse’?) auszugehen. I-590
εὐπέμπελος von der μοῖρα der Eumeniden (A. Eu. 476 οὐκ εὐπέμπελον). — Die Scholl. erinnern an δυσπέμφελος (s. d.), aber das Wort ist vielmehr (mit Dindorf Lex. Aesch. s. v.) = ‘leicht abzuweisen’, Zusammenbildung von εὖ und πέμπειν mittels des ελο-Suffixes; vgl. εὐτράπελος. I-590
εὐπετής ‘was gut (aus)fällt, günstig, bequem, leicht’ mit εὐπέτεια (ion. att.). — Von εὖ πίπτειν (eig. vom Würfel) nach den komponierten σ-Stämmen (Schwyzer 513), zunächst zum Aorist ἔπετον = ἔπεσον. — Gegensatz δυσπετής (ion., S.) mit δυσπέτημα (LXX). I-590
εὐράξ in στῆ δ’ εὐράξ (Λ 251, Ο 541) Bed. unsicher, vielleicht ‘er trat an die Seite, in die Nähe, hinzu’; außerdem Lyk. 920 εὐρὰξ ’Αλαίου Παταρέως ἀνακτόρων ‘in der Nähe des Tempels des ’Α. Π.’; als Interj. Ar. Av. 1258 εὐράξ, πατάξ. — Nicht sicher erklärt. Zur Bildung vgl. λάξ, ὀδάξ, μουνάξ, διαμπάξ u. a. (Schwyzer 620). Von alten und neueren Erklärern (so noch Stolz IF 18, 460f.) zu εὐρύς gezogen und als ‘ἐκ πλαγίου’ (z. B. H.) erklärt. Nach Bq mit Meister Herodas 749 dagegen als δὲ ϝράξ zu lesen und als ‘en heurtant’ zu verstehen, von ῥάττειν, ῥάσσειν, ῥήσσειν ‘anstoßen, schlagen’; zur Bed. vgl. ἴκταρ ‘nahe, bei’ und dort angeführte Parallelfälle. I-590
εὔρῑπος m. ‘Meerenge’ (X., Arist.); insbes. die Meerenge zwischen Euböa und Böotien (h. Ap. 222, Hdt. usw.); später auch ‘Kanal’ im allg. (D. H. u. a.); ‘Ventilator, Wedel’ (Gal. 10, 649). Davon εὐριπώδης ‘einer Meerenge od. dem Euripos ähnlich’ usw. (Arist.); εὐριπίδης N. eines Windes, der aus dem Euripos weht (E. Maaß KZ 41, 204 nach H. s. ++ ἄντος), auch PN; εὐριπική (σχοῖνος Dsk., Plin.); Εὐρίπιος· Ποσειδῶν H. — Eig. ‘mit starker Strömung’, von εὖ und ῥιπή (Fick BB 22, 11). Offenbar war das Wort ursprünglich Benennung der wegen ihrer starken Wasser- und Windströmungen bekannten Meerenge zwischen Euböa und Böotien; es wurde aber davon auf andere Meerengen übertragen, zuletzt auch als Appellativum benutzt; vgl. die ganz ähnliche Bedeutungsentwicklung bei δέλτα. Nicht mit Pedersen Studi baltici 4, 152 und Hofmann Et. Wb. d. Gr. zu lit. siaũras ‘Enge’ und dem idg. Wort für ‘Wasser’, *ā̆p-; s. Fraenkel Gnomon 22, 237. Ältere Deutungen bei Bq. Nach Sommer IF 55, 185 A. 1 vorgriechisch (wie Εὐρώπη, Εὐρώτας). — Im Sinn von ‘Ventilator, Wedel’ bei Gal. ist wohl εὔριπος am ehesten als ein Homonym (zu ῥιπή im Sinn von ‘Windstoß’) anzusehen. I-590-591
εὑρίσκω (seit τ 158), Aor. εὑρεῖν, Ind. εὗρον (seit Il.; später auch ηὗρον), Fut. εὑρήσω (h. Merc. 302, ion. att.), Perf. εὕρηκα, -ημαι (ηὕρ-), Aor. Pass. εὑρεθῆναι mit dem Fut. εὑρεθήσομαι (alles ion. att.) ‘finden’; oft mit Präfix, z. B. ἀν-, ἐξ-, ἐφ-. Als Vorderglied εὑρησι- (später εὑρεσι-) in εὑρησι-επής ‘der ἔπη ausfindet, epischer Dichter’ (Pi.), εὑρησι-λογέω ‘Gründe erfinden, Ausflüchte machen’ und -λογία ‘Fähigkeit, Gründe zu erfinden, Eristik, leere Wortmacherei’ (hell. und spät; nach den Kompp. auf -λογέω, -λογία, vgl. Schwyzer 726; zur Bedeutung Zucker Philol. 82, 256ff.); dazu εὑρησί-λογος (Corn. u. a.). Ableitungen, auch von den Präfixkompp. (nicht besonders notiert): εὕρημα, später εὕρεμα (Schwyzer 523) ‘Fund’ (ion. att.), εὕρεσις ‘Erfindung’ (ion. att.; εὕρησις Apollod.; vgl. Fraenkel 1, 187 A. 1); εὕρετρα pl. ‘Finderlohn’ (Ulp.); εὑρετής ‘Erfinder’ (att.) mitf. εὑρετίς, -έτις (S. Fr. 101 [unsicher], D. S.); auch εὑρέτρια (D. S., Pap.; Chantraine Formation 104ff., Schwyzer 475 m. Lit.); Εὑρέσιος Bein. d. Ζεύς = Iupiter Inventor (D. H.; nach ‘Ικέσιος u. a.); εὑρετικός ‘erfinderisch’ (Pl. u. a.), εὑρετός ‘zu finden’ (Hp., S. u. a.). — Schon die ursprünglich konfektive Bedeutung von εὑρίσκειν gibt an die Hand, daß unter den verschiedenen Formen des Paradigmas der Aorist den stärksten Anspruch auf Altertümlichkeit erheben kann. Neben dem Aorist stand wahrscheinlich ein ebenfalls altes Perfektum, dessen Fortsetzer in εὕρη-κα vorliegt. Danach wiederum εὑρήσω; als letztes Glied der Reihe trat endlich (neben εὑρεθῆναι) das Präsens εὑρίσκειν (mit unbekannter Quantität des ι) hinzu, das somit als Neubildung zu verstehen ist und keinen alten Ablaut εὑρῑ- : εὑρηι- beweist. — Der Aorist εὑρεῖν kann als thematische Wurzelbildung für *ἐ-ϝρεῖν stehen, wobei ἐ- entweder prothetisch ist oder aus dem Ind. *ἔ-ϝρ-ον (für *ἠ-ϝρ-ον?) stammt; dazu sekundäre Aspiration nach ἑλεῖν u. a.? Oder es handelt sich um einen reduplizierten Aorist *ϝε-ϝρεῖνmit dissimilatorischem Schwund des anlautenden ϝ- und sekundärem Hauch. — Eine reduplizierte Bildung erscheint auch im air. Präteritum -fuar ‘ich fand’ aus idg. *u̯e-u̯r- (Präs. fo-gabim); daneben das Pass. -frīth ‘inventum est’, das als idg. *u̯rē-to- zu *ϝρη- in -ϝέ-ϝρη-κα (> εὕρηκα) stimmt. Auch in aksl. ob-rětъ ‘ich fand’ ist idg. *u̯rē-t- vermutet worden. — Ein hochstufiges u̯er- ist in arm. gerem (sek. Aorist gerec̣i) ‘gefangen nehmen’ erhalten; eine schwachstufige u-Erweiterung, idg. *u̯r̥ru-, kann in ἀρύω ‘schöpfen’ (s. d.) vorliegen. — Lit. bei Schwyzer 709 A. 2 und WP. 1, 280. — Kronasser Studies Whatmough 124 will in heth. urki- ‘Spur’ eine Gutturalerweiterung finden. I-591-592
Εὖρος m. ‘der Südostwind’ (Hom., Arist. usw.). — Zweifelnde Vermutung bei Curtius 398: aus *εὖσ-ρο-ς zu εὕω ‘sengen’; Lenis nach αὔρα (Sommer Lautstud. 36)? Anders Wood Lang. 3, 184. — Als Vorderglied in εὐρ-ακύλων (ἄνεμος τυφωνικός, ὁ καλούμενος εὐρακύλων Act. Ap. 27, 14), von lat. aquilō ‘Norddrittelostwind’, um einen Wind zu bezeichnen, der zwischen εὖρος und aquilo liegt; lat. (Vulg.) euroaquilo. I-592
εὐρυάγυια f. ‘mit breiten Straßen’, von Städten, z. B. Τροίη, Μυκήνη (Hom.), von χθών (h. Cer. 16); auch von δίκα (Terp. 6). — An der letztgenannten Stelle nach Schulze Q. 326 A. 3 zu ἔρυμαι ‘schützen’: ‘die die Straßen schützt’ (vgl. Εὐρύ-λεως s. ἔρυμαι); geistreich aber nicht notwendig. I-592
Εὐρυβάλινδος · ὁ Διόνυσος H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 30f. zu dem kleinasiat. βαλ(λ)ήν ‘Konig’ (s. d.); v. Windekens Le Pélasgique 80ff., wo weitere Lit., verbindet es mit βόλινθος ‘Wisent (?)’. I-592
εὐρυόδεια f. ‘mit breiten Wegen’, nur in ἀπὸ χθονὸς εὐρυοδείης (Hom., immer am Versende); — für *εὐρύ-οδος, metri causa nach den Fem. auf -εια erweitert. — Schulze Q. 487f., dem Bechtel Lex. s. v. zustimmt, will dafür εὐρυ-εδείης ‘mit weiten Wohnsitzen’ (ἕδος) lesen mit Berufung auf Simon. 5, 17 εὐρυεδοῦς ... χθονός. I-592
εὐρύοπα urspr. Akk., Beiwort von Ζῆν (Κρονίδην), danach auch im Nom. und Vok. εὐρύοπα Ζεύς, Ζεῦ (ep. poet. seit Il.), später von κῆρυξ, κέλαδος, ἥλιος; wahrscheinlich Bahuvrihi von (ὄψ), ὄπα ‘mit weitrechender Stimme, weitdonnernd’; evtl. Zusammenbildung von ὄψομαι, ὄπωπα ‘weitschauend’. — Zur Bildung Debrunner IF 45, 188ff., Leumann Hom. Wörter 24, Chantraine Gramm. hom. 1, 200; zur Bedeutung Bechtel Lex. s. v. mit Lit. I-592
εὐρύς ep. Akk. auch -έα (analogisch und metrisch) ‘breit, weit, geräumig’ (seit Il.). Sehr oft als Vorderglied (zu εὐρυάγυια u. a. s. bes.). Davon εὐρύτης ‘Breite, Weite’ (Hp.) und das denominative εὐρύ̄νω ‘breit, weit machen’ (seit θ 260; zur Bildung Schwyzer 733). — Daneben εὖρος n. ‘Breite, Weite’ (seit λ 312), als Hinterglied in ἰσο-ευρής ‘mit gleicher Breite’ (Phot.). — Von aind. urú-, aw. vouru- ‘breit’, aind. váras- n. ‘Breite’ unterscheiden sich εὐρύς und εὖρος nur im Anlaut. Auszugehen ist von idg. *u̯r̥rú-s, *u̯éros-, die eigentlich gr. *ϝαρύς, *ϝέρος hätten ergeben müssen; vgl. βαρύς = aind. gurú-, aw. gouru-. Entweder enthält εὐρύς ein prothetisches schwundstufiges *ἐ-ϝρύ-ς (vgl. aw. uru- in urv-āp- ‘mit weitem Wasser’ aus *u̯ru-); oder es steht mit Metathese für ein sekundär hochstufiges *ϝερύς (nach dem primären Komparativ, aind. várī-yān ‘breiter’); auch εὖρος gegenüber aind. váras- läßt sich so erklären, falls nicht sekundär zu εὐρύς (vgl. βάρος, βάθος, τάχος usw.). Unklar ist die Grundform von toch. A wärts, B aurtse ‘breit’ (-ts(e) suffixal). — Lit. bei Schwyzer 412 A. 1; s. auch 224 A. 2 und Fraenkel IF 50, 11. Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 285. I-592-593
Εὐρυσθεύς m. König in Mykene, S. des Sthenelos und Enkel des Perseus (seit Il.). — Kurzform für Εὐρυ-σθένης (Hdt. usw.; εὐρυ-σθενής Beiwort des Poseidon u. a. seit Il.); vgl. den Vaternamen Σθένελος. Einzelheiten bei Boßhardt Die Nom. auf -ευς 124. I-593
Εὐρώπη f. 1. Tochter des Phoinix (oder des Agenor) und der Telephaëssa, von Zeus in Tiergestalt nach Kreta entführt (Hes. Th. 357, Hdt. usw.); 2. geographischer Begriff, zuerst als Bezeichnung des Festlandes gegenüber Halbinseln (z. B. dem Peloponnes) und Inseln, dann als Erdteil im Gegensatz zu Kleinasien und Libyen (h. Ap. 251, Pi. N. 4, 70, A. Fr. 191, Hdt. usw.). Von 2. Εὐρωπήϊος (Hdt.), -παῖος (D. H.), -πειος (D. P.). — Unerklärt. Da die Sage von Europa und dem Stier in die mykenische Zeit hinaufzuragen scheint (vgl. Nilsson Gr. Rel. 1, 356 A. 1), liegt es nahe, auch den Namen als vorgriechisch zu betrachten (so z. B. Sommer IF 55, 185 A. 1). Indogerm. Etymologien in P.-W. s. v., 6, 1287ff., und bei Lewy Fremdw. 139f.; zuletzt bei Aly Glotta 5, 63ff. (von εὐρώς und ὤψ; im Sachlichen nicht überzeugend). Semitische Erklärung bei Lewy a. a. O. und bei Grimme Glotta 14, 17 (assyr. êrêb šamši ‘Untergang der Sonne’, aram. hebr. ‘ərā̊b ‘ds.’). I-593
εὐρώς, -ῶτος m. ‘Schimmel, Moder’, auch ‘Rost’? (Thgn., Simon., B. usw.); zur Bed. Aly Glotta 5, 63ff. Davon εὐρώεις ‘schimmelig, moderig’ Beiwort der Unterwelt (Hom., Hes. usw.), auch von πηλός (Opp.); εὐρωτιάω ‘schimmelig sein, vermodern’ (Ar., Thphr. u. a.). — Bildung wie ἱδρώς, γέλως, ἔρως usw., somit wahrscheinlich ebenfalls ursprünglicher s-Stamm (Schwyzer 514); die τ-Formen sind erst im Attischen nachweisbar. Eine befriedigende Etymologie ist noch nicht gefunden. Von Brugmann Griech. Gramm.3 197 A. 2 und Solmsen Unt. 123 A. 1 als *ἐ-ϝρ-ώς "Hülle(r), Decke(r)" zu aind. vr̥ṇóti ‘verhüllen, bedecken’, várṇa- ‘Farbe’ usw. (WP. 1, 280f.) gezogen; nach Thieme Studien 59 A. 2 dagegen als *ἐ-ϝρώδ-ς "Nager" zu lat. rōdere ‘nagen’. — Das mehrfach überlieferte εὐρώεις (darüber Schwyzer 527, Chantraine Formation 274) mit Schulze Q. 475f. in ἠερόεις zu ändern, liegt kein Grund vor; s. die überzeugenden Bemerkungen Solmsens, Unt. 121f.; noch weniger empfiehlt sich die Deutung ‘reich an Seelen, von Seelen bevölkert’, zu aw. urvan- ‘Seele’, urvarā ‘Pflanzen’ (Thieme 59ff.); vgl. Mayrhofer Arb. Inst. Sprachw. 4, 53. I-593-594
ἐύς, auch ἠΰς, ἠΰ (s. unten), Gen. sg. ἐῆος, ἑ-, Gen. pl. n. ἐά̄ων (am Versende, z. B. δωτῆρες ἐάων θ 325) ‘gut, wacker, (im Kriege) tüchtig’ (ep. seit Il.), nur auf Männer bezogen, nie im Fem. (s. Treu Von Homer zur Lyrik 37ff. m. Lit.); ntr. ἐΰ, εὖ ‘gut’ (A.,E. u. a.), gewöhnlich als Adverb ‘wohl’ (seit Il.). Sehr oft als Vorderglied, sowohl adjektivisch wie adverbiell. Ableitung ἐυτής (cod. ἐητής)· ἀγαθότης H.; zum Akzent Wackernagel-Debrunner Philol. 95, 177. — Zu bemerken noch ἠέα· αγαθά H. — Die griechischen Formen bieten mehrere Einzelprobleme. Da für ἠΰς neben ἐΰς alter Ablaut (Schulze Q. 33ff.) äußerst unwahrscheinlich ist, liegt es unzweifelhaft am nächsten, die Form mit der Metrik zu verknüpfen (ἠΰς fast immer in versschließenden Ausdrücken; Schwyzer IF 38, 159ff.); analogische Einführung aus gewissen Komposita, z. B. ἠΰ-κομος, wo metrische Dehnung notwendig war, ist gewiß möglich (vgl. Leumann Hom. Wörter 317A. 107). Metrische Dehnung kann auch vermutet werden in ἐῆος für *ἐέος; gewöhnlich scheint aber ἑῆος (so meistens die Hss.) für *ἑῆο = *ἑεῖο, *ἑέο ‘sui’, von ἕ, ἑέ ‘se’ (s. d.), zu stehen; vgl. ἐμεῖο = ἐμέο von ἐμέ. Der Gen. pl. ἐάων ist wahrscheinlich von ionischen Sängern für *ἐέων eingeführt worden, weil sie gewohnt waren, im epischen Dichten -έων als Endung des Gen. pl. in der 1. Dekl. durch -άων zu ersetzen. — Zum Vergleich eignet sich einerseits heth. aššuš ‘gut, zweckmäßig, angenehm’, n. ‘Gut, Besitz, Heil’ (Friedrich IF 41, 370ff.; dazu noch hier.-heth. wa-su(-u) mit w-Vorschlag?; Kronasser Μνημης χάριν 1, 201), einerseits aind. vásu-, aw. vohu- ‘gut’, wozu noch gallische EN wie Bello-vesus und ir. feb f. ‘Vortrefflichkeit’ (idg. *u̯esu̯-ā), außerdem illyr. Gen. Ves-cleveses (vgl. Εὐ-κλέης, aind. vásu- śravas-). Für die letztere Alternative spricht unleugbar die weitere Verbreitung von idg. *u̯esu-; außerdem hat der Ausdruck δωτῆρες, δῶτορ ἐάων (rituelle Formel?, Shipp Studies 24) ein Gegenstück in aind. dātā́ vásūnām (woneben dā́tā vásu [Akk.]; danach δῶτορ *ἐέα?; Schwyzer IF 38, 159ff.). Immerhin fehlen sichere Spuren des Digamma (ἕτερος δὲ ἐάων Ω 528 ist jung). Natürlich ist auch mit griech. Zusammenfall von idg. *esu- und *u̯esu- zu rechnen. — Lit. bei Schwyzer 432 A. 8, 433 A. 1, 476 : 7, 574 κ; außerdem Chantraine Gramm. hom. 1, 201; 254; 274. Ältere Lit. bei Bq; dazu WP. 1, 161 und 310. — S. auch ὑγιής. I-594-595
εὐσωπία · ἡσυχία H. — Für *εὐ-σιωπ-ία; vgl. σωπάω (Pi.) = σιωπάω. Nicht mit v. Blumenthal Hesychst. 36 zu lat. sōpiō. I-595
εὖτε temporale Konjunktion ‘(sobald) als’, selten kausal ‘weil’ (ep. poet. seit Il., auch Hdt., wohl nach dem Epos; Schwyzer-Debrunner 660 A. 3, Leumann Hom. Wörter 306; zum Gebrauch bei Homer Bolling Lang. 31, 223ff.); auch komparatives Adverb ‘wie’, s. ἠΰτε. — Vielleicht mit Debrunner IF 45, 185ff. ursprünglich parataktisch exklamativ εὖ τε ‘und richtig!’. Nach Brugmann (s. Grundr.2 2 : 2, 731f.) aus ἠ oder εἰ und *υτε; s. ἠΰτε. I-595
εὐτράπελος ‘gewandt, witzig’ mit εὐτραπελία ‘Gewandtheit, witziges Wesen’ (att. hell. u. spät); denominatives Verb εὐτραπελεύομαι ‘gewandt, witzig sein’ (Plb., D. S.); auch -ίζομαι = lat. iocor (Dosith.) mit -ισμός (Et. Gud.). — Eig. ‘sich leicht wendend’, Zusammenbildung aus εὖ und τραπεῖν, -έσθαι mittels des λο-Suffixes (Schwyzer 483f., Chantraine Formation 243). Vgl. εὐτρόχαλος und εὐπέμπελος. I-595
εὐτρόχαλος s. τρέχω. I-595
εὐφρόνη poet. u. ion. f. Wort für ‘Nacht’ (Hes. Op. 560, Pi., A., Heraklit., Hdt., Hp. usw.); davon das Patronymikon Εὐφρονίδης (Epigr. Gr. 1029, 6, Kios). — Eig. ‘die Wohlwollende’ ("die Wohlwollerin"), personifizierende Substantivierung von εὔφρων; vgl. ‘Ηγεμόνη Bein. der Artemis (Kall. u. a.) und EN wie ’Ηριγόνη, ’Ηπιόνη; auch Μναμόνα (Ar. Lys. 1248) für Μνημοσύνη; δυσφρονέων (Gen. pl.) v. l. für -οσυνέων Hes. Th. 102. Vgl. Sommer Nominalkomp. 145 m. A. 1, wo die Auffassung Bechtels (Dial. 3, 299; danach Schwyzer 461, 490 und 529), εύφρόνη sei aus εὐφροσύνη gekürzt, mit Recht abgelehnt wird. — Weiteres s. φρήν. I-595
εὔχομαι, Aor. εὔξασθαι, Prät. εὖκτο (s. unten) 1. ‘laut verkünden, sich rühmen, prahlen’ (ep. poet. seit Il.); 2. ‘feierlich geloben’ (ep. poet. seit Il.; auch z. B. Pl. Ph. 58b); 3. ‘flehen, beten’ (ion. att. seit Il.); oft mit Präfix, ἀπ-, ἐπ-, κατ-, προσ-, συν- u. a.; myk. e-u-ke-to (= εὔχεται), ‘erklären’. Ableitungen. 1. εὖχος ‘Ruhm’ (vgl. κλέος), vereinzelt und sekundär ‘Erfüllung eines Gebets, Erhörung’ (poet., vorw. Il.); 2. εὐχωλή ‘Verkündigung, Jubelruf, das Rühmen, Prahlerei, Gelübde, Gebet’ (vorw. ep. ion. seit Il.; auch ark. kypr., Bechtel Dial. 1, 391 und 447) mit εὐχωλιμαῖος ‘von einem Gelübde gebunden’ (Hdt. 2, 63; vgl. Chantraine Formation 49, Mélanges Maspero II 221); 3. εὐχή ‘Gelübde, Gebet’ (seit κ 526); 4. εὔγματα pl. ‘Prahlereien’ (χ 249), ‘Gelübde, Gebete’ (Trag., Kall.); vgl. ῥήματα; 5. πρόσ-ευξις ‘Gebet’ (Orph.). Verbaladj. εὐκτός ‘rühmlich’ (Ξ 98 εὐκτά n. pl.), ‘erfleht, erwünscht’ (att.); dazu ἀπ-ευκτός, πολύ-ευκτος (A. usw.); auch ἀπ-, πολυ-εύχετος (A., h. Cer. usw.) mit Anschluß an das Präsens; εὐκταῖος ‘ein Gelübde, ein Gebet enthaltend’ (Trag. usw.); εὐκτικός ‘zum Gelübde, Gebet, Wunsch gehörig’, ἡ εὐκτική (ἔγκλισις) = (modus) optativus (hell. u. spät); εὐκτήριος ‘zum Gebet gehörig’, -ιον n. ‘Gebetshaus’ (Just. usw.); zu -τικός : -τήριος Chantraine Formation 13. — Mehrdeutig ist das Vorderglied in Εὐχ-ήνωρ (Ν 663 usw.), s. Sommer Nominalkomp. 175. — Erweiterte Formen des Präsensstammes εὐχετόωντο, -τάασθαι = εὔχοντο, -εσθαι (ep. seit Il.); Erklärung strittig, s. Leumann Hom. Wörter 182ff. mit ausführlicher Behandlung, Chantraine Gramm. hom. 1, 358. — Zu εὖχος, εὐχή, εὐχωλή usw. s. Porzig Satzinhalte 231f., 235, Chantraine Formation 183, 418f.; außerdem G. Steinkopf Unters. zu d. Geschichte d. Ruhmes bei d. Griech. Diss. Halle 1937, M. Greindl Κλέος, κῦδος, εὖχος, τιμή, φάτις, δόξα. Diss. München 1938. — Das thematische Wurzelpräsens εὔχομαι ist mit aw. aoǰaite ‘feierlich verkünden, anrufen’, aind. óhate ‘sich rühmen, prahlen, loben’ identisch, idg. *éughetai oder *éugu̯hetai (mit gu̯h > χ nach υ); offenbar ein alter Ausdruck der religiösen Sprache. Daneben das athematische Präteritum 3. sg. εὖκτο (Thebaïs Fr. 3) = g. aw. aogədā, j. aw. aoxta; auch 1. sg. εὔγμην (S. Tr. 610)?; s. die Lit. bei Schwyzer 679 A. 6. — Gegenüber eugh- oder eugu̯h- in εὔχεται steht in lat. voveō ‘feierlich versprechen, erflehen’, aind. vāghát- ‘der Gelobende, Beter’ u. a. idg. u̯egu̯h-; semantisch abweichend bzw. lautlich mehrdeutig sind arm. uzem ‘ich will’, y-uzem ‘ich suche’, gog ‘sage!’. — Ältere und weitere Lit. bei Bq, WP. 1, 110, W.-Hofmann s. voveō. I-595-596
εὕω, Aor. εὗσαι, auch mit Präfix ἀφ-, ἐφ-, ‘sengen’ (seit Il.). Wenige und spärlich belegte Ableitungen: εὕστρα (εὔσ-) f. ‘Senggrube’ (Ar. Eq. 1236), ‘geröstete Ährenkörner’ (PTeb. IIIa), ‘geröstete Gerste’ (Paus. Gr.); εὐστόν (εὑσ-) n. ‘gesengtes Opfertier’ (Miletos IV-IIIa); εὔσανα = ἐγκαύματα (Poll., H.). Sehr unsicher Εὖρος, s. d. — Altes Verb, das indessen im Griechischen von καίω zurückgedrängt wurde und wie andere Verba mit ευ-Diphthong (s. γεύομαι) den Ablaut einbüßte. Das thematische Wurzelpräsens εὕω ist offenbar mit lat. ūrō ‘(ver)brennen, ausdörren’, aind. óṣati ‘brennen’ identisch; es steht also mit Hauchmetathese für *εὔhω aus idg. *éus-ō (vgl. Schwyzer 219). Das -σ- kommt in εὐσ-τόν (mit sekundärer Hochstufe gegenüber aind. uṣ-tá- = lat. us-tus ‘gebrannt’) und in εὕσ-τρα (mit analogischem Hauch; zum τρᾱ-Suffix vgl. Schwyzer 532, Chantraine Formation 333) zum Vorschein und wurde von dort aus auf εὔσ-ανα übertragen (Stang Symb. Oslo. 2, 66). Auch sonst gibt es in mehreren Sprachen Ableger dieses Verbs (z. B. die schwundstufige german. l-Ableitung in awno. usli m., mhd. usel(e) f. ‘glühende Asche’), die aber für das Griechische ohne Belang sind; s., außer Bq, WP. 1, 111f., Pok. 347f., W.-Hofmann s. ūrō. I-596-597
εὐώνυμος ‘von gutem Namen, von gutem Ruf, berühmt’ (Hes. Th. 409, Pi., Pl. u. a.); ‘links’ (Ephesos VI-Va u. a.); τὸ εὐώνυμον (κέρας) = ‘der linke Flügel’ (Hdt., Th., X.). — Euphemistischer Ersatz der älteren σκαιός, λαιός, auch ἀριστερός; s. Chantraine Μνήμης χάριν 1, 61ff. — Vgl. ὄνομα. I-597
εὐωχέω, -έομαι, Aor. -ῆσαι, -ηθῆναι, -ήσασθαι ‘gut bewirten’, Med.-Pass. ‘sich sättigen, schmausen, gut bewirtet werden’ mit εὐωχία ‘das Bewirten, das Schmausen’ (ion. att.); συνευωχέομαι ‘zusammen schmausen’ (Arist. usw.). Danach δυσωχεῖν· δυσχεραίνειν H. Dehnstufiges Deverbativum vom intr. εὖ ἔχω ‘ich befinde mich wohl’ mit kausativer Bedeutung (vgl. Schwyzer 720). — Weil dieser Ausdruck als eine Einheit aufgefaßt wurde, trat bei dem abgeleiteten εὐωχέω auch eine grammatische Univerbierung ein; dabei konnten Bildungen wie εὐπορέω (von εὔπορος) als Vorbilder dienen. I-597
ἐφέται m. pl. 1. ‘Befehlshaber’ (A. Pers. 79 [lyr.]); gewöhnlich 2. Benennung eines Richterkollegiums in Athen (att.). Davon ἐφετμή, meist im Plur. ‘Befehl, Gebot’ (ep. poet. seit Il.); vgl. ἐρέτης : ἐρετμόν und Schwyzer 493, Chantraine Formation 149; auch Brugmann Grundr.2 2 : 1, 254 und Porzig Satzinhalte 85. — Im Sinn von ‘Befehlshaber’ von ἐφίεμαι ‘auftragen, befehlen’; als richterlicher Ausdruck wohl von ἐφίημι = ‘etw. über jmdn. verhängen’. Ältere, verfehlte Deutungen bei Bq. I-597
ἔφηλις, -ίς, Gen. -ιδος, -ίδος, pl. auch -εις, ion. ἔπηλις (nach Hdn. Gr. 1, 91 barytoniert), -ιδος f. technischer Ausdruck unsicherer Bedeutung, etwa ‘Nietnagel’?; nach H. ἐφήλιδες· περόναι, ἔπηλις· τὸ πῶμα τῆς λάρνακος (S. Fr. 1046, hell.); gewöhnlich übertr. als Benennung eines Ausschlags (Nik.), in dieser Bed. meistens im Plur. (Hp., Thphr., Dsk. u. a.), auch als ‘Sommersprossen’ erklärt und mit ἥλιος sekundär verbunden (= αἱ τοῦ ἡλίου ἐπικαύσεις H.). — Zum ι(δ)-Stamm s. Schwyzer 450, 464f., Chantraine Formation 113f. — Wegen der unklaren Bedeutung morphologisch mehrdeutig. Prinzipiell sind drei, oder sogar vier Erklärungen möglich. 1. Als Hypostase von ἐφ’ἥλου (ὤν): a) ‘was auf einem ἧλος (‘Nagel, Pflock’) befindlich ist’; b) ‘oberer (Teil eines) ἧλος’. 2. Bahuvrihi: ‘mit einem ἧλος versehen’. 3. Postverbal von ἐφηλοῦν ‘annageln, festmachen’: ‘das Angenagelte, Festgenagelte’; vgl. ἔφηλος· ὁ ἡλωμένος Suid. S. auch zu ἔφηλος. I-598
ἔφηλος Adj. ‘mit einem ἧλος versehen’, von Menschen (und Augen?), die an einer gewissen Augenkrankheit leiden (LXX, Kall. Fr. anon. 106, Ael.); davon ἐφηλότης f. N. der betreffenden Krankheit (S. E.). — Von ἧλος im Sinn von ‘warzenähnlicher Auswuchs, Schwiele o. ä.’; vgl. Strömberg Wortstudien 93, Forster ’Επίχρυσος 44; dazu H.: ἔφηλος· ... ἐφήλιδας ὡς ἥλους ἔχων εἰς τὴν ὄψιν (die Glosse ist teilweise verdorben). Vgl. ἔφηλις. I-598
ἐφιάλτης, -ου — Keine annehmbare Etymologie. Schon von den Alten wurde die Benennung des Alpdrucks, die offenbar als ursprünglicher Dämonenname mit dem mythischen Namen identisch ist (vgl. Nilsson Gr. Rel. 1, 226), mit ἐφάλλομαι ‘auf jmdn. zuspringen’ verknüpft; vgl. ἐφιάλτης· ὁ ἐπιπηδῶν H. und Fraenkel Nom. ag. 1, 33A. 1. Die Erklärung, die lautlich nicht glatt ist (Leumann Hom. Wörter 80 A. 45; s. auch Schwyzer-Debrunner 465 A. 9 mit abweichender Auffassung), muß als Volksetymologie betrachtet werden. Die Vermutung Leumanns a. a. O. (mit Meister Dial. 1, 117), ἐφιάλτης wäre aus >ἠπίαλος Ben. eines Fiebers über ἐπίαλος, ἐπιάλτης nach ἐφάλλομαι volksetymologisch umgestaltet, ist indessen wegen der abweichenden Bedeutung wenig glaubhaft. Den PN ’Εφιάλτης will Leumann vom Dämonennamen trennen und auf ἐπ-ιάλλειν beziehen. — Die Form ἠπιάλης, -όλης beruht auf Vermischung mit ἠπίαλος, s. d. Andere volksetymologische Umbildungen (ἐφέλης, ἐπωφέλης usw.) bei H. s. ἐπιάλης; ungenügende Erklärungsversuche von Fick KZ 45, 56f. (s. auch Bechtel Dial. 1, 120 und M. Schmidt zur H.-stelle). auch ἐπιάλτης (Alk. bei Eust. 1687, 52); in derselben Bedeutung auch ἠπιάλης, Akk. -ητα (Sophr.), ἠπιόλης (Hdn. Gr.). Myk. E-pi-ja-ta? m. (Phryn. Kom., Dsk. u. a.), ‘Alpdruck’; — ’Εφιάλτης (’Επι-) 1. mythischer EN, Sohn des Aloeus (od. des Poseidon) und der Iphimedeia, wegen seiner ungeheuren Größe und Stärke berühmt (Ε 385, λ 308, Pi. P. 4, 89); 2. PN (Hdt. usw.). Davon ἐφιαλτικός ‘von Alpdruck leidend’ (Mediz.) und die Pflanzennamen ἐφιάλτιον, -τία (Ps.-Dsk., Aët. u. a.; wegen des prophylaktischen Gebrauchs, Strömberg Pflanzennamen 90). I-598-599
ἐχεπευκής Beiwort von βέλος (Α 51, Δ 129), von σμύρνα bzw. ῥίζα (Nik. Th. 600 und 866), von ἀϋτμή (Orph. L. 475). Daneben περιπευκής (Λ 845), ebenfalls von βέλος, und ἐμπευκής (Nik. Al. 202), von ὀπός. — Verbales Rektionskompositum (Schwyzer 441) von ἔχειν und einem Nomen, das zunächst als *πεῦκος anzusetzen ist, aber auch einer anderen Stammklasse angehören könnte (Schwyzer 513; vgl. auch Chantraine Formation 426). Es hat jedenfalls in πεύκη ebenso wie in πευκεδανός und πευκάλιμος nahe Verwandte. Die u. a. von Eust. angegebene Bedeutung ‘bitter’, die auch bei Nik. zutage tritt, ist offenbar aus ‘scharf, stechend’ o. ä. übertragen. Eig. Bedeutung von ἐχε-πευκής somit wahrscheinlich ‘mit einer Spitze versehen’; außergriechische Beziehungen s. πεύκη. — Ältere Deutungen bei Bq; s. auch Bechtel Lex. s. v. m. Lit. Verfehlt Sturtevant ClassPhil. 3, 435ff. I-599
ἐχέτλη f. ‘Pflugsterz, Pflug’ (Hes. Op. 467, A. R., D. S. u. a.); nach H. auch ‘Pflugeisen’ und ‘Furche’ (καὶ ἡ αὖλαξ καὶ ἡ σπάθη τοῦ ἀρότρου). Davon ἐχετλήεις ‘zum Pflugsterz gehörig’ (AP), ἐχετλεύειν· ἀροτριᾶν H. — Für sich steht ἐχέτλιον etwa ‘Fischbehälter’ (Nik. Th. 825). Verbalnomen von ἔχειν, aus *ἐχέ-θλη dissimiliert (vgl. γενέ-θλη u. a.; Chantraine Formation 375, Schwyzer 262 und 533). — Ein keltisches Wort für ‘Pflugsterz’, kymr. haeddel, mbret. haezl, weicht nur im Vokalismus ab (urkelt. *sagedlā, aus idg. *seĝhedhlā?, s. Pedersen Vergl. Gramm. 1, 39). — Die ιο- Ableitung ἐχέτλιον setzt eine unabhängige Bedeutungsentwicklung des zugrundeliegenden Verbalnomens voraus. I-599
ἐχθές ‘gestern’ s. χθές. I-599
ἐχθοδοπέω nur im Aor. ἐχθοδοπῆσαι (Α 518) ‘sich bei jmdm. verhaßt machen, mit jmdm. verfeinden’; daneben ἐχθοδοπός ‘verhaßt, feindselig’ (S. u. Ar. in lyr. u. a.). — Der Bildung nach an οἰνοχοέω usw. erinnernd (Schwyzer 726), scheint ἐχθοδοπέω ein Nomen ἐχθοδοπός vorauszusetzen, das, obwohl tatsächlich vorhanden, wegen des späteren Erscheinens eher als postverbale Wiederbelebung des verschollenen Grundwortes zu betrachten ist. Wenn für ἐχθοδαπός (Pergam. IIp; hier wohl Neubildung für ἐχθοδοπός; unbefriedigend s. ἐκτός) stehend (äolisch?), ist es mit ποδαπός, ἀλλοδαπός u. a. zu vergleichen. Grundwort somit ἐχθός ‘draußen’, ἐχθο-δοπός eig. ‘draußen befindlich, fremd’, ἐχθοδοπέω eig. ‘sich jmdm. entfremden’? Vgl. Leumann Hom. Wörter 158 A. 1 m. Lit.; s. auch ἔχθος. — Bechtel Lex. s. v. vergleicht κυδοιδοπᾶν (Ar. Pax 1152, Nu. 616) ‘Verwirrung machen’ und setzt, wenig überzeugend, ein Verb *depō unbekannter Bedeutung an. I-599-600
ἔχθος n. ‘Haß, Groll’ (ep. poet. seit Il., auch Hdt., Th. u. a.). Als Hinterglied in φιλ-εχθής ‘der zum Haß neigt’ (Theok. 5, 137), gewöhnlich eher mit ἔχθομαι, ἀπ-εχθάνομαι zu verbinden, so sicher in ἀπεχθής, s. unten. Daneben ἐχθρός ‘verhaßt’ (so immer Hom.), ‘gehäßig, verfeindet’, m. ‘Feind’ (seit Hes. und Pi.); dazu die primären ἐχθίων, ἔχθιστος (seit A. bzw. Il.); ἔχθρα, ion. -ρη f. ‘Haß, Feindschaft’ (ion. att., Pi.; zur Bildung Chantraine Formation 226). — Verba. 1. ἔχθομαι, nur Präsensstamm, ‘verhaßt sein’ (poet. seit Od.), Akt. ἔχθω ‘hassen’ (Trag.); 2. ἀπ-εχθάνομαι (seit β 202), Aor. ἀπ-εχθέσθαι (seit Il.), Fut. ἀπ-εχθήσομαι (Hdt. usw.), spätes Präsens ἀπ-έχθομαι (Theok., Lyk. u. a.) ‘sich verhaßt machen’ mit ἀπεχθής ‘verhaßt’ (S., D. u. a.), ἀπέχθεια ‘das Verhaßtsein, der Haß’ (att.), ἀπέχθημα ‘Gegenstand des Hasses’ (E. Tr. 425; vgl. Chantraine Formation 177f.) u. a.; 3. ἐχθαίρω, Aor. ἐχθῆραι, auch mit ἀπ-, ὑπερ-, συν-, ‘hassen’ (vorw. poet. seit Il.); 4. ἐχθραίνω, Aor. ἐχθρᾶναι (X., Ph. usw.) ‘feind sein, hassen’ mit ἔχθρασμα· ἔχθρα H.; 5. ἐχθρεύω ‘feind sein’ (LXX, Phld.). — Das Verhältnis der obigen Wörter zueinander ist nicht immer klar. Offenbar sind ἐχθραίνω und ἐχθρεύω späte Ableitungen von ἐχθρός; das viel ältere ἐχθαίρω ist ebenfalls als Denominativum von ἐχθρός unmittelbar verständlich (Schwyzer 725). Auch ἀπ-εχθάνομαι könnte an und für sich mit r:n-Wechsel zu ἐχθρός in Beziehung stehen (Benveniste Origines 16); es liegt indessen weit näher, darin eine Nasalerweiterung von ἔχθομαι, ἀπ-εχθέσθαι zu sehen (Schwyzer 700, Chantraine Gramm. hom. 1, 315f.; zur konfektiven Aktionsart ebd. m. Lit.). In ἔχθομαι will Schwyzer 725 eine Rückbildung aus ἐχθαίρω finden; es reiht sich aber ungleich besser an ἔχθος wie z. B. σθένω an σθένος (Schwyzer 723). — Schwieriger ist die Beurteilung von ἔχθος und ἐχθρός, die zueinander stehen wie αἶσχος : αἰσχρός, κῦδος : κυδρός u. a. Wenn es erlaubt ist, von ἐχθρός auszugehen und ἔχθος einschließlich ἔχθομαι, ἐχθίων, ἔχθιστος als Neubildungen etwa nach Muster von κυδρός, κυδίων, κύδιστος, τὸ κῦδος zu beurteilen, kann man ἐχθρός an lat. extrā ‘draußen’, exterus ‘außen befindlich’, somit auch an ἐχθός = ἐκτός ‘draußen’ anknüpfen (Leumann Hom. Wörter 158 A. 1 mit Keil Hermes 25, 601, s. auch Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 30; dagegen Wackernagel KZ 31, 41 = Kl. Schr. 1, 720); ἐχθρός wäre somit eig. ‘außen, in der Fremde befindlich, Fremdling, Feind’; vgl. lat. hostis. Abgesehen von der weit ausgesponnenen analogischen Reihe, die natürlich Bedenken erregen kann, wäre gegen diese verlockende Erklärung in semantischer Hinsicht höchstens einzuwenden, daß ἔχθος, ἔχθομαι, wie anscheinend ursprünglich auch ἐχθρός, eher den Haß als die Feindschaft bezeichnen. — Weitere, ältere und jüngere Lit. bei Bq, Seiler Steigerungsformen 77f., WP. 1, 116, W.-Hofmann s. ex, Pok. 292f. Neuer Versuch von Čop KZ 74, 225f. I-600-601
ἔχιδνα f. ‘Viper, Otter’ s. ἔχις. I-601
ἐχῖνος m. ‘Igel’, auch ‘Seeigel’ und übertr. als Fachausdruck in verschiedenen Berufssprachen, z. B. ‘Gefäß’, insbes. ‘Gefäß zur Aufbewahrung gerichtlicher Dokumente’, ‘der dritte Magen der Wiederkäuer’, ‘der gerundete Teil des dorischen Säulenkapitells’ (ion. att.). Als Vorderglied u. a. in ἐχινομήτρα ‘die größte Art des Seeigels, Echinus melo’ (Arist.; vgl. Strömberg Wortstudien 23). Ableitungen. Deminutiva: ἐχινίς ‘Gefäß’ (Hp.), -ίσκος ‘ds.’, auch ‘Ohrhöhle’ (Poll.); ἐχίνιον Pflanzenname (Dsk.); ἐχινέα, -ῆ ‘Igelhaut’ (Hdn.), auch Gefäßname (Delos IIIa); ἐχινέες m. pl. eine Art libyscher Stachelmäuse (Hdt. u. a.); ’Εχῖναι od. -άδες f. pl. Ben. einer Inselgruppe im Ionischen Meere (seit Β 635); — ἐχινώδης ‘igelhaft’ (Arist., Str.). — Wahrscheinlich von ἔχις ‘Schlange’ mit suffixalem -ῑνο- (Chantraine Formation 204, Schwyzer 191 m. A. 2), also eig. "Schlangentier" = "Schlangenfresser" (Schulze bei Lohmann Gnomon 11, 407) als Tabuwort für χήρ (s. d.). Ein n-Suffix erscheint auch in dem ablautenden arm. ozni ‘Igel’ (idg. *oĝh-ī̆n-i̯o-, evtl. -ē̆n-i̯o-); daneben mit -l- germ., z. B. ahd. igil aus urg. *eʒīla-, das allenfalls für idg. *eĝhīno- (= ἐχῖνος) mit Suffixvertauschung stehen kann (nach Specht Ursprung 351 A. 1 alter Wechsele. Das Baltisch-Slavische hat eine i̯o-Ableitung, z. B. lit. ežỹs, skr.-ksl. ježь, idg. *eĝhi̯o-. Unsicher bleibt die Beurteilung von phryg. εξις (= εζις?). — Reiche Lit. bei Vasmer Russ. et. Wb. 1, 392, u. a. Specht KZ 66, 56f. (wo auch Lit.), Ursprung 39; auch WP. 1, 115, Pok. 292; ältere Lit. auch bei Bq. I-601
ἔχις, -εως m. (f.) ‘Viper, Otter’ (att.). Davon das Deminutivum ἐχίδιον (Arist.) und die Pflanzennamen ἔχιον (Dsk.; wegen der Ähnlichkeit der Frucht mit einem Schlangenkopf, Strömberg Pflanzennamen 54), ἐχίειον (Nik.); ferner ἐχιῆες pl. = ἔχεις (Nik. Th. 133, nur metrische Variante?; vgl. auch Boßhardt 148); ἐχῖτις f. N. eines Steins (Plin. u. a., nach der Farbe; vgl. Redard Les noms grecs en -της 54). — Fem. ἔχιδνᾰ ‘Viper, Otter’ (ion. att. seit Hes. Th. 297), wohl ια-Ableitung von *ἐχιδνός (Schwyzer 475 m. Lit.; dazu Specht Ursprung 229 und 377), mit ἐχιδν-αῖος und -ήεις (hell. u. sp. Dichter). — Wenn die oben gegebene Herleitung von ἐχῖνος richtig ist, muß ἔχις ein palatales ĝh enthalten. Die anklingenden Wörter für ‘Schlange’, aind. áhi- = aw. aži- ebenso wie arm. iž, sind dann mit ὄφις zu verbinden. Auch kymr. euod ‘Schafwürmer’, euon ‘Pferdewurmer’ dürften zu ὄφις gehören (Pedersen Vergl. Gramm. 1, 99, Lewis-Pedersen 29, Pok. 44; anders Fick 2, 27). — Vgl. auch ἔγχελυς. I-601-602
ἐχυρός ‘haltbar, fest, sicher’ (Th., X. usw.) mit ἐχυρότης ‘Haltbarkeit usw.’ (Ph. u. a.), ἐχυρόω ‘befestigen’ (Phot., Suid.). Komp. ἐν-έχυρον n. ‘Pfand, Unterpfand’ (ion. att.), Hypostase aus ἐν ἐχυρῷ; davon ἐνεχυράζω ‘ein Pfand nehmen’ mit ἐνεχυρ-ασία, -ασμα, -αστής u. a.; auch ἐνεχυρόω mit -ωμα. Daneben ὀχυρός ‘ds.’ (Hes., A., E., X. u. a.), mit Kompositionsdehnung ἀν-ώχυρος ‘unfest, unbefestigt’ (X. Ages. 6, 6, SIG 569, 7; IIIa; vgl. Frisk Adj. priv. 9); davon ὀχυρότης (Plb. u. a.), ὀχυρόω (X., Arist., Plb. u. a.) mit ὀχύρ-ωμα, -ωμάτιον, -ωσις, -ωτικός. — Ein anklingendes Wort bietet das Aind. in sáhuri- etwa ‘siegreich, stark’ (RV); ein alter u(s)-Stamm ist auch im Germ., z. B. ahd. sigu m. ‘Sieg’ zu verspüren. Neben dem verbauten u-Stamm in ὀχυ-, ἐχυ-ρ-ός steht der neutrale s-Stamm in aind. sáhas- ‘Kraft, Macht, Sieg’, got. sigis ‘Sieg’, idg. *séĝhos- (wäre gr. *ἔχος); hierzu kommt das Adv. ὄχ-α ‘weitaus’ (vgl. ταχύς : τάχα u. a.; Schwyzer 622f.). — Der Wechsel ὀχ- : ἐχ- kann alter Ablaut sein (Schmidt KZ 32, 353), aber sekundäre Angleichung an ἔχω ist auch möglich. — Weiteres s. ἔχω. I-602
ἔχω 1. auch ἴσχω, Aor. σχεῖν, ἔσχον, Fut. ἕξω, σχήσω (seit Il.), Perf. Akt. ἔσχηκα (Pl. Lg. 765a), Med. ἔσχημαι, Aor. Pass. ἐσχέθην (spät), myk. e-ke (= ἔχει) usw. ‘besitzen, (zurück-)halten, haben’, Aor. ‘erobern, in Besitz nehmen’, intr. ‘sich verhalten’, Med. ‘sich (fest)halten usw.’; sehr oft mit Präfix in verschiedenen Bedeutungen, ἀν-, ἀπ-, ἐξ-, ἐπ-, κατ-, μετ-, προσ-, συν- usw. Als Vorderglied in mehreren Rektionskompp., z. B. ἐχέ-φρων, ἐχ-έγγυος, ἐχεπευκής (s. d.), ἐκεχειρία (s. d.); auch ἰσχέ-θυρον u. a. (hell.); vgl. Schwyzer 441; als Hinterglied z. B. in προσ-, συν-εχής mit προσ-, συν-έχεια. Ableitungen. 1. Von der ε-Stufe (= Präsensstamm): ἔχμα ‘Hindernis, Stütze, Schutzwehr’ (ep. seit Il.) mit ἐχμάζω (H., Sch.; vgl. ὀχμάζω unten); myk. e-ka-ma?; ἕξις ‘Haltung, Zustand usw.’, oft in Ableitungen von Präfixkompp., z. B. πρόσ-, κάθ-εξις von προσ-, κατ-έχειν (ion. att.); davon (προσ-, καθ-) ἑκτικός (s. auch s. v.); ἑξῆς s. bes.; ἐχέ-τλη, -τλιον s. bes.; ἕκτωρ ‘der Halter’ (Lyk. 100; auch Pl. Kra. 393a als Erklärung des EN [s. d.]; Sapph. 157 als Bein. des Zeus); ἐχυρός s. bes. Zusammenbildung aus εὖ ἔχειν : εὐεξία ‘Wohlbefinden’ (ion. att.; Gegensatz καχεξία von κακῶς ἔχειν) mit εὐέκ-της, -τικός, -τέω, auch -τία (Archyt.); retrograde Bildung εὔεξος· εὐφυής H. (nicht mit Schwyzer 516 σο-Suffix). 2. Vom reduplizierten Präsens (vgl. unten): ἰσχάς f. ‘Anker’ (S. Fr. 761, Luk. Lex. 15); erweiterte Formen ἰσχάνω, -νάω (ep. seit Il.). 3. Von der Schwundstufe (= Aoriststamm): σχέσις ‘Zustand, Beschaffenheit, Verhältnis, das Zurückhalten’ (ion. att.), oft in Ableitungen von Präfixkompp., z. B. ἀνά-, ἐπί-, ὑπό-, κατά-σχεσις von ἀνα-σχεῖν, -έσθαι usw.; σχῆμα (vgl. σχ-ήσω) ‘Haltung, Gestalt, Erscheinung’ (ion. att.; Schwyzer 523); sekundär σχέμα (H.) > lat. schĕma f. (Leumann Sprache 1, 206); davon σχηματίζω mit σχημάτ-ισις, -ισμός usw.; Verbaladjektiv ἄ-σχετος ‘nicht zu halten, unwiderstehlich’ (ep. seit Il., poet. u. spät); von virtuellen Verbaladjektiva gehen auch aus die Abstraktbildungen ἐπισχεσίη ‘das Verhalten, der Vorwand’ (φ 71), ὑποσχεσίη ‘das Versprechen’ (Ν 369, A. R., Kall.), vgl. Schwyzer 469, Holt Les noms d’action en -σις 86f.; hierher noch *σχερός (s. ἐπισχερώ), σχεδόν, σχέτλιος, σχολή, σκεθρός (s. bes.); vgl. auch ἰσχύς. 4. Von der o-Stufe: ὄχοι m. pl. ‘Halter, Bewahrer’ (λιμένες νηῶν ὄχοι ε 404); ὀχός ‘fest, sicher’ (Ph. Byz.), sonst in Verbaladjektiva zu den Präfixkompp. wie ἔξ-, κάτ-, μέτοχος (von ἐξ-έχειν usw.); ὀχή f. ‘das Halten, Stütze’ (Kall., Lyk., Ath.); zu den Präfixkompp. συν-, μετ-, ἐξ-, ἐπ-οχή usw. (von συν-έχειν usw.); ὀχεύς "Halter", ‘Helmriemen, Gurtspange, Türriegel usw.’ (seit Il.; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 30, wo auch ὀχεύω ‘bespringen’ usw. angereiht wird; vgl. s. v.); ὄχανον ‘Schildhalter’ (Anakr., Hdt. u. a.), auch ὀχάνη (Plu.; vgl. Chantraine Formation 198); ὀχυρός, s. ἐχυρός; ὄχμος ‘Festung’ (Lyk.), ὄχμα· πόρπημα H.; dazu ὀχμάζω ‘festhalten’ (A., E.); Adv. ὄχα ‘weitaus’ (ὄχ’ ἄριστος Il. u. a.), ἔξοχα ‘voraus’ (~πάντων usw.; Il. usw.). 5. Reduplizierte Bildung: ἀν-οκωχή s. bes.; auch (ἐν) συνεοχμῷ?; s. d. 6. Kompositionefle Dehnung: εὐωχέω, s. d. — Zu συνοκωχότε (Β 218) s. bes. — Das thematische Wurzelpräsens ἔχω, woneben mit Reduplikation ἴ-σχ-ω (aus *ἵ-σχ-ω, (σ)ί-σχ-ω), hat eine genaue Entsprechung in aind. sáhate ‘bewältigt, besiegt’ (= ἔχεται, idg. *séĝhetai); dagegen steht der schwundstufige Aorist ebenso wie die übrigen Verbalformen isoliert (g. aw. zaēma nicht = σχοῖμεν, s. Humbach Münch. Stud. 10, 39 A. 12). Die starke Entwicklung der Wortgruppe im Griechischen geht mit dem Bedeutungs- und Funktionsfeld Hand in Hand; vgl. Meillet ’Αντίδωρον 9ff., Porzig Gliederung 115f. Anderseits fehlt im Griechischen der neutr. s-Stamm aind. sáhas- ‘Gewalt, Stärke, Sieg’, aw. hazah- ‘ds.’, got. sigis (vgl. zu ἐχυρός). Die Wortsippe ist auch im Keltischen vertreten, z. B. mit den gallischen Namen Σεγο-δουνον, Sego-vellauni (s. auch zu ἐχέτλη); sie wird auch in alteuropäischen Flußnamen vermutet, z. B. *Segia > Seye, *Segontia > Sionce, s. Krahe Beitr. z. Namenforschung 5, 103f., Hubschmid Vox Romanica 3, 64f. — Ältere Lit. und weitere Formen bei Bq s. v., WP. 2, 481f., Pokorny 888f. I-603-604
ἔχω 2. nur in pamph. ϝεχέτω, kypr. Aor. ἔϝεξε (auch pamph. ἰσ-ϝέξε̄?). ‘hintragen, darbringen’ Davon ἔχεσφιν· ἅρμασιν H., auch ὄχος ‘Wagen’, ὄχλος, ὀχετός, ὀχέω s. dd. — Altes, im Griechischen absterbendes Verb, das in der Mehrzahl der idg. Sprachen Vertreter hat. Zu den griech. Formen finden sich mehrere Gegenstücke: ϝεχέτω = lat. vehitō; entsprechende thematische Wurzelpräsentia sind noch aind. váhati = aw. vazaiti = lat. vehit ‘führt, fährt’ (idg. *u̯éĝheti), lit. vežù = aksl. vezǫ = lat. vehō; zu ἔϝεξε stimmt bis auf die im Griechischen verlorengegangene Dehnstufe (Schwyzer 751) die alten s-Aoriste lat. vēxī, aksl. věsъ, aind. ávākṣam. — Weiteres s. ὄχος. I-604
ἑψία, -ίη f. ‘Vergnügung, Spiel’ (S. Fr. 3, Nik. Th. 880); als Hinterglied in φιλ-έψιος (Kom.), ὁμ-έψιος (AP u. a.). Auch n. pl. ἕψεια· παίγνια H., ἕψια (EM). Postverbal von ἑψιάομαι, -άσασθαι, auch mit ἀφ-, ἐφ-, καθ-, ‘sich vergnügen, spielen’ (ep. seit Od.; vgl. Wackernagel Unt. 46f.). Daneben, wahrscheinlich durch Wegfall des anlautenden Vokals (Strömberg Wortstudien 45), ψιάδδειν = παίζειν (Ar. Lys. 1302 [lyr.], H.), ψιά· χαρά, γελοίασμα, παίγνια H. — Bildung wie die "Krankheitsverba" auf -ιάω (Schwyzer 732); sonst dunkel. Veraltete Hypothesen sind bei Bq notiert. I-604
ἕψω, Aor. ἑψῆσαι, Fut. ἑψήσω (ion. att.), Perf.ἥψηκα (Ph.); dazu vereinzelt neue Präsentia ἑψέω, -άω; auch mit Präfix, z. B. ἀφ-, συν-, ‘kochen, sieden’ (ion. att.). Davon ἕψημα ‘das Gekochte, Gericht, Suppe’ (ion. att.) mit ἑψηματώδης (Dsk.), hell. ἕψεμα (LXX; vgl. Schwyzer 523), ἕψησις ‘das Kochen’ (ion. att.); ἑψητήρ, -τήριον, -τής, -τικός (hell. u. spät); ἑφθός ‘gekocht’ (ion. att.; dazu ἄπ-εφθος u. a.), ἐψητός ‘ds.’, auch Fischname (Ar., X. u. a.; vgl. Strömberg Fischnamen 89), ἑψανός ‘gekocht, zum Kochen geeignet’ (Hp. u. a.), ἑψαλέος ‘ds.’ (Nik.; nach ὀπταλέος [Hom.] u. a.); auch ἑψέϊνα n. pl. Bed. unklar (PLond. 3, 1177, 217; IIp). — Aus ἄπεφθος ngr. ἀπόχτι (über ἀπόφθι(ον)) ‘vertrocknete Speise’ (Kreta), ‘Pökelfleisch’ (Kypros), s. Hatzidakis Glotta 3, 72f.; aus ἑφανός ngr. ψανός ‘der geröstet wird’, ψάνη ‘Weizen’, s. Georgakas ByzZ 41, 380f. — Kann von arm. ep‘em ‘kochen’ nicht getrennt werden. Da arm. p‘ kaum (mit Pedersen KZ 39, 428) idg. ps vertreten kann, müßte bei ungestörter Lautentwicklung idg. *seph- angesetzt werden, das im Griechischen eine s-Erweiterung erhalten hätte (Schwyzer 706). Das neugeschaffene (familiäre?) graeco-armenische Wort hat das alte πέσσειν (s. d.) im Sinn von ‘kochen’ zurückgedrängt. Vgl. Porzig Gliederung 156. Ein anderer Ausdruck für ‘sieden, kochen’ ist ζέω, s. d. I-604-605
ἕως 1. -ω, ion. (auch hell. und spät) ἠώς, -οῦς, dor. ἀϝώς, ἀϝώρ, Gen. ἀϝῶ, äol. αὔως f. ‘Morgenröte, Tagesanbruch’ (seit Il.). Als Vorderglied in ἑωσ-φόρος, dor. ἀωσ-φόρος ‘Bringer der Morgenröte, Morgenstern’ (Ψ 226, Pi. I. 4 (3), 24 u. a.); dazu Wackernagel Unt. 100ff., wo hom. ἑωσ-φόρος als ep. Attizismus erkannt wird; s. noch Chantraine Gramm. hom. 1, 72 und (mit unwahrscheinlicher Hypothese) Schwyzer 440 A. 8. Ableitungen. ἑώϊος, ἑῷος, ἠοῖος, ἠῷος (dazu Wackernagel Unt. 106f.) ‘morgendlich, östlich’ (seit Il.), ἕωλος ‘zur Morgenröte gehörend, übernächtig, abgestanden’, von Lebensmitteln usw. (att. usw.; zum pejorativen λ-Suffix Chantraine Formation 239); Adv. ἕωθεν, ep. ἠῶθεν, dor. ἀῶθεν ‘vom Morgen an, frühmorgens’ (seit Il.) mit ἑωθινός ‘morgendlich’ (Hdt., Hp., att.; vgl. Wackernagel Unt. 104 m. A. 1, Schwyzer 490); hom. ἠῶθι in ἠῶθι πρό etwa ‘früh morgens’; Erklärung unsicher, vgl. Schwyzer 628 A. 6 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 246. — Die Barytonese in ἕως gegenüber ἠώς will Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 49ff. (= Kl. Schr. 2, 1151ff.) ansprechend auf das geläufige ἕωθεν zurückfuhren, wo sie regelmäßig eintrat (Schwyzer 383). Die Aspiration kann wie in εὕω auf Hauchversetzung beruhen (Schwyzer 219; nach Sommer Lautstud. 11f. dagegen von ἑσπέρα). — Urgr. *ἀ̄ϝώς kann für *ἀ̄υhώς aus idg. *āusṓs stehen und ist dann mit lat. aurōr-a bis auf die sekundäre a-Erweiterung (vgl. flōs : Flōr-a) identisch. Daneben mit Tiefstufe aind. uṣā́s- f. ‘Morgenröte’ aus *usṓs. Ein mit diesem fem. s-Stamm korrespondierender r-Stamm, idg. *āus-r-, us-r-, erscheint in αὔριον (s. d.) mit ἄγχ-αυρος ‘dem Morgen nahe’ (A. R. 4, 111; wohl Rückableitung, vgl. zu βίβλος), in lit. aušr-à ‘Morgenröte’, aind. usr-á- ‘morgendlich’, uṣar-búdh- ‘bei der Morgenröte erwachend’. Von den übrigen sehr zahlreichen Verwandten seien noch erwähnt aksl. za ustra ‘am Morgen’, germ., z. B. ahd. ōst(a)ra, -ūn ‘Ostern’, die ebenfalls auf den r-Stamm zurückgehen (dazu noch Ausdrücke für ‘Osten’ usw., z. B. ahd. ōstar ‘nach Osten’, lat. Auster, -tri ‘Südwind’). — Eine alternierende Hochstufe, idg. *u̯es-r-, bieten z. B. aind. vasar-hā́ (RV. 1, 122,3), vom Winde, Bedeutung unklar, vāsar-á- ‘morgendlich’, kelt., z. B. mir. fāir ‘Sonnenaufgang’, idg. *u̯ōsr-i-. Zu diesen Nomina gesellt sich im Indoiranischen ein primäres schwundstufiges sḱ-Präsens, aind. uccháti = aw. usaiti ‘leuchtet auf (vom Morgen)’, idg. *us-sḱ-éti, wozu der hochstufige athematische Wurzelaorist aind. a-vas-ran. Unsicher dagegen heth. uškizzi (= usketsi) ‘er sieht’ von dem primären auš-zi ‘er sieht’, 2. sg. autti (= au-ti). — Weitere Formen mit Lit. WP. 1, 26f., W.-Hofmann 1, 86 u. 87, Pok. 86f.; außerdem Burger REIE 1, 447ff. Vgl. noch ἠϊκανός. I-605-606
ἕως 2. ep. ἧος (geschr. εἵως, ἕως), äol. ἆος, dor. ἇς Konj. ‘so lange als, (so lange) bis’ (seit Il.), Hom. auch demonstr. ‘eine Zeitlang’ (wohl elliptisch); Präp. m. Gen. (selten Akk.) ‘bis’ (hell. und spät). — Aus urgr. *ἇϝος und mit dem aind. Relativum yā́vat ‘wie weit’ bis auf den unklaren Endkonsonanten identisch (darüber Schwyzer 409f. und 528 m. Lit., dazu noch Szemerényi Glotta 35, 94f.). — Zum Gebrauch von ἕως Schwyzer-Debrunner 550, 650, 657. Vgl. τέως und 1. ὅς. I-606
ζά äolische Form von διά, meistens verstärkend in ep. Kompp. wie ζαής (s. d.), ζά-θεος ‘sehr göttlich, hochheilig’, ζά-κοτος ‘sehr zornig’, Ζά-λευκος PN. — Weil für ζα- unter unklaren Bedingungen δα- eintrat, findet sich durch umgekehrte Schreibung bzw. Aussprache auch ζα- für erwartetes δα-, z. B. in ζά-πεδον für δά-πεδον, ζα-κόρος für *δα-κόρος, wohl auch in ζακρυόεις; s. dd. — Schwyzer 330f., Schwyzer-Debrunner 449, Chantraine Gramm. hom. 1, 169; weitere Lit. bei Risch Mus. Helv. 3, 255 A. 2. I-606
ζάγκλη f. (Nik. Al. 180), ζάγκλον n. (Th. 6, 4, Kall. Aet. Oxy. 2080, 73) ‘Sichel’; davon ζάγκλιον = σκολιόν nach Str. 6, 2, 3. Ζάγκλη auch N. einer Stadt in Sizilien (später Μεσσήνη), nach der sichelähnlichen Form. des Hafens (Th. 6, 4); davon Ζαγκλαῖοι ‘Bewohner der Stadt Z.’ (Hdt. u. a.). — Sizilisches Wort (Th. a. a. O.) ohne Etymologie. Nach Niedermann (s. W.-Hofmann s. falx) ligurisch und mit dem aus dem Ligurischen entlehnten lat. falx am nächsten verwandt. I-606
Ζαγρεύς m. N. eines alten Gottes, wahrscheinlich der Unterwelt, später mit Dionysos identifiziert (Alkmaionis Fr. 3, A. Fr. 228, E. Fr. 472, 11 u. a.); auch Ζαγραῖος (Orph. Fr.210; Lit. bei Kern z. St.). — Wenn zum Gebirgsnamen Ζάγρος (Kleinasien), ist Ζαγρεύς ohne Zweifel vorgriechisch (vgl. Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 60 A. 1). Vgl. andrerseits ζάγρη· βόθρος, λάπαθον (‘Fallgrube für Tiere’) H., das sich als Rückbildung aus dor.-nordwestgr. *ζᾱγρέω = ζωγρέω (zum Lautlichen Schwyzer 250) allenfalls erklären ließe (ähnlich Chantraine angef. Arb. 44 A. 1). Ein überzeugendes Benennungsmotiv für den Gott Ζαγρεύς bleibt indessen bei dieser Anknüpfung noch zu finden; ein Versuch in dieser Richtung bei Boßhardt Die Nom. auf -ευς 99f. Jedenfalls nicht mit v. Wilamowitz Glaube 1, 250 (nach Hoffmann Dial. 2, 237 und Et. Gud. 227, 37) aus ζ-αγρεύς = *δι-αγρεύς als "der vollkommene Jäger". — Zu Ζαγρεύς noch Nilsson Gr. Rel. 1, 686 A. 1. I-607
ζάδηλος Beiwort von λαῖφος (Alk. 18, 7), — wahrscheinlich = διά-δηλος ‘durchsichtig’ = ‘durchlöchert’ (vgl. zu δῆλος) mit Wackernagel Glotta 14, 52 (= Kl. Schr. 2, 860), wo auch gegen Anknüpfung an δηλέομαι. I-607
ζάει · βινεῖ. καὶ πνεῖ. Κύπριοι H. — In der erstgenannten Bedeutung nach Kretschmer KZ 31, 383 aus idg. *gu̯i̯ā́-i̯ei als Denominativum von *gu̯i̯ā́ = aind. jyā́ neben βίᾱ (aus *gu̯íi̯ā) ‘Gewalt’ (s. auch βινέω), was ja ein sehr hohes Alter und frühe Lostrennung von βία voraussetzt. — Im Sinn von πνεῖ kann ζάει für ζάη = *δι-ά(ϝ)η, von ἄ(ϝ)ημι, mit thematischer Flexion stehen. Hoffmann Dial. 1, 114, Solmsen KZ 34, 557, Schwyzer 659. I-607
ζᾱής, Akk. -ῆν (zur Erklärung Chantraine Gramm. hom. 1, 209), Gen. -οῦς (AP 9, 290) ‘heftig wehend’ (ep. seit Il.). — Aus *δι̯α-αής, Zusammenbildung aus διά und ἄημι mit Kontraktion oder Verlängerung des ᾱ nach δυσ-ᾱής (s. d.). I-607
ζακόρος (wohl richtiger als ζάκορος; vgl. die Erklärung unten) m. f. ‘Tempeldiener(in)’ (att. Inschr. seit Va, Hyp., Men. usw.); ὑπο-ζακόρος f. ‘untergeordnete Tempeldienerin’ (Hdt. u. a.), ἀρχι-ζακόρος ‘Obertempeldiener(in)’ (Laodikeia). Davon ζακορεύω, ὑπο- ~ ‘Tempeldiener usw. sein’ (Delos, Theben). — Hieratischer Fachausdruck. Das semantisch verwandte und formal ähnliche νεω-κόρος ‘Tempelwärter’ macht eine Zerlegung in ζα-κόρος sehr wahrscheinlich, wobei ζα- für δα- eingetreten sein kann (vgl. zu ζά) wie in ζά-πεδον für δά-πεδον; ζα-κόρος somit eig. s. v.a. "Hauskehrer" (vgl. zu κορέω)? Solmsen IF 31, 453ff. — Seit dem Altertum gewöhnlich aus *δια-κορος erklärt; vgl. insbesondere διά̄-κονος. Das Wort muß sowieso aus dem Äolischen stammen, vgl. Solmsen a. a. O. I-607-608
ζακρυόεις Beiwort von θάνατος (Alk. Supp. 12, 8 = LP B 2a 8), wohl für δακρυόεις ‘tränenreich’ mit gleichzeitiger Beziehung auf κρυόεις; — vgl. zu ζά und Risch Mus. Helv. 3, 253ff. I-608
ζάλη f. ‘Wirbelsturm, Wasserstrudel, Regenguß’ (Pi., Trag., Pl. u. a.), ζάλος ‘Wasserstrudel’ (Nik. Th. 568 u. a.). Davon denom. Ptz. ζαλόωσα (χάλαζα, Nik. Th. 252). Ob hierher auch ζάλακες· ἐχῖνοι H.? — Poetisches Wort ohne Etymologie. Hypothese bei Bq (zu δίνη usw.); vgl. auch Schwyzer 331. Im Neugr. mit σάλος vermischt; vgl. Hatzidakis IF 36, 301 und ’Αρχ. 28, 3ff.; anders Kretschmer Glotta 11, 236 (mit Hatzidakis): ngr. ζάλος aus ζᾶλος (= ζῆλος), etwa nach σάλος oder mit altem Ablaut. I-608
ζάπεδον = δάπεδον (Xenoph., Paros). S. ζά und ζακόρος. I-608
ζαχρηής ‘heftig anstürmend, ungestüm’ (Il.; immer im Plur. am Versanfang), (auch -χρει- geschr.) -ές (Nik. Th. 290; Versanfang), -ᾱής (Epic. in Arch. Pap. 7, 6 Fr. 3 V. 1). — Aus verstärkendem ζα- (= δια-) und einem wahrscheinlich zum Aor. ἔχρᾰ(ϝ)ον ‘überfiel, bedrängte’ gehörigen Hinterglied. Wenn man die überlieferten -ηεῖς, -ηῶν durch ζαχρᾰέες, -αέων ersetzt (vgl. noch ζαχράσεις· ἐξαπιναίους H. für -αέας?), erhält man bei anlautendem Daktylos unmittelbaren Anschluß an dem schwundstufigen Aorist. Sonst ist von einem damit verwandten hochstufigen Nomen *χρῆϝος (*χρᾶϝος) oder von einer ebenfalls hochstufigen Verbform auszugehen. — Bechtel Lex. s. v. m. Lit., Brugmann IF 11, 287ff., Chantraine Gramm. hom. 1, 41. Ältere Lit. auch bei Bq und WP. 1, 647. I-608
ζάψ f. ‘Brandung, Wasserstrudel’ (hell. Dichtung). — Expressives Wort, wahrscheinlich durch Kreuzung aus ζάλη und λαῖλαψ entstanden. Anders Grošelj Živa Ant. 4, 170. I-608
ζειαί f. pl. ‘Dinkel, Spelt, Triticum monococcum’ (Od., vereinzelt bei Hdt., Kom., X. u. a.), hell. und sp. auch sg. ζειά (Thphr. u. a.), ζεά (ζέα), -η (Pap. IIIa, D. H.; Dsk. und Gal. als v. l.). Als Vorderglied in ζεί-δωρος ‘Spelt (Getreide) gebend’ (ep. poet. seit Il.; von ἄρουρα u. a.), ζεό-πυρον n. ‘Art Triticum’ (Gal.); als Hinterglied in φυσί-ζοος ‘Getreide hervorbringend’ (Hom., Orac. ap. Hdt. 1, 67; von αἶα u. a.), Οἰσε-ζέα PN (lesb.). Sowohl als Vorder- wie als Hinterglied wurden ζει-, -ζοος schon früh (Emp., A. u. a.) auf ζῆν, ζωή bezogen und als ‘lebenspendend’ verstanden. Davon ζῆνος = ζέϊνος ‘aus Spelt’ (Pap. IIa)? — Offenbar zu aind. yáva-, aw. yava- m. ‘Getreide, Gerste, Hirse’, lit. pl. javaĩ ‘Getreide’, sg. jãvas ‘Getreideart’. Wenn der Diphthong in ζειαί echt ist, hat man von urgr. *ζεϝ-ι̯ᾰ auszugehen (Sommer Lautstud. 153f. mit vielen Vorgängern, s. Schulze Q. 288 A. 4) und somit eine ιᾰ-Ableitung des in aind. yáva- usw. vorliegenden idg. *i̯eu̯o- anzusetzen. Die monophthongischen Formen wären dann sekundär. Wenn dagegen ζειαί mit metrischer Dehnung für ζε(ϝ)αί steht (wobei die epische Orthographie bei diesem seltenen, mutmaßlich rein literarischen Wort beibehalten wurde), stimmt das griech. Wort bis auf den Stammauslaut (nach ὄλυραι, κριθαί?) zu dem indoiranischen und litauischen Wort. Auch das Hinterglied -ζο(ϝ)ος (mit regelmäßiger ο-Abtönung) spricht gegen eine ι̯ᾰ-Ableitung. Das Vorderglied ζει- kann für ζε(ϝ)ε- stehen, wenngleich der Kompositionsvokal -ε- auffällt (vgl. die seltenen Fälle bei Schwyzer 438, dazu die Lit. bei WP. 1, 203; das ebd. erwogene *ζεϝι- leuchtet nicht ein); es fügt sich dann gut zu ζε(ϝ)αί. Vgl. noch δηαί. — Ältere Lit. bei Bq und WP. a. a. O.; dazu Pok. 512, Bechtel Lexilogus s. ζείδωρος, Chantraine Gramm. hom. 1, 31. I-608-609
ζεύγνυμι, -ύω, Aor. ζεῦξαι, Pass. ζυγῆναι, ζευχθῆναι, Fut. ζεύξω, Perf. Pass. ἔζευγμαι (seit Il.), Perf. Akt. ἔζευχα (Philostr.) ‘zusammenjochen, anspannen, vereinigen’; oft mit Präfix, ἀνα-, ἀπο-, δια-, ἐπι-, κατα-, συ-, ὑπο- u. a. Ableitungen. 1. ζεῦξις ‘das Anspannen, die Überbrückung’ (Hdt.), oft zu den Präfixkompp., z. B. σύ-, διά-, ἐπί-ζευξις (ion. att.). 2. ὑπο-, ἀνα-, παρα-, ἀπο-ζυγή usw. (seit Va), als Simplex nur Pap. (IV-VIp) im Sinn von ‘Paar’. 3. ζεῦγμα ‘zusammenjochender Gegenstand, Schiffsbrücke, Schleusenjoch usw.’ (Th., E., Plb. usw.) mit ζευγματικόν ‘Gebühr für Durchfuhr eines Schiffes durch das Schleusenjoch’ (Pap.). 4. ζεύγλη ‘Teil des Joches’ (‘Jochkissen, Kummet’?, vgl. Delebecque Cheval 60 und 179) usw. (seit Il.; vgl. unten). 5. ζεῦγος, s. bes. 6. ζυγόν, s. bes. 7. -ζυξ, s. ζυγόν. 8. ζευκτήριος ‘zum Verbinden geeignet, verbindend’, n. ‘Joch’ (A. u. a.), ζευκτηρίαι pl. ‘Taue zum Festbinden des Steuerruders’ (Act. Ap. 27, 40); später 9. ζευκτήρ ‘Verbinder’ (J.), f. -ειρα (Orph.); vgl. Chantraine Formation 45, 62f. und unten. 10. (δια- usw.) ζευκτικός (hell. u. spät). 11. ζευκτός (Str., Plu. u. a.; vgl. unten). — Dem athematischen νυ-Präsens ζεύγνυμι (mit sekundärer Hochstufe; vgl. zu δείκνυμι) entsprechen in anderen Sprachen teils Formen mit innerem Nasal, aind. yunák-ti ‘schirrt an, verbindet’ (athem.), lat. iung-ō (them.), lit. jung-iù (Jotpräs.) ‘ds.’, teils nasallose Formen, aw. yaog-ət_ (3. sg. Prät., athem.), yuǰ-yeite (3. sg., schwundstufiges Jotpräs.). Auch die übrigen griech. Formen zeigen bis auf den Aorist ἐζύγην und das Nomen -ζυγή Hochstufe, so nicht nur das Futurum und der σ-Aorist (vgl. dazu Schwyzer 751) ebenso wie das späte Nom. ag. ζευκτήρ (= aind. yoktár-), sondern auch die σι-(τι-)Ableitung ζεῦξις und das späte Verbaladj. ζευκτός (gegenüber aind. (prá-)yukti-, yuktá-). — Die λ-Ableitung in ζεύγ-λη ist ohne geschichtlichen Zusammenhang mit lat. iŭgulum ‘Schlüsselbein am Halse, Kehle’ und aind. yúgalam ‘Paar’; dagegen kann sie mit dem σ-Stamm in ζεῦγος (s. d.) alternieren. Vgl. noch ζυγόν. I-609-610
ζεῦγος n. ‘Gespann, (zweispänniges) Fuhrwerk, Paar’ (seit Il.). Als Vorderglied z. B. in ζευγο-τρόφος ‘ein Gespann haltend’ (att. Inschr. IVa u. a.), ζευγ-ηλάτης ‘Lenker eines Gespanns’ (S., X. u. a.). Ableitungen. ζευγεύς in myk. ze-u-ke-u-si Dat. pl., Bed. unsicher, vgl. ζευγίτης, f. -τις ‘Besitzer eines Gespanns’, Ben. einer der solonischen Klassen (Arist. u. a.), auch ‘im Gespann gehend’ usw. (hell.); vgl. Redard Les noms grecs en -της 28 und 111; davon ζευγίσιον ‘Steuer der ζευγῖται’ (Arist.). ζευγίον ‘Türfeld’ (hell. Inschr.); ζευγίς f. ‘Strick’ (Pap.). Denominatives Verb ζευγίζω ‘zusammenjochen, vereinigen’ (LXX, Pap.). — Der Plur. ζεύγεα, -γη ist mit lat. iūgera, -um (sek. sg. iūgerum), mhd. jiuch ‘ein Morgen Landes’ formal identisch. Zur Bedeutung vgl. nhd. Joch, Juchert als Ackermaß; also eig. ‘soviel Land ein Gespann an einem Tage umzuackern vermag’. — Neben dem s-Stamm, idg. *i̯éugos- (wovon noch alat. pl. iouxmenta > iūmenta, sg. -um ‘Gespann’), steht ein l-Stamm in ζεύγ-λη (s. ζεύγνυμι); vgl. zu ἔταλον. — Weiteres s. ζεύγνυμι und ζυγόν. I-610
Ζεύς, böot. lak. usw. Δεύς, Vok. Ζεῦ, Gen. Δι(ϝ)ός, Dat. (Lok.) Δι(ϝ)ί, Dat. auch Διϝεί (z. B. Διϝεί-φιλος; myk. di-we?), Akk. Ζῆν, seit Hom. auch Δί-α, Ζῆν-α mit Ζην-ός, -ί; Nom. Ζήν (A. Supp. 162 [lyr.]; oder Vok.?), Ζάν (Pythag., Ar.), Ζάς (Pherek. Syr.), Gen. Ζανός (Inschr. Chios IVa [? ] u. a.); weitere Formen mit Belegen bei Schwyzer 576f., Leumann Hom. Wörter 288ff. und in den Wörterbüchern. m. Als Vorderglied in Univerbierungen wie Διόσ-κουροι (Gen.; auch Διεσ-κουρίδου [Priene u. a.]), Διϝεί-φιλος (Dat.), Stammform z. B. in διο-γενής; dazu noch Ζηνό-δοτος (für Διόσ-δοτος) u. a.; als Hinterglied in ἔνδιος, εὐδία, s. dd.; vgl. auch zu αὐτόδιον. Ableitung δῖος, s. bes. — Alte Benennung des Himmels, des Himmelsgottes, des Tages, insbes. im Altindischen, Griechischen und Italischen, wohl auch im Hethitischen erhalten, u. z. mit mehreren sich genau deckenden Formen: Ζεύς = aind. dyáuḥ ‘Himmels(gott), Tag’, lat. wahrscheinlich in nu-diūs tertius ‘(es ist) jetzt der dritte Tag’, d. h. ‘vorgestern’, idg. *d(i)i̯ēus; dazu noch heth. *šiuš, šiun(i)- ‘Gott’; sehr fraglich dagegen russ. doždь ‘Regen’ s. Vasmer Russ. et. Wb. s. v.; Ζεῦ πάτερ = lat. Iūpiter, Ζῆν = aind. dyā́m, lat. diem (wozu als neuer Nom. diēs, Diēspiter; vgl. noch illyr. Δειπάτυρος); die übrigen Cas. obliqui, Διϝ-ός, -εί, -ί, Δία stimmen zu aind. diváḥ, divé, diví, dívam (teilweise parallele Neubildungen). Neu für das Griechische sind Ζῆν-α (nach Δί-α?) mit Ζηνός, -ί; Zusammenhang mit idg. *din- ‘Tag’ in lat. nun-dinae ‘Markttag’, aind. madhyán-dinam ‘Mittag’ u. a. (nach einer Vermutung von Kretschmer Glotta 14, 303f. auch Τιν-δαρίδαι) ist (trotz Kretschmer a. a. O. und Glotta 30, 93ff.) nicht vorhanden. — Das α in Ζάς, Ζάν, Ζανός hat sich von dem elischen Olympia aus in die Fremde verbreitet, s. Leumann Hom. Wörter 288ff. (nach Kretschmer Glotta 17, 197) und Fraenkel Gnomon 23, 373. — Nach allgemeiner Annahme liegt in idg. *d(i)i̯ēus ein Nomen agentis des in aind. dī́-de-ti ‘scheinen’, gr. δέατο (s. d.) enthaltenen Verbs ‘scheinen, hell glänzen, leuchten’ vor; *d(i)i̯ēus somit eig. "der Glänzende, der hell Aufleuchtende"? Beachtenswerte Einwände von Wackernagel BerlAkSb. 1918, 396ff. (= Kl. Schr. 1, 315ff.), Nilsson Gr. Rel. 1, 391. Neben Ζεύς usw. steht ein altes Appellativum für ‘Gott’ in aind. deváḥ = lat. deus = lit. diẽvas u. a., idg. *deiu̯os; eig. "der Himmlische, caelestis" als Ableitung vom Nomen für ‘Himmel’, nicht von einem Verb ‘scheinen, glänzen’. — Lit. (außer Bq und WP. 1, 772ff.) W.-Hofmann s. diēs, Fraenkel Lit. et. Wb. s. diẽvas, Wackernagel-Debrunner Aind. Gramm. 3, 219ff., Mayrhofer Wb. s. dyáuḥ. Vgl. auch Τευδάρεως und Τινδαρίδαι. I-610-611
ζέφυρος m. ‘Westwind’, auch personifiziert (Hom., Arist. u. a.). Als Hinterglied in ’Επιζεφύριοι Λοκροί Ben. der westlichen (italischen) Lokrer (Hdt. usw.), auch ἐπι-ζέφυρος ‘gegen Westen liegend, westlich’ (hell. Ep.); beide Hypostasen aus ἐπὶ ζέφυρον; φιλο-ζέφυρος ‘den Westwind liebend’ (AP). Ableitungen: ζεφύριος ‘zum Westwind gehörig, westlich’ (Od., Arist. usw.); in derselben Bedeutung auch ζεφυρ-ικός (Arist., Thphr.), -ήϊος, f. -ηΐς (Nonn.), -ίτης, -ῖτις, auch von Ζεφύριον ἄκρον in Unterägypten als N. der Aphrodite (Kall. u. a.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 112, 146, 209); Patronymicum Ζεφυρίδης (Thasos; Bechtel Dial. 3, 140). — Nach aller Wahrscheinlichkeit mit Buttmann Lexilogus4 114 A. 4 zu ζόφος ‘Dunkel, Westen’. Der verbaute υ-Stamm in ζέφυ-ρος kann zu einem σ-Stamm *ζέφος (vgl. das synonyme δνόφος : ἰο-δνεφής) in Beziehung stehen; unwahrscheinliche weitere Vermutungen bei Loewenthal WuS 10, 186. — Ältere, verfehlte Deutungen sind bei Bq notiert. I-611
ζέω, Aor. ζέ(σ)σαι (seit Il.), späte Formen ζέννυμι (zu ζέσαι nach σβέσαι : σβέννυμι u. a.), ἔζεσμαι, ἐζέσθην, auch mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἀπο-, ἐκ-, ἐπι-, ὑπερ-, ‘wallen, sieden, kochen’ (fast nur intr.; vgl. Brunel Aspect verbal 198f.). Ableitungen, auch von den Präfixkomposita: (ἀνά-, ἔκ-, ὑπέρ-)ζέσις ‘das Sieden, das Wallen’ (Pl., Arist. usw.; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 53, 163); (ἐπί-, ἀπό-)ζέμα ‘das Kochen, Dekokt’ (LXX, Mediz.), auch ἀπό-ζεσμα ‘ds.’ (PHolm.); ἔκ-ζε(σ)μα ‘Ausschlag, Exzem’ (Mediz.); ἀνά-ζεσμος ‘das Aufwallen’ (Aët.); Verbaladj. (ἔκ-, ὑπέρ)ζεστός ‘gesotten, siedend, heiß’ (Arist., Str. usw.) mit ζεστότης ‘Hitze’ (Paus.). Mit Ablaut, aber trotzdem wohl späte Bildung: ζόη· τὸ ἐπάνω τοῦ μέλιτος H., nach Eust. 906, 52 ‘Gischt, Schaum auf der Milch’. — Das thematische Wurzelpräsens ζέω aus *ζέσ-ω (vgl. ζεσ-τός, ζέσ-μα) ist mit aind. yasati (Gramm.) ‘sprudeln, sieden’, germ., z. B. ahd. jesan ‘gären, schäumen’ identisch; idg. -i̯ésō. Daneben im Aind. das Jotpräsens yás-ya-ti und das reduplizierte yéṣati (aus ya-iṣ-); eine Verquickung dieser beiden Bildungen scheint in aw. yaēš-ya- (Ptz. Akk. sg. f. yaēšyantīm) ‘sieden’ vorzuliegen. Das Verb ist auch im Tocharischen vorhanden, A ysäṣ (Präs. Ind. 3. sg.; Stamm yäs-), B yayāsau (Ptz. Prät.) ‘sieden’; hinzu kommt nach Mann Lang. 28, 38 alban. ziej (idg. *i̯esei̯ō); das Keltische steuert einige Nominalbildungen bei, z. B. gallo-rom. *i̯estā ‘Schaum’, kymr. ias ‘Sieden, Schäumen, Kochen’. Lit. mit weiteren Formen bei Bq, WP. 1, 208, Pok. 506. — Ein anderer Ausdruck für ‘sieden, kochen’ mit weit beschränkterer Verbreitung ist ἕψω (s. d.); vgl. noch πέσσω. I-612
ζῆλος, dor. ζᾶλος (spät auch n.; vgl. ὄνειδος, μῖσος u. a.; dazu Schwyzer 521, Schwyzer-Debrunner 38) m. ‘Eifer, Nacheiferung, Eifersucht, Neid, Begeisterung’ (seit Hes. Op. 195). Als Vorderglied namentlich in ζηλό-τυπος ‘vom Eifer geprägt, eifersüchtig’ mit -τυπέω, -τυπία (att.); oft als Vorderglied, z. B. ἄ-, κακό-ζηλος, dor. Πολύ-ζαλος PN. Ableitungen: ζηλήμων ‘eifersüchtig, neidisch’ (ε 118, Kall., Opp. u. a.; nach den Adj. auf -ήμων, vgl. Chantraine Formation 173; anders Specht KZ 59, 51) mit ζηλημοσύνη (Q. S.); ζηλαῖος ‘ds.’ (AP); ζηλοσύνη = ζῆλος (h. Ap. 100; vgl. Porzig Satzinhalte 227); ζήλη f. ‘Nebenbuhlerin’ (X. Eph. 2, 112, Aristaenet. 1, 25 codd.). Denominative Verba: 1. ζηλόω ‘nacheifern, beneiden, bewundern, glücklich preisen’ (ion. att. seit Hes. Op. 23) mit ζήλωσις ‘Nachahmung, Neid’ (Th. usw.), ζήλωμα ‘Nacheiferung, nachgeeiferte Lage, Glück’ (E., D. usw.), ζηλωτής ‘Nacheiferer, Bewunderer’, "Zelot" (att., hell. u. spät), -ωτικός ‘nacheifernd’ (Arist. u. a.); 2. ζᾱλέω ‘für etw. eifern’ (Delphi Ia); 3. ζηλεύω = ζηλόω (Demokr. 55 [v. l.], Simp. in Epikt. [VIp]), -ευτής (Eust.). — Wahrscheinlich zu ζητέω (und ζημία?, s. d.), δίζημαι (s. d.); weitere Beziehungen gänzlich unsicher. Allerlei Hypothesen bei Bq, WP. 1, 775 und Pok. 501. I-612-613
ζημία, dor. ζᾱμία f. ‘Verlust, Einbuße, Buße, Strafe’ (ion. att.). Als Hinterglied in ἀ-, ἐπι-ζήμιος (-ᾱ-) u. a. Davon ζημιώδης ‘schädlich, nachteilig’ (Pl., X.) und das Denominativum ζημιόω ‘schädigen, bestrafen’ (ion. att.) mit ζημίωμα ‘Strafe, Züchtigung, Verlust’ (Pl., X. usw.), -ωσις ‘Bestrafung’ (Arist.), -ωτής ‘Henker’ (Eust., Sch.), -ωτικός ‘einer ζ. unterworfen’ (Vett. Val.). — Erklärung unsicher. Vielleicht mit Sommer Lautstud. 157f. als ζη-μία zu ζῆλος, ζητέω, δίζημαι (s. dd.); zu ζῆλος ‘Eifer’ : ζημία ‘Strafe’ vgl. ags. anda ‘Eifer’, ahd. antōn ‘ahnden, strafen’. Nicht besser Kuiper Glotta 21, 281f. (zu aind. dīná-, gr. δειλός [s. d.]; idg. dei̯ā-). I-613
ζῆτα n. (Pl. u. a.) der sechste Buchstabe des griech. — Alphabets, aus dem Semitischen, u. zw. zunächst aus hebr. zajit, aram. zētā (Lewy Fremdw. 169f.; s. noch die Lit. bei Schwyzer 140 A. 4). Die geläufige Annahme, ζῆτα wäre aus hebr. zajin nach βῆτα, ἦτα, θῆτα umgebildet, ist jedenfalls nicht notwendig. I-613
ζητέω (seit Ξ 258), Aor. ζητῆσαι, ζητηθῆναι (ion. att.), Perf. ἐζήτηκα (Din.); dor. Ptz. ζάτεισα (Theok. 1, 85) ‘aufsuchen, forschen, sich bemühen, streben’, oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἐπι-, συ-ζητέω. Daneben ζητεύω (Hes., h. Hom.), ζατεύω (Alkm.). — Ableitungen: (ἀνα-, ἐκ-, ἐπι-, συ-)ζήτησις ‘das Aufsuchen, Untersuchung, Erwägung’ (ion. att.) mit ζητήσιμος (X.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 63); (ἐπι)ζήτημα ‘Untersuchung, Forschung, nachgeforscht er Gegenstand’ (ion. att.) mit ζητημάτιον (Arr., Lib.), ζητηματικός (Sch.); (ἐκ-, συ-)ζητητής ‘Forscher’, im Plur. Ben. einer richterlichen Behörde in Athen (att.) mit (ἐπι-, συ-)ζητητικός ‘zum Untersuchen geneigt usw.’ (att.). — Zu ζητήρ, ζητρός s. bes. — Bildung wie αἰτέω, δατέομαι, ἀρτάω usw. (Schwyzer 705f.) und somit zunächst auf einen nominalen τ-Stamm zurückgehend; vgl. bes. ark. ζατός (IG 5 : 2, 4, 22). Das primäre Verb ist in dem reduplizierten δίζημαι vorhanden (Sommer Lautstud. 157f.); s. d. und ζῆλος, auch ζημία. — Ältere Lit. bei Bq. I-613
Ζητήρ (für Ζατήρ) · Ζεύ<ς> ἐν Κύπρῳ H.; ζήτωρ in ζητόρων· ζητούντων. γράφουσι δὲ ἔνιοι ζητητόρων H. (Phot.); ζητρόν· τὸν δημόκοινον (‘Henker’) H. mit ζατρεύω· ἐν μυλῶνι βασανίζω EM 408, 12 und ζητρεῖον· τὸ τῶν δούλων κολαστήριον (H., Phot., Kom., Herod.; nach Hdn. Gr. 1, 372, 7; 515, 24 ζήτρειον); weitere Einzelheiten bei Fraenkel Nom. ag. 1, 144f. Vielleicht primäre Ableitungen von ζη- (ζα-) in δί-ζη-μαι; Lit. bei Bq und Schwyzer 263. — Nach Anderen (Brugmann-Thumb 161 m. Lit.) haplologisch für ζητη-τήρ, -τρός usw.; dagegen bes. Solmsen IF 14, 435 A. 1. I-613-614
ζιγγίβερι n. (Dsk., Gal.), -ις m. f. (Edict. Diocl.) ‘Ingwer’. — Aus mind. (Pāli) siṅgivera- ‘ds.’, aind. śr̥ṅgavera- n. (wahrscheinlich falsche Sanskritisierung). I-614
ζίγγος · ὁ τῶν μελισσῶν ἦχος, ἢ τῶν ὁμοίων H. — Onomatopoetisch; vgl. Schwyzer 331. Nach v. Blumenthal IF 49, 179f. als makedonisch zu got. siggwan ‘singen’ usw. — Dazu wohl auch ζιγγόω ‘trinken’ (Nikostr. Kom. 38; kilikisch); nach dem zischenden oder schlürfenden Laut. I-614
ζιγνίς, -ίδος f. Art Eidechse (Arist. HA 604b 24; mehrere vv ll.). — Unerklärt. I-614
ζιζάνιον n. ‘Lolch, Lolium temulentum’ (Ev. Matt. 13, 25, Gp., EM). — Fremdwort, vgl. Lewy Fremdw. 52. Strömberg Wortstudien 43f. erinnert an den Pflanzennamen ζάνη (Σαρδιανή; Hippiatr.) und an ἁμαζανίδες· αἱ μηλέαι H. I-614
ζίζυφον n. ‘Brustbeerbaum, Rhamnus jujuba’ (Colum., Edict. Diocl., Gp.). — Herkunft unbekannt. Aus dem Griech. stammt u. a. frz. jujube (woraus mlat. jujuba), vielleicht auch syr. zūzfā; s. Sommer Lautstud. 154, W.-Hofmann s. jujuba. I-614
ζόφος m. ‘Dunkel, Finsternis, Westen’ (ep. poet. seit Il., hell. u. spät). Als Vorderglied z. B. in ζοφο-ειδής ‘dunkelfarbig’ (Hp.). Ableitungen: ζοφερός ‘dunkel, finster’ (Hes., Hp., Arist. usw.), ζοφώδης ‘ds.’ (Hp., Arist. u. a.), auch ζόφιος (AP), ζόφεος (v. l. Nik. Al. 501). Denominatives Verb ζοφόομαι, -όω ‘dunkel werden, verdunkeln’ (AP, Hld.) mit ζόφωσις (Sch.). Mit ζέφυρος (s. d.) verwandt; vgl. zu δνόφος mit weiteren Hinweisen, s. auch γνόφος. — Unwahrscheinliche Hypothesen von Vendryes REGr. 23, 74, Petersen AmJPh. 56, 59. I-614
ζύγαστρον n. ‘hölzerne Kiste, Kästchen’ (S., E., X., Delphi IV-IIIa) mit ζυγάστριον (Poll.). — Zur Bildung vgl. δέπαστρον : δέπας, κάναστρον : κανοῦν u. a. nach Muster von στέγαστρον : στεγάζω : στέγη u. a. mit Überspringung des vermittelnden Verbs (Chantraine Formation 333f.), somit eher direkt von ζυγόν als von *ζυγάζω, wohl nach dem verbindenden oder verschließenden Querholz ("παρὰ τὸ ἐζυγῶσθαι" Phot.; vgl. Bechtel Dial. 2, 155). — Verfehlt Ehrlich KZ 40, 375. I-614
ζυγία f. ‘Ahorn’ (Thphr. u. a.) mit ζύγινος ‘aus Ahorn’ (Thphr.). — Eig. "Jochholz" (zur Bildung Strömberg Theophrastea 114), weil das harte Ahornholz hauptsächlich zur Herstellung von Jochen verwendet wurde (so noch heute in Unteritalien). Rohlfs WB VI und 86; s. auch Rohlfs ByzZ 37, 57, Dawkins JournofHellStud. 56, 1f. Anders Strömberg Pflanzennamen 56 (nach den paarweise sitzenden Flügelfrüchten). I-615
ζυγόν (seit Il.; hell. meist -ός m., vereinzelt wohl schon früher, s. Schwyzer-Debrunner 37 m. Lit.) n. ‘Joch’, auch übertr., z. B. von einem Querholz, von dem die beiden Schiffsseiten verbindenden Ruderbänken, von dem Waagebalken, von einem Paar, von einer Reihe oder einem Glied von Soldaten (Gegensatz στοῖχος), als Ackermaß. Oft in Kompp., z. B. πολύ-ζυγος ‘mit vielen Ruderbänken’, ζυγό-δεσμον ‘Jochriemen’ (Il. usw.), auch ζυγη-φόρος ‘jochtragend’ (A., E., analogisch-metrisch neben ζυγο-φόρος; vgl. Schwyzer 439A. 1). Zahlreiche Ableitungen: 1. ζύγιον ‘Ruderbank’ (hell.). 2. ζυγίσκον Bed. unklar (IG 22, 1549, 9, Eleusis, um 300a). 3. ζύγαινα Art Haifisch (Epich., Arist. u. a.; nach der Form des Schädels, Strömberg Fischnamen 35). 4. ζυγίς ‘Thymian’ (Dsk. u. a.; Benennungsmotiv unbekannt, Strömberg Pflanzennamen 56). 5. ζούγωνερ (= *ζύγωνες)· βόες ἐργάται. Λάκωνες H. 6. ζυγίτης Ben. eines Ruderers (Sch.; Redard Les noms grecs en -της 44), f. ζυγῖτις N. der Hera als Göttin der Ehe (Nikom. ap. Phot.; Redard 209). 7. ζυγία und 8. ζύγαστρον s. bes. — Adjektiva. 9. ζύγιος ‘zum Joch gehörig usw.’ (att. usw.; auch als nautischer Ausdruck, s. Morrison Class. Quart. 41, 128ff.). 10. ζύγιμος ‘ds.’ (Plb.; s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 94). 11. ζυγικός ‘zur Waage gehörig’ (Nikom. Harm.). Adv. ζυγ-άδην (Ph.), ζυγ-ηδόν (Hld.) ‘paarweise’. — Denominative Verba: 1. ζυγόω ‘unterjochen, (durch ein Querholz) verbinden, verschließen, das Gleichgewicht halten’ (A., hell. u. spät) mit ζύγωμα ‘Verschluß, Querholz’ (Plb. u. a.), ζύγωσις ‘das Balancieren’ (hell.), *ζύγωθρον im denominativen Aor. Ipv. ζυγώθρισον (Ar. Nu. 745; Bedeutung unsicher, ‘wägen’ oder ‘verschließen’?). 2. ζυγέω ‘eine Reihe od. ein Glied bilden’ (Plb. u. a.). — Neben ζυγόν steht als Hinterglied das verbale Wurzelnomen -ζυξ, z. B. ἄ-ζυξ ‘unverbunden, unvermählt’, ὁμό-, σύ-ζυξ ‘zusammengejocht, verbunden’ (auch ἄ-, ὁμό-, σύ-ζυγος), vgl. Chantraine REGr. 59-60, 231f. — Alte Benennung eines alten Geräts, in der Mehrzahl der idg. Sprachen erhalten, z. B. heth. iugan, aind. yugám, lat. iugum, germ., z. B. got. juk, idg. *i̯ugóm; weitere Formen mit Lit. bei WP. 1, 201, Pok. 509f., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. iugum. — Das Wurzelnomen -ζυξ hat Entsprechungen in lat. con-iux ‘Gattin’, auch ‘Gatte’, aind. a-yúj- ‘kein Paar bildend, ungerade’ (formal = ἄ-ζυξ bis auf den Akzent), sa-yúj- ‘verbunden, Genosse’ u. a. — Vgl. ζεύγνυμι und ζεῦγος. I-615-616
ζῦθος, Pap. fast nur ζῦτος (-ύ-) m. n. ‘ägyptisches Gerstenbier’ (Thphr., Str., D. S., Pap. usw.; die Ägypter kannten den Wein nicht, vgl. Hdt. 2, 77, A. Supp. 952f.). Als Vorderglied z. B. in ζυτο-ποιός, -έω, -ία ‘Bierbrauer, brauen, das Brauen’ (Pap.). Ableitungen: ζύθιον· ἀλφίτου πόσις H., ζυτᾶς ‘Brauer’, ζυτηρά ‘Biersteuer’, ζυτικός, n. -όν ‘ds.’ (Pap.). — Wegen der Bedeutung liegt ägyptischer Ursprung unzweifelhaft am nächsten (z. B. Sommer Lautstud. 153, Peruzzi Humanitas 1, 138f. m. Lit.). Die Ähnlichkeit mit ζύμη könnte an sich für idg. Herkunft sprechen (Schrader-Nehring Reallex. 1, 143, auch Specht Ursprung 255). I-616
ζύ̄μη f. ‘Sauerteig’ (Arist., LXX, Pap., NT). Kompp., z. B. ζυμ-ουργός ‘Bereiter von Sauerteig’ (Pap.), ἄ-ζυμος ‘ohne Sauerteig, ungesäuert’ (Pl., Hp., LXX, NT u. a.). Ableitungen: ζυμίτης (ἄρτος) ‘gesäuertes Brot’ (Kratin. 99 [?], Hp., X., LXX u. a.; Redard Les noms grecs en -της 89); ζυμώδης ‘sauerteigähnlich’ (Arist.). Denominative Verba: 1. ζυμόομαι, -όω ‘gesäuert werden; säuern, in Gärung bringen’ (Hp., LXX, Plu. usw.) mit ζύμωσις ‘Säuerung’ (Pl. Ti. 66b usw.), ζύμωμα ‘versäuerte, gärende Masse’ (Pl. Ti. 74b, Nik.); ζυμ-ωτός ‘gesäuert’, -ωτικός ‘in Gärung bringend’ (Diokl. Med.). 2. ζυμίζω ‘einem Sauerteig ähnlich sein’ (Dsk.). — Wie z. B. ἅλ-μη ‘Salzwasser, -lake’ u. a. (Chantraine Formation 148) kann auch ζύμη von einem Nomen abgeleitet sein, u. z. von einem idg. Wort für ‘Brühe, Suppe’, aind. yūṣ-, lat. iūs n., somit idg. *i̯ūs-mā (zum Lautlichen Schwyzer 333). Andere Ableitungen (bzw. Umbildungen) desselben s-Stamms sind aind. yūṣ-án- (suppletivisch), yūṣ-á- ‘ds.’, lit. jū́š-ė ‘Fischsuppe, schlechte Suppe’, slav., z. B. russ. uch-á (alter u-Diphthong) ‘Brühe, Fischsuppe’, finn.-urnord. juusto, ano. ostr ‘Käse’ (urg. *i̯us-ta-) u. a. Zugrunde liegt wahrscheinlich ein Verb der Bedeutung ‘durcheinandermengen, vermischen’, aind. yáuti, lit. jáuju, jáuti (jaũti). Weitere Einzelheiten m. Lit. bei W.-Hofmann s. 2. iūs, Vasmer Russ. et. Wb. s. uchá. — S. auch ζωμός. I-616
ζωάγρια n. pl. ‘Fanggeld für einen Lebenden, Rettungslohn’ (vorw. ep. poet. seit Il.) mit ζωάγριος ‘auf Rettungslohn bezüglich’ (Babr.). — Bildung wie ἀνδρ-άγρια ‘was bei der Gefangennahme eines Mannes erlegt wird, exuviae’ (Ξ 509), μοιχ-άγρια ‘Buße des ertappten Ehebrechers’ (θ 332) u. a., s. Wackernagel KZ 33, 47 = Kl. Schr. 1, 726. Zusammenbildung aus ζωὸν ἀγρεῖν mittels des ιο-Suffixes. Aus dem letztgenannten Ausdruck erwuchs auch das Verb ζωγρέω ‘lebendig gefangen nehmen, dem Gefangenen das Leben schenken’, bei Hom. (Il.) nur Präs. ζώγρει, -εῖτε (unklar Ε 667; vgl. Nehring ClassPhil. 42, 117f.), Aor. ἐζώγρησα, -ήθην (ion. att.; Hom. dafür ζωοὺς ἕλον, ζωὸν ἕλε). — Von ζωγρέω: 1. ζωγρία, -ίη ‘das Gefangennehmen jmds. in lebendigem Zustand, das Verschonen des Gefangenen’ (Hdt., Plb., Str. u. a.) mit ζωγρίας m. ‘der lebendig gefangengenommen worden ist’ (Ktes., LXX usw.); 2. ζωγρεῖον ‘Käfig, bes. für Fische, Fischteich’ (Aq., Str., Plu. u. a.). Hierher auch ζάγρη ‘Fallgrube für Tiere’?, s. Ζαγρεύς. — Vgl. Chantraine Et. sur le vocab. grec 51. I-616-617
ζωμός m. ‘Brühe, Sauce, Suppe’ (Asios, Ar., Arist. usw.). Vereinzelt in Kompp., z. B. εὔ-ζωμον n. ‘Rauke, Eruca sativa’ (Thphr., Pap.; eig. ‘gute Brühe machend’; vgl. Strömberg Pflanzennamen 107). Ableitungen: Deminutiva ζωμίον (Pap. IIa), -ίδιον (Ar.), -άριον (Med.); ζωμίλη· ἄνηθον (‘Dill’) H., Phot. (zur Bildung Chantraine Formation 249). Denominatives Verb ζωμεύω ‘Brühe auf etw. kochen’ (Ar., Hp. u. a.) mit ζωμεύματα pl. ‘Brühen’ (Ar. Eq. 279; vgl. Chantraine 188). — Allgemein zu ζύμη und Verw. gezogen mit Ablautswechsel ō(u) : ū (Schwyzer 346), aber im Einzelnen mehrdeutig; zu dem weit überwiegend primären μο-Suffix s. Schwyzer 492, Chantraine 132ff. Anders (zu ζέω) Bréal MSL 12, 314f.; dagegen Sommer Lautstud. 153. — Vgl. zu ζύμη. I-617
ζώννυμι (-ύω), -μαι, Aor. ζῶσαι, -ασθαι (seit Il.), Fut. ζώσω, Perf. Med.-Pass. ἔζω(σ)μαι, Aor. Pass. ζωσθῆναι, Perf. Akt. ἔζωκα ‘(sich) gürten’ (vorw. hell. u. spät). Oft mit Präfix, δια-, ὑπο-, περι- u. a. Ableitungen: 1. (διά-, περί-, ὑπό-, σύ-)ζῶμα (hell. u. spät auch ζῶσμα; vgl. unten und Schwyzer 523) ‘Gürtel, Schurz’ (seit Il.) mit περιζωμάτιον ‘ds.’ (hell.) und περιζωματίας ‘einen Gurt bildend’ (vom Rotlauf; Orib.). 2. ζώνη ‘Gurt, Gürtel’, auch ‘die Weichen’ (seit Il.) mit den Deminutiva ζώνιον (Ar., Arist. u. a.), -άριον (Comm. in Arist. u. a.); ζων-ιαῖος ‘einen Gürtel messend’ (Ath. Mech.; zur Bildung Chantraine Formation 49), ζωνῖτις ‘gestreift’ (καδμεία; Dsk.); περιζώνιον, -ίδιον ‘Dolch der am Gürtel getragen wird’ (hell.). 3. ζωστήρ ‘Leibgurt’ (seit Il.; s. v. Wilamowitz Eur. Her. 313), oft übertr., auch als N. eines Vorgebirges an der Westküste Attikas (Hdt.) mit Ζωστήριος, -ια Beinamen des Apollon und der Athena (Inschr. seit Va [Athen, Delphi; v. Wilamowitz Glaube 2, 164] usw.). 4. ζῶστρα pl. ‘Gürtel’ (ζ 38), (δια-, περι-)ζώστρα f. ‘Schürze, Stirnband’ (hell.). 5. ζωτύς· θώραξ H. 6. (ἄ-, εὔ- usw.)ζωστός ‘gegürtet’ (Hes. usw.). — Das Verbaladjektiv ζωστός hat eine genaue Entsprechung in aw. yāsta-, lit. júostas, idg. *i̯ōs-tos. Daneben stehen im Baltisch-Slavischen ein Jotpräsens lit. júosiu (Inf. júosti), aksl. po-jašǫ (Inf. -jasati) ‘umgürten’, im Iranischen eine Sekundärbildung (aiwi-)yāŋhayeiti ‘ds.’ (idg. *i̯ōseieti). Ein Relikt eines athematischen Wurzelpräsens scheint in (thess.) ζούσθω· ζωννύσθω H. vorzuliegen; dazu stimmt alit. 3. sg. Präs. juos-ti. Dagegen gibt es zum geläufigen Nasalpräsens ζώννυμι aus *ζώσ-νυ-μι (zum Lautlichen Schwyzer 282 und 312) kein außergriechisches Gegenstück. — Es stimmen ferner nah zueinander ζῶμα (aus idg. *i̯ṓs-mn̥) und lit. juosmuõ ‘Lenden-, Leibgürtel’ (idg. i((ōs-mṓ[n]), ζώνη (idg. *i̯ṓs-nā) und russ.-ksl. po-jasnь ‘ds.’ (i̯ōs-ni-); dazu noch aind. rā́snā ‘Gurt’ für *yā́snā nach raśanā́ ‘Strick, Gurt’ (Wackernagel KZ 46, 272 = Kl. Schr. 1, 290)?; vgl. die Kafirformen bei Morgenstierne NTS 15, 253 und 280; dazu Mayrhofer KZ 75. — WP. 1, 209, Pok. 513, Fraenkel Lit. et. Wb. s. júosti. I-617-618
ζωρός ‘feurig, stark, unvermischt’, vom Wein (seit Ι 203). Kompp., z. B. ζωρο-πότης ‘Trinker von unvermischtem Wein’ (spät), εὔ-ζωρος ‘ganz unvermischt’ (ion. att.). — Nicht sicher erklärt. Von Solmsen IF 14, 426 mit aksl. jarъ ‘streng, herb, hart, ernst’ gleichgesetzt. Andere Hypothesen bei Sommer Lautstud. 157 (ζώ-ω, ζῆν) und WP. 1, 775 (ζῆλος, ζητέω); s. noch zu ἐπιζαρέω. I-618
ζωρυαί pl. (IG 4, 823, 46; Troizen) = διωρυγαί; — v. Blumenthal Glotta 18, 154 A. 2. Vgl. ζῶρυξ = διῶρυξ (Pap.). I-618
ζώ-ω (ep. ion. lyr.), kret. δώ-ω, att. ζῶ, ζῇς, ζῇ, ζῶμεν usw., Ipf. ἔζων (ἔζην), ἔζης, -η, Inf. ζῆν, Fut. ζήσω, -ομαι (ion. att. neben βιώσομαι), Aor. ζῆσαι, ζῶσαι (ion. für βιῶναι [seit Il.], βιῶσαι), Perf. ἔζηκα (Arist.), Ptz. ἐζωκότα (Kyzikos) für βεβίωκα (att.), vereinzelt mit Präfix, ἀνα-, δια-, ἐπι-, ‘leben’. Ableitungen: 1. ζωή, ion. poet. auch ζόη, dor. ζωά, ζόα, buk. ζοΐα (Theok.) ‘Lebensgut, Leben’ (seit Od.; vgl. Porzig Satzinhalte 299). 2. ζωός (ζοός, ζώς) ‘lebendig’ (seit Il.), oft als Vorderglied, z. B. in Ζωϝό-θεμις (Kypros Va; vgl. Masson Beitr. z. Namenforschung 8, 161ff.); davon (ἀνα-)ζωόω ‘beleben’ (Hp., hell. u. spät) mit (ἀνα-)ζώωσις (spät). 3. ζώϊον, ζῷον (wohl zunächst von ζώς; Leumann Mus. Helv. 2, 7) ‘Lebewesen, Tier’, auch ‘abgebildetes Wesen, Figur’ (ion. att.); mehrere Deminutiva: ζῴδιον ‘(kleines) Gebilde, Tier- oder Sternbild des Tierkreises’ (Hdt., Arist., hell.) mit ζῳδιακός (hell. u. spät; Scherer Gestirnnamen 43f.), ζῳδάριον ‘(kleines) Gebilde, Tierchen’ (Arist. usw.), ζῳύφιον und ζῳάριον (Ath. u. a.); Adj. ζῳώδης ‘tierähnlich’ (Demokr. usw.), ζῳικός ‘tierisch’ (Arist. u. a.). 4. ζωτικός ‘zum Leben gehörig, lebendig’ (Pl., Arist. usw.). 5. ζώσιμος ‘lebensfähig usw.’ (spät; nach βιώσιμος, Arbenz Die Adj. auf -ιμος 88). 6. (ἀνά-)ζῆσις ‘das Beleben’ (Theol. Ar., Dam.). 7. ’Αζησία (S. Fr. 981), ’Αζοσία (epid.) Bein. der Demeter (?), nach Fraenkel Lexis 3, 59f. — S. βίος; weitere Hypothesen über die Bildungsweise bei Schwyzer 675 m. A. 6, 722f., 743; dazu Leroy Sprachgeschichte und Wortbed. 287f. I-618-619
ἦ 1. ‘fürwahr, gewiß, wirklich’ hervorhebende und fragende Partikel (seit Il.), gewöhnlich anderen Partikeln und Adverbien vorangestellt, z. B. ἦ ἄρα, ἦ γάρ, ἦ που, ἦ μήν, bisweilen nachgestellt: ἐπεὶ ἦ, τί (ὅτι) ἤ, (ὁ)τιή usw. — Herkunft unklar; vielleicht mit der Interjektion ἤ (s. d.) ursprünglich identisch. Nach Brugmann Grundr.2 2, 3, 983 zu aind. ā́ (hervorhebend nach Nomen und Adv.), ahd. ihh-ā ‘ich’, nein-ā ‘nein’ u. a. als mutmaßlicher Instr. sg. des Demonstrativums *e-, o- (vgl. εἰ); dazu Schwyzer-Debrunner 564 m. A. 4. I-619
ἦ 2. ‘sagte er’ s. ἠμί. I-619
ἤ 3. Interjektion des Unwillens und des Ungedulds (Ar. Nu. 105, Ra. 271, E. HF 906 [lyr.]; vgl. v. Wilamowitz z. St.); — als Elementarschöpfung wohl mit lat. ē- in ēcastor ‘bei Kastor’ identisch. Schwyzer-Debrunner 600 A. 4, W.-Hofmann s. ēcastor mit reicher Lit. I-619
ἤ 4. ‘oder’, auch ‘als’, ἢ .... ἤ ‘entweder .... oder’ disjunktive und vergleichende Partikel (seit Il.), aus ἠέ, ἦε (ep.) kontrahiert. — Für *ἠ-ϝέ, *ἦ-ϝε, aus deiktischem ἦ (s. 1. ἦ) und einer disjunktiven Partikel = lat. -ve, aind. air. vā (mit Dehnung) ‘oder’ zusammengewachsen. Einzelheiten bei Schwyzer-Debrunner 565f., W.-Hofmann s. 1. -ve. — Aind. iva ‘wie, gleichsam’ (s. Mayrhofer Wb. s. v.) usw. weicht in der Bedeutung stark ab. I-619
ἠ 5. ‘wenn’ (kypr. dor.) s. εἰ. I-619
ἠ- 6. als Präfix? — Sehr anfechtbare Kombinationen bei Prellwitz Glotta 19, 124ff. — Über ἠ- als Augment s. ἐ-. I-619
ἠβαιός ‘wenig, klein’, in d. Il. nur mit Negation οὐδ’ ἠβαιόν ‘nicht einmal ein wenig’ (5 mal), οὐδ’ ἠβαιαί (Ξ 141), später auch ohne Negation (ι 462, Opp.). — Nach einer ansprechenden Vermutung von Leumann Hom. Wörter 50 (ähnlich schon Fick 1, 397 u. A.; s. Bq) durch falsche Worttrennung aus οὐ δὴ βαιόν (allenfalls οὐδὲ βαιόν) entstanden. Die Annahme eines Präfixes ἠ- (Brugmann Grundr.2 2, 2, 817, Prellwitz Glotta 19, 126; vgl. auch Winter Prothet. Vokal 47) hat wenig für sich. Abzulehnen Güntert Reimwortbildungen 135ff. (zu ἥβη). I-619-620
ἥβη, dor. ἥβα, hyperäol. ἄβα f. ‘reife Jugend, Jugendkraft, Mannbarkeit’, auch als EN, Hebe, Tochter des Zeus und der Hera (seit Il.). Als Hinterglied z. B. in ἔφ-ηβος (ion. att. dor.; hyperdor. ἔφ-αβος) ‘der herangewachsene Jüngling’, Hypostase aus ἐφ’ ἥβης (ὤν) oder Bahuvrihi (‘bei welchem ἥβη ist’), mit ἐφηβ-άω (nach ἡβάω), -εύω, -ικός, -ειος u. a. Ableitungen: 1. ἡβητής (seit h. Merc. 56), ἡβατάς (Lokr. Va), εἱβατάς (thess.), ἁβατάς (Kall. Lav. Pall. 109) ‘im Jugendalter stehend, Jungling’ mit ἡβητικός (X.); hell. u. späte Dichter dafür ἡβητήρ, ἡβήτωρ (vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 121) wie von ἡβάω. 2. ἡβηδόν Adv. ‘im mannbaren Alter’ (Heraklit., Hdt. usw.; vgl. Benveniste Rev. de phil. 81, 9). 3. ἡβοτά ‘Jugend’ (pamphyl., nach βιοτή, Fraenkel KZ 43, 207ff.). Denominative Verba. 1. ἡβάω (seit Il.), ep. auch ἡβώω (wohl metr. Dehnung, s. Chantraine Gramm. hom. 1, 76 nach Wackernagel; andere Auffassungen bei Schwyzer 730), kret. ἡβίω (< -έω) ‘in voller Jugendkraft stehen, altersreif sein, jugendlich froh sein’, auch mit Präfix, z. B. ἀν-, ἐν-, ἐφ-; davon ἀνηβητήριος ‘verjüngend’ (E. Andr. 552), ἐνηβητήριον ‘Lustort’ (Hdt. 2, 133), ἡβητήριον ‘ds.’ (Plu. u. a.); zu ἡβητήρ, -τωρ s. oben. 2. ἡβάσκω ‘heranreifen, mannbar werden’ (Hp., X.; nach γηράσκω, vgl. s. v. und Schwyzer 708). 3. ἡβυλλιάω in ἡβυλλιῶσαι (ὀρχηστρίδες, Ar. Ra. 516; κόραι, Pherekr. 108, 29) ‘in der Jugendblüte stehende (Tänzerinnen)’, hypokoristische Bildung der Komikersprache im Anschluß an die Deminutiva auf -ύλλιον (μειρακύλλιον u. a.); Hypothese bei Leumann Glotta 32, 215 m. A. 5. — Wenn aus idg. *i̯ēgu̯ā, stimmt ἥβη genau zu lit. jegà ‘Kraft, Stärke’, lett. ję̃ga ‘Kraft, Verstand’. — Der ital. PN lat. Iegius = osk. Ieíis (s. W.-Hofmann s. v.) ist, weil der Bedeutung nach unbekannt, für etymologische Kombinationen nicht verwertbar. Zu ἥβη auch ἁβρός (s. d.)? I-620
ἤβολος in ἤβολον ἦμαρ· καθὸ ἀπαντῶσιν εἰς ταὐτόν, ἢ εὔκαιρον, ἱερόν H. (=Kall. Fr. anon. 170). — Wohl archaisierende Kürzung aus ἐπήβολος. Anders Prellwitz Glotta 19, 126 (s. zu ἀβολέω). I-620
ἠγάθεος (ep. seit Il.), ἀ̄γάθεος (Pi. P. 9, 71) ‘hochheilig’. — Aus ἀγά-θεος metrisch gedehnt; vgl. ἠνεμόεις von ἄνεμος und Schwyzer 104A.1 m. Lit., Bechtel Lex. s. v., Chantraine Gramm. hom. 1, 98. I-620
ἠγανές · καθαρόν, νέον H., ἠγάν<ε>ος· νεανίσκος H. — Aus διηγανές (s. d.) gekürzt. I-620
ἤγανον n. ‘Bratpfanne’ (Anakr. 26). Davon ἠγάνεα· πέμματα τὰ ἀπὸ τηγάνου H. — Durch falsche Worttrennung aus τήγανον (als τ’ ήγανον aufgefaßt) entstanden. Schwyzer 413 nach Solmsen Unt. 46 m. A. 1. — Verfehlt Winter Prothet. Vokal 28. I-621
ἡγέομαι, dor. ἁγ-, Aor. ἡγήσασθαι, Fut. ἡγήσομαι (seit Il.), Perf. ἥγημαι, ἅγ- (Hdt., Pi.), Aor. Pass. ἡγήθην (Pl. Lg. 770b, Pap.) ‘vorangehen, führen’, nachhom. auch ‘meinen, glauben’; sehr oft mit Präfix in verschiedenen Sinnfärbungen, δι-, εἰσ-, ἐξ-, καθ-, περι-, ὑφ- usw. Zahlreiche Ableitungen, sowohl vom Simplex als auch namentlich von den Kompp. (die dor. Formen werden nicht besonders notiert). Nomina actionis: 1.ἥγησις ‘Leitung’ (LXX), älter und gewöhnlicher εἰσ-, ἐξ-, δι-, περι-, ὑφ-ήγησις usw. (vgl. Holt Les noms d’action en -σις, s. Index); als Vorderglied in verbalen Rektionskomposita, z. B. ‘Ηγησί-λεως, ’Αγησί-λαος (Hdt. usw.; auch appellativisch). 2. ἥγημα ‘Führung, Meinung’ (LXX, Pergamon), älter und gewöhnlicher ἀφ-, εἰσ-ήγημα usw. mit -ηγημάτιον, -ηγηματικός. Nomina agentis: 3. ἡγεμών, -όνος m. ‘Führer’ (seitIl.; zur Bildung Schwyzer 522 m. Lit., Fraenkel Glotta 32, 25f,; auch von den Kompp., z. B. καθηγεμών) mit ἡγεμονεύω ‘führen, herrschen’ (seit Il.; wie βασιλεύω u. a.), selten -έω (Pl.; vgl. Fraenkel Denom. 184f., Schwyzer 732), ἡγεμον-ία, ἡγεμόνευ-μα, ἡγεμον-ικός u. a.; Fem. ἡγεμόνη Bein. der Artemis u. a. (Kall. usw.; Schwyzer 490 A. 4, Sommer Nominalkomp. 145). 4. ‘Ηγήμων att. EN (vgl. ἥγημα). 5. ἡγήτωρ, -ορος m. ‘ds.’ (ep. seit Il.), ’Αγήτωρ Bein. des Zeus in Sparta (X.), auch N. des Aphroditepriesters in Kypern (E. Kretschmer Glotta 18, 87). 6. ἡγητήρ, -ῆρος m. ‘ds.’ (Pi., S. u. a.; auch ὑφ-, προ-, καθ-ηγητήρ [Trag. u. a.]) mit (προ-)ἡγήτειρα (A. R. u. a.), -τήριος (Ath. u. a.). 7. ἡγητής ‘ds.’ (A. Supp. 239), gewöhnlicher εἰσ-, ἐξ-, δι-, καθ-, προ-ηγητής u. a. (ion. att. usw.); Versuch einer semantischen Differenzierung von ἡγήτωρ, -ητήρ bei Benveniste Noms d’agent 46; zu ἡγητής noch Fraenkel Nom. ag. 2, 13. Adj. 8. (ἐξ-, δι- usw.) ἡγητικός (hell. u. spät). — Außerdem steht ἡγέ-ομαι als Hinterglied in Zusammenbildungen auf -της, z. B. κυν-ηγέτης "Hundeführer", ‘Jäger’ (seit Od.), ἀρχ-ηγέτης, f. -τις ‘Inhaber der Herrschaft, Urheber(in)’ (Hdt., Pi. usw.), teilweise neben -ηγός und nach diesem auch auf ἄγω bezogen, s. Chantraine Et. sur le vocab. gr. 88ff. m. Lit., Sommer Zum Zahlwort 12 m. A. 1. Eine andere Zusammenbildung mit Ausgang nach den σ-Stämmen ist περι-ηγής ‘einen Kreis bildend, herumliegend’ (Emp., A. R., Kall. u. a.). — Zu ἡγηλάζω s. bes. — Das dehnstufige Iterativpräsens ἡγέομαι, ἁ̄γέομαι, wovon alle übrigen Themaformen ebenso wie die hierhergehörigen Nomina ausgehen, hat eine nahe Entsprechung in den Jot-präsentia lat. sāgio ‘spüren, wittern’ = germ., z. B. got. sokjan ‘suchen, angreifen’ (letzteres könnte auch zu ἡγέομαι aus idg. *sāgeio/e- stimmen). Aus dem westidg. Gebiet kommt noch hinzu das kurzvokalische air. saigim, -id ‘einer Sache nachgehen, suchen’, wohl altes Jotpräsens, s. Thurneysen Grammar 354; zum Vokal vgl. lat. săgāx. Sehr unsicher dagegen heth. šak-ḫi, -i ‘weiß’. — Das Wort stammt wahrscheinlich aus der Jägersprache, eig. ‘wittern, suchen’; Näheres zur Bedeutung Schwyzer 29 und Chantraine a. a. O. Weitere Formen mit älterer Lit. bei WP. 2, 449, Pok. 876f. I-621-622
ἠγερέθοντο, -θονται, -θεσθαι, — Erweiterung von ἀγείρω, s. d. I-622
ἡγηλάζω ‘führen, schleppen’ (κακὸν μόρον, βίοτον βαρύν usw.; λ 618, ρ 217, A. R. 1, 272, Arat. 893, Orac. ap. Zos. 1, 57). — Expressive Erweiterung von ἡγέομαι, wohl eher mit Bechtel Lex. s. v. durch Zusammenschweißung mit ἐλάω und Ausgang nach den produktiven Verba auf -άζω als mit L. Meyer, Schwyzer 734, Risch 257, Chantraine Gramm. hom. 1, 338 u. A. durch Vermittlung eines Nomens *ἡγηλός, *ἡγήλη (vgl. immerhin ἀγέλη von ἄγω). Vgl. auch Ronconi Stud. itfilcl. N. S. 14, 184 (zur Bed.). I-622
ἠδέ ‘und’ mit und ohne vorangeh. ἠμέν, auch ἠδὲ καί, τ’ἠδέ usw. (ep. poet. seit Il.). — Aus 1. ἦ ‘fürwahr’ und δέ (s. dd.). Einzelheiten bei Schwyzer-Debrunner 565. I-622
ἤδη ‘schon, sogleich, (gerade) jetzt’ (seit Il.). — Aus 1. ἦ ‘fürwahr’ und δή ‘eben’ (s. dd.) zusammengewachsen. Schwyzer-Debrunner 563, Leumann Mus. Helv. 6, 87. I-622
ἥδομαι, dor. ἅδ-, böot. (Korinn.) ϝάδ- (γάδεται· ἥδεται H.), Aor. ἡσθῆναι (ion. att.), Fut. ἡσθήσομαι (S., Pl.), Aor. Med. ἥσατ̂ο (ι 353) ‘sich freuen, sich ergötzen’, auch mit Präfix, namentlich συν-; vereinzelt Akt. ἥδω, ἧσαι, ἥσω ‘erfreuen, ergötzen’ (Antipho Soph., hell. u. spät; nach τέρπω u. a.; Schwyzer-Debrunner 228). Davon 1. ἦδος n. ‘Freude, Vergnügen’ (ep. seit Il.; über das Fehlen des Hauchs und die fraglichen Spuren des Digamma Chantraine Gramm. hom. 1, 184 und 151); im Sinn von ‘Essig’ Rückbildung aus ἡδύς, s. d.; als Hinterglied -ηδής, im allg. auf ἡδύς bzw. ἥδομαι bezogen oder dazu neugebildet: ἀ-ηδής ‘unangenehm’ (ion. att.), μελι-ηδής ‘honigsüß’, θυμ-ηδής ‘herzerfreuend’ (ep. poet.) u. a. 2. ἡδονή, dor. ἁδονά ‘Vergnügen, Genuß’ (ion. att. dor.; Schwyzer 490, Chantraine Formation 20) mit ἡδονίς = ἀφύδιον (Kyran. 18), ἡδονικός (Arist. usw.). 3. ἁδοσύνα· ἡδονή H. 4. ἥσθημα ‘ds.’ (Eup.). 5. ἡστικός ‘angenehm’ (S. E.). — Ein genaues formales Gegenstück zu dem dehnstufigen thematischen Wurzelpräsens ἥδομαι liefert das aind. ἅπ. λεγ. svādate ‘schmackhaft werden(?)’ (RV. 9, 68, 2; vom Soma); weit gewöhnlicher sind indessen die hochstufigen svadate, -ti ‘genießen, sich gefallen lassen, wohlschmecken’ bzw. ‘schmackhaft machen, versüßen’. Das Hinterglied -ηδης stimmt zu aind. prá-svādas- ‘angenehm’ (RV. 10, 33, 6); das Nasalsuffix in ἡδ-ονή ist in aind. svā́d-ana- ‘schmackhaft machend’ (RV. 5, 7, 6), -anam n. ‘das Schmecken’ (klass.) vorhanden. — Weiteres s. ἡδύς und ἁνδάνω; vgl. auch ἀδημονέω. I-622-623
ἡδύς, dor. ἁδύς, el. usw. ϝαδύς ‘süß, wohlschmeckend, angenehm, erfreulich’ (seit Il.); sehr oft als Vorderglied, z. B. ἡδυ-επής ‘mit süßen Worten, angenehm lautend’ (ep. poet.); als Hinterglied fungiert -ηδής, s. ἥδομαι. Zu ἡδίων (selten u. spät ἡδύτερος), ἥδιστος s. Seiler Steigerungsformen 57f. Ableitungen: ἥδυμος ‘suß, erquickend’, daktylische Nebenform von ἡδύς, gew. von ὕπνος (ep. poet. seit Il.; bei Hom. immer fälschlich νήδυμος, s. Bechtel Lex. s. v., Leumann Hom. Wörter 44f.), auch Ἅδυμος als EN; vgl. ἔτυμος und Schwyzer 494, Chantraine Formation 151f.; ἡδύλος ‘ds.’, hypokoristische Erweiterung (A. D., EM) mit ἡδυλίζω ‘schmeicheln, verlocken’ (Men.), ἡδυλίσαι· συνουσιάσαι, ἡδυλισμός· συνουσία H.; auch als EN mit ‘Ηδυλίνη (Attika IVa), ‘Ηδύλειος (Delos IIIa); dazu noch ‘Ηδυτώ (Attika Va; nach ’Ερατώ u. a.), ‘Ηδάριον (Rhodos; nach den Demin. auf -άριον). Rückbildung ἦδος ‘Essig’ (Ath. u. a.), vgl. γᾶδος (= ϝ-)· γάλα, ἄλλοι ὄξος H., zur Bedeutung Schwyzer Festschrift Kretschmer 244ff.; auch Pisani KZ 68, 176f. (wo noch das mehrdeutige arm. k‘ac̣ax ‘Essig’ herangezogen wird). Denominatives Verb ἡδύνω ‘versüßen, schmackhaft machen, würzen’ (ion. att.) mit ἥδυσμα, -μάτιον ‘Würze’ (ion. att.), ἡδυσμός ‘süßer Geschmack’ (LXX), ἡδυν-τός, -τικός, -τήρ ‘gewürzt usw.’ (auch auf das Salz bezogen). — Altes Wort für ‘süß’, mit aind. svādú-, gall. Suadu-rīx, -genus identisch, idg. *suādú-s; dazu noch mit regelmäßiger Umbildung des u-Stammes lat. suāvis, germ., z. B. ahd. suozi, ags. swēte ‘süß’. Die auffallende Hochstufe des Positivs stammt wahrscheinlich aus dem Komparativ ἡδίων, aind. svā́dīyas- (wozu noch ἥδιστος = svā́diṣṭha-). Die Schwundstufe ist durch lit. súdyti ‘würzen, salzen’, aind. sūdáyati, Perf. pl. su-ṣūd-imá ‘schmackhaft machen, gehörig einrichten usw.’ vertreten. — Weitere Formen mit Lit. bei WP. 2, 516f., W.-Hofmann s. suāvis. S. auch ἥδομαι, ἁνδάνω. I-623
ἠερέθονται, (-ντο) 3. sg. Präs. (Prät.) Med. ‘(sie) schweben, flattern’ (Il., A. R., Opp.; Versende). — Zu ἀείρω gebildet wie ἠγερέθοντο, -ται zu ἀγείρω; s. d. m. Lit. I-623
ἠέριος 1. ‘früh, morgendlich’, auf ἦρι ‘in der Frühe’ bezogen (sicher A. R. 3, 417: Gegensatz δείελον ὥρην); 2. ‘nebelig’ = ἠερόεις, ‘in der Luft befindlich, luftig’ (Simon. 114, Hp. Vict. 1, 10, A. R., Arat., Opp.). — Die Homerstellen (immer am Versanfang) sind nicht ganz klar; zu ἀήρ, ἠέρος wahrscheinlich Γ 7 (γέρανοι), dagegen ι 52 (von den angreifenden Kikonen) vielmehr zu ἦρι (vgl. vv. 56-58 und Harrison ClRev. 51, 215); unsicher Α 497, 557 (von der aus dem Meere bis zum Olympos aufsteigenden Thetis). Vgl. Buttmann und Bechtel Lex. s. v., Risch 105, Kretschmer Glotta 10, 53 A. 1. — Im Sinn von ‘früh’ ist von einem Adv. *ἤερι (vgl. ’Ηερί-βοια Ε 389) auszugehen, falls nicht nach 2. aus *ἤρι-ος archaisierend umgebildet (vgl. ἠέλιος : ἥλιος). S. ἦρι. I-624
ἠερόεις, ἠεροειδής ‘nebelig, umwölkt’, — von ἀήρ, ἠέρος, s. d. I-624
ἠερόφωνος Σ 505 κηρύκων ... ἠεροφώνων, danach Opp. H. 1, 621 γεράνων ... ἠ., eig. ‘deren Stimme durch den Nebel (in die Luft) ertönt, laut rufend’, = μεγαλοφώνων, πληρούντων φωνῆς τὴν ἀέρα H. — Ahrens Philol. 27, 590 will dafür nach Alkm. 26, 1 ἱεροφώνων schreiben. Jedenfalls nicht mit Muller Mnemos. 46, 139ff. zu lat. aes usw. als ‘mit eherner Stimme’; vgl. Kretschmer Glotta 11, 247. I-624
ἠθέω, Aor. ἠθῆσαι (Ptz. ἤσας Hp. ap. Gal. 19, 103), Perf. Pass. ἤθημαι, sehr oft δι-ηθέω (ἐκ-, προσ-διηθέω usw.), auch ἀπ-, ἐξ-ηθέω ‘(durch)seihen, (-)sieben’ (ion. att.). Ableitungen: ἠθμός (hεθμος Sigeion VIa, Hdn.) ‘Durchschlag, Sieb’ (att. usw.) mit ἠθμάριον· διυλιστήριον H., διηθμεύοντες s. v. διυλίζοντες; (δι-)ἤθησις ‘das (Durch)seihen’ (Arist., hell. u. spät), (ἀπ-, δι-, παρ-)ἤθημα ‘das Geseihte’ (Mediz.), ἠθήνιον· ἠθάνιον, ἠθμός H.; ἠθητήρ (Marc. Sid.), -τήριον (Str.) ‘Sieb’; ἠθητός ‘gesiebt’ (Pap. IIIa), ἠθητικός ‘zum Seihen geeignet’ (Thphr.). — Wenn aus dem Aor. Ptz. ἤσας und dem Nomen ἠθμός ein Präsens *ἤθω erschlossen werden darf, steht daneben ἠθέω wie στερέω neben στέρομαι usw. (Schwyzer 721). Bei Abtrennung des θ wie in ἀλή-θω (: ἀλέ-ω), πλή-θω (: πλῆ-το) u. a. (Schwyzer 703; auch ἠ-θμός wie ῥυ-θμός usw.?) erhält man Anschluß an das aksl. Jotpräsens pro-sějǫ, Inf. -sějati ‘(durch)sieben’, wovon lit. sijóju, -ti ‘ds.’ nicht zu trennen ist. Zu ἠ-θέω gesellt sich dann mit Ablautswechsel sē(i)- : sī- auch ἱ-μαλιά· τὸ ἐπίμετρον τῶν ἀλεύρων H. Hinzu kommen einige Nomina nicht nur aus dem balto-slavischen sondern auch aus dem germanischen und keltischen Gebiet: russ. sito = lit. síetas ‘Sieb’ (idg. *sēi-to-), anord. sāld (vgl. finn. LW siekla, seula) = kymr. hidl ‘ds.’ (idg. *sē-tlo-). — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 459, Pok. 889, Vasmer Russ. et. Wb. s. síto. I-624
ἦθος n. ‘Gewohnheit, Sitte, Charakter, Sinnesart’ (Hes., Pi., ion. att.), ἤθεα pl. ‘(gewohnter) Aufenthalt, Wohnsitz’ (vorw. ep. ion. poet. seit Il.). Als Vorderglied mit analog. Komp.-vokal z. B. in ἠθο-ποιός ‘sittenbildend’ (Arist. usw.), als Hinterglied z. B. in κακο-ήθης ‘mit böser Gesinnung’ (ion. att.) Ableitungen: ἠθεῖος ‘vertraut, geliebt’ (Hom., Hes.), auch ἠθαῖος (Pi., Antim.), nach γενναῖος u. a. (verfehlt J. Schmidt Pluralbild. 387, Sandsjoe -αῖος 102f.); ἠθάς, -άδος m. f. ‘gewohnt, vertraut’ (Hp., S., E., Ar. u. a.) mit ἠθάδιος ‘ds.’ (Opp.); ἠθικός ‘den Charakter betreffend, sittlich’ (Arist. usw.; vgl. Verdenius Mnemos. 3 : 12, 241ff.); ἠθαλέος ‘gewohnt’ (Opp., Epigr.; Debrunner IF 23, 26). — Zu ἦθος im allg. s. Johanna Schmidt, Ethos. Beitr. zum antiken Wertempfinden (Borna 1941); auch Verdenius a. a. O. Von dem sinnverwandten ἔθος unterscheidet sich ἦθος nur in bezug auf die Dehnstufe, die mit ō-Abtönung auch in εἴωθα (s. d.) erscheint. Die Vokallänge in μῆκος, ἦδος, κῆδος u. a. ist anders zu beurteilen. Über Spuren des Digamma Chantraine Gramm. hom. 1, 150. I-625
ἤϊα 1., auch ᾖα n. pl. ‘Reisekost, Nahrung’ (Ν 103, Od.), = βρώματα, ἄχυρα (s. 2.), ἐφόδια H. — Nicht sicher erklärt. Nach Thumb KZ 36, 179ff. (wo teilweise andere Gruppierung) mit ἤϊος· πορεύσιμος H. Verbalnomen zu εἶμι ‘gehen’. Vendryes REGr. 23, 74 vergleicht, formal nicht befriedigend, aind. sasyám n. ‘Feldfrucht’ u. Verw.; nicht besser mit Froehde u. A. (s. Bechtel Lex.) zu aind. avasám n. ‘Nahrung’ (wohl zu ávati ‘fördern, erfrischen usw.’; s. Mayrhofer Wb. s. v.). I-625
ᾖα 2. n. pl. etwa ‘Spreu, Getreidehalme’ (ε 368, Pherekr. 161), = ἄχυρα H.; vgl. εἰαί· τῶν ὀσπρίων τὰ ἀποκαθάρματα, εἶοι· ὀσπρίων τὰ καθάρσια H. Hierher auch ἤϊα κριθάων = ἄλευρα (Nik. Al. 412)? — Unerklärt. Unwahrscheinliche Hypothesen bei Thumb KZ 36, 179ff., Sommer Lautstud. 154 A. 1 (nach Peppmüller BB 3, 92); s. Bq. I-625
ἤϊε Vok., Beiwort von Φοῖβε unbekannter Bedeutung und unbekannter Herkunft (Ο 365, Υ 152, h. Ap. 120). — Mehrere Hypothesen: aus der Interjektion ἤ wie ἰήϊος aus ἰή (LSJ; vgl. ἤϊος· παιανιστής H. neben πορεύσιμος; s. 1. ἤϊα); von ἠώς (vgl. ἠϊ-κανός) als ‘morgendlich strahlend’ (Bq mit Ehrlich KZ 40, 364); von ἵημι bzw. aind. ásyati ‘werfen’ als ‘Schütze’ (Aristarch bzw. Froehde BB 19, 235). I-625
ἠΐθεος, auch ᾔθεος (oder ἠΐθεος?; B. 16, E. Ph. 945; ᾄθεος Kerk. 9, 11, vgl. unten) ‘unverheirateter Jüngling, Junggeselle’ (vorw. ep. poet. seit Il.; vgl. Leumann Hom. Wörter 305 und 316f.), vereinzelt auch ‘Jungfrau’ (Eup. 332), in dieser Bedeutung auch ἠϊθέη (Nik., AP). Keine Kompp. oder Ableitungen. — Altertümliches und poetisches Wort, schon von Benfey (s. Bechtel Lex.) mit aind. vidhávā, slav., z. B. russ. vdová, germ., z. B. got. widuwo, lat. vidua usw., idg. *u̯idhéu̯ā ‘Witwe’ verbunden (unbegründeter Zweifel bei Wackernagel Festgabe Kaegi 44 A. 1 = Kl. Schr. 472 A. 1). Zu *u̯idhéu̯ā wurde, vielleicht erst in den betreffenden Einzelsprachen, ein maskuliner Ausdruck für ‘verwitwet, unverheiratet’ hinzugebildet, lat. viduus, russ. usw. vdóvyĭ. Einzelheiten m. Lit. bei WP. 1, 240, W.-Hofmann s. viduus; dazu noch Sommer Münch. Stud. 11, 20 A. 32. So setzt auch ἠΐθεος ein entsprechendes Femininum voraus, das aber durch χήρα ersetzt worden ist. — Anlaut. ἠ- erklärt sich unschwer als metrische (rhythmische?) Dehnung eines prothetischen ἐ- (vgl. Bq s. v., Fußn. nach de Saussure Mélanges Graux 740ff.; dazu noch Čop KZ 74, 228); ἀ- bei Kerk. ist Hyperdorismus (ἠΐθεος Sapph. 44, 18). Nach Anderen (Froehde BB 7, 327ff., Prellwitz Glotta 19, 126, Sturtevant Lang. 15, 149) wäre ἠ- (ἀ̄-) präfixal. I-625-626
ἠϊκανός · ὁ ἀλεκτρυών H. — Eig. "Frühsänger", Zusammenbildung aus ἠϊ- (für *ᾱυσ-ι-, zu ἕως, alter Lokativ, falls nicht vielmehr mit kompositionellem -ι- neben *ᾱυσ-ρ(ο)- in αὔριον, ἄγχ-αυρος u. a.) und einem Verb für ‘singen’ in lat. canō, nhd. Hahn usw. (s. καναχή). Zum Akzent Wackernagel Philol. 95, 182f.; zum Sachlichen Ammann Glotta 25, 1ff.; dazu noch Wolters Festschrift Lambros 486ff. (Kretschmer Glotta 27, 35f. mit weiteren Bemerkungen). — Synonyme Bildungen mit verwandtem Vorderglied sind aind. uṣā-kala-, uṣaḥ-kala- m. (Lex.) und alt- u. nisl. ār-gali m. ‘Hahn’ (Lidén Meijerbergs arkiv f. svensk ordforskn. 1 [1939], 84ff. m. Lit. und wichtigen Einzelheiten). I-626
ἠϊόεις in ἐπ’ ἠϊόεντι Σκαμάνδρῳ Ε 36 (Versende), danach als Beiwort von Πάνορμος und von πεδίον (Q. S. 1, 283; 5, 299), von κόλλουρος (N. eines Fisches, Marc. Sid. 22). — Wenigstens von den Späteren auf ἠϊών ‘Ufer, Gestade’ bezogen als ‘mit (hohen) Ufern, am Ufer befindlich’; vgl. ἠϊόεντι· ἠϊόνας ἔχοντι H. Nach Anderen ‘schilfreich’ mit ganz willkürlicher Deutung von 2. ᾖα oder sogar ‘ertragreich, fruchtbar’ (zu 1. ἤϊα). — Zur Bildung Schwyzer 527 und Leumann Hom. Wörter 301; zu den verschiedenen Erklärungen Buttmann Lexilogus s. v. I-626
ἠϊών (ᾐών E. Or. 994), dor. ἀϊών, -όνος f. ‘Ufer, Gestade, Strand’ (fast nur ep. poet. seit Β 561). Davon wahrscheinlich ἠϊόεις, s. bes. — Örtlichkeitsbenennung auf -ών (vgl. Chantraine Formation 164) unbekannter Herkunft. Unannehmbare Hypothesen von Fick GGA 1894, 237 (zu lat. āra), von Froehde BB 20, 212 (zu lat. ōs usw.), von Pisani Ist. Lomb. 77, 550 (zu αἶα). I-626-627
ἦκα Adv. ‘leise, still, langsam, ein wenig’ (ep. seit Il.); adj. Kompar. ἥττων, ion. ἥσσων ‘geringer, schwächer’ (seit Il.), Superl. ἤκιστος ‘langsamster’ (Ψ 531), Adv.ἥκιστα ‘am wenigsten, durchaus nicht’ (ion. att.), ἥκιστος ‘schwächster, schlimmster’ (Ael.). Ableitungen. Von ἦκα: ἤκαλος = ἀκαλός (Kall.), ἠκαλέον γελόωσα· πράως, οὐκ ἐσκυθρωπακυῖα, ἠκαῖον· ἀσθενές H. — Von ἥσσων, ἥττων: ἡσσάομαι, ἡττάομαι ‘geringer sein, unterliegen’ (nach νικάομαι) mit der Rückbildung ἧσσα, ἧττα f. ‘Niederlage’ (Trag., Th., ion. att.); ion. (Hdt., Herod.) dafür ἑσσόομαι (von *ἕσσων, Neubildung nach κρέσσων). Zu ἦκα (mit ep. Psilose wie ἤκιστος; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 187) vgl. ὦκα und andere Adverbia auf -ᾰ (Schwyzer 622). Verwandt ist nach Froehde BB 16, 192, Osthoff IF 5, 297 lat. sēgnis ‘langsam, träge’ aus *sēc-ni-s; zum alternierenden n-Suffix vgl. πύκ-α : πυκ-νός und Benveniste Origines 89f. Einzelheiten m. Lit. bei Seiler Steigerungsformen 65ff. — Zu ἦκα gehört nach Doederlein u. A. (Bechtel Lex. 156) ἀκήν, ἀκαλά; dagegen Buttmann Lexilogus 1, 13f. I-627
ἤκεστος nur in ἤνις ἠκέστας (βοῦς, Ζ 94 = 275 = 309), Bedeutung unsicher. — Im Anschluß an ἠκέστης· ἀδάμαστος Suid. gewöhnlich als ‘ungezähmt, ungebändigt’ zu κεντέω, κένσαι ("ungestachelt") gezogen. Ebenso Schwyzer RhM 80, 213, der indessen die Erklärung aus ἤ-κεστος (mit metr. Dehnung für *ἄ-κεστος) mit Recht ablehnt und dafür einen ursprünglichen Sing. (βοῦν) ἤνιν νηκέστην (wie νη-κερδής u. a.) annimmt, der durch Einfachschreibung des ν und falsche Worttrennung den entsprechenden Plural ergeben hätte. — Nach Anderen ‘ausgewachsen, ἀκμαῖος’; vgl. zu ἠκή. I-627
ἠκή · ἀκωκή, ἐπιδορατίς, ἀκμή H.; ἡ ὀξύτης τοῦ σιδήρου EM 424, 18 unter Anführung von Archil. 43: ἵστη κατ’ ἠκὴν κύματός τε κἀνέμου. Davon ἠκάδα· ἠνδρωμένην γυναῖκα H.; zur Bildung Chantraine Formation 351f., zur Bedeutung vgl. ἀκμαῖος. Als Hinterglied fungiert in den ep. Epitheta ἀμφ-ήκης ‘mit beidseitiger Schneide’, τανυ-ήκης ‘mit dünner Schneide’ u. a. ein σ-Stamm, der analogisch sein kann (Schwyzer 513, Risch 77); das -η- kann gleichzeitig auf kompositioneller Dehnung beruhen. Aus den Kompp. stammt ἠκές· ὀξύ H. (vgl. Leumann Hom. Wörter 111f.). — Dehnstufige Bildung (idg. *āḱ) neben ἀκ-ή. ἄκ-ρος (s. dd.) u. a.; mit ō-Abtönung das reduplizierte ἀκ-ωκ-ή. I-627
ἥκω (seit Ε 478, ν 325; Hom. sonst ἵκω), hell. u. spät auch mit Perfektflexion ἧκα, ἡκέναι, Fut.ἥξω (seit A.), dor. ἡξῶ (Theok.), Aor. ἧξαι (spät), oft mit Präfix, z. B. καθ- (κατ-), προσ- (ποθ-), ἀν-, προ-, παρ-ήκω, ‘gekommen sein, angelangt sein, da sein’ (ion. att., auch dor.; zur perfektischen Bedeutung Schwyzer-Debrunner 274). Keine Ableitungen. — Neben dem perfektischen ἥκω steht mit Präsensbedeutung ἵ̄κω (ep. lyr. dor. ark.), s. d. Weder der ē-Vokal (idg. sē(i)q- ?) noch die Perfektbedeutung sind indessen aufgeklärt. Ausführliche Behandlung bei Johansson Beiträge zur griech. Sprachkunde (1890) 62ff. I-628
ἠλακάτη f. (seit Ζ 491), durch Assimilation auch ἠλεκάτη (Delos, Kyrene u. a.), äol. ἀλακάτα (Theok. 28, 1; aber ἠλακάτα E. Or. 1431 [lyr.]) ‘Spindel’, auch übertragen von spindelähnlichen Gegenständen. Als Hinterglied u. a. in χρυσ-ηλάκατος (-ᾱλ- Pi.) ‘mit goldener Spindel’ (Il. usw.). Davon das Deminutivum ἠλεκάτιον (Delos IIa), ἠλάκατα n. pl. ‘Wollfäden auf der Spindel (?)’ (Od., Alex. Aet.), ἠλακατήν, -ῆνος m. N. eines großen Fisches (nach der Korperform; Men. u. a.; vgl. Solmsen Wortforsch. 121, Thompson Fishes s. v.), ’Ηλακάτεια n. pl. N. eines Festes in Sparta (Sosib. 18). Myk. a-ra-ka-te-ja (Nom. pl. f.)? — Bildung und Herkunft unklar. Die Zusammenstellung mit lit. lenktùvas, lañktis ‘Garnwinde, Haspel’ (Bezzenberger BB 4, 330f.; zunächst von leñkti ‘biegen, krümmen’), womit nach Lidén Armen. Stud. 130f. arm. il, Gen. iloy ‘Spindel’ (aus idg. *ēlo-) entfernt verwandt sein könnte, erklärt weder Anlaut noch Bildung. Solmsen Wortforsch. 121f. ist deshalb geneigt, in ἠλακάτη ein kleinasiatisches Wort zu sehen, das von den dortigen Griechen aufgenommen wäre. Neugriechische Formen ἀλεκάτη (vgl. arm. aɫēkat ‘Spinnrocken’), λεκάτη usw. bei Schulze KZ 33, 167 (= Kl. Schr. 357) m. Lit., Rohlfs WB No 762. Unwahrscheinlich über den Anlaut Prellwitz Glotta 19, 125f., Čop KZ 74, 228. Wurzelanalyse bei Bq, auch WP. 2, 435. — Ein altererbtes Wort für ‘Spindel’ ist ἄτρακτος. I-628
ἠλάσκω ‘umherirren, umherschweifen’ (Β 470, Ν 104, Emp., D. P.). Erweiterte Form ἠλασκάζω ‘ds.’ (Σ 281), ‘durchirren’ (mit Akk., h. Ap. 142), ‘vermeiden’ (ι 457; v. l. ἠλυσκάζει, vgl. ἀλυσκάζω s. 2. ἀλέα und Trümpy Fachausdrücke 226). — Durch Kreuzung mit ἀλαίνω entstand ἠλαίνω ‘ds.’ (Theok., Kall.). Das expressive ἠλάσκω (Schwyzer 708, Chantraine Gramm. hom. 1, 317) unterscheidet sich von dem davon nicht zu trennenden ἀλάομαι (s. d.) durch die Länge des anlautenden Vokals. Da diese innerhalb des Griechischen keine überzeugende Erklärung gefunden hat (vgl. Bechtel Lex.), hat Prellwitz Wb. alten Ablaut angenommen unter Heranziehung von lett. âl’a ‘halb verrückter Mensch’ (gegenüber aluôt : ἀλάομαι). — Hierher wahrscheinlich ἠλεός (s. d.) mit ἠλίθιος u. a. I-628-629
ἠλέκτωρ Ben. der Sonne bzw. Beiwort des ‘Υπερίων (Ζ 513, Τ 398, h. Ap. 369; danach Emp. 22, 2); Akk. -τορα (Euph. 110), Dat. -τωρι (Epic. in Arch. Pap. 7, 4), Gen. -τωρος (Choerob.); vgl. Schwyzer 531 m. A. 6. m. Davon ἠλεκτρίς f. Beiw. des Mondes (Orph. ‘Η 9, 6); ἤλεκτρον n., -ος m. f. (zum Genus, an den ältesten Stellen nicht ersichtlich, vgl., außer LSJ, Schwyzer-Debrunner 34 A. 4) ‘mit Silber gemischtes Gold, Bernstein’ (seit Od.) mit ’Ηλεκτρίδες νῆσοι ‘die Bernsteininseln’ (Str., Plin.), ἠλεκτρώδης ‘bernsteinartig’ (Hp., Philostr.), ἠλέκτρινος (dor. ἀλ-) ‘aus Bernstein usw.’ (Kall., Luk., Hld.), ἠλεκτρόομαι ‘ἤ. werden’ (Zos.Alch.); ἠλέκτραι· τὰ ἐν τοῖς κλινόποσι τῶν σφιγγῶν ὄμματα (Phot.). — Dazu mehrere EN: ’Ηλέκτρα, ’Αλεκτρώνα (Rhodos), ’Ηλεκτρύων (nach ’Αμφιτρύων; vgl. Bechtel Dial. 2, 656). — Unerklärt; v. Wilamowitz Glaube 1, 255 nimmt aus ungenügenden Gründen karischen Ursprung an. Unannehmbare idg. Etymologien sind bei Bq notiert. I-629
ἠλεός ‘verwirrt, töricht’, Vok. auch ἠλέ (ep. seit Il.); ἀλεός (-αι- cod.)· ὁ μάταιος, ἄφρων. Αἰσχύλος H., ἀλεόφρων· παράφρων H. Denominatives Verb ἀλεώσσειν· μωραίνειν H. Adj.-abstraktum ἠλοσύνη (Nik., spät. Epiker; s. Pfeiffer Philol. 92, 1ff., 8, A. 14), äol. ἀλοσύνα (Theok. 30, 12), wohl metrisch für ἠλεο-, ἀλεο-. Daneben ἤλιθα Adv. 1. ‘übermäßig, gewaltig’ (Hom., immer ἤλιθα πολλή(ν); A. R., Nik., Man.; zur Bedeutungsentwicklung Bq 320 A. 2), 2. ‘umsonst, vergebens’ (Kall., A. R., Nik.); die Bildung hat in den lokalen und temporalen Adv. auf -θα (ἔνθα, δηθά, μίνυνθα) ebenso wie in den Zahladv. διχθά u. a. ein unvollkommenes Gegenstück. Davon ἠλίθιος (dor. ἀλ-) ‘eitel, vergeblich, dumm, einfältig’ (Pi., ion. att.; hελιθιον Adv. IG 12, 975 [VIa]) mit ἠλιθι-ώδης (Philostr.), -ότης (att.), -όω (A.), -άζω (Ar.). — Hierher noch ἠλέματος (äol. dor. ἀλ-) ‘eitel, töricht’ (Sapph., Alk., Theok., A. R., Kall. u. a.); — Bildung unklar, nach Bechtel Dial. 1, 44 haplologisch für *ἠλεμόματος. — Schwierig bleibt die Beurteilung der Verba ἀλλο-φρονέω ‘von Sinnen sein, bewußtlos sein’ (Hom., Hdt., Hp., Theok.) und ἀλλο-φάσσω ‘irre reden’ (Hp.). Nach Fick, dem Bechtel Lex. s. ἀλλοφρονέω und ἠλεός und Leumann Hom. Wörter 116 A. 82 zustimmen, steckt im Vorderglied eine äolische Entsprechung von ἠλεός, d. h. *ἆλλος aus *ἀ̄λι̯ος (wovon der Vok. *ἆλλε = ἠλέ Ο 128); vgl. ἀλεό-φρων oben. Später wäre es als ἄλλος aufgefaßt (so Hdt. 7, 205). Da der medizinische Ausdruck ἀλλοφάσσω nicht äolisch sein kann, muß er entweder nach ἀλλοφρονέω gebildet sein oder das Pronominale ἄλλος enthalten; vgl. Leumann Hom. Wörter 309 A. 82. Wie ἐνεός, κενεός, ἐτεός u. a. gebildet, erinnert ἠλεός an ἠλάσκω, ἀλάομαι (und ἀλαός?), ist aber sonst ohne Entsprechung. Eine Entlehnung aus dor. *ἀ̄λεά wird von WP. 1, 88 (nach Prellwitz BB 20, 303) in lat. ālea ‘Würfelspiel, Würfel’ (eig. "die Verwirrte, Törichte"?) vermutet. I-629-630
ἡλιαία f. ‘Versammlung (der Richter), Volksgericht, Gerichtshof’ s. ἁ̄λής. I-630
ἠλίβατος, dorisiert ἀλ-, Adj. ungewisser Bedeutung (ep. poet. seit Il., hell. u. späte Prosa), bei Hom. immer, in der Folgezeit oft von πέτρη (-α) aber auch von verschiedenen anderen Gegenständen, δρύες, ἄντρον, Τάρταρος, κῦμα u. a., als ‘steil, hoch, tief’, später auch als ‘gewaltig, groß’ verstanden, vgl. Buttmann Lexilogus 2, 176ff. (‘steil’ oder ‘glatt’). Daneben ἠλιβάτᾱς (τράγος, Antiph. 133, 3). — Unerklärt. Ein anderes schwerverständliches Epithet von πέτρη ist αἰγίλιψ, s. d. Vgl. noch ἠλιτενὴς πέτρα· ὑψηλή Suid. Verfehlte idg. Etymologien sind bei Bq notiert; s. noch Fraenkel Nom. ag. 2, 75f. mit weiteren Einzelheiten. Nach Buttmann Lexilogus 2, 176ff. aus *ἠλιτό-βατος = ἄβατος, δύσβατος (vgl. ἠλιτό-μηνος) mit Silbendissimilation. I-630
ἤλιθα, ἠλίθιος s. ἠλεός. I-630
ἡλίκος, dor. ἁ̄λ- (Theok.) ‘wie alt, wie groß’, relatives und indir. interrogatives Pron. (ion. att.). Daneben das Demonstrativum τηλίκος, dor. τᾱλ- ‘so alt, so groß’ (seit Il.) mit τηλικόσδε, τηλικοῦτος (att.) und das Interrogativum πηλίκος ‘wie alt?, wie groß?’ (ion. att.). — Aus dem Relativstamm ὁ-, ἁ̄- (s. 1. ὅς) und einem suffixalen (ᾱ)λικ-; des weiteren s. πηλίκος und τηλίκος. Eine parallele Bildung ist aksl. je-likъ ‘(tantus) quantus’. Vgl. auch zu ἧλιξ. I-630
ἧλιξ, dor. ἇλιξ m. f. ‘Altersgenosse, -in, gleichaltrig’ (seit σ 373). Als Hinterglied in παν-αφ-ῆλιξ ‘ganz ohne Genossen’ (X 490). Gewöhnlich als nur altersbezeichnendes Hinterglied, z. B. ὁμ-ῆλιξ ‘gleichaltrig’ (seit Il.,; ὁμ- ursprünglich nur verdeutlichend) mit ὁμηλικ-ίη ‘Gleichaltrigkeit, Altersgenossenschaft, Altersgenosse’ (seit Il.), ἀφ-ῆλιξ, ion. ἀπ- ‘vom mannbaren Alter entfernt’, d. h. ‘ältlich’ (seit h. Cer. 140), aber auch ‘jugendlich’ (Phryn. Kom. u. a.), wohl eig. Rückbildung aus ἡλικία. Abstraktbildung ἡλικία, -ίη ‘Altersgenossen(schaft)’ (Π 808), wohl auch ‘Gleichaltrigkeit’ (Χ 419; vgl. Porzig Satzinhalte 206f., 273 und Ω 487), ‘Alter, mannbares, reifes Alter, Zeitalter’ (nachhom.); davon ἡλικιώτης, f. -τις ‘(Alters)genosse, -in’ (ion. att.), kret. ϝαλικιώτας (β-της cod.)· συνέφηβος H. — Zu ἧλιξ, ἡλικία s. bes. Chantraine Et. sur le vocab. gr. 155ff. — Kret. ϝαλικιώτας läßt auf ein ursprüngl. *σϝᾱλιξ schließen, das vom idg. Reflexivum *su̯e (in ϝhe, s. ἕ, ἑ) mit demselben Suffix gebildet ist, das in thematischer Form in ἡλίκος, τηλίκος, πηλίκος (s. dd.) erscheint (vgl. Chantraine op. cit. 152ff.). Somit eig. "der die eigene (selbe) Art, Beschaffenheit hat". Ähnlich aind. sva-ka- ‘Verwandter, Freund’ und ἔτης; auch ἀέλιοι; s. dd. I-630-631
ἥλιος, ep. ἠέλιος, dor. äol. ark. ἀέλιος, dor. (Trag.) auch ἅλιος m. ‘Sonne’ (seit Il.). Mehrere Kompp., u. a. als Pflanzen- und Tiernamen, z. B. ἡλιο-τρόπιον, -κάνθαρος (Strömberg Pflanzennamen 48 und 75, Wortstudien 11). Ableitungen: ἡλιώτης (ἠελ-), f. -τις ‘zur Sonne gehörig’ (S., AP u. a.), ἡλιακός (ἁλ-) ‘ds.’ (hell. u. spät; vgl. Chantraine Formation 393f.); ‘Ηλιάδες f. pl. ‘Sonnentöchter’ (Parm., A. R. u. a.; auch sg. als Adj. [Luk.]) mit dem Mask. ‘Ηλιάδης ‘Sohn d. S.’ (Str., D. S., Luk.); vgl. Chantraine 356 u. 362f.; ἡλιώδης ‘sonnenartig’ (Chaerem. u. a.), ‘Ηλιών m. Monatsname (Termessos), ἡλίτης (λίθος Dam. Isid. 233; vgl. Redard Les noms grec en -της 54). Denominative Verba: 1. ἡλιόομαι ‘von der Sonne beschienen werden, den Sonnenstich bekommen’ (ion. att.) mit ἡλίωσις (Hp., Thphr. u. a.), -όω ‘der Sonne aussetzen’ (Aöt.). 2. ἡλιάζομαι ‘sich sonnen’ (Arist. usw.), -άζω ‘an der Sonne backen’ (Str. u. a.) mit ἡλίασις ‘Sonnenbestrahlung’ (Gal., D. C.), ἡλιαστήριον ‘Sonnenplatz’ (Str., Pap.). 3. ἡλιάω ‘der Sonne aussetzen, der Sonne ähnlich sein’ (Arist. usw.). — Das bei H. als kretisch überlieferte ἀβέλιος (nach Herakleid. Mil. pamphyl.; vgl. Bechtel Dial. 2, 667), d. h. ἀϝέλιος, bezeugt ein ursprüngl. *σᾱϝέλιος, das sich von aind. sū́rya- ‘Sonne’ (neben sū́ra-) nur im Ablaut unterscheidet. In beiden Sprachen ist ein l-Stamm, idg. *sāu̯el-, *sūl- (vgl. aind. súvar n. aus *suu̯el; Hochstufe noch z. B. in lit. sáulė, kymr. haul, Schwundstufe z. B. in air. sūil ‘Auge’) durch ein personifizierendes i̯o-Suffix erweitert worden. Zugrunde liegt ein neutraler heteroklitischer l-n-Stamm, der in aw. hvarə (= aind. s(ú)var), Gen. xvə̄ng (aus urar. *su̯an-s) noch lebt und auch im Germanischen im Wechsel zwischen got. sauil, anord. ags. sōl und got. sunno, ags. sunne ‘Sonne’ zu verspüren ist. Weitere Formen aus den verschiedenen Einzelsprachen mit reichen Literaturangaben bei WP. 2, 446f., Pok. 881f., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. sōl, Vasmer Russ. et. Wb. s. sólnice. Ob Beziehung zu idg. su̯el- ‘schwelen, brennen’ (s. εἵλη) vorliegt, ist gänzlich unsicher. — In etr. avil ‘Jahr’ will Maresch Μνημης χάριν 2, 27f. eine Entlehnung aus gr. ἀϝέλιος finden. I-631-632
Ἦλις, -δος dor. (Pi.) Ἆλις, f., Landschaft im Westen des Peloponnes, urspr. die Küstenebene am Peneios und Alpheios (κοίλη Ἦλις), ihre Hauptstadt (seit Il.). Davon ’Ηλεῖος (seit Λ 671), el. ϝαλεῖος ‘elisch, Eleer’, ’Ηλ(ε)ιακός ‘ds.’ (Str. u. a.). — Unter Annahme einer ursprüngl. Bedeutung ‘Tiefland, Hohlland’ wird *ϝᾶλις von Curtius 360 mit lat. vallis ‘Tal’ (aus *u̯alnis, evtl. *u̯alsis; zum Lautlichen Schwyzer 383 und 385 m. Lit.) gleichgesetzt. Weitere unsichere Kombination bei W.-Hofmann s. v. I-632
ἠλιτόμηνος eig. "den Monat verfehlend" ("im Monat sich vergreifend" Schwyzer 442; ähnlich Vos, s. u.), d. h. ‘zu früh geboren’ (Τ 118; danach AP, Plu. u. a.). — Späte Analogiebildungen sind ἠλιτο-εργός (AP), ἠλιτόμηνις· ὁ μάτην ἐγκαλῶν H., -μητιν (Epic. in Arch. Pap. 7, 5, Fr. 1 R. 49; vgl. ad loc.). — Verbales Rektionskompositum aus dem Aorist ἀλιτεῖν (s. ἀλείτης) und μήν mit metrischer Dehnung von ἀ̆- zu ἠ- (ἀ̆λιτόξενος Pi. O. 10, 6). Über den Kompositionsvokal -o- Schwyzer 442 und ausführlich Sommer Nominalkomp. 125ff.; über die Bildung des Hinterglieds ebd. 59. S. noch Vos Glotta 34, 290ff. m. reicher Lit. I-632
ἧλον n. Pflanzenname, = βράβυλον oder κοκκύμηλον (Seleuk. ap. Ath. 2, 50a). — Unerklärt. I-632
ἧλος, dor. ἇλος m. ‘Nagel, Nagelkopf, nagelähnliche Erhöhung’ (seit Il.). Kompp., z. B. ἀργυρό-ηλος ‘mit silbernen Nägeln verziert’ (Hom.), ἡλο-κόπος ‘Nagelschmied’ (Pap.). Davon das Deminutivum ἡλάριον (Pap.); ἡλῖτις Beiwort von λεπίς (Dsk., Aët.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 112); denominatives Verb ἡλόω, fast nur mit Präfix, z. B. προσ-, ἐφ-, καθ-ηλόω ‘annageln’ (ion. att., hell.) mit καθήλω-σις, -μα. — Nach γάλλοι· ἧλοι zu schließen, das als äolisch für ϝάλλοι stehen kann (keine sicheren Spuren von Digamma bei Hom., da ja ἀργυρό-ηλος metrisch bedingt sein kann; s. noch Chantraine Gramm. hom. 1, 155f.), ist ἧλος auf *ϝάλνος oder *ϝάλσος zurückzuführen (vgl. zu Ἦλις) und läßt sich dann mit lat. vallus ‘Pfahl, Schanzpfahl’ gleichsetzen (Wackernagel KZ 25, 261 = Kl. Schr. 1, 205), obgleich die abweichende Bedeutung trotz Persson Beitr. 1, 539f. nicht ganz zu übersehen ist. Weitere, sehr fragliche Kombinationen bei W.-Hofmann s. v. — Abzulehnende Hypothesen bei Bq (auch Add. et corr.). I-632
ἠλύγη f. ‘Schatten, Dunkelheit’ (Ar. Ach. 684, H., Erot. s. ἐπηλυγάζονται), auch ἦλυξ (Choerob.), mit ἠλυγαῖος ‘schattig, dunkel’ (Suid.), ἠλυγισμένος· κεκρυμμένος, ἐπεσκιασμένος H. — Gewöhnlicher ist ἐπηλυγάζομαι, -ίζομαι (-ζω) ‘überschatten, verdecken’ (Hp., Th., Pl., Arist. usw.) mit ἐπηλυγισμός H. s. ἠλύγη; daneben (postverbal?) ἐπήλυγα Akk. ‘überschattend’ (πέτραν, E. Kyk. 680), ἐπηλύγαιος ‘schattig, dunkel’ (AB, H.). Zu ἠλύγη gesellt sich das poet. Adj. λῡγαῖος ‘dunkel’ (S., E., A. R., Lyk. u. a.), das sich indessen in bezug auf den Anlaut und die Vokallänge davon trennt. Eine Erklärung bleibt noch zu finden. Die Annahme eines Präfixes ἠ- (zuletzt Prellwitz Glotta 19, 125) befriedigt ebensowenig wie bei ἠβαιός, ἠρέμα u. a. Da ἠλύγη weit seltener ist als ἐπηλυγάζομαι, hat man vielleicht vom Verb auszugehen. Dabei könnte -η- unursprünglich sein wie in ἐπ-ήβολος, ἐπ-ηετανός usw. (s. dd.). — Eine überzeugende Anknüpfung fehlt. Nach Scheftelowitz IF 33, 166 und Loewenthal WuS 10, 169 zu einigen baltisch-slavischen Wörtern für ‘Lache, Sumpf’, lit. liũgas, russ. lúža u. a., wozu noch als illyr. ἕλος Λούγεον καλούμενον (Str. 7, 43; bei Tergeste), alb. lëgate ‘ds.’. Einzelheiten bei Fraenkel Lit. et. Wb. und Vasmer Russ. et. Wb. s. vv.; dazu noch Porzig Gliederung 175. I-632-633
’Ηλύσιον Beiwort von πεδίον (δ 563, A. R. 4, 811, Str., Plu. u. a.), auch ohne Hauptwort (IG 14, 1750); vereinzelt ’Ηλύσιος λειμών, χῶρος (Luk., sp. Inschr.) Aufenthalt der Seligen nach dem Tode. Davon ’Ηλύσιος ‘elysäisch’ (αὖραι usw., IG 14, 1389). Hierher auch ἐν-ηλύσιος· ἐμβρόντητος, κεραυνόβλητος H., ἐνηλύσια (A. Fr. 17)· τὰ κατασκηφθέντα χωρία H., eig. "im Elysion befindlich", weil der vom Blitz getroffene nach einem verbreiteten Volksglauben in eine höhere Daseinsform erhoben wurde (s. Cocco, Titel unten). In derselben Bed. auch das Simplex ἠλύσια n. pl. (Polem. Hist. 93). — Unerklärt, ohne Zweifel vorgriechisch (z. B. Malten ArchJb. 28, 35ff.; über das Elysion als vorgriechische Vorstellung Nilsson Gr. Rel. 1, 324ff. m. Lit.). Oft mit ἐλεύσομαι, ἤλυθον verbunden (EM 428, 36, Fick 13, 200, Capelle Arch. f. Religionswiss. 26, 30ff.); dagegen u. a. Wackernagel Dehnungsgesetz 5 (= Kl. Schr. 2, 901), Güntert Kalypso 38 A. 3. Unhaltbare idg. Etymologien auch von Schrader Sprachvergleichung und Urgesch.3 435 (zu lit. vė̃lės ‘Geister der Toten’, awno. valr m. sg. ‘die Leichen auf dem Schlachtfelde’ usw.; dagegen Güntert a. a. O.), von Carnoy Beitr. z. Namenforschung 7, 119 (zu ἦλος· τόπος..., ἐν ᾧ οὐδὲν φύεται H.). Die Erklärungen aus dem Semitischen (Lewy Fremdw. 219ff., Cocco Biblos 31, Sonderdruck 1ff.) sind ebenfalls als verfehlt zu betrachten. I-633
ἧμα n. ‘Wurf’ s. ἵημι. I-633
ἧμαι, 3. sg. ἧσται, 3. pl. εἵαται (für ἥαται), ἕαται, Ipf. ἥμην (ep. poet.; auch Hdt.); ion. att. dafür κάθ-ημαι (κάτ-), κάθηται, 3. pl. κάθηνται, κατ-έαται, Ipf. (ἐ-)καθήμην ‘sitzen’. Mit Präfix ἔφ-, selten ἄφ-, ἔν-, μέθ-, ὕφ-ημαι (ep. poet.). Sehr oft zu κάθημαι, weil als Simplex aufgefaßt, z. B. ἐγ-, ἐπι-, προ-, συγ-κάθημαι (ion. att.). — Altes Verb für ‘sitzen’, auch im Indoiranischen und Hethitischen (nebst Nachbarsprachen) erhalten: aind. ā́ste, aw. āste = ἧσται (idg. *ēs-tai), aind. ā́sate = ἥαται (idg. *ēs-n̥tai; aw. ā̊ŋhənte thematische Umbildung); mit anderer Flexion heth. 3. sg. eša(-ri), 3. pl. ešanta(-ri), luw. aš-, hier.-heth. as-. Der Spiritus stammt von ἕζομαι, ἵζω (anders Lohmann Gnomon 16, 63; s. auch die Lit. bei Schwyzer 680 A. 1). Über die Abgrenzung von idg. ēs- gegenüber sed- vgl. Porzig Gliederung 91; zu einer sehr fraglichen Vermutung Hirts (IF 37, 227f.) über die Entstehung von idg. *ēs-tai aus *ē-sd-tai (sed-) s. Mayrhofer Wb. s. ā́ste mit Lit. I-633-634
ἥμαιθον n. N. einer Münze, nach H. = ἡμιωβέλιον. διώβολον παρὰ Κυζικηνοῖς (Herod., Phoen., Rhodos usw., Bechtel Dial. 2, 654; 3, 301). — Zu ἡμι- (oder darauf bezogen) mit bemerkenswerter Elision (vgl. Schwyzer 434); sonst unklar (αἰθός, αἴθω?). I-634
ἦμαρ, dor. ark. ἆμαρ, -ατος n. ‘Tag’ (ep. poet. seit Il.; vgl. unten). Als Hinterglied z. B. in ἐνν-, ἑξ-, αὐτ-, παν-, προ-ῆμαρ ‘neun Tage lang’ usw. (Hom. u. a.); zum Komp. typus Leumann Hom. Wörter 100f. (gegen Wackernagel Glotta 2, 1ff.). Abl. ἠμάτιος ‘täglich, bei Tage’ (Hom., Hes., AP). — Erweiterte Form ἡμέρα, ion. -ρη, dor. usw. ἀμέρα, lokr. ἀμάρα ‘ds.’ (seit Il.); zur Bedeutung v. Windekens Philol. Stud. 11-12, 25ff. Als Vorderglied z. B. ἡμερό-κοιτος ‘sein Lager am Tage ein. nehmend, bei Tage schlafend’ (Hes. u. a.); als Hinterglied z. B. in ἐφ-ήμερος (Pi., ion. att.; -έριος poet. seit Od.) ‘nur einen Tag lebend, vergänglich, täglich’ mit ἐφημερίς, -ία, -εύω, -ευτήριον. Zu τήμερον, μεσημβρία s. bes. Ableitungen: ἡμέριος (ἁμ-) ‘nur einen Tag lebend, täglich’ (Trag. in lyr. usw.), ἡμερινός ‘zum Tage gehörig’ (ion. att.; Chantraine Formation 201), ἡμερήσιος (-ίσιος?; s. Debrunner Glotta 13, 169) ‘einen Tag dauernd, zum Tage gehörig, täglich’ (ion. att.; Chantraine 42), ἡμεραῖος ‘ds.’ (Pap.), ἡμερούσιος Adv. ‘täglich’ (Pap. IVp u. a.; nach ἐπιούσιος; Debrunner a. a. O.). Denominatives Verb ἡμερεύω ‘den Tag zubringen’, auch mit Präfix, δι-, παν- (ion. att.); davon ἡμέρευσις ‘das Zubringen eines Tages’ (Aq.). — Zu ἦμαρ, wohl ionisiert aus äol. ἆμαρ und aus Homer in dorisierende Dichtung, auch in feierliche prosaische Formeln (ark. ἄματα πάντα) eingedrungen, bietet arm. awr ‘Tag’ (idg. *āmōr; vgl. τέκμαρ : -μωρ) ein bemerkenswertes Gegenstück; sonst ist dies Wort in keinem Sprachzweig vorhanden. Das erweiterte ἡμέρα (lokr. ἀμάρ-α), worüber Chantraine Formation 228, kann den Spiritus aus ἑσπέρα bezogen haben (Schwyzer 305, Wackernagel Unt. 45 A. 1). Über ἦμαρ und ἡμέρη bei Homer Debrunner Mus. Helv. 3, 40ff.; über das pluralisch gebrauchte ἦμαρ Leumann Hom. Wörter 100, der gegen Wackernagel, Benveniste u. a. darin eine Neuerung erblickt. I-634-635
ἡμεδαπός ‘der unsere, einheimisch’ (att.). — Das synonyme aind. asmad-ī́ya- ‘unser’ läßt auf ein suffixales -απος schließen (vgl. zu ἀλλοδαπός). Zum Stamm ἡμεδ- = asmad- vgl. ἡμεῖς und Schwyzer 604 m. A. 1. Anders Szemerényi KZ 73, 59f. m. A. 1 und 2. I-635
ἡμεῖς, Akk. ἡμᾶς, ion. ἡμέας, dor. ἁ̄μές, Akk. ἁ̄μέ, äol. ἄμμες, Akk. ἄμμε ‘wir, uns’ (seit Il.). Davon die Possessiva ἡμέ-τερος, Dor. ἁμέ-τερος, ἁμός, äol. ἀμμέ-τερος, ἄμμος ‘unser’. Die Akkusative ἁ̄μέ, ἄμμε gehen auf *ἀσμε zurück (s. unten) und ergaben durch Angleichung an die Nominalflexion die Nom. ἁ̄μές, ἄμμες, dann auch ἡμεῖς (wohl aus -έες) mit dem neuen Akk. ἡμέας, durch unregelmäßige Kontraktion (oder nach ἧμᾰς π 372?) ἡμᾶς. Hinzu kamen die Genetive ἡμῶν, ἡμέων, ἁ̄μέων, ἀμμέων. Zu den Dativen ἡμῖν usw. s. unten. — Die altertümlichen ἁ̄μέ, ἄμμε aus *ἀσμε stimmen genau zu aw. ahma ‘uns’; in aind. asmā́n ‘ds.’ wurde die nominale Endung hinzugefügt. Andere Formen wie aind. nas (enklitisch), lat. nōs, got. uns aus idg. *nō̆s bzw. *n̥s erweisen für *ἀσμε = aw. ahma eine idg. Grundform mit einem angehängten Element -sme: *n̥sme aus *n̥s-sme. Der Spiritus in ἁ̄μ-, ἡμ- läßt sich analogisch aus ὑμ- erklären. — Der Dativ ἡμῖν, dor. ἁ̄μῑ̆ν, äol. ἄμμι(ν) aus *ἀσμι(ν) erinnert stark an die indoiranischen Demonstrativa und Interrogativa aw. ahmi, ásmin ‘in eo’, aw. kahmi, aind. kásmin ‘in quo?’; dazu noch kret. ὅτι-μι, μήδι-μι. Die Länge -ῖν ist jedenfalls eine Neuerung (nach den langvokalischen Ausgängen in ἡμ-ῶν, -εῖς usw.?). — Das Griechische hat wie das Latein und das Keltische den besonderen Nominativ für ‘wir’, got. weis, heth. u̯ēš, aind. vay-ám usw. eingebüßt und durch den Akkusativ ersetzt. — Einzelheiten mit reicher Lit. und Diskussion bei Schwyzer 600ff. I-635
ἠμέν mit ἠδέ korrespondierend ‘sowohl — als auch’ (ep. poet. seit Il.). — Aus 1. ἦ ‘fürwahr’ und μέν. Vgl. zu ἠδέ. I-635
ἥμερος ‘zahm, gezähmt, gesittigt, veredelt’ (seit ο 162, auch Tab. Herakl. 1, 172; codd. Pi. und A. falsch ἅμ-). Negiert ἀν-ήμερος ‘unkultiviert, roh, wild’ (A., hell. und spät); fungiert als Verbaladj. zu ἡμερόω, Frisk Adj. priv. 12f. Als Vorderglied in ἡμερό-φυλλος "mit veredelten Blättern", ‘veredelt’ (ἐλαία; Isyll. 20). Ableitungen: ἡμερίς (sc. ἄμπελος) ‘veredelter Weinstock (ε 69 usw.) mit ἡμερίδης ‘auf die ἡμερίς bezüglich’ (οἶνος, Διόνυσος; Plu.); ἡμερότης ‘Zahmheit, Milde, Urbarmachung’ (ion. att.), ἡμερία ‘ds.’ (Pap.); denominatives Verb ἡμερόω ‘zähmen, unterwerfen, kultivieren, veredeln’ (ion. att.) mit ἡμέρ-ωσις ‘Veredlung, Urbarmachung’ (Thphr., D. S. u. a.), -ωμα ‘kultivierte Pflanze’ (Thphr.; vgl. Chantraine Formation 186f.), -ωτής ‘Zähmer’ (Max. Tyr.). Zum Akzent vgl. ἐλεύθερος; wie dies einen Gegensatz (: ἄγριος) ausdrückend. — Mehrere hypothetische Deutungsvorschlage: zu aind. yámati ‘bezwingen, bändigen’ (WP. 1, 207); zu aind. sāntvam n. ‘Milde’, nhd. sanft usw. (Froehde BB. 21, 324f., Pedersen Symb. phil. Danielsson 267); zu einem westgerm. Wort für ‘traurig, kummervoll’, ahd. jāmar usw. (Solmsen KZ 32, 147). I-635-636
ἠμί 3. sg. ἠσί, dor. ἠτί, fast nur im Ipf., namentlich 3. sg. ἦ ‘er sprach’ (1. sg. ἦν) gebräuchlich (seit Il.). ‘sprechen’ — Erstarrtes verbum dicendi; zu dem altererbten ἦ aus *ἦκ-τ (idg. *ēĝ-t) entstanden nach dem Muster von φημί, φησί, ἔφην die übrigen Formen. Schwyzer 678 m. Lit. — Damit ablautend ἄνωγα ‘befehle’, s. d. I-636
ἡμι- ‘halb-’ (seit Il.). Davon 1.ἥμισυς (-τυς), eig. Subst. m. ‘Hälfte’ (ὁ ἥμισυς τοῦ ἀριθμοῦ; pl. ἡμίσεις Φ 7), τὸ ἥμισυ (seit Il.; nach τὸ ὅλον), (Adj.) f. ἡμίσεια, epid., ther. ἡμίτεια (Brugmann Grundr.2 2, 1, 447). Auch in Kompp., z. B. ἡμισύ-τριτον n. ‘drittehalb’ (Archil. 167), ἡμιτυ-εκτου (Gen.) ‘ein halber ἑκτεύς’ (kret.). Durch regressive Assimilation ἥμυσυς (Erythrae Va usw.). Zu lesb. αἴμι(συς) Schwyzer 185 und 274. Durch Überführung in die ο-Stämme (Schwyzer 472) ἥμισσον n. ‘Hälfte’ (aus -τϝ-ον; dor. ark.). Denominative Verba ἡμισεύω ‘halbieren’ mit ἡμίσευμα ‘Hälfte’ (LXX u. a.), mit Aphärese μίσευμα ‘ds.’ (Perga; Wilhelm Glotta 14, 75ff.); ἡμισιάζω ‘ds.’ (Hero u. a.; vgl. die Verba auf -ιάζω Schwyzer 735). — 2. ἡμί̄να f. ‘Hälfte’ (kret. kypr.; Bechtel Dial. 1, 448), auch als Maß (Sizilien; daraus lat. LW hēmīna); zur Bildung vgl. δωτί̄νη und Chantraine Formation 205, Schwyzer 491. — 3. ἡμίχα· ἡμιστατῆρα H.; vgl. δίχα. — Vgl. noch Schwyzer 434 und 599. — Alter Ausdruck für ‘halb-’, auch in aind. sāmi-, lat. sēmi-, germ., z. B. ahd. sāmi- ‘ds.’ erhalten. Die funktionelle Identität tritt in parallelen (nicht altererbten) Kompp. zutage: aind. sāmi-jīva- = lat. sēmi-vīvus, vgl. ἡμί-βιος und ahd. sāmi-queck "halb-lebend", ‘halbtot’. Für den von Persson Beitr. 1, 144 vermuteten Zusammenhang mit *sem- ‘eins’ (s. εἷς) hat Gonda Reflexions on the numerals ‘one’ and ‘two’ 35ff. neue Gründe beigebracht. I-636
ἤμορος · ἄμοιρος; davon ἠμορίς· κενή, ἐστερημένη. Αἰσχύλος Νιόβῃ (Fr. 165); ἠμόριξεν· ἄμοιρον ἐποίησεν H. — Ion. att. aus *ἄ-σμορος und mit hom. (äol.) ἄ-μμορος identisch; s. zu μείρομαι (μόρος, μοῖρα) und κάμμορος. — Schwyzer 310; vgl. noch Schulze Herm. 28, 25 (= Kl. Schr. 401). I-637
ἦμος (ep. poet. seit Il.) ‘als, während’ s. τῆμος. I-637
ἠμύω, Aor. ἠμῦσαι, auch mit κατ-, ἐπ-, ὑπ-, ‘sich neigen, (mit dem Kopf) nicken, zusammenstürzen’ (ep. poet. seit Il.); vereinzelt trans. ‘senken, zugrunde richten’ (A. R., Musae.); daneben ἀ̆μύω ‘ds.’ (Hes. Fr. 216). Hierher wahrscheinlich auch das Perf. ὑπεμνήμῡκε X 491 für ὑπ-εμήμῡκε (mit metr. Dehnung); Schwyzer 774, Bechtel Lex. s. ἠμύω m. Lit. — Unerklärt. I-637
ἤν Interjektion, um die Aufmerksamkeit zu erregen ‘he!, siehe da!’, auch ἠνίδε (ἢν ἴδε), ἢν ἰδού (Ar., Herod., hell.). Angehängt in argiv. ταδ-έ̄ν, το̄νδεο̄ν-έ̄ν. — Das damit identische lat. ēn ist wenigstens teilweise als griech. Entlehnung zu verstehen. Schwyzer-Debrunner 566, W.-Hofmann s. v. m. Lit. und weiteren Einzelheiten. I-637
ἡνία (Hom., Hes., Pi.), n. pl. ἡνίαι f. pl., auch -ία sg. (nachhom.), dor. ἁν- (ἀν-) ‘Zügel’. Als Vorderglied u. a. in ἡνί-οχος "Zügelhalter", ‘Wagenlenker’ (seit Il.; ep. auch -ῆα, -ῆες, metrisch bedingt) mit ἡνιοχ-ικός, -έω (ep. -εύω), -ησις, -εία. Als Hinterglied z. B. in χρυσ-ήνιος ‘mit goldenen Zügeln’ (ep. poet.). — Da lak. ἀνιοχίο̄ν = ἡνιοχέων (IG 5 [1], 213) ursprüngliche Psilose zu verbürgen scheint (Herkunft des Hauches unbekannt), kann ἀ̄νία auf *ἀνσία zurückgehen und mit einem keltischen Wort für ‘Zügel’, mir. ē(i)si pl. (aus *ansio-) identisch sein. Dazu werden noch aus dem Lat., Balt. und Germ. einige Ausdrücke für ‘Griff, Henkel usw.’ gestellt, lat. ānsa = lit. ąsà, awno. ǣs f. (< *ansiā) ‘Loch zum Durchziehen der Schuhriemen’ (wegen der Bedeutung sehr zweifelhaft). — Walde Stand u. Aufgaben 153f. Weitere Lit. und überholte Auffassungen bei Bq, WP. 1, 68, W.-Hofmann s. ānsa, Puhvel Lang. 30, 456f. I-637
ἡνίκα, dor. äol. (Pi., Theok.) ἁνίκα, ἀν- relat. Konj. ‘wann, zu der Zeit wo’ (seit χ 198). Daneben τηνίκα, πηνίκα; vgl. zu ἡλίκος. — Nach Persson IF 2, 250f. zum Relativum ὁ-, ἁ̄- (s. 1. ὅς) mit demselben Ausgang wie αὐτί-κα, ὅ-κα; zu -νι- vgl. ark. ὀ-νί. Nicht besser mit Buttmann u. A. (s. Schwyzer 629): τηνίκα aus *τὴν ϝίκα "hac vice", wozu ἡνίκα usw. — Zur Interjektion ἤν? fragend Schwyzer-Debrunner 652 A. 2. Andere Hypothesen bei Szemerényi Glotta 35, 112f. I-637
ἤνῑς ep. Beiwort von βοῦς, βοῦν (Hom.) Akk. pl.; sg. ἤνῑν (ἦνιν?); Gen. sg. ἤνιος A. R. 4, 174. — Wohl mit Sch. Α 1 ‘Jährling, einjährig’, Vr̥ddhibildung von einem Wort für ‘Jahr’, das auch in ἐνιαυτός (s. d.) u. a. erhalten ist. Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 114 A. 1 (= Kl. Schr. 2, 1171 A. 1) mit Kritik anderer Ansichten. Zur Stammbildung Schwyzer 463 mit A. 5. I-638
ἠνορέη ‘Manneskraft, Mannhaftigkeit’ (ep.). — Abstraktbildung von ἀνήρ, s. d. I-638
ἦνοψ, -οπος Beiwort von χαλκός (Π 408, Σ 349 = κ 360), von οὐρανός und πυρός (Kall. Fr. anon. 24, 28); auch PN (Il.). Bedeutung schon im Altertum streitig, vgl. H.: ἤνοπα· λαμπρόν, πάνυ ἔνηχον, διαφανῆ. — Bildung auf -οψ (Schwyzer 426, Chantraine Formation 258), aber sonst unklar; urspr. wohl *ϝῆν-οψ (Chantraine Gramm. hom. 1, 152); vgl. νῶρ-οψ, αἶθ-οψ, auch von χαλκός. Mehrere vergebliche Deutungsversuche von Bezzenberger BB 1, 338, Reichelt KZ 39, 67, Charpentier KZ 40, 452 A. 2, Froehde BB 18, 63, Stokes BB 20, 223 (vgl. Bq); s. noch Kuiper MAWNied. NR. 14 : 5, 27 A. 2. I-638
ἤνυστρον n. ‘der vierte Magen der Wiederkäuer, Labmagen’, auch als Ben. eines Gerichts (Ar., Arist. u. a.); — ἐν- (LXX) nach ἔντερα, ἐγκοίλια usw. Von ἤνυστρον, falls aus *ϝήνυστρον, unterscheidet sich ein nordgerman. Wort für ‘Labmagen’, z. B. norw. dial. vinstr f. nur bezüglich der Quantität der ersten Silbe und der Farbe des Zwischenvokals; gr. -υ- kann aus ὑστέρα analogisch übertragen sein. Als gemeinsame Grundform wäre idg. *u̯ē̆nes-tro-, -trā- anzusetzen. Dazu noch, im Suffix abweichend, ahd. wanast ‘Wanst’, auch ‘der erste Magen der Wiederkäuer’, aind. vaniṣṭhú- m. etwa ‘Mastdarm’ (urspr. r-Stamm? Frisk Suff. -th- im Idg. 34f.). — Lidén KZ 61, 19ff. mit Kritik anderer Ansichten. I-638
ἠπανᾷ und ἠπανεῖ· ἀπορεῖ, σπανίζει, ἀμηχανεῖ H. Daneben ἠπανία· ἀπορία, σπάνις, ἀμηχανία H., EM 433, 17; coni. in AP 5, 238. — Hängt irgendwie mit πανία ‘πλησμονή’ zusammen; somit metr. Dehnung für *ἀ-πανία (WP. 2, 8)? Nicht mit Fick 2, 42 zu πῆ-μα, πη-ρός oder mit Curtius zu πένομαι (mit präfixalem ἠ- nach Prellwitz Glotta 19, 126). I-638
ἠπάομαι, Aor. ἠπήσασθαι, Perf. Ptz. Pass. ἠπημένος ‘flicken, ausbessern’ (Hes. Fr. 172, Ar. Fr. 227, Gal., Aristid. u. a.). Davon ἠπητής ‘Flicker, Ausbesserer’ (X. Kyr. 1, 6, 16 [schlechtere v. l. ἀκεσταί], Batr., Pap.; von den Attizisten verworfen, vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 15 m. A. 2), f. ἠπήτρια (Pap.); ἤπητρα pl. ‘Flickerlohn’ (Pap.), ἠπητήριον ‘Flickerwerkzeug, Nadel’ (Ael. Dion.). — Zur Bildung vgl. πηδάω und andere Deverbativa mit gedehntem ē-Vokal (Schwyzer 719); sonst dunkel. Nach Prellwitz KZ 47, 302 u. A. zu ἤπιος; Charpentier ZDMG 73, 137f. vergleicht aind. vápati ‘scheren’. I-638-639
ἦπαρ, -ατος n. ‘Leber’ (seit Il.). Als Vorderglied z. B. in ἡπατοσκοπέω ‘die Leber (als Wahrsager) besehen’ (LXX). Ableitungen: ἡπάτιον Ben. eines Gerichts (Ar. usw.); ἡπατῖτις f. ‘zur Leber gehörig, lebergefärbt’ (Hp. usw.), auch als N. eines Steins und einer Pflanze (Plin., Ps.-Dsk.; Redard Les noms grecs en -της [s. Index], Strömberg Pflanzennamen 41); ἡπατ-ικός, -ιαῖος, -ίας, -ηρός ‘auf die Leber bezüglich’ (Hp. u. spät); ἥπατος m. N. eines Fisches (Kom., Arist. u. a.; zum unbekannten Benennungsmotiv Strömberg Fischnamen 45f.; nach Thompson Fishes s. v. eher ägyptisch [?]). — Das idg. Wort für ‘Leber’, *i̯ē̆qu̯r̥(-t), Gen. *i̯equ̯n-és (-ós) ist als heteroklitisches Neutrum auch in aind. yákr̥t, yakn-ás und indirekt in lat. iecur, iecin-or-is erhalten. In anderen Sprachen ist der alte Wechsel ausgeschaltet worden: airan. yākarə, mpers. ǰakar, npers. ǰigar (aber pashto yī̆na; zu bemerken noch airan. huyāɣna-, nach Krause KZ 56, 304ff. für *ha-yākana- eig. "von gemeinsamer Leber"), alit. (j)ẽknos f. pl. Oft sind neue Benennungen geschaffen worden, u. a. wegen der kulinarischen Verwendung der Leber, wohl auch zu tabuistischen Zwecken, z. B. ngr. συκώτι (: σῦκον), lat. fīcātum (> frz. foie usw.), russ. péčenь (von pekú ‘backen’; ebenso lit. kẽpenos von kepù ‘ds.’). Andere Ersatzwörter sind: germ., z. B. ahd. lebara (vgl. zu λίπος), arm. leard (Ausgang von *i̯équ̯r̥t übernommen), heth. li-e-ši; des weiteren s. Buck Synonyms 251f. — Die Versuche, die l-Formen mit *i̯équ̯r̥t unter Annahme eines ursprünglichen Anlauts li̯- zu vereinigen (J. Schmidt Pluralbild. 198f.; ebenso Benveniste Origines 132 mit willkürlicher Wurzelanatomie und Etymologie) erübrigen sich. Weitere Lit. bei W.-Hofmann s. iecur, Fraenkel Lit. et. Wb. s. (j)ẽknos, WP. 1, 205f., Pok. 504; dazu Winter Lang. 31, 4ff. I-639
ἠπεδανός ‘schwach, hinfällig, gebrechlich’ (ep. poet. seit Il., Hp.). — Bildung wie ῥιγεδανός, πευκεδανός (Chantraine Formation 362, Schwyzer 530, Risch 98) aber sonst wie so viele Gefühlsadjektive unklar. Bezzenberger BB 1, 164 und Charpentier KZ 40, 442ff. vergleichen lit. opùs ‘zart, empfindlich, gebrechlich’ (daneben *ἦπος n. wie ῥῖγος zu ριγεδανός Risch), aind. apuvā́ ‘lähmender Schrecken, Panik, Todesangst’ (zur Bed. K. Hoffmann Corolla linguistica 80ff., der auch apers. afuvā anreiht). Andere Vermutungen bei Schulze Q. 148 A. 4, Prellwitz KZ 47, 299f. (dazu Kretschmer Glotta 10, 240f.), Glotta 19, 125. Vgl. noch Fraenkel Lit. et. Wb. s. opà und Specht Ursprung 345 (zur Morphologie). I-639-640
ἤπειρος, dor. ἄπειρος, äol. ἄπερρος f. ‘Festland’ im Gegensatz zu dem Meer und den Inseln, ‘Küste’, auch im Gegensatz zum Binnenland (seit Il.), auch EN Epeiros. Als Vorderglied in ἠπειρο-γενής ‘auf dem Festland geboren’ (A. Pers. 42). Davon ἠπειρώτης, f. -τις ‘Festlandsbewohner(in), (Klein)asiate, -in, Epeirot’ (ion. att.; zur Bildung Fraenkel Nom. ag. 2, 128 A. 1) mit ἠπειρωτικός (X. u. a.); denom. Verb. ἠπειρόομαι, *όω ‘Festland werden, zum festen Lande machen’ (Th., Arist. u. a.). — Urgr. *ἄ̄περι̯ος stimmt bis auf das Jotsuffix zum westgerman. Wort fur ‘Ufer’, ags. ōfer m. usw., urg. *ṓfera-, idg. *ā́pero- (Lottner KZ 7, 180 u. A.; vgl. Kluge-Götze s. Ufer mit weiteren Einzelheiten). Arm. ap‘n ‘Ufer’ (Benveniste Origines 13) ist lautlich damit nicht vereinbar. — Die von WP. 1, 47 abgelehnte Verbindung mit aind. ápara- ‘hinterer, späterer’ wird von Specht Ursprung 23 mit fragwürdigen Schlüssen wieder aufgenommen. I-640
ἠπεροπεύς m. ‘verführerischer Beschwatzer, Betrüger’ (λ 364, A. R. 3, 617, AP 9, 524, 8), -ηΐς f. [Hom.] ap. Str. 1, 2, 4. Daneben ἠπεροπεύω nur Präsensstamm ‘verführerisch beschwatzen, betrügen’ (Hom., Hes.) mit ἠπεροπευτής (nur Vok. -τά Γ 39 = Ν 768, h. Merc. 282 u. a.; zur Bildung Fraenkel Nom. ag. 1, 20f., 2, 34) und ἠπερόπευμα (Kritias). — Schon wegen der Spärliechkeit der Belege ist man geneigt, mit Boßhardt Die Nomina auf -ευς 26 ἠπεροπεύς als eine retrograde Ableitung von dem weit gewöhnlicheren ἠπεροπεύω zu betrachten. Das dadurch erschlossene Grundwort, *ἠπερ-οψ, *ἠπερ-οπός, -ή hat zu vielen Vermutungen Anlaß gegeben: aind. ápara- ‘hinterer, anderer’ (Curtius 263, Prellwitz BB 22, 112); lat. săpiō (Solmsen KZ 42, 233 A. 1); gr. ἤπιος (L. Meyer 1, 609); ἀπάτη (Kuiper Glotta 21, 283f.; vgl. s. v.). I-640
ἠπίαλος m. ‘Schüttelfrost, Frostschauer vor einem Fieber, mit Frostschauer verbundenes Fieber’ (Thgn., Ar., Hp. usw.; zur Bedeutung Strömberg Wortstudien 82ff.); ἐπίαλος Alk. bei EM 434, 6 (wohl nach ἐπί). Davon ἠπιαλώδης ‘ἠπ.-artig’ (Hp.), ἠπιαλέω ‘von ἠπ. leiden’ (Ar., Arist.), ἐξ-ηπιαλόομαι ‘in ἠπ. übergehen’ (Hp.). — ἠπίολος ‘Lichtmotte’ (Arist. HA 605b 14; v. l. -όλης) mit ἠπιόλιον· ῥιγοπυρέτιον H. — Nach Strömberg a. a. O. von ἤπιος, eig. "das milde Fieber" als tabuisierende Umschreibung; vgl. die daselbst angeführten Beispiele ähnlicher Benennungen; zur sekundären Ableitung auf -αλο- Chantraine Formation 246f. Von ἠπίαλος ist ἠπίολος (besser -όλης; nach den Nomina auf -όλης) ‘Lichtmotte’ nicht zu trennen, wie die schon von Bugge BB 18, 166 herangezogenen lit. drugỹs ‘(kaltes) Fieber, Fiebervogel, Schmetterling’ (zu russ. drožátь ‘zittern’), alb. ethe ‘Fieber’ mit ethëzë "Fiebervogel", ‘Motte’ zeigen; s. noch Immisch Glotta 6, 193. Im Volksglauben gelten Schmetterlinge u. dgl. als fieberbringend. — Nicht mit Vaniček u. A. (z. B. Güntert Kalypso 226f.) zu lat. vappō ‘Motte?’. — Vgl. ἐφιαλτης. I-640-641
ἤπιος ‘freundlich, gütig, mild, heilsam’ (seit Il.). Als Vorderglied z. B. in ἠπιό-φρων ‘mit milder Gesinnung’ (Emp. u. a.). Davon ἠπιότης ‘Milde’ (hell.) und die seltenen Denominativa ἠπιόομαι ‘mild werden’ (Phld.), ἠπιαίνω ‘mildern’ (Arist. Mu. 397b1; unsicher). Zu ἠπίαλος s. bes. — Gewöhnlich zu aind. āpí- ‘Freund’ gezogen (Froehde BB 21, 330, L. Meyer u. A.; vgl. Kretschmer Glotta 11, 109), bisweilen mit gleichzeitiger Heranziehung von aind. āpnóti ‘erlangen’ (Prellwitz KZ 47, 300ff.). Andere vergleichen lat. pius (Rozwadowski, s. Glotta 4, 344) oder ἅπτω (Würtheim, s. Glotta 19, 176) oder sogar ἠπύειν, wozu noch νήπιος (Lacroix Mélanges Desrousseaux 261ff.). I-641
ἠπύω, dor. ark. ἀπύω, Aor. ἠπῦσαι ‘laut tönen, laut rufen’, auch mit ἀν-, ἐπ- (ep. poet. seit Il.). Daneben ἠπύτᾰ ‘Rufer’ als Epithet (Η 384, Q. S., Opp.), ’Ηπυτίδης N. eines Herolds (Ρ 324), βρι-ήπυ-ος ‘laut schreiend, mit lautem Geschrei’ (Ν 521). — In ἠπύω steckt wahrscheinlich ein Nomen *ἦπυς ‘lauter Ruf’, das außerdem nicht nur in ἠπύ-τᾰ sondern wahrscheinlich auch in βρι-ήπυ-ος vorhanden ist (Fraenkel Nom. ag. 1, 165). — Zum Ausgang vgl. γηρύ-ω, οἰζύ-ω, ἀΰ̄-σαι; sonst unklar. Der Vergleich mit lat. vāpulō ‘Prügel bekommen’, wohl eig. ‘wehklagen, jammern’, (Persson Beitr. 1, 495 A. 4), wozu noch, mit lautgeschichtlich abweichendem Labial, germ., z. B. got. wopjan ‘schreien, rufen’, erheischt ein anlautendes Digamma, von dem indessen keine Spur zu entdecken ist (Dissimilation gegen -π-?; vgl. WP. 1, 217). — Vgl. zu ἠχή. I-641
ἦρα Akk. sg. (pl. n.?), bei Hom. nur (ἐπὶ) ἦρα φέρειν ‘jmdm. einen Gefallen tun’, nachhom. m. Gen. = χάριν ‘zu jmds. Gunsten’ (B., Kall. u. a.). Davon ἐρί-ηρες pl. etwa ‘traut, lieb’, s. d., auch ἐπίηρος, ἐπιήρ-ανος ‘gefällig, angenehm, willkommen’, s. dd. Außerdem βριηρόν· μεγάλως κεχαρισμένον H. (falsch für ἐρί- ?). EN Πολυ-ήρης u. A. (Bechtel Hist. Personennamen 194f.). — Unsicher lesb. ἠρώνα (IG 12 [2] : 242, 8) Bed. unklar, viell. ‘Freundlichkeit’ (vgl. Bechtel Dial. 1, 120; Bildung wie ῥαστώνη). — Ein ursprüngliches ϝῆρ-α (zum Digamma Chantraine Gramm. 1, 152; zur Stammbildung Sommer Nominalkomp. 138) eröffnet mehrere formale Anknüpfungsmöglichkeiten, von denen der Anschluß an lat. se-vērus ‘ernsthaft’ (aus *sē vērō "ohne Freundlichkeit"), germ., z. B. awno. vǣrr ‘freundlich’, ahd. ala-wāri ‘gütig, freundlich’, weiterhin an das Wort für ‘wahr’, lat. vērus = air. fir = germ., z. B. ahd. wār, an aksl. věra ‘Glaube’ u. a. m. am meisten für sich hat (Prellwitz KZ 44, 152, Bechtel Lex. 138 u. A.). Aus dem Griechischen gehören wahrscheinlich hierher noch ἑορτή, ἔρανος, ἔροτις, s. dd. — Nicht mit Fick 1, 130, Prellwitz a. a. O. und Bq zu aind. vr̥ṇóti ‘wehren’ usw. (s. ἔρυμαι). Weitere Formen mit Lit. WP. 1, 285f., W.-Hofmann s. sevērus und vērus. I-641-642
Ἥρα, Gemahlin des Zeus (seit Il.) ion. Ἥρη; kypr. Ε̄ραι (Dat., Schwyzer 681, 4), myk. E-ra? Als Vorderglied z. B. in ‘Ηρα-κλέης, -κλῆς (seit Il.; zur Erklärung Kretschmer Glotta 8, 121ff. m. Lit.) mit ‘Ηρακληείη (βίη; metrisch; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 31), -κλήϊος, -κλειος und ‘Ηρακλείδης (seit Il.; zur metrischen Form Debrunner ’Αντίδωρον 38). Davon ‘Ηραῖος ‘der H. gehörig’ (ion. att.); f. -αία, -άα Stadtname (Arkadien VIa) mit ‘Ηραιεύς Bew. von Heraia; auch Ε̄ρϝαο̄ιοι (el.); ‘Ηρα(ι)ών Monatsnamen (Tenos, Eretria usw.). — Eigentliche Bedeutung unbekannt, mithin ohne Etymologie. Die digammalosen kyprischen und arkadischen Formen, wozu noch att. Ἥρα gegenüber κόρη aus *κορϝη, machen die Richtigkeit von el. Ε̄ρϝαο̄ιοι stark verdächtig. Schon dadurch wird die Anknüpfung an lat. servāre usw., wozu noch ἥρως ("die Schützerin, die Herrin"; Fick-Bechtel Personennamen 361, 440, Solmsen Wortforschung 81 m. A. 1), ganz unwahrscheinlich. Neue Vorschläge: zu idg. *i̯ēr- ‘Jahr’ (s. ὥρα), u. z. entweder als "Jahresgöttin" (Schröder Gymnasium 63, 60ff.) oder als "die einjährige, d. h. junge Kuh" (v. Windekens Glotta 36, 309ff.). Wie bei den meisten Götternamen liegt auch bei Ἥρα vorgriechischer Ursprung am nächsten. Ausführlich über Hera Nilsson Gr. Rel. 1, 427ff. (mit reicher Lit.). I-642
ἠράνθεμον n. "Frühlingsanthemon" (Dsk.). — Von ἔαρ ‘Frühling’, vgl. Strömberg Pflanzennamen 72. Zur Bildung auch Risch IF 59, 53f. I-642
ἤρανος m. ‘Schützer, Herr, Helfer’ (hellen. Dichtung), nach H. = βασιλεύς, ἄρχων, σκοπός, φύλαξ. Davon ἠρανέων· βοηθῶν, χαριζόμενος H. — Früher belegt ist ἐπι-ήρανος ‘mächtig, herrschend, schützend’ (Emp., Pl. Kom., AP u. a.). Zum Suffix vgl. zu κοίρανος. Fick 2, 270 vergleicht aind. vāraka- ‘Abwehrer, Gegner’ (näher käme das früher belegte vāraṇá- ‘abwehrend, stark, kräftig’ [seit RV.]), kymr. gwawr ‘Held’ (idg. *u̯ōr-); dann wäre ἔρυμαι damit entfernt verwandt. Zu ἐπι-ήρανος vgl. zu ἐπι-βουκόλος; ob ἤρανος ein archaisierendes Simplex ist, sei dahingestellt. — Verbindung mit ἦρα, ἐπίηρος usw. scheint semantisch ausgeschlossen. I-642-643
ἠρέμᾰ Adv. ‘ruhig, sanft, langsam, ein wenig’ (Pl., Ar., Arist. usw.); auch ἠρέμᾰς (A. R. 3, 170; antevok.), -μί̄ (Ar. Ra. 315). Davon ἠρεμαῖος ‘ruhig’ (Pl., Hp. u. a.), Komp. ἠρεμέστερος (X., Thphr.; Schwyzer 535; Neubildung, nicht alter s-Stamm = got. rimis), mit ἠρεμαιότης (Hp.); ἤρεμος ‘ds.’ (Thphr., Kaiserzeit; Rückbildung aus ἠρεμέω) mit ἠρεμότης (spät); denominative Verba: 1. ἠρεμέω ‘ruhig sein’ (Pl., Hp. usw.) mit ἠρέμησις ‘Ruhe’ (Ti. Lokr., Arist. u. a.), auch ἠρεμία ‘ds.’ (Arist. usw.; nach dem Typus ἐπιδημέω : ἐπιδημία; Schwyzer 469; vgl. auch ἤρεμος [: ἐπίδημος]); 2. ἠρεμίζω ‘zur Ruhe bringen’ (X., Arist.) mit ἠρέμισμα (Arist.-Kom.); 3. ἠρεμάζω ‘ruhig sein’ (LXX). — Zur Bildung von ἠρέμᾰ s. Schwyzer 622; ἠρέμᾰς wie ἀτρέμᾰς (ebd. 620), zu ἠρεμί̄ (-εί) ebd. 623. — Von ἠρέμα kann eine weitverbreitete Wortsippe für ‘ruhen, ruhig’ nicht getrennt werden, die im Indoiranischen, Baltischen, Germanischen und Keltischen mehrere Vertreter hat, z. B. aind. rámate ‘ruhen usw.’, lit. rìmti ‘ruhig sein’, got. rimis n. ‘Ruhe’, air. fo-rimim ‘setzen, legen’. — In ἠρέμα ist mit fraglichem Recht ein Präfix ἠ- gesucht worden (s. zu ἠβαιός); eher ist eine rhythmisch gedehnte Vokalprothese anzunehmen (zuletzt Čop KZ 74, 228; vgl. zu ἠΐθεος). — Reiche Lit. und weitere Formen bei WP. 2, 371f. I-643
ἦρι Adv. ‘früh’ (Hom.). Als Vorderglied z. B. in ἠρι-γένεια ‘die frühgeborene’ (seit Il.), Beiname der ’Ηώς, auch subst. für diese selbst (Schwyzer 456, 474, Schwyzer-Debrunner 34), später auch -ής (A. R.); ἠρι-γέρων "Frühgreis", ‘Senecio’ (Thphr.; Strömberg Pflanzennamen 56). — Scheint zunächst für *ἤερι (vgl. ἠέριος, ’Ηερί-βοια) aus *ἄ̄ιερι zu stehen, das als dehnstufiger Lokativ neben hochstufigem *αἴερι in ἄ̄ρι-στον ‘Frühstück’ (s. d.) erklärt wird. Zu *αἴερι stimmt genau got. air, awno. ār Adv. ‘früh’ aus idg. *ai̯er-i; die Dehnstufe ist sonst nirgends belegt. Das entsprechende Nomen liegt als heteroklitisches Neutrum in aw. ayarə, Gen. ayąn ‘Tag’ vor. — Weitgehende Kombinationen bei WP. 1, 2ff. I-643
ἠρίον n. ‘Erdhügel, Grabhügel’ (seit Ψ 126). Als Vorderglied in ἠρι-εργής· τυμβώρυχος H. Nach Kretschmer Mélanges van Ginneken 207ff. hierher auch der Flußname ’Ηριδανός: urspr. N. eines Flüßchens in Attika, dann durch Vermischung mit ‘Ροδανός auf diesen und den Po übertragen (zur Bildung Schwyzer 530); abweichend Pokorny Mélanges Boisacq 2, 193ff.: ’Ηριδανός aus Rhodanos über iber. *Errodanos mit Angleichung an den attischen Flußnamen; ganz anders über ’Ηριδανός Alessio Studi etr. 18, 150, Belardi Doxa 3, 205. — Bildung wie κηρίον (: κηρός), μηρία (: μηρός) u. a. (Chantraine Formation 59). Von den Alten zu ἔρα ‘Erde’ gezogen (vgl. Schwyzer 424, wo an das unklare πολύηρος· πολυάρουρος, πλούσιος H. erinnert wird), aber nach Ψ 126 μέγα ἠρίον zu schließen eher als *ϝηρίον anzusetzen. Gewöhnlich aus der allumspannenden Wurzel u̯er- ‘verschließen, bedecken’ (WP. 1, 280ff.) hergeleitet, wobei besonders auf einige germanische Wörter hingewiesen wird, z. B. awno. vǫr f. (idg. *u̯orā) u. a. ‘Hügel oder Bank von Steinen oder Kies’, awno. ver n. (idg. *u̯oriom) ‘Damm, Fischwehr’, die zunächst vom Verb für ‘wehren’, got. warjan usw. abhängen. — Aind. vr̥ṇóti im Sinn von ‘verhüllen, bedecken’ gehört vielmehr zu εἰλύω; s. d. I-643-644
ἦρος m. mit ἠρίσκος Bed. unbekannt (Delos IV -IIIa). — Unerklärt. I-644
ἤρυγγος 1. N. einer distelartigen Doldenpflanze, ‘Eryngium’ (Nik. u. a.); 2. ‘Ziegenbart’ (Arist.). (1.) gew. ἠρύγγιον (Thphr. u. a.), auch ἠρύγγη (Plin.) und ἠρυγγίτης (Plu.) ‘ds.’ 1. f., 2. m. (1.) davon ἠρυγγίς f. ‘zu E. gehörig’ (Nik.). — Bildung wie εἴλιγγος und das unklare πίσυγγος; viel öfter in athemat. Form wie φάρυγξ u. a. — Nach Strömberg Pflanzennamen 72 von ἔαρ, ἦρος ‘Frühling’, also eig. "Frühlingsblume". Die Bedeutung ‘Ziegenbart’ muß dann sekundär sein. Vgl. Lobeck Proll. 306. I-644
ἥρως, -ωος, vereinzelt -ωνος, -ωνι, -ωτι u. a. (Einzelheiten bei Schwyzer 479f., 557, 582) m. ‘Herr, Held, Heros’ (seit Il.). Davon ἡρώϊος, ἡρῷος ‘heldenhaft, heroisch’ (Pi., Pl. usw.) mit ἡρώϊον, -ῶον ‘Heroenheiligtum’ (ion. att.); ἡρωϊκός ‘ds.’ (att., Arist. usw.). Mehrere Femininbildungen (vgl. zu βασιλεύς): 1. ἡρωΐς (Pi. u. a.); 2. ἡρωΐνη, ἡρῴνη, ἡροΐνα (Ar., Inschr.); 3. ἡρώϊσσα, ἡρῷσσα (A. R., Inschr.; vgl. v. Wilamowitz Glaube 2, 9 A. 1); 4. ἡρώασσα (Kreta); 5. ἡρυς (Lilybaion IIa), wohl Neubildung (nach θῆλυς, γρηΰς?); nach Kretschmer Glotta 15, 306f. alter ū-Stamm, mit ōu inἥρως (s. unten) ablautend; wieder anders Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 5f. — ἡρωϊασταί, ἡρωϊσταί (-οϊσταί, -ωσταί) pl. ‘Heroenverehrer’ (Inschr. seit IVa); nach den Nomina auf -αστής, -ιστής, s. Fraenkel Nom. ag. 1, 175ff.; ebenso ἡρωϊσμός ‘Heroenverehrung’ (Mytilene); das Verb ἡρωΐζω nur Eust. 4, 1, u. z. im Sinn von ‘epische Gedichte schreiben’. — PN Ἥρυλλα (Chantraine Formation 252). — Bildung wie πάτρως, μήτρως, somit wohl einen Stamm ἡρωϝ- voraussetzend; sonst unklar. Gewöhnlich als "der Beschützer" erklärt und mit lat. servāre ‘erhalten, bewahren’, aw. haurvaiti ‘beschützen, behüten’ verbunden. Lit. zu Ἥρα, das als Fem. von ἥρως betrachtet wird. — Ältere, entschieden verfehlte Deutungen bei Bq; dazu noch Schröder Gymnasium 63, 69ff., v. Windekens Glotta 36, 310f. I-644-645
‘Ησίοδος m. PN (seit Pi.) mit ‘Ησιόδειος (Pl. usw.). — Vermutlich mit Solmsen Unt. 81 verbales Rektionskompositum zu ἵημι *ϝοδήν ‘einen Gesang anstimmen’. Vgl. zu αὐδή; außerdem Knecht Τερψίμβροτος 48f. m. weiterer Lit. (bes. P.-W. s. Hesiod 1168); auch Schwyzer 443 A. 6 (mit anderer Deutung). — Zu lesb. Αἰσίοδος (EM 452, 37) s. Schwyzer 185 Zus. 3. I-645
ἥσυχος (seit Hes.), auch ἡσύχιος (seit Φ 598), ἡσύχιμος (Pi. O. 2, 32; analogisch zu ἡσυχία, Arbenz Die Adj. auf -ιμος 77), ἡσυχαῖος (att.; zu ἡσυχῆ) ‘ruhig, still, langsam’. Davon ἡσυχῆ, -ῇ Adv. ‘ruhig, gelassen, heimlich’ (ion. att.; Schwyzer 550 m. Lit.); ἡσυχία, -ίη ‘Ruhe’ (seit σ 22); ἡσυχάζω, -άσαι ‘ruhig sein, ausruhen, zur Ruhe bringen’ (att.) mit ἡσυχαστικός ‘ruhebringend’ (spät). Die in den Hss. sporadisch vorkommenden Formen mit ἁσ- sind als Hyperdorismen zu betrachten. — Unerklärt. Eine Hypothese von Osthoff und Brugmann ist bei Bq, WP. 2, 461, Pok. 890 und W.-Hofmann s. sinō notiert. Nach v. Windekens Le Pélasgique (s. Index) pelasgisch. I-645
ἦτα n. (Hp., Pl. u. a.) der siebente Buchstabe des Alphabets; — aus dem Semitischen, vgl. hebr. ḫēth; dazu Schwyzer 140. I-645
ἦτορ (ep. lyr. seit Il.), nur Nom.-Akk. bis auf ἤτορι (Pi., Simon.) n. ‘Herz’ (zur Bed. Bolelli Ann. d. Scuola Norm. di Pisa 17, 65ff.). Als Hinterglied in μεγαλ-ήτωρ, -ορος ‘hochherzig’ (ep. poet. seit Il.). Davon ἦτρον n. ‘Unterleib’ (ion. att.; zur Bildung Schwyzer 461) mit ἠτριαῖος ‘zum Unterleib gehörig’ (Ar. u. a.); vgl. z. B. νεφρ-ιαῖος und Chantraine Formation 49. — Alter r(-n?)-Stamm mit äol. -ορ für schwundstufiges -αρ (J. Schmidt Pluralbild. 177, Sommer Nominalkomp. 135). Das Wort ist auch im Germanischen und Keltischen nachzuweisen, z. B. awno. ǣðr f. ‘Ader’, ahd. ād(a)ra, mhd. āder ‘Ader, Sehne’, pl. ‘Eingeweide’, air. inathar (aus *en-ōtro-) ‘Eingeweide’ (Fick 1, 366, J. Schmidt Pluralbild. 198); weitere Einzelheiten bei WP. 1, 117, Pok. 344. — Zur Bed. ‘Herz’ ~ ‘Eingeweide’ vgl. z. B. ags. hreðer ‘Brust, Bauch, Herz’, ahd. herdar ‘Eingeweide’; s. auch zu κῆρ, καρδία. I-645
ἤτριον (ἄτριον Theok. 18, 33) besser -ίον n. ‘Aufzug des Gewebes, Kettenfaden’ (Pl., E., Theok. u. a.). — Zur Bildung vgl. ἠρίον. Semantisch empfiehlt sich die Anknüpfung an ἄττομαι ‘das Gewebe anzetteln’ (s. d.); vgl. in derselben Bed. die davon abgeleiteten ἄσμα, δίασμα. Hierher vielleicht noch ἐπήτριμοι ‘dicht nebeneinander’ (s. d.). — Ältere Deutungsvorschlage werden von Bq mit Recht abgelehnt. I-645-646
ἥττων, ion. usw. ἥσσων, ἡττάομαι, ἧττα usw. s. ἦκα. I-646
ἠΰτε Partikel ‘wie, gleichwie’ (ep. seit Il.). — Aus ἤ, ἠ(ϝ)έ ‘oder’ und *υτε = aind. utá ‘und, auch’ zusammengezogen. Schwyzer-Debrunner 564 und 576. Vgl. εὖτε. I-646
Ἥφαιστος, dor. äol. Ἅφ-, Ἄφ-, att. Vasen Ηε̄φαστος (Schwyzer 276 m. Lit.; zur Namensform usw. auch Kretschmer Glotta 30, 115ff.) m. der göttliche Schmied, Gott des Feuers, auch metonym. für ‘Feuer’ (seit Il.). Kompp., z. B. ‘Ηφαιστό-τευκτος ‘von H. verfertigt’ (S. u. a.), ἀν-ήφαιστος ‘ohne H., ohne Warme’ (πῦρ, E. Or. 621). Ableitungen: ‘Ηφαίστιος, -ιών Monats. name (Thess. u. a.), ‘Ηφαιστῖτις (sc. λίθος) N. eines Steins (Plin. u. a.; Redard Les noms grecs en -της 54). ‘Ηφαίστια pl. ‘H.-feier’ (att.), -εῖον ‘H.-tempel’ (ion. att.) auch -ιεῖον (Pap. Ia, nach ’Ασκληπι-εῖον) u. a. — Vorgriechisches Wort ohne Etymologie. Pelasgische Erklärung von Carnoy Le Muséon 67, 359f. Über Hephaistos Nilsson Gr. Rel. 1, 526ff. I-646
ἠχή, dor. ἀχά f. ‘Schall, Geräusch, Ton’ (ep. seit Il., poet. u. spät) mit ἠχήεις ‘schallend, tönend, tobend’ (ep. poet. seit Il.; mit Kürzung ἠχέεντα Archil. 74, 8; vgl. Schwyzer 246). — ἠχώ, dor. ἀχώ f. ‘Schall, Laut, Widerhall, Echo’, auch personifiziert (h. Hom., Hes. Sc., Pi., A. usw.). — ἦχος m. (sekundär n.; Schwyzer 512) = ἠχή mit ἠχώδης (Hp., hell. u. spät); auch als EN ϝᾶχος (ark.), Kurzname wie ϝᾶχυς (kor. chalkid.). — ἠχέω, Aor. ἠχῆσαι, oft mit Präfix, z. B. ἀντ-, ὑπ-, ‘schallen, rauschen, tönen, ertönen lassen’ (seit Hes.); davon u. a. ἀντ-ήχημα, -ήχησις, ἠχέτης, -τᾰ (ἀχ-) ‘der Rauschende, der Tönende, Cikade’ (poet. seit Hes.; auch auf ἦχος beziehbar, Schwyzer 500, Fraenkel Nom. ag. 1, 165 u. ö.), ἠχητής Hes. mit ἠχητικός ‘tönend’ (spät), ἠχεῖον ‘Schallbecken’ (Ph., Plu. u. a.). — Als Hinterglied z. B. in ὑψ-ηχής ‘hoch wiehernd’ (ἵππος, Il.), wohl zunächst zu ἠχή (Schwyzer 513); ἄντ-ηχος ‘entgegentönend’ (Ph.) zu ἠχή, ἦχος oder ἠχέω. — Zu ἰάχω, ἰαχή s. bes. — Hinter ἠχή aus *ϝᾱχά̄, wozu das personifizierende ἠχώ und das sekundäre ἦχος (vgl. κόμπος, τάραχος u. a.), steht entweder ein Wurzelnomen oder eine uncharakterisierte Verbform. Beide sind durch nominale bzw. verbale Neubildungen, ἠχ-ή und das abgeleitete, eher deverbative (vgl. z. B. κηλέω und Schwyzer 720) als denominative ἠχέω ersetzt worden. Daneben stand ein primäres redupliziertes schwachstufiges Präsens ϝι-ϝᾰ́χ-ω, s. ἰάχω. — Die expressiven ἠχή, ἠχέω u. Verw. haben wie zu erwarten keine genauen Entsprechungen in anderen Sprachen. Nahe kommen indessen u. a. einerseits lat. vāgīre ‘wimmern’ (mit idg. -g-), anderseits einige baltische und germanische Wörter mit anlautendem su̯-, z. B. lit. svagiù, -ė́ti ‘tönen’ (idg. -g(h)-), ags. swōgan ‘tönen, sausen, widerhallen’ (idg. -gh- wie ἠχή). Fick GGA 1894, 237, Hoffmann BB 26, 132, Bezzenberger BB 27, 152. Aus dem Griechischen sei auch an ἠπύω (s. d.) erinnert. — WP. 1, 214f., W.-Hofmann s. vāgiō mit weiteren Formen und ausführl. Lit. I-646-647
θαιρός m. ‘Türangel, drehbarer Türzapfen’ (Μ 459, Q. S., Agath.), auch ‘Wagenachse’ (S. Fr. 596) mit θαιραῖος (Poll.); dazu θαιροδύται· οἱ ἐν τῷ ζυγῷ δακτύλιοι, δι’ ὧν οἱ ῥυτῆρες H. — Technischer Ausdruck ohne Etymologie. Nach Brugmann (z. B. IF 17, 356ff.) aus *θϝαρ-ιό-ς, idg. *dhu̯r̥-i̯ó-, eig. "Türgänger’’, Zusammenbildung aus θύρα (s. d.) und ἰέναι ‘gehen’ (?). Norw. dial. darre ‘Türangel, kleiner Ständer in der Ecke eines Schlitten’, von Falk-Torp Wb. 1, 178 mit θαιρός identifiziert, kann höchstens damit entfernt verwandt sein. I-647
θᾶκος (att.), ep. ion. dor. poet. θῶκος (zerdehnt θόωκος β 26, μ 318, Versende; vgl. unten) m. ‘Sitzung, Sitz, Stuhl’ (seit Il.). Als Hinterglied z. B. in σύν-θακος, -θωκος ‘der den Sitz mit einem anderen gemeinsam hat, beisitzend’ (S., E. usw.). Denominative Verba: 1. θάσσω, ep. θαάσσω, nur Präsensstamm, ‘sitzen’ (ep. poet. seit Il.), aus *θαϝακ-ι̯ω, vgl. unten. 2. θᾱκέω, θωκέω, auch mit Präfix, z. B. συν-, ἐν-, ‘sitzen’ (posthom.) mit θάκημα ‘das Sitzen’ (S.), ἐνθάκησις ‘das Darinsitzen’ (S.), ἐνθακη ‘Hinterhalt’ (Pompeiopolis; postverbal), θακεῖον ‘Sitz’ (Attika IVa; vgl. ἀρχεῖον u. a., Chantraine Formation 61). 3. θακεύω ‘zu Stuhle gehen’ (Plu., Artem.). — Zu θοάζω s. bes. — Aus θάβακον· θᾶκον ἢ θρόνον H. geht hervor, daß *θᾶκο aus *θά(ϝ)ακος kontrahiert ist; für θῶκος läßt sich in entsprechender Weise auf ein älteres θώ(ϝ)ακος, gekürzt *θό(ϝ)ακος, schließen, das mit metrischer Dehnung in dem zerdehnten θόωκος stecken kann. Die weitere Analyse bleibt unsicher, aber allem Anschein nach ist von der Schwundstufe, bzw. der ō-haltigen Hochstufe von τί-θη-μι (vgl. θαμ-ά, θωμ-ός) auszugehen. Grundform somit *θᾰ́-ϝα-κος, *θώ-ϝα-κος, das ein mit κ-Suffix versehenes Verbalnomen *θᾰ́-ϝαρ, θᾰ-ϝα(ν)-, bzw. *θῶ-ϝαρ, θω-ϝα(ν)- ‘das Hinsetzen’ enthalten kann. Gewöhnlich wird (mit Schulze Q. 435) *θάϝακος aus *θόϝακος durch regressive Vokalassimilation erklärt. — Lit. dėvė́ti ‘tragen (von Kleidern) usw.’ (Bezzenberger BB 27, 179) hat damit nichts zu tun. Andere Hypothesen bei WP. 1, 827, Pok. 237. — Einzelheiten über θᾶκος, θῶκος bei Björck Alpha impurum 349ff. I-647-648
θάλαμος m. ‘innerer, hinterer Raum des Hauses’ (im Gegensatz zu μέγαρον, δῶμα), als Frauen- und Schlafgemach, auch als Vorratskammer dienend (ep. poet. seit Il.; zur Bedeutung Wace JournofHellStud. 71, 203ff.), als Seeausdruck ‘das tiefste Deck des Schiffes’ (Timae., Poll.). Als Vorderglied z. B. in θαλαμη-πόλος f., spät m. ‘Kammerfrau, Zofe; Eunuch’ (seit Od.; -η- rhythmisch bedingt, Schwyzer 438f.). — θαλάμη f. ‘Lager, Schlupfwinkel, Höhle, Höhlung im Körper’ (ε 432, E., Hp., Arist. usw.), als Seeausdruck = θάλαμος (Luk.): zu θάλαμος ~ -μη Porzig Satzinhalte 284. Ableitungen: θαλαμιά ‘Ruderluke am tiefsten Deck des Schiffes’ (Hdt. 5, 33), auch ‘das auf diesem Deck befindliche Ruder’ (Ar. Ach. 533, Inschr.); vgl. Scheller Oxytonierung 129, zur Bed. Morrison Class. Quart. 41, 125ff.; dazu θαλαμίας m. ‘der im θάλαμος oder in der θαλαμιά sitzende Ruderer’ (Th. 4, 32, App., Them.), in dieser Bed. auch θαλάμᾱξ (Ar. Ra. 1074; Schwyzer 497, Chantraine Formation 381) und θαλαμίτης (Sch. z. St.). Von θάλαμος noch die vereinzelt belegten θαλαμήϊος (Hes. Op. 807, A. R.), θαλαμαῖος (Ph.), θαλαμίς (An. Ox.) und das Denominativum θαλαμεύομαι, -εύω ‘in den θάλαμος eingeführt werden bzw. einführen, zu Gattin genommen werden bzw. nehmen’ (Ph., Hld. u. a.) mit θαλαμεύτρια = νυμφεύτρια (Poll.); θαλάμευμα = θάλαμος schon E. Ba. 120 (lyr.), vgl. Chantraine Formation 185; θαλαμευτός (Tim. Pers. 245). — Erinnert der Form, auch dem Sinne nach an θόλος (s. d.), aber sonst dunkel; vorgriechische Herkunft ist sehr wohl denkbar. Nach E. Maaß RhM 77, 1ff. auch zu θάλος, θαλλός; wohlbegründete Bedenken bei Wahrmann Glotta 19, 213. Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 88f.; noch anders Haas Jb. f. kleinas. Forsch. 3, 129ff. — Fern bleibt ὀφθαλμός, s. d. I-648
θάλασσα, att. θάλαττα f. ‘Meer’ (seit Il.). Zahlreiche Kompp., z. B. θαλασσο-κράτωρ (Hdt., Th. u. a.), ἀμφι-θάλασσος ‘vom Meer umgeben’ (Pi. u. a.; Bahuvrihi); oft in Hypostasen, gewöhnlich mit erweiterndem -ιος (-ίδιος), z. B. ἐπι-, παρα-θαλάσσιος, -ίδιος (ion. att.). Ableitungen: θαλάσσιος ‘zum Meer gehörig, maritimus’ (seit Hom.), -ία f. -ιον n. als Pflanzennamen (Dsk.; Strömberg Pflanzennamen 114), θαλασσ-ίδιος (Hdt.), -αῖος (Simon., Pi.) ‘ds.’, θαλασσώδης ‘meerähnlich’ (Hanno Peripl.), θαλασσερός m. ‘Art Augensalbe’ (Gal.); θαλασσίτης (οἶνος Plin.; Redard Les noms grecs en -της 96). Denominativa: θαλασσ-εύω ‘im Meer sein’ (Th. u. a.), -όομαι, -όω ‘von Meerwasser gefüllt werden, ins Meer verwandeln’ (Arist., hell.) mit θαλάσσωσις ‘Überschwemmung’ (Thphr., Ph.), -ίζω ‘Meerwasser ähneln, im Meerwasser waschen’ (Ath., Pap. u. a.). — Um den Begriff des Meeres auszudrücken, haben die Griechen für das auf das Italo-Keltische, Germanische, Baltisch-Slavische beschränkte mare — Meer usw. teils alte Wörter in neuer Bedeutung verwendet, ἅλς, eig. ‘Salz’, πόντος, eig. ‘Pfad’, teils mit idg. Mitteln das griechische πέλαγος geschaffen. Mit θάλασσα muß maked. (?) δαλάγχαν· θάλασσαν H. irgendwie zusammenhängen, aber sonst fehlt eine brauchbare Anknüpfung. Die wiederholten Versuche, die bis in die neueste Zeit gemacht worden sind, um das Wort aufzuklären, müssen alle als gelinde gesagt hypothetisch betrachtet werden: v. Windekens Beitr. z. Namenforschung 1, 200f., ders. Le Pélasgique 89, Autran REIE 2, 17ff., Buck Class. Studies pres. to E. Capps (s. Idg. Jb. 22, 220), Battisti Studi etr. 16, 369ff., Pisani Rend. Acc. Lincei 7, 67ff., Vey BSL 51, 80ff., Steinhauser Μνήμης χάριν 2, 152ff. (mit weiterer Lit.). Nach Lesky Hermes 78, 258ff. wäre θάλασσα ursprünglich ein Fremdwort für ‘Salzwasser’ und in dieser Bedeutung von dem synonymen idg. ἅλς ersetzt worden. I-648-649
θάλλω (seit Hes., h. Cer. 402), Aor. 2 ἔθᾱ̆λον (h. Hom. 19, 33, hell.), Perf. mit Präs. bedeutung τέθηλα, äol. dor. τέθᾱλα (seit Il.); spätere Formen Aor. 1 ἀν-έθηλα (Ael.), Fut. ἀνα-θᾰλήσομαι (AP), auch mit Präfix (ἀνα- u. a.) ‘blühen, gedeihen’ (vorw. poet.). Mehrere Ableitungen. 1. Vom Wurzelaorist: θάλος n. ‘Sprößling’, nur übertr. (ep. poet. seit Il.) mit ἀμφι-θαλής ‘von θάλος (θάλεα) umgeben, umblüht, reich’ (seit Χ 496; auch auf θαλεῖν beziehbar) u. a.; Adj. f. θάλεια ‘blühend, üppig’ (ep. poet. seit Il.; zum Akzent vgl. ἐλάχεια, s. ἐλαχύς), m. n. *θαλύς, -ύ nur im Gen. pl. θαλέων (Χ 504); dafür (seit Il.) θαλερός (wie γλυκερός zu γλυκύς u. a.). θαλία, -ίη ‘Blüte, Überfluß’, pl. ‘Festgelage’ (ep. poet. seit Il., Hdt.; vgl. Scheller Oxytonierung 39 mit abweichender Analyse) mit θαλιάζω ‘sich ergötzen’ (Plu. u. a.). EN Θάλης (-ῆς), Gen. Θάλεω, Θάλητος usw. (Schwyzer 461f.). Zu θαλύσια s. bes. 2. Vom Präsens: θαλλός m. ‘grüner Zweig, bes. Ölzweig, Sprößling’, auch ‘(Fest)gabe’ (seit ρ 224) mit θαλλία f. sg. ‘Laubwerk’ (Thphr. u. a.), θαλλία n. pl. ‘Gaben’ (Pap.), θάλλῐνος ‘aus θαλλοί bestehend’ (Rhodos). Θαλλώ f. ‘Göttin des Wachstums’ (Iusi. ap. Lykurg. 77, Paus. 9, 35, 2). — Sekundäre Präsentia. 1. Zum Wurzelaorist: θᾰλ-έθω (ep. poet. seit Il.; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 327, Shipp Studies 39). 2. Zum Perfekt: θηλέω, θᾱλέω, Aor. θηλῆσαι, θᾱλ- (ep. poet. seit Il.) mit ἐρι-θηλής ‘üppig wachsend’ (Il., Hes. u. a.) usw. (dagegen ἐριθαλίς· εἶδος δένδρου H., erithales n. Plin. zu θάλος). Aus θηλέω erweitert: τηλεθάω, in alter Zeit nur Ptz. τηλεθάων (ep. seit Il.; Chantraine Gramm. hom. 1, 359). — Eine sichere Entsprechung zu dieser im Griechischen, insbes. in der dichterischen Sprache, reich entwickelten Wortfamilie bieten nur das Albanesische und das Armenische mit dem Präsens alb. dal ‘hervorgehen, -sprießen’ aus idg. *dhal-nō, das mit θάλλω sogar identisch sein kann (auch *θαλ-ι̯ω möglich; vgl. zu βάλλω), dem Aor. dol(l)a (idg. *dhāl- wie τέ-θᾱλ-α) und dem arm. Adj. dalar ‘grün, frisch’, das bis auf den Zwischenvokal zu θαλερός genau stimmt. Was aus dem Keltischen und — noch mehr — aus dem Germanischen herangezogen worden ist, bleibt besser beiseite; s. WP. 1, 825f. m. Lit., Pok. 234; außerdem Mann Lang. 26, 380; 28, 36. I-649-650
θάλπω, Aor. θάλψαι ‘erwärmen’, selten intr. ‘warm sein’ (seit Od.), auch mit Präfix, ἀνα-, ἐπι-, συν-, ὑπο- u. a. Davon θάλπος n. ‘Wärme’ (ion. att.) mit δυσ-θαλπής ‘mit schlechter Wärme, frostig’ (Ρ 549) u. a.; auch auf θάλπω beziehbar; θαλπωρή ‘Erquickung’ (Hom., späte Prosa); θάλψις ‘Erwärmung’ (Hp. usw.); θαλπνός ‘erwärmend’ (Pi.; vgl. τερπνός u. a.; Chantraine Formation 193); θαλπεινή ‘Iris’ (Strömberg Pflanzennamen 82); EN Θάλπιος Β 620. Erweitertes Ptz. Präs. θαλπιόων ‘warm’ (τ 319, Arat. 1073; zur Bildung Risch 274). — Wenn indogermanisch, muß θαλπ- ein formantisches -π- enthalten (vgl. Schwyzer 702). Dadurch entsteht die Frage nach etwaiger Beziehung zu θάλλω ("grünen machen, beleben"?; WP. 1, 826). Sie kann weder bejaht noch bestimmt verneint werden. Vgl. θαλυκρός. I-650
θαλυκρός ‘heiß, glühend’ (Kall. Fr. anon. 69, AP 5, 219), nach H. auch = ἰταμόν, λαμπρόν, βλοσυρόν, ἀναιδές, πανοῦργον, mit θαλυκρέονται· ψεύδονται H. Daneben θαλύ<πτ>εσθαι· φλέγεσθαι; θαλύψαι· θάλψαι, πυρῶσαι; θαλυσσόμενος· φλεγόμενος H. — Neben dem Gutturalstamm in θαλυκ-ρός, θαλύσσομαι repräsentieren θαλύ<πτ>εσθαι und θαλύψαι offenbar analogische Neubildungen (Schulze GGA 1897, 874; vgl. Schwyzer 704). Die erwünschte Verbindung mit θάλπω sucht Brugmann Grundr.2 1, 596, Gramm.4 137 (s. auch Schwyzer 296) in der Weise zustandezubringen, daß er in -π- ein idg. qu̯ sieht, dessen labialer Nachschlag in θαλύσσομαι usw. in die vorausgehende Silbe getreten sei mit daraus folgender Beibehaltung des -κ-; alles wenig überzeugend. Nach θαλυκρός entstand ἀλυκρός, s. 1. ἀλέα ‘Wärme’. Oder hat zu ἀλέα ein *ἀλύσσομαι, ἀλυκρός existiert, wozu durch Kreuzung mit θάλπω θαλύσσομαι, θαλυκρός? (vgl. Güntert Reimwortbildungen 159). I-650-651
θαλύ̄σια n. pl. ‘Ernteopfer, Erntefest bei dem Erstlinge der Früchte dargebracht wurden’ (Ι 534, Theok. 7, 3). Davon θαλύσιος ἄρτος ‘Erstlingsbrot das aus dem frischgedroschenen Korn gebacken wurde’ (Ath. 3, 114a; vgl. zu Θαργήλια), θαλυσιὰς ὁδός ‘der Weg zu den Th.’ (Theok. 7, 31); Θαλυσιάδης Patron. (Δ 458). — Zu θάλλω u. Verw., u. z. zunächst mit Solmsen Unt. 37, Glotta 1, 80 nach Lobeck vom Adj. *θαλύς, -ύ (nur θαλέων Gen. pl. und θάλεια f. [δαῖς, ἑορτή] belegt); zur Bildung Fraenkel Nom. ag. 2, 124, Chantraine Formation 41f. — Über die Thalysien Nilsson Gr. Rel. 1, 468. I-651
θαμά Adv. ‘oft’ (vorw. poet. seit Il.) mit θαμάκις (: πολλάκις) ‘ds.’ (Pi.). Davon θαμινά ‘ds.’ (Pi., Hp., Ar. in lyr., X. u. a.), Adj. θαμινός ‘häufig, gedrängt’ (Kall. u. a.; vgl. πυκινά, -ινός) mit θαμινάκις (Hp.); auch θαμεινός, nach αἰπεινός u. a. (h. Merc. 44 u. a.; Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 119 A.2 = Kl. Schr. 2, 1176 A. 2). — Neben θαμά (Akzent nach πολλά, Wackernagel Akz. 34 = Kl. Schr. 2, 1103) steht der u-Stamm *θαμύς (τάχα : ταχύς) in θαμέες pl. ‘dicht gedrängt, häufig’, f. θαμειαί (Hom.; Akzent, Schwyzer 385 m. Lit.); vgl. noch Θαμυ-κλῆς EN (Bechtel Hist. Personennamen 197). Komp. θαμύντεραι· πυκνότεραι H. (vgl. ἰθύντατα). Hierher noch θάμυρις H., wohl nach πανήγυρις, womit es u. a. von H. glossiert wird; auch als PN (Β 595, Inschr.); vgl. Bechtel Namenst. 25f.; außerdem ὁδοὺς θαμυρούς· τὰς λεωφόρους; θαμυρίζει· ἁθροίζει, συνάγει H.; auch intr. (BCH 50, 401, Thespiae). — Denominativum von θαμά: θαμίζω ‘häufig kommen, verkehren, häufig sein’ (seit Il.; vgl. Schwyzer 736). Neben den hochstufigen θημών, θωμός (s. d.) steht θαμ-ά mit alter Schwundstufe; bei Abtrennung des suffixalen -μ- ergibt sich die regelrechte Schwundstufe von θη- in τί-θη-μι, die in sämtlichen Verbalformen und in zahlreichen Nomina von θε- ersetzt worden ist (s. θέμεθλα, θέμις). I-651
θάμβος n. ‘Staunen, Verwunderung, Erschrecken’ (poet. seit Il.). Als Hinterglied z. B. in ἀ-θαμβής ‘furchtlos, unerschrocken’ (Ibyk., B. u. a.) mit ἀθαμβία, -ίη ‘Furchtlosigkeit, Unerschrockenheit’ (Demokr. 215); Rückbildung ἄθαμβος ‘unerschrocken’ (Demokr. 216), auch als EN (Delphi); vgl. auch θαμβέω und ἔκθαμβος unten; dazu Schwyzer 469. Ableitung θαμβαλέος (Nonn.). Denominative Verba: 1. θαμβέω, -ῆσαι, auch mit Präfix, z. B. ἐκ-, ‘staunen, erschrocken sein’ (ep. poet. seit Il., späte Prosa), hell. u. spät auch trans. ‘in Staunen, in Schrecken setzen’ (LXX u. a.) mit θάμβ-ησις, -ημα (Aq. u. a.), ἔκθαμβος (Plb. u. a.). 2. θαμβαίνω intr. ‘ds.’ (Pi.). 3. θαμβεύω trans. ‘ds.’ mit -ευτής (Aq.). — Neben θάμβος steht ein altertümliches Perfekt τέθηπα ‘staune’ mit dem thematischen Wurzelaorist ταφεῖν (ταφών, τάφε u. a.; ep. ion. poet. seit Il.; späte Prosa); vom letzteren τάφος n. = θάμβος (Od., Ibyk.). Zu τέθηπα entstand sekundär θήπω· ἐπιθυμῶ, θαυμάζω u. a.; s. auch θώψ. Zu θάμβος : ταφεῖν vgl. θρόμβος : τρέφειν u. a.; der sekundäre Nasal hat die nachfolgende Aspirata in eine tönende Media verwandelt; vgl. zur Nasalierung Schwyzer 692, zur Deaspiration ebd. 333. In dem dehnstufigen τέ-θηπ-α hat progressive Assimilation stattgefunden. — Sonst isoliert. Von Wood Mod. langu. notes 21, 227 mit dem got. Ipv. afdobn ‘φιμώθητι, verstumme’ zusammengestellt. Ebenso zweifelhaft ist die Heranziehung einer germ. Wortgruppe für ‘schlagen’ usw., z. B. meng. dabben ‘leise schlagen’, nhd. tappen u. a. m. (WP. 1, 824 nach Fick, Pok. 233). Pelasgische Etymologie von v. Windekens Le Muséon 63, 106ff.; hypothetische Kombinationen von Szemerényi Glotta 33, 238ff. (vgl. zu θέα). I-651-652
θάμιξ · ἀλώπηξ H. — Über die sehr anfechtbare Zusammenstellung mit lat. fāmex ‘Blutunterlauf, Blutgeschwür’ (v. Blumenthal Hesychst. 36ff.) s. W.-Hofmann s. v. I-652
θάμνος (auch f., nach den Baumnamen) m. ‘Dickicht, Gebüsch, Strauch’ (seit Il.). Davon das Demin. θαμνίσκος m. (Dsk. u. a.), θαμνῖτις ‘strauchig’ (Nik. Th. 883; Redard Les noms grecs en -της 71), θαμνώδης ‘strauchähnlich’ (Thphr.), θαμνάς = ῥίζα (EM). — Daneben θάμνη (-α) f. ‘Wein aus gepreßten Trauben (?)’ (Herod. 6, 90, Gp.). θάμνος steht neben θαμινός und θαμά wie πυκνός neben πυκινός und πύκα; die Barytonese ist durch die Substantivierung verursacht (vgl. Schulze Kl. Schr. 124 A. 1). — Wegen der Bedeutung vgl. die Erklärung bei H.: θάμνοι· δασέα καὶ πυκνὰ δένδρα. Weiteres s. θαμά. — Nicht mit Alessio Studi etr. 18, 414 zu lat. tamnus ‘der Stock einer an Hecken vorkommenden Pflanze’, s. W.-Hofmann s. v. I-652
θάνατος m. ‘Tod’ (seit Il.). Kompp., z. B. ἀ-θάνατος ‘unsterblich’ (seit Il.), θανατη-φόρος ‘todbringend’ (A. usw.; -η- rhythmisch und analogisch bedingt, Schwyzer 438f.). Mehrere Adj.: θανάσιμος ‘todbringend, dem Tode verfallen’ (ion. att.; zur Bildung Arbenz Die Adj. auf -ιμος 17 und 70f.; vereinzelt θανατήσιμος, Arbenz 78f.); auch θανατώδης (Hp. u. a.), θανατόεις (S., E. in lyr.), θανατήσιος (Afric.; nach βιοτήσιος, βροτήσιος), θανατικός (D. S., J., Plu. u. a.), θανατηρός (Eust.); θανατούσια (sc. ἱερά) pl. ‘Totenfest’ (Luk.; nach γερούσιος u. a.). Denominative Verba: 1. θανατόω ‘töten, hinrichten, zum Tode verurteilen’ (ion. att.) mit θανάτωσις; 2. θανατάω ‘sterben wollen’, auch ‘sterbend sein’ (Pl., J. u. a.); 3. θανατιάω ‘ds.’ (Luk. u. a.). — Daneben ein altes Perfekt τέθνηκα ‘bin tot’, pl. τέθνᾰμεν, Ptz. τεθνηώς, τεθνεώς, äol. Inf. τεθνά̄κην usw., mit dem thematischen Wurzelaorist ἔθανον ‘ich starb’ (seit Il.), dem Fut. θανοῦμαι (seit Il.) und einem hinzugebildeten Präsens θνηισκω (Inschr.), θνήσκω (Hss.), äol. θναισκω (Hdn. Gr. 2, 79); in der Prosa dafür fast ausnahmslos ἀπο-θνῄσκω; auch mit anderen Präfixen, z. B. κατα-θνῄσκω, -θανεῖν, -τέθνηκα (alles seit Il.); zur Funktion des Präfixes (auch intensivierend) Schwyzer-Debrunner 268f., Hermann Gött. Nachr. 1943, 617f. Verbaladj. θνητός ‘sterblich’ (seit Il.). — Davon θνήσιμος (nur Arg. zu S. OT 7) mit θνησιμαῖον ‘Kadaver’ (LXX u. a.; Chantraine Formation 49, Mélanges Maspéro 221); in derselben Bed. auch θνᾱσίδιον, θνησ(ε)ίδιον (Lesbos, Ael. u. a.; Schwyzer 270). Verbalsubst. θνῆσις ‘das Sterben, Sterblichkeit’ (Mediz. u. a.); aber εὐθνήσιμος ‘einen leichten Tod bereitend’ (A. Ag. 1294) von εὖ θνῄσκειν; vgl. εὐθάνατος, -τέω, -σία; anders, schwerlich richtig, Arbenz 78 u. 84. — Das zweisilbige θάνα-(τος) mit der einsilbigen Reduktionsstufe θαν- (εῖν) und das damit regelmäßig abwechselnde langvokalische und einsilbige θνᾱ-(ίσκω), θνᾱ-τός haben nahe Entsprechungen in dem ebenfalls zweisilbigen aind. Aorist á-dhvanī-t ‘er erlosch, schwand’ (vom Grimm) und in dem langvokalischen einsilbigen Ptz. dhvān-tá- ‘dunkel’; die Bedeutung ‘sterben’ wurzelt in einem Euphemismus, vgl. Chantraine Sprache 1, 146. Weitere Anknüpfungen an idg. dhu̯enə- bei WP. 1, 841, Pok. 266. Nicht mit Kent Lang. 11, 207ff. zu θείνω, φόνος. Vgl. noch Specht KZ 63, 217f. (Zweifelhaftes über θανόντες). I-652-653
θάπτω, Aor. θάψαι, Pass. ταφῆναι, auch -θῆναι, Perf. Pass. τέθαμμαι, auch mit Präfix, z. B. ἐν-, συν-, κατα-, ‘bestatten, begraben’ (seit Il.). Ableitungen: τάφος m. ‘Bestattung, Grab, Grabmal’ (seit Il.), ταφή ‘ds.’ (ion. att.); davon u. a. die Hypostasen ἐν-, ἐπι-τάφιος ‘zum Begräbnis gehörig usw.’ mit ἐνταφιάζω, ἐνταφιαστής (LXX, Pap. usw.) u. a.; ἐπιταφέω ‘einer Bestattung beiwohnen’ (Inschr.) usw.; ferner ταφήϊος ‘zum τ. gehörig’ (Od. u. a.), ταφεύς ‘Totengräber’ (S.; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 41), ταφ(ε)ών ‘Grabstätte’ (Inschr.), ταφικόν ‘Grabkosten’ (Pap.) u. a. — τάφρος f. (zum Genus Schwyzer-Debrunner 34 A. 1) ‘Graben (zur Befestigung usw.)’ (seit Il.) mit ταφρεύω ‘einen Graben ziehen’ (att.), wovon ταφρ-εία, τάφρ-ευμα, -ευσις, -ευτής; selten τάφρη ‘ds.’ (ion.). — Ganz unsicher θάπτ<ρ>α· μνῆμα (cod. μυῖα). Κρῆτες H.; s. Latte Glotta 34, 196f. — Zu der durchgeführten Schwundstufe θαπ-, ταφ- aus *θαφ- stimmt arm. damb-an, damb-aran ‘Grab, Gruft, Grabmal , wenn man von idg. dhm̥bh- ausgeht; die Hochstufe dhembh- ist in beiden Sprachen ausgeschaltet worden. Aus τάφ-ρ-ος : damb-an ist vielleicht auf einen r-n-Stamm zu schließen; -aran ist im Armenischen ein sehr produktives Suffix. — Lidén Armen. Stud. 41f. mit Kritik älterer Ansichten; danach Bq s. v. und WP. 1, 852. I-653-654
Θαργήλια n. pl. ion. attisches Vorerntefest, mit dem Apollonkult verbunden (Hippon., Archil. usw.), auch Ταργήλια (Milet. u. a.). Davon Θαργηλιών (Ταργ-) Monatsname (ion. att.), Θαργήλιος (Ταργ-) PN (ion.). — Daneben θάργηλος, nach Krates ap. Ath. 3, 114a N. eines Brotes, das sonst θαλύσιος (ἄρτος) benannt wurde (s. θαλύσια), außerdem Ben. eines mit gekochten Früchten gefüllten Topfes (χύτρα), der als Symbol der Fruchtbarkeit betrachtet wurde (Suid., H., EM 443, 19). — Ohne Etymologie, wahrscheinlich vorgriechisch. — Nach Kretschmer Glotta 10, 108ff. (s. auch Glotta 20, 252f. gegen E. Maaß RhM 78, 13ff.) aus *τὰ ἀργήλια (von ἄρχω) "Erstlingsfrüchte" (dazu Schwyzer 413); wieder anders Grošelj Živa Ant. 4, 170f. — Zu den Thargelien Nilsson Gr. Rel. 1, 534 m. Lit. I-654
θάρνυμαι H. s. θορός und θρέομαι. I-654
θάρσος (seit Il.), att. θάρρος (teilweise lautliche Umsetzung von hom. θάρσος usw. nach Leumann Hom. Wörter 115), äol. θέρσος n. ‘Zuversicht, Mut, Kühnheit, Frechheit’. Kompp., z. B. εὐ-θαρσής ‘guten Mutes’ (A. usw.), θερσι-επής ‘kühn redend’ (B.; zum Vorderglied Schwyzer 448). Ableitungen: θαρσαλέος, -ρρ- ‘zuversichtlich, kühn’ (seit Il.; zur Bildung Chantraine Formation 253f.), Θερσίτης PN (Hom. usw.; Redard Les noms grecs en -της 196; dazu Risch Gnomon 23, 160 und Bloch Mus. Helv. 12, 59), θαρσήεις ‘kühn usw.’ (Kall., Nonn.; Neubildung, s. Schwyzer 527); denominatives Verb θαρσέω, -ρρ-, Aor. θαρσῆσαι ‘mutig sein’ (seit Il.; dazu Schwyzer 724 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 349; kaum mit Leumann a. a. O. aus εὐθαρσέω [von εὐ-θαρσής]) mit θαρρητικός (Arist. u. a.). — Neben θάρσος, θέρσος steht θρασύς ‘dreist, kühn, verwegen’ (seit Il.), oft als Vorderglied, z. B. θρασυκάρδιος ‘dreisten Herzens’ (Il. usw.), rhod. Θαρσύ-βιος, ther. Θhαρ(ρ)ύ-μαqhος (vgl. Bechtel KZ 51, 145; weitere Formen bei Schwyzer 284; zu Kurznamen wie Θρασύλος auch Leumann Glotta 32, 216 und 223 A. 2); davon θρασύτης ‘Kühnheit’ (ion. att.), Θρασώ Bein. der Athena (Lyk.), denominatives Verb θρασύνω, θαρσύνω, -ρρ- ‘ermutigen’ (seit Il.) mit θάρσυνος zuversichtlich, getrost’ (Il.; wohl am ehesten postverbal; vgl. Schwyzer 491 m. Lit. und anderen Auffassungen); Komp. θρασίων (Alkm.), θρασύτερος, -ύτατος (att.); Seiler Steigerungsformen 55f. — Vgl. noch ἀτάσθαλος. Zu θρασύς stimmt aind. dhr̥sú- (Gramm.); liter. dafür dhr̥ṣṇú- ‘kühn’ nach dhr̥ṣ-ṇ-ó-ti ‘dreist sein’. Das hochstufige θέρσος, wofür sekundär θάρσος, θράσος durch Angleichung an θρασύς, hat dagegen im Aind. keine Entsprechung (dafür u. a. dhárṣa-; wäre gr. *θόρσος). Umgekehrt sind im Griechischen die in anderen Sprachen belegten primären Verba durch die neugebildeten θαρσέω, θαρσύνω abgelöst: aind. dhr̥ṣ-ṇ-ó-ti (mit Nasalinfix), dhárṣati mit dem Perf. da-dhárṣa = germ., z. B. got. ga-dars ‘τολμῶ’ (wäre gr. *τέ-θορσ-α), lit. (mit infigiertem Nasal) drį̃sti ‘wagen’ (aus idg. *dhr̥-n-s-), wozu analog. Präsens dręsù mit den Nomina drąsà ‘Dreistigkeit’, drąsùs mit drąsū̃nas ‘Frechling’, alit. drįsùs (nach drį̃sti; nicht mit θρασύς, θάρσυνος unmittelbar gleichzusetzen). Ganz fraglich toch. A tsraṣi, B tsir ‘stark’ (Poucha Archiv Orientální 2, 326, ZDMG 93, 206); s. Pedersen Zur toch. Sprachgeschichte 19 m. Lit. — Weitere Formen mit Lit. bei WP. 1, 864, Pok. 259, Mayrhofer Wb. 2, 112f., Fraenkel Lit. et. Wb. s. drąsùs, Vasmer Russ. et. Wb. s. derzkij; auch W.-Hofmann s. īnfestus. I-654-655
θάσσω, θαάσσω ‘sitzen’ s. θᾶκος. I-655
θάσσων, att. θάττων ‘schneller’ s. ταχύς. I-655
Θαύλιος thess. Bein. des Zeus (Larisa), Θαύλια pl. N. eines Festes, mit θαυλίζειν (H.). Θαυλωνίδαι pl. N. eines alten attischen Geschlechts, das die Zeremonie der βουφόνια vollzog. Vgl. noch Θαῦμος (für Θαύλιος?) ἢ Θαῦλος· Ἄρης Μακεδόνιος H. — Ableitungen eines l-Stamms, der auch in dem lydisch-phrygischen Namen des Hermes, Vok. Καν-δαῦλα, nach Hippon. 1 = Κυν-άγχα "Hundwürger", verrußtet worden ist und zu einem idg. Wort für ‘würgen’ gehört, das namentlich im Slavischen, z. B. aksl. daviti ‘würgen’, aber auch sonst, z. B. got. af-dauiþs ‘ἐσκυλμένος, geplagt’ vorliegt, idg. dhāu̯- (WP. 1, 823, Pok. 235). Solmsen KZ 34, 77ff., Herm. 46, 286ff. Unsicher sind die illyr. ON Δαυλία, Δαυλίς ebenso wie Δαῦλις· ἑορτὴ ἐν Ἄργει H. (Fick KZ 44, 339). — Eine parallele n-Ableitung ist in θαῦνον· θηρίον H., lat. Faunus vermutet worden, s. W.-Hofmann s. v. mit reicher Lit. Vgl. auch θώς. I-655
θαῦμα, Hdt. u. a. θῶμα (Hss. auch θῶυμα; s. unten) n. ‘Wunder, Wunderding, Bewunderung, Verwunderung’ (seit Il.). Als Vorderglied z. B. in θαυματο-ποιός ‘Taschenspieler, Gaukler’ (Pl., D. usw.). Ableitungen: θαυματός ‘wundervoll, erstaunlich’ (Hes. Sc. 165, h. Hom., Pi.) mit θαυμάσιος ‘ds.’ (ion. att.; Schwyzer 466), wovon θαυμασιότης (Hp. u. a.); θαυματόεις ‘ds.’ (Man.); Θαύμας, -αντος (Hes.; Schwyzer 526, Chantraine Formation 269). Denominative Verba: 1. θαυμαίνω ‘sich wundern, bewundern, staunen’ (θ 108, h. Ven. 84 usw.) mit dor. Θωμάντας (Phleius); 2. θαυμάζω ‘ds.’ (seit Il.; zur Bildung Schwyzer 734) mit θαυμαστής ‘Bewunderer’ und θαυμαστικός (Arist. usw.), θαυμασμός ‘Verwunderung’ (hell. und spät), θαύμακτρον etwa ‘Schaupfennig’ (Sophr. 120; vgl. Chantraine 332); 3. θαυματίζομαι· ἐκπλήττομαι H. — Θώμων (böot.); vgl. γνῶμα : γνώμων u. a.; dazu Bechtel Hist. Personennamen 214. — Das schwundstufige θαῦμα und das davon im Ablaut abweichende hochstufige θῶμα, woneben durch etymologische Schreibweise bei Hdt. auch θῶυμα (Hoffmann Dial. 3, 366f.), gehen als Verbalnomina auf ein Verb für ‘anschauen’ zurück, das auch in θέα ‘das Anschauen’ (s. d.), θεάομαι ‘schauen’ vorliegt; θαῦμα, θῶμα (aus *dhəu-mn̥, *dhō(u)-mn̥) somit eig. ‘(das Ding zum) Anschauen’; vgl. Porzig Satzinhalte 281. I-655-656
θάψος f. N. einer Pflanze, ‘Gelbholz, Rhus Cotinus’, zum Färben gebraucht (Theokr. u. a.), auch θαψία ῥίζα (Thphr.); θαψία f. ‘giftige Mohrrübe, Thapsia garganica’ (Arist., Thphr. usw.); davon θάψινος ‘gelbfarbig’ (Ar. u. a.). — Mit dem Namen der Halbinsel Thapsos (an der Ostküste Siziliens) identisch, bzw. davon abgeleitet. Strömberg Pflanzennamen 127. I-656
θέα, ion. θέη (syrak. θάα?; vgl. Kaibel CGF 1,200) f. ‘Anschauen, Schau, Besichtigung, Anblick, Schauspiel’ (ion. att.). Als Vorderglied in θεωρός ‘Zuschauer, Festgesandter’, s. bes. Davon Θᾱΐς f. PN (D. S., Plu. u. a.). — Daneben θεάομαι, ion. θηέομαι, dor. θαέομαι (mit θάμεθα [Sophr.] und anderen kontrahierten Formen; Bechtel Dial. 2, 191), auch mit Präfix, z. B. ἐκ-, κατα-, συν-, ‘schauen, betrachten’ (seit Il.) mit mehreren Verbalnomina: 1. θέαμα, θέημα ‘Anblick, Schauspiel, Augenweide’ (Semon., A. u. a.); 2. θέασις ‘Betrachtung, Einsicht’ (Gal., Porph.); 3. θατύς (dor. aus *θαατύς)· ἴκριον (= ‘Bank im Theater’), θεωρεῖον, ἐς θατύν· εἰς θεωρίαν H.; 4. θέατρον, θέητρον ‘Zuschauerraum, Theater’ (ion. att.) mit zahlreichen Kompp. und Ableitungen, z. B. ἀμφι-θέατρος eig. Bahuvrihi ‘mit Zuschauerraum rings um’ (ἱππόδρομος, στοά), Subst. -ον ‘Amphitheater’ (D. H., Str. usw.), θεατρικός, θεατρίζω, θεατρισμός u. a.; 5. θεατής, θεητής ‘Betrachter, Zuschauer’ (ion. att.) mit θεατικός (Arr.); 6. θηητήρ (φ 397), θατήρ (B. 9, 23) ‘ds.’; 7. θεήμων ‘ds.’ (APl.). — Als Grundform von θέα usw. ist *θά̄ϝᾱ anzusetzen; dabei könnte att. θέα sein -α aus θεάομαι bezogen haben (vgl. Schwyzer 188 m. A. 2). Aus *θά̄ϝᾱ, *θήϝη, θέα (mit Kürzung η > ε; Schwyzer 349) lassen sich θᾱ(ϝ)έομαι, θη(ϝ)έομαι (mit Übergang von αο > εο; Schwyzer 242f.), θεάομαι unschwer als Denominativa verstehen. Ebenso nahe liegt es, darin ein iterativ-intensives Deverbativum zu sehen (Schwyzer 720 m. Lit.), wobei θέη, θέα als Rückbildungen zu erklären sind; für die letztere Alternative spricht die Chronologie der Belege. Als Ableger eines primären, verlorengegangenen Verbs sind jedenfalls θαῦμα, θῶ-μα (s. d.) zu betrachten. Ein anderes primäres Nomen ist wahrscheinlich θῆβος (= θῆϝος)· θαῦμα mit θήγεια (= θήϝεια)· θαυμαστά, ψευδῆ und θηταλά (= θηϝαλά)· θαυμαστά, ψεύδεσιν ὅμοια H. — Außergriechische Verwandte sind nicht nachgewiesen; verfehlte Kombinationen sind bei Bq und WP. 1, 832 notiert. Nach Szemerényi Glotta 33, 256 wäre *θά̄ϝα aus idg. *dhm̥su̯ā entstanden, wozu noch θάμβος, ταφεῖν aus *dhm̥bh- (τέθηπα Analogiebildung); idg. *dhem- mit verschiedenen Erweiterungen (?). I-656-657
θειλόπεδον n. ‘Platz zum Trocknen in der Sonne’ s. εἱλόπεδον. I-657
θείνω, redupl. Aor. πε-φν-εῖν (ep. poet. seit Il.), Med. ἐπέφατο (cod. ἀπ-)· ἀπέθανεν H.; daneben auch, wohl als Neubildungen, der them. Wurzelaor. θενεῖν (E., Ar. u. a.) und der σ-Aor. Ptz. θείνας (Υ 481; Schwyzer 755); Fut. θενῶ (Ar.), Perf. Pass. 3. Sg. πέφαται, Inf. πεφάσθαι (ep. poet. seit Il.), wozu Fut. Pass. πεφήσεται (Ο 140 u. a.: Schwyzer 783 A. 4, Chantraine Gramm. hom. 1, 448); Verbaladj. als Hinterglied in Zusammenbildungen, z. B. ἀρηΐ-φατος (s. auch zu διφάσιος), ‘schlagen’, auch ‘totschlagen, töten’ (πεφνεῖν, κατα~). Daneben φόνος m. ‘Totschlag’, s. bes.; vgl. noch ’Αργεϊφόντης. — Das hochstufige themat. Jotpräsens θείνω hat eine genaue formale Entsprechung in lit. geniù (Inf. genė́ti) ‘Äste abhauen, abästeln’, idg. *gu̯hen-i̯ō; daneben das schwachstufige aksl. žьnjǫ (Inf. žęti) ‘ernten, schneiden’. Auch arm. ǰnǰem ‘abwischen, reinigen, abschaffen usw.’ kann lautlich dazu stimmen, weicht aber in der Bedeutung stark ab. Sehr fraglich alb. gjanj ‘jagen, verfolgen’ (s. Pedersen und Jokl bei W.-Hofmann s. dēfendō). Mutmaßlich älter ist ein im Indoiranischen und Hethitischen erhaltenes athematisches Wurzelpräsens, aind. hánti = aw. ǰainti = heth. kuen-zi ‘er schlägt, tötet’, idg. *gu̯hén-ti. Als Ersatz davon ist neben dem Jotpräsens in mehreren Sprachen eine thematische Wurzelbildung eingetreten: aind. hanati ‘schlagen, töten’, lit. genù ‘(das Vieh auf die Weide) treiben, jagen’, aksl. ženǫ ‘(ver)treiben, verfolgen’, vielleicht auch arm. ǰnem ‘schlagen’ (eher denominativ von ǰin ‘Stock’). Andere Bildungen sind air. gonim ‘verwunden, töten’ (iterativ) und lat. dē-, of-fendō (mit d-Suffix). — Auch der reduplizierte Aorist hat außergriechische Entsprechungen, u. z. im Indoiranischen: aw. ava-ǰaɣnat_ ‘er schlug’ = πέφνε, aind. Ptz. ja-ghn-ant = πεφνόντ-, idg. *gu̯e-gu̯hn-ont-. Ebenso stimmen die Perfektbildungen zueinander: aind. ja-ghā́n-a, 3. pl. ja-ghn-úḥ : πέ-φα-ται, idg. *gu̯e-gu̯hon-, *gu̯e-gu̯hn-, *gu̯e-gu̯hn̥-. Verbaladjektiva (bzw. Partizipia): aind. hatá- = aw. ǰata- = -φατος, idg. *gu̯hn̥-to-s. — Weitere Formen aus verschiedenen Sprachen mit Lit. bei Bq s. v., WP. 1, 679ff., Pok. 491ff. ebenso wie in den einschlägigen Spezialwörterbüchern, insbes. W.-Hofmann s. dēfendō. Zur Bed. von θείνω usw., eig. euphemistisch, Chantraine Sprache 1, 143ff.; auch Trümpy Fachausdrücke 92ff. I-657-658
θεῖον, ep. θέειον, auch θήϊον (χ 493) n. ‘Schwefel, Schwefelgeruch’ (ion. att. seit Il.). Davon das Deminutivum θε(ι)άφιον (H., Tz.; θέαφος Eust.), Adj. θειώδης ‘schwefelig’ (Str., Mediz. usw.), denominatives Verb θειόω, θεόω, ep. θεειόω, auch mit δια-, ἐκ-, περι-, ‘schwefeln, mit Schwefel ausräuchern’ (Od., Mediz. u. a.); davon θεώματα· τὰ περικαθαρτήρια H. — Als gemeinsame Grundform ist θέειον anzusetzen, woraus durch Hyphärese θεῖον, durch weiteren Wegfall des ι θεόω, θεάφιον; dazu durch metrische Dehnung und Suffixtausch das einmalige θήϊον. In θέειον aus *θϝέσειον liegt ein substantiviertes Adjektiv von einem Nomen *θϝέσος n. eig. ‘Rauch’ vor, das zu einem Verb für ‘rauchen, ausatmen’ in lit. dves-iù ‘den Geist aushauchen’ gebildet ist. Solmsen Unt. 85ff. (in Einzelheiten abweichend). Vgl. θεός und 2. θύω. I-658
θεῖος m. ‘Onkel, Oheim’ (att.). Davon die späten Neubildungen πρόθειος ‘Großoheim’ (Laodicea; nach proavus) und θεία f. ‘Tante’ (Pap. u. a.; für τηθίς, Schwyzer-Debrunner 31). — Grammatikalisiertes Lallwort aus (vokativischem?) *θη mit suffixalem -ειος erweitert (nach Schwyzer 193 für *θη-ος). Vgl. das reduplizierte τήθη. — Aus θεῖος ital. zio ‘ds.’. I-658
θέλγω, Aor. θέλξαι (poet. seit Il.), Pass. θελχθῆναι, Fut. θέλξω (poet. seit Od.), vereinzelt mit Präfix, δια-, ἐπι-, κατα, παρα-, Iter. Ipf. θέλγεσκ’ (γ 264) ‘bezaubern, betören, täuschen, beschwichtigen’. Davon θελκτήρ ‘Bezauberer usw.’ (h. Hom. 16, 4) mit θελκτήριον ‘Zaubermittel’ (seit Il.), Adj. θελκτήριος ‘bezaubernd’ (A., E. u. a.); θέλκτωρ ‘ds.’ (A. Supp. 1040 [lyr.]; Versuch einer semantischen Differenzierung von Benveniste Noms d’agent 31 u. 39; s. auch Fraenkel Nom. ag. 2, 10 und 49); θέλκτρον = θελκτήριον (S. Tr. 585), θέλγητρον ‘Zauber, Beschwichtigung, Erquickung’ (E., Ath. u. a.); θέλγμα ‘ds.’ (Sch., H.); θέλκταρ (cod. θέρκαλ)· θέλγμα H. (vgl. Fraenkel Glotta 32, 29); (κατά-)θέλξις ‘Bezauberung’ (Plu., Luk., Ael.); θέλξι- als Vorderglied in verbalen Rektionskompp., z. B. θελξι-επής ‘mit bezaubernden Worten’ (B.), θελξί-φρων ‘sinnberückend’ (E. in lyr. u. a.); vgl. Schwyzer 443. — Zu Τελχῖνες s. bes. — Unerklärt. Mehrere Hypothesen: zu lit. žvelgiù ‘blicken’ (de Saussure MSL 8, 443 A., Thumb IF, Anz. 11, 23; Bezauberung durch den bösen Blick); zu aind. hvárate ‘schief gehen’ usw. aus ĝhu̯el-gō (?, Ehrlich Sprachgesch. 29); zu germ., z. B. ags. dolg, ahd. tolc ‘Wunde’ (eig. *‘Schlag’; Havers IF 28, 190ff.; s. auch ἀσελγής). I-658-659
θελεμόν, Beiwort von πῶμα ‘Trank’ (A. Supp. 1027 [lyr.]) unbekannter Bedeutung, von H. als οἰκτρόν, ἥσυχον erklärt, von Hdn. Gr. 1, 171 zu θέλω gezogen. — Unerklärt; vgl. θελημ(ν)ά (τε καὶ στερεωπά) Emp. 21, 6; angebl. "das Gründende", und Solmsen Wortforsch. 63 m. A. 2; s. auch zu -θελυμνος. I-659
-θελυμνος in προ-θέλυμνος, τετρα-θέλυμνος προ-θέλυμνος Beiwort von δένδρεα (Ι 541), von χαῖται (Κ 15), von σάκος (Ν 130); nachhom. von verschiedenen Gegenständen (δρῦς, καρήατα u. a.); — τετρα-θέλυμνος Beiwort von σάκος (Ο 479 = χ 122); vgl. τριθέλυμνος = τρίπτυχος Eust. 849, 5. — Ein entsprechendes Simplex ist nirgends belegt, wird aber von Sturz bei Emp. 21,6 für überliefertes θελημ(ν)ά (Diels u. a. θελεμνά) konjiziert. Zu προ-θέλυμνος vgl. πρό-ρριζος ‘dessen Wurzel weg ist, entwurzelt’, lat. prŏ-fundus ‘dessen Boden weg (entfernt) ist, tief’, aind. pra-parṇa- ‘dessen Blätter abgefallen sind, entblättert’. Da für das Hinterglied von προ-θέλυμνος, das ebensogut als *θέλυμα wie als *θελυμνον (-ος) angesetzt werden kann, seit alters die Bedeutung ‘Grundlage, Lage, Schicht’ angenommen wird, muß προ-θέλυμνος heißen ‘dessen Grundlage weg ist, (von der Grundlage) losgerissen’, was für sämtliche Stellen bis auf Ν 130 (danach Nonn. D. 22, 183; 2, 374) paßt. Weil aber diese Deutung für Ν 130 versagt, hat Wackernagel Unt. 237ff. (wo ausführliche Behandlung mit Kritik früherer Ansichten wie Bechtel Lex. s. προθέλυμνος; s. noch Solmsen Wortforsch. 61ff., Diller Phil. 97, 361ff.) darin eine Nebenform von τετρα-θέλυμνος ‘mit vier Schichten’ sehen wollen, wobei προ- die äolische Entsprechung von τρα- aus *πτϝρα- (vgl. τρά-πεζα) wäre. — Die H.-glossen ἀθέλιμνοι· κακοί, ἀθέλημον ἄκουσμα· κακόν sind irgendwie entstellt; θέλεμνον· ὅλον ἐκ ῥιζῶν scheint aus προθέλυμνος abgeleitet zu sein (Latte bei Mayrhofer Wb. 2, 94A.). Da auch die Empedoklesstelle unklar ist, sind wir ganz auf die Kompp. angewiesen. Die alte ansprechende Gleichung mit aind. dharúṇam n. ‘Stütze, Grundlage, Boden’ (idg. dher-; vgl. θρόνος) sucht Mayrhofer Wb. 2, 93f. neu zu begründen, indem er annimmt, -θελυμνο- sei in προ-, τετρα-θέλυμνος durch Dissimilation aus *θερυμνο- entstanden. — Ältere Deutungen bei Bq und WP. 1, 865. Nach v. Windekens Le Pélasgique (s. Index) pelasgisch. Auch Krahe Die Antike 15, 181 hält das Wort für vorgriechisch. I-659-660
θέμεθλα n. pl. ‘Fundamente, Grund(lage)’ auch übertr. (ep. poet. seit Il.). — θεμείλια n. pl. ‘ds.’ (ep. poet. seit Il.), metrische Dehnung von θεμέλια, Adj. θεμέλιος ‘zu den Fundamenten gehörig’, als Subst. (sc. λίθος) ‘Grundstein’ (att. hell. usw.) mit θεμελιόω ‘den Grund legen’ (X., LXX usw.), θεμελίωσις ‘Grundlegung’ (LXX usw.). Durch poetisch-archaisierende Rückbildung entstand das gleichbedeutende θέμειλον (AP), -α (Versinschr., Adana). Bildungen mit θλο- bzw. λο-Suffix aus einem nominalen μ-Stamm; vgl. θεμούς s. θεμόω; zur Bildung von θεμέλιος noch Frisk Eranos 41, 51ff. Vgl. auch θέμερος, θέμις. I-660
θεμέρη · βεβαία, σεμνή, εὐσταθής; θέμερον· σεμνόν. ἀφ’ οὗ καὶ τὸ σεμνύνεσθαι θεμερύνεσθαι H. — Aus der Lit. als Simplex nur θεμέρᾳ ὀπί (v. l. Pi. N. 7, 83), θεμε[ρώτε]ρα (IG 14, 1018, 3, IVp; richtig ergänzt?). Als Vorderglied in θεμερῶπις Beiwort von ‘Αρμονίη (Emp. 122, 2), von αἰδώς (A. Pr. 134 [lyr.]); θεμερόφρονας· συνετούς, σώφρονας H. Neben θέμερος (θεμερός ?) ‘fest, standhaft’ steht *θέμιστος in Θεμιστο-κλῆς u. a. (vgl. ’Αριστο-κλῆς) wie κράτιστος neben κρατερός (vgl. Frisk Eranos 48, 6). Als Grundlage dient das nominale θεμ- in θεμούς, θέμεθλα, θεμέλια, s. dd. — Ob daneben wegen der Wiedergabe mit σεμνός ‘ehrwürdig, ernst’ ein zweites θέμερος anzusetzen ist, scheint etwas fraglich. Nach Fick 1, 464; 3, 201 gehört es in dieser Bedeutung zu ahd. timber ‘finster’; dazu noch mit anderer Bildung mir. dem ‘schwarz, dunkel’ (Johansson IF 4, 145 A. 4). I-660
θέμις f. (vereinzelt und sekundär n., vgl. unten) ‘Recht, Gesetz, Sitte’, auch personifiziert als Göttin des Rechts (seit Il.); Plur. ‘Satzungen, (göttliche) Gesetze, Orakelsprüche’ (Hom., Hes., Thgn., Pi.). dazu wechselnde oblique Formen: Gen. θέμιστος (β 68; thess. Inschr.), Dat. -ιστι (Ο 87; thess. Inschr.), Akk. -ιστα (Ε 761, Υ 4); θέμιδος (A. Pr. 18 u. a.), θέμιτος (Pi. O. 13, 8 u. a.); vereinzelt noch θέμιος (Hdt. 2, 50; v. l. -ιδος), θέμεως (Inschr. Metropolis); Akk. θέμιν (Hes. usw.), Vok. Θέμι (seit Ο 93). Plur. θέμιστες, Akk. -ιστας usw. Myk. temi, Gen. timito; vgl. Ruipérez Minos 5, 176f., 181ff. Als Vorderglied z. B. in θεμι-σκόπος ‘das Recht bewachend’ (Pi.), θεμισ-κρέων ‘durch das Recht (die Satzungen) waltend’ (Pi.), θεμιστο-πόλος ‘die Gesetze schützend, die Orakelsprüche hegend’ (h. Cer. 103, Inschr. Delphi IIIa); zahlreiche EN, z. B. Θεμιστο-κλῆς (s. dazu θέμερος). Als Hinterglied z. B. in ἄ-θεμις ‘gesetzlos, ungesetzlich’ (Pi., E.), ἀ-θέμιτος ‘ds.’ (Hdt. usw.), ἀ-θέμιστος ‘ds.’ (vorw. ep. u. poet. seit Il.), auch ἀ-θεμίστιος (ep. poet. seit Od.; metr. Nebenform). Ableitungen: θεμιστός (A. Th. 694 [lyr.]; nach ἀ-θέμιστος); θεμιτός in οὐ θεμιτόν = οὐ θέμις (ion. att.); Θεμίστιος Beiname des Zeus ‘Herr der θέμιστες’ (Plu.), auch Monatsname (Thessalien); θεμιστεῖος ‘auf die θ. bezüglich’ (Pi.); θεμιστοσύναι = θέμιστες (Orph. H. 79, 6). Denominative Verba: 1. θεμιστεύω ‘die θέμ., d. h. Gesetze, Orakelsprüche verkünden’ (seit Od.) mit θεμιστεία ‘Orakelgebung’ (Str.). 2. θεμιτεύω ‘gesetzlich begehen’ (E. Ba. 79 [lyr.]). 3. θεμιζέτω· μαστιγούτω, νομοθετείτω. Κρῆτες H.; nach Bechtel Dial. 2, 786 gemäß der Buchstabenfolge in θεμισσέτω (= Paus. Gr. Fr. 202) zu ändern; wohl von θέμιστ-ες; Aor. Ptz. θεμισσάμενος (Pi.). — Zu θέμις stimmt bis auf den Ablaut aw. dā-mi- f. ‘Schöpfung’, auch ‘Schöpfer’ (m. u. f.); vgl. die gleiche Abweichung in θέ-σις, -θε-τος gegenüber -dā-ti- ‘das Setzen’, dā-ta- ‘Satzung Recht, Gesetz’ (= θέμις). Ein Problem bietet dabei die eigentümliche Pluralbildung θέμι-στ-ες, wozu vereinzelte Singularformen θέμι-στ-ος usw.; die von Schulze stammende und von Fraenkel Glotta 4, 22ff. näher begründete Zerlegung in ein Kompositum θεμι- (neben θέμ-ερος) und στᾱ- ‘stehen’ (Θέμις = "die fest und unverbrüchlich Stehende") stößt auf fast unüberwindliche Schwierigkeiten; s. Frisk Eranos 48, 1ff. (mit Lit.), wo ein Versuch gemacht wird, unter Heranziehung von Θεμιστο-κλῆς (eig. Superlativ zu θέμερος) und ἀ-θέμιστος (nach ἀ-χάριστος : χάρις) die στ-Flexion als eine ursprünglich im Plur. eingetretene Neuerung zu erklären. Das zuweilen auftretende neutrale Genus stammt, wie Fraenkel richtig gesehen hat, von synonymen Ausdrücken wie δέον, καλόν, προσῆκον u. a. — Zur Bed. usw. von θέμις H. Vos Themis. Diss. Univ. Rheno-Traj. 1956. I-660-661
θεμόω nur Aor. θέμωσε in (νῆα) ... φέρε κῦμα (...), θέμωσε δὲ χέρσον ἱκέσθαι (ι 486, 542). Denominatives Verb von θεμός, nur in θεμούς· διαθέσεις, παραινέσεις H. und in PN, Θέμ-ανδρος, Θεμό-θεος (Bechtel Hist. Personennamen 201f.). — Die gewöhnliche Wiedergabe durch ‘bewirken, mettre en état de’ oder einfach ‘drove ashore (landwards)’ (LSJ) ist offenbar allzu abstrakt; man erwartet vielmehr ein instrumentatives ‘mit θεμός versehen’ o. dgl. Die Bedeutung dieses seemännischen Ausdrucks bleibt allerdings verborgen. I-661
θέναρ, -αρος n. ‘Handfläche’ (auch übertr.), ‘Fußsohle’ (seit Il.). Auch als Hinterglied, z. B. ὀπισθέναρ n. ‘Handrücken’ (Poll.) für *ὀπισθο-θέναρ, παραιθένατα· τὰ ἀπὸ τῶν μικρῶν δακτύλων παρὰ τὸ θέναρ, ἤγουν ἐπὶ τὸν καρπόν H. Denominative Verba: θεναρίζει· τύπτει; ἐνθεναρίζει· ἐγχειρεῖ H. — Altes Wort für ‘Handfläche’, auch im Germanischen vertreten: ahd. tenar m., tenra f. ‘ds.’ (thematische Erweiterungen des r-Stammes). — Hypothetische weitere Kombinationen bei WP. 1, 853, Pok. 249. I-661-662
θεοκόλος, auch θεηκόλος (Schwyzer 438) m. ‘Gottesdiener, Priester’ mit θεοκολέω (θεη-), -ία, -εών (hell. u. spät). — Nach βουκόλος neugebildet; daneben vereinzelt θεο-πόλος, -έω (Pl. Lg. 909d, Phot., Suid.; vgl. αἰ-πόλος). Solmsen Unt. 24 A. 1; über Bedeutung und Verbreitung noch E. Kretschmer Glotta 18, 82f. I-662
θεοπρόπος m. ‘Wahrsager, Seher’, auch Adj. ‘weissagend’, mit θεοπροπέω (nur Ptz.) ‘weissagen’ und θεοπρόπιον, -ία ‘Weissagung, Orakel’ (alles seit Il.; zu -ιον, -ία Scheller Oxytonierung 30f. m. Lit.). — Wohl mit Bechtel Lex. s. v. nach Buttmann von θεός und πρέπειν als "der von Gottes wegen erscheinende, auftretende" ("der sich von dem Gott aus vernehmlich macht" Bechtel; dagegen mit anderem Vorschlag Runes IF 50, 272). Abzulehnen L. Meyer KZ 22, 54ff. u. A. (zu lat. precor, procus) und Bonfante Ist. Lomb. 65, 66ff. (zu lat. reciprocus). I-662
θεός myk. te-o? m. f. ‘Gott, Göttin’ (seit Il.); Sehr oft in Kompp., z. B. ἄ-θεος, θεο-ειδής; θεόσ-δοτος nach Διόσ-δοτος; zu der Form θεσ- s. θέσκελος, θέσπις. Über θεσ- als vergrößerndes Präfix im Neugr. Georgakas ’Αθ. 46, 97ff. Ableitungen: 1. θεά f. ‘Göttin’ (ep. poet., nachklass.; Einzelheiten bei Lommel Femininbildungen 13f., dazu Wackernagel Syntax 2, 25; über θεά und fem. θεός bei Hom. s. Humbach Münch. Stud. zur Sprachwiss. 7, 46ff.). 2. θέαιναι pl. ‘Göttinnen’ (nach τέκταιναι u. a.; bei Hom. als metrische Ausfüllung; nicht mit Chantraine REGr. 47, 287 A. 1 archaische Form; weitere Lit. bei Schwyzer 475 m. A. 7). 3. θεῖος ‘göttlich’ (seit Il.; vgl. unten) mit θειώδως Adv. (Pap.), θειότης ‘Göttlichkeit, Gottheit’ (LXX, NT, Plu. u. a.), θειάζω ‘prophezeien, als Gott verehren’ (Th.), auch mit Präfix, z. B. ἐπι-θειάζω ‘im Namen der Götter beschwören usw.’ mit (ἐπι-)θειασμός (Th.) u. a. 4. θεϊκός ‘ds.’ (spät). 5. Denominatives Verb θεόω, -όομαι ‘vergöttlichen, Gott werden’ (Kall. u. a.), vorwiegend mit Präfix, z. B. ἀπο-θεόω ‘ds.’ (Pap., Plb., Plu. u. a.) mit ἀποθέωσις (Str. u. a.). — Nicht sicher erklärt. Wegen der vielen lexikalischen Berührungen zwischen Griechisch und Armenisch kommt die Verbindung mit arm. di-k‘ pl. ‘Götter’ (Bartholomae BB 17, 348) zunächst in Betracht; damit werden noch verknüpft lat. fēriae ‘Feiertage’, fēstus ‘festlich’, fānum ‘Tempel’, s. W.-Hofmann s. vv., wo auch weitere Lit.; zu aind. dhíṣṇiya- (Bed. unsicher) Mayrhofer Wb. s. Dhiṣáṇā. Als Grundform wäre dann für arm. di-k‘ idg. *dhēs-es anzusetzen, woneben θεός aus *dhĕs-ós; vgl. noch θέσ-κελος; auch θεῖος aus *θέσ-ι̯ος (Schwyzer 467)? Der quantitative Unterschied ē : ĕ bleibt noch zu erklären. — Dieser Etymologie steht eine andere entgegen, die θεός aus *θϝεσ-ός mit lit. dvasià ‘Geist’, mhd. getwās ‘Gespenst’ (s. noch θεῖον) verbindet (de Saussure Mém. 81 A. 5); man hat dagegen eingewendet, daß das angebliche ϝ keine metrische Spur hinterlassen hat und daß sich die Griechen ihre Götter körperlich vorstellten. Der Vorschlag Pisanis (REIE 1; s. Acme 1, 272f.), auch arm. di-k‘ aus idg. *dhu̯es- herzuleiten, ist lautlich kaum haltbar. — Noch anders Bechtel BB 30, 267ff. (zu θοός· λαμπρός H.), Senn Soter 4 (1927) 11ff. (zu τίθημι mit Hdt. 2, 52; offenbare Volksetymologie), Bartoli Riv. fil. class. 56, 108ff., 423ff. (zu lat. deus mit vielen Vorgängern; lautlich unmöglich). — Zu neuphryg. δεως ζεμελως κε s. Σεμέλη und χθών. — Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 844 und 867; dazu noch W.-Hofmann s. bēstia und fānum usw. (s. oben), Pok. 259 und 269. I-662-663
θεουδής ‘gottesfürchtig, fromm’ (ep. seit Od.) mit θεούδεια f. ‘Gottesfurcht’ (A. R. 3, 586). — Daraus kontrahiert att. EN Θουδῆς Θουδιάδου. — Für θεο-δϝής aus *θεο-δϝειής, zu *δϝεῖος > δέος ‘Furcht’, s. d. Die Bedeutung ‘göttergleich’ (sp. Dichter) beruht auf Vermischung mit θεο-ειδής. Einzelheiten bei Bechtel Lex. s. v.; s. auch Verdenius Mnemos. 4 : 8, 232f. m. Lit. I-663
θέπτανος · ἁπτόμενος H. — Von Fick BB 12, 162, Brugmann Grundr.2 2 : 1, 269 u. a. mit lit. dègtinas ‘wer oder was zu verbrennen ist’ (von deg-ù, dèg-ti ‘brennen’) identifiziert. Vgl. zu τέφρα ‘Asche’. — Nach P. Maas ByzZ 37, 381 und Latte Glotta 34, 198f. dagegen aus θεπταίνων· ἁπτόμενος (Kyr.) entstellt, das Latte in θ(ε)ιγγάνων emendieren will. Zur Herkunft des suffixalen -τανος, -tinas (idg. *-tn̥nos) Benveniste Origines 107f.; dazu noch eine sehr unsichere Hypothese bei Pedersen Hittitisch 149f. I-663
θεράπων, -οντος (-ονος äol. [Gramm.]; vgl. unten) m. ‘Diener, Gefährte’ (seit Il.) mit dem Deminutivum θεραπόντιον (D. L.). Davon θεράπαινα f. ‘Dienerin, Magd’ (ion. att.), mit θεραπαινίς, -ίδιον (Pl., Men. u. a.); auch θεράπνη ‘ds.’ (poet. seit h. Ap. 157; vgl. unten) mit θεραπνίς (AP); unklar θεραποντίς Beiw. von φερνή (A. Supp. 979). — Daneben θέραψ, -απος m., meistens im Pl. ‘ds.’ (poet. seit E.) mit θεράπιον (Hyp.), -πίς (Pl. Mx. 244e). Denominatives Verb θεραπεύω ‘(be)dienen, verehren, pflegen, heilen’ (seit ν 265) mit mehreren Nomina: θεραπεία, ion. -ηΐη, θεράπευμα ‘das Dienen usw.’ (ion. att.), θεράπευσις ‘ds.’ (Phld.); θεραπευτής ‘Diener, Verehrer’ (ion. att.) mit θεραπευτικός (Pl., X., Arist. usw.), auch θεραπευτήρ (X., Aristox. u. a.; wahrscheinlich dorisch, Fraenkel Nom. ag. 2, 54f.) mit θεραπευτρίς (Ph.), -εύτρια (EM); θεραπήϊος = θεραπευτικός (AP), -ηΐς f. (Orac. ap. Jul. Ep. 88b). — Außer im Sinn von ‘Dienerin’ kommt θεράπνη bei Eur. und seinen Nachfolgern auch in der Bedeutung ‘Wohnung, Aufenthaltsort’ vor (θεράπναι· αὐλῶνες, σταθμοί H.), was an δοῦλος· ἡ οἰκία H. (vgl. s. v.) erinnert; bei gemeinsamem Ursprung wäre von ‘Haus’, koll. ‘Dienerschaft’ auszugehen. Von θεράπνη ‘Wohnung’ ist jedenfalls der lakonische ON Θεράπνα, -ναι schwerlich zu trennen; dadurch wird vorgriechische Herkunft der ganzen Sippe nahegelegt. Kretschmer Glotta 28, 269f. (s. auch dens. Glotta 24, 90ff.; über Bed. und Verbreitung noch E. Kretschmer Glotta 18, 72ff.) sieht darin eine "protoindogermanische" Entsprechung von τέραμνα; mit θέραψ wäre lat. trabs ‘Balken’ usw. zu vergleichen. Zustimmend v. Windekens Le Pélasgique 89f. (m. Lit.). An und für sich kann indessen θεράπνη ‘Dienerin’ sehr wohl von θεράπων ausgehen (vgl. Sommer Nominalkomp. 145; zum sekundären ντ-Stamm vgl. θεράπαινα und Schwyzer 526 m. A. 3 und Lit.) und höchstens indirekt mit der gleichlautenden Ortsbezeichnung verwandt sein; vgl. Schwyzer 489 m. A. 4 u. Lit. — Auffallend ist das stark beschränkte und späte Vorkommen von θέραψ im Vergleich zu θεραπεύω nebst Ablegern, was für postverbalen Ursprung sprechen könnte. Die Grundlage von θεραπεύω wäre dann in einem verlorengegangenen Wort zu suchen. — Die Anknüpfung an idg. dher- ‘(fest)halten, stützen’ (s. θρόνος; Näheres bei Bq s. v. und WP. 1, 857) ist weder semantisch noch morphologisch befriedigend. Vgl. auch θρησκεύω. I-663-664
θέρμος m. ‘Lupinus albus’ (mittl. Kom., Thphr. u. a.). Davon θέρμιον ‘ds.’ (Pap. u. a.), θέρμινος ‘aus Lupine’ (Luk., Dsk.). — Wohl mit θερμός ‘warm’ bis auf die regelmäßige Akzentverschiebung identisch; zum Benennungsmotiv Strömberg Pflanzennamen 82. I-664
θερμός ‘warm’ (seit Il.). Oft als Vorderglied, z. B. Θερμο-πύλαι (Hdt. usw.; vgl. Risch IF 59, 267). Zu ἄ-, ἔκ-, ἔν-θερμος usw. s. unten zu θέρμη und θερμαίνω. Zahlreiche Ableitungen. A. Substantiva. 1. θέρμη, auch -μᾰ (dazu Schwyzer 476 A. 2, Chantraine Formation 102 und 148) f. ‘Wärme, Hitze, Fieberhitze’ (ion. att.) mit ἄ-θερμος ‘ohne Wärme’ (Frisk Adj. priv. 11 m. Lit.), ἔν-θερμος ‘mit Wärme drin, warm’ (Strömberg Greek Prefix Studies 95) u. a.; θερμίζω ‘fiebern’ (Euböa). 2. θερμότης ‘Wärme, Hitze’ (ion. att.). 3. θερμωλή ‘ds.’ (Hp.; Frisk Eranos 41, 52). 4. θερμέλη· ἡ θέρμη Suid. (Strömberg Wortstudien 79). 5. θέρμασσα = κάμινος (Hdn. Gr. 1, 267; Bildung unklar, vgl. Schwyzer 525f., Müller-Graupa Glotta 31, 129). — B. Adjektiva: 1. θερμώδης ‘lauwarm’ (Aret.); dazu Θερμώδων, -οντος Flußname (Böotien, Pontos; s. Krahe Beitr.· z. Namenforschung 2, 236; 3, 162). 2. θερμηρός Beiw. von ποτήριον (H. s. κελέβη; auch auf θέρμη beziehbar). — C. Verba: 1. θέρμετο Ipf. ‘wurde warm’ (ep. seit Il.), θέρμετε Ipv. ‘erwärmet!’ (θ 426; danach Ar. Ra. 1339); zur Bildung vgl. Schwyzer 722f. 2. θερμαίνω, Aor. θερμῆναι ‘erwärmen’ (seit Il.), oft mit Präfix, z. B. ἐκ-θερμαίνω ‘ganz und gar erwärmen’ (Hp., Arist. usw.) mit dem postverbalen ἔκθερμος ‘sehr heiß’ (Vett. Val. u. a.); davon θέρμανσις ‘Erwärmung’ (Arist. u. a.) mit θερμαντικός ‘zum Erwärmen geeignet, erwärmend’ (Pl., Arist., hell.), θερμασία ‘Erwärmung, Wärme’ (Hp., Arist. usw.; vgl. Schwyzer 469), θέρμασμα ‘wärmender Umschlag’ (Mediz.; vgl. Chantraine Formation 176), θερμάστρᾱ s. θερμάζω; θερμαντήρ "Aufwärmer", ‘Kessel zum Wasserkochen’ (Poll.) mit θερμαντήριος ‘aufwärmend’ (Hp., Inschr.). 3. θερμάζω ‘ds.’ nur Aor. Opt. Med. θερμάσσαιο (Nik. Al. 587) mit θερμάστρα f. ‘Ofen’ (Kall. u. a.; auch auf θερμαίνω beziehbar); auch θερμαύστρα geschrieben durch Vermischung mit θερμαυστρίς (θέρμ-) ‘Feuerzange’ (Arist., H.), vgl. πυρ-αύστρα ‘Feuerzange’ (αὔειν ‘Feuer holen’); auch übertr. als N. eines Tanzes (Poll., Ath.) mit θερμαυστρίζω (Kritias, Luk.); von θερμάστρα: θερμαστρίς (θέρμ-) = θερμαντήρ (Eup., LXX); die Formen auf -αστρ-, -αυστρ- werden indessen nicht auseinandergehalten, vgl. Schulze Kl. Schr. 189 m. A. 6; durch Dissimilation θέρμαστις Bed. unklar (Attika IVa) mit θερμάστιον (Aen. Tact. u. a.). — Altererbtes Adjektiv, mit arm. ǰerm ‘warm’, thrak.-phryg. germo- (in ON, z. B. Γέρμη) identisch, idg. *gu̯hermo-; dazu noch in substantivischer Funktion alb. zjarm, zjarr ‘Hitze’. Daneben mit o-Vokal, ursprünglich substantivisch, idg. *gu̯hormo- in aind. gharmá- m. ‘Hitze’, apreuß. gorme ‘ds.’; sekundär auch adjektivisch in aw. garəma-, lat. formus, germ., z. B. nhd. warm (anders Zupitza u. A.; s. WP. 1, 688). Unsicher toch. A śārme ‘Hitze (?)’. Weitere Formen mit Lit. bei W.-Hofmann s. formus, Mayrhofer Wb. s. gharmáḥ; s. noch θέρομαι, θέρος. I-664-665
θέρομαι ‘warm werden, sich wärmen’ (ep. ion. poet. seit Il., hell. u. späte Prosa), vereinzelt Akt. θέρω ‘wärmen’ (A. R., Nik.), nur Präsensstamm bis auf Aor. 2 Pass. Konj. θερέω (ρ 23; für *θερή-ω), Fut. Ptz. θερσόμενος (τ 507). Daneben θέρος n. ‘Sommer’ (seit Il.), ‘Ernte’ (ion. att.). Als Hinterglied z. B. in εἱλη-θερής, aber s. zu εἵλη. — Ableitungen: θέρειος ‘zum Sommer gehörig’, f. θερεία, -η (sc. ὥρα) ‘Sommer’ (Pi., Hdt., hell. u. spät), θερινός ‘ds.’ (ion. att.; nach χειμερινός u. a., Chantraine Formation 201), θερόεις ‘ds.’ (Nik. Al. 570; poetische Bildung, Schwyzer 528 m. Lit.), θεριακός ‘für den Sommer passend’ (ἱμάτια θ. Pap. VIp; nach ἡλιακός u. a.); θερίδιον ‘Sommeraufenthalt’ (Jul.), θέρετρον ‘ds.’ (Hp.; nicht ganz sicher, vgl. Chantraine 332). Denominatives Verb θερίζω, Aor. θερίσαι ‘ernten, abmähen’ (ion. att.), auch intr. ‘den Sommer zubringen’ (X., Arist.), mit θερισμός ‘Ernte, Erntezeit’ (Eup., X. usw.), θεριστής ‘Ernter, Schnitter’ (att. usw.) mit -ιστικός (Pap.), auch -ιστήρ ‘ds.’ (Lyk. 840; Fraenkel Nom. ag. 1, 135f.), -ιστήριον ‘Sichel’ (LXX u. a.); θέριστρον ‘Sommergewand’ (LXX, Pap. u. a.), -ίστριον ‘ds.’ (Theok. u. a.; Wackernagel KZ 33, 50 = Kl. Schr. 1, 729); θέριστρα pl. ‘Erntelohn’ (Pap.). — Zu θέρος stimmt der Form nach genau aind. háras- n. ‘Hitze’, idg. *gu̯héros-, ebenso arm. ǰer ‘ds.’ (sekundärer o-Stamm). Die Bedeutung ‘Sommer’ ist eine griechische Neuerung (‘Hitze’ = θέρμη, θάλπος u. a.). Im Sinn von ‘Ernte’ scheint θέρος postverbal zu θερίζω *‘Sommerarbeit machen’ zu sein. Dem thematischen Wurzelpräsens θέρομαι entspricht air. fo-geir ‘erwärmt, erhitzt’ (idg. *gu̯here-t). Die übrigen Sprachen zeigen verschiedene Bildungen : arm. ǰeṙ-nu-m, Aor. ǰeṙ-ay ‘sich wärmen’ (: aind. ghr̥-ṇo-ti ‘leuchtet, brennt’ [Gramm.], vgl. ghr̥-ṇá- m. ‘Glut, Hitze’), aksl. grě-jǫ grě-ti sę ‘sich wärmen’ (gorjǫ, gorěti ‘brennen’) usw. — Weitere Formen mit reicher Lit. bei Bq, WP. 1, 687ff., Pok. 493ff., W.-Hofmann s. formus und fornāx, Ernout-Meillet s. formus, Vasmer Russ. et. Wb. s. gorétь, Fraenkel Lit. et. Wb. s. gãras. I-665-666
θέσις f. ‘das Setzen, Aufstellung, Stellung, Lage, Adoption, Satz usw.’ (Alk., Pi., ion. att.).; sehr oft mit Präfix in Ableitungen von den betreffenden präfigierten Verba, z. B. διά-, σύν-, ὑπό-θεσις (von δια-τίθημι usw.). Davon -θέσιμος in παρα-, περι-, ἐκ-, ἀπο-θέσιμος (von παράθεσις usw.; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 91f.). — Zu θέσις stimmt das nur in Ableitungen und Zusammenbildungen vorkommende aind. -(d)hiti-, z. B. ápihiti- = ἐπίθεσις (von api-dhā- = ἐπι-θη-), úpahiti- = ὑπόθεσις (von upa-dhā- = ὑπο-θη-); vgl. apihi-ta- = ἐπίθε-τος, upahi-ta- = ὑπόθε-τος; dazu aw. tarōi-dī-ti- (-ī- sekundär) ‘das Beiseiteschaffen usw.’ von tarō-dā- (= aind. tiro-dhā- ‘beiseite schaffen usw.’, Ptz. tirohi-ta-); auch das spätlat. conditi-ō ‘Gründung’ (nach condi-tus, -tor von con-dō). Daneben stehen mehrere hochstufige Formen (idg. *dhē-ti- gegenüber *dhə-ti-): germ., z. B. got. ga-deds ‘das Hinsetzen, Adoption’ (du suniwe gadedai ‘εἰς υἱοθεσίαν’ Eph. 1, 5), missadeþs ‘Missetat’, ahd. tāt, aw. -δā-ti in ni-δā-ti- (von ni-dā- ‘niederlegen’) usw., lit. dė́tis ‘Ladung, Last’, aksl. blago-dětь ‘Wohltat’, wohl auch lat. *fē-tis ‘Satzung, Vertrag’ in fēti-ālis ‘Kriegsherold’. — Zur Bildung im allg. Schwyzer 505, Holt Les noms d’action en -σις (s. Index); zum Ablaut G. Liebert Das Nominalsuffix -ti- im Altind. (Lund 1949) 104f. m. Lit. — Verbalnomen zu τίθημι, s. d.; vgl. auch θεσμός. I-666-667
θέσκελος ep. Beiwort, etwa ‘wunderbar, herrlich’ (seit Il.). — Zusammenbildung aus *θεσ- ‘Gott’ (s. θεός) und κέλομαι ‘treiben’; somit eig. ‘von einem Gott getrieben’. Zum e-Vokalismus des Hinterglieds Schwyzer 449 A. 3. — Vgl. θεσπέσιος, θέσφατος. I-667
θεσμός, dor. τεθμός, lak. ark. lokr. auch θεθμός m. ‘Satzung, Gesetz, Sitte’ (seit ψ 196 [nach Anderen hier ‘Stätte’; nicht wahrscheinlich]). Kompp., z. B. θεσμο-θέται, ἔνθεσμος. Davon θέσμιος, τέθμιος, θέθμιος ‘gesetzmäßig, herkömmlich’ (ion. att. dor. usw.); θεσμοσύνη ‘Gerechtigkeit’ (AP). — Die Gleichsetzung mit dem synonymen air. deidmea, kymr. deddf f. (Thurneysen KZ 51, 57f., Loth Rev. celt. 45, 184) erfordert eine idg. Grundform *dhedhmo-, -ā-, die mit Reduplikation entweder aus *dhe-dh-m-o- (-dh- Schwundstufe von θη- in θή-σ-ω usw.) oder aus *dhe-dhm-o- (-dhm- Schwundstufe von θεμ- in θέμις usw.) entstanden ist; vgl. Schwyzer 492 A. 12. In θε- kann indessen auch dieselbe Form der Schwachstufe vorliegen wie in θέ-σις u. a., wozu suffixales -θμ- bzw. -σμ-; die regelmäßig eintretende Hauchdissimilation wurde in θεθμός durch Angleichung an θέσις usw. aufgehoben. I-667
θεσπέσιος ‘göttlich, übermenschlich, gewaltig, wundervoll’ (ep. poet. seit Il., auch Pl. u. sp. Prosa). Daneben θέσπις, ιος, -ιν, -ιδα ‘ds.’ (ep. poet. seit Od.), auch als Vorderglied, z. B. θεσπι-δαές (πῦρ, Il. usw.; s. zu δαίω) und als PN; davon θεσπίζω, Aor. θεσπίσαι, -ίξαι (Theok.) ‘weissagen, ein Orakel geben’ (Hdt., Trag., späte Prosa) mit θεσπίσματα pl. (selten sg.) ‘Orakelsprüche’ (Trag., sp. Prosa), θεσπιστής ‘Wahrsager, Prophet’ (Man.). — Hierher noch Θεσπιαί pl. Stadt in Böotien und andere EN. Wie z. B. ἀμβρόσιος aus ἄμβροτος ist θεσπέσιος aus *θέσ-σπ-ετος gebildet, einer Zusammenbildung von *θεσ- ‘Gott’ (s. θεός) und dem Verb (ἐνι-)σπεῖν ‘verkünden’ (s. ἐν(ν)έπω) mittels des το-Suffixes (vgl. ἄ-σπ-ετος); eig. Bedeutung somit ‘von einem Gott verkündet’. Ähnlich steht θέσπις für *θέσ-σπ-ις, evtl. als Kurzform. — Einzelheiten bei Bechtel Lex. s. vv.; dazu Schwyzer 450 und 458. I-667
θέσσασθαι Aor., Ptz. θεσσάμενος, Ind. 3. pl. θέσσαντο ‘anflehen’ (Hes., Archil., Pi., H.); θέσσεσθαι· αἰτεῖν, ἱκετεύειν, θεσσόμενος· δεόμενος, ζητούμενος, ἱκετεύων H. Davon Θέστωρ "Fleher", Vater des Sehers Kalchas usw. (Il. u. a.) mit Θεστορίδης, Θεστόρειος; als Hinterglied in πολύ-θεστος u. a., wohl auch in ἀπόθεστος (s. d.), ’Αγλω-θέστης (Fraenkel Nom. ag. 1, 14 A. 2 m. Lit.). — Hierher vielleicht noch der Volksname Θεσσαλοί, thess. Πετθαλοί, böot. Φετταλοί, vgl. Schwyzer 90 A. 1 und 483. Aus *θέθ-σασθαι, sigmatischem Aorist neben ποθέω ‘ersehnen’, s. πόθος. Aus diesem und böot. Θιό-φειστος ergibt sich ein idg. *gu̯hedh-, wovon u. a. der air. s-Konj. 1. pl. -gessam (: θέσσασθαι; Ind. guidiu ‘bitte’ = ποθέω) und das altiran. Jotpräsens aw. ǰaiδyemi = apers. ǰadiyāmiy ‘bitte’, das dem mutmaßlichen Präsens θέσσεσθαι unmittelbar gleichgesetzt werden kann (idg. *gu̯hedh-i̯-). Weiteres s. πόθος. I-668
θέσφατος ‘von einem Gott verkündet, bestimmt’ (ep. poet. seit Il.), auch s. v. a. ‘gewaltig’ (ἀήρ η 143; vgl. ἀχλὺς θεσπεσίη η 42; anders Schwyzer Glotta 12, 10). — Zusammenbildung aus *θεσ- ‘Gott’ (s. θεός) und φημί mittels des το-Suffixes; vgl. ἄ-φα-τος, auch διφάσιος u. a. — Daneben ἀ-θέσφατος (ὄμβρος, θάλασσα u. a.; ep. poet. seit Il.), wörtlich "was von den Göttern nicht verkündet, bestimmt ist", d. h. "was sich einer bestehenden Ordnung nicht fügt" (H. Fränkel ’Αντίδωρον 281f.), aber eher nur mit pleonastischem ἀ- privativum wie ἀ-βέλτερος; vgl. ἀμαιμάκετος, ἀπειρέσιος und andere expressive Beiwörter. I-668
Θέτις, -ιδος, -ιος, -ιδι, -ῑ, -ιν f. Meergöttin, Mutter des Achilleus (seit Il.). Davon Θετίδειον ‘Thetistempel’ (E., hell.). — Nach Ribezzo Don. nat. Schrijnen 351 als Lallwort zu τήθη, τηθίς; ähnlich v. Windekens Beitr. z. Namenforschung 2, 62f., Carnoy Le Muséon 67, 360: pelasgische Benennung der Mutter, zu τέττα ‘Vater’, lit. tė̃tis ‘Vater’, tetà ‘Tante’ u. a. m. Der Umweg über das Pelasgische scheint kaum notwendig. I-668
θέω 1. Fut. θεύσομαι (zur Diathese Wackernagel Syntax 1, 134), Ipf. θέεσκον, später Aor. θεῦσαι (Vett. Val. u. a.), auch mit Präfix, z. B. ἀνα-, κατα-, παρα-, ‘laufen’ (seit Il.). Davon θεῦσις ‘das Laufen’ (Corn. ND 1, als etymol. Erklärung von θεός), θοός ‘schnell’ (seit Il.) mit Θόας, -αντος PN, auch Flußname (Krahe Beitr. z. Namenforschung 2, 236; 3, 162), Θόωσα f. PN (Od., Emp.; Schwyzer 526); θοάζω ‘in schnelle Bewegung setzen, sich schnell bewegen’ (E.) mit θόασμα ‘Tanzplatz o. ä.’ (Orph. H. 49, 6). Zu βοηθόος, -θέω s. bes. — Das thematische Wurzelpräsens θέ(ϝ)ω (vgl. θεῦ· δεῦρο, τρέχε H. und Specht KZ 67, 219) ist mit aind. dhavate ‘strömen, fließen’ bis auf die Diathese identisch. Das dehnstufige dhā́vati ‘laufen, strömen’ hat dagegen im Griechischen keine Entsprechung, da ep. θείη (nach Schulze Q. 277 für *θή(ϝ)η) und θείειν metr. gedehnt sind, letzteres auch für *θε(ϝ)έμεν stehen kann (vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 102; 346; 492). — Unsicher bleibt die Heranziehung des germanischen Wortes für ‘Tau’, ahd. tou m., awno. dǫgg, Gen. dǫggwar, urg. *dau(u̯)a-, -ō, idg. *dhóu̯o-, -ā́ (wäre gr. *θό(ϝ)ος, *θο(ϝ)ή); hypothetisch auch ἄδδεε· ἐπείγου H. (phrygisch?; Hoffmann BB 25, 180). Über illyrische und andere Flußnamen, die herangezogen worden sind, s. Pok. 260 m. Lit. Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 834. I-668-669
θέω 2. ‘glänzen’ nur in ὀδόντων λευκὰ θεόντων (Hes. Sc. 146); daraus durch Nachbildung ὕλῃ χλωρὰ <θ>ούσῃ (Theok. 25, 158) und ποίην ... χλωρὰ θέουσαν (Epigr. Gr. 1046, 83); daneben θοόν· .. λαμπρόν H. (auch als ὀξύ, σκοτεινόν, ἰσχυρόν, ταχινόν erklärt), θοῶσαι· ὀξῦναι, λαμπρῦναι H. — Für λευκὰ θεόντων will Wackernagel Glotta 14, 44ff. = Kl. Schr. 2, 852ff. (mit älterer Lit.) sehr ansprechend in einem Wort λευκαθεόντων lesen (von λευκαθέω für *λευκάθω = λευκαθίζω), wodurch das angebliche θέω ‘glänzen’ in Wegfall käme. Die Erklärung von θοός, θοῶσαι als λαμπρός, λαμπρῦναι schöpft offenbar aus derselben Überlieferung. — Von *λευκάθω stammt auch der Göttinnenname Λευκαθέα (Wackernagel a. a. O.). I-669
θεωρός (ion. att.) daraus durch Entlehnung und Angleichung an den Heimatdialekt dor. usw. θεᾱρός, ark. auch θεαορός; ion. auch θεορός (Paros), θευρός (Thasos) ‘Zuschauer, Festgesandter, Orakelgesandter’ (nachhom.), auch Ben. einer Aufsichtsbehörde (Mantinea, Thasos usw.). Als Vorderglied in θεαρο-δόκος ‘der die θ. empfängt’, mit -δοκέω, -δοκία (Inschr.). Davon 1. θεωρίς (sc. ναῦς) f. ‘Schiff der θ.’ (ion. att.); 2. Θεάριος Bein. des Apollon als Orakelgott (Troizen), θεάριον ‘Begegnungsplatz der θ.’ (Pi.); 3. θεωρικός ‘für den Zuschauer bestimmt’, τὸ θ. ‘Zuschauergeld’ (att.). 4. θεωρία, -ίη, θεαρία, böot. θιαωρία (hybride Form) ‘das Zuschauen, Festschau, Festgesandtschaft’. 5. θεωροσύνη ‘ds.’ (Man.). 6. Denominatives Verb θεωρέω ‘θεωρός sein, zuschauen, betrachten, überlegen’ (ion. att.) mit θεωρητικός ‘beschaulich, spekulativ, theoretisch’ (Arist. usw.; θεωρητής Phld.), θεώρημα (att., Arist., hell.), -ησις (Pl.; Röttger Plat. Subst. 17f.), -ητήριον u. a. — Eig. "der eine Schau ansieht", *θεᾱ-(ϝ)ορός, *θεη-(ϝ)ορός > θε(ε)ωρός; daneben θεορός > θευρός, wohl am ehesten nach -ορος (ἔφορος u. a.). Etwas abweichend Schwyzer 248; dazu Leumann Hom. Wörter 223 A. 2, Buck Studies presented to D. M. Robinson 2, 443f., Szemerényi Glotta 33, 250 A. 2. — Ganz anders über θεωρός (zu θεός) Koller Glotta 36, 273ff. I-669
Θῆβαι f. pl., selten Θήβη sg. (zum Numeruswechsel Schwyzer 638, Schwyzer-Debrunner 43 A. 3) Theben, Ortsname, insbes. Hauptstadt Böotiens und Stadt in Oberägypten (seit Il.). Als Vorderglied u. a. in Θηβᾱ-γενής (Hes. Th. 530), -αιγ- (E. Supp. 136 u. a.; Schwyzer 452). Ableitungen: Θηβαῖος ‘thebanisch’, auch als EN (seit Il.), f. Θηβᾱΐς, -ίδος f. ‘das Gebiet von Th.’ (ion. att.), auch N. eines epischen Gedichts (Paus.); Θηβαιεύς, Θηβᾱϊκός (Hdt. usw.), Θηβάδᾱς (böot., megar.; Fraenkel Nom. ag. 2, 184), Θηβάνᾱς m. N. eines nord-östlichen Windes auf Lesbos (Arist.); vgl. Chantraine Formation 31. — Vorgriechisch (Fick ON 78); Kretschmer Glotta 14, 307 (nach G. Meyer IF 1, 324) vergleicht sabin. teba ‘Hügel’ und kleinasiat. τάβα = πέτρα (St. Byz. s. Τάβαι); s. noch dens. Glotta 32, 182 und 33, 248 A. 4, 251; außerdem Heubeck Gnomon 25, 270. I-670
θήγω dor. θά̄γω, θηγάνω (A. Ag. 1535 nach H.), Aor. θῆξαι, Dazu mit ō-Abtönung: τέθωκται· τεθύμωται, τεθωγμένοι· τεθυμωμένοι H. (unsicher θῶξαι, auch θᾶξαι· μεθύσαι, πληρῶσαι, τεθωγμένοι, auch τεθαγμένοι· μεμεθυσμένοι u. a. H.). auch mit Präfix wie παρα-, συν-, ὑπο-, ‘wetzen, schärfen, anfeuern’ (seit Il.). Ableitungen: θηγάνη ‘Wetzstein’ (A., S. u. a.; H. auch θήγανον) mit θηγανίτης λίθος ‘ds.’ (IG 14, 317, Sizilien; Redard Les noms grecs en -της 55); θηγαλέος ‘scharf’ (AP; Suffixwechsel λ ~ ν?, Chantraine Formation 253); H. noch θηγάνεον, θηγόν· ὀξύ, ἠκονημένον, ἀκονητόν (Schwyzer 459), θῆξις· ῥοπή, στιγμή, τάχος. — Aus idg. *dhāgō, wozu das arm. Nomen instrumenti daku, Gen. pl. dakuac̣ ‘Axt’, zunächst wohl von einem u-Stamm, idg. *dhāgu- ‘scharf’. Lidén Armen. Stud. 55; danach WP. 1, 823 mit älterer Lit. I-670
θήκη f. ‘Behältnis, Kasten, Grab’ (ion. att.) mit dem Deminutivum θηκίον (Pap.) und θηκαῖος ‘zum Grabbehältnis dienend’ (Hdt. u. a.). Sehr oft als Hinterglied, u. z. sowohl mit Präfix in verschiedenen Bedeutungen (δια-, ὑπο-, συν- usw.; von δια-, ὑπο-, συν-τίθημι) wie mit nominalem Vorderglied (βιβλιο-, χαλκο-θήκη usw.); davon wieder etliche Ableitungen. — Wird allgemein mit aind. dhāká- m. ‘Behälter usw.’ (Gramm.) zusammengestellt. Zweifel über den genetischen Zusammenhang bei Schwyzer 741 A. 8 und Mayrhofer Wb. s. v. Weiteres s. τίθημι. I-670
θηλέω ‘blühen, gedeihen’ s. θάλλω. I-670
θηλή f. ‘Mutterbrust, Zitze’ (ion. att.). Als Hinterglied z. B. in ἄ-, εὔ-, νεό-θηλος (-θηλής). Davon θηλώ· τροφός, τήθη (H., Plu.). — Denominatives Verb θηλάζω ‘säugen, saugen’ (ion. att. dor.) mit θήλασμα, θηλασμός ‘das Säugen, Saugen’ (Plu., Pap.), θηλάστρια ‘Amme’ (S., Kom.); auch θηλαμών ‘ds.’ (Sophr., Thespis u. a.), wohl zu θηλά-σαι nach τελά-σαι : τελα-μών u. a.; dazu θηλαμινοῦ· νεογνοῦ, θήλαντο· ἐθήλασαν H. (richtig?); vgl. Bechtel Dial. 1, 361. Unsicher θηλονή ‘Amme’ (Plu. 2, 278d). — Zu θηλή stimmt das aus lat. fēlāre ‘saugen’ zu erschließende *fēla ‘Mutterbrust’, idg. *dhēlā. Aus demselben oder einem ähnlichen Grundwort stammen noch lett. dę̂ls ‘Sohn’, eig. "Säugling", lat. fīlius ‘ds.’ < *fēlios, umbr. sif feliuf ‘sues lactantes’ (‘saugende’ oder ‘säugende’?, s. Benveniste BSL 45, 82f.), lit. dėlė̃ ‘Blutegel’ u. a.; dazu mit anderem Ablaut lett. dīle ‘saugendes Kalb’ (idg. *dhī-l-), mir. del ‘Zitze’, germ., z. B. ahd. tila f. ‘weibliche Brust’ (idg. *dhĭ-l-) u. a. m.; mehrdeutig ist arm. dayl, dal ‘Biestmilch’ (dhəi-li-?; Hübschmann Armen. Gr. 1, 437, Pedersen KZ 39, 406); zu lat. fēlīx ‘fruchtbar’ s. W.-Hofmann s. v. (auch Nachträge). Vgl. zu θῆλυς und θῆσθαι. I-670-671
θῆλυς , -εια, -υ (auch f., vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 252) ‘weiblich’, auch übertr. (seit Il.). Kompp., z. B. θηλυ-γενής, μιξό-θηλυς. Ableitungen: θηλυδρίας ‘weibischer Mann’ (Hdt., Arist. usw.), zunächst von *θηλύδριον (Schwyzer 471 A. 8, Chantraine Formation 72 m. Lit.); θηλυκός ‘weiblich, weibisch’ (Arist., hell.; vgl. Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 165), θηλώδης ‘weibisch’ (Ar.), θηλῶτις f. ‘ds.’ (Prisc.); θηλύτης ‘Weiblichkeit’ (Arist. u. a.); denominatives Verb θηλύνω ‘weiblich machen, verweichlichen’ (vorw. ion. hell.). Zum Komparativ θηλύτερος Benveniste Noms d’agent 117f. — Zu θῆλυς stimmt formal bis auf den Akzent aind. dhārú- ‘saugend’, wenn aus idg. *dhēlu-. Für dhārú- geht man am besten direkt vom Verb ‘saugen’ (s. θῆσθαι) aus mit einem idg. ru- bzw. lu-Suffix (Wackernagel-Debrunner 2 : 2, 860); für θῆλυς ist neben direkter Ableitung von θῆσθαι ("die säugen kann, können wird"; Pedersen REIE 1, 197; s. noch Fraenkel Nom. ag. 2, 173, Chantraine Formation 253) auch als Zwischenglied ein nominaler l-Stamm zu erwägen ("mit Zitzen versehen"?). — Nach Duchesne-Guillemin hierher noch toch. B tlai ‘Frau’; anders, gewiß nicht besser v. Windekens Lex. étym. 140. I-671
θῆμα, θημών s. τίθημι. I-671
θην ‘in der Tat, gewiß, zweifellos’ in ἦ θην, οὔ θην u. a. (ep. seit Il., Epich., Sophr.). — Unerklärt. Nach Prellwitz Wb. Akk. eines Wurzelnomens *θή ‘Tat’ (idg. *dhē) und mit alb. dot ‘gar nicht’ (nach Pedersen BB 20, 236 aus idg. *dhē-tim) verwandt. I-671
θήρ äol. φήρ, -ρός m. ‘wildes Tier, Raubtier’ (vorw. ep. poet. seit Il.). Kompp., z. B. θηρο-φόνος ‘Wild erlegend’ (Thgn. usw.), Θηρε-φόνα (Paus. 5, 3, 3; zum Komp. vokal -ε- Schwyzer 438); ἔν-θηρος ‘voll Wild’ (Trag. u. a.), ἄ-θηρος (Hdt., A. u. a.) ‘ohne Wild’, auch ‘ohne Jagd’ (von θήρα; Sommer Nominalkomp. 149f.). Davon θηρίον ‘wildes Tier, Jagdtier’ (seit Od.; Wackernagel Unt. 218; urspr. besänftigendes Deminutivum, Sieberer Sprache 2, 112); nachhom. auch ‘Tier’, mit mehreren Ableitungen: Deminutiva θηρίδιον (Thphr. u. a.), θηρά̄φιον (Damokr. ap. Gal.; Wackernagel Glotta 4, 243f.); dazu, wohl als Rückbildung, θήραφος ‘Spinne’ (Kyren. 62; nach Strömberg Wortstudien 23 als "Jagdtier" von θήρα, θηρᾶν); θηριακός ‘auf die Tiere bezüglich’ (Mediz. u. a.), θηριώδης ‘voll wilder Tiere, tierisch’ (ion. att.); θηριότης ‘tierisches Wesen’ (Arist); Denominativa: 1. θηριόομαι, -όω ‘in ein Tier verwandelt werden bzw. verwandeln’ (Pl., Eub. u. a.) mit θηρίωσις (Luk.); daneben θηρίωμα ‘bösartiges Geschwür’ von θηρίον ‘ds.’ (Mediz.); 2. θηριάζομαι ‘ds.’ (Corp. Herm. 10, 20). — θήρειος ‘zum Wild gehörig’ (ion. att.). — Denominative Verba: 1. θηράω ‘jagen’ (seit A.), Perf. Ptz. πεφειράκοντες (thess.); davon θηρατήρ, -άτωρ (-ρητ-) ‘Jäger’ (ep. seit Il.; zum strittigen Bedeutungsunterschied zwischen -τήρ : -τωρ Benveniste Noms d’agent 46 mit den Einwänden Fraenkels Gnomon 22, 161) mit θηρατήριος (S.); auch θηρατής ‘ds.’ (Ar., hell. u. sp.) mit θηρατικός (X. usw.); θήραμα ‘Jagdbeute, Ziel’ (E. usw.), θήρατρον ‘Werkzeug zum Jagen, Garn, Netz’ (X. usw.); θηράσιμος ‘der Jagd, des Erstrebens wert’ (A. Pr. 858; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 63). Hierher wohl noch als Rückbildung θήρα ‘Jagd, Jagdbeute’ (seit Il.) mit θηροσύνη ‘ds.’ (Opp., AP; nach den Nomina auf -οσύνη), θηρότις· θηρεύτρια H. (nach ἀγρότις). Als Hinterglied -θήρας, z. B. ὀρνιθο-θήρας ‘Vogelfänger’ (Ar., Arist. u. a.). 2. θηρεύω ‘jagen’ (seit τ 465) mit θηρευτής ‘Jäger’ (seit Il.), θηρευτικός (Ar., X., Arist. usw.), auch θηρευτήρ (Opp.), f. θηρεύτρια (Pap. u. a.), θήρευμα ‘Jagdbeute’ (S., E., Pl.), θήρευσις ‘Jagd’ (Ph). — Ausführliche Behandlung der ganzen Wortgruppe bei Chantraine Ét. sur le vocab. grec 65ff.; mehrere Einzelheiten bei Fraenkel Nom. ag. (s. Index); dazu noch Porzig Satzinhalte 234. — Zu den Pluralformen θῆρες, θηρῶν stimmen genau die gleichbedeutenden ostlit. Formen žvė́res, žvėrų̃, idg. *ĝhu̯ēr-es, -ō̃om; dazu mit Überführung in die i-Deklination Sing. lit. žvėrìs, aksl. zvěrь ‘ds.’. Daneben kurzer Stammvokal in lat. fĕrus ‘wild’. Einzelheiten bei W.-Hofmann s. ferus, Vasmer Russ. et. Wb. s. zverь; dazu WP. 1, 642f. (m. älterer Lit.), Pok. 493. I-671-672
θής, θητός ‘Lohnarbeiter, Tagelöhner’ (seit Od.); θᾶτας· θῆτας (θάτας· θύτας cod.), τοὺς δούλους. Κύπριοι H.; f. θῆσσα, att. θῆττα (E., Posidipp. u. a.). m. Davon θητικός ‘zum Tagelöhner gehörig, knechtisch’ (Lex. ap. D., Arist. u. a.), θητεύω ‘Tagelöhner sein, um Lohn arbeiten’ (seit Il.) mit θητεία ‘Lohndienst’ (S., Isok. u. a.), θητεῖον ‘Löhnung’ (Ath.). — Unerklärt. Gegen die Anknüpfung an θέω ‘laufen’ (Brugmann IF 19, 388ff.) Fraenkel Nom. ag. 1, 87 A. 2. Nach Aßmann Glotta 9, 96 LW aus dem Westsemitischen. S. noch E. Kretschmer Glotta 18, 79f. (über Bedeutung, Etymologie und Verbreitung). I-672-673
θησαυρός m. ‘Schatzkammer, Vorratskammer, Speicher, Geldkasten, Schatz’ (seit Hes.). Kompp., z. B. θησαυρο-φύλαξ ‘Wächter des θ.’ (hell.). Davon θησαυρικός ‘zum Speicher gehörig’ (Pap.), θησαυρώδης ‘voll von Schätzen’ (Philostr.); θησαυρίζω ‘aufspeichern, aufbewahren, Schätze sammeln’ (ion. att.) mit θησαύρισμα ‘Aufgespeichertes, Vorrat, Schatz’ (Demokr., Trag. u. a.), θησαυρισμός ‘Aufspeicherung’ (Arist., Thphr. u. a.), -ιστής ‘Aufspeicherer’ (Poll.) mit -ιστικός (Arist.). — Ohne Etymologie, wahrscheinlich technisches LW. Zur Erklärung als "Wasserniederlage" (Muller Mnemos. 53, 446f.: θησ-αυρ-ός; vgl. zu ἄναυρος) s. Kretschmer Glotta 16, 194f. Nach E. Maaß RhM 74, 235ff. von θη- ‘stellen’ und αὔρα ‘Luft’ als "das in die freie Luft gestellte Vorratshaus" (?); dagegen mit Recht Kretschmer a. a. O. — Lat. LW thēsaurus, thēsaurizō. I-673
Θησεύς Sohn des Aigeus und der Aithra, König von Athen (seit Il.). Davon Θησηΐς f. ‘zu Th. gehörig’ (A. u. a.), Θησεῖον ‘Th.-tempel’ (Ar. u. a.), Θησεῖδαι pl. ‘Th.-söhne’ = ‘Athener’ (S. in lyr.); zur Ableitung Debrunner ’Αντίδωρον 32f. — Vorgriechischer EN ohne Etymologie. Ganz unsichere Hypothesen über Bildung und Etymologie bei Boßhardt Die Nomina auf -ευς 137 und Carnoy Le Muséon 67, 360. I-673
θῆσθαι Präs. Inf. (δ 89), θήσατο Aor. Ind. (Ω 58, Kall. Jov. 48), θησάμενος (h. Cer. 236 u. a.) θήσατο ‘säugte’ (h. Ap. 123); Akt. θῆσαι· θρέψαι, θηλάσαι H. ‘saugen’ (auch δ 89); — Dem medialen σ-Aorist θήσατο kommt am nächsten der aktive σ-Aorist aind. adhāsīt ‘sog’ (nur Gramm.); daneben der Wurzelaorist adhāt ‘ds.’ (AV). Als Präsens fungiert im Altind. das im Ablaut ganz abweichende dháyati, das sowohl zu aksl. dojǫ wie zu got. daddjan, aschwed. dæggja ‘saugen’ (mit "Schärfung" [Gemination] des j) stimmt, idg. *dhəi̯eti (vgl. unten). Zu θῆ-σθαι stimmen anderseits ahd. tāen, lett. dêt ‘saugen’ (idg. *dhē-); beide Sprachen haben ein Jotpräsens, tāju, dêju, das an und für sich auch in dem zunächst als athematisch aufzufassenden θῆ-σθαι (< *θή-ι̯ε-σθαι?) vorliegen könnte. Da auch die übrigen Vertreter dieser Sippe im Griechischen von θη- ausgehen (θηλή, θῆλυς, τιθήνη, γαλαθηνός; auch θήνιον· γάλα H.; ganz fraglich τιθασός), liegt es nahe, in θῆσθαι eine Neubildung nach θήσατο zu sehen. — Neben idg. *dhē- in θη- (wozu noch aind. Fut. dhāsyati, dhātrī ‘Amme’ u. a. m.) steht *dhī- in aind. dhītá- ‘gesogen’, mhd. dīen ‘saugen, die Brust geben’ u. a.; dazu kommt *dhəi- in aind. dhenā ‘Milchkuh’ u. a., somit auch in dháyati aus idg. dhəi̯-eti; *dhē- also ursprünglich langdiphthongisch *dhēi-. — Weitere Formen aus verschiedenen Sprachen bei Bq, WP. 1, 829ff. (m. Lit.); dazu die betreffenden Artikel der sondersprachlichen etymol. Wörterbücher (z. B. W.-Hofmann s. fēlīx, fēlō, fēmina). I-673-674
θῆτα n. (Ar. usw.), Gen. θήτατος Demokr. 20, lat. pl. tetates aus θήτατες; sonst unflektiert; der achte Buchstabe des Alphabets; — aus dem Semitischen, vgl. hebr. ṭēth; dazu Schwyzer 140. I-674
θίασος m. ‘Festschwarm der Bacchanten, kultische Versammlung im allg.’ (ion. att.). Davon θιασώτης ‘Teilnehmer eines θ.’ (ion. att.), f. -ῶτις (Opp.), mit -ωτικός; auch θιασίτης ‘ds.’ (ion. hell. Inschr.; wie τεχνίτης, ὁπλίτης u. a., Fraenkel Nom. ag. 2, 128 A. 2) mit -ιτικός; θιασώδης ‘θ.-artig, zu einem θ. gehörig’ (Nonn.); θιασῶνες· οἶκοι, ἐν οἷς συνιόντες δειπνοῦσιν οἱ θίασοι H. Denominative Verba: 1. θιασεύω ‘in einen θ. einführen, an einem θ. teilnehmen’ (E., Str. u. a.) mit θιασεία (Prokl.); 2. Rückbildung θιάζω in ἐξεθίαζε· χορείας ἐπετέλει, ἐπεθίαζεν· ἐχόρευεν, Aor. θιάσαι· χορεῦσαι H. — Wie θύρσος u. a. gebildet (Schwyzer 516), schon als Ausdruck der dionysischen Religion fremder (thrakisch-phrygischer?) Herkunft stark verdächtig (Debrunner Eberts Reallex. 4 : 2, 526 u. A.). Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 90f.; andere vergebliche Deutungsversuche aus dem Indogermanischen sind bei Bq notiert. I-674
θιβρός Adj. unsicherer Bed., nur bei alexandrinischen Dichtern; Beiwort der Κύπρις (Kall. Fr. 267), der Σεμίραμις (Euph. 81), der ὤεα χελύνης (Nik. Al. 555), der ὀφίων κῆρ (‘Schlangengift’, Nik. Th. 35). Die Alten geben tastende Erklärungen: ‘heiß, zart usw.’, vgl. H.: θιβρόν· τρυφερόν, καλόν, σεμνόν, ἁπαλόν; θιβρήν· φιλόκοσμον, καλλυντικήν .... καὶ παρὰ μὲν Νικάνδρῳ τὴν ἔμπυρον καὶ καυστικήν, τινὲς δὲ χαλεπήν. - Daneben θίρρον· τὸ τρυφερόν (Theognost.). — Schon wegen der unsicheren Bedeutung etymologisch mehrdeutig. Nach Ehrlich Sprachgeschichte 33 zu φοῖβος, idg. *gu̯higu̯-ro-; er vergleicht slov. žigra ‘Zunder’ (?). I-674
θιγγάνω Aor. θιγεῖν (lak. σιγῆν Ar. Lys. 1004), Fut. Med. προσ-θίξῃ (E. Herakl. 652; codd. -εις), τεθίξομαι (E. Hipp. 1086), Aor. Pass. θιχθῆναι (S. E.), auch mit Präfix wie προσ-, ἐπι-, ὑπο-, ‘mit der Hand berühren, antasten, sich mit etwas befassen’ (ion. dor. ark.; fehlt im echten Attischen wie bei Hom.; dem Äolischen fremd?, Wackernagel Unt. 222). Davon θίξις ‘Berührung’ (Hp., Arist. usw.), θίγμα ‘ds.’ (Pergam.), ‘Befleckung’ (θιγμάτων· μιασμάτων H.); unsicher θίγημα (AP 12, 209; cod. φιλήματα) und θιγάνα ‘Deckel?’ (Delph., Labyadeninschr. C 39). — Dem Präsens θιγγάνω mit seiner zweifachen Nasalierung stehen im Lat. das infigierte fingō ‘bestreichen, kneten, bilden, gestalten’, im Arm. das suffigierte diz-anem ‘anhäufen’ gegenüber. Diese einleuchtende Etymologie (Zweifel bei Schwyzer 701 und bei W.-Hofmann s. fingō) setzt allerdings voraus, daß ein ursprüngliches χ (idg. ĝh) nach dem Nasal in die entsprechende Media γ übergegangen sei (vgl. zu θάμβος); aus dem Präsens wäre γ auch in den Aorist θιγεῖν (für *τιχεῖν) eingedrungen. Neben den obengenannten Nasalpräsentia steht im Aind. ein athematisches Wurzelpräsens déhmi ‘bestreichen’, idg. *dhéiĝh-mi; dazu 3. pl. Ipf. ádihan (= ἔθιγον?); hierher noch got. Präs. Ptz. Dat. þamma digandin ‘τῷ πλάσαντι’. — Weitere Verwandte s. τεῖχος. I-674-675
θί̄ς, θῑνός m. f. ‘Haufen, Sandhaufen (am Meere), Düne, Gestade’ (ep. ion. poet. seit Il., hell. u. späte Prosa); zur Bed. U. Finzenhagen Die geograph. Terminologie des Griechischen (Berl.-Diss. Würzburg-Aumühle 1939) 10f. Davon ἀποθινόομαι ‘versandet werden’ (Plb.). Als Hinterglied in ἀκρο-θίνια (-να) pl. (selten sg.) ‘das Oberste vom Haufen, Erstlingsopfer’ (vorw. nachhom. Dichtung), Zusammenbildung aus ἄκρος θίς mit ιο-Suffix. Anders Risch IF 59, 289. — Ohne befriedigende Erklärung. Wackernagel Unt. 82 A. 2 vergleicht aind. dhíṣṇya- ‘auf einem Erdaufwurf aufgestellt’, Subst. ‘Erdaufwurf mit Sand bestreut’, das auf einen n-Stamm, idg. *dhisen-, dhisn- zurückgehen könnte, woraus gr. *θιων, *θιην, θῑν-, zu welch letzterem der Nom. θΐς eine Neubildung wäre. Specht Ursprung 23 erinnert an θίλα· θημών H. (wozu nach Grošelj Živa Ant. 2, 207 noch θικέλιον· τὴν γογγυλίδα. Λάκωνες H.). — Oft zu nhd. Düne und Verw. gezogen, u. z. entweder als *θινϝ- zu aind. dhánvan- ‘trockenes Land, Festland, Strand’ (Fick 1, 463 u. A., s. Bq; dabei bleibt der ι-Vokal unerklärt) oder als *θϝ-ῑν- zu lit. dujà ‘Stäubchen usw.’ (Persson Beitr. 43f.); vgl. noch zu θύω ‘einherstürmen usw.’. Nach Osthoff MU 4, 236f. A. zu aind. -dh-i- in ni-dh-í- ‘Niederlage, Aufbewahrung’ (s. τίθημι). I-675
θλάσπις, -ιος, -εως f. (Hp. u. a.), θλάσπι n. (Dsk., Plin.) mit θλασπίδιον (Ps.-Dsk.) ‘Capsella bursa pastoris’. — Herkunft unbekannt, von Dsk. 2, 156 an θλάω volksetymologisch angeschlossen, s. Strömberg Pflanzennamen 155. I-675-676
θλάω (Arist., Herod. usw.; vgl. Schwyzer 676), Aor. θλάσ(σ)αι (seit Il.), Pass. θλασθῆναι, Fut. θλάσω (Hp. u. a.), Perf. τέθλασμαι (Alex., Theok. u. a.), auch mit Präfix, z. B. ἀμφι-, κατα-, συν-, ‘zerquetschen, zermalmen’. Davon θλάσις ‘das Zerquetschen’ (Arist. u. a.), θλάσμα ‘Quetschung, Quetschwunde’ (Arist., LXX u. a.), θλαστός (Kom. u. a.); θλάστης ‘Zerquetscher’ = ἐμβρυοθλάστης (Mediz.), θλαστικός ‘zerquetschend’ (Arist.); θλαδίας m. ‘Eunuch’ (LXX, Ph.) mit θλαδιάω H. = φλαδιάω; aus *θλάδος, *θλαδεῖν u. a., vgl. φλαδεῖν, auch κλάδος (zu κλάω). — Ohne sichere Anknüpfung. Nach Scheftelowitz IF 33, 165f. und Ehrlich Sprachgeschichte 9 zu čech. dlasmati ‘drücken’ und aind. dhr̥ṣád- f. ‘Fels, Mühlstein’ (richtiger dr̥ṣád-?; s. Mayrhofer Wb. s. v. und zu δειράς). Vgl. θλίβω und φλάω. I-676
θλίβω Aor. θλῖψαι, oft mit Präfix, ἐκ-, συν-, ἐν-, ἀπο- u. a., ‘pressen, drücken, quetschen’ (seit ρ 221). Davon (ἔκ- usw.) θλῖψις ‘Bedrückung, Drangsal usw.’ (Arist. usw.), θλιμμός ‘ds.’ (LXX, Aq.), ἔκ-, ἀπό-θλιμμα ‘das Ausgedrückte, Ausgepreßte, Saft’ (Hp. u. a.), (ἐκ-)θλιβή ‘Drückung’ (LXX, Gal.) mit θλιβερός (Paul. Aeg.), θλιβώδης (Aq.); θλιβίας = θλαδίας (Str.). — Aus θλάω und φλίβω (auch τρίβω?) durch Kreuzung entstanden; Walde IF 19, 105, Güntert Reimwortbildungen 149. I-676
θνῄσκω ‘sterben’ s. θάνατος. I-676
θοάζω ‘sitzen’ (Emp., A., S., Plu.). — Für *θοάσσω = θαάσσω, θά̄σσω mit Suffixtausch (Schwyzer 734) aus *θο(ϝ)άκ-ι̯ω, Denominativum von *θό(ϝ)ακος ‘Sitz’, s. θᾶκος. — Nicht richtig Bechtel Lex. 162. I-676
θοάζω 2. ‘(sich) schnell bewegen’ s. θέω. I-676
θοίνη, dor. θοίνα, hell. θοῖνα (Solmsen Wortforsch. 254) f. ‘Schmaus, Gastmahl’ (ion. att. dor. seit Hes. Sc. 114). Kompp. θοινοδοτέω ‘Festgeber sein, einen Schmaus geben’ (Kreta Ia-Ip), θοιναρμόστρια f. ‘Ordnerin einer θ.’ (Inschr. röm. Zeit; Fraenkel Nom. ag. 1, 201). Davon θοινᾱτικός (v. l. -νητ-) ‘zu einem Schmaus gehörig’ (X. Oik. 9, 7). Denominative Verba: 1. θοινάω, -άομαι ‘bewirten bzw. schmausen’ (seit δ 36) mit θοίνᾱμα ‘Bewirtung, Schmaus’ (E. in lyr., Posidon.), θοινατήρ ‘Gastgeber’ (A. Ag. 1502) mit θοινατήριον = θοίνη (E. Rh. 515), θοινάτωρ ‘Schmauser’ (E.), -ήτωρ (AP), θοινατάς ‘ds.’ (Kallatis Ia); zum dorischen α-Vokalismus Fraenkel Nom. ag. 2, 16f., Björck Alpha impurum 140ff. 2. θοινάζω ‘ds.’ (X., Ael.). 3. θοινίσαι v. l. für θοινῆσαι (Hdt. 1, 129). — Ohne Zweifel aus *θωι-να, von θῶσθαι· δαίνυσθαι, θοινᾶσθαι (A. Fr. 49), θῶται· εὐθηνεῖται, θοινᾶται (zur Bildung Schwyzer 675 A. 8) H. (auch θώσασθαι, θωθῆναι), θωσούμεθα (Epich. 139); θωστήρια· εὐωχητήρια Alkm., H. — Schulze KZ 27, 425 = Kl. Schr. 52 (mit unrichtiger Anknüpfung an θῆσθαι), Fraenkel IF 22, 396ff. m. Lit. S. auch θώς. I-676-677
θόλος f. (hell. m.; dazu Schwyzer-Debrunner 32 A. 4, 34 A. 2) ‘Kuppelbau, Rundbau’, in Athen Ben. des Rundgebäudes der Prytanen, hellen. ‘rundgebautes Schwitzbad’ (seit Od.); Deminutivum θολίδιον (Attika). — Davon θολία ‘runder Sonnenhut für Frauen’ (Theok. 15, 39), auch ‘Kasten mit kuppelförmigem Deckel’ (Poll.); vgl. σαλία (σ- < θ-)· πλέγμα καλάθῳ ὅμοιον, ὅ ἐπὶ τῆς κεφαλῆς φοροῦσιν αἱ Λάκαιναι. οἱ δὲ θολία H.; s. auch H. s. θαλιοποιοί. — θολωτός ‘mit θ. versehen, kuppelförmig’ (Prokop.), θολικός ‘ds.’ (Suid.). — Technisches Wort ohne sichere Erklärung. Man vergleicht seit Fick 1, 466 ein Wort für ‘Tal usw.’, das im Germanischen, Slavischen, auch im Keltischen vertreten ist, z. B. got. dal(s) m. od. n. ‘φάραγξ, βόθυνος’, awno. dalr ‘Tal, Bogen’, aksl. dolъ ‘βάραθρον, λάκκος’, russ. dol ‘Tal, untere Seite’, kymr. dol f. ‘Tal’. Eig. Bedeutung dann *‘Biegung, Krümmung’, woraus ‘Wölbung’, bzw. ‘Höhlung’ (zuletzt Huisman KZ 71, 103). Oft mit θάλαμος zusammengestellt, z. B. E. Maaß RhM 77, 1ff. mit weiterer Anreihung an θάλος, θαλλός; dagegen Wahrmann Glotta 19, 213. — Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 864f.; dazu Pok. 245f. I-677
θολός m. ‘Schlamm, Schmutz, der dunkle Saft des Tintenfisches’ (Hp., Arist. u. a.; zum Akzent Schwyzer 459), auch Adj. ‘trüb’ (Ath. u. a.). Davon θολερός ‘schlammig, trüb, verwirrt’ (ion. att.), θολώδης ‘ds.’ (Hp., Arist. u. a.), θολόω ‘trüben, beunreinigen’ (ion. att.) mit θόλωσις ‘Trübung’ (Arist., Gal.). — Kann für *θϝολός stehen, wodurch sich die Möglichkeit eröffnet, θολός an einige german. Ausdrücke für geistige Trübung u. ähnl. anzuschließen: primäres Verb asächs. for-dwelan ‘versäumen’, ahd. gi-twelan ‘betäubt sein, säumen’ mit mehreren Verbalnomina, z. B. awno. dvǫl f. ‘Verzögerung’ (wäre gr. *θολή), asächs. dwalm, ahd. twalm ‘Betäubung, betäubender Dunst, Qualm’ (wäre gr. *θολμός), got. dwals ‘töricht’ (= gr. θολός). Hierher noch ein keltisches Wort für ‘blind’, z. B. air. dall (idg. *dhu̯ol-nos oder *dhu̯l-nos?). Vgl. noch zu Δύαλος und θύελλα. Weitere, z. T. entlegene oder recht unsichere Verwandte bei Bq, WP. 1, 842f. mit reicher Lit., Pok. 2 65f. I-677
θοός 1. ‘schnell’ s. θέω. I-677
θοός 2. ‘scharf’ in νήσοισι ἐπιπροέηκε Θοῇσιν (ο 299); vgl. Str. 8, 3, 26 Θοὰς δὲ εἴρηκε τὰς ’Οξείας κτλ. (s. Bechtel Lex. s. v.), hell. u. spät von γόμφοι, ὀδόντες, πελέκεις, ξίφος (A. R., AP). Davon der faktitive Aorist ἐθόωσα ‘ich spitzte zu’ (ι 327), Perf. Ptz. Pass. τεθοωμένος (Nik., Opp. u. a.). — Keine sichere Anknüpfung. Schulze KZ 29, 261 = Kl. Schr. 370 vergleicht aind. dhā́rā ‘Schneide, Klinge’. I-678
θορός θορή f. m., ‘männlicher Same’, θόρνυμαι ‘bespringen’ s. θρώσκω. I-678
θόρυβος m. ‘Lärm, Geschrei, Geräusch, Tumult, Verwirrung’ (Pi., ion. att.). Davon θορυβώδης ‘voll Lärm usw.’ (ion. att.) und das Denominativum θορυβέω, auch mit Präfix, ἀνα-, ἐπι- u. a., ‘lärmen, in Verwirrung bringen’ (ion. att.); davon θορυβητικός ‘lärmend’ (Ar.) und θορύβηθρον Pflanzenname = λεοντοπέταλον (Ps.-Dsk.); zum Benennungsmotiv Strömberg Pflanzennamen 80, zur Bildung ebd. 146. — Bildung wie ὄτοβος, κόναβος, φλοῖσβος und andere expressive Geräuschbezeichnungen (Chantraine Formation 260). Eine verwandte Reduplikationsbildung ist τον-θορύ-ζω; daneben mit anderem Ablaut θρῡ-λέω, θρῦ-λος; s. noch θρέομαι. I-678
θοῦρος ‘anstürmend, stürmisch, ungestüm’ (Il., Trag.), f. θοῦρις, -ιδος (Hom., H.), θουράς (Nik., Lyk.; vgl. Chantraine Formation 354f.); formale Erweiterung θούριος ‘ds.’ (Trag.; Chantraine 37); auch θουραῖος, θουρήεις u. a. (H.); denominatives Ptz. pl. f. θουρῶσαι (θουράω) mit Akk. ‘anstürmend an’ (Lyk. 85). — Aus *θόρ-ϝος, u. zw. entweder direkt vom Aorist θορεῖν oder als Umbildung eines u-Stamms *θόρ-υ-ς (vgl. μανός < *μαν-ϝ-ός, στενός < *στεν-ϝ-ός u. a.); vgl. Bechtel Lex. s. v. m. Lit. — Nach Anderen (seit Persson Stud. 59) zu ἀθύρω usw. (s. d.); wieder anders Ehrlich KZ 39, 571 (zu θύω, lat. febris usw.; vgl. W.-Hofmann s. v., WP. 1, 842). I-678
θρᾶνος Myk. ta-ra-nu? m. ‘Tragbalken, Bank, Schemel’ (att. u. hell. Inschr., Ar.). Ableitungen: Deminutivum θρανίον ‘ds.’ (Ar. u. a.) mit θρανίδιον (Ar.); θρανίτης ‘Ruderer der obersten der drei Reihen’ (Th., Ar. u. a.; vgl. Morrison Class. Quart. 41, 128ff.), f. θρανῖτις (κώπη; Attika), mit θρανιτικός (Kallix.); θρανίας m. (Marcell. Sid.), θρᾶνις od. -ίς (Xenokr.) = ξιφίας, ‘Schwertfisch, Hornfisch’, wohl nach der Form des Oberkiefers, vgl. Thompson Fishes s. v. Denominatives Verb θρανεύω ‘auf die Gerbebank spannen’ (Ar. Eq. 369; θρανεύεται· συντρίβεται H.) mit ἀθράνευτον· ἄστρωτον H. (= E. Fr. 569); zu συν-θρανόω, θρανύσσω s. d. — Daneben θρῆνυς, -υος m. ‘Fußbank, Schemel’ (Hom.; vgl. Hermann Gött. Nachr. 1943, 8; Chantraine Formation 118; unwahrscheinliche Analyse bei Benveniste Origines 56), mit sekundärer κ-Erweiterung (Chantraine 383, Schwyzer 496 A. 6) θρῆνυξ, -υκος (Euph.), θρᾶνυξ (Korinn.). — Bei Abtrennung eines νο- bzw. νυ-Suffixes ergibt sich Anschluß an den Aor. Inf. θρή-σασθαι (nur Philet. 14 [IV-IIIa]: θρήσασθαι πλατάνῳ γ<ρ>αίῃ ὕπο), gewöhnlich mit ‘sich setzen’ wiedergegeben. Die ursprüngliche Bedeutung muß aber vielmehr ‘sich aufstützen, aufstemmen’ od. ähnl. gewesen sein, wenn das Wort, wie wahrscheinlich, zu derselben Sippe wie θρόνος gehört; θρᾶνος, θρῆνυς somit eig. "die Stütze, der Träger". — Weiteres s. θρόνος; s. auch θρησκεύω. I-678-679
θρᾱνύσσω ‘zerschmettern’, nur Aor. Ptz. θρανύξαντες (Lyk. 664); συν-θρᾱνόω ‘ds.’, nur Perf. Pass. συντεθράνωται (E. Ba. 633; = συμπέπτωκε H.); vgl. noch θρανεύεται· συντρίβεται H. — Die Zurückführung auf ein Nomen *θραυσ-ανό-ς, von θραύω (Sütterlin Denom. 107, Solmsen Unt. 88), erweckt, obwohl theoretisch möglich, bei diesem expressiven Wort wenig Vertrauen, vgl. Sommer Lautstud. 64f. Weit näher liegt (trotz Sommer a. a. O.), an θρανεύω ‘auf die Gerbebank spannen’ anzuknüpfen, das von H. mit συντρίβεται glossiert wird. Es dürfte sich mithin um eine Bedeutungsverschiebung ‘gerben (foltern)’ > ‘zerschmettern’ Hand in Hand mit der formalen Umbildung (nach ἀμύσσω, νύσσω u. a.?, Sommer a. a. O., Debrunner IF 21, 243) handeln; die neue Assoziation mit θραύω trat an die Stelle der früheren Verbindung mit dem seltenen θρᾶνος. I-679
Θρᾷξ, -κός, ep. ion. Θρῆϊξ, -ῐκος (selten und sekundär -ῑκος), auch Θρῇξ, -κός (Chantraine Gramm. hom. 1, 107) ‘Thraker, thrakisch’ (seit Il.); f. Θρᾷσσα, -ττα, Θρῇσσα, Θρήισσα, Θρέισσα, Θράισσα ‘Thrakerin’ (ion. att. dor.), auch als Fischname, s. bes. m. Davon Θρᾷκη, Θρηΐκη, Θρῄκη ‘Thrakien’ (seit Il.); Θρᾴκιος usw. ‘thrakisch’ (seit Il.), -ικός ‘ds.’ (Luk.); Θρᾳκίας m. N. des N.-N.-W.-Windes (Arist. u. a.; auch Θρασκίας); θρᾳκίζω ‘thrakisch sprechen’ (A. D.). — Zum Vokalismus im allg. Björck Alpha impurum 354f. Etymologie unbekannt. Kretschmer Glotta 24, 39ff. erwägt Zusammenhang mit dem Flußnamen Τραῦος (Hdt. 7, 109; Zufluß des Bistonis- Sees) und dem skythischen (od. thrakischen) Volksnamen Τραυσοί (Hdt. 5, 3, St. Byz., H. u. a.). Nach Kretschmer Glotta 26, 56 gehört hierher auch der Windname Θρασκίας (Kreuzung von Θρᾱικ- und Τραυσκ-?). I-679
θράσος, θρασύς s. θάρσος. I-679
θρά̄σσω, θρά̄ττω, vereinzelt mit Präfix, ἐν-, ὑπο-, ἐπι-, ‘verwirren, beunruhigen’ (Pi., Hp., att.); Aor. θρᾶξαι (A., E.), Pass. ἐθράχθη (S. Fr. 1055); Perf. τέτρηχα intr. ‘verwirrt, unruhig sein’ (ep. seit Il.). — Primäres Jotpräsens aus *θρᾱχ-ι̯ω, woneben das alte Perfekt *τέ-θρᾱχ-α (Schwyzer 702); dagegen sind die spärlich belegten Aoristformen θρᾶξαι, ἐθράχθη Neubildungen nach Muster von πράσσω : πρᾶξαι u. a. für das ältere ταράξαι (wie δαμάσαι u. a.), wozu das Präsens ταράσσω (s. d.), mit derselben zweisilbigen Stammform wie ταραχή; zu τέ-τρηχ-α : ταραχ-ή vgl. z. B. τέ-θνη-κα : θάνα-τος. Eine primäre Nominalbildung mit langer Stammsilbe wie θρά̄σσω, τέτρηχα ist τρᾱχύς ‘rauh, hart’; s. d. Genaue außergriechische Entsprechungen zu dieser expressiven Wortgruppe sind kaum zu erwarten. In Betracnt kommt seit Bezzenberger BB 4, 320 ein weitverbreitetes, in wechselnden Formen auftretendes Wort für ‘Bodensatz, Hefe’: germ., z. B. anord. dregg f., pl. dreggiar, balt.-slav., z. B. alit. drãgės pl., alb. drā, wohl auch lat. fracēs, -um. Zum Vergleich wird ferner eine reich ausgebildete baltische Wortgruppe herangezogen, die ablautmäßig durch den Stoßton zu den griechischen Wörtern stimmt, z. B. lit. dérgiu, dérgti ‘schlackerig sein (vom Wetter), schmutzig werden usw.’, wozu nach Specht KZ 59, 102 und 117 m. A. 3 noch dìrgstu, dìrgti ‘sich entspannen, schwach werden usw.’ (mit dìrginu, dìrginti ‘entspannen, erregen’); vgl. dazu die kritischen Bemerkungen bei Fraenkel Lit. et. Wb. s. dìrginti und drė́gti. — Weitere Formen mit reicher Lit. bei WP. 1, 854ff., W.-Hofmann s. fracēs; dazu Fraenkel s. drãgės und Pok. 251. Vgl. noch Bechtel Lex. s. ταράσσω. I-679-680
θρᾷττα f. Ben. eines kleinen Meerfisches (mittl. Kom., Arist.); Deminutivum θρᾱͅττίδιον (Anaxandr.). — Nach Strömberg Fischnamen 86 eig. "die Thrakerin", s. Θρᾷξ. Vgl. θρίσσα. I-680
θραύω, Aor. θραῦσαι, Pass. θραυσθῆναι, Perf. Pass. τέθραυσμαι, auch mit Präfix, ἀπο-, περι-, συν- u. a., ‘zerbrechen, zermalmen, entkräften’ (ion. att.). Davon (ἀπό-, σύν-)θραῦσις ‘das Zerbrechen usw .’ (Arist., LXX u. a.), bei H. auch = σφῦρα, ἡ τοὺς βώλους θραύουσα, woraus ngr. dial. (Chios, Ikaros) θράψα (Kukules ’Αρχ. 27, 61ff.); θραῦμα (A. usw.), auch θραῦσμα (Agatharch., Arist. usw.) ‘Bruchstück, Zermalmung, Wunde’; θραυσμός ‘das Zerbrechen’ (LXX), θραυστήριος ‘zum Zerbrechen geeignet’ (Aët.); θραυστός ‘zerbrechlich, zerbrochen’ (Ti. Lokr., Thphr. u. a.); θραῦλον· κόλουρον (verfehlt darüber v. Blumenthal Hesychst. 38), θραῦρον· τραγανόν, θραυόμενον H. (vgl. Schwyzer 282). — Durch den (volkstümlichen?) α-Vokalismus, der eine Reduktionsstufe von idg. dhrēus- repräsentieren kann (Bechtel Lex. s. θρυλίζω, WP. 1, 872), aber vielleicht nur eine sekundäre Entgleisung darstellt, unterscheidet sich θραύω nebst Ablegern von *θρυλίσσω (θρυλίχθη, θρυλίξαι) und Verw., s. ebd. Vgl. θρύπτω. I-680-681
θρέομαι ‘ausrufen, verkünden’ (A., E., immer von Frauen, fast nur in lyr.), nur Präs. bis auf θρεύετο (poet. Inschr., Epid. IVa), nach θρεῦμαι A. Th. 78 künstlich gebildet; zur imperfektiven Aktionsart Fournier Les verbes "dire" 90 und 228. Ableitung θρόος, att. θροῦς m. ‘Ruf, Stimme, Gemurmel, Gerücht’ (Δ 437, Pi. N. 7, 81, Th., X. usw.), sehr oft als Hinterglied, z. B. ἀλλό-θροος ‘mit anderer Stimme, fremdsprachig’ (ep. ion. seit Od.). Iteratives Deverbativum bzw. Denominativum (vgl. Schwyzer 719 und 726; θρόος teilweise postverbal?) θροέω, Aor. θροῆσαι, vereinzelt mit Präfix δια-, προσ- u. a., ‘rufen, verkünden, sprechen’ (vorw. Trag.); Pass. θροεῖσθαι, θροηθῆναι ‘sich übertönen lassen, verwirrt, erschreckt werden’ (LXX, NT u. a.); davon συνθρόησις ‘Verwirrung, Verlegenheit’ (S. E. M. 9, 169). — Neben dem thematischen Wurzelpräsens θρέ(ϝ)ομαι, idg. -dhreu̯-o-, steht im Armenischen ein athematisches Wurzelpräsens erdnum, Aor. erdu-ay ‘schwören’, idg. *dhru-neu-mi; vgl. alat. deicō gegenüber δείκ-νυ-μι. Frisk Etyma Armen. 8ff., wo auch Verwandtschaft mit θάρνυται im Sinn von ‘sprechen’ (δηλοῖ τὴν διὰ λόγων ἔντευξιν H.) erwogen wird. Dazu mit anderem Ablaut θόρυβος und θρυλέω, θρῦλος. Vgl. auch θρῆνος. I-681
θρῆνος m. ‘Klage, Totenklage, Klagelied’ (ion. att. seit Ω 721; über Bedeutung und Gebrauch Diehl RhM 89, 90 u. 112). Kompp. z. B. θρην-ῳδός ‘der eine Totenklage singt’ (Alkiphr. u. a.) mit -έω, -ία u. a. (E., Plu.), ἔν-θρηνος ‘klagevoll’ (Pap.). Davon θρηνώδης ‘klageähnlich’ (Pl. usw.), θρήνωμα = θρῆνος (Pap. Ia; -ωμα nur erweiternd, Chantraine Formation 186f.). Denominatives Verb θρηνέω, Aor. θρηνῆσαι, auch mit Präfix, z. B. ἐπι-, κατα-, ‘ein Klagelied anstimmen, beklagen, beweinen’ (seit Ω 722) mit mehreren Ablegern: θρήνημα ‘Klage’ (E.), θρηνη-τής, -ητήρ (A. u. a.; vgl. Benveniste Noms d’agent 42) ‘Wehklagen’, auch θρηνήτωρ (Man.); θρηνητικός (Arist. u. a.); ἐπιθρήν-ησις (Plu.). — Zu θρῆνος gesellen sich in erster Linie das damit ablautende θρώναξ· κηφήν. Λάκωνες H. und das reduplizierte τενθρήνη ‘Hornisse’ (vgl. noch zu ἀνθρηδών; anfechtbare Kombinationen bei Kuiper Μνήμης χάριν 1, 221f.). Auch in anderen Sprachen gibt es anklingende Schallwörter: aind. dhráṇati ‘tönt’ (Gramm.) und das germanische Wort für ‘Drohne’, z. B. asächs. dreno, wozu noch got. drunjus ‘Schall’, nd. drönen ‘drōhnen’ u. a., lat. drēnsō, -āre Naturlaut der Schwäne (aus dem Gall.); in allen diesen Fällen ist aber eher onomatopoetische Elementarverwandtschaft als genetischer Zusammenhang anzunehmen. Lautlich damit nicht vereinbar ist jedenfalls arm. dṙnč̣im ‘Horn blasen’ (Mladenov Mélanges Pedersen 95ff.); vgl. mit anderem Anlaut lit. trinké̇ti ‘dröhnen’; lautlich mehrdeutig toch. A träṅk- ‘sprechen’. — WP. 1, 860f., Pok. 255f., W.-Hofmann s. drēnsō, Mayrhofer s. dhráṇati. Vgl. θρέομαι, θόρυβος, θρῦλος. I-681-682
θρῆνυξ, θρῆνυς, θρῆσασθαι s. θρᾶνος. I-682
θρησκεύω ‘einen religiösen Gebrauch beobachten’ (Hdt. u. a.), ‘verehren, anbeten’ (LXX, D. H. u. a.). Mehrere Verbalnomina: θρησκεία, ion. -ηΐη ‘heiliger Dienst, Gottesdienst, Gottesverehrung’ (ion., hell. u. spät), auch θρήσκευμα, -ευσις ‘ds.’ (hell. u. spät); θρησκευτής ‘Gottesverehrer’ (spät); postverbal θρῆσκος ‘gottesfürchtig’ (Ep. Jac. 1, 26) mit θρησκώδης ‘ds.’ (Vett. Val.); θρήσκια n. pl. ‘religiöse Zeremonien’ (POxy. 1380, 245, IIp, OGI 210, 9, Nubien IIIp). — Zur Geschichte von θρησκεύω, -εία s. J. van Herten Θρησκεία, εὐλάβεια, ἱκέτης. Diss. Utrecht. Amsterdam 1934. — Da θρῆσκος offenbar postverbal ist, muß für θρησκεύω ein anderer Ausgangspunkt gesucht werden. Das als äußerste Grundlage zu erwartende σκ-Präsens (wovon θρησκεύω zur Not nur eine Erweiterung sein könnte) liegt tatsächlich in θρήσκω· νοῶ, θράσκειν· ἀναμιμνήσκειν H. vor; falls richtig überliefert, bestätigen die Glossen den ionischen Ursprung von θρησκεύω. Neben dem Präsens θρήσκω (vgl. θνήσκω (θνῄσκω), θρώσκω usw.) kann in ἐν-θρεῖν· φυλάσσειν H. ein schwundstufiger thematischer Aorist vermutet werden; dazu noch ἀ-θερές· ἀνόητον, ἀνόσιον H., von *θέρος oder *θερεῖν. Die ursprüngliche Bedeutung wäre ‘beobachten, an etw. festhalten’; weitere Beziehungen s. θρόνος; vgl. auch θρᾶνος. — Ganz anders Grégoire Hommages à Bidez et Cumont 375ff.: θρῆσκος (woraus θρησκεύω, -εία) aus *θρᾱισκος, eig. ‘thrakisch’ (?). I-682
θριαί (θρῖαι) f. pl. Nymphen am Parnaß, Ernährerinnen des Apollon, auch Benennung von Steinchen, die als Losorakel dienten (Philoch. 196, Kall. Ap. 45; unsichere Konj. h. Merc. 552). θριοβόλοι pl. ‘Werfer der θ.’ (Epic. ap. St. Byz. s. Θρῖα, Suid.). Davon θριάζειν· ἐνθουσιᾶν, ἐνθουσιάζειν H. aus S. (Fr. 466) und E. (Fr. 478) mit θρίασις (Suid.); auch θριᾶσθαι· μαντεύεσθαι (AB 265). — Herkunft unbekannt. Nach v. Wilamowitz Glaube 1, 379ff. ursprünglich mit θρῖα ‘Feigenblätter’ identisch (?). I-682
θρίαμβος m. N. eines bei den Dionysosfesten gesungenen Liedes (Kratin. 36), auch auf den Gott übertragen (Trag. Adesp. 140 u. a.); hell. u. spät Übersetzung von lat. triumphus (Plb., D. S. u. a.); davon θριαμβικός = triumphālis, θριαμβεύειν = triumphāre. — Bildung wie διθύραμβος, ἴαμβος (s. dd.) und wie diese wahrscheinlich Fremdwort. Oft (nach Sommer Lautstud. 58ff.) mit dem Zahlwort ‘drei’ verknüpft ("Dreischritt" od. ä.). Ausführliche Behandlung mit Lit. bei v. Windekens Orbis 2, 489ff., der θρίαμβος als "pelasgisch" ansieht und eine ganz willkürliche idg. Etymologie vorschlägt. Auch lat. triumphus (worüber W.-Hofmann s. v.) wäre direkt aus dem Pelasgischen geholt. — Nach Sturtevant ClassPhil. 5, 323ff. aus θριάζω, θρίασις unter Einfluß von ἴαμβος; vgl. noch Theander Eranos 15, 126 A. 1 (zu θριάζειν, θρῖον). Ältere Lit. auch bei Bq (mit Add. et corr.). I-682-683
θριγκός vorw. pl., späte Nebenformen τριγχός (SIG 1231, 6, Nikomedia III-IVp, H., Sch.), θριγγός (v. l. Plu. 2, 85f.), θριγχός (v. l. Dsk. 4, 85) m. ‘Mauerkranz, Gesims, Fries’, auch übertr. (seit Od.), ‘Umfriedigung, Zaun’ (E., Ar. u. a.); zur Bedeutung Süßerott Olymp. Forschungen hg. v. Kunze und Schleif (Berlin 1944) 125ff. (eig. "Terrakottentrager"?). Davon θριγκίον (Luk., App. u. a.), θριγκώδης H. s. αἱμασιαί, θριγκόω ‘mit einem θ. versehen, krönen, vollenden’ (ξ 10 u. a.) mit θρίγκωμα = θριγκός (J., Plu.), wohl nur daraus erweitert (Chantraine Formation 186f.). — Ausdruck der Baukunst unbekannter Herkunft; vgl. zu γεῖσον. — Die Form στριγχός· τειχίον, στρικτόριον, στεφάνη δώματος H. ist wahrscheinlich Kreuzung von τριγχός und στρικτόριον (= lat. strictōrium). I-683
θρίδαξ, -ᾰκος f. ‘(wilder) Lattich’ (Epich., ion., hell.). Davon in derselben Bedeutung θριδακί̄νη (att., hell.; Chantraine Formation 204) mit -ῑνίς f. (Stratt.), θριδακίσκα (Alkm. 20; Chantraine 407), θριδάκιον (Plu.); außerdem θριδακίας = μανδραγόρας θῆλυς (Dsk., Chantraine 94) und die Adj. θριδακ-ηΐς f. (Nik.), -ώδης (Dsk.) ‘lattichähnlich’. — Viele Nebenformen: θίδραξ (Arr., H.) mit θιδρακίνη (H.; Liquidametathese; Schwyzer 258), θρύδαξ (Pap.; nach θρύον), θρόδαξ (H.; wenn richtig, nach θρόνα?) mit θοδράκιον (Choerob.). — Nach Nehring Glotta 14, 151 vorgriechisch. Wegen der für den Lattich charakteristischen Blätter denkt Strömberg Pflanzennamen 39 an θρῖον ‘Feigenblatt, Blatt im allg.’ mit Bildung z. B. nach οἶδαξ ‘unreife Feige’. Durch Assoziation mit τρι- ‘drei’ entstand das volksetymologische τετρακίνη = θριδακίνη (Hippon. 135). Nicht mit Wood ClassPhil. 16, 64f. zu ano. drīta ‘cacare’ usw. (idg. dhrei- ‘zerreiben, zerschneiden’, wozu noch θρίψ u. a.). I-683
θρῖναξ, -ακος f. ‘(dreizackige) Gabel, Dreizack’ (Ar., Tab. Heracl. 1, 5, Nik., Pap.). Davon Θρινακίη f. "Gabelinsel", N. einer märchenhaften Insel (Od.), später mit Sizilien identifiziert, durch Volksetymologie in Τρινακρία (τρία ἄκρα) umgebildet; auch Θρινακίς f. (Str.); Adj. Θρινάκιος ‘sizilisch’ (Nik.). — Technisches Wort auf -ᾰξ (Chantraine Formation 377ff.); Ursprung unbekannt. Allgemein wird darin ein Kompositum mit τρι- ‘drei’ gesucht: nach Sommer Lautstud. 55ff. aus idg. *tri-snak- (zu eng. snag ‘Zacke’ usw.); nach Kretschmer BphW 1906, 55 aus *trisn-aḱ ‘mit drei Spitzen’ (idg. *tris-no- = lat. ternī); nach Geffeken-Herbig Glotta 9, 103f. aus *tri-snak- zu νάκη, νάκος (?). — Ob zu θρῖον ‘Feigenblatt’ (wegen der Form)?; vgl. auch θρινία· ἄμπελος ἐν Κρήτῃ H. I-683-684
θρίξ, τριχός f. ‘Haar’ im allg., insbes. das naturgewachsene Haar im Gegensatz zu dem gepflegten Kopfhaar, κόμη (seit Il.). Kompp., z. B. τριχό-φυλλος ‘mit haarähnlichen Blättern’ (Thphr., vom Nadelholz), οὐλό-θριξ ‘mit krausem Haar’ (Hdt. usw.). Zahlreiche Ableitungen. 1. θρίσσα, att. θρίττα f. (aus *θρίχ-ι̯α) Art Anchovis, ‘Clupea alosa’ (mittl. Kom., Arist. usw., nach den haarähnlichen Gräten, Strömberg Fischnamen 47f.; ausführliche Behandlung bei Thompson Fishes s. v.; daraus ital.-lomb. trissa u. a.?; s. Pok. 276); Demin. θρισσίον (Pap.); in derselben Bed. auch τριχίς, -ίδος f. (Ar. usw.), τριχίδιον (Alex.), τριχίας m. (Arist. u. a.). 2. Demin. τρίχιον (Arist. u. a.). 3. τριχώδης ‘voll Haar, haarähnlich’ (Hp., Arist. usw.). 4. τριχωτός ‘haarig’ (Arist. u. a.; vgl. τριχόομαι unten). 5. τρίχῐνος ‘aus Haaren’ (Pl., X., Pap. usw.). 6. τριχῖτις, -ιδος f. Art Alaun (nach der faserigen Struktur; Dsk., Pap., Plin.; Redard Les noms grecs en -της 62). 7. τριχία ‘Strick’ (Pap.). 8. τριχισμός ‘haarfeine Spalte eines Knochens’ (Paul. Aeg.), wie von *τριχίζω; vgl. Chantraine Formation 143ff. Denominative Verba. 1. τριχόομαι, -όω ‘mit Haaren versehen (werden)’ (Arist. usw.); davon τρίχωμα ‘Haar(wuchs)’ (Hdt., E., X. usw.) mit τριχωμάτιον (Arist. u. a.); τρίχωσις ‘Haarwuchs’ (Arist. u. a.); vgl. auch τριχωτός oben. 2. τριχιάω ‘an Haarkrankheit leiden’ (Hp., Arist. usw.) mit τριχίασις Ben. verschiedener Haarkrankheiten (Mediz.). 3. *τριχίζω vgl. τριχισμός oben. — Da die Benennungen des Haares von Sprache zu Sprache stark wechseln (s. Buck Synonyms 203f., Ernout-Meillet s. capillus), erwartet man von vornherein nicht, in anderen Sprachen Verwandte von θρίξ anzutreffen. Der Vergleich mit mir. gairb-driuch ‘Borste’ (aus garb ‘rauh’ und *drigu- oder *driku-, Fick 2, 156) muß man somit auf sich beruhen lassen. Zu lit. drikà ‘Fäden, die beim Weben nicht eingezogen vom hinteren Webebaum herabhängen’, das von Prellwitz s. v. herangezogen wird, s. Fraenkel Lit. et. Wb. s. draĩkas ‘langgestreckt’. I-684
θρῖον n. ‘Feigenblatt’, sekundär auch ‘Blatt’ im allg.; gew. als Benennung eines aus Eiern, Milch, Honig usw. bereiteten und in Feigenblätter gewickelten Gerichts (Ar. usw.). Als Hinterglied in λεπτό-θρῐος ‘aus feinen Blättern’ (Nik.; -ῐ- metr. Kürzung). — Ohne Etymologie, wohl Mittelmeerwort. Vgl. θρινία· ἄμπελος ἐν Κρήτῃ H.; s. noch θρῖναξ und θρίδαξ. — Nach Sommer Lautstud. 57f. aus *τρισϝον, zu τρεῖς. I-685
θρίσαι Aor., ἔθρισεν δόμον (A. Ag. 536), gewöhnlich ἀπο-θερίσαι ‘abschneiden’ (Archil., E., Dsk. u. a.), auch συνέθρισε· συνέτεμε, λεπτὰ ἐποίησεν. ἀπὸ τοῦ θρίσαι, ὅ ἐστι τεμεῖν H.; daneben ἀπο-θρίξαι, -ασθαι (v. l. E. Or. 128, Ael. u. a.), nach θρίξ. — Gewöhnlich als synkopierte Form von ἀπο-θερίσαι (LXX, Ael. u. a.; zu θερίζω ‘abmähen’) verstanden, die dann als notgedrungene metrische Lizenz zu gelten hat. Auch eine Angleichung an θραύω, θρύπτω ließe sich wohl denken (ähnlich Grošelj Živa Ant. 4, 175f.). Vgl. zu θρίψ. I-685
θρίψ, θρῑπός m. ‘Holzwurm’ (Thphr., Men. u. a.). Als Vorderglied z. B. in θριπ-ήδεστος ‘von Holzwürmern gefressen’ (Ar., Hyp., att. Inschr. u. a.; von ἐδεστός mit kompositioneller Dehnung); Abl. θριπωδέστατος ‘voll Holzwürmer’ (Thphr. HP 3, 8, 5; v. l. θριπηδέστατος). Vgl. ἴψ, κνίψ, σκνίψ. Güntert Reimwortbildungen 134f. vermutet Umbildung nach diesen für *θρύψ, zu θρύπτω ‘zerbröckeln, zerreiben’; auch θραύω und θρίσαι können den Anlaut beeinflußt haben. — Indog. Etymologie (von Meringer IF 18, 235, Petersson IF 23, 396f.) bei Bq und WP. 1, 872; nach v. Windekens Le Pélasgique 26 pelasgisch für *τρίψ (zu τρίβω). I-685
θροέω ‘rufen, verkünden, sprechen’ s. θρέομαι. I-685
θρόμβος m. ‘Klumpen, Kloß, Tropfen, besonders (geronnenen) Blutes’ (ion. att.). Davon θρομβίον (Dsk.), θρομβήϊον (Nik.) ‘Klümpchen, Klößchen’, θρομβώδης ‘voll Klumpen, kloßartig’ (ion. att.), θρομβόομαι ‘θ. bilden, gerinnen’ mit θρόμβωσις ‘das Gerinnen, Thrombose’ (Mediz. u. a.). — Zu θρόμβος stimmt lautlich nisl. drambr m. ‘Knorren, Knoten’, idg. *dhrómbhos (mit griechischer Deaspiration nach Nasal, Schwyzer 333), vgl. Porzig Satzinhalte 256, 316. Ob direkter Zusammenhang besteht, ist aber höchst fraglich, da nisl. drambr zu einer expressiven nordischen Wortgruppe gehört (vgl. noch awno. trē-drumbr m. ‘Baumstumpf’, dramb n. ‘prahlender Übermut’ u. a.). Auch das Baltische besitzt mehrere anklingende, offenbar volkstümliche Wörter, die zugleich semantisch abweichen, wie lit. dramblỹs, dremblỹs ‘Dickbauch’, lett. dram̃blis ‘Vielfraß’, lit. drìmba ‘hochaufgeschossener Mensch, Tölpel’ u. a. m., s. Fraenkel Lit. et. Wb. s. drìbti. — Innerhalb des Griechischen gehört jedenfalls θρόμβος zunächst zu τρέφω im Sinn von ‘gerinnen machen’, Med. τρέφεσθαι, Aor. 2 τραφεῖν ‘gerinnen’; θρόμβος somit eig. "geronnene Masse"; zum Lautlichen vgl. θάμβος : ταφεῖν. Das Verb hat aber im Griechischen die spezielle Bedeutung ‘dick machen, nähren’ erhalten und eine eigene Entwicklung durchgemacht, s. bes. I-685-686
θρόνα n. pl. ‘Blumen’ als Zierat in Geweben und Stickwerk (Χ 441 θρόνα ποικίλα; danach ποικιλό-θρονος als Bein. der Aphrodite Sapph. 1, 1; ebenso χρυσό-, ἀργυρό-θρονος u. a. nach Lawler Phil Quart. 27, 80ff. mit beachtenswerten Argumenten), ‘Blumen’ als Heil- und Zaubermittel (hell. Dichter); nach Sch. zu Theok. 2, 59 wurden von den Thessaliern bunt gestickte Figuren (πεποικιλμένα ζῷα), von den Kyprioten bunte Kleider (ἄνθινα ἱμάτια) θρόνα genannt; H. erklärt θρόνα sowohl als ‘Blumen’ wie als ‘farbenreiche Stickereien’ (θρόνα· ἄνθη, καὶ τὰ ἐκ χρωμάτων ποικίλματα H.); vgl. Bechtel Dial. 1, 448; Bowra JournofHellStud. 54, 73. — Von einer hypothetischen Bedeutung ‘bunt’ (Hoffmann BB 15, 86) ausgehend, vergleicht Lidén Stud. 67f., 95f. alb. drë-ri, drê-ni m. ‘Hirsch’ (eig. "der Bunte"?; vgl. zu νεβρός), uralb. *drani- (= ἀρανίς [für δρ-]· ἔλαφος H. als illyrisch?), idg. *dhroni-. Anders Solmsen KZ 35, 474f.: θρόνα eig. ‘Kräuter, Blumen’ zu russ. dërn ‘Rasen, Wasen’ usw. (dagegen Lidén a. a. O., WP. 1, 876f., Vasmer s. dërn). Nach Stokes (s. Bq und WP. a. a. O.) zu mir. druine ‘Stickerei’. I-686
θρόνος m. ‘Sessel, Sitz’, auch ‘Herrschersitz, Thron, Richterstuhl, richterliche Gewalt’. Kompp., z. B. χρυσό-θρονος ‘mit goldenem Thron’ (seit Il.), wenn nicht eher zu θρόνα, s. d. Davon die Deminutiva θρονίς f. (Them.), θρόνιον (EM, Ptol.); ferner θρονίτης (cod. -τις)· πρώτιστος H. (vgl. Redard Les noms grecs en -της 24); θρονιτικός ‘thronähnlich’ (Sidyma); denominatives Verb θρονίζομαι ‘auf den Thron erhoben werden’ (LXX u. a.) mit θρονιστής ‘Thronerheber’ (liter. Pap.), θρονισμός ‘Thronerhebung’ (D. Chr. u. a.); auch θρόνωσις ‘ds.’ (Pl. Euthd. 277d; als Ritus der Korybanten) wie von *θρονόομαι; vgl. Chantraine Formation 279; zur Sache v. Wilamowitz Glaube 2, 187. — Bildung wie κλ-όνος (von κέλομαι; vgl. auch χρόνος und Κρόνος), u. zw. von einem Verb ‘halten, stützen, tragen’, das u. a. im aind. Perf. dā̆dhā́ra (wäre gr. *τέ-θορ-α), in dem athem. Wurzelaor. dhr̥-thās (2. sg.), vielleicht auch in ἐν-θρ-εῖν· φυλάσσειν H. (s. θρησκεύω) vorliegt; θρόνος somit eig. "Halter, Stütze, Träger". Andere griechische Verwandte sind: θόρναξ· ὑποπόδιον. Κύπριοι. ἢ ἱερὸν ’Απόλλωνος ἐν τῇ Λακωνικῇ H., wohl für *θρόναξ durch Metathese und dann direkt aus θρόνος abgeleitet; θρή-σασθαι mit θρᾶνος (s. d.), θρῆ-νυς; θρά̄-σκω mit θρησκεύω (s. d.); s. noch zu -θέλυμνος. — Die zahlreichen Vertreter dieser Wortsippe in anderen Sprachen, z. B. lat. ferē, frētus, firmus (auch frēnum?), aind. Kaus. dhāráyati, dhárma- ‘Recht, Sitte’, dháraṇa- ‘haltend’, tragen zur Erklärung der aus dem alten Verbsystem losgelösten griech. Wörter nichts bei. Weitere Formen mit reicher Lit. bei WP. 1, 856ff., Pok. 252f., W.-Hofmann s. firmus, ferē, Mayrhofer s. dhāráyati. I-686-687
θρόος, att. θροῦς ‘Ruf, Stimme, Gemurmel’ s. θρέομαι. I-687
θρυαλλίς ‘Docht’, auch Pflanzenname, s. θρύον. I-687
*θρυλίσσω (*θρῡλίζω?) ‘zerbrechen, zerschmettern’ nur in θρυλίχθη δὲ μέτωπον (Ψ 396), θρυλίξας (Lyk. 487) mit θρύλιγμα ‘Bruchstück’ (Lyk. 880). — Denominatives Verb von *θρῦλος (zur Bildung Schwyzer 733 ζ und 737f.), das zu kymr. dryll ‘Bruchstück’, gallorom. *drullia pl. ‘Abfälle’ stimmt und wie dies auf idg. *dhrus-lo- bzw. *dhrus-li̯o- zurückgehen kann. Das primäre Verb lebt vermutlich im Germanischen weiter, z. B. got. driusan ‘herabfallen’, eig. *‘abbröckeln’. Ein paralleles Gutturalsuffix zeigt lett. druska ‘Brocken, Krümchen’; sehr unsicher dagegen lat. frustum ‘Brocken’. — Ob θρυλ[λ]εῖ· ταράσσει, ὀχλεῖ H. hierher gehört (Bechtel Lex. s. θρυλίζω), ist fraglich; es kann ebensogut einen okkasionellen Gebrauch von θρυλεῖν ‘schwätzen’ wiederspiegeln. Ein selbständiger Ableger dieser Wortsippe ist dagegen θραύω mit unerklärtem Vokal, s. d.; vgl. auch θρύπτω. Weitere Formen mit Lit. bei WP. 1, 872f., Pok. 274f., Fraenkel Lit. et. Wb. s. druskà, W.-Hofmann s. frustum. I-687
θρῦλος (auch θρύλλος) m. ‘Gemurmel’ (Batr., Orph., Pap. u. a.). Daneben θρυλέω (-λλ-) ‘schwätzen, viel Gerede machen’, auch mit δια- und anderen Präfixen, (att.) mit πολυ-θρύλ(λ)η-τος ‘viel besprochen’ (Pl., Plb. u. a.), θρύλημα ‘Gerede, Geschwätz’ (LXX); auch θρυλίζω etwa ‘einen Mißton auf der Kithara hervorbringen’ (h. Merc. 488; cod. θρυαλ- [metrisch vorzuziehen] = θρυλλ- ?) mit θρυλισμός, -ιγμός (D. H. u. a.). — Der anscheinend nächstliegenden Annahme, θρυλέω sei aus θρῦλος abgeleitet, widerstreiten sowohl das Alter wie die Frequenz der Belege. Man ist vielmehr geneigt, in θρυλέω eine Bildung nach Muster von den zahlreichen (denominativen, deverbativen oder primären) Schallverba auf -έω, z. B. κομπέω, κελαδέω, βομβέω, δουπέω, ῥοιβδέω (Schwyzer 726 m. A. 5) zu sehen, wovon das seltene und späte θρῦλος eine Rückbildung wäre. Daß θρυλέω zu θρέ(ϝ)ομαι, θόρυβος, τονθορύζω Beziehungen hat, scheint sicher, und es steht auch nichts im Wege, es als eine schwundstufige λ-Ableitung von idg. dh(e)-reu- (WP. 1, 860, Pok. 255) zu betrachten. Ob man durch eine solche rein grammatische Analyse einem Schallausdruck gerecht wird, scheint immerhin etwas fraglich. — Die mehrfach vorkommende Schreibung -λλ- kann eine expressive Gemination ausdrücken. I-687-688
θρύον n. ‘Binse’ (seit Il.). Als Vorderglied in θρυο-πώλης ‘Binsenverkäufer’ u. a. (Pap.). Ableitungen: θρυόεις ‘binsenreich’ (Nik.), f. Θρυόεσσα Ort am Alpheios (Λ 711; Leumann Hom. Wörter 301), auch Θρύον genannt (Β 592; vgl. Solmsen Wortforsch. 85); θρυώδης ‘ds.’ (Str.); θρύϊνος ‘aus Binsen’, θρυῗτις ‘mit Binsen bewachsen’ (γῆ, Pap.; Redard Les noms grecs en -της 118). Außerdem θρυαλλίς f. ‘Docht’ (Ar. u. a.), auch Pflanzenname, ‘Wegerich, Plantago crassifolia’ (Thphr., Nik., Pap.), weil die Blätter als Dochte verwendet wurden, deshalb auch λυχνῖτις benannt (Strömberg Pflanzennamen 78 und 106); zur Bildung vgl. φυσαλλίς, συκαλλίς usw., vorwiegend Pflanzen- und Vogelnamen (Schwyzer 484, Chantraine Formation 252 und 346); der Pflanzenname θρυαλλίς somit primär im Verhältnis zum Appellativum? Vom letzteren oder vom Deminutivum θρυαλλίδιον (Luk.) wohl als Rückbildung θρύαλλον n. ‘Rußregen?’ (Vett. Val. 345, 22). — Erinnert der Form nach an βρύον, aber sonst unklar. Nach Sommer Lautstud. 60f. aus idg. *trusom zu aksl. trьstь f. ‘Rohr, Rohrstab’, lit. tr(i)ušìs ‘ds.’, sachlich völlig befriedigend (unbegründete Bedenken bei WP. 1, 762), aber lautlich und morphologisch sehr fraglich. I-688
θρύπτω, Aor. θρύψαι, Pass. τρυφῆναι (Il.), später θρυφθῆναι (Arist.), θρυβῆναι (Dsk.), Perf. Med. τέθρυμμαι, auch mit Präfix, z. B. δια-, ἐν-, ‘zerreißen, zerbröckeln, entkräften, verweichlichen’, Med. ‘weichlich sein, sich zieren, im Überfluß schwelgen’ (ion. att.). Ableitungen: 1. τρύφος n. ‘Bruchstück’ (δ 508, Hdt., Pherekr. u. a.). 2. τρυφή ‘Weichlichkeit, Üppigkeit, Schwelgerei’ (att.); davon τρυφερός ‘weichlich, schwelgerisch’ (att.; nach θαλερός, γλυκερός u. a.) mit τρυφερότης (Arist., LXX u. a.); τρυφηλός ‘ds.’ (APu. a.); τρυφαλίς = τροφαλίς und Umbildung davon (Luk. u. a.); τρύφαξ ‘Schwelger, Wollüstling’ (Hippod.); denominatives Verb τρυφάω, auch mit Präfix, z. B. ἐν-, mit ἐντρυφής = τρυφερός (Man.), ‘weichlich, üppig leben, schwelgen’ (att.) mit τρύφημα ‘Schwelgerei, Wollust’, auch konkret (E., Ar. u. a.), τρυφητής ‘Wollüstling’ (D. S.). 3. θρύμμα ‘Bruchstück’ (Hp., Ar. u. a.) mit θρυμματίς f. Art Kuchen (mittl. Kom. u. a.), wohl auch θρυμίς· ἰχθῦς ποιός H. 4. θρύψις ‘das Zerreiben, Weichlichkeit, Schwelgerei’ (X., Arist. usw.) mit θρύψιχος = τρυφερός (Theognost., H.), nach μείλιχος u. a. (Chantraine Formation 404). 5. Vom Präsens: θρυπτικός ‘mürbe, zerbröckelnd’ (Gal., Dsk.), ‘weichlich’ (X., D. C. usw.), θρύπτακον· κλάσμα ἄρτου. Κρῆτες H. — Der Form und ursprünglichen Bedeutung nach an θραύω und *θρυλίσσω (s. dd.) erinnernd, kann θρύπτω aus idg. *dhrubh-i̯ō zu den im Baltischen isolierten lett. drubaža ‘Trumm’, drubazas ‘Holzsplitter’ stimmen. Auch asächs. drūƀōn, drūvōn ‘betrübt sein’ ist lautlich damit vereinbar, ebenso air. drucht ‘Tropfen’, urkelt. *drub-tu-. Daneben stehen im Lettischen Formen mit auslautendem p, z. B. drup-u, drup-t ‘zerfallen’. Ebenso im Germanischen, z. B. ano. drjūpa ‘triefen’ (mit dropi m. ‘Tropfen’ u. a.), dessen p jedoch, wenn alt, auf idg. b zurückgehen müßte, eine ganz unwahrscheinliche Annahme. Eher liegt eine einzelsprachliche Neuerung vor. — WP. 1, 872f., Pok. 274f., wo weitere Formen mit Lit. zu finden sind. — Nach θρύπτω wahrscheinlich δρύπτω, s. d. I-688-689
θρώσκω (θρῴσκω, Schwyzer 710, Chantraine Gramm. hom. 1, 317), Aor. θορεῖν, Fut. θοροῦμαι (seit Il.), ἔθρωξα (Opp.), Perf. Ptz. f. τεθορυίης (Antim. 65); nach θορεῖν das Präs. θόρνυμαι (Hdt. 3, 109, [S.] Fr. 1127, 9, Nik. Th. 130) für ursprüngliches schwundstufiges θάρνυσθαι = κυΐσκεσθαι (H.; dazu thematisch θαρνεύει· ὀχεύει; s. noch zu θρέομαι), zum Ablaut vgl. das sinnverwandte βλώσκω, μολεῖν, μολοῦμαι (s. d.), dazu Schwyzer 696 und 747. oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἐκ-, ἐπι-, ὑπερ-, ‘springen, bespringen, laufen, eilen’ (poet. seit Il.); Ableitungen. 1. Von θρω- (im Anschluß an den Präsensstamm): θρωσμός (θρῳσμός) ‘Vorsprung, Erhöhung’ (Κ 160, Λ 56 = Υ 3; A. R. 2, 823; vgl. Porzig Satzinhalte 239); θρῶσις ‘Strick’ (Theognost., H.). 2. Vom Aorist : θορός m. (Hdt., Hp., Arist. u. a.), θορή f. (Hdt., Alkmaion) ‘männlicher Same’, eig. "Springer", bzw. "Sprung" (vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 88, Schwyzer 459); davon θορικός ‘zum Samen gehörig’ (Arist. u. a.), θοραῖος ‘Samen enthaltend usw.’ (Nik., Lyk.), θορώδης ‘ds.’ (Gal.), θορόεις ‘aus Samen bestehend’ (Opp.); denominatives Verb θορίσκομαι ‘Sanken empfangen’ (Ant. Lib.; vgl. κυΐσκομαι). — Zu θοῦρος s. bes. — Den einzigen sicheren Vergleich bietet mir. dairim ‘bespringen’ mit den Nomina der ‘junges Mädchen’ (aus *dherā), kymr. -derig ‘brünstig’ (Fick 2, 142, Loth Rev. celt. 41, 378f.). Zu aind. dhā́rā f. ‘Strom, Guß, Strahl’, das wahrscheinlich fernzuhalten ist, s. Mayrhofer Wb. s. v. I-689
θύαρος m. ‘Taumellolch, Lolium temulentum’ (Ps.-Dsk.). — Bildung auf -αρος wie κόμαρος, κίσθαρος u. a. (Strömberg Pflanzennamen 58) von 1. θύω ‘rasen, toben’; vgl. z. B. russ. dur-níca ‘ds.’ von durь f. ‘Torheit, Albernheit’. I-689-690
θυάω ‘brünstig sein’ s. 1. θύω. I-690
θυγάτηρ, -τρός (flexivische Einzelheiten bei Schwyzer 568) f. ‘Tochter’ (seit Il.). Selten und spät als Vorderglied, z. B. θυγατρο-ποιία ‘Adoption einer Tochter’ (Kos, Rhodos). Davon das Deminutivum θυγάτριον (Kom., Pap. usw.); ferner θυγατριδοῦς, ion. -δέος m. ‘Tochtersohn, Enkel’, θυγατριδῆ f. ‘Tochtertochter, Enkelin’ (ion. att.), auch θυγατερεΐς f. (Magnesia; nach den Patronymika auf -ίς); θυγατρίζω ‘Tochter nennen’ (Kom.; vgl. Schwyzer 731 A. 1). — Altes Wort für ‘Tochter’, in der Mehrzahl der idg. Sprachen erhalten: aind. duhitár- (Nom. duhitā́; Akz. von θυγάτηρ nach dem Vok. θύγατερ = dúhitar), aw. dugdar-, arm. dustr, osk. futír, germ., z. B. nhd. Tochter, lit. duktė̃, aksl. dъšti, toch. B tkācer, idg. *dhug(h)ətér-; lautliche Einzelheiten bei Schwyzer 293. Ursprüngliche Bedeutung wahrscheinlich "die (potentielle) Säugerin" (zu aind. duhé Med. ‘säuge’), s. Duchesne-Guillemin Le Muséon 59, 571ff. mit einem Versuch, die Wortbildung aufzuklären; -ter jedenfalls nach den Wörtern für ‘Vater, Mutter, Bruder’, s. πατήρ, μήτηρ, φράτηρ. Für weitere Einzelheiten sei auf WP. 1, 868, Pok. 277 und die betreffenden Spezialwörterbücher verwiesen. I-690
θυεία (-είη Nik. Th. 91; spät auch itazistisch -ία, -ίη); θυεῖον ‘ds.’ (Pap.); f. ‘Mörser’ (Kom. usw.), auch ‘Ölpresse’ (Pap.); Deminutivum θυ(ε)ίδιον (Ar.); daraus rückgebildet θυΐς, -ίδος f. (Damokr. ap. Gal.)? — Daneben θυέστης m. ‘Mörserkeule’ (Dionys. Trag.). — Bildung wie ἐγχείη (: ἔγχος) u. a.; somit aus *θυεσ-ίᾱ als ία-Ableitung von θύος ‘Räucherwerk’ (Solmsen Wortf. 250 A.); vgl. die Konkreta auf -ία, bes. Gefäßnamen wie ὑδρία, ἀντλία, bei Scheller Oxytonierung 48ff. Aus der Bedeutung ‘Gefäß zum Zerstoßen des Räucherwerks’ erwuchsen durch Verallgemeinerung bzw. neue Spezialisierung ‘Mörser’ und ‘Ölpresse’. — θυεῖον wie ἀγγεῖον. — Die Mörserkeule, θυέσ-της (vgl. Chantraine Formation 3 12f.), wurde rein persönlich aufgefaßt. — Verfehlt Persson Stud. 204 A. 1 (s. Bq). I-690
θύελλᾰ f. ‘Sturmwind’ (poet. seit Il., Arist. usw.); θυελλό-πους (Nonn.) nach ἀελλό-πο(υ)ς (Θ 409 u. a.); θυελλώδης (Sch. S.) wie ἀελλώδης (Sch. Il.). — Bildung von θύω ‘toben, stürmen’, wahrscheinlich nach Muster von ἄελλα (s. d.), wo das l-Suffix altererbt war (Porzig Satzinhalte 350); zu bemerken jedoch illyr. Δύαλος (s. d.); dazu noch Specht Ursprung 328. I-690
Θυέστης m. Sohn des Pelops, Bruder des Atreus, Vater des Aigisthos (seit Β 107); Patronymikon Θυεστιάδης = Aigisthos (δ 518); Θυέστειος ‘dem Θ. gehörig’ (Ar.). — Von θύος, s. 2. θύω; vgl. auch zu θυεία und Fraenkel Nom. ag. 2, 211. I-691
θυηλή f. ‘Brandopfer, Opfer(gabe)’ (poet. seit Ι 220, hell. u. späte Prosa). Erweiterte Form (Chantraine Formation 186f.) θυηλήματα pl. (Thphr. Char. 10, 13; neben στέμματα). — Bildung wie γαμφηλαί (: γόμφος, α unerklärt, vgl. s. v.), ἀ-κανθηλή (: ἄκανθα, Hdn.). Dazu kommen einige Barytona wie ἀνθήλη (: ἄνθος, ἀνθέω), δείκηλον (: δείκνυμι), τράχηλος (: τρέχω, τροχός?); θυηλή somit entweder aus θύος erweitert oder (weniger wahrscheinlich) direkt von θύω ‘opfern’. — Ähnliche Bildungsweise zeigen: 1. θυᾰλήματα pl. ‘ds.’ (Miletos Va), aus *θυάλη erweitert (Typus ἀγκάλη : ἄγκος) oder etwa nach ἄλημα, παιπάλημα? 2. θυλήματα pl. ‘Opferkuchen’ (Kom., Thphr.), auf eine λ-Ableitung von θύω zurückgehend. Eine Rückbildung aus θυλήματα ist θυλέομαι (Porph.). — Vgl. Bechtel Lex. s. θυηλή, wo mit wenig wahrscheinlichen Ablautsvarianten operiert wird. I-691
θύλακος ‘Sack, Beutel, meistens aus Leder’ (ion. att.); auch θῦλαξ (Kom. u. a.; Rückbildung aus θυλάκιον?, Kalén Quaest. gramm. graecae 106), θυλακή ‘Hodensack’ (Hippiatr.). m. Als Hinterglied in παρσουλακίρ (= παραθυλακίς)· τὸν τρίβωνα, ὅταν γένηται ὡς θύλακος H. (lak.). Deminutiva: θυλάκιον (ion. att.), θυλακίς f. (Ael.), θυλακίσκος m. (Kom., Dsk.). Andere Ableitungen: θυλακώδης (Thphr. u. a.), θυλακόεις (Nik.) ‘sackähnlich’; θυλακῖτις in Pflanzennamen (Dsk.): θ. μήκων (nach den Samenkapseln), θ. νάρδος (nach dem eichelförmigen Wurzelstock; Strömberg Pflanzennamen 36); θυλακίζειν· τὸ ἀπαιτεῖν τι ἑπόμενον μετὰ θυλάκου. Ταραντῖνοι H. — Kurzform, evtl. mit hypokoristischer Gemination: θυλ(λ)ίς H. — Nicht sicher gedeutet; vielleicht Fremdwort wie σάκκος. — Das durch Abtrennung eines mutmaßlichen κ-Suffixes sich ergebende *θῡλ(ο)- läßt einen Vergleich zu mit lit. dundùlis ‘aufgedunsen, dickbäuchig’, wenn aus *dul-dùlis dissimiliert (Persson Beitr. 2, 798 A. 1; andere Möglichkeit bei Fraenkel Lit. et Wb. s. demblỹs), mit endlicher Anknüpfung an die Wortsippe von 1. θύω; vgl. slav., z. B. russ. dutь ‘blasen’ mit dúlo ‘Mündung (eines Gewehrs, eines Geschützes)’, ukr. dúɫo ‘Blasebalg’. Andere ganz unsichere Vermutungen bei Kalén a. a. O. — Die im Vokal abweichenden θαλλίς· μάρσιππος μακρός, θάλλικα· σάκκου εἶδος H. sind nicht erklärt; abzulehnen Persson a. a. O. — Eine "pelasgische" Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 91f. I-691
θύμαλλος m. Fischname, ‘Äsche, Thymallus vulgaris, Salmo thymallus’ (Ael.). — Bildung auf -αλλος (vgl. κορύδ-αλ(λ)ος u. a. Chantraine Formation 317) von θύμον ‘Thymian’ wegen des Geruches (Strömberg Fischnamen 60f.; Zweifel bei Thompson Fishes s. v.). — Daraus (über lat. LW thymallus) ital. temolo usw.; s. Meyer-Lübke Rom. et. Wb. No 8721. I-692
θυμάλωψ, -ωπος m. etwa ‘Feuerbrand, glühende Kohle’ (Kom., Luk. Lex. 24). — Bildung wie αἱμάλωψ ‘Blutgeschwür, blutunterlaufene Stelle’ (Hp., Pap.), νυκτάλωψ ‘in der Nacht sehend’ = ‘tagblind’, auch ‘Tagblindheit’; sekundär ‘nachtblind, Nachtblindheit’, wozu ἡμεράλωψ. — Über den verdunkelten Ausgang -ωψ s. Schwyzer 426 A. 4; als Grundlage hat ein nominaler λ-Stamm gedient (vgl. z. B. αἴθαλος, αἰθάλη), der seinerseits entweder zu einem men-Stamm mit Wechsel men ~ mel (vgl. θῦμα s. 2. θύω) in Beziehung steht oder aus einem mo-Stamm (vgl. zu θυμός) abgeleitet ist. Eine Entsprechung von θυμαλ(ο)- kann in aind. *dhūmara-, woraus durch Analogie dhūmrá- ‘rauchfarben’, vorliegen; daneben die davon unabhängigen dhūmarī f. ‘Nebel’, dhūmala ‘rotbraun, rauchfarben’ (beide Lex.); s. Mayrhofer Wb. s. dhūmráḥ. I-692
θύμβρᾱ N. einer wohlriechenden Pflanze, ‘Satureia Thymbra, Bohnenkraut’ (Kom., Thphr., Dsk. u. a.), auch θύμβρον (Thphr.) und θυμβραία (Hp. ap. Gal.; nach anderen Pflanzennamen auf -αία). Durch Metathese (oder Anlehnung an θρύ-πτω?) θρύμβη (Gp.). f. Davon θυμβρώδης ‘θ.-ähnlich’ (Thphr.), θυμβρίτης οἶνος ‘mit θ. gewürzter Wein’ (Dsk.; Redard Les noms grecs en -της 96). — Zu θύμον, θύμος ‘Thymian’ in Beziehung stehend, aber schwerlich direkt davon abgeleitet (Strömberg Pflanzennamen 149); das β erklärt sich dann als Übergangslaut zwischen μ und ρ. Eine ρ-Ableitung von τύφω mit Nasalierung und Deaspiration (Persson Stud. 56 A. 4 mit Curtius; vgl. zu θάμβος und θρόμβος) läßt sich aber nicht von der Hand weisen. — Niedermann Glotta 19, 14 erinnert einerseits an kleinasiatische ON wie Θύμβρη, Θύμβριον, anderseits an Τυφρηστός (südlicher Ausläufer des Pindos, nach der θύμβρα benannt?), wozu noch slavische Pflanzennamen wie russ. dubrávka ‘Potentilla erecta, Tormentille’; alles ganz hypothetisch oder unwahrscheinlich (dubrávka wohl von dubráva ‘Laubwald, Park’). I-692
θυμέλη ‘Herd’ s. 2. θύω. I-692
θυμιάω, auch mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἐκ-, ἐπι-, ὑπο-, ‘in Rauch aufgehen lassen, räuchern, rauchen’ (ion. att.). Aor. -ιᾶσαι, ion. -ιῆσαι, Erweiterte Formen: θυμι-άζω, -ατίζω (Gp.), -αίνω (Gloss.), -ατεύω (Sch.). Ableitungen (ion. Formen nicht >besonders notiert) : θυμίασις, vorw. von den präfigierten Verba (ἀνα-, ἐπι- u. a.), ‘das Räuchern’ (ion. att.); θυμίαμα, auch von den Präfixverba, ‘Räucherwerk’ (ion. att.); ἐπιθυμιατρός ‘Räucherer’ (Ephesos), θυμίατρον ‘Räuchergefäß’ (Miletos, hell.), auch θυμιατρίς (Dam.), meistens θυμιατήριον (ion. att.); postverbal θυμίη = -ίημα (Aret.); θυμιατός ‘zum Räuchern bestimmt, geeignet’ (Hp., Arist. u. a.), -τικός ‘ds.’ (Pl.). — Bildung auf -ιάω (nach κονι-άω u. a., Schwyzer 732) von θῡμός (s. d.) in der alten aber im Griechischen sonst verlorengegangenen Bed. von ‘Rauch’. I-692-693
θύμον selten -ος m. n., ‘Thymian’ (ion. att.). Als Vorderglied in θυμ-ελαία f. N. einer Pflanze, viell. ‘Daphne Cnidium’ (Dsk., Plin.; vgl. zu ἐλαία) mit -αΐτης (οἶνος) ‘Wein mit Th. gewürzt’ (Dsk.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 96); θυμ-οξ-άλμη f. ‘Trank aus Thymian, Essig und Salzlake’ (Dsk.). Ableitungen: θύμιον = σμῖλαξ, auch ‘Feigwarze’ (Hp., Dsk.; vgl. Strömberg Pflanzennamen 97), θυμίτης ‘mit Th. gewürzt’ (Ar., Dsk.; Redard 93 und 96), θύμινον (μέλι) ‘aus Th.’ (Colum., Apul.), θυμόεις ‘reich an Th.’ (Choeril.), θυμώδης ‘Th.-ähnlich’ (Thphr.). Denominatives Verb θυμίζω ‘Th. schmecken’ (sp. Mediz.), θυμιχθείς· πικρανθείς H. — Zu θύμαλλος Fischname s. bes. Primäre μο-Ableitung von 2. θύω ‘rauchen’ (s. d.), wegen des Geruchs (Strömberg Pflanzennamen 27). Vgl. zu θύμβρα. I-693
θῡμός m. ‘Geist, Mut, Zorn, Sinn’ (seit Il.); über Bed. und Gebrauch bei Hom. usw. Marg Charakter 47ff.; auch Magnien REGr. 40, 117ff. (dagegen Wahrmann Glotta 19, 214f.). Zahlreiche Kompp., z. B. θυμο-βόρος ‘herznagend’ (Il.), θυμ-ηγερέων ‘den Geist sammelnd, zu sich kommend’ (η 283; Leumann Hom. Wörter 116 A. 83, Chantraine Gramm. hom. 1, 349), θυμᾱρής, θυμήρης ‘herzerfreuend’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa; Bechtel Lex. s. v., Leumann 66); πρό-θυμος (Bahuvrihi) ‘geneigt, bereitwillig’ (ion. att.) mit προθυμία, -ίη (seit Β 588) und -έομαι (ion. att.). Ableitungen: Deminutivum θυμίδιον (Ar. V. 878); Adj. θυμικός und θυμώδης ‘leidenschaftlich, heftig’ (Arist. usw.); denominative Verba: 1. θυμιάω ‘räuchern, rauchen’ mit θυμίη ‘Räucherwerk’, s. bes.; 2. θυμόομαι ‘sich erzürnen’ (ion. att.), selten -όω ‘erzürnen’ (E. Supp. 581 [wo θυμοῦσθαι Musgrave], LXX), mit θύμωμα ‘das Zürnen’ (A. Eu. 861, Epigr.), θύμωσις ‘ds.’ (Cic. Tusc. 4, 9, 21); 3. θυμαίνω ‘zürnen’ (Hes. Sc. 262, Ar., A. R.); Neubildung nach den Verba auf -αίνω; nach Leumann Hom. Wörter 111 aus δυσθυμαίνω ausgelöst; wieder anders Fraenkel Denom. 9 (mit J. Schmidt). — Mit aind. dhūmá-, lat. fūmus, lit. dū́mai (pl.), aksl. dymъ ‘Rauch’ formal, ursprünglich auch begrifflich identisch; die Bed. ‘Rauch’ ist in θυμιάω und θυμάλωψ noch erhalten. Die griech. Bedeutungsentwicklung ist über ‘Rauch, Hauch, Geist, Mut usw.’ erfolgt; vgl. lat. animus und v. Wilamowitz Glaube 1, 370; sekundäre Anknüpfung an θύω ‘einherstürmen’ kann allerdings den Sinn beeinflußt haben. Anders Schulze Q. 313f. (θυμός ‘animus’ und ‘Zorn’ zwei Wörter; dagegen Persson Beitr. 653 A. 2); Chantraine Formation 134 mit Ernout-Meillet s. fūmus (θυμός nicht zu aind. dhūmá- usw. sondern von θύω ‘einherstürmen’). — Neben idg. *dhū-mo-s stehen mit kurzem Stammvokal θῠ́μον, -ος ‘Thymian’ (s. d.), mir. dumacha ‘Nebel’ (k-Suffix), mit idg. ou-Diphthong ahd. toum ‘Dampf, Dunst, Duft’. Weiteres s. 2. θύω. I-693-694
θύννος m. ‘Thunfisch’ (Orac. ap. Hdt. 1, 62, A. Pers. 424, Arist. usw.). Als Vorderglied u. a. in θυννο-σκόπος ‘Thunfischspäher’ (Arist.), -έω ‘(dem Thunfisch) auflauern’ (Ar.) mit -ία, -εῖον (Str.). — Fem. *θύννᾰ oder *-η, Gen. -ης mit -ίς, -άς (Kom. u. a.). Sonstige Ableitungen: θύννᾱξ, -ᾱκος m. (Kom.; affektive Bildung, Björck Alpha impurum 62); θυννίτης ‘Thunfischer’ (Inschr. Varna; Redard Les noms grecs en -της 39), θύννειος, θυνναῖος ‘aus Thunfisch’ (Ar. u. a.), θυννώδης ‘Thun-ähnlich’ (Luk.), θυννεῖα pl. n. ‘Thunfischerei’ (Troizen), θυννευτικός ‘zum Thunfang gehörig’ (Luk.; wie von *θυννεύω, vgl. auch ἁλιευτικός u. a.); denominative Verba θυννάζω ‘Thunfisch fangen’ (Ar.), auch -ίζω (Suid.). — Mittelmeerwort, oft mit hebr. tannīn ‘großes Wassertier, Wal-, Haifisch’ verglichen; Lit. bei Lewy Fremdw. 14f. Dazu Strömberg Fischnamen 126f., Thompson Fishes s. v., wo auch über die Volksetymologien (θύω, θύνω). Lat. LW thynnus, thunnus, woraus die roman. Formen. I-694
θύνω ‘einherstürmen’ s. 1. θύω. I-694
θύον n. N. eines Baumes, dessen Holz wegen seines Wohlgeruchs verbrannt wurde, ‘Lebensbaum’ (ε 60, hell. u. spät). — Primäre Ableitung von 2. θύω, wohl eig. vom Holz; vgl. Wackernagel Syntax 2, 17. Vgl. θυία, θύα s. 2. θύω. I-694
θύος myk. tu-we-a? n. ‘Räucherwerk, Opferdampf, Brandopfer, Opfer(gabe)’, vorw. im Plur. θύη (ep. poet. seit Il.), Als Vorderglied in θυο-σκόος (s. bes.), θυο-δόκος ‘Räucherwerk aufnehmend’ (E.), θυη-πόλος ‘Opfer verrichtend, Opferpriester(in)’ (A., E. u. a.), mit -έω, -ία u. a. (θυη- nach dem Plur.?; vgl. auch Schwyzer 438f.). Ableitungen: θυόεις, θυήεις (s. zum Vor. und Schwyzer 527) ‘reich an Räucherwerk usw., duftend’ (ep. poet. seit Il.; θυῶεν· εὐῶδες H.); θυώματα pl. ‘Räucher- >werk, Spezereien’ (ion. u. spät), wohl eher aus θύος erweitert (vgl. Chantraine Formation 187) als von einem Denominativum *θυόομαι, -όω, das immerhin von dem Ptz. τεθυωμένος ‘dufterfüllt’ (Ι 172 u. a.), wozu noch θυωθέν (Hedyl. ap. Ath. 11, 486b), vorausgesetzt wird; θυΐσκη (LXX, J.; v. l. -ος), auch θύσκη, -ος (Pap., Suid., EM) f. ‘Weihrauchfaß’ (nach καδίσκος u. a.; Chantraine Formation 406); θυΐτης (λίθος) m. N. eines äthiopischen Steins (Dsk., Gal.; Redard Les noms grecs en -της 55). — Zu θυέστης, θυεία s. d. — Primäre Ableitung von 2. θύω, s. d. — Daraus lat. LW tūs, tūris n. ‘Weihrauch’; s. W.-Hofmann s. v. I-694-695
θυοσκόος m. f. Ben. eines Opferpriesters, wohl eig. "Opferschauer" (Hom., E.), auch als Übersetzung von lat. haruspices (D. H.); adjektivisch θυοσκόα ἱρά (IG 14, 1389 12; Versinschrift). Davon θυοσκεῖν· ἱεροῖς παρέξεσθαι, ἢ θεοῖς H.; θυοσκεῖς 2. Sg. A. Ag. 87 (-κινεῖς codd.); zur Hyphärese (aus *θυοσκοεῖν) vgl. βοηθεῖν zu βοηθόος. — Eine kaum abzuweisende Zerlegung in θυο-σκόος ergibt als Hinterglied ein Verbalnomen *σκοϝός, das in dem unsicheren got. un-skawai (für *us-skawai?) sijaima = νήφωμεν eine genaue Entsprechung haben könnte; jedenfalls ist damit zusammenzuhalten das germ. Iterativ asächs. skauwōn, ahd. scouwōn ‘schauen’. Wir erhalten dadurch eine σ-anlautende Nebenform von dem griech. Iterativ κοέω ‘bemerken, auffassen’, s. d.; vgl. noch zu ἀνακῶς. I-695
θύρα, ion. θύρη f. ‘Tür, Torflügel’, meist im Plur. ‘Tür(e), Tor’ (seit Il.; vgl. Schwyzer-Debrunner 44). Mehrere Kompp., z. B. θυρᾰ-ωρός (Χ 69), θυρ-ωρός, -ουρός (Sapph. usw.) ‘Türhüter’ (vgl. zu ὁράω und Schwyzer 438), als Hinterglied mit thematischer Erweiterung, z. B. πρό-θυρ-ον ‘Platz vor dem Tore, Torweg, Vorhof’ (seit Il.). Zahlreiche Ableitungen. Deminutiva: θύριον (att. usw.) und θυρίδιον (Gp.), θυρίς f. ‘Fenster(öffnung) usw.’ (ion. att.) mit θυριδεύς ‘Fensterrahmen’ (Delos IIIa; vgl. die Gerätenamen auf -εύς bei Chantraine Formation 128), θυριδόω ‘mit Fenster versehen’ (Pap.) mit θυριδωτός (Inschr. u. a.). Ferner θυρεός m. ‘Türstein’ (ι 240, 313), Ben. eines länglichen Schildes = lat. scutum (hell. u. spät; zur Bildung Chantraine 51; auch Schwyzer 468 und Hermann Sprachwiss. Komm. zu ι 240, aber schwerlich mit Bechtel Vocalcontr. 154 vom Konsonantstamm in θύρ-δα) mit θυρεόω ‘mit einem Schild bedecken’ (Aq.); θύρετρα pl. ‘Türfutter, Tür’ (ep. poet., hell.; Schwyzer 532, Chantraine 332) mit θυρετρικός (Chios); θύρωμα, oft im Plur. -ώματα ‘Türwerk, Türgerüst’ (ion. att.; nicht mit Schwyzer 523 von θυρόω, vgl. Chantraine 187); θυρών, -ῶνος m. ‘Vorhalle’ (S., hell. u. spät). Adj. θυραῖος, äol. θύραος ‘zur Tür gehörig, vor der Tür stehend, draußen befindlich, fremd’ (Trag., hell. u. spät). Denominatives Verb θυρόω ‘mit Türen versehen’ (att. usw.) mit θύρωσις (Epid.), θυρωτός (Babr. u. a.). — Unsicher θυράγματα· ἀφοδεύματα H. (an unrichtiger Stelle), wie von *θυράζω. — Aus θύρ-δα· ἔξω. ’Αρκάδες H. und θύσθεν für *θύρ-σθεν = θύρα-θεν (Tegea; zur Bildung Schwyzer 628), vielleicht auch aus θύραζε ‘(zur Tür) hinaus’ (wenn für *θύρᾰς δε; Schwyzer 625 m. A. 1) läßt sich ein alter Konsonantstamm, idg. *dhur-, erschließen, der in anderen Sprachen mehrfach belegt ist: germ., z. B. ahd. turi = Tür (eig. Plur.), aus idg. *dhúr-es; balt., z. B. lit. Akk. pl. dur-ìs, Gen. dùr-ų̃, aind. Akk. pl. dúr-aḥ (idg. *dhúr-n̥s; zum anlaut. d- für dh- s. die Erklärungsversuche bei Mayrhofer 2, 83 m. Lit.). Der Konsonantstamm ist oft von Neubildungen verdrängt oder ersetzt worden: von einem i-Stamm in lit. Nom. pl. dùr-y-s, Gen. dùr-i-ų̄, von einem o-Stamm (germ. ă-Stamm) in got. daúr n. = nhd. Tor usw. (urg. *dur-a-), von einem n-Stamm in arm. duṙ-n, von einem ā-Stamm wie in θύραι auch in arm. Gen. Dat. Abl. pl. dr-a-c̣, Instr. dr-a-w-k‘. — Neben dem schwundstufigen *dhur- standen hochstufige *dhu̯er-, *dhu̯or-, die ursprünglich im Paradigma damit wechselten, z. B. aind. Nom. pl. dvā́r-aḥ, Akk. dúr-aḥ (vgl. oben), aber oft verallgemeinert worden sind wie in lat. for-ēs, toch. B twere. Auch die hochstufigen Formen zeigen selbstverständlich Erweiterungen auf, z. B. aind. dvā́r-a-m ‘Tür’, aksl. dvor-ъ ‘Hof’, lat. for-īs ‘draußen’, for-ās ‘hinaus’. Eine Schwundstufe *dhu̯r̥- (in aksl. dvьr-i ‘Tür’; pl.) ist mit sehr zweifelhaftem Recht in θαιρός ‘Türangel’ vermutet worden (s. ebd.). — Die thematische Erweiterung des Hinterglieds in πρό-θυρ-ον u. a. erscheint noch z. B. in aind. śatá-dur-a- ‘mit hundert Türen versehen’ (vgl. Sommer Nominalkomp. 131); zu θύριον stimmt formell das davon unabhängig gebildete aind. dúriyaḥ ‘zur Tür gehörig’. — Weitere Einzelheiten aus den verschiedenen Einzelsprachen mit reicher Lit. bei WP. 1, 870f., Pok. 278f., W.-Hofmann s. foris, Ernout-Meillet s. forēs, Mayrhofer Wb. 2, 83f., Fraenkel Lit. et. Wb. s. dùrys, Vasmer Russ. et. Wb. s. dverь. I-695-696
θυραυλέω ‘seinen Aufenthalt vor der Tür haben, im Freien leben, antichambrieren’ (att.) mit θυραυλία ‘der Aufenthalt vor der Tür, im Freien, das Antichambrieren’ (Ti. Locr., Arist. usw.). — Von dem Bahuvrihi θύρ-αυλοι· τῶν ποιμένων οἱ ἀπόκοιτοι H., falls nicht direkt auf θύρα und αὐλή zu beziehen (vgl. Schwyzer 726). Das auslautende -α in θύρα ist durch Elision weggefallen (θυρ- somit nicht zum Konsonantstamm in θύρ-δα; vgl. Brugmann IF 17, 358 A.). I-696
θύρσος m. ‘der Thyrsosstab’, ein leichter mit Efeu und Weinblättern umwundener Stab, am oberen Ende mit einem Pinienzapfen versehen (E., hell.). Kompp., z. B. θυρσο-φόρος, ἄ-θυρσος (E. u. a.). Ableitungen: Deminutiva θυρσίον (Hero), θυρσάριον (Plu.); Pflanzennamen θύρσιον (Ps.-Dsk.), θύρσις (Kyran.), θυρσ-ίνη und -ίτης (Dsk., vgl. Strömberg Pflanzennamen 50; letzteres auch N. eines Steins, Redard Les noms grecs en -της 55); θυρσίων N. eines delphinartigen Fisches (Ath., Plin.; vgl. W.-Hofmann s. tursiō). Denominativa: θυρσάζω ‘den Thyrsos schwingen’ (Ar. Lys. 1313; lakon. Ptz. θυρσαδδωᾶν = -αζουσῶν), θυρσόω ‘als Th. brauchen’ (D. S.). — Hierher auch θυρξεύς Bein. des Apollon in Achaia (Paus. 7, 21, 13)?; s. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 77. — LW unbekannter Herkunft, vgl. hier. heth. tuwarsa- ‘Weinstock’ (Laroche BSL 51 p. XXXIIIf., Forbes Glotta 36, 271f.). Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 92f. I-697
θυρωρός ‘Türhüter’ s. θύρα und ὁράω. I-697
θῠσανος, gew. pl. -οι, m. ‘Troddel, Quaste, Franse’ (ep. ion. poet. u. spät seit Il.) mit θυσσανόεις (Il.; zu -σσ- vgl. unten), θυσανωτός (Hdt., J.) ‘mit Troddeln usw. besetzt’, θυσανώδης ‘troddelähnlich’ (Thphr.), -ηδόν Adv. ‘ds.’ (Ael.). — Technisches Wort auf -ανος (vgl. Chantraine Formation 200) unsicherer Herkunft. Nach Persson Beitr. 1, 45 aus *θύσσα erweitert, das für *θύθ-ι̯ᾰ stände und mit lett. duša ‘Bündel von Stroh, Halmen usw.’ identisch wäre; idg. *dhudh-i̯ă. Daneben ein primäres Jotpräsens in θύσσεται· τινάσσεται H. Als außergriech. Verwandte werden noch herangezogen aind. dúdhi- ‘ungestüm’ und mehrere germ. Wörter; s. außer Persson a. a. O. WP. 1, 839, Pok. 264f. Idg. *dhudh- könnte entweder (mit Persson) eine reduplizierte Form von dhū̆- ‘schütteln’ oder (mit Brugmann Grundr. 21, 1047, 22 : 3, 374) eine dh-Erweiterung davon enthalten. — Ältere Deutungen bei Persson und Bq. I-697
θύσθλα n. pl. ‘die heiligen Geräte der Bakchosfeier’ (Ζ 134, spät), sekundär ‘Opfer’ (Lyk. u. a.; durch Anschluß an 2. θύω). — Aus θύσ-θλα mit θλο-Suffix (Chantraine Formation 375) zu 1. θῦω, s. d. Nicht mit G. Hoffmann bei Hermann Silbenbildung 80 A. 1, Pisani Stud. itfilclass. 11 (1934) 225f., Benveniste Origines 203 zu θύρσος. I-697
θύ̄ω 1. (ep. poet. seit Il.), auch θυίω (Hom., h. Merc. 560; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 51 und 372), θύ̄νω (ep. poet. seit Il.), Ipf. auch ἐθύνεον (Hes.), Aor. ἔθῡσα (Kall. Fr. 82), vereinzelt mit Präfix, ἀνα-, ὑπερ-, ‘einherstürmen, brausen, stürmen, toben’. Ableitungen: θυ(ι)άς, -άδος f. "die Stürmende", ‘Thyiade, Bakchantin’ (A., Tim. u. a.), auch θυῖα f. (Str. 10, 3, 10 [und S. Ant. 1151, lyr.?]; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 95); Θυῖα n. N. eines Dionysosfestes in Elis (Paus. 6, 26, 1), Θυῑος N. eines thessal. und böotischen Monats (Inschr.); Θυώνη Bein. der Semele (h. Hom., Sapph., Pi. usw.); auch θύστα· θυῖα und θυστάδες· νύμφαι τινές, αἱ ἔνθεοι, καὶ Βάκχαι H.; Θυστήριος Bein. des Bakchos (EM); θῦνος· πόλεμος, ὁρμή, δρόμος H. (von θύνω; nicht = aind. Ptz. dhūna-); θῦσις (Pl. Kra. 419e als Erklärung von θυμός). Deverbativa: θυάω ‘in Brunst sein, von Schweinen’ (Arist.; nach βακχάω, μαργάω u. a.; s. Schwyzer 726 A. 2), θυωθείς· μανείς, ὁρμήσας H. — Zu θύελλα und θύσθλα s. bes. Hierher noch θυάκται m. pl. (Troizen IIa), wenn = ‘mystae sive thiasotae’; zu den Vorbildern Fraenkel Nom. ag. 1, 174. — Es liegt nahe, θύ̄νω aus *θύ-νϝ-ω (mit ἐθύνεον aus *ἐ-θύ-νεϝ-ον) als altes νῡ-Präsens mit aind. dhū̆-nó-ti ‘schütteln’ zu identifizieren (Schwyzer 696 u. A. 2 m. Lit., 698). Die abgeleiteten θυστάδες, θύσθλα u. a. lassen indessen auf einen Stamm θυσ- schließen, der auch in θυίω, wenn aus *θύσ-ι̯ω, vorliegen kann (Schulze Q. 313 A. 5, Fraenkel Nom. ag. 2, 37; anders J. Schmidt KZ 27, 294f.; s. auch Schwyzer 686 ε), wobei Anschluß an lat. fur-ō, -ere möglich ist, s. W.-Hofmann s. v., wo auch andere Auffassungen über furō referiert sind. Weiteres s. 2. θύω. I-697-698
θύω 2. Fut. θύσω, Aor. θῦσαι (seit Il.), τυθῆναι (Hdt. usw.), Perf. τέθῠκα, τέθῠμαι (att.), oft mit Präfix, z. B. ἐκ-, κατα-, προ-, συν-, ‘ein Rauch- oder Brandopfer darbringen, opfern im allg.’. Zahlreiche Ableitungen, die z. T. auf die ältere Bedeutung ‘rauchen, räuchern’ zurückgehen (vgl. dazu unten) : 1. θῦμα ‘Opfer’ (ion. att. usw.); 2. ἔκ-, πρό-θυσις von ἐκ-, προ-θύω (spät); 3. θυσία s. unten zu θύτης; 4. θύος n. mit θυέστης u. a. ‘Räucherwerk’, s. bes.; 5. θύον ‘Lebensbaum’, s. bes.; 6. θυητά n. pl. ‘Räucherwerk’ (Aret.; zur Bildung vgl. θυηλή); 7. θυ(ε)ία f. ‘starkriechende Zederart, Thuya’ mit θυῖον n. ‘Baumharz’ (Thphr.); Bildung mehrdeutig; zu θύος (s. d.)? 8. θύτης m. ‘Opferer’ (hell. u. spät; ἐκ-θύτης von ἐκ-θύω E. u. a.); θύτας (thess.), mit θυτεῖον ‘Opferplatz’ (Aeschin.), θυτικός ‘zum Opfer gehörig’ (hell. u. spät, auch auf θύω beziehbar), θυσία ‘Opfer, Opferfest’ (seit h. Cer.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 224, Porzig Satzinhalte 200); davon θυσιάζω ‘opfern’ mit θυσίασμα, -αστήριος, -ον; 9. θυτήρ m. ‘ds.’ (Trag. u. a.) mit θυτήριον ‘Opfertier’ (E.), auch ‘Opferaltar’, N. des Sternbildes Ara (Arat.; Scherer Gestirnnamen 192); 10. θύστας· ὁ ἱερεὺς παρὰ Κρησί H., f. θυστάς, -άδος ‘zum Opfer gehörig’ (A., S.; Fraenkel Nom. ag. 1, 182; 2, 37, E. Kretschmer Glotta 18, 85); 11. θύστρα n. = θύματα (Kos); 12. θυ<σ>τηρίοις· θυμιατηρίοις H.; 13. θυσμικός ‘auf das Opfer bezüglich’ (ἔτος; Paros, Tenos); das -σ- der letztgenannten Wörter schwerlich mit Schulze Q. 320 A. 1 und Fraenkel a. a. O. vom σ-Stamm in θύος, sondern vielmehr mit Solmsen KZ 29, 114 analogisch (vgl. μύστης u. a.). — Mit λ-, bzw. μ-Suffix in θυηλή, θυμός, θύμον, θυμάλωψ, s. dd.; dazu mit μελ-Suffix (Frisk Eranos 41, 51) θῠμέλη ‘Herd, Altar’ (Trag. usw.; nicht mit Aly Glotta 5, 60ff. eig. "Tummelplatz" von 1. θύω ‘stürmen’) mit θυμελικός. — Die regelmäßige Stammbildung von θύω ist selbstverständlich das Resultat einer innergriechischen Ausgleichung. Wie das Paradigma ursprünglich aussah, läßt sich nicht mehr ermittels. Zum Vergleich bietet sich vor allem lat. suf-fiō, -īre ‘räuchern’, das sich als Jotpräsens aus *-dhu̯-ii̯ō erklären läßt und als solches in die ī-Konjugation eingetreten ist. — Daß 1. θύω und 2. θύω ursprünglich identisch sind, läßt sich kaum bezweifeln; eine Bedeutungsreihe ‘stieben, stäuben, wirbeln, stürmen, rauchen’ o. ä. läßt sich unschwer annehmen. Die verschiedenen Einzelsprachen zeigen eine Menge auseinandergehender Nominalbildungen und Verbalerweiterungen auf, die bei WP. 1, 835-847 und Pok. 261-267, 268-271 zusammengetragen sind. — S. noch τύφω, θάνατος, θολός, ἀθύρω. I-698-699
θυωρός ‘ἱερὰ τράπεζα, Opfertisch’ (Pherekyd. Syr., Kall. u. a.), auch θυωρίς f. (Poll.). Davon θυωρίτης· τραπεζίτης H., übertr. Lyk. 93 (vgl. Redard Les noms grecs en -της 40); θυωρία ‘Opferfest, Mahlzeit’ (Didyma), θυωρεῖσθαι· εὐωχεῖσθαι H. — Aus *θυο-ϝωρός (vgl. θυωρόν· τράπεζαν τὴν τὰ θύη φυλάσσουσαν H.), Güntert Götter und Geister 120, s. noch θυρωρός. Durch Assoziation mit θεός, θεωρία usw. entstanden die Schreibungen θεωρίς, θεωρία (Poll., Didyma, Kaiserzeit). — Anders Kalén Quaest. gramm. graecae 11f.: θυω- > θεω- lautlich bedingt; θυωρός aus *θυ-ᾱϝορος zu ἀείρω (vgl. μετέωρος u. a.). I-699
θωή (Ν 669, β 192), θωϊή, θωιιή (Archil., ion. Inschr., Kall.), θΟά (IG 12, 114, 42; att.) f. ‘Strafe, Buße’. Als Hinterglied in ἀ-θῷος ‘straflos, unschuldig’ (ion. att.) mit ἀθῳόω ‘jn für straflos erklären’ (LXX u. a.). Denominative Verba: θΟάω (IG 12, 4, 7; 12), Fut. θοάσει (IG 22, 1362, 14; att.), θωέω (delph.), θΟέω (lokr.) mit ἀθώητος· ἀζημίωτος H., θΟαίω (kret.), θΟάζω (el.) ‘zu einer Geldstrafe verurteilen, strafen’; davon θωΐασις (delph.). — Bildung auf -ιά (vgl. στωιά, στο(ι)ά u. a., Schwyzer 469) von einem unbekannten Grundwort, gewöhnlich als "die festgesetzte Buße" zu τίθημι gezogen; zum Ablaut vgl. θωμός. I-699-700
θῶμιγξ, -ιγγος f. ‘Strick, Schnur, Band, Bogensehne’ (Hdt., Trag. usw.) mit θωμίσσει· νύσσει, δεσμεύει (H.), θωμιχθείς (Anakr.). — Bildung auf -ιγγ- (Chantraine Formation 399, Schwyzer 498) von einem Grundwort *θωμ(ο)-, das von Solmsen Wortforsch. 130 A. 1 zu lat. fūnis ‘Seil’ aus *dhū-ni- gezogen wird. Das zugrunde liegende primäre Verb will Duchesne-Guillemin BSL 41, 178 in toch. AB tsu- ‘zusammenfügen’ wiederfinden. Vgl. noch v. Blumenthal Hesychst. 36f. I-700
θωμός m. ‘Haufe, Schober’ (A., Ar., Thphr. usw.) mit θωμεῦσαι· συμμῖξαι, συναγαγεῖν H. — Mit einem german. Wort für ‘Urteil, Gericht, Meinung, Zustand usw.’, got. doms, awno. dōmr, ags. dōm, ahd. tuom, und mit phryg. δουμος ‘σύνοδος, σύγκλητος, συμβίωσις’ (Solmsen KZ 34, 53 nach Fick) formal identisch; altes Verbalnomen von idg. dhē- ‘setzen, stellen, legen’ (s. τίθημι), urspr. somit ‘das Setzen’ = ‘Satzung, Gesetz usw.’, ‘das Niederlegen’ = ‘Niederlage usw.’; vgl. θέσις, θέμις, bzw. θημών. Die verschiedenen konkreten Bedeutungen sind in verschiedenen Berufssprachen entstanden. I-700
θώραξ, ep. ion. θώρηξ, hyperäol. pl. θόρρακες (Alk.), myk. to-ra-ke (??), ‘Brustharnisch, Panzer’ (seit Il.), ‘Oberkörper, Rumpf, Brustkasten’ (seit Hp.). Kompp., z. B. θωρακο-φόρος ‘Panzer tragend’, χαλκεο-θώρηξ ‘mit ehernem Panzer’. Ableitungen: θωρακεῖον (A., Inschr.), θωράκιον (Plb. usw.) ‘Brüstung, Brustwehr’; θωρηκτής ‘mit Brustharnisch ausgerüsteter Krieger’ (Il.; zur Bildung außer Trümpy [s. unten, m. Lit.] Redard Les noms grecs en -της 14, 232 A. 8 m. Lit.), θωρακίτης ‘ds.’ (Plb. u. a.); θωρακικός ‘zum Rumpf gehörig’ (Aët. u. a.), θωρακαῖος ‘mit Harnisch versehen (?)’ (Delos IIa). Denominative Verba: 1. θωρήσσομαι, -ω ‘(sich) mit Brustharnisch ausrüsten, bepanzern’ (poet. seit Il.), auch übertr. ‘sich (mit Wein, οἴνῳ, usw.) stärken, berauschen’ (Hp., Thgn. u. a.) mit θώρηξις ‘das Berauschen’ (Mediz.). 2. θωρακίζω ‘bepanzern’ (Th., X. u. a.) mit θωρακισμός (LXX). — Technisches Wort ohne sichere Etymologie, wahrscheinlich entlehnt. Früher als Erbwort zu aind. dhāraka- ‘Behälter’ (vgl. zu θρᾶνος, θρόνος) gezogen, aber auch als LW mit lat. lōrīca verglichen. Die Bedeutung ‘Oberkörper usw.’ ist wahrscheinlich als medizinischer Fachausdruck gegenüber ‘Harnisch, Panzer’ sekundär. — Ausführliche Behandlung mit Lit. bei Trümpy Fachausdrücke 10ff. I-700
θώς, θωός m. (f.) ‘Schakal’ (Il., Hdt., Arist.); zur Bedeutung (auch = eine Viverre?) Körner Hom. Tierwelt 17f. Keine Kompp. oder Ableitungen. — Mehrere hypothetische Erklärungsversuche. Nach Fraenkel IF 22, 396ff. als "der Fresser" zu θῶσθαι, θοίνη (s. dd.). Anderer Vorschlag bei Bq Add. et corr. (m. Lit.): mit δάος· ... ὑπὸ Φρυγῶν λύκος H. als "der Würger" zu aksl. daviti ‘würgen’ usw. (s. Θαύλιος). Nicht mit Fick Spracheinheit 412f. zu 1. θύω ‘stürmen’ (und gleichzeitig zu θέω ‘laufen’). — Lit. auch bei WP. 1, 823; dazu noch v. Wilamowitz Glaube 1, 146 A. 5 und Mayer Glotta 31, 236. I-701
θῶσθαι ‘schmausen’ Davon θωστήρια pl. = εὐωχητήρια, ‘Opferspeise’ (Alkm., H.; vgl. Kukula Phil. 66, 226ff., Bechtel Dial. 2, 374). s. θοίνη. I-701
*θώσσω in θῶξαι· μεθύσαι, πληρῶσαι, θᾶξαι· μεθύσαι, τεθωγμένοι· ... μεμεθυσμένοι, τεθαγμένοι· μεμεθυσμένοι H., θωχθείς (S. Fr. 173; aus θωρηχθείς zusammengezogen?; Schwyzer 16 A. 1) usw. ‘berauschen’. — Die herkömmliche Anknüpfung an θήγω (seit Ahrens Dial. 2, 182; weitere Lit. bei Bq) wird von WP. 1, 823 angezweifelt und dafür Anschluß an θοί-νη (über *θο(ι)άκ-ι̯ω, *θο(ι)-αξ) erwogen. I-701
θωΰσσω, Aor. θωΰξαι, auch mit Präfix, ἀνα-, ἐπι-, ὑπο-, ‘bellen, schreien, laut rufen’ (Trag.). Davon das Nom. ag. θωϋκτήρ (APl. 4, 91). — Bildung auf -ύσσω (Schwyzer 733; Einzelheiten bei Debrunner IF 21, 242), sonst isoliert. Oder von θώς *‘sich wie ein Schakal benehmen’ (mit Bezug auf das Geheul)? I-701
θώψ, θωπός m. ‘Schmeichler’, sekundär auch adjektivisch (ion. att.). Davon θωπικός ‘schmeichlerisch’ (Ar. u. a.), θωπεύω ‘schmeicheln’ mit θωπεία, θώπευμα ‘Schmeichelei’, Deminutivum θωπευμάτια pl., θωπευτικός (att. usw.); auch θώπτω ‘ds.’ (A.). — Wohl mit de Saussure Mémoire 156, Bezzenberger BB 5, 317 als Wurzelnomen (vgl. Chantraine Formation 2) zu τέ-θηπ-α, θάμβος, s. d.; vgl. H.: θώψ· κόλαξ, ὁ μετὰ θαυμασμοῦ ἐγκωμιαστής. I-701
-ί̄ angehängte Partikel, demonstrativ-verstärkend, ὁδ-ί̄, οὑτοσ-ί̄, νυν-ί̄ usw. (att.; auch el. το-ΐ, böot. ταν-ί usw.), schlecht bezeugt -ί̄ν. — Zu vergleichen sind in erster Linie die nachgestellten Enklitika aind. und g. aw. īm, ī; in Betracht kommt noch das auslautende -i in heth. aši, eni-, uni- ‘der besagte, jener’, in lat. utī̆ u. a. m.; s. Schwyzer 611 A. 3 m. Lit. I-701
ἵ f. ‘sie’, anaphorisch-reflexives Pronomen (S. Fr. 471; auch Ω 608?), — mit germ., z. B. got. si, kelt. (air.) sī, aind. sī-m (Akk.) identisch; idg. *sī. Lit. bei Brugmann Grundr.2 2 : 2, 321 und Schwyzer 608 A. 2. I-702
ἴα Akk. ἴαν (Il., ξ 435, vereinzelte Fälle, teilweise zweifelhaft, im Lesb., Thessal., Böot. [Korinn.] und bei Hp. Morb. 4, 37), Gen. ἰῆς, Dat. ἰῇ (Il.); außerdem Dat. n. ἰῷ (Ζ 422), Akk. m. ἰόν (IG 5 [1] 1390, 126, Messen. Ia, wohl Nachbildung von Ζ 422; nicht ganz sicher), Dat. m. ἰῷ (Gortyn) f. ‘ein und dieselbe, ein und derselbe’, auch ‘(die, der) eine’ im Gegensatz zu ‘die (der) andere’; ‘derjenige’ (Gortyn). — Altes Pronomen (Zahlwort?) ohne sichere außergriechische Entsprechung, wohl ursprüngl. nur Fem. und in der Flexion dem bedeutungsähnlichen μία angeschlossen (nicht mit J. Schmidt KZ 36, 391ff. daraus entstanden). Die zahlreichen Erklärungsversuche (u. a. zu Lat. is) sind bei Schwyzer 588, wo auch Lit., referiert. I-702
ἰά, ion. ἰή f. ‘Geschrei, Klage, Stimme’ (Orac. ap. Hdt. 1, 85, A., E. in lyr.). Daneben als Interjektion ἰαί (S., Ar.) und ἰή (A. in lyr., Ar., Kall.) mit ἰήιος Beiwort des Apollon "der mit ἰή (παιών) Angerufene" (Pi., Trag. in lyr. u. a.), auch ‘klagend, traurig’ (S., E. in lyr.); denominatives Verb ἰάζω ‘laut rufen’ (Theognost.). — Elementarschöpfung wie ἰώ, ἰού usw. (Schwyzer-Debrunner 600); aus der Interjektion entstand das Nomen. Allerhand unsichere Anknüpfungsversuche bei WP. 1, 312; s. auch W.-Hofmann s. vītulor. — Vgl. ἰόμωροι, ἰάλεμος, auch Ἴωνες und ἰωῄ. I-702
ἰαίνω, Aor. ἰᾶναι, ion. ἰῆναι, Pass. ἰανθῆναι ‘erwärmen, erquicken, erfreuen’ (ep. lyr. seit Il.). Keine Ableitungen. — Zu ἰαίνω stimmt formal das aind. Jotpräsens iṣaṇyáti ‘antreiben, anregen’ (Osthoff MU 4, 194f.); wegen der abweichenden Bedeutung wird diese Etymologie von Schulze Q. 381, Ehrlich Betonung 135 ebenso wie von Persson Beiträge 326A. angezweifelt. Wenn sie zu Recht besteht, liegt es unzweifelhaft am nächsten, in ἰαίνω wie in iṣaṇyáti (woneben iṣanat; vgl. Renou Gramm. de la langue véd. 303) eine Ableitung von einem r-n-Stamm (vgl. ved. iṣáṇ-i und Schwyzer 528 A. 8, auch ἱερός) zu sehen, der seinerseits von dem primären íṣ-yati, iṣ-ṇā́ti ‘in rasche Bewegung setzen’ (wozu das Wz.-nomen íṣ- ‘Erquickung, Labung’) ausgeht. Aber ἰαίνω, ἰῆναι könnte auch aus einem alten primären Nasalpräsens (δάμνημι, κάμνω) stammen, zu dem ein neues Jotpräsens auf -αίνω gebildet wurde (Schwyzer 694). — Vgl. ἰάομαι und ἱερός. I-702
Ἴακχος m. Beiname des Dionysos, aus dem Ruf (Ἴακχε) entstanden, mit dem die Gemeinde an den Lenäen den Gott begrüßte, auch N. des Festgesangs selbst (Hdt., S., Ar. u. a.); vom Tyrannen Dionysios im Sinn von χοῖρος gebraucht (wegen des ἰαχεῖν der Ferkel; Wackernagel KZ 33, 48 = Kl. Schr. 1, 727); danach als Ben. des pudendum muliebre (s. H. Diels bei Kretschmer Glotta 1, 385). Davon ’Ιακχαῖος ‘iakchisch, bakchisch, dionysisch’ (hell.), ’Ιακχεῖον ‘Iakchos-Tempel’ (Athen; Plu. u. a.), ἰακχάζω ‘Ἴακχε rufen’ (Hdt.; coni. in Longos 3, 11 für ἰακχεύσαντες). — Aus ἰαχή, ἰάχω (s. d.) mit expressiver Gemination, zunächst im Vok. Ἴακχε, entstanden. — Näheres über Ἴακχος bei Nilsson Gr. Rel. 599f., 664; auch v. Wilamowitz Glaube 2, 161. I-703
ἰάλεμος, ἰήλεμος (zur Verteilung Björck Alpha impurum 161) m. ‘Klage, Klagelied’ (Trag. in lyr., Theok. u. a.); ‘kläglicher, träger Mensch’, auch Adj. ‘träg, langsam’ (hell. u. spät; vgl. unten). Davon ἰαλεμώδης ‘kläglich’ (H., Phot., Suid.), ἰαλεμέω, -ίζω (ἰη-) ‘beklagen’ (Hdn., Kall.) mit ἰηλεμίστρια f. ‘Klageweib’ (A. Cho. 424, lyr.). — Expressives Wort, von der Interjektion ἰή ausgehend (vgl. v. Wilamowitz zu Eur. Her. V. 109; ἰάλεμος nach dem Subst. ἰά); die eigenartige Bildung kommt nur noch in κοάλεμος vor, das die spätere Bedeutung von ἰάλεμος veranlaßt zu haben scheint. Zacher IF 18 Anz. 86 nimmt für ἰάλεμος thrakisch-phrygischen Ursprung an. I-703
ἰάλλω, Aor. ἰῆλαι, dor. (Sophr.) ἰᾶλαι, Fut. ἰαλῶ (ἐπ- Ar. Nu. 1299), auch mit Präfix, z. B. ἐπ- (ἐφ-, vgl. unten), προ-, ‘absenden, ausstrecken’ (ep. poet. seit Il.; auch Th. 5, 77, dor. Vertragsurkunde); intr. ‘wegfliehen’ (Hes. Th. 269). Dazu ’Ιάλμενος PN (Il. usw.), vgl. unten. — Als redupliziertes Jotpräsens, dessen Reduplikation auch in den außerpräsentischen Formen beibehalten wurde, läßt sich ἰάλλω in *ἰ-αλ-ι̯ω zerlegen. Wenn die Aspiration in ἱάλλω (Hdn. Gr. 1, 539; dazu noch φιαλεῖς [Ar. V. 1348] und φιαλοῦμεν [Ar. Pax 432] für (ἐ)πιαλ-) ursprünglich ist, könnte ἱάλλω zu ἅλλομαι gehören (Leumann Hom. Wörter 80 A. 45). Da sich indessen der Hauch durch volksetymologischen Anschluß an ἵημι (mit dem v. Wilamowitz zu Eur. Her. V. 1064 ἰάλλω tatsächlich verknüpft) erklären läßt, scheint die schon von Kuhn KZ 5, 195f. vorgeschlagene Zusammenstellung mit dem ebenfalls reduplizierten aber athematischen aind. Präsens íy-ar-ti ‘erregt, setzt in Bewegung’ (vgl. ’Ιάλ-μενος) immer die beste Lösung zu bieten; als weitere Verwandte kommen dann die unter ἐλαύνω besprochenen Verba in Betracht. — Ältere Lit. und überholte Etymologien bei Bq. I-703
ἴαμβος m. N. eines Versfußes und eines Verses, ‘Jambus, Spottvers’ (Archil., Hdt., att.). Kompp., z. B. ἰαμβο-ποιός (Arist. u. a.), χωλ-ίαμβος ‘Hinkiambus’ (Demetr. Eloc.; vgl. Risch IF 59, 284f.). Ableitungen: ἰαμβικός ‘iambisch, spöttisch’ (Arist., D. H. u. a.), ἰαμβώδης ‘spöttisch’ (Philostr.), ἰαμβύλος ‘Spottdichter’ (Hdn.), ἰαμβύκη N. eines Instruments (Eup., H. u. a.; vgl. σαμβύκη), ἰαμβεῖος ‘iambisch’, ἰαμβεῖον n. ‘iambischer Vers’ (att. usw.). Denominative Verba: ἰαμβίζω, -ιάζω ‘in Jamben reden, spotten’ (Gorg., Arist. usw.; vgl. v. Wilamowitz Glaube 2, 53) mit ἰαμβιστής ‘Spottdichter’ (Ath.). — Zur Form und Bedeutung vgl. διθύραμβος, θρίαμβος (auch ἴθυμβος); wie diese ist ἴαμβος ohne Zweifel vorgriechischer Herkunft. Die mehrfachen vergeblichen Versuche, das Wort aus dem Idg. herzuleiten, die nunmehr nur wissenschaftsgeschichtliches Interesse beanspruchen können, sind bei Bq (mit Add. et corr.) referiert oder notiert; dazu noch die Lit. zu διθύραμβος. — Nach Theander Eranos 20, 1ff. zu ἰά; dazu Kretschmer Glotta 13, 243ff. (s. auch zu ἔλεγος). I-704
ἴαμνοι m. pl. ‘Niederung, feuchte Wiese’ s. εἱαμενή. I-704
ἰάνθινος Adj. ‘veilchenfarben, violett’ (Str., Plin., Aq., Sm.). Daraus rückgebildet ἴανθος m., -ον n. = ἴον (H., Theognost.). — Eig. ‘veilchenblumig, -bunt’, von ἄνθινος (s. zu ἄνθος) mit determinierendem ἴον. Anders über ἴανθος Deroy Glotta 35, 193. I-704
ἰανογλέφαρος (Alkm. 13, 69, von den Mädchen) wohl ‘mit veilchenblauen Augen’, vgl. ἰανοκρήδεμνος· ἴοις ὅμοιον τὸ ἐπικράνισμα H.; — somit aus ἰο-γλέφαρος (Pi. u. a.) erweitert nach den sinnverwandten und gebräuchlichen Kompp. mit κυανο- (~ -χαίτης usw.; κυανοβλέφαρος erst AP 5, 60); zu bemerken noch ἀγανο-βλέφαρος (Ibyk.). Ebenso ἰανόφρυς PMich. 11, 13 nach κυανόφρυς. — Ausführlich über ἰανογλέφαρος Taillardat Rev. de phil. 79, 131ff., dazu Treu Von Homer zur Lyrik 265 u. 285. Nicht mit Kretschmer KZ 32, 539, Johansson ebd. 543 (nach Blaß) = ἑᾱνός; auch nicht mit Bq (s. ἑᾱνός) von ἰαίνω. I-704
ἰάομαι, Aor. ἰάσασθαι, ion. ἰήσασθαι (seit Il.), Pass. ἰάθην, ἰήθην (ion. att.), Fut. ἰάσομαι, ἰήσομαι (seit Od.), Perf. ἴαμαι (Ev. Mark. 5, 29), vereinzelt mit Präfix (ἐξ-, ἐπ-), ‘heilen’. Zahlreiche Ableitungen: 1. ἴαμα, ἴημα (die ion. Formen werden nicht weiter besonders notiert) n. ‘Heilmittel, Heilung’ (ion. att.) mit ἰαματικός (Kyran.); 2. ἴασις ‘das Heilen, die Heilung’ (ion. att.) mit ἰάσιμος ‘heilbar’ (Arbenz Die Adj. auf -ιμος 71f.), wohl auch ἰασιώνη Pflanzenname, ‘Convolvulus sepium (?)’ (Thphr., Plin.); nach Strömberg Pflanzennamen 81 wegen der (allerdings unbekannten) medizinischen Verwendung; 3. ’Ιασώ f. N. einer Heilgöttin (Ar., Herod. u. a.), von ἴασις oder vom Aor., vgl. Καλυψώ. 4. ἰατήρ ‘Arzt’ (poet. seit Il., kypr., myk. i-ja-te?) mit ἰήτειρα Adj. f. ‘heilend’ (Marc. Sid.), ἰατήριον‘Heilmittel, Heilung’ (Mediz., Q. S.); 5. ἰάτωρ ‘ds.’ (Alkm., thess. Inschr.) mit ἰατορία ‘Heilkunst’ (B., S. in lyr.); 6. ἰατής ‘ds.’ (LXX) mit ἰατικός (Str. u. a.; auch auf ἰάομαι beziehbar); 7. gew. ἰατρός ‘ds.’ (seit Il.), wovon ἰατρικός, ἡ ἰατρική (τέχνη) ‘Heilkunst’ (ion. att.), ἰάτρια f. ‘Hebamme’ (Alex.), ἰατρίνη ‘ds.’ (Kaiserzeit, vgl. Schulze Kl. Schr. 428 m. A. 3), ἰατρεύω ‘heilen’ (Hp. usw.) mit ἰατρεία, -εῖον, ἰάτρευσις, -ευμα, -ευτικός; 8. ἴατρα n. pl. ‘Honorar für die Heilung, Arztgebühr’ (Epidauros, Herod.). Näheres über ἰατήρ, ἰάτωρ, ἰατρός bei Fraenkel Nom. ag. (s. Index); Versuch einer semantischen Differenzierung zwischen ἰατήρ und ἰάτωρ bei Benveniste Noms d’agent 46, auch Schwyzer 531. — Nicht sicher erklärt. Schon von Lobeck Rhematicon 157 (mit weiteren, falschen Kombinationen, s. Curtius 389) zu ἰαίνω gezogen, was von Brugmann Grundr. 21, 1086 (= 22 : 3, 199) weiter ausgeführt wird: ἰῶμαι aus *isā-i̯o-mai neben ἰαίνω = aind. iṣaṇ-yá-ti wie δρῶ aus *drā-i̯ō neben δραίνω, eine Gleichung die aber schwerlich zutrifft, da δραίνω am ehesten als Neubildung zu betrachten ist, s. zu δράω. Schwyzer 681 u. 683 erklärt ἰάομαι als thematische Umbildung eines athematischen *ἴᾰ-μαι (noch in ’Ια-μενόν Μ 139, 193 und in kypr. ἰjασθαι erhalten?). Noch anders Wißmann Nom. postv. 1, 127 A. 1: ἰάομαι deverbativ. — Zweifel über die Verknüpfung mit ἰαίνω bei Schulze Q. 381f.; verfehlte Deutungen bei Ehrlich Betonung 136 (zu lat. sānus) und bei Theander Eranos 20, 33 (von ἰά). Über die Quantität des anl. ἰ- (bei Hom. ῑ-, später auch ῐ-) Schulze a. a. O., Sommer Lautstud. 9f. Laryngalbetrachtungen bei Sturtevant Lang. 16, 86f. I-704-705
’Ιάονες ep. für Ἴωνες. I-705
ἰάπτω, Aor. ἰάψαι (seit Il.), Pass. ἰάφθη (Theok.), Fut. ἰάψω (A.), auch mit Präfix, z. B. προ-, ‘werfen, schleudern, treffen, verletzen’. Davon ’Ιαπετός "der Herabgeschleuderte" (Θ 479, Hes.; ’Ι- metr. gedehnt, zur Bildung Schwyzer 502 m. Lit., Fraenkel Nom. ag. 1, 51 A. 1) mit ’Ιαπετιονίδης (Hes.; Solmsen Unt. 58). Zur Bedeutung ‘werfen, schleudern, treffen, verletzen’ vgl. βάλλειν. Es liegt somit kein Grund vor, mit Schulze Q. 168 A. 3, Bechtel Lex. s. ἴπτομαι, GEL u. a. zwei verschiedene Verba anzusetzen. — Reduplizierte Bildung mit verschleppter Reduplikation, aber sonst etymologisch unerklärt. Oft zu *ἴπτομαι, ἴψασθαι ‘drücken, bedrängen’ gezogen (Bechtel a. a. O., Kuiper Glotta 21, 282ff. und MAWNied. N. R. 14 : 5, 25A. 1), auch zu lat. iaciō (Lottner KZ 7, 174, Schulze a. a. O.; weitere Lit. bei Bq s. v. und W.-Hofmann s. iaciō); noch anders Prellwitz Wb. (zu αἶψα), Belardi Doxa 3, 206 (aind. vápati ‘hinstreuen’). — Ob ἰάσσειν (cod. -εῖν)· θυμοῦσθαι, δάκνειν H. als ursprüngliches Präsens von ἰάψαι zu gelten hat (vgl. Bq s. ἰάπτω), mag dahingestellt sein. I-705-706
ἰασιώνη Pflanzenname s. ἰάομαι. I-706
ἰάσμη f. ‘Jasmin’ mit ἰάσμινον n. ‘Jasminöl’, auch ἰασμ-έλαιον n. (Aët.). — Aus dem Iranischen; vgl. mp. yāsman, np. yāsaman, yāsam, yāsamīn usw. I-706
ἴασπις, -ιδος, -ιν f. ‘Jaspis’ (Pl., Thphr. u. a.), auch Pflanzenname (Dsk.); wahrscheinlich von der Farbe (Strömberg Pflanzennamen 26). Als Vorderglied u. a. in ἰασπ-αχάτης ‘jaspisähnlicher Achat’ (Aët., Plin.). Davon ἰασπίζω ‘jaspisähnlich sein’ (Dsk.). — Orientalisches LW, vgl. hebr. iāšepoeh N. eines Steins; eig. ägyptisch? — Lewy Fremdw. 56 m. Lit. I-706
ἰαύω, vereinzelt Aor. ἰαῦσαι (λ 261, Kall.) und Fut. ἰαύσω (Lyk.), auch mit ἐν-, παρ-, ἐπ-, ‘schlafen, ausruhen, übernachten’ (ep. lyr. seit Il.). Davon ἰαυθμός ‘Schlafstelle, Lager’, μηλ-ιαυθμός ‘Schafstall’ (Lyk.), ἐνιαυθμός (EM; unsicher Kall. Fr. 127); ganz fraglich ἴαυος· κοίτη H. — Redupliziertes Präsens (wozu ἰαῦσαι, ἰαύσω) zu dem in αὖ-λις, αὐ-λή vorliegenden Verb; daneben ohne Reduplikation αὔει (Nik. Th. 263, 283). Unklar sind die H.-glossen ἄιες und αἰέσκοντο, s. Latte z. St. und Schulze Q. 71f. Weitere Verwandte s. αὐλή und ἐνιαυτός; zur Stammbildung usw. Schwyzer 648, 686, 690 m. Lit. Fraglich ist die Heranziehung vom Aor. ἄεσα; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 313 m. Lit., auch Bechtel Lex. s. ἰαύω. I-706
ἰάχω (ep. poet. seit Il.), Aor. ἰαχῆσαι (h. Cer. 20 usw.; Zumbach Neuerungen 32), Präs. auch ἰαχέω mit Fut. ἰαχήσω (Trag. in lyr. usw.); Perf. Ptz. ἀμφιαχυῖα (Β 316), wozu ἀμφιάχω (Orph., Q. S.); auch περι-, ἐπ-ιάχω (Hom. u. a.) usw., ἀντ-ιαχέω (Theok., A. R.), ‘laut schreien, aufschreien, tosen, rauschen’. Davon ἰαχή ‘Geschrei, Lärm’ (ep. poet. seit Il.; vgl. Porzig Satzinhalte 228) mit αὐίαχοι (s. d.); ἰάχημα ‘ds.’ (E. in lyr., AP; zur Bildung Chantraine Formation 186); Ἴακχος, s. d. — Aus *ϝι-ϝάχ-ω mit Präsensreduplikation (zum Digamma Chantraine Gramm. hom. 1, 139f.); ein thematischer Aorist *ϝαχεῖν, *ϝάχε wird seit Schulze KZ 29, 230ff. (= Kl. Schr. 330ff.) im Homertext für das als Aorist fungierende ἴαχε vermutet; s. dazu auch Chantraine 1, 393, Schwyzer 748. Das Präsens erklärt sich am einfachsten als Neubildung nach den Schallverba auf -έω (Schwyzer 726 A. 5), es kann aber auch vom Aor. ἰαχῆσαι ausgehen (vgl. Schwyzer 721); eine denominative Bildung von ἰαχή (Schulze Kl. Schr. 344 A. 1) ist weniger wahrscheinlich. Zum unreduplizierten Ptz. ἀμφι-(ϝ)αχυῖα Schwyzer 767, Chantraine 1, 421. — Die mitunter in der Tragödie auftretende Länge der Stammsilbe kann auf expressiver Gemination des Gutturals beruhen (vgl. Ἴακχος und Schwyzer 315), aber näher liegt Einfluß vom Präsens ἀ̄χέω. Zu ἠχή, s. d. I-706-707
ἰβάνη, ἴβανος ‘Schöpfgefäß’, ἴβδης ‘Pflock im Schiffsboden’ u. a., — gewöhnlich zu εἴβω gezogen (s. d.); Zweifel bei Bq. Das Wort scheint in tsakon. ἰμάνι ‘Schöpfgefäß’ weiterzuleben, s. Kukules ’Αρχ. 27, 61ff.; vgl. indessen auch die unter ἱμάς besprochenen Wörter. I-707
ἰβηρίς, -ίδος f. Pflanzenname, ‘Lepidium, Pfefferkraut’ (Damokr. ap. Gal., Aët. ap. Ps.-Dsk.). — Wahrscheinlich nach der Heimat ’Ιβηρία; Strömberg Pflanzennamen 124f. Anders Alessio Studi etr. 15, 205ff. (ägäisch wie ἰβίσκος, ἰβάνη u. a.). I-707
ἰβίσκος (v. l. in Ps.-Dsk. 3, 146, Erot.), auch ἐβίσκος (Gal., Aët.) eine Art Malve, ‘Eibisch’, = ἀλθαία (s. zu ἀλθαίνω). — Wie das synonyme ἀλθίσκον und andere Pflanzennamen gebildet (Chantraine Formation 407); sonst dunkel. Mit den früher (seit Verg.) belegten lat. (h)ibiscum (eb-), -us identisch und trotz des Suffixes vielleicht daraus stammend, in welchem Falle keltischer Ursprung zu erwägen ist, s. W.-Hofmann s. v. m. Lit. Vgl. auch zu ἰβηρίς. I-707
ἰβύ Interjektion od. Adverb (H., Phot. aus Telekl.). Davon ἰβύει· τύπτει, βοᾷ mit dem postverbalen ἰβύς· εὐφημία, στιγμή H. — Mit Gutturalsuffix ἴβυξ· ὀρνέου εἶδος, καὶ ἶβις (dazu Thompson Birds s. v.), ἰβύκη· εὐφημία, und ἰβυκτήρ, nach H. ‘Sänger eines Marschlieds auf Kreta’ (cod. ἰβηκ-); auch Ἴβυκος PN?, vgl. Radermacher Glotta 16, 135f. — Durch Kreuzung mit βυκινίζω, βυκανίζω (Eust.; s. βυκάνη) entstand ἰβυκινῆσαι· ἐπευφημῆσαι, βοῆσαι H. (ἰβυκηνίσαι EM). Einzelheiten bei Kock zu Telekl. 58. — Mit Dentalsuffix ἰβυδῆνας· τοὺς εὐφημοῦντας H., vgl. die Geräuschnomina auf -δος, κέλαδος u. a. — Onomatopoetisches Schallwort, nach H. lydisch (s. ἰβύ) oder ionisch (s. ἰβυκινήσαντες), auch als Ausruf der Verwunderung od. ähnl. benutzt. Auf der letztgenannten Verwendung fußt die bei H. erwähnte steigernde Bedeutung = τὸ πολὺ καὶ μέγα; wie die Bedd. τύπτειν und στιγμή zu verstehen sind, bleibt unklar. — Vgl. βύζω und ἰύζω. I-707
ἴγδις, -εως (Sol., Kom., AP u. a.), auch ἴγδη f. (Hdn. Gr., Hp. u. a.) f. ‘Mörser’, auch = ἴγδισμα (s. unten). Davon das Deminutivum ἰγδίον (Gp., Paul. Aeg.) und das Verbalnomen ἴγδισμα (wie von *ἰγδίζω ‘im Mörser stoßen’) N. eines Tanzes (EM, Suid.; vgl. Lawler ClassJourn. 43, 34). — Erinnert der Form nach an λίγδος ‘Mörser’, vielleicht als Reimwort (Güntert Reimwortbildungen 158). Wenn nicht LW, was bei einem technischen Ausdruck naheliegt, vielleicht letzten Endes als Verbalnomen mit ἴκταρ, ἴξ (s. dd.) verwandt; vgl. auch zu αἰχμή. I-707-708
ἴγκρος · ἐγκέφαλος H., Hdn. — Zunächst für *ἔγκρος mit ι aus ε vor Nasal (Schwyzer 275 m. Lit.), Hypostase aus ἐν und (der Schwundstufe von) κάρᾱ, κάρη ‘Kopf’; vgl. ἔγκαρος und ἀκαρός. I-708
ἴγνητες pl. ‘αὐθιγενεῖς, Eingeborene’ (A. D., H. u. a.), auch als N. der alten Bewohner von Rhodos (Simmias 11, H.). — Aus *ἔν-γνη-τες, Zusammenbildung aus ἐν und γίγνομαι mittels eines τ-Suffixes (Schwyzer 451, Solmsen Wortforsch. 215). Nicht mit Ehrlich Sprachgesch. 14 (und Schwyzer 613) zum deiktischen Pronomen i- ‘is’. I-708
ἰγνύη (ep. ion. poet. seit Il.), ἰγνύα (Arist., hell. u. spät), auch Formen von *ἰγνύς (ἰγνύσι h. Merc. 152, ἰγνύων, -ύν Arist. u. a.) f. ‘Kniekehle’. — Aus *ἐν-γνύ-η ‘im Knie befindliche Stelle’, somit hypostatische Abstraktbildung; ἰγνύς nach ἰξύς, ὀσφύς und anderen Körperteilbenennungen auf -ύς. Solmsen Wortforsch. 214f. (Kritik bei Ward Lang. 20, 76); verfehlte Deutungen sind bei Bq notiert. I-708
ἰδανός ‘wohlgestaltet, schön’ (Kall. Fr. 535, H.), ἰδανό-χροος ‘mit schönen Farben’ (Ep. Alex.). Primäre Ableitung von ἰδεῖν (s. d.); vgl. πιθανός, ἱκανός u. a. (Chantraine Formation 196f.). — Nach Fraenkel KZ 63, 182 zu εἴδωλον mit altem Stammwechsel l ~ n; sehr hypothetisch. I-708
’Ιδάρνας · ὁ ἐκτομίας ... H. — Von der karischen Stadt ’Ιδάρνη; des näheren s. E. Maaß RhMus. 74, 432ff. I-708
ἰδέ ‘und’ (ep. seit Il.), ‘(und) dann’ (kypr.). — Vielleicht aus dem deiktischen Pronomen i- (Schwyzer 613) und δέ ‘und, aber’; Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer-Debrunner 566f. Vgl. ἠδέ. I-708
ἰδέα, ion. -έη f. ‘Erscheinung, Gestalt, Beschaffenheit, Form, Urbild, Idee’ (ion. att.); zur Bed. s. Lit. zu εἶδος; außerdem H. Wersdörfer Die Φιλοσοφία des Isokrates, 1940, S. 43ff., Gillespie Class. Quart. 6, 179ff., Baldry ebd. 31, 141ff. — Verbakabstraktum von ἰδεῖν (s. d.); zur Bildung vgl. ἀλέα ‘Sonnenwärme’ usw. bei Chantraine Formation 91. I-708
ἰδεῖν Aor., Ind. εἶδον (ἴδον), oft mit Präfix, ἀπ-, εἰσ-, κατ-, συν- usw., ‘erblicken, erkennen’ (seit Il.). Davon ἰδέα, ἰδανός, s. bes.; außerdem ἰδανικὸς κόσμος ‘Ideenwelt’ (Ti. Lokr. 97d, mit Beziehung auf ἰδέα). Dagegen steht ἰλλός = ὀφθαλμός (H., z. B. s. ἔπιλλος) nicht mit v. Blumenthal Hesychst. 36 für idg. *u̯id-lo-, sondern ist aus ἔπιλλος· παράστραβος, ἰλλώπτειν· στραβίζειν u. a. frei erfunden, vgl. zu ἰλλός. — Alter thematischer Wurzelaorist, mit arm. egit und aind. ávidat ‘er fand’ formal identisch, idg. *é-u̯id-e-t. Zur Bedeutung vgl. u. a. das anders gebildete lat. videō. Daneben das Perfekt οἶδα ‘weiß’, s. d.; als Präsens fungiert ὁράω. — S. noch ἰνδάλλομαι, εἴδομαι, εἶδος. I-708-709
ἴ̄δη, dor. (Theok.) ἴδα f. ‘Holz, Waldung’ (Hdt., Theok.). Daneben als EN Ἴδη Waldgebirge im westlichen Mysien (Il. usw.) und auf Kreta (D. P., Paus.); davon Ἴδηθεν, ’Ιδαῖος (Il. usw.). — Vorgriechisches Wort ohne Etymologie. Nach Georgiev und v. Windekens (s. Le Pélasgique 94) als pelasgisch zu ahd. witu ‘Holz’ usw.; eine verfehlte idg. Etymologie wird von Bq abgelehnt. Nach Prellwitz Wb. und Fay Class. Quart. 11, 214f. zu οἶδος ‘Geschwulst’ usw. I-709
ἴδιος, dor. ϝίδιος, arg. hίδιος ‘eigen, privat’ (seit Od.). Oft als Vorderglied, z. B. ἰδιο-γενής ‘von eigener Gattung’ (Pl. Plt. 265e; Gegensatz κοινο-γενής), vorw. hell. u. spät. Ableitungen: 1. ἰδιώτης m. ‘Privatmann, Laie, ungebildeter Mensch’ (ion. att.; zur Bildung Chantraine Formation 311, Redard Les noms grecs en -της 28) mit f. ἰδιῶτις (hell. u. spät); davon ἰδιωτικός ‘einem ἰδιώτης zugehörig, gemein, ungebildet’ (ion. att.; Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 120 u. 123) und ἰδιωτεύω ‘für sich allein handeln od. leben, ohne Ansehen, ungebildet sein’ mit ἰδιωτεία ‘Privatleben, Unbildung’ (att.); auch ἰδιωτίζω ‘auf besondere Weise aussprechen’ (Eust.). 2. ἰδιότης, -ητος f. ‘Eigenart, Eigentümlichkeit’ (Pl., X., hell.). 3. ἰδικός = ἴδιος (spät). 4. ἰδιόομαι ‘sich zu eigen machen, zueignen’ (Pl., hell.) mit ἰδίωμα ‘Eigenart, Besonderheit’ (hell. u. spät), ἰδίωσις ‘Sonderung, Zueignung’ (Pl., Plu.). 5. ἰδιάζω ‘eigenartig sein, allein leben’ (Arist., hell. u. spät) mit ἰδιαστής, ἰδιασμός (spät). — Arg. ϝhεδιεστας = ἰδιώτης (vgl. κηδεσ-τής, el. τελεσ-τα) läßt für ἴδιος auf ein urspr. *ϝhεδιος, zum Reflexivum ϝhε = ἕ (idg. *su̯e), schließen (Schwyzer 226 m. Lit.; über ε > ι 256). Anders, an sich auch möglich, Schulze KZ 40, 417 A. 6 = Kl. Schr. 74 A. 2, Brugmann IF 16, 491ff., Fraenkel Ling. Posn. 4, 104: zu aind. ví ‘auseinander’; arg. hίδιος dann nach ἑαυτοῦ usw., ἕκαστος. — Nicht mit Specht KZ 68, 47, Ursprung 197 m. A. 2 aus *su̯i-dio-. I-709
ἰ̄δίω (υ 204, Hp., Kom.), Aor. ἰ̄δῖσαι (Arist., Thphr.), vereinzelt mit Präfix, ἐξ-, ἀν-, ‘schwitzen’. Daneben ἶδος n. ‘Schweiß’ (Hp. Koak. 105), ‘Hitze’ (Hes. Sc. 397, Emp. u. a.) mit ἰδάλιμος ‘schweißtreibend’ (Hes. Op. 415; nach εἶδος : εἰδάλιμος, s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 29); ἀν-ιδ-ιτί ‘ohne Schweiß’ (Pl. Lg. 718e), wohl zu ἰδίω. — Aus εἶδος· καῦμα und ἠεῖδος· πνῖγος H. ist ein s-Stamm *ϝεῖδος zu entnehmen, der als idg. *su̯eidos- n. neben *su̯oido- m. in aind. svéda-, germ., z. B. ahd. sweiz ‘Schweiß’ steht. Die Form ἶδος zeigt ionische Psilose und itazistische Schreibweise (von ἱδρώς begünstigt). Ebenso ἰ̄δίω = εἰδίω (nach κηκίω u. a.) für *εἵδω = aind. svédate ‘schwitzt’ aus idg. *su̯eid-; daneben aind. svídyati = ahd. swizzit ‘ds.’ aus idg. *su̯id-i̯eti (wäre gr. *ἵζει); lettische und iranische sḱ-Formen bei Leumann IF 58, 120. — Wackernagel Philol. 86, 133ff. (Kl. Schr. 1, 745ff.); weitere außergriechische Verwandte bei WP. 2, 521, Pok. 1043, W.-Hofmann s. sūdō. Vgl. ἱδρώς. I-709-710
ἴδμων ‘wissend’ mit ἰδμοσύνη s. οἶδα. I-710
ἰδνόομαι (Hp.), Aor. ἰδνωθῆναι (Hom.) ‘sich krümmen’ (Akt. ἰδνόω Hdn. Gr. 1, 451). — Aus einem Verbaladjektiv *[ϝ]ἰδ-νός ‘krumm’; daneben das hochstufige Verbalsubstantiv aind. vedá- m. ‘Büschel starken Grases’ (eher idg. *u̯oido- als *u̯eido-) mit der l-Ableitung lat. vīdulus ‘geflochtener Korb’; mehrdeutig ist lett. wīdināt ‘flechten’. WP. 1, 236, W.-Hofmann s. vīdulus m. Lit. — Vgl. ἴτυς, εἰμάδες; auch ἶρις und οἶνος. I-710
ἴδρις ‘kundig’ s. οἶδα. I-710
ἱδρύω, Aor. ἱδρῦσαι (seit Il.), Pass. ἱδρυνθῆναι (Γ 78, Η 56 u. a.; für -ῡθῆναι? Schwyzer 761 A. 5), Perf. Pass. ἵδρῡμαι (A. usw.), Akt. ἵδρυκα (Arist.), oft mit Präfix, bes. καθ- (wozu ἐγ-καθιδρύω u. a.), ‘hinsetzen, sich setzen lassen, aufstellen, errichten, gründen’. Davon ἵδρυμα ‘das Aufgestellte, Errichtete, Standbild, Tempelbau’ (ion. att.), ἵδρυσις ‘das Errichten, die Besiedlung’ (Hp., Pl., Str., Plu. u. a.). — Denominatives Verb, anscheinend von einem Nomen *ἱδρυ- (Bed.?) ausgehend (Schwyzer 727 und 495); letzten Endes jedenfalls zu einer primären r-Ableitung des Verbs ‘sitzen, setzen’ in ἕζομαι, ἵζω gehörig; vgl. namentlich ἕδρα. Das ἱ- stammt wahrscheinlich aus ἵζω (Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 2); nach anderer Auffassung (Bq, Schwyzer 351, WP. 2, 484, Sturtevant Lang. 19, 300) wäre ι Reduktionsstufe von ε. I-710
ἱδρώς, -ῶτος, -ῶτι usw., ep. Dat. -ῷ, Akk. -ῶ (vgl. unten) m., auch f. (Sapph.) ‘Schweiß’, auch übertr. von anderer Feuchtigkeit (seit Il.). Vereinzelt in Kompp., z. B. ἱδρωτο-ποιέω (Arist.), δυσ-ίδρως ‘mit schlechtem Schweiß, schwer in Schweiß kommend’ (Thphr.), auch mit Übergang in die o-Deklination, z. B. κάθ-ιδρος ‘von Schweiß bedeckt’ (LXX). Ableitungen: Deminutivum ἱδρώτιον (Hp.); ἱδρώεις ‘schweißig’ (B.), ἱδρώδης ‘vom Schwitzen begleitet’ (Hp.), ἱδρωτικός ‘schweißtreibend usw.’ (Hp., Thphr. u. a.); ἱδρῶα (?) pl. ‘Blattern’ (Hp. Aph. 3, 21; Lesung unsicher) mit ἱδρω-τάρια, -τίδες ‘ds.’ (Mediz.; vgl. Strömberg Wortstudien 102); ἱδρώιον ‘Schweißtuch’ (Pap.); ἱδροσύναι pl. ‘schweißige Anstrengungen’ (poet. Inschr. aus Phrygien, Kaiserzeit). Denominative Verba: ἱδρώω ‘schwitzen’ (seit Il.) mit ἵδρωσις ‘das Schwitzen’ (spät) und ἱδρωτήρια pl. ‘schweißtreibende Mittel’ (Paul. Aeg.); ἱδρώττω ‘ds.’ (Gal.; vgl. Schwyzer 732). — Zu ἱδρώς bietet sich zunächst zum Vergleich arm. k‘irtn ‘Schweiß’, das auf einen r-Stamm *su̯id-r- zurückgeht, der auch in lett. swiêdri pl., alb. dirsë ‘Schweiß’ vorliegt. Mit diesem r-Stamm ist im Griechischen ein ō̆s-Stamm verquickt worden, der in lat. sūdor, wenn aus *su̯oidōs, ein Gegenstück haben kann. Wie γέλως, ἔρως u. a. ist auch ἱδρώς später in die τ-Stämme übergegangen (Schwyzer 514). Der s-Stamm ist indessen noch vorhanden im ep. Akk. ἱδρῶ (als -όα zu lesen? Chantraine Gramm. hom. 1, 54), vielleicht auch im Dat. ἱδρῷ, wenn für -οῖ (sehr fraglich; vgl. Chantraine 1, 211), außerdem in mehreren Ableitungen: ἱδρώ-ω, ἱδρώεις (vgl. Schwyzer 527), ἱδρώιον. — Zum Fehlen des Digamma bei Hom. vgl. zu ἐμέω (andere, nicht vorzuziehende Hypothesen bei Chantraine 1, 156). Vgl. ἰδίω. I-710-711
ἰδυῖοι, ἰδῦοι ‘μάρτυρες, συνίστορες’ (Lex Solon. ap. Ar. Fr. 222, Paus. Gr. Fr. 151, H.), auch ‘οἱ τὰς φονικὰς δίκας κρίνοντες’ H. — Für *ϝιδυῖοι = lak. usw. βιδυιοι, s. d.; dazu noch E. Kretschmer Glotta 18, 91f. I-711
ἵεμαι, Aor. (ἐ)είσατο, Fut. εἴσομαι (s. bes.) ‘sich vorwärts bewegen, sich beeilen, streben, begehren’ (ep. poet. seit Il.). — Für *ϝί̄εμαι (zum Digamma Chantraine Gramm. hom. 1, 142), aber früh auf das Medium von ἵημι bezogen, was auch zu formalen Entgleisungen hat führen können; eine Vermutung darüber bei Brugmann-Thumb 324, Solmsen Unt. 151, Petersen Lang. 7, 129. Nach Anderen (Schwyzer 680, Chantraine 1, 293) dagegen eine alte athematische Bildung. Das Wort gehört jedenfalls zu einer weitverbreiteten Wortsippe mit Vertretern in aind. véti, 3. pl. vyánti ‘verfolgen, treiben’, lit. vejù, výti ‘jagen, verfolgen’, wohl auch lat. vīs ‘du willst’, in-vī-tus ‘wider Willen’ u. a. m., s. WP. 1, 228ff., W.-Hofmann s. invītō; zu dem mehrdeutigen heth. uii̯a- (u̯ii̯a-) ‘(her)schicken’ s. Pedersen Hittitisch 198, Kronasser Vgl. Laut- und Formenlehre 181. Ältere Lit. auch bei Bq und Bechtel Lex. s. v. — Vgl. ἰωκή, auch ἱέραξ, ἴς, οἶμος und ἰότης. I-711
ἱέρᾱξ, -ᾱκος (Alkm. 28, E., Ar., Arist. u. a.), ἴρηξ, -ηκος (ep. ion. seit Il.) m. ‘Habicht, Falke’, übertr. als Fischname (Epich. 68 u. a.; nach Strömberg Fischnamen 1 13f. wahrscheinlich ‘Hochflieger’). Vereinzelt in Kompp., z. B. ἱερακο-βοσκός ‘Falkner’ (Pap. u. a.). Mehrere Ableitungen: Deminutivum ἱερακίσκος (Ar.); ἱερακίδιον, -άδιον ‘Statuette eines Habichts’ (Delos IIa; zur Bedeutung Chantraine Formation 70), ἱερακεῖον ‘Habichttempel’ (Pap. IIa), ἱερακιδεύς ‘junger Habicht’ (Eust.; wie ἀετ-ιδεύς u. a.; Boßhardt Die Nomina auf -ευς 78f.); ἱερακάριος ‘Falkner’ (Cod. Cat. Astr. u. a.); ἱερακίτης N. eines Steins, von der Farbe (Plin., Gal. u. a.; Redard Les noms grecs en -της 55), ἱεράκιον, auch -ία, -ιάς, -ῖτις Pflanzenname, ‘Habichtkraut, Hieracium’ (Ps.-Dsk. u. a.; zum unklaren Benennungsmotiv Strömberg Pflanzennamen 118). — ἱεράκ-ειος, -ώδης ‘habichtähnlich’ (spät). — Obwohl ἴρηξ bei Hom. kein Digamma aufweist (Chantraine Gramm. hom. 1, 156), ergibt die H.-glosse βείρακες· ἱέρακες (wozu βειράκη· ἡ ἁρπακτική) ein urspr. *ϝῑρᾱξ mit suffixalem -ᾱκ- wie in zahlreichen anderen Tiernamen. Auszugehen ist von einem Adj. (Nomen) *ϝῑρος, das sich ungesucht zu (ϝ)ίεμαι ‘sich vorwärts bewegen’ gesellt (Ebel KZ 4, 164f.). Die sekundäre Form ἱέραξ beruht auf Volksetymologie nach ἱερός. — Solmsen Unt. 148f., Bechtel Lex. s. ἴρηξ; weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 229. I-712
ἱερός "heilig", ‘einem Gott geweiht, göttlich’ , auch im allg. lobend ‘herrlich, trefflich, kräftig, rasch usw.’ (vgl. unten); (seit Il.), dor., nwgr. ἱαρός, ion. poet. ἰ̄ρός, äol. ἶρος, myk. i-je-ro (?); ἱερόν n. ‘heiliger Bezirk, Tempel’ (nachhom.), ἱερά n. pl., selten sg. ‘Weihgeschenk, Opfer(tier)’ (seit Il.). Als Vorderglied in zahllosen Kompp., auf die hier nicht eingegangen werden kann. Ableitungen (die Dialektformen werden im allg. nicht besonders angeführt): 1. ἱερεύς (seit Il.), myk. i-je-re-u (?), ark. kypr. ἱερής, ion. auch ἱέρεως (kaum aus ἀρχιέρεως ausgelöst, Sommer Nominalkomp. 129 m. Lit., Egli Heteroklisie 111f. mit neuem Erklärungsversuch) m. ‘der die Opfer (τὰ ἱερά) verrichtet, Opferer, Priester’ (Schulze KZ 52, 193 = Kl. Schr. 573; nach Boßhardt Die Nom. auf -ευς eher Rückbildung aus ἱερεύω; zur Bed. und Verbreitung E. Kretschmer Glotta 18, 81f.). Von ἱερεύς stammen: a) mehrere Femininbildungen (vgl. zu βασιλεύς): ἱέρεια (seit Il.), myk. i-je-re-ja (?), kypr. ἰερήϝιjα, ion. ἱερέη, -ῆ; ἱερηΐς (megar.), ἱέρισσα (Pap. IIa); b) die Nomina ἱερεία ‘Priesterwurde’ (Thyateira; vgl. Bechtel Dial. 1, 311), ἱερεῖον, -ήϊον ‘Opfertier’ (seit Il.), ἱερ(ε)ωσύνη ‘Priestertum’ (ion. att.) mit ἱερ(ε)ώσυνος ‘priesterlich’ (hell. u. spät); c) das Adjektiv ἱερευτικός ‘priesterlich’ (Pap.); d) die Denominativa ἱερεύω ‘opfern, weihen’ (seit Il.) mit ἱέρευσις (Sch.) und ἱερεύσιμος (Plu. 2, 729d, neben θύσιμος; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 94), wenn nicht eher von ἱερός, ἱερά; ἱερεώομαι, ἱερεώσασθαι ‘ein Priesteramt ausüben’ (hell.; Schulze Symb. phil. Danielsson 304 = Kl. Schr. 325). — 2. ἱερόλας = ἱερεύς (S. Fr. 57; nicht sicher; zur Bildung Chantraine Formation 238). — 3. ἱερῖτιν· καθαρμοῦ δεομένην, ἱκέτιν H. (A. Fr. 93). — 4. ἱερατικός ‘priesterlich, hieratisch’ (Pl. Plt. 290d, Arist. usw.; vgl. auch ἱερατεύω, ἱερατεία unten). — 5. Ἵερυς PN (Leumann Glotta 32, 220). — 6. Mehrere Denominativa: a) ἱερεύω, vgl. zu ἱερεύς; b) ἱεράομαι die Opfer (ἱερά) besorgen’ (Hdt., Th. usw.); c) ἱεράζω ‘ds.’ (ion. Inseln), böot. ἱαρειάδδω, wohl von ἱαρεία; d) ἱερόω ‘weihen’ (att., lokr. usw.) mit ἱέρωμα ‘Weihung’ (kret., epid. usw.), ἱερωτός (thess.); e) ἱερίζω = καθαίρω H. (s. ἁγνίτης) mit ἱεριστής ‘der die ἱερά besorgt’ und ἱερισμός ‘heiliger Dienst’ (hell.); f) ἱερατεύω ‘Priester sein’ mit ἱερατεία, ἱεράτευμα, ἱερατεῖον; ἱεριτεύω ‘ds.’; ἱερωτεύω ‘ds.’ mit ἱερωτεία; alle dialektisch, hell. und spät; zur Bildung Schwyzer 732, Solmsen Glotta 1, 80. — Die wechselnde Bedeutung, z. T. auch die schwankende Form haben viele Forscher dazu veranlaßt, ἱερός in zwei oder sogar in drei verschiedene Wörter zu zerlegen. So hat man wegen der anlautenden Länge in ἱ̄ερὸν ἰχθύν Π 407, ἱαρὸς ὄρνις (Alkm. Fr. 26) und ἱερὸς ὄρ. (AP 7, 171), die sich unschwer als metrische Dehnung erklären läßt, ein besonderes ϝῑερός ‘hurtig, schnell’, wovon ἱέραξ ‘Habicht’ (s. d.), angenommen. Im Sinn von ‘stark, kräftig’ wäre ἱερός dagegen mit aind. iṣirá- etwa ‘kräftig, regsam’ identisch; hierher noch keltische Flußnamen wie Isara (zuletzt Krahe Beitr. z. Namenforschung 4, 121f.). Ein drittes ἱερός, u. zw. im Sinn von ‘heilig’, hätte Beziehungen zum Italischen und Germanischen, z. B. osk. aisusis ‘sacrifiis’, pälign. aisis, umbr. erus ‘dis’, ahd. ēra ‘Ehre’. So namentlich Schulze Q. 207ff. nach Ahrens Phil. 27, 585ff., Solmsen Unt. 147ff. Für einheitlichen Ursprung, wenn auch im Einzelnen voneinander abweichend, dagegen Kuhn KZ 2, 274, Meillet Zeitschr. celt. Phil. 10, 309, Devoto Studi etr. 5, 316, v. Wilamowitz Glaube 1, 21f., Specht bei Schaeder ZDMG 94, 408, Duchesne-Guillemin Mélanges Boisacq 1, 333ff., der als Stütze für die alte Gleichung mit aind. iṣirá- mit Recht auf die Übereinstimmung zwischen ἱερὸν μένος und aind. iṣiréṇa mánasā (Instr.) hinweist. — Eine vermittelnde Auffassung wird von Kretschmer Glotta 11, 278ff. (s. auch dens. Glotta 30, 88) insofern vertreten, als er ἱερός als Kreuzung von vorgr. *aisaros, *eiseros ‘göttlich’ (wozu etr. aesar ‘Gott’ und die oben genannten osk. aisusis usw.) und einem idg. Wort für ‘kräftig, hurtig’ (= aind. iṣirá-) faßt. -Ausführliche Behandlung mit weiterer Lit. von P. Wülfing von Martitz in einer ungedruckten Diss. (Göttingen 1958) ‘Ιερός bei Homer — mit einem Ausblick auf den Gebrauch in d. Lit. der folg. Zeit; s. auch Belardi Doxa 3, 207. Zum Wechsel von ἱερός, ἱαρός, ἰ̄ρός (aus idg. *iseros, *isr̥os, *isrós) Schwyzer 482 und 243; zum Hauch ebd. 219f. Zur Bedeutung (gegenüber ἅγιος, ἁγνός) Nilsson Gr. Rel. 1, 61ff.; auch J. Chr. Bolkestein Ὅσιος en εὐσεβής. Diss. Amsterdam 1936, Palmer Eranos 53, 4ff., Defradas Rev. de phil. 81, 208ff. — Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 4; 13; 229. I-713-714
ἵζω ‘(sich) setzen, sitzen’ — Zur Konjugation von καθίζω noch Chantraine BSL 36, 19ff. s. ἕζομαι. I-714
ἰηθενέουσα · ἐκπεπληγμένη, καὶ ἀποροῦσα; ἰαθενεῖ· διαπορεῖ ἐπί τινι κακῷ. Κῶοι H. — Unerklärt. Enthält nach Fick BB 8, 330; 16, 289; 28, 90 eine Vorsilbe ἰη-, die er mit aind. īṣát ‘wenig, leicht, etwas’ verbinden will. Nach Fraenkel KZ 77, 188 wäre ἰη-, ἰα- in die Privativpartikel νη-, νᾱ- zu ändern. Noch anders Prellwitz Glotta 19, 125. I-714
ἰήϊος Beiwort des Apollon, "der mit ἰή (παιών) angerufene", auch ἰήϊε παιάν; außerdem von βοά, γόος, κάματοι ‘aus Wehrufen bestehend, von Wehrufen begleitet’ (Pi., Trag. in lyr., A. R. u. a.). — Aus der Interjektion ἰή (wozu pl. ἰῆτε [Pi.]; Wackernagel Philol. 95, 184 = Kl. Schr. 2, 883); vgl. ἤϊε und Εὔιος. — Von den Alten falsch auch auf ἵημι bezogen ("ἀπὸ τῆς ἀφέσεως καὶ τοξείας" H.). I-714
ἵημι, Aor. ἕηκα, ἦκα, Inf. ἕμεναι, εἷναι, Med. εἵμην (ἡκάμην), Inf. ἕσθαι, Pass. εἵθην, ἑθῆναι, Fut. ἥσω (seit Il.); Perf. Med. εἷμαι, Akt. εἷκα (att.), ἕωκα (hell.), vorwiegend, in gewissen Formen ausschließlich mit Präfix in verschiedenen Bedeutungen, ἀν-, ἀφ-, ἐφ-, καθ-, προ-, συν-, ὑφ- usw., ‘(ent)senden, entlassen, werfen, schleudern usw.’; Einzelheiten aus der Flexion bei Schwyzer 686f., 741, 770, 775. Zahlreiche Ableitungen, aber fast nur von den präfigierten Formen: 1. ἧμα ‘das Werfen, Speerwurf’ (Ψ 891; Porzig Satzinhalte 267), ἥμων ‘speerwerfend’ (Ψ 886); κάθημα, hell. -εμα (Schwyzer 523) ‘Halsband’ (Antiph., LXX); μεθήμων ‘nachlässig’ mit -μοσύνη (Hom.), συνήμων ‘Genosse’ (A. R.) mit -μοσύνη ‘Vertrag, Genossenschaft’ (Il. usw.). 2. ἑσμός ‘(Bienen)schwarm’ s. bes. 3. ἄν-, ἄφ-, ἔξ-, ἔφ-, κάθ-εσις usw. (ion. att.; ἕσις nur Pl. Kra. 411d, 420a als künstliche Bildung, EM 469, 49) mit ἀφέσιμος u. a. (Arist.). 4. ἐννεσίαι ‘Ratschläge’ (ep. seit Il.), ἐξεσίη ‘Aussendung’ (Hom.), ἀνεσία ‘das Nachlassen’ (Kratin.); zur Bildung s. ἐννεσίαι. 5. ἐνετή ‘Spange, Nadel’ (Il. usw.). 6. ἐν-, ἀφ-, καθ-ετήρ (Hp., hell. u. spät) mit -ετήριος usw.; καθετηρίζω, -ισμός (Mediz.). 7. ἐφέται, ἐφετμή s. bes.; ἀφέτης ‘Absender, Schleuderer’ (Plb. u. a.). 8. συνετός ‘verständig’ (Pi., ion. att., neben σύνεσις ‘Verstand’), ἄν-, ἄφ-, κάθ-ετος usw.; ἀν-, προ-ετικός (: ἄν-, πρό-εσις; X., Arist., hell.). — Die Proportion ἔθηκα : fēcī : ἕηκα : iēcī spricht entschieden für einen genetischen Zusammenhang zwischen den beiden letztgenannten Formen; weit weniger schwer fallen dafür in die Waage die parallel laufenden Komposita ἀφ-, ἐν-, προ-, συν-ίημι : ab-, in-, prō-, con-iciō, da sie ja auf Gleichheit der Bedeutung beruhen können. Anderseits stimmen die Präsentia ἵημι, wenn aus *si-sē-mi, und lat. serō ‘säen’ aus *si-s-ō der Bildung nach zueinander. Die schwerwiegende Einwendung, daß idg. sē(i)- ‘entsenden, werfen’ auf europäischem Boden sonst nur im Sinn von ‘säen’ vorkommt, wurde von arm. himn ‘Grundlage, Basis’, wenn aus idg. *sē-mn̥ (= ἧμα, lat. sēmen), in Anbetracht der vielen Berührungen zwischen Griechisch und Armenisch einigermaßen abgeschwächt werden (Frisk Eranos 41, 49f.). So verdient immerhin die Annahme Beachtung, nach der das Paradigma ἵημι, ἕηκα, pl. ἕεμεν das Resultat einer Vermischung von idg. sē(i)- und i̯ē-k- sei (Bartholomae KZ 27, 355; zuletzt Petersen Lang. 7, 125ff., Schwyzer 741 m. weiterer Lit.). Für ausschließlichen Anschluß an iaciō optieren u. a. Osthoff Etym. parerga 1, 197f., Hirt IF 12, 229, v. Windekens Philol. Stud. 11-12, 161ff., Walde (zuletzt WP. 2, 460), Hofmann s. iaciō und 1. serō, Ernout-Meillet, Bq. Dagegen für serō (ausschließlich oder hauptsächlich) Persson Beitr. 1, 358ff., Fraenkel REIE 2, 46ff. usw.; weitere Lit. bei Frisk a. a. O. I-714-715
ἰθαγενής, sek. ἰθαιγενής (Schwyzer 448 m. Lit.) ‘hier, d. h. zu Hause geboren, in rechtmäßiger Ehe geboren, eingeboren’ (ξ 203, ion., A., Arist. usw.). — Bildung wie αὐθι-γενής, Bahuvrihi von γένος mit altererbtem adverbialem Vorderglied ἰθα- = aind. ihá, prākr. idha, aw. iδa ‘hier’; vom Pronominalstamm i- in kypr. ἴν (s. d.) und mit demselben Suffix wie in ἔν-θα. Schwyzer 613 m. Lit. und 628; außerdem W.-Hofmann s. ibi, wo auch weitere Einzelheiten. Verfehlt Bechtel Lex. s. v. I-715
ἰθαρός ‘heiter, klar, rein’ (Alk., Simm., AP) s. αἰθήρ und αἴθω. I-715
ἴθματα pl. ‘Schritte, Tritte’ s. εἶμι. I-715
ἰθουλίς Fischname (BCH 60, 28; Böot., IIa), — vielleicht nur Verschreibung für ἰουλίς (s. ἴουλος und den Herausg. z. St.). I-715
ἴθρις = ἔθρις, s. d. I-715
ἴθυμβος m. Ben. eines bakchischen Gesanges mit Tanz, bzw. des Ausführers desselben (Poll. 4, 104, H., Phot.). — Bildung wie ἴαμβος, διθύραμβος usw. und wie diese ein unerklärtes Fremdwort. Verfehlte idg. Etymologie bei H. Petersson IF 34, 236’ vgl. Charpentier ebd. 35, 248. I-715-716
ἰθυπτίωνα Akk. nur μελίην ~ ‘geradefliegende Lanze’ (Φ 169, Versende). — Zusammenbildung aus ἰθύς und der Schwundstufe von πέτομαι mit Ausgang nach den Nomina auf -ων, -ίων (καταπύγων, οὐρανίων, κυλλοποδίων) für *ἰθύ-πτ-ιος (wie ὁμό-γν-ιος). Schulze Q. 309 (wo auch über die Dehnung des -ι-), Risch 52. I-716
ἰ̄θύς Adj. ‘gerade, gerecht’, auch Adv. (neben selteneren ἰθύ, ἰθέως) ‘geradeswegs’ (ep. ion. poet. seit Il.; vgl. zu εὐθύς); Superl. ἰθύντατα (Hom.; nach ἰθύνω?, anders Schwyzer 534). Oft als Vorderglied (darüber Strömberg Prefix Studies 156), z. B. ἰθυ-ωρίη, vgl. zu εὐθυωρία. Ableitungen: 1. ἰθύ̄ς f. ‘gerade Richtung, Gang, Unternehmen’, nur im Akk. ἀν’ ἰθύν, πᾶσαν ἐπ’ ἰθύν usw. (Hom.); zur Erklärung Schwyzer 463 m. A. 8, Frisk Eranos 43, 221. 2. ἰθύτης f. ‘gerade Richtung’ (Aret.). Denominative Verba: 1. ἰθύω, Aor. ἰθῦσαι, auch mit ἐπι-, ‘gerade angehen, angreifen, streben’ (ep. ion. poet. seit Il.); 2. ἰθύνω, Aor. ἰθῦναι, Pass. ἰθυνθῆναι, auch mit Präfix, δι-, ἐξ-, ἐπ-, κατ-ιθύνω usw., ‘gerade machen, richten, lenken, führen’ (ep. ion. poet. seit Il.; Schwyzer 733) mit ἰθυντήρ ‘Lenker, Führer’ (Theok., A. R. u. a.), f. ἰθύντειρα (Orph. A. 352), Adj. -τήριος ‘lenkend, führend’ (S. Ichn. 73); auch ἰθύντωρ (Orph. u. a.), ἰθύντης (H.) ‘ds.’; postverbal ἴθυνα = εὔθυνα (Chios V-IVa). — Der nicht abzuweisende Vergleich mit aind. sādhú- ‘gerade, richtig’ (neben sā́dhati, sādhnoti ‘zum Ziel kommen’) setzt einen ursprünglichen Langdiphthong, idg. sā[i]dh- : sīdh- voraus, der indessen sonst ausgeschaltet ist; die aind. Schwundstufe zeigt ĭ in sídhyati ‘zum Ziel kommen’, Ptz. siddha-. Hierher vielleicht noch arm. aǰ ‘dexter, recht’ aus *sādhi̯o-, evtl. *sədhi̯o- (Lidén Armen. Stud. 75f.). Ältere Lit. bei Bq und WP. 2, 450. Abzulehnen Sommer IF 11, 208, Wood ClassPhil. 7, 324, ders. Mod. langu. notes 18, 13f. I-716
ἱκανός ‘zureichend’, ἱκάνω ‘kommen’ s. ἵκω. I-716
ἴκελος, auch εἴκελος (nach εἰκών, εἰκάζω usw.; urspr. vielleicht nur für metrisch gedehntes ἴ̄κελος, Leumann Hom. Wörter 306 A. 76) ‘vergleichbar, ähnlich’ (ep. ion. poet. seit Il.). Als Hinterglied u. a. in θεο-(ε)ίκελος ‘götterähnlich’ (Il.) und in ἐπι-, προσ-(ε)ίκελος ‘ähnlich’ (Hom., Hdt.) von ἐπι-, προσ-έοικα; vgl. auch zu ἐπιεικής. Davon ἰκελόω ‘gleich machen’ (AP). — Altertümliche Bildung auf Grund der Schwundstufe von ἔοικα (s. d.) mit λο-Suffix (Chantraine Formation 243); vgl. ἀ-ϊκής neben ἀ-εικής. I-716
ἱκέτης ‘Schutzflehender’, auch attributivisch ‘schutzflehend’ (seit Il.), f. ἱκέτις, -ιδος (Hdt. usw.). m. Davon 1. ἱκέσιος ‘zum ἱκέτης gehörig usw.’, Beiname des Zeus als des Beschützers der Schutzflehenden, ‘schutzflehend’ (Trag. usw.); 2. ἱκεσία ‘Schutzflehen, Hilfsgesuch, Bitte’ (E., Aeschin. usw.); 3. ἱκετήσιος = ἱκέσιος (ν 213), nach φιλοτήσιος usw. (Chantraine Formation 41f.; Fraenkel Nom. ag. 2, 151f.); daneben ἱκτήριος von ἱκτήρ (s. ἵκω); durch Vermischung ἱκετηρία (sc. ῥάβδος) eig. ‘der Zweig (des Lorbeer- oder Ölbaums) der Schutzflehenden’, ‘Bittgesuch’ (ion. att.), ἱκετῆρες = ἱκέται (S. O. T. 185; lyr.), ἱκετηρίς f. (Orph. Π.); umgekehrt ἵκτης (Lyk. 763); 4. ἱκετικός = ἱκέσιος (Ph., Aq.). 5. ‘Ικέτυλλος PN (att. Inschr.; Leumann Glotta 32, 219 u. 225 A. 1). Denominativum ἱκετεύω ‘Schutzflehender sein, anflehen’ (seit Il.) mit ἱκετεία (att.), auch ἱκέτευμα (Th. u. a.), ἱκέτευσις (Suid.) = ἱκεσία; ἱκετευτικός (Sch.). — Von ἵκω, ἱκέσθαι, s. d.; mehrere Einzelheiten zur Bildung bei Fraenkel Nom. ag. (s. Index); zur Bedeutung J. van Herten Θρησκεία, εὐλάβεια, ἱκέτης. Diss. Utrecht. Amsterdam 1934. I-717
ἰκμάς, -άδος f. ‘Feuchtigkeit, Sekret’ (Ρ 392, Hdt., Hp., Ar., Arist. usw.). Als Hinterglied (mit Umbildung nach den ο-Stämmen) ἄν-, ἔν-, δύσ-ικμος (Hp., Arist. usw.), als Vorderglied in ἰκμό-βωλον n. ‘feuchter Erdkloß’ (Dsk.; zum Ntr. vgl. zu διόσπυρον). Ableitungen: ἰκμαδώδης (H. s. ἴκμενος), ἰκματώδης (Ach. Tat.; nach αἱματώδης) ‘feucht’; auch ἰκμαῖος (A. R., Nonn.), ἴκμιος (Kakl., Nonn.), ἰκμώδης (Sch.), ἰκμαλέος (Hp., Opp. u. a.; Debrunner IF 23, 8); ἰκμαίνω ‘feuchten, benetzen’ (A. R., Nik.). Hierher noch die Rückbildung ἴκμη ‘Entengrün, Lemna minor’ (Thphr.; anders über die Bildung Strömberg Pflanzennamen 113); auch ’Ικμάλιος τ 57?; unsichere Vermutung von Lacroix Coll. Latomus 28, 309ff. — Bildung auf -άδ- wie νιφάς u. a. (Schwyzer 507f., Chantraine Formation 349ff.), zunächst von einem μ-Stamm; daß dieser in den meist späten Ableitungen ἰκμαῖος usw. Spuren hinterlassen hätte, ist wenig wahrscheinlich. Ein primärer Aorist scheint in ἷξαι· διηθῆσαι H. erhalten zu sein; außerhalb des Griechischen gibt es mehrere Verwandte, z. B. aind. siñcáti ‘ausgießen’ (Nasalpräsens), germ., z. B. ahd. sīhan ‘seihen’ (primäres Wurzelpräsens), aksl. sьčati ‘harnen’ (Iterativbildung). Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 466f., Pok. 893, W.-Hofmann s. siat. I-717
ἰκμάω ‘worfeln’ s. λικμάω. I-717
ἴκμενος Beiw. von οὖρος ‘Wind’ (Α 479, Od.), — athematisches Ptz. wie ἄρμενος, ἄσμενος u. a. (Schwyzer 524, Chantraine Gramm. hom. 1, 384), vielleicht urspr. sigmatisch (Schwyzer 751). — Wahrscheinlich von ἵκω, ἱκέσθαι ‘kommen’, aber eig. Bedeutung unklar: viell. "mit dem man vorwärts kommt, bei dem man gut hinkommt" (WP. 2, 465, Schwyzer), d. h. ‘günstig’. Nach Schulze Q. 493 mit Zustimmung von L. Meyer, Bechtel Lex., Fraenkel Nom. ag. 1, 52 A. 2 (S. 53) dagegen ‘erwünscht’ (vgl. lat. flatus optati), zu προ-ΐκτης, ἱκετεύω usw., und wie diese nicht von ἵκω ‘kommen’, sondern von einem Verb ‘bitten’ (got. aihtron; auch αἰκάζει· καλεῖ H.). I-717-718
ἱκνέομαι ‘kommen’ s. ἵκω. I-718
ἰκνύς, -ύος f. ‘Staub, Asche’ (Kyrene); vgl. ἴκνυον· κονίαν, σμῆμα H. und ἰγνύς ‘ds.’ (Hp. Nat. Mul. 88). — Bildung wie λιγνύς ‘Rauch, Ruß’, aber sonst unklar; nach v. Blumenthal Hesychstud. 39 zu idg. seiq- ‘trocken’ (WP. 2, 467). Vgl. W.-Hofmann s. ignia. I-718
ἴκρια (wahrscheinlich ῑ-; Ar. Th. 395, Kratin. 323) n. pl. ‘Aufbauten, Verdeck’, eig. ‘die (stehenden) Stützbalken desselben’? (Hom., B. u. a.), ‘Gerüst, Plattform, Zuschauerplätze’ (Hdt., Kom., Inschr. usw., vgl. Beare ClassRev. 53, 54f.); sg. ‘Mast’ (Eust. 1533, 31 [?]). Kompp. ἰκρισ-ποιέω ‘ein Gerüst aufbauen’ (hell. Inschr.), ἐπ-ίκριον n. ‘Segelstange, Rahe’ (ε 254, 318, A. R.), eig. Hypostase: ‘auf den ἴκρια befindlich’; als Adj. Nik. Th. 198? Denominatives Verb ἰκριόω ‘mit ἴκρια versehen, ein Gerüst errichten’ (att. Inschr., D. C.) mit ἰκρίωμα ‘Gerüst’ und ἰκριωτῆρες pl. ‘(stehende) Stützbalken, Pfeiler’ (att. Inschr.; oft hικ- geschr.). — Technischer Ausdruck ohne Etymologie, vgl. Chantraine Étrennes Benveniste 8, Hermann Gött. Nachr. 1f. Hypothese von Bezzenberger BB 27, 162 (zu russ. ikrá ‘Wade’; dazu Vasmer Russ. et. Wb. s. v.); nicht besser Gray AmJPh 53, 67ff. (zu apers. yakā Art Holz; zur Bed. Kent Old Persian [1950] 204). I-718
ἰκταίνω s. 1. ἴκταρ. I-718
ἴκταρ 1. Adv. u. Präp. m. Gen. (Dat.) ‘nahe, nahe bei’ (Hes., Alkm., A. u. a.). — Zur Bildung vgl. ἄφαρ, εἶθαρ u. a. (Schwyzer 630f.), wohl eig. wie diese ein Verbalnomen auf -(τ)αρ; schon von Pott zu lat. īcō ‘schlagen’ gezogen und als "anstoßend" erklärt; vgl. aind. ghanám und taḍítas Adv. ‘nahe’ von han- ‘schlagen’ bzw. taḍ- ‘stoßen’. Vgl. ἴγδις und αἰχμή; außerdem Belardi Doxa 3, 207. — Unklar auch der Bedeutung nach ist ὑπερικταίνοντο (πόδες) ψ 3, nach Aristarch = ἄγαν ἐπάλλοντο; gewöhnlich (s. Debrunner IF 21, 66) mit ἴκταρ zusammengestellt; vgl. noch Schwyzer-Debrunner 519. Eine v. l. ὑποακταίνοντο ist bei H. mit ἔτρεμον glossiert; dazu Bechtel Lex. s. ἰκταίνω. I-718
ἴκταρ 2. (Kall. Fr. 38, Eust.), ἰκτάρα H. m. Ben. eines kleinen wertlosen Fisches; auch κτάρα· ἰχθῦς βραχύτερος πάντων H., ἀκτάρα (Sch. Opp. H. 1, 762). — Dunkles Fremdwort; zum Sachlichen Thompson Fishes s. v. I-719
ἴκτερος m., oft pl. ‘Gelbsucht’ (Hp.), auch N. eines Vogels = lat. galgulus (Plin.; nach der Farbe). Davon ἰκτερικός, ἰκτερώδης ‘gelbsüchtig, auf die Gelbsucht bezüglich’ (Mediz.), auch ἰκτεριώδης ‘ds.’ (Hp., Dsk.; nach ἰκτεριάω) und ἰκτερόεις ‘ds.’ (Nik.; poetisch, Schwyzer 527); ἰκτερῖτις f. ‘Rosmarin’ (Ps.-Dsk.; als Heilmittel gebraucht; Redard Les noms grecs en -της 72, Strömberg Wortstudien 29), -ίτης ‘ds.’ (Gloss.); ἰκτερίας N. eines gelblichen Steins (Plin.; wie καπνίας u. a., Chantraine Formation 94). Denominativa ἰκτερόομαι (Hp., Gal.), ἰκτεριάω (M. Ant., S. E. usw.; Bildung Schwyzer 732) ‘an der Gelbsucht leiden’. — Bildung wie ὕδερος, χολέρα (Schwyzer 481, Chantraine Formation 228), sonst dunkel. Die Zusammenstellung mit ἴκτις, ἰκτῖνος (Prellwitz BB 30, 176, Wb. 195; wegen der Farbe) ist von Grošelj Živa Ant. 6, 236f. unter Annahme einer Farbwurzel ἰκ- ‘gelb, grün’ (wozu auch ἰκμαλέον· χλωρόν, ὑγρόν H. [?]) wieder aufgenommen worden. Verfehlte ältere Versuche bei Bq (ebenso Walleser WuS 14, 165 u. 173). I-719
ἰκτῖνος m. (ion. att.), sekundär ἰκτίν (-ίς), -ῖνος (Kom., Paus. u. a., vgl. Thompson Birds s. v.; nach δελφίς) ‘der Weihe, Hühnergeier’. — Bildung wie ἐχῖνος u. a. (Schwyzer 491, Chantraine Formation 204), aber wahrscheinlich altererbt und mit arm. c̣in ‘ds.’ identisch (zum Lautlichen Schwyzer 413 und 325; dazu Deroy Ant. Class. 23, 305ff.). Aind. śyená- m. ‘Adler, Falke’, aw. saēna- N. eines großen Raubvogels weichen lautlich stark ab; Erklärungsversuch bei Merlingen Μνήμης χάριν 2, 53f. — Lit. bei Bq und WP. 1, 505, wo auch weitere Einzelheiten. S. auch zu ἴκτερος. I-719
ἴκτις, -ιδος (ἰκτίς, -ίδος) f. ‘Marder’ (Ar., Arist., Nik.); davon κτίδεος (ἰκτίδεος Suid.) in κτιδέη κυνέη ‘Helm aus Marderfell’ (Κ 335, 458) mit Apokope des Anlautvokals, vielleicht durch Umgliederung der Wortfuge (P. Maas KZ 60, 286, Leumann Hom. Wörter 53f.); durch künstliche Rückbildung κτίς H. s. κτιδέα. — Ohne Etymologie; vgl. zu ἴκτερος. I-719
ἵκω (ep. lyr. dor. ark.), ἱκάνω (ep. lyr., vereinzelt trag.), ἱκνέομαι (seit Od., fast nur mit Präfix, s. unten), Aor. ἱκέσθαι, Fut. ἵξομαι (seit Il.) mit dem ep. Aor. ἷξε, ἷξον (Schwyzer 788, Chantraine Gramm. hom. 1, 418f., Leumann Glotta 32, 213), Perf. ἷγμαι (seit Od.), oft, in der Prosa fast ausschließlich mit Präfix, bes. ἀφ-, ἀπ- (wozu εἰσ-, συν-αφ-ικνέομαι u. a.), auch ἐξ-, ἐφ-, καθ- u. a. (dazu Fraenkel Glotta 35, 88ff. mit baltischen Parallelen), ‘kommen, gelangen, erreichen’. Ableitungen: 1. ἵξις (ἴξις) ‘Streckung, Richtung’ (Hp. usw.), von ἀφικνέομαι usw. ἄφιξις ‘Ankunft’ (ion. att.), selten u. spät ἔφ-, κάθ-, δί-ιξις; 2. ἵκτωρ, ἱκτήρ = ἱκέτης, ἱκέσιος, auch προσ-, ἀφ-ίκτωρ ‘ds.’, (trag.) mit ἱκτήριος (S.); Versuch einer semantischen Differenzierung von Benveniste Noms d’agent 46; 3. ἱκέτης mit ἱκετεύω usw. s. bes.; daneben (προσ-)ἵκτης (hell. Dichtung); 4. πόθ-ικ-ες pl. ‘προσήκοντες, Angehörige’ (Tegea Va); 5. ἱκανός ‘zureichend, genügend’ (ion. att. Prosa), vgl. πιθανός u. a. (Chantraine Formation 196f.); s. noch ἴκμενος, προίξ. — Neben dem langvokalischen aktiven thematischen Wurzelpräsens ἵ̄κω (ursprünglich Perfektum? Wackernagel Glotta 14, 56ff.) steht der kurzvokalische mediale thematische Wurzelaorist ἱκέσθαι; kurzvokalisch sind ebenfalls das aktive ἱκά̄νω (nach φθάνω, κιχάνω, Schwyzer 698 m. A. 3 und Lit.) und das mediale ἱκνέομαι (Schwyzer 696a, Chantraine Gramm. hom. 1, 352f.), außerdem ἱκανός und andere Nominalbildungen. Die normale Hochstufe kommt in dem semantisch abweichenden ἐνεῖκαι ‘hintragen’ (s. d.) zum Vorschein (Brugmann Grundr.2 2 : 3, 92); daneben stehen langvokalische Formen nicht nur in ἵ̄κω, sondern auch in ἥκω (s. d.). Als gemeinsame vokalische Grundlage wäre also ein Ablaut ei : ĭ einschließlich langdiphthong. ēi : ī mit daraus hervorgegangenem ē anzuerkennen. — Eine annehmbare Anknüpfung bietet lit. siékiu, siékti ‘mit der Hand langen, schwören’, at-siékiu ‘mit der Hand erreichen’ (Fick GGA 1891, 207), idg. somit seiq-, siq-, sē[i]q-, sīq- (Bq, WP. 2, 465f., wo auch weitere ältere Lit., Pok. 893); Schmid IF 62, 229 A. 41 denkt an toch. B sik-naṃ, Konj. saikaṃ ‘den Fuß setzen’. I-719-720
ἱλάειρα, ἵλαος, ἱλαρός, ἵλεως s. ἱλάσκομαι. I-720
ἱλάσκομαι (seit Il.), vereinzelt ἵλαμαι (h. Hom. 19, 48; 21, 5; Inf. ἵλασθαι Orph. A. 944; zur Quantität usw. des Anlauts in diesen und den folgenden Formen s. unten), ἱλάονται (Β 550, ἱλάεσθαι A. R. 2, 847); Aor. ἱλάσ(σ)ασθαι (seit Il.), ἱλάξασθαι (delph., A. R.), Pass. ἱλασθῆναι (LXX usw.); Fut. ἱλάσ(σ)ομαι (Pl., Orac. ap. Paus. 8, 42, 6), ἱλάξομαι (A. R.); Perf. Ipv. äol. ἔλλαθι (Gramm., B. 10, 8), pl. ἔλλατε (Kall. Fr. 121); daneben ἵλᾰθι, ἵλᾰτε (Theok., A. R. u. a.), ἵληθι (γ 380, π 184), vgl. unten; Konj. ἱλήκῃσι (φ 365), Opt. ἱλήκοι usw. (h. Ap. 165, AP, Alkiphr.), auch mit Präfix, bes. ἐξ-, ‘günstig, gnädig stimmen, versöhnen’, Perf. intr. und Aor. Pass. ‘günstig, gnädig sein’. Ableitungen: ἐξίλασις, (ἐξ-)ἱλασμός (LXX u. a.), ἱλασία (Inschr. Kaiserzeit), (ἐξ-)ἵλασμα ‘Versöhnung, Sühnopfer’ (LXX), ἱλάσιμος ‘versöhnlich’ (M.Ant.; nach ἰάσιμος u. a., Arbenz Die Adj. auf -ιμος 93), ἱλαστήριος ‘sühnend’, -ιον ‘Sühnmittel usw.’ (LXX, Pap. u. a.), auch (analogisch) ἱλατήριον (Chron. Lind.), ἱλαστής ‘Versöhner’ (Aq., Thd.) mit ἐξιλαστικός (Corn. u. a.). — Daneben stehen ältere Bildungen: 1. ἵλαος (ep. lyr. ark.; zur Quantität des α unten), ἵλεως (att., auch ion.), ἵλεος (kret. seit IIIa, auch Hdt.), hιλέ̄ϝο̄ι Dat. (lak., IG 5 : 1, 1562, VI-Va), ἴλλαος (äol., Gramm.) ‘gnädig, gütig’; ark. ‘gesühnt’; denominatives Verb ἱλαόομαι (ΜΑΜΑ 1, 230), ἱλεῶμαι, ἱλεόομαι (A. Supp. 117 [lyr.], Pl. u. a.; vgl. Schulze Kl. Schr. 324f.) ‘gnädig stimmen’ mit ἱλέωσις (Plu.), ἱλεωτήριον (Phot., Suid.). 2. ἱλαρός ‘heiter, fröhlich’, spät auch = ἵλεως (Ar., X., hell. u. spät) mit ἱλαρότης, ἱλαρία, ἱλαρόω, -ρύνω, -ρεύομαι (hell. u. spät); lat. LW hilarus, -is. 3. ἰλλάεις, -εντος (Alk.), ἱλᾶς, -ᾶντος (Hdn. Gr., H.) = ἴλλαος, ἵλαος und daraus erweitert (vgl. Schwyzer 527). 4. ἱλάειρα f. von φλόξ und σελήνη (Emp.; Quantität schwankend, vgl. unten), daneben ἑλάειρα (Sch., Steph. Byz.) und ΕΛΕΡΑ (Kretschmer Vas. 208; s. noch Schulze Kl. Schr. 716), Neubildung nach πίειρα, κτεάτειρα, Δάειρα usw., Chantraine Formation 104, Schwyzer 543. — Entscheidend für die Beurteilung des obigen Formensystems ist der äol. Imperativ ἔλλαθι, ἔλλατε, der für *σε-σλα-θι, -τε stehen kann und somit wie τέ-τλα-θι, ἕ-στα-θι, δείδιθι = δέ-δϝι-θι als eine Perfektform aufzufassen ist. Die metrisch feststellbare Länge des α in ἔλλᾱθι bei B. 10, 8 muß wie in ἵλᾱος (s. unten) sekundär sein. Das entsprechende ion. att. *εἵλαθι, dessen Reduplikation durch die Lautentwicklung nicht mehr erkennbar war, wurde nach φάνηθι usw. von εἵληθι· ἵλεως γίνου H. abgelöst. Ein anderer Angelpunkt der Formenbildung war das reduplizierte Präsens ἱ̄λάσκομαι aus *σι-σλᾰ́-σκομαι (wie δι-δᾰ́-σκω u. a.), dessen anlautende Vokallänge auch in anderen Formen Eingang fand: Perf. Konj. und Opt. ἱλήκῃσι, ἱλήκοι für *εἱλ- (Ind. *εἵληκα wie εἴρηκα, τέ-τλη-κα), vielleicht auch in ἵλᾰθι, -τε und hom. ἵληθι (vgl. εἵληθι H.), das sich indessen auch als redupliziertes athematisches Wurzelpräsens (*σι-σλη-θι) erklären läßt. Auch in die Aorist- und Futurformen ἱλάσ(σ)ασθαι, ἱλάξασθαι, ἱλάσσομαι, ἱλάξομαι ist die Länge eingedrungen; daneben besteht die Kürze in ἱλάσσεαι (Α 147), ἱλασσάμενοι (Α 100), ἵλαμαι (h. Hom.; aber ἵ̄λασθαι Orph.), ἱλάομαι, auch in ἱλαρός und ἱλάειρα (Emp. 85). Da das kurze ῐ- ablautsmäßig nicht zu begreifen ist, liegt es nahe, darin einen Ersatz für ε- (ἑλάειρα [s. oben], *ἕλαμαι, *ἑλαρός) nach ἱλάσκομαι zu sehen. — Auch ἵληϝος, ἵλεως, ἵλᾰος gehen (mit Ablautswechsel) von dem reduplizierten Stamm *σι-σλη-, σι-σλᾰ- aus; das langvokalische ἵλᾱος (Α 583 usw.; dazu ἱλᾰ́ειρα Emp. 40) läßt sich als eine äolisierende bzw. dorisierende Umbildung von ἵλεως (nach νᾱός : νεώς, λᾱός : λεώς) erklären. Zu diesem offenbar alten Wort mit dem Ablaut selə- : slē- : slə- (vgl. telə- : tlā- : tlə- in τελα-μών : ἔ-τλᾱ-ν : τέ-τλᾰ-θι) gibt es keine sichere außergriechische Entsprechung. Möglich ist die auf Fick 1, 564 und Froehde BB 9, 119 zurückgehende Zusammenstellung mit den allerdings ganz anders gebildeten lat. sōlor ‘trösten’, germ., z. B. got. sels ‘χρηστός’, ahd. sālig ‘selig’. — Weiteres zu den griechischen Formen (nach Froehde a. a. O., Solmsen KZ 29, 350f., Schulze Q. 466f., Bechtel Lex. 175ff., Wackernagel Unt. 81) bei Schwyzer 281, 681, 689 m. A. 2, 710, 800 usw., Chantraine Gramm. hom. 1, 13; 22; 299; 427 usw. I-721-722
ἴλη, dor. ἴλα f. ‘Schar, Truppe’, bes. eine Abteilung der spartanischen Jugend, Rotte, bes. der Reiterei = lat. turma (Pi., S., X. u. a.). Als Vorderglied in ἰλ-άρχης, auch -αρχος (hell. u. spät; Fraenkel Nom. ag. 2, 145f.) mit ἰλαρχέω, -ία, böot. ϝιλαρχίω; H. βειλάρχας als Erklärung von βειλαρμοστάς (tarent.). Davon ἰλαδόν ‘scharenweise, in Geschwadern’ (Β 93, Hes. Op.287, Hdt.), metrisch bequemer als *ἰληδόν; vgl. noch Schwyzer 626, Haas Μνήμης χάριν 1, 143. — Aus ἴλλαι· τάξεις, συστροφαί H. folgt ein ursprüngliches *ϝίϝλαι, zu ἴλλω ‘zusammendrängen’ aus *ϝί-ϝλ-ω (s. 1. εἰλέω). Wenn damit identisch, zeigt ἴλη eine unerklärte Vereinfachung der Geminata mit Ersatzdehnung. Nach Solmsen Unt. 227 A. 1 ist von *ϝίλ-νᾱ auszugehen mit ι als Schwächung von ε wie u. a. in πίλναμαι, das indessen eher analogisch zu verstehen ist. Anders Bezzenberger BB 27, 163. Ähnlich ἴλιγγος neben εἴλιγγος von dem homonymen εἰλέω, ἴλλω ‘drehen’; vgl. dazu Solmsen Unt. 243f. I-722
ἴλια · μόρια (δῶρα cod.) γυναικεῖα; ἴλιον· τὸ τῆς γυναικὸς ἐφήβαιον δηλοῖ. καὶ κόσμον γυναικεῖον παρὰ Κῴοις H. — In der letztgenannten Bedeutung liegt es nahe, ἴλια zu 2. εἰλέω ‘drehen, winden’ (vgl. z. B. ἅλυσις) zu ziehen mit ι für ει wie in ἴλη. Im übrigen bietet sich mit Fick 2, 46 zum Vergleich lat. īlia, -ium n. pl. ‘die Weichen, der Unterleib, Eingeweide, Mutterleib’ (vgl. zu ἰξύς); dabei denkt man eher an Entlehnung (aus dem Latein?) als an Urverwandtschaft. — Allerlei unwahrscheinliche oder unbeweisbare Hypothesen sind bei WP. 1, 163f., W.-Hofmann s. īlia erörtert; über die daselbst erwähnten germ. Wörter, ano. īl f. ‘Fußsohle’ usw., s. die ausführliche Behandlung von Lidén GHÅ 40 (1934) : 3, 15ff. I-722
ἴλιγγος, ἶλιγξ s. εἴλιγγος, εἶλιγξ. I-722
ἰλλός f. ἰλλίς· στρεβλή, διεστραμμένη H. ‘schielend’ (Ar., Sophr. u. a.), Davon ἰλλώδης ‘ds.’ und ἰλλαίνω (Hp.), ἰλλώπτω (Kom., vgl. Debrunner IF 21, 211f.), ἰλλίζω (Suid.) ‘schielen, einen schief ansehen usw.’, außerdem ἴλλωσις ‘das Schielen’ (Hp.) wie von *ἰλλόω. PN ’Ιλλεύς (Boßhardt Die Nom. auf -ευς 132). — Von ἴλλω ‘drehen, winden’, s. 2. εἰλέω. I-723
ἴλλω 1. ‘zusammendrängen’, 2. ‘drehen’ s. 1. und 2. εἰλέω. I-723
ϝίλσις ‘Drangsal’ s. 1. εἰλέω. I-723
ἰ̄λύ̄ς, -ύος f. ‘Schlamm, Kot, Morast’ (ion. seit Il., Arist. usw.)· Davon ἰλυώδης (Hp., hell. u. spät), ἰλυόεις (A. R., Nik.; poetische Bildung, vgl. Schwyzer 527) ‘schlammig, morastig’; ἰλύωμαι· ἐρρύπωμαι H. Außerdem ἰλύματα (Gal. 13, 45) durch Kreuzung mit λύματα. Adjektiviert ἰλύ (εἰλύ cod.)· μέλαν H. — Bildung wie ἀχλύ̄ς u. a. (Schwyzer 495) und bis auf den Ausgang mit einem slavischen Wort für ‘Schlamm’ identisch, z. B. aksl. russ. ilъ, Gen. ila (alter u-Stamm); dazu noch lett. īls ‘stockfinster’. Weitere Formen bei WP. 1, 163 und Vasmer Russ. et. Wb. s. v.; daselbst wie bei Bq (und W.-Hofmann s. lutum und silva) auch Lit. und ältere, verfehlte Deutungen. I-723
ἱμαλιά f. ‘Mehlhaufen, Überschuß an Mehl, Überfluß’, nach H. = τὸ ἐπίμετρον τῶν ἀλεύρων. ἐπιγέννημα ἀλετρίδος. καὶ ὁ ἀπὸ τῶν ἀχύρων χνοῦς. καὶ περιουσία. Daneben ἱμαλίς, -ίδος f. ‘Ertrag (an Mehl) usw.’, nach H. = νόστος, δύναμις, ἐπικαρπία, ἡδονή, ἀπαρχὴ τῶν γινομένων; ähnlich Trypho ap. Ath. 14, 618d (dorisches Wort); außerdem im Sinn von ‘Mühlengesang, ἐπιμύλιος ᾠδή’ (H., Poll.) und als Beiname der Demeter in Syracus (Polem. Hist. 39). — Adj. ἱμάλιος, nach H. = πολύς, ἱκανός, νόστιμος usw., auch als Monatsname in Hierapytna (GDI 5040, 4). — Volkstümliche Ausdrücke der Landwirtschaft, die in der Literatur fast nicht vertreten sind. Zu ἱμαλιά vgl. zunächst ἁρμαλιά ‘zugeteilte Nahrung, Portion’, ἀχυρμιά ‘Spreuhaufen’, φυταλιά ‘Gartenpflanzung’ u. a.; an ἱμαλίς erinnern τροφαλίς ‘frischer Käse’, μολυβδίς ‘Bleiklumpen’ und andere Sekundärbildungen auf -ίς (Chantraine Formation 342ff.). Als Grundwort ist eine primäre μαλ-Ableitung (‘das Sieben, gesiebtes Mehl’) von einem Verb ‘sieben, seihen’ anzunehmen, s. ἠθέω mit weiteren Anknüpfungen; vgl. noch die Lit. zu ἁρμαλιά. — Zu lat. simila ‘feinstes Weizenmehl’ s. σεμίδαλις. I-723
ἱμανήθρη f. ‘Brunnenseil’ (Herod. 5, 11). — Bildung wie κολυμβήθρα (: κολυμβάω), ἀλινδήθρα (: ἀλινδέω, ἀλίνδω) u. a. (Schwyzer 533, Chantraine Formation 373f.), somit von einem Verb *ἱμανάω (Bechtel Dial. 3, 304) oder von *ἱμαίνω; s. zu ἱμάς. I-723
ἱμάς-, -άντος m. ‘lederner Riemen, zum Ziehen, Peitschen usw., Schuhriemen, Türriemen usw.’, als bautechnischer Ausdruck ‘dicke Latte, Balken’ (seit Il.; vgl. Delebecque Cheval 63, 187f.). Als Vorderglied z. B. in ἱμαντ-ελίκται pl. "Riemendreher", Ben. der Sophisten bei Demokr. 150, ἱμαντελιγμός N. eines Spiels (Poll. 9, 118), Zusammenbildungen aus ἱμάντας ἑλίσσειν, vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 244 m. A. 1. Zahlreiche Ableitungen: Deminutiva ἱμάντιον (Hp.), ἱμαντ-άριον (Delos IIa u. a.), -ίδιον (EM), -ίσκος (Herod.); Adj. ἱμάντινος ‘aus Riemen’ (Hdt., Hp.), ἱμαντώδης ‘riemenartig’ (Pl., Dsk., Gal. u. a.); denominative Verba: 1. ἱμάσσω, Aor. ἱμάσαι a) ‘peitschen’ (ep. seit Il.) mit ἱμάσθλη ‘Peitsche, Geißel’ (ep. seit Il.); daneben μάσθλης (durch Kreuzung mit μάστιξ?, vgl. zu μαίο-μαι; anders über ἱμάσσω, ἱμάσθλη Schwyzer 533, 725 A. 3, Belardi Maia 2, 274ff.); b) ‘mit ἱμάντες, d. h. Balken versehen’ nur in ἱμασσια ‘Gebälk?’ (IG 4, 823, 26, Troizen IVa; s. Fraenkel Nom. ag. 1, 149 m. A. 1, Bechtel Dial. 2, 510, Scheller Oxytonierung 113 A. 1). 2. ἱμάσκω ‘prügeln’ (‘fesseln’?; Del.3 409, 7; vgl. Brugmann IF 29, 214). 3. ἱμαντόω ‘mit ἱμάντες, d. h. Bettgurt versehen’ in ἱμαντωμένην κλίνην (H. s. πυξ<ίνην>; davon ἱμάντωσις (LXX, Poll.), ἱμάντωμα H. — Daneben, von ἱμάς unabhängig, aber damit verwandt: 1. ἱμαῖος (sc. ᾠδή), ἱμαῖον (μέλος, ᾆσμα) ‘Lied beim Wasserschöpfen’ (Kall., Tryphon, Suid.) mit ἱμαοιδός (haplologisch für ἱμαιο-αοιδός) ‘der ein ἱμαῖον singt’ (Poll., H.); 2. ἱμάω ‘(Wasser) an einem Seil (aus einem Brunnen) heraufholen’, auch übertr. (Arist., Ath. u. a.), gewöhnlich ἀν-, καθ-ιμάω (Ar., X. usw.) mit ἱμητήρ (κάδος, Delos IIa), ἱμητήριος (H. s. ἱβανατρίς), ἀν-, καθ-ίμησις (Plu. u. a.); 3. ἱμονιά ‘Brunnenseil’ (Kom., Ph., Luk. u. a.; Scheller Oxytonierung 75f.); 4. ἱμανήθρη ‘ds.’ s. bes. — Als sekundäre Bildung auf -ντ- (Schwyzer 526 m. Lit., bes. Kretschmer Glotta 14, 99f.) setzt ἱμάς ein Nomen voraus, das auch in ἱμάω, ἱμαῖος vorliegen kann und somit als *ἱμᾱ ‘Seil’ anzusetzen ist (ἱμαῖος von ἱμάω wie δαμαῖος von δαμάζω u. ä.?; vgl. Chantraine Formation 48f.); daneben liegt in ἱμον-ιά (ebenso wie in καθ-, κατ-ιμονεύει· καθίησι, καθιεῖ H., wenn nicht zu ἱμονιά frei gebildet) ein ν-Stamm, wahrscheinlich *ἱμων vor; ähnlich geht ἱμανήθρη über *ἱμανάω, evtl. *ἱμαίνω auf *ἱμάνη (vgl. πλεκτάνη, ἀρτάνη), bzw. *ἷμα zurück; vgl. z. B. γνώμη : γνῶμα : γνώμων. Bemerkenswert ist die schwankende Quantität des Anlautvokals: gegen Länge in ἱμονιά, ἱμανήθρη, καθ-ιμάω steht Kürze in ἱμαῖος, gewöhnlich auch in ἱμάς (bis auf Φ 544, Κ 475 u. a., vgl. Schulze Q. 181, 466 A. 1) mit Kompp. und Ableitungen; der Wechsel geht letzten Endes auf alten Ablaut zurück, vgl. unten. — Zu *ἱ̄μων stimmt genau ein germ. Wort für ‘Seil, Strick’, z. B. awno. sīmi, asächs. sīmo m.; dazu mit abweichender Bedeutung aind. sīmán- m. f. ‘Scheitel, Grenze’, idg. *sī-mon-, sī-men-; formal identisch sind ebenfalls *ἱμᾱ und aind. sīmā f. ‘Grenze’; ein m-Suffix noch in irisch sim ‘Kette’. Das primäre Verb ‘binden’ ist noch im Indoiranischen, Baltischen und Hethitischen vorhanden, z. B. aind. sy-ati, si-nā́-ti, Ptz. sĭ-ta-, lit. sienù, siẽti, heth. išḫii̯a-, 3. sg. išḫāi. Die nominalen Ableitungen sind sehr zahlreich, u. a. ahd. nhd. seil (unsichere Hypothesen über die Nominalsuffixe bei Specht Ursprung 227). Weitere Formen mit Lit. bei Bq, WP. 2, 463f., Pok. 891f. — Eine auffallende Ähnlichkeit zeigt die Gruppe ἰβάνη, ἴβανος usw. (s. v. und zu εἴβω); dabei ist eher sekundäre Angleichung als alter Wechsel β ~ μ (Kuiper Μνήμης χάριν 1, 212f.) anzunehmen. I-724-725
ἱμάτιον n. (att.), ion. εἱμάτιον (εματιοις Keos), dor. ἡμάτιον (Kyrene IVa) ‘Oberkleid, Kleid, Gewand’, oft pl. -ια (vgl. Schwyzer-Debrunner 43). Als Vorderglied z. B. in ἱματιο-πώλης ‘Kleiderhändler’ (Kritias, Pap. u. a.). Davon die Deminutiva ἱματίδιον, -ιδάριον (Ar. usw.) und das denominative ἱματίζω ‘bekleiden’ (Pap., NT u. a.) mit ἱματισμός (εἱμ-) ‘Bekleidung, Garderobe’ (Thphr., Plb., Pap. u. Inschr.). — Familiäres Deminutivum von εἷμα, kret. ϝῆμα (s. ἕννυμι) mit frühem Übergang von ει (= ē) zu ῑ. Wackernagel IF 25, 330 (= Kl. Schr. 2, 1026), s. auch Schwyzer 193 und Scheller Oxytonierung 20f.; ältere Lit. bei Bq. — Nicht zu lat. vīmen ‘Rute zum Flechten’ (Froehde BB 21, 204, Ehrlich Betonung 147A. 1) oder zu aind. véṣa- ‘Tracht, Anzug’ (Kalén Quaest. gramm. graecae 108). I-725
ἱμάω ‘an einem Seil ziehen’ s. zu ἱμάς. I-725
ἴμβηρις · ἔγχελυς. Μηθυμναῖοι H. — Im Ausgang zu λεβηρίς ‘Schlangenhaut’ stimmend (Muller Altital. Wb. 30; somit ἰμβηρίς zu betonen?), erinnert das griech. Wort zunächst an einige baltoslavische Wörter für ‘Aal’, z. B. lit. ungurỹs, russ. úgorь, idg. *engu̯- (de Saussure MSL 6, 78f.) mit Übergang von ε zu ι vor (gutturalem) Nasal und äolischer Entwicklung des idg. gu̯ (Schwyzer 275f.; vgl. ebd. 352; auch 300 und 302). Über die unklare Beziehung zu ἔγχελυς, lat. anguilla usw. vgl. oben s. v. und W.-Hofmann (s. anguis) m. weiterer Lit. Die Annahme illyrischer Herkunft (Bonfante, Barić) steht auf sehr schwachen Füßen, vgl. Mayer Glotta 32, 67. I-725
*(ϝ)ίμβω Aor. ἴμψας· ζεύξας. Θετταλοί H. ‘anschirren’? Dazu Ἴμψιος· Ποσειδῶν ὁ Ζύγιος, ἴψον· δεσμωτήριον, ἰψόν· τὸν κισσόν. Θ<ο>ύριοι; γιμβάναι (= ϝ-)· ζεύγανα H. Bechtel Dial. 1, 206 >zieht noch (zögernd) heran den böot. EN ϝιμππίδας. — Zwei Hypothesen: zu lat. vinciō ‘umwinden’, vicia ‘Wicke’ mit labiovelarem Auslaut (Fick u. a.; s. W.-Hofmann s. v.); zu got. bi-waibjan ‘umwinden’ usw. (WP. 1, 241, Persson Beitr. 1, 323 A. 1). Zur Wortbildung noch Solmsen Wortforsch. 173 A. 2 (S. 174), Schwyzer 692; s. auch Latte zu γιμβάναι. I-725-726
ἴ̄μερος m. ‘Sehnsucht, Liebessehnsucht, Liebe’ (vorw. ion. poet., vgl. Leumann Hom. Wörter 313 m. A. 90). Kompp., z. B. ἐφ-ίμερος ‘von Sehnsucht, Liebe erfüllt, lieblich, anmutig’ (Hes., Archil., A. usw.), ἱμερό-γυιος ‘mit anmutigen Gliedern’ (B.). Ableitungen: ἱμερόεις ‘sehnsüchtig, anmutig’ (ep. poet. seit Il.), ἱμερώδης ‘ds.’ (Kallistr.); ἱμείρω, -ομαι, auch ἐφ-, ‘sich sehnen, verlangen’ (ep. ion. poet. seit Il.) mit ἱμερτός ‘ersehnt, anmutig, lieblich’ (ep. poet. seit Β 751, späte Prosa). — Nicht sicher erklärt. Die Anknüpfung an aind. iṣmá- ‘Frühling, Liebe(sgott)’ (Lex.), iccháti (< *is-sḱé-ti) ‘wünschen’ (Curtius, Fick, Solmsen KZ 29, 78f., Sommer Lautstud. 27f.), obwohl semantisch ausgezeichnet (Bedeutung ‘Liebe(sgott)’ immerhin erfunden?, s. Mayrhofer Wb. s. v.), läßt die griechische Wortbildung unerklärt. Deshalb vielleicht eher mit Bally MSL 12, 321 aus *si-smero-s bzw. *si-smer-i̯ō mit intensifierender Reduplikation wie in aw. hi-šmarənt- ‘aufpassend’ zu aind. smárati (< *sméreti) ‘sich erinnern, gedenken’; vgl. μέριμνα, μέρμερος, μάρτυς; ἵμερος, ἱμείρω somit eig. ‘lebhaftes Gedenken’, ‘sich lebhaft erinnern, heftig über etw. sinnen’ o. ä. (vgl. aind. smará- m. ‘Liebe’); dabei kann ἵμερος postverbal zu ἱμείρω sein (Risch 248). Vgl. noch Schwyzer 282 u. 423. I-726
ἱμονιά ‘Brunnenseil’ s. zu ἱμάς. I-726
ἴν · αὐτήν, αὐτόν. Κύπριοι H. — Mit alat. im ‘eum’ identisch, zum idg. Demonstrativum *i- in lat. und got. is usw. Einzelheiten m. Lit. Schwyzer 613; s. auch z. Folg. I-726
ἵνα relat. Adv. ‘wo (wohin)’ (Hom., auch ion. att. Prosa); finale Konjunktion ‘damit, auf daß’ (seit Il.). — Herkunft unklar; zum Ausgang vgl. aind. Instrumentale wie yé-na, té-na ‘wo-, dadurch’, ahd. hina (aus -nā), air. cen ‘diesseits’ (von idg. *ḱi- in ἐ-κεῖ) usw. Der Stamm ἱ- vielleicht vom idg. Relativum *i̯o- (s. ὅς) mit Umbildung nach einem demonstrativen *i-na (vgl. ἴν) oder nach einem interrogativen *τί-να. Schwyzer 615 m. Lit., Brugmann K. vergl. Gr. par. 910 A. 1; zum Gebrauch Schwyzer-Debrunner 672ff., Gonda Moods 92, 126f., 141. I-726
ἰνάω, -άομαι (auch -έω, -όω Gramm.), Fut. Med. ἰνήσομαι (Hp.) ‘ausleeren, reinigen’, nach H. s. ἰνᾶσθαι auch = προΐεσθαι, ‘entsenden’. Davon ἰνηθμός ‘Ausleerung, Reinigung’ (Hp. Loc. Hom.), ἴνησις ‘ds.’ (ibid., Pherekyd. Hist. VIa). Mit Präfix ὑπερ-ινάω ‘übermäßig, heftig ausleeren’ (Hp. ap. Erot.) mit ὑπερίνησις (Hp. Loc. Hom.) und ὑπέρινος ‘übermäßig ausgeleert, erschöpft’ (Hp. Epid. 6, 5, 15, Arist., Thphr. u. a.). — Unsicher ἐπινάω (Arist.-Komm. VIp); zu περίναιος (-εος) usw. s. bes. Nicht sicher erklärt. Unter Annahme, daß ‘entsenden’ die ursprüngliche Bed. war und daß ἰ- lang gesprochen wurde, wird ἰνάω von Meister KZ 32, 136ff., wo ausführliche Behandlung (dazu Brugmann Grundr.2 2 : 3, 301, Bechtel Dial. 3, 304f.), mit aind. iṣ-ṇā́-ti ‘in rasche Bewegung setzen’, auch ‘ausspritzen’ (vgl. zu ἰαίνω) gleichgesetzt. I-726-727
ἰνδάλλομαι (ep. seit Il., auch att.) nur Präsensstamm bis auf ἰνδάλθην (Lyk., Max.) ‘erscheinen, sich zeigen, gleichen’. Davon ἴνδαλμα ‘Abbild, Trugbild’ (LXX, Kaiserzeit), ἰνδαλμός ‘ds.’ (Hp.). — Wie ἀγάλλομαι u. a. gebildet (Schwyzer 725) und somit von einem Nomen *ἴνδαλον o. ä. abgeleitet bzw. einem derartigen Nomen nachgebildet; letzten Endes zu ἰδεῖν, εἶδος (s. dd.); zum λ-Stamm vgl. εἴδωλον, zum Digamma Chantraine Gramm. hom. 1, 142. Der Nasal stammt aus einem Präsens, das in anderer Bedeutung in aind. vindáti ‘finden’ und in mehreren keltischen Formen, z. B. air. ro-finnadar ‘findet aus’ vorliegt; auch in keltische Nomina z. B. air. find, gall. Vindo-(magus, -bona) ‘weiß’, kelt. *u̯indo-, ist der Präsensnasal eingedrungen. Zu ἰνδαλμός vgl. bes. σχινδαλμός (zu lat. scindō, σχίζω; Bechtel Lex. s. ἰνδάλλομαι). Lit. bei Bq und WP. 1, 237. I-727
ἴνδουρος · ἀσπάλαξ (‘Maulwurf’) H. — Von H. Petersson Et. Miszellen 16f., Heteroklisie 9 mit aind. undura- ‘Ratte’ verglichen, wozu nach Jacobsohn Arier und Ugrofinnen 205 u. a. tscheremiss. umdőr ‘Biber’. Wohl zufälliger Gleichklang, s. Mayrhofer Wb. s. v. I-727
ἶνις, Akk. -ιν m. f. ‘Sohn, Tochter’ (A. und E. in lyr., Lyk., Kall., auch kypr. Inschr.; vgl. Leumann Hom. Wörter 274 A. 21, v. Wilamowitz Eur. Her. 296). — Nach Walde Glotta 13, 127ff. (WP. 1, 577) aus *ἔν-γν-ις mit kypr. ιν < εν und Assimilation mit Vokaldehnung wie in γί̄νομαι; vgl. bes. das ähnlich gebildete air. ingen, Ogam inigena ‘Tochter’ und νεο-γν-ός. Nach Ribezzo Don. nat. Schrijnen 355 (zustimmend Schwyzer 450 A. 3) eher zum Lallwort ἴννος (ἴννην· κόρην μικράν, ἴννους· παῖδας H.); vgl. noch byz. u. ngr. νινί ‘Kind, Pupille’ (Pantelides ’Αθ. 40, 34ff.; Bedenken bei Kretschmer Glotta 20, 236). Ältere, verfehlte Vorschläge bei Bq. I-727
ἴννος m. ‘(junger) Maulesel’, = γίννος (Arist. u. a.; Näheres zur Bedeutung bei H. s. v. und Meister KZ 32, 143ff., wo auch eine verfehlte Etymologie). Als Hinterglied wahrscheinlich in ὄν-ιννος Ben. eines Tieres, s. d. — Wie γίννος unerklärtes Fremdwort mit hypokoristischer Gemination. Unter Annahme einer Grundform *ἴσνος sucht Brugmann IF 22, 197ff. (dazu Kretschmer Glotta 2, 351, wo onomatopoetischer Ursprung erwogen wird) über angebl. pont. *išno- Verbindung mit arm. ēš, pl. išan-k‘ ‘Esel’ herzustellen. — Lat. LW hinnus mit h- nach hinnīre. Vgl. zu ὄνος. I-727-728
ἴ̄ξ, ἰ̄κός m. Ben. eines den Weinstock schädigenden Wurms (Alkm. 43). — Von L. Meyer 2, 23 als Wurzelnomen ("der Verletzer") zu lat. īcō ‘schlagen, verletzen’ gezogen; vgl. ἴκταρ, ἴγδις, auch ἴψ. I-728
ἴξαλος m. ‘(verschnittener) Bock’ (Δ 105, AP; zur Bed. E. Maaß RhMus. 74, 464f.). Davon ἰξαλῆ f. ‘Ziegenfell’ (Hp. Fract. 29) mit mehreren orthographischen Varianten: ἰσαλῆ, ἰσσέλα, ἰτθέλα usw. (Gal., Poll., H.; ausführlich darüber Solmsen Wortforsch. 141). — In der schwankenden Schreibweise des ersten Konsonanten sieht Solmsen wie auch Bechtel Lex. s. v. mit Recht den Beweis für kleinasiatische Herkunft; ebenso Schwyzer 61. Verfehlte ältere Etymologien bei Bq. I-728
ἰξός m. ‘die Mistel, die Mistelbeere, der daraus bereitete Vogelleim’, auch übertr. von allerlei klebrigen Stoffen (Hp., E., Ar., Arist., Thphr. usw.). Als Vorderglied z. B. in ἰξο-βόρος N. einer Drosselart, ‘Turdus viscivorus’ (Arist.). Davon ἰξία ‘Mistel’ (von ἰξός = ‘Vogelleim’ abgeleitet?; vgl. Strömberg Theophrastea 114), auch N. einer Distel, ‘χαμαιλέων λευκός, Atractylis gummifera’ (in dieser Bed. auch ἰξίνη [Thphr., Strömberg 86]), N. einer Krankheit, ‘Krampfadern’, vgl. Scheller Oxytonierung 42 (Arist., Thphr. u. a.); ἰξίας m. Distelart, ‘χαμαιλέων μέλας, Cardopatium corymbiferum’ (Dsk. u. a.) mit ἰξιόεις ‘aus ἰξίας gemacht’ (Nik.); ἰξίον ‘Blatt des χαμαιλέων λευκός’ (Gal.); ἰξώδης ‘leimartig, klebrig’ (Hp., Luk.). Denominativa: 1. ἰξεύω ‘mit Vogelleim fangen’ (Artem., Poll.); davon ἰξευτής ‘Vogelsteller’ (LXX, Bion usw.) mit ἰξευτικός, auch ἰξευτήρ (Man.), f. -εύτρια (Plu.; Τύχη ἰξεύτρια = Fortuna viscata); 2. ἰξόομαι ‘mit Vogelleim bestrichen werden’ (Thphr.). — Als altes Kulturwort mit dem synonymen lat. viscum (viscus) identisch; in Betracht kommen noch germanische und slavische Benennungen der Kirsche (weil zur Bereitung von Vogelleim verwendet), z. B. ahd. wīhsela ‘Weichselkirsche’, russ. usw. víšnja ‘Kirsche’. Einzelheiten mit Lit. bei Bq, WP. 1, 313, W.-Hofmann s. viscum, Vasmer Russ. et. Wb. s. víšnja. Ganz fraglich toch. A wiskāñc ‘Schlamm (?)’ (Duchesne-Guillemin BSL 41, 166; anders v. Windekens Lex. étymol.: zu aind. viṣ- ‘faeces’ usw.). I-728-729
ἰξύ̄ς, -ῠ́ος f. ‘die Weichen, die Lendengegend’ (ε 231 = κ 544, Hp., hell. u. späte Dichtung); Adv. ἰξυόθεν (Arat.); daneben ἰξύα, -η (EM). — Bildung wie ὀσφύς, νηδύς, δελφύς usw.; ἰξύα nach δελφύα, ἰγνύη u. a. (Schwyzer 463). Nicht befriedigend erklärt. Bq denkt an ἰσχίον (vgl. ἰξός : viscum u. a.); Froehde BB 8, 162 u. A. (s. W.-Hofmann s. īlia) verbindet es mit lat. īlia pl. ‘die Weichen’, was immerhin Beachtung zu verdienen scheint. I-729
ἰόμωροι pl. Beiwort der ’Αργεῖοι (Δ 242, Ξ 479). — Die Erklärung der Scholl. als ‘pfeilberühmt’ scheitert an der Kürze des ἰ- (zum Sachlichen außerdem Bechtel Lex. s. v.). Schon das hinzugefügte Epitheton ἀπειλάων ἀκόρητοι leitet die Gedanken an ἰά, ἰή ‘Geschrei’; in dieselbe Richtung führt der Ausdruck βοὴν ἀγαθός sowie auch ὑλακό-μωροι (κύνες ξ 29, π 4). So mit vielen Vorgängern Ehrlich Sprachgeschichte 48, Bechtel Lex. s. v., Theander Eranos 15, 99ff. u. A. Vgl. noch Leumann Hom. Wörter 37 und 272 A. 18; zum Hinterglied s. ἐγχεσί-μωρος. I-729
ἴον n. ‘Veilchen’ (ep. poet. seit Hom., Thphr. u. a.). Determinativkomp. λευκό-ϊον = ἴον λευκόν ‘Levkoje’ (Thphr.; Risch IF. 59, 257); oft als Vorderglied, z. B. ἰο-ειδής ‘veilchenfarbig’ (πόντος usw.; ep. seit Il.), ἰο-στέφανος ‘veilchenbekränzt’, von Aphrodite, den Musen, Athen (h. Hom. 6, 18, Pi., Thgn. usw.), ἰό-κολπος ‘mit veilchenduftendem Bausch’ (Sapph.; vgl. Treu Von Homer zur Lyrik 171), ἰο-δνεφής, s. δνόφος; zu ἰάνθινος s. bes. Verfehlt Bénaky REGr. 28, 16ff.: ἴον in ἰο-ειδής usw. erst IIp auf die Farbe bezüglich. Ableitungen: ἰόεις ‘veilchenfarbig’ = ‘dunkelblau’ (σίδηρος Ψ 850, θάλασσα Nik.); ἰωνιά ‘Veilchenbeet’, auch Pflanzenname (Thphr. u. a.), nach ῥοδων-ιά, θημων-ιά (Scheller Oxytonierung 70f.); ἰοντῖτις f. Pflanzenname = ἀριστολόχεια (Dsk.; nach κληματῖτις?, Redard Les noms grecs en -της 72). — H. γία (= ϝία)· ἄνθη und die epische Metrik bestätigen Zusammenhang mit lat. viola; beide sind wahrscheinlich aus einer Mittelmeersprache entlehnt, s. die Lit. bei W.-Hofmann s. v. I-729
ἴονθος m. ‘junger Bart, Flaum’, gewöhnlich ‘mit dem ersten Bart herausbrechender Gesichtsausschlag’ (Hp., Arist., Phld. u. a.). Davon ἰονθώδης ‘ausschlagähnlich’ (Thphr., Gal.) und ἰονθάς f. ‘zottig, bärtig’, Beiwort von αἴξ (ξ 50; zur Bildung Chantraine Formation 354). — Kann als reduplizierte Bildung *ϝί-ϝονθος (vgl. Schwyzer 423) zu einem Wort für ‘Haar usw.’ gehören, das im Keltischen, Germanischen und Baltoslavischen vertreten ist: mir. find ‘Haupthaar’ (idg. *u̯n̥dh-, [*u̯endh- ?]), ahd. wint-brāwa ‘Wimper’ (idg. *u̯endh(o)-), mir. fēs ‘Haupthaar’, apreuß. wanso f. ‘der erste Bart’, aksl. (v)ǫsъ ‘barba, mystax’ (idg. *u̯endh-s-o- bzw. *u̯ondh-s-o-); Lidén IF 19, 345ff. — Die Wörter können als Verbalnomina zum idg. Verb winden (WP. 1, 261) gehören; wegen der Bedeutung vgl. ἴουλος. Unbefriedigende Stammanalyse bei Specht Ursprung 237. I-729-730
ἴορκος m. ‘Reh, Gazelle’ s. δορκάς. I-730
ἰός 1. ‘ein und derselbe, der eine’ s. ἴα. I-730
ἰ̄ός 2. pl. ἰοί, auch ἰά (Υ 68; zum Genuswechsel Schwyzer-Debrunner 37 m. Lit.) m., ‘Pfeil’ (ep. poet. seit Il.; Trümpy Fachausdrücke 67). Als Vorderglied z. B. in ἰο-δόκος ‘Pfeile aufnehmend’ (φαρέτρη Hom.), -η f. ‘Köcher’ (A. R. u. a.); zu ἰοχέαιρα s. bes. — Aus *ἰσϝ-ο- und bis auf den erweiternden Themavokal (Schwyzer 472) mit aind. íṣu-, aw. išu- ‘Pfeil’ identisch (Curtius 402; weitere Lit. bei Bq). I-730
ἰ̄ός 3. m. ‘Gift’ (Pi., Trag., auch Plu. u. a.). Als Vorderglied z. B. in ἰο-βόρος ‘(wie) Gift verzehrend’ (Nik., Opp.); Ableitung ἰώδης ‘giftig’ (Kaiserzeit). — Altes Wort für ‘Gift’, oft durch euphemistische Ausdrücke ersetzt (φάρμακον, lat. venēnum, germ. gift, frz. poison usw.), aber noch in den Randsprachen, d. h. Indoiranischen und Italokeltischen vorhanden: aind. vĭṣá- n., aw. vī̆ša-, lat. vīrus n. (Genus sekundär) = irisch fī, idg. *u̯ī̆so-; zum Quantitätswechsel vgl. z. B. die Fälle bei Fraenkel Nom. ag. 1, 91. Neben diesen thematischen Formen steht im Indoiranischen das einsilbige aw. viš- ‘ds.’ und, mit abweichender Bedeutung, aind. viṣ- ‘faeces’. Ähnlich bedeutet lat. vīrus auch ‘zähe Flüssigkeit, Schleim, Saft’; vgl. noch kymr. gwyar ‘Blut’ und 4. ἰός. Da idg. *u̯ī̆s(o)- seinerseits wahrscheinlich eintabuistisches Ersatzwort ist, kommt weitere Beziehung zu einem Verb, aind. veṣati ‘zerfließen’ (Gramm.; mehrdeutig véṣantīr als Beiwort der Ströme RV. 1, 181, 6), wozu u. a. germ. Flußnamen wie Wisura ‘Weser’, Vistula ‘Weichsel’ (zuletzt Krahe Beitr. z. Namenforschung 4, 38ff.), ernstlich in Betracht. — Lit. bei Bq, WP. 1, 243f., W.-Hofmann s. vīrus. I-730
ἰ̄ός 4. m. ‘Grünspan, Rost’ (Thgn., Hp., Pl., Theok., Dsk., Plu., SIG 284, 15 [Chios IVa]). Davon ἰώδης ‘grünspanfarbig, rostfarbig’ (Hp., Thphr., Kall. Hist., Dsk., Plu. u. a.). — Angesichts der wechselnden Bedeutung von idg. *u̯ī̆s(o)- (s. zu 3. ἰός) liegt es unzweifelhaft am nächsten, mit Fick 23, 242 ιός ‘Grünspan, Rost’ mit ἰός ‘Gift’ zu identifizieren. Es kann sich dabei um berufsmäßige Verschiedenheiten des Sprachgebrauchs handeln; zu bemerken ist noch, daß ἰός ‘Grünspan, Rost’ im Gegensatz zu ἰός ‘Gift’ seit alters auch in der Prosa benutzt wurde, was auch für eine stilistische Differenzierung spricht. I-730-731
ἰότης nur Dat. ἰότητι (Hom. elfmal, A. R.; ἰότατι Alk. ᾱ 3, A. Pr. 558 [lyr.]) außer ἰότητα Ο 41 etwa ‘Wille, Entschluß, Anlaß’ (θεῶν ἰότητι usw.; zum Gebrauch bei Homer [nur in der Rede] Krarup Class. et. Med. 10, 13). — Nicht sicher erklärt. Zwei Hypothesen: 1. zu aind. iṣ- ‘wünschen’ (Präs. iccháti), u. zw. entweder aus *iso-tāt- (Curtius 402 nach Pott u. A.; auch Schwyzer 528 A. 8 mit einer zweifelhaften Alternative) oder auch *isto-tāt- vom Ptz. *istós = aind. iṣṭá- ‘erwünscht’ (Chantraine Formation 294); 2. zu ἵεμαι ‘sich beeilen, begehren’ aus *ϝιό-της oder, mit haplologischer Kürzung, *ϝιοτό-της, von *ϝίοτος ‘wollend’ = lat. (in-)vītus (s. zu ἵεμαι; Fick 1, 124 und 543, Sommer Lautstud. 12f.). — An beiden diesen Erklärungsversuchen eine wohlbegründete Kritik übend will Leumann Hom. Wörter 127ff. nicht weniger kühn ἰότητι aus einer falschen Zerlegung von δηιοτῆτι (-τος) ‘Feindseligkeit’ in δὴ ἰότητι (-τος) herleiten; der böot. EN Θειο-ϝίοτος, der zweifellos stark zugunsten eines urspr. ϝιότητι spricht, wäre aus dem ep. θεῶν ἰότητι gebildet. Gegen Leumann u. a. Fraenkel Gnomon 23, 373. I-731
ἴουλος m. ‘erstes Milchhaar, Korngarbe, Kätzchen’, auch Ben. eines dem Tausendfüßler ähnlichen Wurms (λ 319, A. Th. 534, Arist., Thphr. usw.). Als Vorderglied z. B. in ἰουλό-πεζος "mit Füßen wie ein ἴουλος", von einem Schiff, d. h. ‘mit vielen Rudern’ (Lyk. 23). Ableitungen: ἰουλίς f. Fischname ‘Coris iulis’ (Arist. u. a.), nach der Ähnlichkeit mit einem Tausendfüßler (Strömberg Fischnamen 125; ausfuhrlich Thompson Fishes s. v.), auch ἴουλος benannt (Eratosth.); ’Ιουλώ f. "Göttin der Korngarbe" = Demeter (Semus 19), daraus rückgebildet ἴουλος ‘Lied zu Ehren der Demeter’ (ibid., Eratosth. u. a.; verfehlt Mann Lang. 28, 38), auch καλλίουλος (für καλλι-ίουλος, Semus); ἰουλώδης ‘einem Tausendfüßler ähnlich’ (Arist.); denominatives Verb ἰουλίζω ‘Milchhaar bekommen’ (Tryph.). — Aus *ϝί-ϝολνος durch Reduplikation (vgl. ἴονθος), zu οὖλος ‘wollig, kraus’ (s. d.) und 2. εἰλέω (> *ϝελνέω) ‘drehen, winden’. I-731
ἰοχέαιρα f. Attribut der Artemis, auch substantivisch gebraucht (Hom.; Pi. P. 2, 9 [mit Kürzung des ἰ-], poet. Inschr.), auf die φαρέτρα übertragen (AP 6, 9); auch Ben. der Viper (Nik. Fr. 33). — Seit dem Altertum gewöhnlich als ‘Pfeile ausschüttend, Pfeilschützin’ erklärt, von ἰός ‘Pfeil’ und χέω, vgl. δούρατ’ ἔχευαν Ε 618; durch gelehrte Spielerei von Nik. auf ἰός ‘Gift’ bezogen. Das Hinterglied ist nach χίμαιρα, γέραιρα u. a. geformt (Schwyzer 452 u. 475, Chantraine Formation 104); da es als selbständiges Wort nie existiert hat, ist nicht zu entscheiden, ob es auf einen ρ-Stamm *χέϝ-αρ (Benveniste Origines 27) oder auf einen ν-Stamm (πίειρα : πίων, πέπειρα : πέπων) zurückzuführen ist. — Dagegen nach Heubeck Beitr. z. Namenforschung 7, 275ff. (mit Pisani; Einwände bei Belardi Doxa 3, 208, Fraenkel Ling. Posn. 4, 96) von ἰός und χείρ als ‘die den Pfeil (die Pfeile) in der Hand hält’; für diese Deutung sprechen namentlich ähnliche aind. Bildungen, z. B. íṣu-hasta- ‘der einen Pfeil in der Hand hält’, śūla-hasta- ‘der eine Lanze in der Hand hält’. Zum Formalen s. zu χείρ. — Nicht mit Ehrlich Sprachgeschichte 48 als ‘Jagdruf gellend’ von ἰά ‘Geschrei’ und einem Verb ‘rufen’ (aind. hávate); vgl. Kretschmer Glotta 4, 350. I-731-732
ἴπνη f. N. eines Vogels (Boios ap. Ant. Lib. 21, 6); daneben ἵππα (nach der alphab. Folge eher mit Vossius ἵπτα) und ἵττα· δρυσκόλαψ, ἐθνικῶς H. — An ἵττα erinnert σίττη, s. d.; sonst dunkel. Vgl. Solmsen Wortforsch. 173 A. 2. I-732
ἰπνός myk. i-po-no?; m. ‘Ofen’, auch ‘Küche’ und ‘Laterne’ (ion. att.), Kompp., z. B. ἰπνο-πλάθος ‘Ofensetzer’ (Pl.), Ἔφ-ιπνος· Ζεὺς ἐν Χίῳ H. Ableitungen: Deminutivum ἰπνίον (Mediz.); ἰπνών (Delos IIIa), ἰπνιών (Gortyn) ‘Küche’; ἰπνίτης (ἄρτος) ‘im Ofen gebackt(es Brot)’ (Hp. u. a.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 89); ἴπνιος ‘zum Ofen gehörig usw.’, ἴπνια· τὰ καθάρματα τοῦ ἰπνοῦ H. (Kall. Fr. 216); ἰπνεύω ‘im Ofen backen’ (H.; hιπνε[ύεσθαι] IG 12, 4, 15) mit ἰπνευτής· furnarius (Gloss.). — u ἰπνός, viell. aus *ἱπνός (vgl. Ἔφ-ιπνος und das nicht ganz sichere hιπνε[ύεσθαι] IG 12, 4, 15), stimmt bis auf den Anlaut ein synonymes westgerm. Wort, ags. ofen, ahd. ovan ‘Ofen’, auch ano. ofn, urg. *ofna- < *úfna-. Daneben stehen im Gotischen und Nordischen Formen mit Guttural, got. auhns, aschw. oghn, urg. *oχna-, *oʒna- < *úχna-, *uʒná-. Unter Annahme einer ursprünglichen Bedeutung ‘Glutpfanne, Kohlenbecken’ werden die genannten Wörter mit aind. ukhá- m., ukhā́ f. ‘Topf, Kochtopf, Feuerschüssel’ zusammengehalten, wozu wiederum das mit Diphthong anlautende lat. aulla ‘Topf, Hafen’, nach dem Deminutivum auxilla zu schließen aus *auxlā. Die wiederholten Versuche, alle diese Formen mit Hilfe der zu Gebote stehenden lautlichen Mittel auf ein gemeinsames Grundwort (auqu̯h-, uqu̯h-, u̯equ̯h-) zurückzuführen, haben zu keinem einwandfreien Resultat geführt; im allg. werden die Formen mit Labial als einzelsprachliche Neuerungen erklärt (so zuletzt Holthausen KZ 72, 206). Nach Bq (mit Meillet MSL 9, 137) sind zwei verschiedene Wörter anzunehmen. — Weitere Formen und Einzelheiten, auch aus dem Keltischen, Baltischen und Albanischen, bei WP. 1, 24, Pok. 88, W.-Hofmann s. aulla, Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. auhns, Mayrhofer Wb. s. ukháḥ; daselbst auch reiche Literaturangaben. I-732-733
ἶπος f. (n.) ‘Presse (zum Walken, zu medizinischen Zwecken usw.), schweres Gewicht im allg.’ (Pi., Archil., Hp., Ar. usw.). Denominatives Verb ἰπόω, auch mit ἀπ-, ἐξ-, ‘pressen, drücken’ (Hdt., Hp., A., Kom. usw.); davon ἴπωσις ‘das Pressen, Druck’ (Hp.), ἰπωτήριον ‘Ölpresse, Kelter’ (Pap.), ‘Kathete’ (Mediz.), ἰπωτρίς ‘pressend, drückend’ (σπάθη, Mediz.), ἐξιπωτικός ‘auspressend’ (Gal.). Daneben der primäre Aorist ἴψασθαι mit dem Futurum ἴψεται (Α 454 = Π 237, Β 193), eher ‘drücken, bedrängen’ als ‘schädigen’ (= φθεῖραι, βλάψαι H. u. a.); Präs. ἴπτω = βλάπτω nur EM 481, 3. — Unerklärt. Nach Solmsen Wortforsch. 172ff. (wo wichtige Einzelheiten) zum lat. Adv. vix ‘kaum’; dagegen W.-Hofmann s. v. Nicht zu lat. īcō ‘schlagen’ (Curtius 461), auch nicht zu ἰάπτω (s. d.). I-733
ἵππος myk. i-qo?? m. f. ‘Pferd, Roß, Stute’ (seit Il.), kollektiv f. ‘Reiterei’ (ion. att.), Überaus oft in Kompp., sowohl als Vorder- wie als Hinterglied in verschiedenen Funktionen: Bahuvrihi (λεύκ-ιππος), verbale Rektionskompp. bzw. Zusammenbildungen (ἱππό-δαμ-ος, ἱππ-ηλά-της), Determinativkompp. (ἱππο-τοξότης); zuweilen mit umgeformtem Hinterglied (ἱππο-πόταμος, ἵππ-αγρος für ἵππος ποτάμιος, ἄγριος, Risch IF 59, 287; ἱππο-κορυστής, s. κόρυς); mit metrisch bedingtem ἱππιο- für ἱππο- in ἱππιο-χαίτης, -χάρμης (ep.). Als Vorderglied auch vergrößernd und verstärkend, namentlich in Pflanzennamen (ἱππο-λάπαθον u. a., Strömberg Pflanzennamen 30). Zahlreiche Ableitungen. A. Substantiva: Deminutiva ἱππάριον (X. u. a.), ἱππίσκος ‘(kleines) Standbild eines Pferdes’ (Samos IVa) usw., ἱππίδιον als Fischname (Epich.; Strömberg Fischnamen 100). — ἱππότης m. ‘Rosse-, Wagenlenker’ (ep. poet. seit Il., auch sp. Prosa; bei Homer immer ἱππότᾰ mit Vok. = Nom.; darüber Risch Sprachgesch. und Wortbed. 389ff), f. ἱππότις (Nonn. u. a.); ἱππεύς ‘Rosselenker, Wettkämpfer zu Wagen’ (Il.), ‘Reiter’ (Sapph., A., Hdt. usw.), ‘Ritter’ als Korporation oder gesellschaftliche Klasse oder Stand (Hdt., Ar., Arist. usw.); davon ἱππεύω, s. C.; auch als N. eines Kometen wie ἱππίας (Plin., Apul.; Scherer Gestirnnamen 107); ἱππών ‘Pferdestall’ (att. Inschr., X. u. a.); ἱππάκη ‘Käse aus Stutenmilch’ (Hp. usw.), auch Pflanzenname (Strömberg Pflanzennamen 136; Bildung wie ἐριθάκη, ἁλωνάκη u. a.); ἵππερος "Pferdesucht" (Ar., wie ἴκτερος, ὕδερος); ἱπποσύνη ‘Rosselenkerkunst, Reiterei’ (ep. poet. seit Il.; Urs Wyss Die Wörter auf -σύνη 23 u. 49). — B. Adjektiva: ἱππάς f. ‘zum Pferde gehörig, Stand und Zensus der Ritter in Athen’ (Hp., Arist. u. a.); ἵππειος ‘zum Pferde gehörig usw.’ (ep. lyr. seit Il.); ἵππιος ‘ds.’ (Alk., Pi., Trag. usw.), oft als Götterepitheton (Poseidon, Athena usw.); davon ‘Ιππιών als Monatsname (Eretria); ἱππικός ‘ds.’ (ion. att. Prosa, auch Trag.; Chantraine Et. sur le vocab. gr. 141); ἱππώδης ‘pferdeähnlich’ (X. u. a.). — C. Verba: 1. ἱππάζομαι, auch mit ἀφ-, ἐφ-, καθ- u. a., ‘Rosse lenken, führen, reiten, als Reitpferd dienen’ (seit Il.) mit ἱππασία, ἱππάσιμος, ἱππαστήρ, -άστρια, ἱππαστής, -αστικός, ἵππασμα, ἱππασμός. 2. ἱππεύω ‘ds.’ (ion. att.), eig. von ἱππεύς, aber auch auf ἵππος beziehbar (Schwyzer 732), auch mit Präfix, z. B. ἀφ-, καθ-, παρ-, συν-; davon ἱππευτήρ, -τής, ἱππεία, ἵππευσις, ἵππευμα; weitere Einzelheiten bei Boßhardt Die Nom. auf -ευς 34f. — Dazu kommen zahllose Eigennamen, sowohl Voll- wie Kurznamen (‘Ιππόλυτος, ‘Ιππίας, Ἵππη usw. usw.). Aus der reichen Lit. sei hier nur verwiesen auf E. Delebecque Le cheval dans l’Iliade. Paris 1951. — Die einzelsprachlichen Formen des idg. Wortes für ‘Pferd’, z. B. aind. áśva- (wovon áśv(i)ya- = ἵππιος durch parallele Neuerungen), lat. equus, venet. Akk. ekvon (Lejeune Studi etr. 21, 220ff.), kelt., z. B. air. ech, germ., z. B. ags. eoh, alit. ešva ‘Stute’, toch. B yakwe, wozu vielleicht noch thrak. PN wie Βετεσπιος u. a. m., ergeben idg. *eḱu̯os; daraus wäre gr. *ἔππος oder *ἔκκος zu erwarten (zum Lautlichen Schwyzer 301). Eine Form mit gutturaler Geminata liegt tatsächlich in ἴκκος (EM 474, 12), Ἴκκος PN (tarent., epid.) vor; in Λεύκιππος u. a. könnte zur Not eine ursprüngliche Lenis bewahrt sein, wenn nicht analogische Erhaltung der Tenuis (vgl. andrerseits τέθρ-ιππον) wahrscheinlicher wäre. Unerklärt bleibt jedoch trotz mehrerer Erklärungsversuche das ἰ-; vgl. zuletzt Pisani Ist. Lomb. 73, 485ff. mit Diskussion anderer Ansichten, Deroy REGr. 64, 423ff.; ältere Lit. bei Bq, WP. 1, 113f., W.-Hofmann s. equus, Schwyzer 351. So ist fremder Ursprung anzunehmen; mit Hinweis auf die Wechselformen ἴκκος : ἵππος und auf pannonische PN Ecco, Eppo, maked. ’Επό-κιλλος, wozu noch der illyr. VN ’Επειοί in Elis (Krahe, s. Pok. 302), will Kretschmer Glotta 22, 120f. ἵππος als ein nordbalkanisches LW erklären. — Zu idg. *eḱu̯os ‘Pferd’ wäre nach Wagner KZ 75, 67 (mit G. Hüsing u. A.) auch lat. aqua, got. aƕa usw. ‘Wasser’ als "göttliche Stute" zu ziehen; niemand dürfte zu Gunsten dieser Hypothese auf den Vergleich des lat.-germ. Wortes mit den primären Verba heth. e-ku-uz-zi ‘trinkt’, toch. AB yok-tsi ‘trinken’ verzichten wollen. I-733-735
ἵπταμαι = πέτομαι, ‘fliegen’ (Mosch., Babr. u. a.). — Zu ἔπτην, πτήσομαι nach ἔστην, στήσομαι : ἵσταμαι geschaffen. Schwyzer 681 m. Lit. I-735
*ἴπτομαι, Aor. ἴψασθαι ‘pressen, drücken’ s. ἶπος. I-735
ἴρην, ἰρήν Ben. des erwachsenen Jünglings in Sparta s. εἰρήν. I-735
Ἶρις, -ιδος, -ιν Iris, Tochter des Thaumas u. der Elektra, Botschafterin der Götter (Il., Hes. u. a.). - Daneben als Appellativum ἶρις, -ιδος, -ιδα, -ιν f. ‘Regenbogen’ (seit Il.), auch übertragen von einem Lichthof, vom Mondhof, von der Regenbogenhaut usw. (Arist., Thphr., Gal. u. a.), als Pflanzenname ‘Schwertlilie’ (Arist., Thphr. u. a.; wegen ihrer buntfarbigen Blüte, Strömberg Pflanzennamen 49), auch N. eines Steins (Plin.). - f. Ableitungen: ἴρινος (Kom., Thphr., Plb. u. a.), -εος (Nik.) ‘aus der Schwertlilie bereitet’, ἰρώδης ‘regenbogenähnlich’ (Arist.), ἰρῖτις f. N. eines Steins (Plin.; Redard Les noms grecs en -της 55); Denominativum ἰρίζω ‘wie der Regenbogen schimmern’ (PHolm. 7, 6). — Die ursprüngliche Form ϝῖρις geht sowohl aus einem inschriftlichen Beleg (kor.) wie aus der epischen Metrik (Chantraine Gramm. hom. 1, 152) hervor. Das Appellativum (ϝ)ῖρις ist von Bechtel Hermes 45, 156f. u. 617f. (ähnlich Jacobsohn Herm. 44, 91 A. 2), Lex. 181 (wo indessen wenig wahrscheinlich die Nebenform Εἶρις aus Ἔ-ϝῑρις erklärt wird) mit guten Gründen auf ein Verb ‘biegen’ zurückgeführt worden, das auch in ἰτέα und ἴτυς zu verspüren ist; ein r-Suffix erscheint auch im Germanischen, z. B. ags. wīr, awno. vīrr ‘Metalldraht, gewundener Schmuck’ (Kretschmer Glotta 2, 354). Anders Osthoff Arch. f. Religionswiss. 11, 44 (zu (ϝ)ί̄εμαι ‘sich vorwärts bewegen’ usw., s. Bq). Mit dem Appellativum ist der Name der Götterbotin ohne Zweifel identisch, s. Bechtel a. a. O. gegen Maaß IF 1, 159ff. und Solmsen Unt. 148. — Eine Nachbildung von Ἶρις wird allgemein in Ἶρος, dem Namen des Bettlers ("des Boten") auf Ithaka, vermutet. I-735
ἴ̄ς, 1. Akk. ἴν(α) (3mal, nur vor Vok., vgl. unten), Instr. ἶφι f. ‘Kraft, Stärke’ (Hom., Hes.). Davon ἴφι-ος ‘kräftig’ (ἴφια μῆλα Hom., D. P.; zur Bildung Schwyzer 461) mit PN wie ϝιφιάδας, ϝίφιτος (böot., kor.), Ἶφις (Ι 667 u. a.; Kosename); s. auch ἴφθιμος. — 2. ἴ̄ς, ἰ̄νός f., meist pl. ἶνες, Dat. ἴνεσι, spät ἰσίν, ἴναις ‘Sehne’ (Hom., Hp., Archil., Ar. u. a.), ‘Nackensehne’ (Ρ 522), ‘Muskelfaden, Blutfaser (Fibrin), Pflanzenfaser, Blattnerv’ (Pl., Arist., Thphr. u. a.; Einzelheiten aus dem botan. Sprachgebrauch bei Strömberg Theophrastea 129ff.). Kompp. ἄ-, πολύ-ϊνος ‘ohne, mit vielen ἶνες’ usw. (Thphr.; Strömberg 135). Ableitungen: ἰνίον n. ‘die Sehnenpartie am Hinterkopf, das Genick, der Nacken’ (Il., Hp., Arist. usw.; vgl. κρανίον und Chantraine Formation 59); ἰνώδης ‘sehnig, fibrös’ (X., Arist., Thphr. u. a.); wohl auch ἰναία· δύναμις H. (ganz unsichere Konj. Peripl. M. Rubr. 46); denominative Verba: ἰνόω ‘mit ἶνες versehen, stärken’ (Hdn.), ἐξ-ινόω ‘die ἶνες entfernen, entkräften’ (Lyk.), auch ἐξ-ινίζω, -ινιάζω (Gal., Peripl. M. Rubr. u. a.). — H. γίς (= ϝίς)· ... ἰσχύς bestätigt die Identität von (ϝ)ίς ‘Kraft’ mit lat. vīs ‘ds.’ (nach Holthausen IF 62, 152 hierher noch germ. PN wie asächs. Wī-rīc[?]); der zu erwartende Akk. (ϝ)ί̄ν = vim läßt sich aus dem stets antevokalischen ἶν’ leicht wiederherstellen. Es entsteht somit die Frage, ob ἴς ‘Sehne’ durch eine bemerkenswerte Konkretisierung von ἴς ‘Kraft’ entstanden ist oder als ein besonderes Wort zu gelten hat. Alt ist die Annahme (z. B. G. Meyer Gr.3 418), daß die ν-Stammflexion ἶν-α, ἶν-ες usw. aus einem erweiterten Akk. (ϝ)ῖν-α hervorgegangen sei; in formaler Hinsicht bietet sie eine jedenfalls mögliche Lösung. Nach Sommer Lautstud. 118 wäre ἰ̄ν- in ἶν-ες, ἰ̄ν-ίον usw. als n-Ableitung eines alten s-Stammes *u̯ī-s- (in lat. vīr-ēs?; unsicher, s. W.-Hofmann s. 2. vīs) aus *u̯ī̆s-n- zu erklären, wozu sekundär der Nom. ἴς; auch dabei wird also von dem abstrakten Begriff ‘Kraft’ ausgegangen. Ähnlich Kretschmer Glotta 30, 94 A. 1 (aus *u̯is-en-), Pisani Ist. Lomb. 76, 14f. (*u̯īs- urspr. neutr.), Specht KZ 59, 291; s. noch Schwyzer 570 m. A. 2. — Dagegen will Scheftelowitz IF 33, 158f. ein besonderes Wort (ϝ)ί̄ς, (ϝ)ῑνός ‘Sehne’ (vgl. γίς· ἱμάς H.) ansetzen, von einem Verb ‘biegen’ (s. ἴτυς, ἶρις), u. zw. entweder aus *u̯ī-n- (vgl. čech. winek ‘Band, Stirnband’) oder aus *u̯ī̆s-n- (> gr. ϝῑν-). I-735-736
ἴσᾱμι ‘weiß’, — Inf. ϝισάμην (Gortyn), dor. Neubildung (Theok., kret. usw.) zu 3. pl. ἴσαντι = att. ἴσασι nach ἵσταντι : ἵστᾱμι. Schwyzer 665 A. 3 m. Lit., 773. I-736
ἰσάτις, -ιδος, -ιος, -εως f. N. einer blaufärbenden Pflanze ‘Waid, Isatis tinctoria’ (Hp., Thphr., Samos IVa usw.); davon ἰσατώδης ‘waidähnlich’ (Hp., Aret.). — Eine sehr entfernte Ähnlichkeit zeigen lat. vitrum ‘ds.’ und ahd. weit, ags. wād ‘Waid’, wozu noch mlat. waisda u. a. (Prellwitz2 s. v.); sie läßt sich vielleicht durch Entlehnungen aus einer gemeinsamen unbekannten Quelle erklären. Vgl. Bq s. v., WP. 1, 236, W.-Hofmann s. 2. vitrum m. Lit.; auch Schwyzer 314 u. 506. I-736
ἰσθμός m., auch f. (nach ἡ ὁδός u. a.; vgl. Schwyzer-Debrunner 34 A. 2) ‘schmaler Zugang, Landzunge, Erdenge, Meerenge, Hals’, insbes. als EN die Landenge an Korinth (ion. att. usw.). Als Hinterglied mit ιο-Suffix in der Hypostase παρ-ίσθμ-ια, n. pl. u. sg. ‘Tonsillen, Schlund’ (Hp., Arist. u. a.). Ableitungen: ἴσθμιος ‘zum Isthmos gehörig’ (Pi., Trag.), τὸ ἴσθμιον ‘Halsband’ (σ 300), τὰ ἴσθμια ‘Schlund, Kehle’ (Hp. u. a.); ἴσθμιον auch übertr. vom Hals einer Flasche und von der Flasche selbst (kypr. Wort bei Pamphil. ap. Ath. 11, 472e; anders Leumann Hom. Wörter 271); τὰ Ἴσθμια Ben. der korinthischen Spiele (Pi., Simon., Ar. usw.) mit ’Ισθμιο-νίκης, -νικος ‘Sieger an den Ἴ.’ (B.), ’Ισθμιασταί ‘Zuschauer der Ἴ.’ (Titel eines Schauspiels des A.; wie ’Απολλωνιασταί u. a., Chantraine Formation 317; ἰσθμιάζω Suid., H.), auch ’Ισθμιᾶται (Delos IIa); ἰσθμικός, -ιακός ‘zum Isthmos, zu den Isthmien gehörig’ (Ar., Str. u. a.), ἰσθμώδης ‘isthmosähnlich’ (Th. u. a.). — Das denominative ἰσθμαίνω = ἀσθμαίνω mit ἴσθμα = ἄσθμα H. ist durch Kreuzung von ἰσθμός ‘Hals’ mit ἀσθμαίνω entstanden. — Vielleicht von εἶμι ‘gehen’ mit θμο-Suffix, vgl. die Nebenform ’Ιθμός, ’Ιθμο-νίκα (Inschr.) und ἴ-θμα, εἰσ-ί-θμη; zur Bed. vgl. anord. eið n. ‘Landenge’, idg. *oi-dho- (oder *oi-to-). Das -σ- ist indessen nicht aufgeklärt; eine Grundform *idh-dhmo- läßt sich nicht begründen. Nach Chantraine Formation 137 daher Zurechtlegung eines lokalen Lehnworts. Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 103; dazu noch Schwyzer 492 A. 12, v. Wilamowitz Eur. Her. zu V. 958. I-737
ἴσκω nur 3. sg. Ipf. ἴσκε(ν) und Ptz. ἴσκοντες, ἴσκουσα ‘gleich machen, nachahmen, ähnlich finden, verwechseln’ (Hom.), auch ‘nachbilden’ = ‘erdichten’ (τ 203 mit λέγων; vgl. simulāre), ‘irrtümlich vermuten, irrereden’ (χ 31, nach τ 203); daraus ‘vermuten’ (Simon. 130) und bei den Alexandrinern (auch 1. sg. ἴσκον, Ptz. ἴσκων) ‘reden, sagen’ (Theok., A. R., Lyk.). — Wahrscheinlich aus *ϝίκ-σκ-ω, s. ἔοικα; dazu Bechtel Lex. s. v., Chantraine Gramm. hom. 1, 317. Ältere Lit. bei Bq. I-737
ἴσος, ep. ἶσος, f. ἐΐση (vgl. unten), ark. kret. böot. ϝίσϝος (H. γίσγον· ἴσον) ‘gleich’ an Zahl, Stärke, Größe, Rang usw. (seit Il.). Sehr oft als Vorderglied, z. B. ἰσό-θεος ‘göttergleich’ (seit Il.), Hypostase aus ἴσος θεῷ oder Bahuvrihi ‘Götter als Ebenbürtige habend’ (Risch 170; vgl. Sommer IF 55, 195 A. 2), ἰσό-πεδον ‘Ebene’ (Il. u. a.), ἰσό-πεδος ‘mit der gleichen Ebene, gleichhoch’ (Hdt., Hp. u. a.; vgl. Risch IF 59, 15), ἰσ-ηγορίη, -ία ‘gleiches Recht zum Sprechen, gleiches Bürgerrecht’ (ion. att.; Zusammenbildung von ἴσον ἀγορᾶσθαι); zu ἰσοφαρίζω s. bes.; als Hinterglied z. B. in ἄ(ν)-ισος ‘ungleich, unbillig’ (ion. att.; zunächst als Bahuvrihi von τὸ ἴσον, ἡ ἴση ‘Gleichheit, gleiches Recht’). Ableitungen: ἰσότης ‘Gleichheit’ (Pl., Arist. usw.), ἰσάκις ‘gleichvielmal’ (Pl. usw.), ἰσαχῶς ‘auf ebensoviele Weisen’ (Arist.); denominative Verba: ἰσάζω ‘gleich machen, sein’ (seit Il.) mit ἰσασμός (Epikur.) und ἰσαστικός (Eust.); ἰσόομαι, -όω ‘gleichkommen, gleichmachen’ (seit η 212); ἰσαίομαι ‘gleichgemacht werden, gleich sein’ (Nik., Arat.); zu den Denominativa Schwyzer 727 u. 734. — Der Bildung nach stimmt ϝίσϝος, woraus ep. ἶσος (mit Vokalprothese f. ἐ-(ϝ)ίση, vgl. zum Digamma Chantraine Gramm. hom. 1, 144), att. ἴσος, zu *μόνϝος (> μοῦνος, μόνος), *ὅλϝος (> οὖλος, ὅλος) u. a.; die weitere Analyse bleibt unsicher. Da idg. -su̯- sich im Griechischen nicht halten konnte, ist die Zusammenstellung mit aind. viṣu- ‘nach verschiedenen Seiten’ (Curtius 378) hinfällig. Lautlich befriedigt dagegen eine Grundform *ϝιτο-ϝος (vgl. Schwyzer 308); die morphologische Anknüpfung an eine schwundstufige Nebenform *ϝιδσ- von εἶδος ‘Gestalt’ (Brugmann Grundr.2 2 : 1, 205) ist indessen hypothetisch. — Noch anders Meillet BSL 26, 12f. (zu δύω; dagegen Kretschmer Glotta 16, 195), Jacobsohn Hermes 44, 88ff. (zu u̯ei-s- ‘biegen’; dagegen Brugmann IF 28, 365ff., WP. 1, 312). I-737-738
ἰσοφαρίζω nur Präsens ‘sich gleich stellen, jmdm. gleichkommen, sich mit jmdm. messen’ (Il., Hes., Simon., Theok.); ‘gleich machen’ (Nik. Th. 572). — Für *ἰσοφορίζω = ἴσα φέρειν von einem hypothetischen *ἰσο-φόρος mit unklarem α-Vokal, wahrscheinlich nach einem unbekannten Muster (Typus ἰσοβαρής?); vgl. indessen auch den α-Vokal in φαρέτρα. In ähnlicher Bed. auch ἀντιφερίζω ‘sich einem gegenüberstellen’ (Il. usw.) nach ἀντι-φέρω. — Danach αὐτοφαρίζειν· αὐτοματεῖν H. — Vgl. Schwyzer 736 A. 5, 449 A. 4, Chantraine Gramm. hom. 1, 339. I-738
ἴσσασθαι auch ἴσσης für ἴσης (ι 42 = 549) und sogar ἴσσα für ἶσα (β 203; Bolling ClassPhil. 26, 313; anders Verdenius Mnemos. 4 : 9, 49)? · κληροῦσθαι H.; — S. αἶσα; dazu Bechtel Dial. 1, 120 und Luther "Wahrheit" und "Lüge" 70. I-738
ἱστάνω — hell. u. spätes Präsens für ἵστημι (Plb., Pap., Inschr. usw.), zum Inf. ἱστάναι neugebildet und somit von arm. sta-na-m (Aor. sta-c̣ay) ‘erstehen, erwerben’, lat. dē-stināre ‘festmachen, fest beschließen’ u. a. (s. Bq, WP. 2, 604, W.-Hofmann s. dēstinō m. Lit.) unabhängig. Ähnlich gebildet ist kret. στανύω ‘einsetzen’ (πόλιν στανυέσθων GDI 5040, 66), thematische Erweiterung eines primären schwundstufigen Präsens vom Typus αἴνυμαι, wohl nach τανύω u. a.; die Bildung stimmt zu aw. fra-stanvanti, -e ‘sie gewinnen einen Vorsprung’. Schwyzer 696f., 698f. m. Lit. I-738
ἵστημι, dor. ἵστᾱμι, Med. ἵσταμαι, Aor. στῆσαι, στήσασθαι, Fut. στήσω ‘stellen, sich stellen, stehen machen, anhalten’ (seit Il.), Aor. Pass. σταθῆναι (seit Od.), Fut. σταθήσομαι (att.); intr. Aor. στῆναι mit Fut. στήσομαι ‘hintreten’, Perf. ἕστηκα ‘stehen’ (seit Il.), sehr oft mit Präfix, ἀνα-, κατα-, ἀπο-, ἐξ-, μετα- usw. usw. Die zahlreichen, z. T. altererbten Ableitungen werden unter besonderen Schlagwörtern behandelt, s. ἱστός, σταθμός, σταμῖνες, στάμνος, στάσις, στατήρ, στήλη, στήμων, στοά usw.; vgl. noch σταυρός u. a. — Zu dem intr. athematischen Wurzelaorist ἔ-στη-ν stimmt genau aind. á-sthā-m, idg. *é-st(h)ā-m. Daneben steht ohne außergriechische Entsprechung schon bei Hom. ein transitiver σ-Aorist ἔ-στη-σ-α wie ἔ-φῡ-σ-α neben ἔ-φῡ-ν u. a.; das intrans. Futurum στή-σομαι, ursprünglich zu ἔ-στη-ν gebildet, aber mit den σ-Aoristen assoziiert, ist wahrscheinlich dabei wirksam gewesen. Auch das trans. reduplizierte athematische Präsens ἵ-στη-μι ist auf das Griechische beschränkt und schließt sich den semantisch befreundeten τί-θη-μι, ἵ-η-μι, βί-βη-μι an; sowohl das Indoiranische wie das Italokeltische haben dafür thematische Bildungen, z. B. aind. tí-ṣṭh-ati ‘steht’, lat. si-st-it ‘bleibt stehen, stellt’. Die transitive Bedeutung, die auch lat. sistō kennzeichnet (vgl. gi-gn-ō), erscheint sowohl in τί-θη-μι wie in ἔ-στη-σα und kann mit beiden in Verbindung stehen. Das intr. Perf. ἕ-στη-κ-α, pl. ἕ-στᾰ-μεν ist bis auf die κ-Erweiterung alt und spiegelt zusammen mit aind. ta-stháu, pl. ta-sthi-má, lat. ste-ti-mus ein idg. Perfekt wider. Alt ist desgleichen das Verbaladjektiv στᾰ-τός ‘stillstehend, stätig’ (seit Il.; hier von Pferden wie awno. staðr, nicht passiv mit Ammann Μνήμης χάριν 1, 17) = aind. sthĭ-tá- ‘stehend’, lat. stă-tus ‘gestellt’ (auf sistō bezogen), awno. sta-ðr ‘zum Stehen geneigt, stätig’ usw. Ganz fraglich ist dagegen die Gleichung ἐ-στά-θης : aind. á-sthi-thās. Weitere Einzelheiten mit Lit. bei Schwyzer 686f., 742, 755f., 762, 775f., 782. — Übrige idg. Formen, die für das Griechische ohne Belang sind (z. B. lat. stō < *stā-i̯ō = lit. stō-ju, aksl. sta-jǫ ‘treten, sich stellen’, germ., z. B. as. ahd. stān, stēn ‘stehen’ nach gān, gēn ‘gehen’), in reicher Auswahl bei Bq, WP. 2, 603ff., Pok. 1004ff. ebenso wie in den Wörterbüchern der betr. Einzelsprachen, z. B. W.-Hofmann s. stō. S. auch ἱστάνω. I-739
ἱστία, -ίη ‘Herd’ s. ἑστία. I-739
ἱστός m. ‘Webebaum, Webstuhl, Gewebe; Mastbaum’ (seit Il.). Oft als Vorderglied, z. B. ἱστο-δόκη ‘Maststütze, Mastgabel’ zum Aufnehmen des umgelegten Mastbaums (Α 434), ἱστο-πέδη ‘Mastfessel, Mastschuh’ (μ 51 = 162, Alk. Ζ 2, 6); vgl. Risch IF 59, 26; ἱστο-βοεύς ‘Pflugbaum, -deichsel’ (Hes. Op. 431, 435 [Versende], danach A. R. 3, 1318 u. Orac. ap. Paus. 9, 37, 4 [Versanfang]), metr. Verlängerung von *ἱστό-βοος = ἱστὸς βόειος, βοῶν (vgl. ἱππο-πόταμος) im Anschluß an die Gerätenamen auf -ευς; vgl. K. Meister HK 174, Boßhardt Die Nom. auf -ευς 31; auch ἱστο-βόη (AP 6, 104, nach -δόκη u. a.). Davon ἱστίον, gew. pl. -ία ‘Segel, Segelwerk’ (seit Il.), auch ‘Vorhang’ (LXX), ‘Webstück’ als Maß (Pap.); — Bildung wie φορτίον u. a. (Chantraine Formation 59). Zu ἵσταμαι (bzw. einem verschollenen Präsens vom Typus lat. si-st-ō) als "der Ständer" (nicht "der Steller"); urspr. vom Webebaum, vgl. Chantraine Étrennes Benveniste 14, Hermann Gött. Nachr. 1943, 7. S. auch στήμων. I-739-740
ἵστωρ, -ορος böot. ϝίστωρ m., "der Wisser", ‘wissend, kundig’ (h. Hom. 32, 2, Heraklit., B., S. u. a.), ‘Zeuge’ (Hp., böot. Inschr., att. Ephebeneid bei Poll. 8, 106), in unklarer Bedeutung Σ 501, Ψ 486 (‘Zeuge’ oder ‘Schiedsrichter’?), ebenso Hes. Op. 702. Mit Präfix: συν-ίστωρ ‘(Mit)zeuge, mitwissend, sich bewußt’ (: σύν-οιδα; Trag., Th., Plb. usw.) mit συνιστορέω ‘mitwissend, einer Sache bewußt sein’ (hell.); ἐπι-ίστωρ ‘mit etw. bekannt, vertraut sein’ (φ 26, A. R., AP u. a.; vgl. ἐπ-ιδεῖν ‘zusehen, erleben’), ὑπερ-ίσ-τωρ ‘etw. allzu gut wissend’ (S. El. 850 [lyr.], Augenblicksbildung); außerdem ἀ-ΐστωρ ‘unwissend’ (Pl. Lg. 845b, E. Andr. 682), πολυ-ΐστωρ ‘Vielwisser’ (D. H., Str. u. a.), φιλ-ίστωρ ‘das Wissen liebend’ mit φιλιστορέω (Str., Vett. Val. u. a.). Davon ἱστόριον ‘Zeugnis’ (Hp.), ἱστορία (s. unten). Denominatives Verb ἱστορέω, auch mit Präfix, z. B. ἀν-, ἐξ-, ‘Zeuge, kundig sein od. werden, Zeugnis ablegen, erzählen, Zeugnis erhalten, erkunden, erforschen’ (ion., Trag., Arist., hell. usw.) mit ἱστόρημα ‘Erzählung’ (D. H. u. a.); gewöhnlich ἱστορία, -ίη, formal von ἵστωρ ausgehend, aber funktionell an ἱστορέω angeschlossen, ‘Kenntnis, Erzählung, (geschichtliche) Darstellung, Geschichte, das Erforschen, die Forschung, Untersuchung’ (ion., auch att., hell. usw.). Adjektiv ἱστορικός ‘auf die ἱστορία, das ἱστορεῖν bezüglich, erkenntnismäßig, geschichtlich’ (Pl., Arist., hell. u. spät; vgl. Chantraine Études sur le vocab. gr. 134-136 m. Lit.). — Aus *ϝίδ-τωρ, Nomen agentis von οἶδα, ἴσμεν. Sowohl das Grundwort wie namentlich die im Ionischen entstandenen Ableitungen ἱστορέω, ἱστορίη haben sich mit der ionischen Wissenschaft und Aufklärung über die hellenische und hellenistische Welt verbreitet. Der Hauch muß unursprünglich sein; Erklärungsversuche bei Schwyzer 226 und 306. — Zur Geschichte und Bedeutung von ἵστωρ, ἱστορέω, ἱστορίη E. Kretschmer Glotta 18, 93f., Fraenkel Nom. ag. 1, 218f., Snell Die Ausdrücke für die Begriffe des Wissens 59ff., K. Keuck Historia. Geschichte des Wortes und seiner Bedeutungen in der Antike und in den roman. Sprachen. Diss. Münster 1934, Frenkian REIE 1, 468ff., Leumann Hom. Wörter 277f., Muller Mnemos. 54, 235ff., Louis Rev. de phil. 81, 39ff. I-740-741
ἰσχίον n. ‘Hüftgelenk, Hüfte’ (seit Il.). Als Hinterglied z. B. in ἐξ-ίσχιος ‘von der Hüfte herausstehend’ (Hp.), εὐ-ίσχιος ‘mit schönen Hüften (hell. Dicht.). Ableitungen: Deminutivum ἰσχάριον (Hero); ἰσχιακός ‘zu den Hüften gehörig’ (Thphr. u. a.); ἰσχιάς, -άδος f. (sc. νόσος) ‘Hüftschmerz’ (Hp.) mit ἰσχιαδικός (Mediz.), als Pflanzenname = λευκάκανθα (Dsk., als Heilmittel gegen ἰσχιάς, Strömberg Theophrastea 194); ἰσχίᾱσις = ἰσχιάς (Mediz.; wie von *ἰσχιάω, Schwyzer 505 und 732); denominatives Verb ἰσχιάζω (ἰσχιάδδειν H.; lak.) ‘die Hüften neigen’ (Prokop., Suid., Phot., H.; unsicher Gal. 18 [1] 786). — Ohne überzeugende Erklärung. — Wenn ἴσχι· ὀσφύς H. richtig überliefert ist, stimmt es der Bildung nach zu ἄλφι, μέλι und zu aind. Körperteilbenennungen wie sákthi ‘Schenkel’, ásthi ‘Knochen’. Gegen Identifizierung von ἴσχι und sákthi (Meringer Beitr. 3, Schulze Kl. Schr. 710 A. 8) Sommer Sprachgeschichte und Wortbedeutung 426 A. 2, wo sákthi anders eingereiht wird. Unter Vergleich mit ahd. hlanca ‘Hüfte, Weiche’ : ags. hlanc ‘schlank, mager’ zieht Grošelj Razprave 2, 10 ἰσχίον zu ἰσχνός; abgesehen davon, daß hlanca von der Vorstellung des Biegens (zu nhd. lenken) ausgeht, bleibt die Bildung unklar. Wieder anders Mann Lang. 28, 39: zu alb. vithe ‘Lende eines Pferdes’. I-741
ἰσχνός ‘trocken, dürr, schmächtig, mager’ (ion. att.). Kompp., z. B. ἰσχνό-φωνος ‘mit trockener (dünner) Stimme’ (Hdt., Hp., Arist. u. a.), oft mit ἴσχω verknüpft (v. l. ἰσχό-φωνος; vgl. unten zu ἰσχναίνω) und als ‘mit stockender Stimme’ verstanden; ἔν-ισχνος ‘etwas trocken’ (Nik. Al. 147 u. a.; vgl. Strömberg Prefix Studies 128). Davon ἰσχνότης ‘Trockenheit usw.’ (Hp., Arist. usw.); denominative Verba: 1. ἰσχναίνω, auch mit Präfix wie κατ-, ἀπ-, ‘austrocknen, mager machen’ (ion. att.) mit ἰσχνασία, -ίη ‘ausgetrockneter Zustand, Magerkeit’ (Hp., Arist.; zur Bildung Schwyzer 469), ἰσχνασμός (Hp.), ἴσχνανσις (Paul. Aeg. u. a.) ‘Austrocknung’, ἰσχναντικός ‘trocknend, abmagernd’ (Arist.); 2. ἰσχνόομαι, -όω, auch mit ἀπ-, ἐξ- u. a., ‘trocken werden bzw. machen’ (Hp., Arist. u. a.) mit ἴσχνωσις, -ωτικός (Mediz. u. a.). — Daneben ἰσχαλέος ‘trocken, dürr’ (τ 233, Man.) und ἰσχάς, -άδος f. ‘getrocknete Feige’ (Kom., Arist. usw.) mit ἰσχαδο-πώλης, ἰσχάδιον u. a. (Kom. usw.). — Zu ἰσχ-ν-ός und ἰσχ-αλ-έος mit Stammwechsel ν : λ (σμερδνός : σμερδαλέος, Schwyzer 484, Chantraine Formation 253) hätte man ein Verb ἰσχαίνω erwartet (κερδαλέος : κερδαίνω), das tatsächlich oft als v. l. belegt ist, aber auch auf Vermischung mit ἰσχάνω ‘zurückhalten, hemmen’ beruhen kann. Ein mit diesem Wechsel in Beziehung stehender u-Stamm ist in aw. hišku-, kelt., z. B. mir. sesc ‘trocken’, idg. *si-sq-u(-o)-, vermutet worden. Da indessen dabei die Aspirata unerklärt bleibt, hat man für ἰσχνός eine lautlich ganz unbedenkliche, aber nur ad hoc aufgestellte Grundform *si-sq-sno- angenommen (Brugmann Grundr.2 2 : 1, 475); als Zwischenglied wäre ein s-Stamm einzuschieben. — Unklar ist das Grundwort von ἰσχάς; nach οἰνάς, κοτινάς, φυτάς, μυρτάς usw. wäre zunächst ein Nomen zu erwarten. Weitere Anknüpfungen (idg. seq- ‘versiegen’) m. Lit. bei Bq, WP. 2, 473f., Pok. 894f., W.-Hofmann s. siccus. — Nicht mit Osthoff IF 27, 181ff. zu lat. vēscus ‘abgezehrt, mager’ (zu vēscor, s. W.-Hofmann s. v.). I-741-742
ἰσχύ̄ς, -ῠ́ος f. ‘Kraft, Stärke, Macht’ (seit Hes.). Komp. ἄν-ισχυς ‘kraftlos’ (LXX). — Denominatives Verb ἰσχύω, Aor. ἰσχῦσαι, auch mit Präfix, ἐν-, ἐξ-, κατ-, ὑπερ- usw., ‘Kraft, Stärke, Macht besitzen’ (Pi., Hp., att., hell. u. spät) mit ἴσχυσις (LXX). — Adj. ἰσχῡρός ‘kräftig, stark, mächtig, heftig’ (ion. att.); als Vorderglied z. B. ἰσχυρο-ποιέω ‘verstärken, befestigen’ (Plb. usw.), als Hinterglied (für unbequemes -ισχυς, Frisk Adj. priv. 18) in ἀν-ίσχυρος ‘nicht stark, ohne Stärke’ (Hp., Str. u. a.), ὑπερ-ίσχυρος ‘außerordentlich stark’ (X., Arist.). Davon ἰσχυρικός ‘stark’ (Pl. Tht. 169b; expressive Erweiterung?; anders Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 147) und die Denominativa 1. ἰσχυρίζομαι, auch mit Präfix wie δι-, ἀπ-, ἀντ-, ‘sich stark erweisen, sich anstrengen, nachdrücklich behaupten usw.’ (Heraklit., att.) mit dem Desiderativum ἰσχυρι-είω ‘behaupten wollen’ (Hp.); 2. κατ-ισχυρεύομαι ‘heftig sein’ (Aq.); ’Ισχύλος EN (Inschr.). — Aus H. (und Hdn. Gr. 1, 509) βίσχυν (lak.), γισχύν· ἰσχύν folgt urgr. *ϝισχύ̄ς, das von Brugmann IF 16, 493f., Grundr.2 2 : 1, 209 ansprechend zu aind. vi-ṣah- ‘in der Gewalt haben’ gestellt wird; somit zu σχ-εῖν, ἔχω (s. d.) mit dem Präfix *u̯i- ‘auseinander’, auch verstärkend (vgl. zu ἴδιος). Zum ū-Stamm (wie πληθύ̄ς, νηδύ̄ς usw.) s. Schwyzer 463f.; dazu Meid IF 63, 1 1, der es als Abstraktbildung von einem Adj. *ϝι-σχ-ύς ‘widerstehend’ (-υ- wie in ἐχυ-ρός) erklären will. — Anders Meillet BSL 27, 129ff.: ἰ- prothetisch, Anlehnung an ϝίς sekundär. — Chantraine Emerita 19, 134ff. erwägt Zusammenhang mit ἰξύς, ἰσχίον; daselbst auch über Bedeutung und Gebrauch (ἰσχύς als volkstümlich von Hom. vermieden?). I-742-743
ἰταμός ‘keck, verwegen, unverschämt’ (att.) mit ἰταμότης (Pl., Plb. u. a.), ἰταμία (LXX) ‘Keckheit’, ἰταμεύομαι ‘keck sein’ (Jul. Or. 7, 210c; interpoliert). — Daneben ἴτης, -ου m. ‘verwegener Mensch, Brausekopf’ (Ar., Pl.), auch ἰτητικός = ἰταμός (Arist. u. a.; von ἰτάω, s. εἶμι). — Wie πό-της ‘Trinker’ gebildet (Chantraine Formation 318) gehört ἴ-της als "Draufgänger" wahrscheinlich zu ἰ-έναι ‘gehen’ (Curtius 401 mit den Alten, z. B. Pl. Prt. 349e, 359c); das davon nicht zu trennende ἰταμός steht der Bildung nach ziemlich allein, da die Oxytona auf -αμός (von οὐδ-, μηδ-αμός abgesehen) sonst Substantiva sind (ποταμός usw.). Beide Wörter dürfen aus der attischen Umgangssprache stammen (verfehlt Fraenkel Nom. ag. 2, 58f.). I-743
ἰ̄τέα, ep. ion. ἰτέη (-εί- A. R. 4, 1428; metr. Dehnung) f. ‘Weide’ (seit Φ 350), auch ‘ein aus Weide geflochtener Schild’ (E., Ar.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 73). Komp. ἰτεό-φυλλος ‘mit Weidenblättern geschmückt’ (Halik. IIIa). Davon ἰτέϊνος ‘aus Weiden’ (Hdt., Thphr., Pap. u. a.), ἰτεών ‘Weidenhain’ (Gp.). — Bildung wie πτελέα und andere Baumnamen (Chantraine Formation 92), wahrscheinlich von einem mit (ϝ)ί-τυς (von u̯ei- ‘biegen’) parallel laufenden Nomen, vgl. γιτέα (= ϝιτέα)· ἰτέα H. In der anlautenden Länge ist wegen des att. Demennamens Εἰτέα eine itazistische Schreibung vermutet worden (Fick BB 30, 274; vgl. zu οἶσος). Weiteres s. ἴτυς. I-743
ἴτριον (Anfangssilbe lang Ar. Ach. 1092) n., gew. pl. Ben. eines Kuchens, der nach Ath. 14, 646d aus Sesam und Honig gemacht wurde (ion. att.); davon ἰτρίνεος ‘ἴτριον-ähnlich’ (AP). — Herkunft unbekannt, wahrscheinlich LW. L. Meyer 2, 35 erwägt Zusammenhang mit ἱ-μαλιά. I-743
ἴτυς, -υος f. ‘Radfelge, Schildrand’, auch übertr., ‘Schild’ (ep. ion. seit Il.). Keine Ableitungen. — Äol. ϝίτυς (Gramm.; vgl. auch Chantraine Gramm. hom. 1, 144) erweist Zusammenhang mit ἰτέα, οἶσος, ἶρις (s. auch ἴς), somit eig. ‘Biegung’ (woraus zunächst ‘Weide’?) als τυ-Ableitung eines Verbs ‘biegen, flechten’ in lat. viēre ‘binden, flechten’, aind. vyáyati ‘winden, wickeln, hüllen’, Ptz. vītá- (vgl. ϝῖ-ρις, ϝῑ-τέα), lit. vejù, výti, Ptz. výtas (= aind. vītá-), slav., z. B. russ. vjú, vítь ‘drehen, winden’. Zu ϝίτυς stimmt genau lat. vitus ‘Radfelge’, wozu vitūtus ‘mit einer Felge versehen’ (aus βιτωτός Ed. Diocl. zu entnehmen), aber wahrscheinlich als Entlehnung (W.-Hofmann s. v.). Auch sonst sind Spuren von tu-Ableitungen sowohl im Griechischen wie im Baltoslavischen vorhanden: ἰτέα, οἶσος; apr. witwan ‘Weide’, aksl. větvь, russ. vítvina ‘Zweig, Rute’; direkte Beziehung zu ἴτυς ist indessen zweifelhaft, vgl. Porzig Satzinhalte 340. — Weitere Verwandte (z. B. lat. vītis, ahd. wīda ‘Weide’, lat. vīmen) m. Lit. bei Bq, WP. 1, 223ff., W.-Hofmann s. vīeō, Vasmer Russ. et. Wb. s. vetvь und vítvina. I-743-744
Ἴτυς, -υος m. Sohn des Tereus und der Prokne, die in eine Nachtigall verwandelt wurde (A., S., Ar.); aus dem Ruf der Nachtigall entstanden, vgl. S. El. 148 (lyr.): ἅ Ἴτῠν αἰὲν Ἴτῡν ὀλοφύρεται (zur Länge des υ vgl. Schulze Kl. Schr. 401); auch als Adj. in unklarer Bed. (metr. Inschr. aus Kappadokien; vgl. Ryba Rev. de phil. 57, 113ff. und ἴτυλος unten). Daneben mit suffixaler Erweiterung Ἴτυλος Sohn des Zethos und der Aëdon (τ 522; danach H. = μόνος, ὀρφανός, νέος, ἁπαλός; Pherekyd. 124 J.); auch ’Ιτυμονεύς (Λ 672, A. R.)?; — zur Bildung Boßhardt Die Nom. auf -ευς 97, Fraenkel Nom. ag. 1, 105 A. 1. Von Ἴτυς wohl auch ἴτυξ N. eines Vogels (Phot., Suid.); vgl. ὄρτυξ, ἴυγξ usw. I-744
ἰυγή, ἴυγμα, ἰυγμός ‘Geschrei’ s. ἰύζω. I-744
ἴυγξ, ἴυγγος f. N. eines Vogels, ‘Drehhals, Wendehals, Iynx torquilla’ (Arist., Ael.), der unter Zaubergesängen auf ein in Bewegung gesetztes Rad gebunden wurde, um eine verlorene Liebe wiederzugewinnen; daher ‘Zauberrad, Liebeszauber’ (Pi., Ar., X. usw.; vgl. Gow JournofHellStud. 54, 1ff.; dazu Kretschmer Glotta 26, 63); auch (meist im Plur.) Ben. gewisser chaldischen Gottheiten (Prokl., Dam.). Davon ’Ιύγγιος Monatsname in Thessalien (IG 9 : 2, 258, 5; zu ’Ιυγγίης· ὁ Διόνυσος H.?, vgl. zu ἰύζω); ἰυγγικός ‘zu den ἴυγγες gehörig’ (Dam.). — Bildung wie πῶυγξ, στρίγξ, σύριγξ und andere Benennungen von Vögeln und Musikinstrumenten (Chantraine Formation 3 u. 398), somit von ἰύζω nach dem Geschrei (z. B. Osthoff MU 4, 185 A. 2), evtl. als ursprüngliches Fremdwort (so Bq) an ἰύζω u. Verw. angeglichen. I-744
ἰύζω (ep. poet. seit Il.), Aor. ἰύξαι (Pi. P. 4, 237) ‘laut schreien, heulen’, auch ἀν-ιύζω (Q. S.). Davon ἰυγή (Orac. ap. Hdt. 9, 43, S., Nik. u. a.), ἰυγμός (Σ 572, A., E.) ‘Geschrei’, auch ἰύγματα pl. ‘ds.’ (A. Dict. in PSI 11, 1209, 17); ἰύκτης m. ‘Heuler, Pfeifer’, nur in ἰύκτᾰ (Theok. 8, 30; nach ἠπύτα, ἠχέτα, Fraenkel Nom. ag. 1, 223). Mit sekundärer Nasalierung ἰυγκτόν· τορόν und ἰυγγοδρομεῖν· ἐκβοηθεῖν. Βοιωτοί H. (nach βοηδρομεῖν; falsch für ἰυγο- ?); auch ’Ιυγγίης· Διόνυσος H. mit ’Ιύγγιος thess. Monatsname; Einzelheiten bei E. Kretschmer Glotta 18, 98. — Zu ἴυγξ s. bes. — Verbalisierte Interjektion, vgl. ἰΰ (Hdn. Gr. 1, 506; aus ἰύζω rückgebildet?), auch ἰού, ἰώ, ἰαῦ u. a. (Schwyzer-Debrunner 600). Von der Interjektion auch Ἴυος Beiname des Dionysos (Lykaonien; vgl. Robinson AmJournArch. 31, 26ff., Wahrmann Glotta 19, 161). Das anlautende ἰ- (Quantität schwankend) war wohl ursprünglich Halbvokal wie in lat. iūbilō, mhd. jū u. a., s. Schwyzer 313. — Unklar sind ἀβίυκτον (cod. -ηκτον)· ἐφ’οὗ οὐκ ἐγένετο βοὴ ἀπολλυμένου (vgl. Latte z. St.) und ἐκβιούζει· θρηνεῖ μετὰ κραυγῆς H., ob aus *ϝιύζω nach ϝιϝάχω? Vgl. Schulze Kl. Schr. 335, wo indessen ἰ̄ύζω und ἰ̆υζω (aus *ϝιύζω) falsch getrennt werden. S. auch ἰβύ und 1. αὔω. — Weitere Formen m. Lit. bei W.-Hofmann s. iūbilō. WP. 1, 210, Pok. 514. I-744-745
ἴφθιμος etwa ‘kräftig, stark, wacker’ (Hom., Theok., D. P.). — Schon wegen der unsicheren Bedeutung etymologisch schwer bestimmbar (ebenso die gleichgebildeten ἐρῆμος, ἑτοῖμος, s. dd.). Das Fehlen des Digamma (Chantraine Gramm. hom. 1, 143) macht Anschluß an ἴς, ἶφι sehr unwahrscheinlich. Nach Kuiper Glotta 21, 289ff. und ZII 8, 249f. zu φθάνω und (mit Collitz BB 18, 226ff.) zu aind. kṣáyati ‘besitzen, beherrschen’; s. die Bedenken bei Schwyzer 326 A. 1. I-745
ἴφιος ‘kräftig’ s. 1. ἴς. I-745
ἴφυον n. Art Lavendel, ‘Lavandula Spica’ (Ar., Epich., Thphr.). — Unerklärt. Daneben τίφιον n. ‘Scilla autumnalis’ (Thphr.); vgl. Strömberg Pflanzennamen 155f. I-745
ἰ̄χανάω, -άομαι ‘begehren, trachten, streben’ (Hom., Babr., Herod.); daneben ἰχαίνω ‘ds.’ (Kall. Aet. 1, 1, 22), wohl Neubildung nach ὑφανάω : ὑφαίνω u. a. (s. Schwyzer 700); weiteres zur Bildung Risch par. 112e (m. Lit.), Chantraine Gramm. hom. 1, 360; dazu noch Bolling Lang. 21, 52. — Der alternierende ρ-Stamm kann in dem unsicheren ἶχαρ ‘Begierde’ (A. Supp. 850, lyr.) vermutet werden. — S. ἀ̄χήν. I-745
ἰχθῦς, -ύος m. ‘Fisch’ (seit Il.; zum Akzent Schwyzer 377f. und Berger Münch. Stud. zur Sprachwiss. 3, 7). Oft als Vorderglied, meist durch ο erweitert, z. B. ἰχθυο-πώλης (Kom. usw.) gegenüber ἰχθυ-βόλος (A., AP u. a.; -βολεύς Nik., Kall. u. a.; Boßhardt Die Nom. auf -ευς 64). Als Hinterglied in ἄν-, εὔ-, πολύ-ϊχθυς u. a. (Str. usw.), auch πολυ-ΐχθυος (h. Ap. 417; metr. bequem). Mehrere Ableitungen: Deminutivum ἰχθύδιον (Kom., Pap. usw., wohl zunächst aus -υ-ΐδιον > -ύ̄διον; Spätere -ῠ-; Schwyzer 199 mit Fraenkel Nom. ag. 2, 177f. u. A.; anders Chantraine Formation 70). Andere Substantiva: ἰχθύᾱ, ion. -ύη ‘getrocknete Fischhaut, getrockneter Fisch, Fischerei usw.’ (Mediz., Pap. u. a.); ἰχθυήματα pl. (selten sg.) ‘Fischschuppen’ (Hp.); ἰχθυΐα ‘Fischerei’ (Prokl.; vgl. Scheller Oxytonierung 41); ἰχθυεῖον ‘Fischmarkt’ (Nesos; unsicher); ἰχθυόνερ· ἰχθυαγωγοί H.; vgl. Schwyzer 487. — Adjektiva: ἰχθυόεις ‘fischreich, aus Fisch(en) bestehend’ (ep. poet. seit H.; zur Bildung Debrunner ’Αντίδωρον 28ff.); ἰχθυώδης ‘fischreich, fischartig’ (Hdt. u. a.); ἰχθυηρός ‘aus Fisch(en) bestehend, schuppig, verunreinigt’ (Ar., Ph. u. a.; zum Nebensinn des Unangenehmen Chantraine Formation 233), ἰχθυηρά f. ‘Fischsteuer’ (Pap.; Mayser 1 : 3, 96); ἰχθυϊκός ‘auf Fisch(e) bezüglich, fischartig’ (LXX u. a.), -ική ‘Fischzoll’ (Magnesia, Ephesos); ἰχθυακός ‘ds.’ (Aq., Sm., Thd. u. a.); ἰχθύϊνος ‘ds.’ (Ael.). — Verba: ἰχθυάω ‘fischen’, auch intr. ‘sich wie ein Fisch benehmen’ (ep. seit Od.), erweitert ἰχθυάζομαι ‘fischen’ (AP). Vgl. die Ableitungen von ἅλς : ἁλι-εύς, -εύω, -εία usw., die im Gebrauch mit der ἰχθῦς-Gruppe konkurrierten und sie teilweise ersetzten. — Altes Wort für ‘Fisch’ im allg., das indessen auf das Armenische und das Baltische beschränkt ist: arm. ju-kn (mit derselben Erweiterung wie in mu-kn : μῦς), lit. žuvìs, Gen. pl. žuv-ų̃, lett. zuvs. Zur griechischen Vokalprothese Schwyzer 413; zu der ungelösten Frage nach dem ursprünglichen konsonantischen Anlaut ebd. 325, Deroy L’Ant. class. 23, 306ff., Merlingen Μνήμης χάριν 2, 53; vgl. zu ἰκτῖνος, χθών und χθές. Die Vokallänge in ἰχθῦς will Specht KZ 59, 280ff. (ebenso Schwyzer 350) auf vorgr. Dehnung in einsilbigen Wörtern zurückführen; dagegen Kretschmer Glotta 22, 240f. — Neben dem auf das idg. Zentralgebiet beschränkten ἰχθῦς- jukn — žuvìs gab es im Westen (Latein, Keltisch, Germanisch) ein anderes Wort für ‘Fisch’, lat. piscis, air. īasc, nhd. Fisch (russ. piskárь ‘gemeiner Gründling, Cyprinus Gobio’ bleibt fern, s. Vasmer Russ. et. Wb. s. v.). I-745-746
ἴχλα f. N. eines Meerfisches, = κίχλα, κίχλη (BCH 60, 28 [Böotien IIa], H.); vgl. ἰχάλη = ἐσκευασμένος ἰχθῦς H. — Unklar; vgl. Lacroix Mél. Boisacq 2, 52f. I-746
ἴχνος n. ‘Fußtapfe, Spur, Fährte, Sohle’ (seit ρ 317). Als Vorderglied z. B. in ἰχνο-σκοπέω ‘nach den Spuren sehen’ (A., S., Plu.). Davon ἴχνιον ‘ds.’ (vorw. poet. seit Il.) mit ὑπ-ίχνιος ‘unter der Fußsohle befindlich’ (Q. S.). Denominatives Verb ἰχνεύω, auch mit Präfix, z. B. ἀν-, ἐξ-, δι-, ‘spüren, aufspüren’ (seit Χ 192) mit ἰχνευτής ‘Spürhund, Ichneumon’ (Hdt., S. u. a.), auch ἰχνευτήρ ‘ds.’ (Opp., Nonn.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 134f.) mit ἰχνεύτειρα (Korkyra); ἰχνεύμων, -ονος m. "Spürer", N. einer ägyptischen Wieselart, ‘Ichneumon’, auch übertr. von einer Wespenart (Arist., Eub. u. a.); ἴχνευμα ‘Spur’ (Poll.); ἰχνευτικός ‘zum Spüren geeignet’ (Ph., Arr. u. a.). Außerdem ἐξ-ιχνιάζω ‘aufspüren’ mit ἐξιχνιασμός (LXX, Aq.), eher von ἴχνος nach den Verba auf -ιάζω (vgl. Schwyzer 735) als von ἴχνιον. — Zu ’Ιχναίη Bein. der Θέμις (h. Ap. 94), von dem Ort Ἴχναι in Südthessalien, s. v. Wilamowitz Glaube 1, 203. — Bildung wie ἔρ-νος, κτῆ-νος u. a., aber Herkunft unklar; vielleicht mit Wood ClassPhil. 5, 305, Persson Beitr. 2, 563 mit A. 4 zu οἴχομαι (s. d.). Frühere Versuche bei Bq, dazu noch Wood ClassPhil. 16, 65 und 21, 72 mit verschiedenen Erklärungen. — Die Nebenform ἴχματα· ἴχνια H. vielleicht für ἴθματα (s. εἶμι). I-746-747
ἰ̄χώρ, -ῶρος (Akk. sg. ἰχῶ Ε 416) m. ‘Götterblut’ (Ε 340, 416), sek. vom Blut der Giganten (Str. 6, 3,5), von Blut im allg. (A. Ag. 1480, anap.), ‘Blutwasser, -serum, Molken’ (Hp., Arist. u. a.; aus der Dichtersprache geholt, s. Leumann Hom. Wörter 310). Als Vorderglied u. a. in ἰχω(ρο)-ρροέω ‘Blutwasser abgeben’ (Hp. u. a.). Ableitung ἰχωρώδης ‘serös’ (Hp). Morphologisch ohne genaues Gegenstück (vgl. Schwyzer 519 und 569, Chantraine Gramm. hom. 1, 212), wohl Fremdwort (vgl. Krahe Die Antike 15, 184). — Mehrere Erklärungsversuche: LW aus heth. ešḫar (s. ἔαρ; Kretschmer Kleinas. Forsch. 1, 9ff., Heubeck Würzb. Jb. 4, 212ff.); zu ἰκμάς (Pisani Ist. Lomb. 73, 492ff.); zu ἶχαρ, ἰχανάω (Bolling Lang. 21, 49ff.); noch anders Stokes bei Fick 2, 295 (s. auch Carnoy REGr. 69,2 83), Persson Stud. 112 A.2, Güntert Götter und Geister 102, Grošelj Razprave 2, 40f. I-747
ἴ̄ψ, ἰ̄πός Ben. eines Wurms, der Horn und Weinstöcke benagt (φ 395, Thphr., Str.), ’Ιπο-κτόνος N. einer Gottheit in Erythrai (Str. 13, 1, 64). — Reimwort zu θρίψ, κνίψ, σκνίψ, vielleicht Kreuzung davon mit ἴξ (s. d.). Seit alters zu ἴψασθαι (s. ἶπος) gezogen; dagegen Solmsen Wortforsch. 173 A. 2 (S. 174). Eine andere Vermutung bei Schwyzer 299 (nach Georgiev): lautgesetzliches ἴξ, ἰπός zu ἴξ, ἰκός, bzw. ἴψ, ἰπός ausgeglichen. I-747
ἴψος oder ἰψός m. Baumname ‘Korkeiche, Quercus Suber (?)’ (Thphr. HP 3, 4, 2); ἰψόν· τὸν κισσόν. Θ<ο>ύριοι H. — Vgl. zu *(ϝ)ίμβω. I-747
ἰωγή (ξ 533) s. ἐπιωγαί. I-747
ἰωή f. ‘Schall, Geschrei, Getöse, Gebrause’ (ep. seit Il.; ἰωά S. Ph. 216, lyr.). — Onomatopoetische Bildung, aus der Interjektion ἰώ erwachsen. Vgl. ἰή mit ἰήϊος (s. d.). I-747
ἰωκή, Akk. sg. ἰῶκα (Λ 601; zur Heteroklisie Schwyzer 584, Chantraine Gramm. hom. 1, 231, Egli Heteroklisie 12f.) f. ‘Angriff, Verfolgung’ (Il.). Daneben ἰωχμός ‘ds.’ (Il., Hes., Theok.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 160), ἴωξις· δίωξις H., παλί̄ωξις ‘Wiederverfolgung’ (Il., App.), danach προίωξις (Hes. Sc. 154). — Primärbildungen zu ϝιώκει ‘verfolgt’ (kor.), somit für (ϝ)ιωκή, παλι-(ϝ)ίωξις usw. (über Spuren vom Digamma Chantraine 1, 143); ἰωχμός (ῑ- metr. gedehnt) aus *ἰωκ-σμό-ς (Schwyzer 493). Zu ϝιώκει (: ϝίεμαι) s. διώκω m. Lit. Einzelheiten bei Bechtel Lex. s. v. — Verfehlt Fraenkel Satura Berolinensis (1922) 20ff. (Referat bei Kretschmer Glotta 15, 189). I-747-748
Ἴωνες, ep. poet. ’Ιάονες pl. (selten Ἴων, ’Ιάων) ‘Ionier’, einer der vier griechischen Hauptstämme (seit Ν 685 ’Ιάονες ἑλκεχίτωνες; späte Interpolation, v. Wilamowitz Glaube 1, 85 A. 3). Als Hinterglied in Παν-ίωνες (Eust. 1414, 36), Rückbildung nach Παν-έλληνες aus Πανιών-ιον n. ‘Tempel der gesamten Ionier’, -ια pl. N. des entsprechenden Festes (Hdt. usw.), Πανιώνιος m. Beiname des Apollon u. a. (Inschr.). Ableitungen: 1. ’Ιάς, -άδος f. ‘Ionierin, ionisch’ (Hdt., Th. u. a.) mit ’Ιακός (Plb. u. a.); zu Ἴωνες nach Ἕλληνες : ‘Ελλάς (vgl. unten). 2. ’Ιαόνιος ‘ionisch, griechisch’ (A. in lyr.), ’Ιαονίς f. (Nik.); spät ’Ιώνιος ‘ds.’ (Philostr.) mit ’Ιωνίς f. (Kall., Paus. u. a.), ’Ιωνιάς f. (Nik., Str.); dazu ’Ιωνία ‘Ionien’ (A. Pers. 771), ’Ιαονίη-θε (Nik. Fr. 74, 2). 3. ’Ιωνικός ‘ionisch’ (Hdt., Th. usw.). 4. ὁ ’Ιόνιος (κόλπος usw.) m. ‘das Ionische Meer’ (zwischen Epeiros und Italien; vgl. unten). 5. ’Ιάνειος Patronym. (thess.). 6. ἰωνίσκος m. ephesischer N. des Fisches χρυσόφρυς (‘Goldbrasse’; Archestr.; vgl. Strömberg Fischnamen 86). Denominatives Verb ἰωνίζω ‘ionisch sprechen’ (A. D.). Unsicher ’Ιαωλκός, ’Ιωλκός Stadt in Magnesia am Pagasäischen Meerbusen (seit Hes. Th. 997), eig. "Ionierhafen" aus *’Ιαϝο-ολκός? — Aus ägypt. jwn(n)’, hebr. jāwān, apers. yauna usw. folgt ein urspr. *’Ιά̄ϝονες; weitere Analyse unsicher. Eine kürzere Form *Ἴον-ες ist in ’Ιόνιος vermutet worden (vgl. Jacobsohn KZ 57, 76ff., Treidler Klio 22, 86ff., dazu Kretschmer Glotta 19, 216), wenn nicht nach χθόνιος u. a. (von Beaumont JournofHellStud. 56, 204 wird ’Ιόνιος auf ’Ιώ bezogen); jedenfalls lassen sich ’Ιάς und ’Ιαωλκός aus ’Ιάονες, Ἴωνες erklären. Unklar ’Ιάνων ( ̆ ̆; A. Pers. 949f.; lyr.). — Der Akzent in Ἴωνες kann sich nach den zahlreichen Personenbezeichnungen auf -(ί)ων, -(ί)ωνες gerichtet haben; nach Vendryes BSL 25, 49 dagegen attische Verschiebung wie in ἔγωγε. — Eigentliche Bedeutung unbekannt, mithin ohne Etymologie. Mehrere Hypothesen: "die ἰα-Rufer" (Theander Eranos 20, 1ff.), "Verehrer des Apollon ἰήϊος" (Kretschmer Glotta 18, 232f., Kleinas. Forsch. 1, 1ff.), zu ἰάομαι usw. (Carnoy Les ét. class. 24, 105f.). Einzelheiten m. weiterer Lit. bei Schwyzer 80 : 3. I-748
ἰωρός m. Bed. unsicher; nach A. D. Pron. 55, 26 att. = ὁ αὐτῆς τῆς πόλεως φύλαξ mit falscher Zurückführung auf das Pronomen ἵ; ähnlich Hdn. 1, 200: ὁ γνήσιος φύλαξ; nach einem Sprichwort bei Suid. (App. Prov. 4, 39) von dem einem Totschläger auferlegten Banne (ἐντὸς, ἐκτὸς ἰωροῦ), von H. als ‘Haus’ aufgefaßt; vgl. die zur Wahl gestellten Erklärungsversuche: ἰωρός· τὸ ὀρ<ε>ινὸν χωρίον, καὶ τὸ ὄρος. καὶ οἶκος, καὶ ὁ τούτου φύλαξ. — Von Bq als *ϝι-ϝωρό-ς zu ὁράω, ὤρα, hom. οὖρος ‘Wächter’ gestellt; angesichts der unsicheren Bed. ganz hypothetisch. I-749
ἰῶτα n. indekl. der neunte Buchstabe des Alphabets (Pl. Kra. 418b u. a.). Davon ἰωτακισμός ‘Wiederholung des i’ (Quint. u. a.), nach σολοικισμός, ἀττικισμός usw. (Niedermann Rev. de phil. 74, 5ff.; dazu Schwyzer 736 m. A. 8 u. Lit.). — Aus dem Semitischen, vgl. hebr. jōdh; dazu Schwyzer 140 u. 313. I-749
ἴωψ, -ωπος, böot. ϝίωψ (BCH 60, 28, IIa) m. N. eines kleinen Fisches (Nik., Kall. u. A. bei Ath., Ael., Hdn. Gr. 1, 247). — Unerklärt; zur Sache Thompson Fishes s. v. I-749
καβαθα N. eines Gefäßes — s. γάβαθον; Anlaut wie in κάβος, vgl. s. v. I-749
κάβαισος m. ‘gefräßiger Mensch, Fresser’ (Kratin. 103), auch PN (IG 5 : 2, 271, 9; Mantinea IVa). — Nach den Alten von κάβος und αἶσα; ersteres mag richtig sein, zum Ausgang vgl. ’Αγόραισος (GDI 3269, 12; 3386, 36; Schulze Kl. Schr. 665). I-749
καβάλλης, -ου m. ‘Arbeitspferd, ἐργάτης ἵππος’ (Plu., AP, H.). Davon καβάλλ(ε)ιον n. ‘ds.’ (Inschr. Kallatis, H.), auch übertr. = ἡ πρώτη τοῦ τρικλίνου κλίνη· διὰ τὸ ἀνάκλιτον H. Ferner καβαλλάτιον (< lat. *caballatium) Pflanzenname, = κυνόγλωσσον (Ps.-Dsk.; vgl. die Pflanzennamen auf ἱππο- bei Strömberg 30); καβαλλάριος (Teukros Astrol.) = lat. caballārius ‘Pferdeknecht’ (Gloss.), mit καβαλλαρικός (μύλος, τάπης Edict. Diocl.) auf καβάλλης bezogen. — Wie lat. caballus, gall. EN Caballos ist καβάλλης (-ης technisch und volkstümlich, Chantraine Formation 30f.) ein asiatisches Wanderwort (viell. wie Wallach u. a. urspr. Ethnikon); vgl. zunächst türk. käväl Beiw. von at ‘Pferd’, pers. kaval ‘mischblütiges, zweitklassiges Pferd’. In Betracht kommen noch aksl. russ. kobýla ‘Stute’ und nach Nehring (s. u.) aind. kapala- als Beiw. des Kamels (?). Ob weiterer Zusammenhang mit dem kleinasiat. Volksnamen Καβαλεῖς (Καβηλέες Hdt.) besteht, muß bei unserer mangelnden Kenntnis der historischen und ethnischen Tatsachen eine offene Frage bleiben, ebenso die Zugehörigkeit von κάβηλος, κάληβος· ἀπεσκολυμμένος τὸ αἰδοῖον H. (vgl. zu βάκηλος). — Nehring Sprache 1, 164ff.; außerdem W.-Hofmann s. caballus (mit Nachtr. 853) und Vasmer Russ. et. Wb. s. kobýla mit weiteren Formen und reicher Lit.; dazu noch Belardi Doxa 3, 208. I-749-750
Κάβαρνοι m. pl. Ben. der Demeterpriester auf Paros (IG 12 : 5, 292 [IIIp], H.). Daneben Κάβαρνις, dichterischer N. der Insel Paros (St. Byz.). — Unklar; vgl. E. Kretschmer Glotta 18, 87f. I-750
Κάβειροι m. pl. Ben. chthonischer Gottheiten, die bes. auf Samothrake und Lemnos ebenso wie in Böotien verehrt wurden (Pi., Hdt., Inschr. usw.). — Herkunft unbekannt; schwerlich mit Wackernagel KZ 41, 316ff. = Kl. Schr. 1, 505ff. (wo über ältere Vorschläge) zu aind. Kúbera- ‘Herr der Geister des Dunkels, Gott der Schätze’, s. Mayrhofer Wb. s. v. m. Lit. Über die Kabiren Nilsson Gr. Rel. 1, 670ff., wo auch Lit., u. a. Kretschmer KZ 55, 82ff. I-750
κάβος m. Getreidemaß, = 4. ξέσται (LXX), — aus hebr. qaƀ. Vgl. zu γάβαθον, auch καβαθα. I-750
κάγκαμον n. Ben. eines orientalischen Baumharzes (Dsk.), = arab. kamkām; sonst dunkel. — Das Wort für ‘Saffran’, arab. kurkum, hebr. karkōm, akkad. kurkānu, wozu aind. kuṅkumam ‘ds.’, ist davon zu trennen; vgl. zu κρόκος. — Aus κάγκαμον lat. cancamum (seit Plin.). I-750
κάγκανος ‘dürr’ (ep. poet. seit Il.), poet. Erweiterung καγκάνεος ‘ds.’ (Man.). Dazu, wohl als Denominativum, καγκαίνει· θάλπει, ξηραίνει; außerdem mit ν:λ-Wechsel καγκαλέα· κατακεκαυμένα H., falls nicht vielmehr Neubildung nach den vielen Adjektiven für ‘dürr’ auf -αλέος (ἀζαλέος, αὐαλέος usw.). — Ohne Suffix καγκομένης· ξηρᾶς τῷ φόβῳ H. und πολυ-καγκής Beiwort von δίψα (Λ 642), vielleicht zu κάγκομαι in καγκο-μένης gebildet (vgl. Schwyzer 513). — Mit κάγκανος usw. sind einige Wörter für ‘Hunger, Qual’ verbunden worden: die hochstufigen primären Verba gr. κέγκει· πεινᾷ (Phot.), lit. keñkia, Inf. keñkti ‘es tut weh’ (eig. *‘brennt, dörrt’), das sekundäre awno. hā ‘plagen, quälen’, urg. *hanhōn (vgl. Wißmann Nom. postv. 1, 42), und die Verbalnomina lit. kankà ‘Qual, Pein’, germ., z. B. got. huhrus ‘Hunger’ mit huggrjan ‘hungern’ (Schwundstufe mit grammatischem Wechsel; wohl alter r- Stamm). Unsicher dagegen aind. kaṅkāla- m. n. ‘Gerippe’ (vgl. σκελετός), und ganz besonders das desiderative aind. kāṅkṣati ‘begehren’ (aus *‘brennend verlangen’?), vgl. Mayrhofer Wb. s. vv. Der innere Nasal in κάγκανος usw., der aus dem Ablaut qenq-, qonq-, qn̥q- herausfällt, muß dann sekundär sein (vgl. Schwyzer 343). — Schulze KZ 29, 269f. = Kl. Schr. 329; s. noch Bechtel Lex. s. v. und Fraenkel Lit. et. Wb. s. keñkti. Nach Schulze a. a. O. gehören hierher auch die H.-glossen κακιθής· ἄτροφος ἄμπελος, κακιθές· χαλεπόν, λιμηρές, κακιθά· λιμηρά (Hinterglied zu αἴθω, ἰθαίνω). S. auch κάχρυς. I-750-751
κάγκελ(λ)οι, (-ος), -ον n. m. pl., ‘Gitter, Schranken’ (Pap., Inschr., Kaiserzeit; Sch.) mit καγκελ(λ)ωτή ‘mit Gitter versehen’ (διαβάθρα, θύρα; Pap., Sch.), auch als Maßbezeichnung (μέτρῳ τῷ καγκέλλῳ usw.) in den Pap. — Aus lat. cancellī pl. ‘ds.’ (seit Cic.); ebenso καγκελλάριος (Lyd. Mag., Pap. VIp) = lat. cancellārius (seit IVp). I-751
καγχαλάω nur Präs. (ep. seit Il.), Ipf. καγχαλάασκε (A. R., Q. S.), auch mit Präfix ἐπι-, περι-, ‘laut jubeln, frohlocken’; καγχαλίζεται· χαίρει, ἱλαρύνει H. — Expressives Verb onomatopoetischen Charakters, was eine genaue grammatische Analyse erschwert. Schon von Benfey zu κακχάζω, καγχάζω gezogen; dabei wäre -αλάω nur erweiternd, vgl. ἀσχαλάω, βαυκαλάω (auch παμφαλάω?, vgl. s. v.). Dagegen nach Apollonios und Bechtel Lex., der aus semantischen Gründen die Anknüpfung an κακχάζω etwas voreilig ablehnt, mit intensiver Reduplikation zu χαλάω ‘nachlassen’; καγχαλάω eig. ‘ich bin losgelassen’ (?). Ebenso Risch par. 118 und Schwyzer 647. I-751
κάδαμος · τυφλός. Σαλαμίνιοι H. — Wenn überhaupt richtig überliefert (s. Schmidt z. St. und v. Herwerden Lex. suppl. s. v.), vielleicht zu hom. κεκαδών, κεκαδήσει ‘berauben’. Jedenfalls nicht mit Ehrlich KZ 40, 380 und Bechtel Dial. 1, 449 zu lat. cadamitās (sekundär für calamitās, s. W.-Hofmann s. v.). I-751
Κάδμος Heroenname s. κέκασμαι. I-751
κάδος m. ‘Gefäß zur Aufbewahrung von Wein und anderen Flüssigkeiten’, auch als Maß (ion. att.). Mehrere Deminutiva: κάδιον (LXX, Delos IIIa, Kyrene II-IIIp), καδίσκος, auch ‘Stimmurne’ (att.); mit hypokoristischer Gemination und familiärem χ-Suffix (Chantraine Formation 404) κάδδιχος, als Maß = Hälfte des ἑκτεύς (lak., H.) mit κεκαδδίσθαι (-ίχθαι?) ‘wegballotiert sein’ (lak., Plu. Lyk. 12); daneben κάδδιξ (herakl.), wohl nach χοῖνιξ und ἄδδιξ, Ben. eines Hohlmaßes (Ar. Fr. 709; urspr. persisch); hyperkorrekt καταδίχιον (Tauromenion) für *καδδίχιον wie von κατά und δίχα. — Wackernagel Hell. 11f. = Kl. Schr. 1042f., Bechtel Dial. 2, 374f., Fraenkel Phil. 97, 163. — Mittelmeerwort, vgl. hebr. kad ‘Eimer’ (dazu Schwyzer 64 u. 152). Aus κάδος lat. cadus, arab. ḳādūs (Lokotsch Et. Wb. No 988). I-751-752
κάδυρος · κάπρος ἄνορχις H. — Vielleicht mit v. Blumenthal Hesychst. 39 zu hom. κεκαδών, κεκαδήσει ‘berauben’. Vgl. noch E. Maaß RhM 74, 464 und Specht Ursprung 204 A. 1. I-752
καθαπτή f. N. eines Gefäßes (PSI 4, 420, 26; IIIa), nach den durch die Henkel gezogenen Tragriemen benannt (Bonner AmJPh 62, 453ff.); καθαπτός als Adj. ‘angeknüpft, angebunden’ (E. Fr. 752 u. a.). I-752
καθαρός, dor. (herakl. u. a.) κοθαρός, äol. (Alk.) κόθαρος ‘rein, frei von, unbefleckt, ungemischt, weiß (von Brot, Leinwand)’ (seit Il.); καθάρειος (-ιος) ‘reinlich, nett, elegant’ (Arist., Men., Plb. usw.), Adv. καθαρείως (X., mittl. Kom. usw.), nach ἀστεῖος u. a.; καθάρυλλος (ἄρτος usw., Kom.; vgl. Leumann Glotta 32, 219 A. 3). Adjektivabstraktum καθαρότης ‘Reinheit’ (Hp., Pl. usw.), καθαρ(ε)ιότης ‘Reinlichkeit, Verfeinerung’ (Hdt., X. usw.). — Denominative Verba: 1. καθαίρω (κοθ- herakl.), oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἀπο-, δια-, ἐκ-, περι- usw., Aor. καθῆραι (-ᾶραι) ‘reinigen’ (seit Il.) mit κάθαρσις (ion. att.), κόθ- (el.) ‘Reinigung’, καθαρμός ‘Reinigung, Sühnung’ (Hdt., Trag. usw.), κάθαρμα, oft im Plur. ‘Reinigung, Ausleerung, Kehricht’ (Att.); καθαρτής ‘Reiniger, Sühner’ (Hp., S. u. a.), -τήρ ‘ds.’ (Man., Plu.), -τήριος (D. H.); καθάρσιος (: καθαρτής, κάθαρσις, καθαρτός) ‘zur Reinigung gehörig, reinigend, sühnend’ (Hdt., Trag. usw.), καθαρτικός ‘ds.’ (Hp., Pl., Arist. usw.). — 2. καθαρίζω, auch mit Präfix, ἀπο-, δια-, ἐκ-, περι-, ‘reinigen’ (LXX, NT, Pap.) mit καθαρισμός (LXX, NT, Pap.), καθάρισις (Pap.) u. a. — 3. καθαρεύω ‘rein sein, sich rein erhalten’ (Ar., Pl., hell. u. spät) mit καθάρευσις (H., EM); auch καθαρι-εύω (Paus., Gramm. u. a.). — 4. καθαρι-όω ‘reinigen’ (LXX). — Zur Bildung vgl. u. a. das Oppositum μιαρός. Ob κοθ- (oder καθ-) das ursprüngliche darstellt oder ob sie etwa ebenbürtige Parallelformen sind, bleibt ungewiß. Nach Solmsen KZ 37, 7A. ist καθαρός aus κοθαρός assimiliert (-α- zunächst in καθαίρω wegen Assoziation mit κατά?); dagegen hält Schwyzer 344 κοθαρός für äolisch. — Eine annehmbare Etymologie fehlt. Mehrere vergebliche Versuche sind bei Bq referiert (u. a. zu aind. śudhyati ‘rein sein’; lautlich unmöglich). Nicht besser Schwyzer 260: zu lit. krečiù ‘schütteln’ mit Dissimilation für *κραθ-, äol. *κροθ-. Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 95f. Nach Debrunner in Eberts Reallexikon 4, 2, 526 religiöser Terminus vorgriechischen Ursprungs. I-752-753
κάθιδοι · ὑδρίαι. ’Αρκάδες H. — Hoffmann Dial. 1, 103 erwägt, entweder κάθυδροι ‘die mit Wasser gefüllten’ (von ὕδωρ) oder κάθυδοι ‘ds.’ (von ὕδος, vgl. ὑδαλέος) zu lesen. Zu -ι- für -υ- vgl. Μετίδριον = Μεθύδριον, dazu Thurneysen Glotta 12, 146. I-753
καί, ark. kypr. κας (sekundär κα) ‘auch, sogar; und’ (seit Il.). — Ohne sichere Anknüpfung. Verschiedene Vorschläge: zu aksl. cě in a cě, cě i ‘καίτοι, καίπερ, εἴπερ’ (Leskien bei Curtius 138); zu lat. ceu ‘so wie, gleich wie’ (Wackernagel bei Niedermann IF 18 Anz. 76); zu lat. cēterī ‘die anderen’ aus *cae eterī (Walde LEW2 s. cēterus). Ausführliche Erörterung m. Lit. bei Schwyzer-Debrunner 567 A. 2 (wo vorgriechischer Ursprung erwogen wird). I-753
καιάδᾱς, -ου, dor. -ᾱ m. Erdschlund in Sparta, in welchen man die zum Tode verurteilten Verbrecher oder ihre Leichname stürzte (Th. 1, 134, Paus. 4, 18,4, D. Chr. 80, 9). Daneben καιάτας, -έτας ‘ds.’ (Eust. 1478, 45); καιετός ‘durch Erdbeben verursachte Erdspalte’ (Str. 8, 5, 7), καίατα· ὀρύγματα· ἢ τὰ ὑπὸ σεισμῶν καταρραγέντα χωρία H. — Der bei H. überlieferte Plural καίατα kann für *καίϝατα, sg. *καῖϝαρ, stehen und hat dann ein genaues Gegenstück in aind. kévaṭa- m. ‘Grube’ (nur RV. 6, 54, 7) aus idg. *qaiu̯r̥-t- (de Saussure Mém. 119; vgl. zu ἧπαρ; ernste Bedenken bei Mayrhofer Wb. s. v.). Die Form καιετός ist Umbildung nach ὀχετός, (σ)κάπετος u. a.; in καιάδας wird eine alte Nebenform mit -δ- vermutet (Schwyzer 498 A. 13, Specht Ursprung 220), aber Wörter wie γαιάδας· ὁ δῆμος ὑπὸ Λακώνων, γαυσάδας· ψευδής H., ῥωβίδας ‘noch nicht einjähriger Knabe’ bezeugen den lakonischen Gebrauch des δᾱ-Suffixes auch außerhalb des patronymischen Gebiets. Mischformen sind καιάτας, -έτας. In -ϝαρ < idg. *-u̯r̥ steckt zweifelsohne ein primäres Suffix (vgl. ἀλέ-(ϝ)ατα s. ἀλέω und Benveniste Origines 21 und 111); ein zugrunde liegendes Verb ist indessen nirgends angetroffen. — Vgl. κητώεσσαν. I-753
καιέτα καιετας (ohne Akzent, Apollon. Lex. s. v. κητώεσσαν), Gen. pl. καιατῶν (Anon. Lond. 36, 57). · καλαμίνθη. Βοιωτοί H., — Wohl zu καίω wegen des brennenden Geschmacks (Fraenkel Nom. ag. 1, 62 A. 2; vgl. Bechtel Dial. 1, 306). I-753
καικίας, -ου m. ‘Nordostwind’ (Ar., Arist. usw.). — Zur Bildung vgl. ἀπαρκτίας, ’Ολυμπίας und andere Windnamen bei Chantraine Formation 95; Grundwort unsicher. Von Fick GGA 1894, 238 und v. Wilamowitz Glaube 1, 265 A. 2 (mit Ach. Tat. Intr. Arat. 33) als "der vom Κάϊκος, einem Fluß der Äolis, herkommende" erklärt; vgl. die gleichartigen ’Ολυμπίας, ‘Ελλησποντίας u. a. Nach Anderen (Bersu, Fick, Brugmann; s. Bq; dazu noch Pisani KZ 61, 187, Huisman KZ 71, 99) dagegen als "der Blinde" = "der Dunkle, Verdunkelnde" von einem alten Wort für ‘blind, einäugig’, lat. caecus ‘blind’ = air. caech ‘einäugig’ = got. haihs ‘ds.’, aind. keka-ra- ‘schielend’; man beruft sich dabei namentlich auf lat. aquilō ‘Nordwind’ von aquilus ‘dunkel’. I-753-754
καινός ‘neu, neuerfunden, unerwartet’ (ion. att.). Oft als Vorderglied, z. B. in καινο-τομέω (: καινὰ τέμνειν), eig. Ausdruck des Bergbaus ‘ein neues Gestein anhauen’, übertr. ‘Neuerungen (im Staat) einführen’ mit -τομία, -τόμος (att.), καινο-ποιέω ‘Neues hervorbringen, erneuern’ (S., Plb. u. a.) mit -ποιΐα, -ποιητής, vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 90f. Ableitungen: Adjektivabstraktum καινότης ‘Neuheit’ (att.). — Denominative Verba: 1. καινίζω ‘erneuern, Neues bringen, zum erstenmal benutzen’ (Trag.), auch mit Präfix, bes. ἀνα- (Isok., Str., Plu.), ἐγ- (LXX, NT u. a.); davon (ἐγ-)καίνισις, -ισμός (LXX); postverbal ἐγκαίνια pl. ‘Tempelweihe’ (LXX, NT). — 2. καινόω ‘erneuern, zum erstenmal benutzen’ (Hdt., Th. u. a.), ἀνα-~ (NT u. a.) mit (ἀνα-)καίνωσις (J., NT u. a.). — EN Καινίας, Καίνιος u. a. (Bechtel Hist. Personennamen 229), Καινεύς mit Καινεΐδης (Boßhardt Die Nom. auf -ευς 128, Debrunner ’Αντίδωρον 32). — Wahrscheinlich thematische Umbildung eines alten n-Stamms, der u. a. in aw. kainī̆(n)-, aind. Gen. pl. kanī́nām ‘Mädchen’ erhalten ist, wozu der hochstufige Nom. ag. kanyā̀ ‘Mädchen’ (als ā-Stamm umgedeutet) und das Adj. kanī́na- ‘jung’ (Wackernagel-Debrunner Ai. Gramm. 3, 112f.; auch K. Hoffmann Münch. Stud. 6, 38 mit fraglichen weiteren Kombinationen); primäre Steigerungsformen kánīyas-, kániṣṭha-. Ganz fraglich ist dagegen die Gleichsetzung mit akymr. cein ‘schön’ (Pedersen Vergl. Gramm. 1, 23); es kann sich höchstens um einzelsprachliche parallele Neuerungen handeln. — Als entfernter Verwandter kommt weiter in Betracht lat. recēns ‘frisch, neu, jung’; wenn aus re-cen-t-, gehört es als primäre t-Ableitung zu einem Verb ‘frisch emporkommen, entspringen, anfangen’ in air. cinim ‘entspringen’, aksl. vъ-, na-čьnǫ, -čęti ‘anfangen’ (idg. qen-). Weitere Formen m. Lit. bei Bq s. v., W.-Hofmann s. recēns, WP. 1, 397f., Pok. 563f. — Nicht mit Wackernagel Verm. Beiträge 38f. (= Kl. Schr. 1, 799f.) zu καίνυμαι, κέκασμαι aus *καιδνός. I-754
καίνυμαι in ἐκαίνυτο (γ 282, Hes. Sc. 4), ἀπε- (θ 127, 219; A. R. 2, 783), περι-καίνυται (Nik. Th. 38), Akt. Ipv. καινύτω (Emp. 23, 9) ‘sich auszeichnen, übertreffen’. — Wahrscheinlich kühne Analogiebildung zu κέκασμαι (s. d.), κέκασται nach Muster von δαίνυμαι, ἐδαίνυτο, die mit δέδασμαι, δέδασται verbunden wurden (Brugmann Grundr.1 2, 1012, Gramm.4 339). — Nicht mit Wackernagel aus *καίδ-νυμαι zum angeblichen *καιδ-νός > καινός (s. d.); auch nicht mit Osthoff ZGdP. 459f. aus *καδνι̯ομαι. I-754-755
καίνω, Aor. κανεῖν (κανῆν Theok. 24, 92), Fut. κανῶ, Perf. κέκονα (S. Fr. 1058) ‘töten’ (Trag., Timokr. 1, 9, Theok. l. c.); auch mit κατα- ‘ds.’ (X., späte Prosa). Davon κοναί· φόνοι H. — Nebenform zu κτείνω (s. d.) mit derselben Vereinfachung des Anlauts wie in χαμαί neben χθών (Schwyzer 326 m. Lit.). Die Annahme, καίνω, κανεῖν wäre aus κατα-κανεῖν mit Dissimilation für κατα-κτανεῖν entstanden (Kieckers IF 36, 233ff., Chantraine Sprache 1, 142 A. 3), ist mit der Chronologie der Belege schwer vereinbar. S. noch Brugmann Grundr.2 1, 792 Anm. 1, Kretschmer Glotta 10, 231, Deroy L’Ant. class. 23, 313. I-755
καίπετος · ἀξίνη H. — An alphabetisch unrichtiger Stelle überliefert und schon aus diesem Grunde für etymologische Zwecke kaum zu verwerten. Von Specht KZ 52, 90 zu russ.-skr.-ksl. cěpiti ‘spalten’ gezogen. Anders über cěpiti WP. 2, 545 (nach Berneker Etym. Wb. u. a.); s. noch Vasmer Russ. et. Wb. s. cép. — Verfehlt Loewenthal WuS 9, 176. I-755
καιρός m. ‘rechtes Maß, (rechter, entscheidender) Zeitpunkt, (günstige) Gelegenheit, Jahreszeit, Zeit’ (seit Hes.; vgl. καίριος unten). Kompp., z. B. καιρο-φυλακέω ‘rechtzeitiger Wächter sein, (zur rechten Zeit) bewachen’ (D., Arist. usw.), ἄ-, εὔ-καιρος mit ἀ-, εὐ-καιρία, -έω u. a. Ableitungen: καίριος ‘am rechten Orte eintreffend, entscheidend, tödlich’ (ep. ion. poet. seit Il.); ‘zu rechter Zeit eintreffend, gelegen’ (vorw. ion. poet.); καιρικός ‘rechtzeitig, zu gewissen (Jahres)zeiten gehörig’ (selten u. spät), καίριμος ‘tödlich’ (Macho ap. Ath. 13, 581b; nicht ganz sicher), ‘ausgereift, abgelagert’, vom Wein (PFlor. 143, 2; IIIp), nach ὥριμος (Arbenz Die Adj. auf -ιμος 55 u. 59). — Nicht sicher erklärt. Mehrere Vorschläge: zu κείρω als ‘entscheidender Augenblick’ oder ‘Zeitabschnitt’, vgl. lat. discrīmen (Persson Stud. 107, Brugmann Sächs. Ber. 1900, 410 A. 1); zu κεράννυμι ‘mischen’, aw. sar- ‘Vereinigung, Verbindung’ (Brugmann IF 17, 363f.; morphologisch kompliziert; ähnlich Benveniste Mélanges Ernout 11ff.: eig. "atmosphärische Mischung"); zu κύρω ‘(ein)treffen, zufällig begegnen’ (Bq 538 A. 1; lautlich schwierig); zu aind. kālá- ‘Zeit’ (Güntert Weltkönig 232; schon lautlich unmöglich, vgl. Mayrhofer Wb. s. v.). Verfehlt v. Blumenthal Hesychst. 39f. Vgl. W.-Hofmann s. cernō (1, 206) und 1. tempus (2, 661). — >Zur Bedeutung von καιρός s. noch H. Wersdörfer Die Φιλοσοφία des Isokrates (1940) 54ff., Fr. Pfister Festgabe für E. Bulle (Würzb. Stud. z. alttest. Wiss. 13 [1938]) 131ff. I-755-756
καῖρος Ben. einer Schnur od. Schlinge, durch die die Kettenfäden hindurchgesteckt und am Kettenstab befestigt wurden (Ael. Dion. Fr. 440, Phot. 304, EM); nähere Konstruktion unbekannt. Davon καίρωσις (Poll. 7, 33, H.), nach H. = τοῦ στήμονος οἱ σύνδεσμοι, kollektive Abstraktbildung von *καιρόω ‘mit καῖροι ausrüsten, am Kettenstab anbinden’; καίρωμα = καῖρος (Ael. Dion. l. c.), wohl nur daraus erweitert (Chantraine Formation 187), auch ‘Gewebe’ (Kall. Fr. 295); καιρωτίδες (-ωστ(ρ)ίδες) ‘Weberinnen’ (Kall. Fr. 356, H., Suid.). — Besonders zu bemerken καιροσέων Beiwort von ὀθονέων (η 107) für καιρουσσέων (zur Erklärung Wackernagel Unt. 84f. gegen Kretschmer, der Glotta 13, 249 an seiner Auffassung festhält), Gen. pl. von καιρόεσσα, m. καιρόεις eig. ‘mit καῖροι versehen’; nähere Bed. unsicher. — Zu καιρία, gew. κειρία (-η-, -ι-) s. bes. Technischer Ausdruck unklarer Bedeutung, mithin etymologisch schwierig zu beurteilen. Nach H. Petersson (s. WP. 1, 409, Pok. 577f.) zu arm. sari-k‘, pl. Gen. sareac̣ ‘Band, Schnur’, sard, Instr. sardi-w ‘Spinne’. Über das daselbst herangezogene aind. śr̥ṅkhalā ‘Kette, Fessel’ s. Kuiper Proto-Munda Words in Sanskrit 122f. Albanische Kombination (zu thur ‘flechten, weben, umzäunen usw.’ [?]) bei Cimochowski Ling. Posn. 5, 194. I-756
καίω (seit Il.), att. κάω, Aor. καῦσαι, ep. poet. (auch att. Inschr. IG 12, 374, 96; 261) κῆαι, Pass. καῆναι (ep. ion.), καυθῆναι, Fut. καύσω, Perf. κέκαυκα, κέκαυ(σ)μαι (ion. att.), oft mit Präfix, z. B. δια-, ἐκ-, κατα-, ὑπο-, ‘anzünden, anbrennen’, Med. Pass. ‘brennen’. Zahlreiche Ableitungen: 1. καῦμα ‘Brand, Hitze, Glut’ (seit Il.) mit καυματ-ώδης (Hp., Arist. u. a.), -ηρός (Str.), -ίας (Thphr.; von der Sonne) ‘brennend, glühend’, καυματίζω ‘brennen, sengen’ (NT, Plu., Arr. u. a.). — 2. καῦσις (ἔγκαυσις usw.) ‘das Brennen’ (ion. att.) mit (ἐγ-, κατα-)καύσιμος ‘brennbar’ (Pl., X. u. a.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 49f.). — 3. καῦσος m. ‘Brennfieber usw.’ (Hp., Arist. u. a.), von καῦσαι oder mit σο-Suffix (Solmsen Wortforsch. 244, Strömberg Wortstudien 87f. m. Lit., Schwyzer 516); davon καύσων ‘ds.’, auch ‘Hitze, heißer Wind usw.’ (LXX, NT, Mediz. u. a.; vgl. Leumann Sprache 1, 207 A. 13), καυσώδης ‘brennend, heiß’ (Hp., Thphr. usw.), καυσόομαι, -όω ‘Brennfieber haben, brennen: erhitzen’ (Mediz., NT, Pap.) mit καύσωμα ‘Erhitzung’ (Gal.). — 4. καυ(σ)τήρ m. ‘Verbrenner, Brenneisen’ (Pi., Hp. u. a.), f. Gen. καυστειρῆς Beiwort von μάχης (Il.), καμίνου (Nik.), von *καύστειρα (Schwyzer 474 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 192); καυτήριον ‘Brenneisen, Brandmarke’ (LXX, D. S., Str. usw.), Deminutivum καυτηρίδιον (Gal.), denominatives Verb καυτηριάζω ‘brandmarken’ (Str., NT). — 5. καύστης m. ‘Heizer usw.’ (Pap. u. a.). — 6. καύστρᾱ f. ‘Feuerbestattungsplatz’ (Str., Inschr.). — 7. καυστικός, selten καυτ- ‘brennend, brennbar’ (Arist. u. a.). — 8. καυθμός ‘Brand an Gewächsen, Brennholz’ (Thphr., Pap.). — Von den Kompp., z. B. ἔγκαυ-μα, -σις, -(σ)τής, -στήριον, -στον (> lat. encaustum); ὑπόκαυ-σις, -στης, -στήριον, -στρᾱ u. a. — Neben diesen Bildungen stehen andere älteren Datums, bei denen der Zusammenhang mit καίω wegen der Lautentwicklung mehr oder weniger verdunkelt worden ist: κᾶλον ‘Holz’, κηλέος ‘brennend, lodernd’, κηώδης, κηώεις ‘duftend’, κηυα Bed. unsicher; s. bes. — Da καίω für *κάϝ-ι̯ω (woraus att. κά̄ω; Schwyzer 265f.) stehen kann, gehen alle Formen auf καυ-, κᾰϝ- zurück mit Ausnahme von ἔ-κη-α für *ἔ-κηϝ-α (oft mit falschem -ει- geschrieben in κείαντο usw.; Chantraine Gramm. hom. 1 , 9 m. Lit.; att. κέαντος mit Metathese). In *ἔ-κηϝ-α ist ein alter hochstufiger Wurzelaorist erhalten (Schwyzer 745 m. weiteren Einzelheiten; wahrscheinlich nicht aus *ἔ-κηυ-σ-α); die Hochstufe vertreten noch ep. κηλέος, κηώδης, außerdem delph. κηυα, wodurch sich ein urgr. κηϝ- neben κᾰϝ- ergibt. — Nur das Baltische liefert eine mögliche Anknüpfung in lit. kū̃lės ‘Brandpilze, Flugbrand, Staubbrand des Getreides’, kūlė́ti ‘brandig werden’, lett. kũla ‘altes, dürres, vorjähriges Gras’ (vgl. Fraenkel Wb. s. v.); idg. schwundstufiges qū- neben hochstuf. qēu̯- in ἔ-κηϝ-α, schwachstuf. qəu̯- in *κάϝ-ι̯ω, καῦ-μα. I-756-757
κάκαλα · τείχη. Αἰσχύλος Νιόβῃ (Fr. 166) H. — Unsichere Hypothese von Solmsen Wortforsch. 215: zu ποδο-κάκκη ‘Holz zum Festlegen der Füße’ (Leges ap. Lys. et D., Pl. Kom. 249, Sch.), auch -κάκη geschrieben mit Anschluß an κακός (vgl. Harp. u. H. s. v.). Er zieht ferner heran (nach Fick 1, 22) κιγκλίς ‘Gitter, Gittertür’ (aus *κεγκλίς; vgl. s. v.) und aus anderen Sprachen noch aind. káñcate ‘binden’ (Gramm.), kañcuka- ‘Panzer, Wams, Mieder’, lit. kinkýti ‘schirren, anspannen’, wozu ferner lat. cingō ‘umgürten’ u. a. m.; WP. 1, 400f., W.-Hofmann s. cingō, Pok. 565; zu aind. kañcuka- bes. Mayrhofer Wb. s. v. I-757
κακιθής · ἄτροφος ἄμπελος, κακιθές, κακιθά H., κακιθή (Theognost. Kan. 109). S. κάγκανος. I-757
κακκάβη 1. κάκκαβος m. (L), auch κακάβη, κάκαβος (Gal., Alex. Trall.); f., ‘dreibeiniger Kessel’, nach Ath. 4, 169c = χύτρα (Kom. u. a.) Deminutivum κακ(κ)άβι(ο)ν (Eub., Pap. u. a.). — Technisches LW aus unbekannter Quelle (semitisch?; vgl. akkad. kukubu; Lewy Glotta 16, 137 und Grimme Glotta 14, 19). Aus dem Griech. lat. cac(c)abus, Demin. cac(c)abulus (= κακουβαλουμ o. ä. bei Ps.-Dsk.; Andre Latomus 14, 518). Vgl. W.-Hofmann s. cac(c)abus. I-757-758
κακκάβη 2. κακκαβίς f. (Alkm. 25) f. (Ath. 9, 390a), ‘Rebhuhn’. Daneben κακκαβίζω ‘gackern’, vom Rebhuhn (Arist., Thphr.), von Eulen (Ar. Lys. 761; v. l. -βάζω; vgl. κικκαβάζω); auch κακκάζω (von Hühnern) H. — Zum Ausgang vgl. ὄτοβος, κόναβος, θόρυβος u. a. (Chantraine Formation 260); im übrigen onomatopoetisch, wobei sowohl für die Nomina wie für die Verba von einer Lautimitation auszugehen ist. Aus dem Griechischen lat. cacabāre ‘gackern’, vom Rebhuhn; andere ähnliche Bildungen sind lat. cacillāre ‘ds.’, nhd. gackern, holl. kakelen, russ. kokotátь ‘gackern’ u. a. m. I-758
κακκάω ‘cacō’ (Ar. Nub. 1384, 1390), κάκκη ‘Menschenkot’ (Ar. Pax 162). — Lallwort der Kindersprache mit expressiver Gemination wie lat. cacāre, mir. caccaim ‘cacō’, cacc ‘Kot’, nhd. kakken, russ. kákatь, arm. k‘akor ‘Mist’ usw.; s. z. B. WP. 1, 336, W.-Hofmann s. cacō, Pok. 521. Vgl. κόπρος. I-758
κακ(κ)αλία f. N. verschiedener Pflanzen (Dsk., Plin.); κακαλίς· νάρκισσος H. — Vgl. zu ἀκακαλίς. I-758
κακός ‘schlecht, häßlich, böse, schlimm, feig’ (seit Il.). Sehr oft als Vorderglied (Gegensatz εὖ); auch als Hinterglied, z. B. ἄ-κακος ‘der das Schlechte nicht kennt, schuldlos usw.’ (Bahuvrihi; Sapph., A. u. a.); auch ἀ-κάκᾱς (dor.) Beiwort des Hades (Megara), des Dareios (A. Pers. 855 [lyr.]), vgl. Chantraine Formation 28 (kaum richtig Fraenkel Nom. ag. 2, 187 A. 2). Ableitungen. Steigerungsformen: κακώτερος (ep. seit Il.), κακίων, κάκιστος (seit Il.; nach ἄριστος usw., Seiler 100f.; s. noch Chantraine Gramm. hom. 1, 259). Abstraktbildungen: 1. κακότης ‘Schlechtigkeit, Feigheit, Übel, Unglück’ (vorw. ep. ion. poet. seit Il.); 2. κακία ‘Schlechtigkeit, Bosheit, Feigheit’ (Thgn., att.; zu κακότης : κακία Porzig Satzinhalte 212); 3. κάκη ‘schlechte Beschaffenheit, Feigheit’ (A., E., Ar., Pl.); nach πάθη, βλάβη u. a., vgl. Frisk Eranos 43, 221; als Hinterglied in στομα-κάκη N. einer Mund- und Zahnkrankheit (Str., Plin.). — Denominative Verba. 1. κακίζω ‘tadeln, schmähen’, -ίζομαι ‘sich schlecht benehmen, feig zeigen’ (seit Il.) mit κακισμός (Phld., Str.), κάκισις (Vett. Val.) ‘Tadel’; 2. κακόω ‘Übles zufügen, beschädigen, verderben’ (seit Il.) mit κάκωσις ‘Mißhandlung, Beschädigung, Bedrängnis’ (ion. att.), κακωτής ‘Beschädiger’, κακωτικός ‘beschädigend, schädlich’ (Ph., Vett. Val. u. a.); 3. κακύνομαι, -ύνω ‘sich schlecht, feig zeigen, beschädigen’ (E., Pl. usw.; Schwyzer 733). — Ohne einleuchtende Etymologie, ursprünglich ohne Zweifel ein expressives Wort der (niedrigeren) Umgangssprache. Oft zu κακκάω gezogen (Prellwitz, Güntert Reimwortbildungen 83); noch unwahrscheinlichere oder ganz unmögliche Vorschläge (zu κέγκει, κηκάς, airan. kasu- ‘klein’ usw.) bei Bq; dazu Scheftelowitz ZII 6, 119. — Neuphryg. κακο(υ)ν ist als griech. LW zu betrachten, s. Solmsen KZ 34, 52 A. 4, Hirt Idg. 2, 596; anders Meillet MSL 15, 340. I-758-759
κάκτος f. Distelart, ‘Kaktus’ (Epich., Theophr., Theok. u. a.). — Fremdwort unbekannter Herkunft; vgl. Strömberg Theophrastea 102. Davon lat. cactus usw. I-759
καλαβοῦτοι · ἐν τῷ τῆς Δερεάτιδος ἱερῷ ’Αρτέμιδος ᾀδόμενοι ὕμνοι H. — Über eine sehr anfechtbare Deutung von Laum s. Wahrmann Glotta 17, 242f. Nach M. Schmidt ist καλαβοίδια zu lesen, s. καλαοίδια. I-759
καλαβώτης Eidechsenart, s . ἀσκάλαβος. I-759
καλαδία · ῥυκάνη (= Platane) H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 39 zu κλαδαρός, κλάδος (?). I-759
κάλαθος m. ‘geflochtener Korb’ (Ar., Arist., Kall. usw.), auch übertr. von verschiedenen Gegenständen, z. B. ‘Säulenkapitell’ (Kallix.), ‘Öllampenbehälter’ (Hero). Als Vorderglied z. B. in καλαθη-φόρος f. ‘Korbträgerin’ (Ephesos IIIp, Καλαθηφόροι Titel einer Komödie des Eubulos; zu -η- Schwyzer 438f.). Ableitungen καλαθίσκος (Ar., Lys. usw.), -ον n. (Delos IIa); καλάθιον (Poll. Orib.); außerdem καλάθωσις ‘Kassettierung einer Decke’ (Gloss.). — Bildung wie γυργαθός (γύργαθος), κύαθος, ὁρμαθός u. a., aber trotzdem wohl mit stammhaftem θ zu κλώθω; de Saussure Mém. 267, zustimmend u. a. Bechtel Lex. 196, Schwyzer 361; Bedenken bei WP. 1, 464. — Aus mgr. καλαθῆρι(ον) stammt osman. kélatir, woraus ngr. κελετῆρι. Maidhof Glotta 10, 12. I-759
καλάϊνος, καλλ- ‘blaugrün, bläulich’, von Steinen, Tonwaren, Hahnfedern u. a. (PSI 4, 396, 9 [IIIa], Peripl. M. Rubr. 39 [cod. καλλεανός], AP, Dsk. u. a.). — Adj. auf -ινος, anscheinend von κάλλαις ‘blaugrüner Stein, Türkis’ (Plin. NH 37, 151), das aber ebensowohl Rückbildung sein kann. Beachtenswerter Vorschlag von Bezzenberger bei Fick 2, 73 und Prellwitz 205: zu κάλλαιον ‘Hahnenkamm, -bart, die schillernden Schwanzfedern des Hahns’ und καλαϊς ‘Henne’ (s. dd.). I-759
καλαϊς, -ιδος, nur Akk. -ιδα (IG 4, 914, 3; 21; Epid.Va), eher fem. ‘Henne’ als mask. ‘Hahn’. — Ohne überzeugende Etymologie. Gewöhnlich zu καλεῖν gezogen (Meister Sächs. Ber. 1899, 153f., Dittenberger SIG 998). Nach Bechtel Dial. 2, 510f. aus *καλαϝίς, f. von *καλαϝός (vgl. κερα(ϝ)ός, τανα(ϝ)ός), eig. "die Rufende"; vgl. bes. aind. uṣā-kala- "Frührufer", ‘Hahn’ (s. ἠϊκανός). Auch Fraenkel Glotta 4, 33f. will καλαϊς mit καλεῖν verbinden, betrachtet aber das Wort als Verbalverbindung von καλεῖν und der Tiefstufe (?) von ἀείδειν; eig. "Rufesänger". — Pagliari Arch. glottol. it. 39, 145ff. setzt dagegen καλαϊς ‘Henne’ mit κάλλαϊς ‘Türkis’ (und mit κάλαϊς· τὸ ἱστίον H.) gleich und will eine orientalische (pers.?) Farbenbezeichnung zugrunde legen; aus demselben Wort nach P. auch καλάϊνος, vielleicht ebenfalls κάλλαιον. I-759-760
καλαμίνθη (Hp., Ar., Arist., Dsk. u. a.), -μινθα (Philum. Ven., Phot.; vgl. zu μίνθη), -μινθος (Nik. Th. 60) f. N. einer wohlriechenden Pflanze. Davon καλαμινθίνη ‘ds.’ (Mediz.; nach ῥητίνη u. a., Chantraine Formation 204), καλαμινθίτης (οἶνος; Dsk., Redard Les noms grecs en -της 97), καλαμινθώδης ‘voll von κ.’ (Str., Apollon. Lex.), Καλαμίνθιος N. eines Froschs (Batr. 224). — Unklar. Der formale Anklang einerseits an κάλαμος, anderseits an μίνθη läßt keine sicheren Schlüsse zu. Am wenigsten für sich hat die Ansetzung eines urspr. *καλαμο-μίνθη mit Silbendissimilation (G. Meyer Gr.3 393); hypothetisch bleiben indessen auch sowohl eine Ableitung καλάμ-ινθος (Schwyzer 526) wie die Annahme eines Fremdworts mit volkstümlicher Angleichung an κάλαμος (und μίνθη). Vgl. Chantraine Formation 370. I-760
κάλαμος m. ‘Rohr, Schilf, Grashalm’, oft übertr. von Gegenständen, die aus Rohr verfertigt sind, ‘Rohrpfeife, Angelrute, Schreibrohr’ usw. (h. Merc. 47 [vgl. Zumbach Neuerungen 5], Pi., ion. att.); zur botanischen Bed. Strömberg Theophrastea 100f. Daneben καλάμη f. ‘Getreidestengel, Getreidehalm, Strohhalm, Stoppel’ (Hom., Hdt., X., Arist. usw.). Zahlreiche Kompp., bes. in der botan. Terminologie (Strömberg Theophrastea 112), z. B. μονο-κάλαμος ‘mit einfachem Halm’ (Thphr.), καλαμη-φόρος ‘schilftragend’ (X. HG 2, 1, 2; v. l. -o-; vgl. Schwyzer 526), καλαμη-τόμος ‘Getreidehalme abschneidend’ (A. R.). — Wie die Kompp. gehören auch die Ableitungen im allg. zu κάλαμος: Deminutiva καλαμίσκος (Ar., Mediz.), καλάμιον (Pap. u. a.); καλαμίς f. Ben. verschiedener aus Rohr gemachten Gegenstände (hell. u. spät; vgl. Chantraine Formation 342f.); καλαμία (-εία) ‘Röhricht usw.’ (Pap.; kollektiv); καλαμών ‘ds.’ (lit. Pap.); καλαμάριον ‘Schachtel aus Rohr’ (Pap. u. a.). — καλαμεύς ‘Angler’ (Pankrat. ap. Ath.; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 75); auch καλαμευτής ‘ds.’ (AP; wie von *καλαμεύω, vgl. Chantraine 318); καλαμίτης ‘mit κάλαμος versehen usw.’ (D. usw.; s. Redard Les noms grecs en -της 81f. m. Lit.). — καλάμινος ‘aus Rohr gemacht’ (ion. att.), καλαμόεις ‘aus Rohr bestehend’ (E. in lyr.), καλαμώδης ‘voll von Schilf, rohrartig’ (Arist., Thphr. u. a.), καλαμικός ‘aus Rohr bestehend’ (Pap.). — καλαμόω ‘mit Rohr versehen, ein Bein schienen’ (Gal.) mit καλαμωτή ‘Gehege aus Rohr o. ä.’ (Eust.,H.); καλαμίζω ‘auf einer Rohrpfeife blasen’ (Ath.). — Von καλάμη : καλαμαία f. Art Heuschrecke (Theok. 10, 18), καλαμαῖον n. Art Zikade (Paus. Gr., H.), beide nach dem Aufenthaltsort benannt (Gil Emerita 25, 315f.; vgl. Georgacas Glotta 31, 216), καλαμάομαι ‘Getreidehalme sammeln, Ähren lesen’ (Kratin., LXX, Plu.) mit καλάμημα (Thd.). Auf καλάμη können sich ebenfalls beziehen die schon zu κάλαμος genannten καλαμευτής ‘Mäher, Schnitter’ (Theok.), καλαμόομαι ‘mit Stengeln versehen werden’ (Thphr.). — Altes Wort für ‘Rohr, Halm, Stroh’ mit Vertretern auch im Latein (culmus ‘Halm’), im Germanischen, z. B. ahd. halm, im Baltischen und Slavischen, z. B. apr. salme ‘Stroh’, lett. salms ‘Strohhalm’, russ. solóma, serb. slȁma ‘Stroh’. Alle Formen außer κάλαμος, -μη können auf idg. *ḱoləmo-, ḱoləmā- zurückgeführt werden; es liegt deshalb nahe, κάλαμος für *κόλαμος (vgl. z. B. ποταμός, πλόκ-αμος) als sekundär (durch Vokalassimilation; zunächst in καλάμη?) zu betrachten; vgl. anderseits θάλαμος, -μη, παλά-μη, τάλα-ρος u. a. Zu -μος, -μη Porzig Satzinhalte 283f. — Aus κάλαμος stammen sowohl lat. calamus (vgl. Ernout-Meillet s. v.) wie aind. kaláma- ‘Schreibrohr’, ebenso arab. qalam > osman. kalém > ngr. καλέμι ‘türkische Schreibfeder, Art Maurermeißel’ (Maidhof Glotta 10, 11). Auch toch. A kulmäṃts ‘Rohr(?)’ dürfte, wenn richtig erklärt, als LW hierher gehören. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 464, W.-Hofmann s. culmus, calamus, Vasmer Russ. et. Wb. s. solóma, Pok. 612. I-760-761
κάλανδρος m. Art Lerche (Dionys. Av. 3, 15). — Ausgang wie in τάρανδ(ρ)ος, Μαίανδρος u. a.; Herkunft unbekannt. Pelasgische Erklärung bei v. Windekens Le Pélasgique 111ff. — Daraus ital. calandro ‘Kalanderlerche, Feldlerche’ usw. (Meyer-Lübke Rom. et. Wb. No 1486). S. auch W.-Hofmann s. caliandrum. I-761
καλαοίδια · ἀγὼν ἐπιτελούμενος ’Αρτέμιδι παρὰ Λάκωσιν H. — Nach Fraenkel Glotta 4, 35 durch Univerbierung von καλεῖν und ἀείδειν entstanden. Eher ιο-Ableitung von καλαὶ ἀοιδαί. I-761
καλάπους m. ‘Leisten’, καλαρῖνες· ὀχετοί. Λάκωνες, καλαρρυγαί· τάφροι H. S. κᾶλον. I-761
καλάσιρις (-σηρις), -ιος f. Ben. eines ägyptischen mit Troddeln besetzten Gewandes (Hdt. 2, 81, Kratin. 30; bei Demokr. Eph. 1 ein persisches Gewand), das auch bei den Mysterien in Andania (Messenien) gebraucht wurde (IG 5 : 1, 1390, 17; geschr. -σηρις); Καλασίριες m. pl. Ben. einer Art ägyptischen Soldaten (Hdt. 2, 164 u. a.; nach dem Kleid oder umgekehrt?). Als Hinterglied in τρυφο-καλάσιρις N. eines Frauengewandes (Ar. Fr. 320, 6; vgl. Risch IF 59, 269). — Ägyptisches Wort ohne sichere Etymologie; vgl. Spiegelberg Zs. f. ägypt. Spr. 43, 87ff. Zur Schreibung Schwyzer Glotta 11, 75f. I-761-762
καλαῦροψ, -οπος f. Ben. eines Hirtenstabs, der geworfen wurde, um das Vieh zur Herde zurückzutreiben (Ψ 845, Antim., A.R., AP u. a.); καλαυρόπιον (Artem.). — Unklar καλαυρόφις· βακτηριοφόρος H. (an unrichtiger Stelle). — Äolisches Kompositum καλα-ϝροψ (Schwyzer 224, Chantraine Gramm. hom. 1, 158), dessen Hinterglied an ῥόπαλον (s. d.) erinnert, das aber im übrigen als unerklärt gelten muß. Der Vergleich mit aind. śalá- ‘Stock, Stachel’ usw. (s. Bq; vgl. zu κῆλον) ist ganz hypothetisch; die Anknüpfung an κλάω, κλάσαι ("Brechestab"; Bechtel Lex.) ist für den Sinn alles andere als befriedigend. — Verfehlt v. Blumenthal Hesychst. 33f.; Laum Heiliges Geld (Tübingen 1924), s. Wahrmann Glotta 17, 242f. I-762
καλέω (seit Il.), ep. poet. auch κικλήσκω, äol. κάλημι, kypr. καλήζω, Aor. καλέσ(σ)αι (seit Il.), Pass. κληθῆναι (Archil. usw.), Fut. καλέω (ion. att. seit Γ 383), καλῶ (att.), καλέσω (jungatt., hell.), Perf. Med. κέκλημαι mit Fut. κεκλήσομαι (seit Il.), Akt. κέκληκα (Ar. usw.), ‘rufen, bei Namen rufen = nennen, herbei-, an-, aufrufen’. sehr oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἐν-, ἐκ-, ἐπι-, παρα-, προ-, προσ-, συν-, Als Vorderglied in καλεσσί-χορος ‘zum Tanz aufrufend’ (Orph. L. 718; Schwyzer 443f.); zu ὁμο-κλή (ὀμ-), -κλέω, -άω s. bes. Ableitungen. Mit zweisilbigem (hochstufigem) Stamm: 1. καλήτωρ Beiwort von κῆρυξ ‘Rufer’ (Ω 577), auch als EN (Ο 419) mit Καλητορίδης (Ν 541); καλη- für erwartetes καλε- (vgl. z. B. γενέ-τωρ) wie in καλή-μεναι (Κ 125; äol. athemat. Bildung?), vielleicht nach κλη- (Schulze Q. 16f., Fraenkel Nom. ag. 1, 17), wenn nicht einfach metrisch gedehnt (Solmsen Unt. 17); wieder anders Schwyzer 531 A. 7 (nach καλέω usw. für κλη-); ebenso 2. Καλήσιος (Ζ 18) für *Καλέσιος (wie γενέ-σιος); 3. κάλεσις = κλῆσις, ‘Nominativ’ (Gramm.). — Mit einsilbigem (schwachstufigem) Stamm: 4. κλῆσις ‘Ruf, Einladung, Vorladung usw.’ (att. hell.), oft von den präfigierten Verba, z. B. ἐπίκλη-σις ‘Beiname’ (seit Il.); 5. -κλημα, z. B. ἔγκλη-μα ‘Vorwurf, Anklage’ (att.) mit ἐγκλήμων, -ματικός, -ματίζω u. a. 6. κλητηρ, -ῆρος ‘Herold, Zeuge’ (A., att.); ὁμοκλη-τήρ ‘Zurufer’ (Il.) von ὁμοκλή, -έω (s. d.); ἀνακλητήρια n. pl. ‘Feier beim Ausrufen eines Königs’ (Plb.); 7. κλήτωρ, -ορος ‘Zeuge’, auch EN (hell.), wohl für *καλέ-τωρ nach κλητήρ (Fraenkel Nom. ag. 1, 17f.; zu καλήτωρ : κλητήρ noch Benveniste Noms d’agent 29, 40, 46). — 8. κλητός ‘berufen, eingeladen, willkommen’ (Hom. u. a.; Ammann Μνήμης χάριν 1, 14 u. 21) mit κλητεύω ‘vor Gericht laden usw.’ (att.), (ἀνα- usw.) -κλη-τικός; öfter von den präfigierten Verba, z. B. ἔκκλη-τος ‘aufgerufen, berufen’ (ion. att. dor.) mit dem Kollektivabstraktum ἐκκλησία ‘(zusammenberufene) Versammlung’ (ion. att.), ‘Gemeinde, Kirche’ (LXX, NT); davon ἐκκλησι-άζω mit -αστής, -ασμός u. a.; mit nominalem Vorderglied als Zusammenbildung in πολύ-κλη-τος ‘vielgerufen’, d. h. ‘von vielen Orten herbeigerufen’ (Δ 438, Κ 420; anders, nicht überzeugend, Kronasser Sprache 3, 172f.). — 9. κλή-δην ‘bei Namen, namentlich’ (Ι 11; vgl. ἐξονομακλήδην); 10. ἐπίκλη-ν ‘mit (Zu)namen’ (Pl. u. a.; Schwyzer 425). — Deverbative Bildung καλιστρέω = καλέω (D. 47, 60 aus Harp., Kall.; wohl zunächst von einem Nomen, vgl. ἐλαστρέω und Schwyzer 706). — Zu κληΐζω, κληδών (κλεη-, κληη-) s. κλέος. — Der zweisilbige Verbalstamm in καλέ-σαι (woneben analogisch καλέσσαι), stimmt zu ὀλέ-σαι, ἀρό-σαι u. a. (Schwyzer 752); das einsilbige gemeingriech. κλη- in κέ-κλη-μαι, κι-κλή-σκω, κλη-τός hat mehrere Gegenstücke, z. B. βλη- in βέ-βλη-μαι, βλη-τός (neben βέλε-μνα, βάλ-λω, Schwyzer 360). Das Präsens καλέ-ω ist ohne Zweifel Neubildung, wahrscheinlich zu καλέσαι (Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 367; anders über καλέω, καλέσαι Specht KZ 59, 85ff.). — Ein anderer zweisilbiger (hochstufiger) Stamm wird in dem semantisch etwas abweichenden κέλαδος ‘Getöse, Lärm’ vermutet. Es könnte deshalb nahe liegen, den α-Vokal in καλέ-σαι auf ein sonantisches l̥ zurückzuführen; derselbe Vokal tritt indessen auch im Italischen auf, lat. calāre ‘ausrufen’, umbr. kařetu (> *kalē-tōd), ebenso in dem semantisch abseits liegenden lett. kal’uôt ‘schwatzen’; hinzu kommen die allerdings lautlich nicht eindeutigen ahd. as. halōn ‘rufen, holen’ (= calāre), heth. kalleš- ‘rufen’, aind. uṣā-kal-a- ‘Hahn’ (s. ἠϊκανός). Wie in dem sinnverwandten idg. qan- (s. καναχή) ist somit a offenbar uralt und hängt mit der Schallbedeutung des Verbs zusammen. Dem einsilbigen κλη- (neben καλέ-σαι) steht im Latein ein ebenfalls einsilbiges clā- (clā-mare, clā-rus; neben calā-re) gegenüber. — Bunter Formenbestand m. Lit. bei WP. 1, 443ff., Pok. 548ff.; dazu W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. calō. Vgl. κέλαδος und κέλομαι. I-762-763
κάληβος · ἀπεσκολυμμένος τὸ αἰδοῖον H. S. βάκηλος; vgl. auch zu καβάλλης. I-763
καλιά, ion. -ιή f. ‘Hütte, Scheune, Speicher, Nest’ (ep. poet. seit Hes.); καλιός m. ‘Hütte, Schuppen, Vogelkäfig’ (Epich., Kratin.). Deminutivum καλί̄διον (Eup.); ferner καλιάς, -άδος f. ‘Hütte, Nest, Kapelle’ (Attika IVa, D. H., Plu. u. a.) mit καλιάδιον (Delos IIa). — Durch das fast durchweg langgemessene ῑ (Scheller Oxytonierung 91) unterscheidet sich καλιά nebst verwandten Wörtern von den sonstigen Oxytona auf -ιά. Wegen der somit unklaren Bildungsweise wird die etymologische Anknüpfung an καλύπτω usw. (s. d.) in Frage gestellt. Nach Pisani IF 58, 246 hierher noch osk. kaíla ‘aedem, sacellum’ mit Metathese (?) usw. Über das von Specht Ursprung 167 herangezogene unklare aind. kulā́ya- n. (m.) ‘Geflecht, Nest, Gehäuse’ s. Mayrhofer Wb. s. v. I-764
καλίδια · ἔντερα. Κύπριοι H. — Von Lidén KZ 61, 23ff. mit arm. k‘aɫird ‘Eingeweide (von Tieren)’ (mit -rd nach leard ‘Leber’) und lit. skil̃vis ‘Bauch, Magen’ verglichen. I-764
καλινδέομαι nur Präsensstamm, auch mit ἐν-, προ-, προσ-, συν-, ‘sich wälzen’ (ion. att.) mit καλινδήθρα ‘Wälzplatz für Pferde’ (Ael.), καλίνδησις Ben. eines Würfelwurfs (Alkiphr.). — Dazu der Aorist δια-καλῖσαι (nicht ganz sicher) ‘mittels Rollen transportieren’ (SIG 2 587, 158) mit διακάλισις (Hermione); auch ἐσ- und παρ-κάλισις (Epid.); vgl. immerhin zu κᾶλον. — Scheint eine Kreuzung von ἀλινδέομαι und κυλινδέομαι darzustellen (Güntert Reimwortbildungen 131f.). Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 111ff. I-764
καλιστρέω s. καλέω. I-764
καλλαβίς, -ίδος f. N. eines lasziven Tanzes (Eup. 163, Phot.); nach H. = τὸ περισπᾶν τὰ ἰσχία, ἢ γένος ὀρχήσεως ἀσχημόνως τῶν ἰσχίων κυρτουμένων. — Scheint von *κάλλαβος abgeleitet zu sein; es würde dann in die Sphäre der volkstümlichen, teilweise niedrigen Wörter auf -βος gehören (vgl. Chantraine Formation 260ff.). — Nach Bechtel Dial. 2, 375 aus *καταλαβίς; eine semantische Begründung steht noch aus. I-764
κάλλαιον, gew. pl. -α, n. ‘Hahnenbart’ (Ar., Ael., Paus.), ‘Hahnenkamm’ (Arist.), ‘die schillernden Schwanzfedern des Hahns’ (Ael. Dion.). — Dunkel. Die Anknüpfung an καλαϊς ‘Hahn’, καλέω usw. (Prellwitz nach Stokes und Berneker; s. Bq) wird von WP. 1, 444 abgelehnt; dafür wird Anschluß an κάλλος als "Zierstück" empfohlen. Die Bildung ist aber noch erklärungsbedürftig. Vgl. καλάϊνος, καλαϊς; außerdem W.-Hofmann s. 1. gallus. I-764
κάλλαϊς, -ιδος f. ‘blaugrüner Stein, Türkis’ (Plin.) s. καλάϊνος. I-764
καλλαρίας m. N. eines Fisches aus dem Dorschgeschlecht (Archestr., Opp., H. s. λαζίνης). — Bildung auf -ίας (Chantraine Formation 94), letzten Endes scherzhaft (tabuisierend?) zu κάλλος, ebenso wie das synonyme γαλ(λ)αρίας (Dorion, H.) mit γαλεός ‘Haifisch’ zusammenhängt oder danach umgeformt ist; über diese und ähnliche Kreuzungen Strömberg Fischnamen 130f.; das αρο-Suffix wie in κάνθαρος, γάδαρος u. a. (Chantraine 226f.). Vgl. zum Folg. Ausführlich über καλλαρίας Thompson Fishes 97. I-765
καλλίας, ion. -ίης, dor. (H.) -ίαρ m. ‘Affe’ (Din., Herod., H.). — Aus dem PN Καλλίας mit Beziehung auf κάλλος und Übergang zum Appellativum, scherzhaft oder euphemistisch (Gal. 18 : 2, 236 u. 611). Vgl. Kretschmer KZ 33, 560, Wiener Eranos (1909) 122; indische Bedeutungsparallele bei Schulze KZ 56, 124 (= Kl. Schr. 370): mind. su-mukha (d. i. καλλιπρόσωπος) als Anrede an einen Affen; vgl. noch Spitzer KZ 57, 63 I-765
καλλιερέω, Aor. καλλιερῆσαι (ion. att.), Perf. κεκαλλιέρηκα (X. u. a.) ‘καλὰ ἱερά verrichten, glücklich opfern’ (ion. att.), intr. unpers. (vom Opfer). ‘καλὰ ἱερά bilden, glücklich ausfallen’ (Hdt.); davon καλλιέρησις (Attika), -ημα (H., EM); dor. καλλιαρία (Kos; von *καλλιαρέω). — Zusammenbildung aus καλὰ ἱερά (vgl. Schwyzer 726) mit Angleichung des Vorderglieds an die Nominalkompp. auf καλλι-; s. καλός. I-765
καλλονή, κάλλος, καλλύνω s. καλός. I-765
κᾶλον, fast nur pl. -α, n. ‘Holz, Brennholz, Bauholz’ (h. Merc. 112, Hes. Op. 427, Ion. Trag., Kall., Kyrene), auch ‘Schiffsholz’ = ‘Schiffe’ (lakon. in Ar. Lys. 1253, X. HG 1, 1,23, Plu. Alk. 28; wohl verächtlich). Davon κάλινος ‘aus Holz’ (Epich., Lyk., A. R., Kyrene); Deminutiva (?) κάλιον (-ίον?)· ξυλάριον, βακτηρίδιον; καλύριον (-ύφιον?)· ξυλήφιον H. Als Vorderglied in καλο-τύπος· ὁ δρυοκολάπτης H., καλο-πέδιλα n. pl. "Holzschuhe", Art Fußfessel (Theok. 25, 103; mit Anspielung auf hom. καλὰ πέδιλα?); καλό-πους, -ποδος m. "Holzfuß", d. h. ‘Schusterleisten’ (v. l. in Pl. Smp. 191a und Poll. 2, 195; Edict. Diocl. u. a.), auch καλά-πους (Pl. a. a. O., Poll. 10, 141; nach τετρά-πους u. a.?), mit dem Deminutivum καλοπόδιον (Gal. 6, 364 [v. l. -απ-], Suid.); als technische Ausdrücke sind καλόπους und καλοπόδιον in östliche Sprachen eingedrungen, z. B. arab. qālib, woraus osman. kalyp ‘Form, Modell’ > ngr. τὸ καλοῦπι ‘ds.’, mpers. kalapaδ, npers. kālbud (Maidhof Glotta 10, 11; Bailey Trans. Phil. Soc. 1933, 49). — Ganz fraglich dagegen καλαρ<ρ>ύα ‘Kanal, Wasserleitung’ (ambrakiotisch nach Sch. Gen. Φ 259), καλαρρυϝαί (cod. -γαί)· τάφροι. ’Αμερίας H., nach Schwyzer 438 A. 4 eig. "hölzerne Wasserleitung" (?); ähnlich καλαρῖνες· ὀχετοί. Λάκωνες H.; vgl. ῥινοῦχος ‘Kanal’ usw., dazu Kretschmer Glotta 4, 335; s. auch v. Blumenthal Hesychst. 17f. (mit unannehmbaren weiteren Kombinationen). — Zu καίω, καῦσαι als ‘Brennholz’; das synonyme δᾱλός ‘Feuerbrand’ aus δαϝ-ελός (δαίω) legt für κᾶλον ein entsprechendes *κάϝ-ελον nahe (Bq, WP. 1, 376 u. a.). Da indessen dor. κᾶλον damit nicht vereinbar zu sein scheint, ist wohl ein ursprüngl. *κάϝ-αλον anzusetzen (Schwyzer 248, Lejeune Traité de phon. 234); zu -ελο- : -αλο- vgl. s. ἔταλον. — Aus κᾶλα pl. lat. cāla f. ‘trockenes Holz, Brennholz’. — Weiteres s. καίω; s. auch κῆλα. I-765-766
καλός, ‘schön, edel, gut’ (seit Il.); zur Bedeutungsgeschichte Smothers Traditio 5 (1947) 1-57, auch Kretschmer Glotta 22, 261 (ngr. nur ‘gut’). ep. ion. κᾱλός, böot. καλϝος. Primäre Steigerungsformen καλλίων (Alk. ntr. κάλιον [vgl. unten], el. καλιτερος [graphisch?], vereinzelt u. spät καλώτερος, καλλιώτερος), κάλλιστος; dor. Adv. (Alkm. 98) καλλά; vgl. Wackernagel Unt. 87f. Als Vorderglied sehr selten (für καλλι-, εὐ-), z. B. καλό-φυλλος ‘mit schönen Blättern’ (Thphr.; nach μακρό-, μικρό-, στενό-, λειό-φυλλος usw. usw.); als Hinterglied z. B. ἀπειρό-καλος ‘des Schönen unkundig’ (Pl.; von τὸ καλόν). Zu bemerken bes. καλοκἀγαθία (Redner, X. usw.), univerbierende Abstraktbildung von καλὸς κ(αὶ) ἀγαθός (ion. att.; dazu Berlage Mnemos. 60, 20ff.). Ableitung καλότης ‘Schönheit’ (von Chrysipp. Stoic. 3, 60 gebildet). — Daneben mit Geminata: 1. κάλλος n. ‘Schönheit’ (seit Il.), als Hinterglied z. B. in περι-καλλής ‘sehr schön’ (seit Il., Bahuvrihi); davon κάλλιμος ‘schön’ (Od., h. Hom.; wohl nach κύδιμος, s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 10ff.), καλλύνω ‘Schönheit verleihen, schön machen, fegen, kehren’ (S., Pl., Arist. usw.) mit καλλυντής ‘Feger’ (Pap. IIa), κάλλυντρον ‘Besen’, auch N. eines Strauches (Arist. usw.), κάλλυνθρον ‘Staubwedel’ o. ä. (LXX, Pap.), καλλυντήρια n. pl. N. eines Reinigungsfestes (Phot., EM), καλλύσματα pl. ‘Kehricht’ (Keos u. a.). Zu κάλλος wurden ferner hinzugebildet καλλονή ‘ds.’ (vorw. ion. poet.; vgl. ἡδονή), καλλοσύνη ‘ds.’ (E. in lyr. u. a.). — 2. Steigerungsformen καλλίων, κάλλιστος (seit Il.); davon καλλιόομαι ‘schöner gemacht werden’ (LXX), καλλιστεύω, -ομαι ‘der schönste sein’ (ion. poet.) mit καλλιστεῖον, καλλίστευμα ‘Opferung des Schönsten, Preis der Schönheit, Ehrenpreis’ (S., E., Inschr.). — 3. καλλι- als Vorderglied (seit Il.); z. B. καλλι-γύναικ-α, -ος, -ι ‘mit schönen Frauen’ (vgl. Sommer Nominalkomp. 62), auch in EN, woraus Kurznamen wie Καλλίας u. a. — Von att. κᾰλός und ion. κᾱλός, beide aus καλϝός (prosodische Einzelheiten bei Sommer Nominalkomp. 59 A. 3), weichen das Nomen κάλλος, die Steigerungsformen καλλίων, κάλλιστος und das Vorderglied καλλι- durch die Gemination ab. Eine einleuchtende Erklärung steht noch aus. Die für κάλλος (nebst καλλίων, κάλλιστος, vgl. Benveniste Origines 84; dazu analogisch καλλι- ?) angesetzten Grundformen *κάλ-νος oder *κάλ-ι̯ος (zu aind. kalya- ?, vgl. unten) erwecken kein Vertrauen, da κάλλος den Eindruck einer griechischen Neubildung macht; vgl. die ähnlichen Fälle bei Chantraine Formation 416f. Die Annahme einer expressiven Gemination (Chantraine) ist gewiß möglich, kann aber nur als ein Notbehelf angesehen werden. Auch für καλλι- fehlt eine überzeugende Erklärung. Neben καλ-ϝός mit altem u̯o-Suffix wäre als Vorderglied καλι- zu erwarten (noch in κάλιον [Alk.] erhalten?), das Wackernagel KZ 61, 191ff. (= Kl. Schr. 1, 352ff.) in aind. kaly-ā́ṇa- ‘schön’ (eig. ‘schönarmig, λευκώλενος’?; vgl. zu ὠλένη) wiederfinden will (dagegen Mayrhofer Wb. s. kalyaḥ1). Nach Schwyzer 447 A. 6 wäre καλλ- aus antevokalischem *καλι̯- entstanden, woraus καλλι- und dann als Rückbildung κάλλος usw. Wieder anders Risch par. 62a (fragend): -λλ- aus einem Komparativ *κάλλων < *καλι̯ων, wozu κάλλιστος usw.? Ähnlich Seiler Steigerungsformen 68ff.: ein Komp. ntr. *κάλλον < *κάλι̯ον wurde als Positiv umgedeutet und gab zu κάλλιον, καλλίων (wonach κάλλιστος usw.) Anlaß. — Den einzig brauchbaren außergriechischen Vergleich zu καλός bietet das schon erwähnte aind. kalyā́ṇa-, wozu nach gewöhnlicher, aber nicht einwandfreier (s. Wackernagel a. a. O.) Annahme das in der Bedeutung abweichende, erst ep. klass. belegte kalya- ‘rüstig, bereit’. Die von Specht KZ 62, 257f., Ursprung 128 und 195 damit verbundenen germanischen Wörter, z. B. ano. hǫldr ‘Großbauer, Herr’ und ahd. helid ‘Kämpfer, Held’ sind u. a. wegen der Bedeutung fernzuhalten. I-766-767
κάλπη f. ‘Trab’ (Paus., Plu., Hippiatr.). Davon καλπάζω ‘traben’ (A. Fr. 145A, Aq., Suid.) mit καλπασμός (Philum. ap. Orib.). — Reitsportlicher Fachausdruck ohne Etymologie, vielleicht ursprünglich lautimitierend ("Geklapper"). Von Brugmann (z. B. Grundr.2 1, 260, 572) im Anschluß an Zupitza (Die germ. Gutturale 118) mit apreuß. po-quelbton ‘kniend’, lit. klùpti ‘niederknien, stolpern’, germ., z. B. got. hlaupan ‘laufen’ u. a. m. verbunden, s. WP. 1, 473f. (Lit. auch bei Bq und W.-Hofmann s. callis); zu den baltischen Wörtern bes. Fraenkel Lit. et. Wb. s. klùpti. Verfehlt ebenfalls Persson Beitr. 1, 179 (zu κέλης, κολυφρόν· ἐλαφρόν H.). I-767
κάλπις, -ιδος, -ιν, -ιδα f. ‘Krug, Urne’ (seit η 20; zur Bed. Brommer Herm. 77, 358 u. 365) mit καλπο-φόρος ‘krugtragend’ (Epigr.); Deminutivum κάλπιον (Pamphil. ap. Ath. 11, 475c). — Daneben κάλπη (κάλπην als v. l. für -πιν Plu., Hdn. u. a.) N. eines Gestirns (Vett. Val.; Scherer Gestirnnamen 173 u. 190); κάλπος· ποτηρίου εἶδος H. — Wie so viele Gefäßnamen ohne sichere Erklärung. Gewöhnlich mit einem keltischen Wort für ‘Urne, Eimer’ zusammengestellt, z. B. air. cilornn (aus *kelpurno-). Nach Anderen zu assyr. karpu ‘Gefäß, Topf’ oder zu ahd. hal(a)p ‘Handhabe’. Aus κάλπη stammt lat. calpar (Bildung unklar). — Näheres (m. Lit.) bei Bq s. v., WP. 1, 447, W.-Hofmann s. calpar. I-767-768
κάλτιος auch κάλτοι (für κάλτ<ι>οι?)· ὑποδήματα κοῖλα, ἐν οἷς ἱππεύουσι H. m. ‘Schuh, Halbstiefel’ (Rhinth., Plu., Edict. Diocl.); — Sizilisches LW aus lat. calceus mit Suffixtausch (καλίκιοι Plb. 30, 18, 3). Nicht mit v. Blumenthal Glotta 18, 149f. aus osk. *calc-tios. I-768
κάλυξ, -ῠκος f. ‘Fruchtkapsel, Blumenkelch, Blütenknospe, Rosenknospe’, auch übertr. als Benennung eines Frauenschmucks (seit Σ 401). Als Vorderglied z. B. in καλυκοστέφανος ‘mit Knospen bekränzt’ (B. u. a.). — Zum Ausgang -υξ vgl. Chantraine 383; eine große Ähnlichkeit zeigt aind. (klass.) kalikā ‘Knospe’, das aber trotzdem vielleicht fernzuhalten ist, s. Mayrhofer Wb. s. v. Vgl. κύλιξ, auch σκαλλίον. Ableitungen: Deminutivum καλύκιον (Dsk., H.); καλυκώδης ‘κ.-ähnlich’ (Thphr.), καλύκειος λίθος N. eines in dem σάλπη benannten Fische gefundenen Steins (H.); außerdem κάλυξις· κόσμος τις ἐκ ῥόδων, καλύξεις· ῥόδων καλύκια H., καλύκωσις ‘Rosenknospe?’ (Aq.), wie von *καλύσσω, bzw. *καλυκόω; vgl. die Bildungen bei Chantraine Formation 288 und καλυκίζειν· ἀνθεῖν H. I-768
καλύπτω, Aor. καλύψαι, Perf. Med. κεκάλυμμαι (seit Il.), Viele Ableitungen: 1. καλύβη ‘Obdach, Hütte, Zelt’ (Hdt., Th. usw.; zur Bildung Chantraine Formation 23, nicht mit v. Blumenthal Glotta 18, 147 illyrisch); davon καλύβιον (hell. u. spät), καλυβίτης ‘Hüttenbewohner’ (Str. u. a.; Redard Les noms grecs en -της 25); auch κάλυβος (Epigr. Kyrene, H.). 2. καλυφή ‘Überschwemmung, überschwemmtes Land’ mit ἀποκάλυφος (αἰγιαλός, ἄρουρα) ‘nach der Überschwemmung anbaufähig’ (Pap.), περικαλυφή ‘Umhüllung’ (Pl. Lg. 942d); zu -βη und -φη neben καλύ-πτω vgl. Schwyzer 332f. 3. (προ-, παρα- usw.) κάλυμμα ‘Verhüllung, Schleier, Decke usw.’ (seit Il.) mit καλυμμάτιον (Ar.). 4. συγκαλυμμός ‘Verhüllung’ (Ar. Av. 1496). 5. ἐγ-, κατα-, ἀπο-κάλυψις ‘Verhüllung usw.’ (hell. u. spät); dazu, wohl als Kosename (Schwyzer 478, Risch par. 58a; anders Meillet REGr. 32, 384ff.) Καλυψώ f. "Verhüllerin, Verbergerin" (seit Od.), nach Güntert Kalypso eig. Todesgöttin; Zweifel bei Kretschmer Glotta 12, 212f., s. noch Bérard REGr. 67, 503f. — 6. καλυπτήρ, -ῆρος m. "Verhüller", ‘Hülle, Decke, Ziegel’ (Hp., Arist., att. u. hell. Inschr.) mit καλυπτηρίζω ‘mit Ziegel bedecken’ (Inschr.), f. καλύπτειρα ‘Schleier’ (AP); ἐπι-, ἐγ-, ἀνακαλυπτήριον, -ια ‘Verhüllung, Ver-, Enthüllungsfeier’ (Arist. usw.). 7. καλύπτρα, -ρη f. ‘Schleier, Decke usw.’ (seit Il.; zur Bildung Schwyzer 532, Chantraine Formation 333). — 8. ἐκ-καλυπτικός ‘enthüllend’ (Stoic., S. E.). ‘umhüllen, bedecken, verbergen’, sehr oft mit Präfix, z. B. ἀμφι-, κατα-, περι-, συν-, auch mit ἀνα-, ἀπο-, ἐκ- ‘aufdecken, enthüllen’. — Bildung wie κρύπτω und vielleicht davon beeinflußt (wenn nicht umgekehrt); jedenfalls aus einem schwachstufigen, evtl. auf υ auslautenden Verb erweitert (vgl. zu 1. ἀρύω). Ein nahverwandtes hochstufiges thematisches Wurzelpräsens liegt auf dem westlichen Gebiet vor in air. celim, lat. *cĕlō, -ĕre (in oc-culere), germ., z. B. ahd. helan ‘hehlen, verbergen’, vgl. zu κέλυφος. Dazu kommen noch ein dehnstufiges Deverbativum in lat. cēlō, -āre ‘verbergen’ und ein schwachstufiges Jotpräsens im Germ., z. B. got. huljan ‘hüllen’. Schwundstufe zeigt u. a. lat. clam ‘verhohlen, heimlich’. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 432f., Pok. 553f., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. cēlō. — Vgl. καλιά, κολεός, auch κλέπτω. I-768-769
κάλχη, mit Hauchversetzung χάλκη (Meisterhans3 103f.), auch (durch Vermischung der beiden Formen) χάλχη f. ‘Purpurschnecke, Purpur, purpurrote Blume, Chrysanthemum coronarium’ (Alkm., Nik., Str. u. a.), übertr. als Ausdruck der Baukunst ‘Rosette eines Kapitells’ (att. u. hell. Inschr.). Denominatives Verb καλχαίνω, im eigentl. Sinn im Med. ‘purpurrot sein’ (Nik. Th. 641), übertr. trans. ‘über etw. grubeln’ (ἔπος, S. Ant. 20), intr. ‘unruhig, aufgeregt sein’ (E. Herakl. 40), ‘sich sehnen’ (Lyk. 1457). Lehnwort unbekannter Herkunft, vielleicht aus derselben Quelle wie χαλκός (Kretschmer Einleitung 167 A. 3). — Die Bedeutung ‘grübeln, aufgeregt sein’, die sich nur in der Sprache der Dichter findet, entstand offenbar nach dem Vorbild von πορφύρα : πορφύρω, die, obgleich nicht zusammengehörig, miteinander jedoch verknüpft wurden. Die Heranziehung von ags. gealg ‘traurig, finster’ (Holthausen IF 20, 322; WP. 1, 540) erübrigt sich. — Ob auch der Name des Sehers Κάλχας als "der Grübler" hierhergehört (zuletzt Carnoy Les ét. class. 24, 102), ist mehr als unsicher; eine pelasgische Etymologie liefert v. Windekens Beitr. z. Namenforschung 7, 308ff. Zu Κάλχας, -αντος und Καλχᾱ-δών noch Kretschmer Glotta 14, 100. I-769
κάλως, -ω, -ων, ε 260 u. Hdt. κάλος, hell. u. späte Epiker pl. -ωες, -ωας, -ωσι m. ‘Rahentau, Schiffstau, Tau im allg.’ (seit ε 260); καλω-στρόφος ‘Seildreher’ (Plu. Per. 12). Deminutivum καλῴδιον, auch καλοίδιον (Kom., Th., Inschr., Pap.). — Ohne Etymologie, wohl technisches Fremdwort (Debrunner Eberts Reallexikon 4, 525, Hermann Gött. Nachr. 1943, 1f.). Idg. Etymologien von Mansion PBBeitr. 33, 547ff. (zu ndl. halen ‘ziehen’ > frz. haler usw.; aber vielmehr zu ahd. halōn ‘rufen, holen’, vgl. zu καλέω); von Persson Stud. 30 u. A. (zu κλώθω usw.; vgl. s. v.). I-769-770
κάμαξ, -ακος f. (m.) ‘Pfahl zum Stützen des Weins, Stange, Speerschaft’ (poet. u. spät seit Σ 563). Davon καμάκιον (Sch.), καμάκινος ‘aus einer Stange gemacht’ (X.), καμακίας σῖτος ‘Korn mit allzu langem Halm’ (Thphr.; vgl. Strömberg Theophrastea 91). — Bildung wie δόναξ, πῖναξ, κλῖμαξ u. a. (Chantraine Formation 377ff.). Ähnliche Wörter für ‘Stange, Holz, Stock usw.’, alle in der Bildung voneinander abweichend, begegnen in mehreren Sprachen: aind. śámyā ‘Stock, Zapfen, Nagel’, aw. simā Ben. eines Teils vom Geschirr des mit Pferden bespannten Wagens, arm. sami-k‘ pl. ‘Jochhölzer’, germ., z. B. mhd. hamel ‘Stange, Klotz’. Lit. und weitere germ. Formen bei Bq und WP. 1, 385. S. auch καμασήν. I-770
καμάρα, ion. -ρη f. ‘Gewölbe, Zimmerwölbung, gewölbte Kammer, Wagen und Barke mit gewölbtem Dach’ (Hdt., LXX, Str., hell. u. späte Inschr. u. Pap. usw.). Davon καμάριον (Inschr. u. a.), καμαρία· κοιτὼν καμάρας ἔχων H., καμαρικός ‘mit einem Gewölbe versehen’ (Ath. Mech.). Denominative Verba: 1. καμαρόω ‘mit einem Gewölbe ausrüsten’ mit καμάρωσις ‘Wölbung’ (hell. Pap. u. a.), καμάρ-ωμα ‘Gewölbe’ (Str., Gal.), -ωτός ‘gewölbt’ (Str. u. a.), -ωτικός ‘beim Wölben benutzt’ (Pap.); 2. καμαρεύω ‘anhäufen, herbeischaffen, sich anstrengen’ (H.); 3. ngr. καμαρώνω ‘sich brüsten, stolz sein’ (Kukules Festschr. f. Hatzidakis 33ff.). — Außerdem καμάρης· δέσμης, καμάραι· ζῶναι στρατιωτικαί, καμαρίς· κοσμάριον γυναικεῖον H.; vgl. unten. — An καμάρα erinnert vor allem das in der Bedeutung allerdings stark abweichende aw. kamarā ‘Gürtel’, aus dem jedenfalls die oben aus H. angeführten καμάρη, καμαρίς entlehnt sein müssen (Fick KZ 43, 137, Schwyzer WuS 12, 31 A. 3; vgl. auch Weber PhW 54, 1068ff., Kretschmer Glotta 26, 62f.). Hinzu kommt lat. camurus, -a, -um ‘gekrümmt (von Hörnern), gewölbt’. Was sonst zum Vergleich herangezogen worden ist, bleibt mehr oder weniger zweifelhaft : aind. kmárati ‘krumm sein’ (Gramm.; vgl. Mayrhofer Wb. s. v.), gr. κμέλεθρον aus *κμέρεθρον (?; vgl. s. v.), das german. Wort für ‘Himmel’, z. B. got. himins (mit r:n-Wechsel). Für eine naheliegende Entlehnung aus einer östlichen Sprache sind eingetreten: Fick a. a. O. (aus dem Iranischen), Solmsen BphW 1906, 852f. (aus dem Karischen nach Sch. Orib. 46, 21, 7; dagegen Bq 402 A.). — Aus dem Griech. ist jedenfalls καμάρα ins Latein (camera) und von da aus ins Germanische und Baltoslavische gewandert. WP. 1, 349f., Pok. 524, W.-Hofmann s. camera und camurus; ältere Lit. auch bei Bq. — Vgl. κάμινος. I-770-771
κάμαρος, κάμμαρος m. N. einer Giftpflanze, Art Aconitum (?), auch = δελφίνιον, ‘Rittersporn’ (Hp., Stratt., Nik., Dsk. u. a.). — Von Fick 1, 383; 3, 74 mit dem germanischen und slavischen Wort für ‘Nieswurz’, ahd. hemera, russ. čemeríca (aus r.-ksl. čemerъ ‘Gift’, eig. ‘Nieswurz’) und mit lit. kemė̃ras ‘Wasserdost’ (dazu Fraenkel s. kiemenà) zusammengestellt. Die daselbst angereihten aind. kamala- n. ‘Lotus’, camarika- m. ‘Bauhinia variegata’ haben jedenfalls auszuscheiden (s. Mayrhofer Wb. s. vv.). — Die Schreibung κάμμορον (Dsk., Erot. u. a.) ist volksetymologisch nach κάμμορος ‘unglücklich’. — Aus κάμμαρος unterital. kammári ‘Wolfsmilch’, s. Rohlfs ByzZ 37, 53, Wb. No 877, Dawkins JournofHellStud. 56, 4. I-771
καμασήν, -ῆνος m. N. eines unbekannten Fisches (Emp., AP, Hdn. Gr., H.). — Aus dem Fischnamen ἠλακατήν von ἠλακάτη läßt sich für καμασήν auf ein Grundwort *κάμασος o. ä. schließen mit suffixalem -ασος wie in πέτασος, κόμπασος u. a. (Chantraine Formation 435). Dadurch wird Anschluß gewonnen an die baltoslavische Benennung des Welses, lit. šāmas, lett. sams, slav. (russ. usw.) som. Weitere Beziehung zu κάμαξ ‘Pfahl, Stange’ (s. d.) liegt sehr nahe. Solmsen Wortforsch. 122f.; zum Benennungsmotiv auch Strömberg Fischnamen 36. I-771
κάμηλος m. f. ‘Kamel’ (Hdt., A., Ar. usw.). Als Vorderglied z. B. in καμηλο-πάρδαλις f. ‘Giraffe’ (Agatharch., LXX usw.; Strömberg Wortstudien 12); auch in καμηλάτης für *καμηλ-ελάτης ‘Kameltreiber’ mit καμηλ-άσιον ‘Kameltreiberlohn’ (Pap.), -ασία ‘das Kameltreiben’ (Dig.). Mehrere Ableitungen, meist aus den Papyri: Deminutivum καμήλιον; Adj. καμήλειος, καμηλικός ‘zum Kamel gehörig’, καμηλώδης ‘kamelähnlich’ (Gal.); Subst. καμηλίτης (Arist. u. a.), καμηλάριος ‘Kameltreiber’; καμηλών ‘Kamelstall’; Verb καμηλίζω ‘einem Kamel ähneln’ (Hld.). — Aus dem Semitischen (ursprüngl. babylonisch?; Grimme Glotta 14, 17); vgl. hebr. gāmāl (= γαμάλ· ἡ κάμηλος παρὰ Χαλδαίοις H.), mit (ionischem?) Übergang von ᾱ zu η in -ηλος; vgl. noch Γαυγάμηλα = καμήλου οἶκος Str. 16, 1, 3 (Kretschmer KZ 31, 287). — Aus κάμηλος stammen sowohl aind. kramela- (nach krámate ‘schreiten’ umgebildet) wie lat. camēlus und die europäischen Formen. I-771-772
κάμιλος m. ‘Ankertau, Schiffstau’ (Sch. Ar. V. 1035, Suid.). — Nach Lewy Fremdw. 154 aus dem Semitischen, vgl. arab. ĝamal ‘Schiffstau’. Nach anderer Auffassung aus der v. l. κάμιλος für κάμηλος Ev. Matt. 19, 24, Mk. 10, 25, Luk. 18, 25 (κάμηλον διὰ τρήματος ῥαφίδος διελθεῖν) entstanden, weil ‘Tau’ im Zusammenhang besser zu passen schien; vgl. Bauer Griech.-dt. Wb. zum NT. s. v. m. Lit. I-772
κάμῑνος f. (vgl. Schwyzer-Debrunner 34 A. 2; -η Pap. VIp) ‘Ofen zum Schmelzen, Brennen, Braten usw.’ (Hom. Epigr. 14, Hdt., A. usw.). Mehrere Ableitungen, alle spärlich belegt, meist spät: Deminutivum καμίνιον (Gp., Olymp. Alch.). Sonstige Subst.: καμινὼ γρηῦς ‘Ofenweib’ (σ 27; Chantraine Formation 116); καμινεύς N. eines Handwerkers, der an einem Ofen arbeitet, etwa ‘Schmied’ od. ‘Töpfer’ (D. S.; Boßhardt Die Nomina auf -ευς 76); καμινίων ‘ds.’ (Tegea IIp); καμινίτης ἄρτος (Philistion ap. Ath.; Redard Les noms grecs en -της 89). Adj.: καμίνιος ‘zum Ofen gehörig’ (Thphr.); καμιναῖος ‘ds.’ (Ezek.) mit καμιναία = κάμινος (LXX; vgl. Chantraine 86); καμινώδης ‘ofenähnlich’ (Str.). Verb καμινεύω ‘im Ofen brennen, schmelzen’ (Arist., Thphr., Str.) mit καμινευτής = καμινεύς (Pap. IIIa, Luk.), καμινευτήρ (αὐλός) ‘Blasebalg in einer Schmiede’ (AP), f. -εύτρια (Aristarch.), καμινεία (-ία) ‘Brennung, Schmelzung o. ä.’ (Thphr., Gal.). — Technisches Lehnwort unbekannter Herkunft (zur Bildung Schwyzer 491, Chantraine 205). Der Vergleich mit καμάρα (Prellwitz, Bq u. A.) hat wenig Wert; die Zusammenstellung mit aksl. kamy ‘Stein’ (Hirt Ablaut 137, Falk-Torp Wb. s. kamin) ist sachlich gewiß möglich (Geramb WuS 9, 28); es muß sich aber dann um eine nördliche oder östliche Entlehnung handeln (WP. 1, 349, Pok. 525). — Aus κάμινος lat. camīnus mit mhd. kamin usw. (W.-Hofmann s. v.; s. auch Vasmer Russ. et. Wb. s. kómin). I-772
κάμμαρος 1. Art Krebs (Epich., Sophr., Rhinth., H.; zur Bed. vgl. Thompson Fishes s. v.), καμμαρίς ‘ds.’ (Gal.); κομμάραι ἢ κομάραι· καρίδες. Μακεδόνες H. m. — Offenbar mit anord. humarr, nd. nhd. Hummer identisch, vielleicht daraus entlehnt (Kretschmer Glotta 22, 103f.). Aind. kamáṭha- m. ‘Schildkröte’ ist dagegen wahrscheinlich fernzuhalten (s. Mayrhofer Wb. s. v.). — Aus κάμμαρος lat. cammarus. I-772
κάμμαρος 2. N. einer Giftpflanze s. κάμαρος. I-772
καμμονίη f. ‘Ausdauer, siegreiche Abwehr’ (Χ 257, Ψ 661, APl.; zur Bed. Trümpy Fachausdrücke 201f.). — Mit äolischer Behandlung der Präposition für *καταμονίη, u. zw. entweder als Abstraktbildung zu κατάμονος (hell.) oder mit metrisch bedingtem Suffixtausch für *καμμονή = καταμονή (hell.); zu καταμένειν. — Vgl. κάμμορος. I-772-773
κάμμορος ‘unglücklich’ (Od., A. R.). — Äolisch für das metrisch unbrauchbare *κατά-μορος (über *κάτ-μορος), Hypostase aus κατὰ μόρον oder μόρου, ‘der dem μόρος, dem Geschick unterworfen ist’. Daneben das ältere κάσμορος· δύστηνος H., = *κάσσμορος aus *κάτ-σμορος. Bechtel Lex. s. v. mit älterer Lit., Schwyzer 310. I-773
κάμνω, Aor. καμεῖν, Fut. καμοῦμαι (Schwyzer 784), Perf. κέκμηκα, dor. (Theok.) κέκμᾱκα, ep. Ptz. κεκμηώς, ‘sich mühen, mit Mühe arbeiten od. verfertigen, bauen; müde werden, ermatten, sterben’ (euphem.; fast nur ep. οἱ καμόντες, att. οἱ κεκμηκότες); ‘in Gefahr sein, Not haben’ (seit Il.). auch mit Präfix, z. B. ἀπο-, ἐκ-, συγ-, — Als Hinterglied in Zusammenbildungen: ἀ-κάμα-ς, -α-ντ-ος ‘unermüdlich’ (poet. seit Il., späte Prosa; zur Bildung Schwyzer 526); gewöhnlicher -κμη-τ- (-κμᾱ-τ-), -κμη-το- (-κμᾱ-το-), z. B. ἀ-κμή-ς, -ῆτ-ος ‘unermüdlich’, ἄ-κμη-τος ‘ds.’, πολύ-κμητος ‘mit vieler Mühe bereitet’ (alle vorw. ep. poet.). Verbalnomen κάματος m. ‘Mühe, anstrengende Arbeit, Ermüdung, Leiden’ (ep. ion. poet. seit Il., späte Prosa; zur Bedeutung Radermacher RhM 87, 285f. [anfechtbar]). Kompp., z. B. ἀ-κάματος ‘ohne Mühe’ (ep. ion. poct. seit Il.). Ableitungen: καματώδης ‘mühsam’ (Hes., Pi. u. a.), καματηρός ‘mühsam, ermüdet’ (ion. poet. seit h. Ven. 246; nach ἀνιηρός u. a.; Chantraine Formation 232, Zumbach Neuerungen 15); καματηδόν ‘mit Mühe’ (Man.); außerdem die Verbformen καματῶν· κοπιῶν, ἐκαμάτευσε· μετὰ κακοπαθείας εἰργάσατο H. (: καματάω, -τεύω). — Dem thematischen Nasalpräsens κάμνω steht im Altindischen ein athematisches nā-Präsens (Typ δάμ-νᾱ-μι) gegenüber: Med. śam-nī-te ‘sich mühen, arbeiten’ (Schwyzer 693). Die zweisilbige Wurzelform, die schon daraus vermutet werden kann, wird u. a. durch den Ipv. śamī̆-ṣva und das Nom. ag. śami-tár- ‘Zurichter’, wozu gr. κάμα-τος stimmt, bestätigt. Auch der thematische Aorist ἔ-καμ-ον, ἔ-καμ-ε hat ein Gegenstück in aind. a-śam-a-t, beide mit einsilbiger Reduktionsstufe (Schwyzer 747, Chantraine Gramm. hom. 1, 391); die zweisilbige Form ist in den athematischen aind. á-śami-ṣ-ṭa (RV), a-śamī-t (Gramm.) noch zu spüren. Dagegen gilt im Griechischen als Schwundstufe κμη-, urgr. κμᾱ- (κέ-κμη-κα, ἄ-κμη-τος usw.) gegenüber aind. śān-tá- (Ptz.); vgl. dazu Schwyzer 343 Zus. 3, 361; s. auch zu θάνατος m. Lit. — Sichere Spuren dieser im Indischen und Griechischen reich vertretenen Wortsippe sind in anderen Sprachen nicht vorhanden; in Betracht kommen indessen einige keltische Nomina, z. B. mir. cuma ‘Kummer’, cumal ‘Sklavin’. WP. 1, 387f., Pok. 557. — Vgl. κομέω, κομίζω. I-773-774
κάμπη 1. f. ‘Kohlraupe, Seidenraupe’ (Hp., Kom., Arist., Thphr. u. a.); πιτυο-κάμπη ‘Pinienraupe, Gnethocampa processionea’ (Dsk. u. a.; auch αἱ πιτύϊναι κάμπαι). — Kann als ‘Krümmung’ zu κάμπτω gehören; zu beachten anderseits aind. kapanā́ ‘Raupe’, lett. kâpe, kâpars ‘Insektenlarve, -puppe, Raupe’ (letzteres mit Prellwitz 206 zu kâpt ‘steigen, klettern’?). Wenn mit kapanā́ urverwandt, hat sich κάμπη volksetymologisch an καμπή, κάμπτω angeschlossen. Lit. bei Bq und WP. 1, 346; vgl. außerdem Mayrhofer Wb. s. kapanā́. Unklare Darstellung bei Strömberg Wortstudien 9. S. noch Bolelli Studitfilclass. N. S. 24, 93 A. 1. I-774
κάμπη 2. auch κάμπος n. (Lyk.; nach κῆτος) f. (Epich. ap. H., D. S., Nonn.), ‘(indisches) Meerungeheuer’. — Herkunft unbekannt. I-774
κάμπτω (ion. att.), Fut. κάμψω, Aor. κάμψαι (seit Il.), Pass. καμφθῆναι (A., Th. u. a.; v. l. Ι 158), Perf. Pass. κεκάμφθαι (Hp. usw.), oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, κατα-, ἐπι-, περι-, συν-, ‘biegen, beugen, krümmen’. Ableitungen. Substantiva. 1. (ἀνα-, ἐπι-, περι-, συγ-)καμπή ‘Biegung, Krümmung’ (ion. att.) mit κάμπιμος ‘gebogen’ (E. IT 81, Versende; nach πομπή : πόμπιμος, s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 81); ἐπικάμπ-ιος ‘eine ἐπικαμπή, Einbiegung bildend’, milit. u. bautechn. Ausdruck (Ph. Bel., Plb., Inschr. u. a.). 2. (ἀνα-, κατα-, ἐπι-, συγ- usw.) κάμψις ‘Biegung, Krümmung’ (ion. att.); als Vorderglied z. B. in καμψί-πους Beiwort der ’Ερινύς (A. Th. 791 [lyr.]), Bedeutung unklar, s. Schwyzer 444 A. 11. 3. καμπτήρ, -ῆρος m. "Bieger, Krümmer", als milit. und sportlicher Terminus ‘Biegung, Wendepunkt der Rennbahn’ (X., Arist., Herod. usw.) mit καμπτήριος (Sch.). 4. περικάμπτης ‘tergiversator’ (Gloss.). — Adjektiva. 5. καμπύλος ‘gebogen, krumm’ (vorw. ep. ion. poet. seit Il.; nach ἀγκύλος, Chantraine Formation 250) mit καμπύλη f. ‘Krummstab’ (Ar., Plu. u. a.), καμπουλίρ (= καμπυλίς)· ἐλαίας εἶδος. Λάκωνες H., καμπυλότης ‘Krummheit’ (Hp., Arist.), καμπύλλω ‘krümmen’ (Hp.), auch καμπυλεύομαι, καμπυλόομαι (Mediz.), καμπυλιάζω (Phot., Suid.); poetische Erweiterung καμπυλόεις (AP; Schwyzer 527). 6. ἐπι-, περι-καμπής ‘gekrümmt’, von ἐπι-, περι-κάμπτω (vgl. Chantraine 426f., Strömberg Prefix Studies 101). 7. καμπτικός ‘biegsam’ (Arist., Poll.). 8. καμψόν· καμπύλον H.; nach γαμψός? (vgl. Schwyzer 516, Chantraine 434, Stang Symb. Oslo. 23, 46ff.). — Diese im Griechischen wohl ausgebildete Wortsippe, die auf einem ablautlosen Verbalstamm καμπ- aufgebaut ist, wovon das primäre Verbalnomen καμπ-ή (mit καμπ-ύλος?) und das ebenfalls primäre κάμπ-τω mit κάμψαι usw., hat in anderen Sprachen verstreute nominale Vertreter, z. T. in übertragenen Bedeutungen und somit nicht immer ganz einwandfrei: lett. kampis ‘Krummholz, Kesselhaken’, lit. kam̃pas ‘Winkel, Ecke, Kante, verborgener Ort’, auch ‘Krummholz am Kummet’, womit sowohl lat. campus ‘Feld’ (eig. ‘Biegung, Niederung’?) als auch ein german. Adj. ‘verstümmelt, gelähmt’, z. B. got. hamfs, lautlich übereinstimmen; daneben steht mit auslautendem -b (vgl. zu σκαμβός) ein keltischer Adjektiv ‘krumm’, air. camm usw. (aus *cambo-; dazu nach Krahe Beitr. z. Namenforschung 3, 231 der Bach- und Ortsname Kobenz < *Kambantia); vgl. außerdem Campona ON in Pannonia. — Hinzu kommen im Baltischen zahlreiche Wörter für ‘krumm usw.’ mit u-Vokal, lit. kum̃pas ‘gekrümmt, krumm’, lett. kùmpt ‘krumm werden, verschrumpfen’ u. a. m., die eine reduzierte Vokalstufe enthalten können, aber gleichzeitig einen volkstümlichen Charakter haben und deshalb nur mit Vorbehalt hier einzureihen sind. Dasselbe gilt vielleicht in noch höherem Maße von ein paar aind. Wörtern: kumpa- ‘lahm an der Hand’ (Lex.) und, wegen der Bedeutung, aind. kampate ‘zittern’; vgl. Mayrhofer Wb. s.vv. Weitere Formen mit reicher Lit. bei WP. 1, 350f., Pok. 525, W.-Hofmann s. campus, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kam̃pas. — Aus κάμψαι stammt lat. campsāre ‘umsegeln, abbiegen’ (wovon span. cansar usw., Rice Lang. 19, 154ff.); aus καμπή lat.-rom. camba, gamba (dazu Fohalle Mélanges Vendryes 157ff., Kretschmer Glotta 16, 166f.) und alb. kāmbë ‘Bein, Fuß’ (Mann Lang. 17, 19 und 26, 380); aus καμπύλος osman. kambur ‘Buckel, buckelig’ > ngr. καβούρης (Maidhof Glotta 10, 10); in byz. γαμματίζω = κάμπτω, -ομαι vermutet Amantos (s. Kretschmer Glotta 16, 179) ein Nomen *γάμμα, *κάμμα. I-774-775
κάναβος, κάνναβος auch κίνναβος (Suid.), κιναβεύματα· πανουργήματα H., Phot. (unsicher Ar. Fr. 699). m. ‘Holzgerüst zum Modellieren, Modell, Mannequin, magere Person’ (Stratt., Arist., Poll., H.); Davon κανάβιος, -ινος ‘zum κ. gehörig, κ.-artig’ (AP, H.). — Zur Bildung vgl. die mehrfach dunklen Wörter auf -βος wie κάκκαβος, κόλλαβος, σίττυβος (Chantraine Formation 262); vielleicht von κάννα ‘Rohr’ (s. d.), wenn eig. ‘Rohrgerüst’. — Über das in der Bed. abweichende lat. canaba ‘Krämerbude beim Heer usw.’ (eig. ‘Rohrgerüst, leichtes Holzgerüst’?) s. W.-Hofmann s. v. I-775
κάναδοι · σιαγόνες, γνάθοι H. — S. zu γνάθος; dazu noch Pisani Rev. int. ét. balk. 3, 18, Krahe IF 60, 297 (illyrisch). I-776
καναχή, dor. -ά f. ‘Geräusch, Schall, Getöse, Gerassel’ (poet. seit Il.). Als Vorderglied in καναχή-πους, dor. -χά- ‘mit lärmenden Füßen’ (Alkm. u. a.). Daneben καναχέω, Aor. -ῆσαι (τ 469, Kratin., A. R.), erweiternd καναχίζω (Μ 36, κ 399 [v. l.], Hes. Sc. 373) ‘schallen, tönen, rasseln, krachen’ (vgl. Schwyzer 736, Porzig Satzinhalte 231); Aor. δια-, ἐγ-, ἐκ-κανάξαι von gurgelnden und schlürfenden Lauten (E. Kyk. 152 u. 157, Ar., Eup. u. a.), κανάξαι nach Poll. 10, 85 = τὸ ἐκκενῶσαι ἢ ἐκπιεῖν; κανάξας· ἐγχέας H.; καναχηδά ‘mit Geräusch’ (Hes. Th. 367 u. a.), -ηδόν ‘ds.’ (D. P., Aret.) und die ἅπ. λεγγ. καναχής (A. Ch. 152 [lyr.], von δάκρυ), καναχός (Nik. Th. 620; von βάτραχοι), beide wohl zunächst von καναχέω; καναχισμός (Orac. Chald.) von καναχίζω. — Expressive Bildung wie στοναχή (: στενάχω; vgl. Chantraine Formation 403) von einem Verb ‘singen, klingen usw.’ in lat. canō = kelt., z. B. air. canim, wozu u. a. Namen für ‘Hahn’, z. B. gr. ἠϊκανός (s. d.), got. hana = nhd. Hahn u. a. m. Weitere Formen m. reicher Lit. bei Bq, WP. 1, 351, Pok. 525f., W.-Hofmann s. canō. — Vgl. κόναβος. I-776
κάνδαρος · ἄνθραξ H. — Wohl zu aind. candrá- ‘schimmernd, licht’, lat. candor ‘weißer Glanz, Helle’, candeō ‘glänzen’ usw.; s. Bq, WP. 1, 352, Pok. 562, W.-Hofmann s. candeō mit einer Fülle von Literatur und weiteren Formen; dazu noch Mayrhofer Wb. s. candráḥ (1. 373) und Schwyzer 482. I-776
Κανδαύλης, -ου Vok. Κανδαῦλα, m., lydisch-phrygischer Name des Hermes (Hippon. 1), auch N. eines lydischen Königs (Hdt.). — Nach Hippon. = Κυνάγχα (Vok.) "Hundwürger"; auf Hermes als Würfelgott (‘Ερμῆς Τύχων) bezüglich und als Ausdruck des Würfelspiels mit aind. śva-ghnín- eig. "Hundtöter" (κύων = śvan- Ben. des schlechten Wurfes) semasiologisch identisch. Sittig KZ 52, 204ff.; dazu Kretschmer Glotta 15, 192. Weiteres s. Θαύλιος. — Ganz anders über Κανδαύλης Bolling Lang. 3, 15ff. (nicht zutreffend). I-776
κάνθαρος m. Art Käfer, ‘Scarabaeus pilularius’, auch übertr. von einem Trinkbecher, einem Kahn, einem Fisch (Strömberg Fischnamen 123f.), einem weiblichen Schmuck (ion. att.). Als Hinterglied z. B. in ἡλιο-, κυκνο-κάνθαρος (Kom. u. a.). Ableitungen: κανθάριον Ben. eines Bechers (att. Inschr., Plu.); κανθαρίς Käferart, auch N. eines Fisches und einer Pflanze (Hp., Arist. usw.); κανθάρεως Ben. eines Weinstocks (Thphr.; -εως wie in ἐρινεώς u. a.; s. zu ἐρινεός), κανθαρίτης οἶνος (Plin.), beide von der Κανθάριος ἄκρα auf Samos (Str.), auch Ἄμπελος benannt (Redard Les noms grecs en -της 97); κανθαρίας N. eines Edelsteins (Plin.); κανθαρώδης ‘κ.-ähnlich’ (Sch.). — Nicht sicher erklärt. Von Strömberg Wortstudien 10f. (wo weitere Einzelheiten) auf den Namen des Esels, κάνθων, κανθήλιος bezogen mit demselben Suffix wie in χίμαρος, κίσσαρος u. a. (Chantraine Formation 226f.). — Über die Pflanzennamen κανθαρίς, ἀντικάνθαρον s. Strömberg Pflanzennamen 140. I-776-777
κανθήλια n. pl. ‘große Packkörbe, eig. an beiden Seiten des Saumsattels’ (Ar., Artem., Pap., Gp.), auch ‘krumme Hölzer am Hinterschiff, die beim Zeltschlagen benutzt werden’ (H.); -ιον Akk. sg. in der Baukunst ‘Dachsparren’ (IG 22, 463, 73); (ὄνος) κανθήλιος ‘Packesel’ (Pl., Kom., X., Pap. usw.); κανθηλικός ‘zum Packkorb oder Packesel gehörig’ (Pap.). — Daneben κανθίαι· σπυρίδες H., κάνθων = ὄνος κανθήλιος (Ar., AP u. a.), κανθίς· ὀνίς (‘Eselmist’) H. — Volkstümliche Wörter, deren Beziehungen zueinander und zu anderen lautähnlichen Bildungen vor allem durch ihre technische, uns manchmal unzugängliche Bedeutung unklar oder zweifelhaft bleiben. Zu κανθήλια stimmen κειμήλια, γαμήλιος; zu beachten noch τράχηλος, γαμφηλαί und andere Wörter mit ηλ-Suffix. In dem allerdings spärlich belegten κανθίαι könnte eine andere Ableitung des λ-losen Grundworts stecken. Daß (ὄνος) κανθήλιος ‘Esel’ zu κανθήλια ‘Packkörbe’ sekundär ist, kann nicht bezweifelt werden (Debrunner IF 54, 55); κάνθων läßt sich unschwer als eine Kurzform wie lat. cabō zu caballus verstehen (Bq 406 A. 2, W.-Hofmann s. caballus), ebenso das einmalige κανθίς (anders Nehring Sprache 1, 166). — Von κανθήλια, -ιος ist lat. cant(h)ērius ‘verschnittener Hengst, Gaul’, auch ‘Jochgeländer, Dachsparren’ (mit Suffixwechsel) nicht zu trennen; wegen der Bedeutung ist eher direkte Entlehnung als unabhängige Übernahme aus einer fremden Sprache anzunehmen. Im übrigen dunkel; idg. Etymologien werden von W.-Hofmann s. cant(h)ērius mit Recht abgelehnt. Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 96f. (mit Lit.), dazu ders. Lingua posnan. 5, 86. Nach Deroy Glotta 35, 190f. Mittelmeerwort. — Vgl. κάνθαρος, κανθός und κανθύλη. I-777
κανθός m. ‘Augenwinkel’ (Arist., Nik., Gal., Pap.); poet. ‘Auge’ (hell. u. spät); nach H. auch ‘Dachöffnung für den Rauch, Rauchfang, καπνοδόκη’ und ‘Topf, Kessel, χυτρόπους’ (letzteres sizilisch). Davon die Hypostase ἐγκάνθιος ‘im κανθός befindlich’ (Dsk., Gal.) mit ἐγκανθίς f. ‘fleischiger Auswuchs im (inneren) Augenwinkel’ (Cels., Gal.), nach Poll. 2, 71 = ‘innerer Augenwinkel’; auch ἐπικανθίς ‘ds.’ (Hippiatr., v. l. in Poll. a. a. O.). Ableitung κανθώδης ‘gerundet’ (Kall. Fr. 504 coni. Hemsterhuys; codd. καθν-, κυκν-). — Nicht befriedigend erklärt. Aus dem einmaligen, auf einer ganz unsicheren Konjektur ruhenden κανθώδης des Kallimachosfragments eine allgemeine Grundbedeutung ‘Krümmung, Biegung’ herauszulesen, ist selbstverständlich unstatthaft. Der in hellenistischer und später Poesie geläufige Gebrauch von κανθός im Sinn von ‘Auge’ empfiehlt vielmehr, für κανθώδης, falls überhaupt richtig emendiert, eine Bedeutung ‘augenförmig’ (= ‘gerundet’) anzunehmen. Die Angaben bei H. lassen keine sicheren Schlüsse zu. — Man vergleicht teils einige keltische Wörter, z. B. kymr. cant ‘eiserner Reifen, Rand’, gall. (gallo-rom.) *cantos, teils ein gemeinslavisches Wort für ‘Winkel, Ecke (einer Bauernstube) usw.’, z. B. russ. kut, alles aus idg. *qan-tho- mit weiterer Beziehung zu idg. qam- in καμάρα, κάμπτω, Die Gleichung ist nicht ohne Bedenken, erstens weil gr. -θ- dabei unerklärt bleibt (vgl. zu πόντος; anders z. B. Specht Ursprung 254), zweitens weil die slavischen Wörter dem Verdacht unterliegen, aus dem Westen geholt zu sein (vgl. unten). Aus dem Keltischen stammt jedenfalls lat. cantus ‘eiserner Radreifen, Radfelge’, woraus einerseits κανθός in derselben Bedeutung (Edict. Diocl., EM, Sch.), andrerseits die romanischen Wörter für ‘Kreis, Rand, Ecke usw.’ (z. B. frz. chant, ital. canto, cantone) mit weiteren Ausläufern im Germanischen, z. B. mnd. kant(e), nhd. Kante. — Sehr weit ausgreifend will Belardi Rend. Acc. Lincei 8 : 9, 610ff. (s. auch Doxa 3, 209) die Wörter auf κανθ- einschließlich κόνδυλος, γάδος u. a. m. auf einen gemeinsamen indomediterranen Ausdruck für ‘Rundes, Halbrundes usw.’ zurückführen; das daselbst herangezogene sehr reiche Material bedarf jedenfalls einer gründlichen Sichtung. — Über κανθός = ‘Augenwinkel, Auge’ im Mittel- und Neugriechischen Kahane Byzantion 16, 339ff. Reiche Lit. bei WP. 1, 351f. (auch Pok. 526f.), W.-Hofmann s. cantus, Vasmer Russ. et. Wb. s. kut, Be1ardi a. a. O.; außerdem noch Mayrhofer s. kandharaḥ. Ältere Lit. bei Bq. I-777-778
κανθύλη auch κονθηλαί· αἱ ἀνοιδήσεις H. f. ‘Geschwulst’, nur in κανθύλας· τὰς ἀνοιδήσεις. Αἰσχύλος Σαλαμινίαις (Fr. 220) H. (an alphabet. unrichtiger Stelle); — Wegen der schwankenden Überlieferung etymologisch kaum verwertbar. Der Vergleich mit einem germanischen Wort für ‘(eiterndes) Geschwür, Eiter’, z. B. ahd. gund, got. gunds ‘γάγγραινα’ (Holthausen KZ 28, 282), setzt voraus, entweder daß κονθ- ursprünglich ist oder daß κανθ- sekundär für *καθ- eingetreten ist; zur letzteren, sehr entfernten Möglichkeit Schwyzer 343 Zus. 1. Strömbergs Vorschlag, Wortstudien 94, κανθύλη aus dem Namen des Esels, κάνθων, κανθήλιος, herzuleiten, ist semantisch nicht genügend unterbaut. I-778-779
κάννα oder κάννη f., oft im Plur., ‘Rohr, Arundo donax, Rohrgeflecht, -matte’ (Kom., Inschr., Plb.). Ableitungen: 1. κάνης, -ητος m. ‘Rohrmatte’ (Solon. Gesetz bei Plu. Sol. 21, Krates Kom., D. H.; nach τάπης) mit καννητο-ποιός (Hippon. 116). 2. κάννηκες· πλέγματα ταρσῶν H. — 3. κανοῦν, ion. κάνεον, ep. auch -ειον n. ‘Rohrkorb, Korb, Schüssel’ (seit Il.; substantiviertes Stoffadj.); als Vorderglied in κανη-φόρος f. ‘Korbträgerin’ (Ar., Inschr., Pap.; zum Komp.-vokal Schwyzer 438f.) mit κανηφορ-έω, -ία, -ικός. Davon die Deminutiva κανίσκος, -ίσκιον (Ar., Inschr. u. a.), κανίδιον (Pap.); außerdem κάναστρον (Hom. Epigr., Nikophon, Attika, Kreta; vgl. zu ζύγαστρον), auch -αυστρον (wie θερμα(ύ)στρα; s. zu θερμός), -ιστρον, -υστρον (Inschr., Pap., Poll.; Kretschmer Glotta 11, 283) = lat. canistrum; davon καναστραῖα· κοῖλά τινα ἀγγεῖα Suid.; κάνασθον (Naukratis). — Zu κάν(ν)αβος, κάν(ν)αθρον, κανών s. bes. — Aus babyl.-assyr. qanū ‘Rohr’, das auf sumer.-akkad. gin ‘ds.’ zurückgeführt wird. Aus κάννα lat. canna ‘Rohr usw.’; s. W.-Hofmann s. v., wo auch Lit. I-779
κάνναβις, -ιος, -εως f. ‘Hanf, Cannabis sativa’ (Hdt., S., Dsk., Gal. u. a.). Davon καννάβιον ‘ds.’ (Ps.-Dsk., Gp.), κανναβίς, -ίδος f. ‘hanfenes Kleid’, pl. ‘Hanfsamen, die gebrannt und beim Dampfbad benutzt wurden’ (Hdt., Ephipp. Kom. u. a.); davon κανναβισθῆναι· πρὸς τὴν κάνναβιν ἐξιδρῶσαι καὶ πυριασθῆναι H.; κανναβίσκα n. pl. ‘Hanfschuhe’ (Herod. 7, 58); καννάβινος ‘aus Hanf, hanfähnlich’ (AP u. a.); κανναβάριος Mitglied eines Berufsvereins = stupparius (Ephesos, Gloss.; Wahrmann Glotta 22, 42f.). — Auch κάνναβος (Poll. 10, 176). — LW aus einer nicht näher bekannten östlichen Quelle, vielleicht skythisch oder thrakisch (Hdt. 4, 74f.); vgl. indessen auch sumer. kunibu ‘Hanf’. Aus κάνναβις lat. cannabis; zu den Germanen (ags. hoenep, ahd. hanaf usw.) ist das Wort, unbekannt woher, vor der Lautverschiebung gekommen. Weitere Einzelheiten m. Lit. bei Vasmer s. konopljá (1, 615); s. auch W.-Hofmann s. cannabis, Pisani Sprache 1, 138. I-779
κάνναθρον, κάναθρον n. ‘geflochtener Wagen(korb)’ (X. Ages. 8, 7, Plut. Ages. 19, H., Eust.). — Wohl von κάννα ‘Rohr’ mit θρο-Suffix (vgl. Chantraine Formation 373f.), wenn nicht mit Lidén Streitberg-Festgabe 227ff. Kompositum aus κάννα und einem Wort für ‘Wagen(korb)’, das in ἄθρας· ἅρμα. ‘Ρόδιοι H. erhalten ist; s. d. I-779
κανών, -όνος m. ‘gerade Stange, Kettenstab, Stab od. Griff zum Festhalten des Schildes, Richtscheit, -schnur, Regel, Vorschrift, Modell usw.’ (seit Il.). Mehrere Ableitungen, fast alle der technischen Sprache angehörig: Deminutivum κανόνιον (Ph. Bel., Hero u. a.); κανονίς ‘Lineal, Rahmen usw.’ (Arist., Ph. Bel., Inschr.); κανονίης m. ‘stangähnlicher, gerade gewachsener Mann’ (Hp. Aër. 24); κανονικός ‘zum κανών gehörig, auf den κανών bezüglich’ (hell. u. spät); κανονωτός ‘mit κανόνες versehen’ (Pap. u. a.). Denominatives Verb κανονίζω ‘messen, abmessen, bestimmen’ (Arist. usw.) mit κανονισμοί pl. (Man.), κανόνισμα (AP), κανονιστικός (Choerob.). — Wohl zu κάννα als *‘Rohrstab’; zur Bildung Chantraine Formation 160ff. Die semitische Etymologie bei Lewy Fremdw. 133 (zu hebr. qānoeh ‘Meßrohr, Waage’) ist nicht vorzuziehen. — Zur Bedeutungsgeschichte von κανών s. H. Oppel Κανών. 1937 (Philol. Suppl. 30 : 4); dazu v. Fritz AmJPhil. 60, 112ff.; L. Wenger Canon in den römischen Rechtsquellen und in den Papyri. 1942 (WienAkSb. 220 : 2); dazu Dölger ByzZ 42, 282ff.; außerdem Hatzidakis ’Αθ. 38, 3ff. (Bed.-entwicklung im Neugr.), Jüthner WienStud. 53, 68ff. (als Sportterminus). I-780
καπάνα f. thessalisches Wort für ‘Wagen’ = ἀπήνη (Xenarch. 11, H.), -η ‘Querstück des Wagenkastens (?)’ (Poll. 1, 142), καπᾶναι (καπαλαί cod.)· φάτναι H. Davon καπάναξ ‘Seitenstück des Wagenkastens’ (Poll. ibid.; vgl. δίφραξ von δίφρος); καπανικώτερα (Komp.) Beiwort von Θετταλικά (δεῖπνα) bei Ar. Fr. 492, nach Ath. 9, 418d = ἁμαξιαῖα ‘einen Wagen füllend’, nach H. als Alternative = χορταστικώτερα, ἀπὸ τῆς φάτνης. — Unklar καπάνη· τριχίνη κυνῆ, καπάνια· ἁρπεδόνες, καπαλίζει· ζευγηλατεῖ H. — Hierher noch Καπανεύς EN? (Boßhardt Die Nom. auf -ευς 121). — Wohl eig. ‘Kasten’, Bildung auf -ᾱνᾱ (Chantraine Formation 206; vgl. bes. ἀπήνη) von κάπη, κάπτω, s. d. An καπάνα erinnert gallorom. capanna (Alessio Studi Etr. 19, 175 A. 34; vgl. Kuiper Μνήμης χάριν 1, 213 A. 9). I-780
καπέτις, -ιος persisches Maß = 1/48 einer ἀρτάβη (Polyaen. 4, 3, 32), = χοῖνιξ (H.). Daneben καπίθη f. pers. Maß = 2 χoίνικες (X. An. 1, 5, 6) = 2 att. κοτύλαι (H.). f. — Persische Fremdwörter, mit der Sippe von κάπτω urverwandt, aber näherer Ursprung unbekannt. Zu dem lautlich und begrifflich nahestehenden aind. kapaṭī f. ‘zwei Handvoll’ vgl. Mayrhofer Wb. s. v. I-780
κάπετος f. ‘Graben’ s. σκάπετος. I-780
κάπη f. ‘Krippe’ s. κάπτω. I-780
κάπηλος ‘Kleinhändler, Krämer, Weinschenk’ (ion. att.; zur Bedeutung vgl. zu ἔμπορος); sekundär Adj. = καπηλικός (A., Kom. Adesp., D. H.). m. Ableitungen: Fem. καπηλίς ‘Krämerin, Schenkwirtin’ (Kom., Pap.), καπήλισσα (Sch.); καπηλεῖον ‘Kramladen, Schankstube’ (att., hell. u. spät); καπηλικός ‘zum κάπηλος gehörig’ (Pl., Arist. usw.; Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 120); καπηλεύω ‘Kleinhändler sein, Kleinhandel treiben, mit etw. Schacher treiben, verfälschen’ (ion. att.) mit καπηλεία ‘Kleinhandel’ (Pl., Arist.) und καπηλευτικός = καπηλικός (Ph Lg. 842d). — Der formal naheliegenden Anknüpfung an κάπη, wobei für dieses Wort eine Bedeutung wie ‘Kasten’ od. ähnl. anzusetzen wäre ("der aus dem Kasten verkauft" im Gegensatz zum Großhändler; anders Prellwitz und H.), steht die aus sachlichen Gründen ebenfalls naheliegende Annahme eines fremden Ursprungs entgegen, wobei auch Zusammenhang mit lat. caupō ‘Schenkwirt’ zu erwägen ist, s. W.-Hofmann s. v. m. Lit. I-781
καπνός m. ‘Rauch, Dampf, Dunst’ (seit Il.). Kompp., z. B. καπνο-δόκη ‘Rauchfang’ (ion. att.), δύσ-καπνος ‘einen unangenehmen Rauch besitzend od. verursachend’ (A., Thphr. u. a.). Zahlreiche Ableitungen. Substantiva. 1. κάπνη (Kom.), Kurzform von καπνοδόκη nach den Nomina auf -νη; auch = καπνιαῖος λίθος (PHolm.; s. unten); 2. καπνία für κάπνη (Moer. 292, Gloss.; vgl. Scheller Oxytonierung 56), myk. ka-pi-ni-ja??; 3. καπνίας m. Ben. a) eines Weins, der durch Räucherung einen besonderen Geschmack erhalten hat (Kom.), b) einer Art Jaspis, = καπνίτης, nach der Farbe (Dsk., Plin.), c) des Dichters Ekphantides (Ar. V. 151; ‘διὰ τὸ μηδὲν λαμπρὸν γράφειν’ H.). 4. καπνίτης m. N. eines Steins, nach der Farbe (Alex. Trall. u. a.; Redard Les noms grecs en -της 55), καπνῖτις f. Pflanzenname, ‘Erdrauch, Fumaria officinalis’, nach den rauchfarbigen Blättern (Ps.-Dsk.), auch κάπνιος und καπνός genannt (Strömberg Pflanzennamen 27, Redard 72). — Adjektiva. 5. κάπνε(ι)ος (sc. ἄμπελος) f. ‘Weinrebe mit rauchfarbigen Trauben’ (Arist., Thphr., Pap.); 6. καπνώδης ‘rauchig, rauchfarben’ (Arist., Thphr., Plb.); 7. καπνηλός ‘rauchartig’ (Nik. Th. 54); 8. καπνιαῖος λίθος ‘rauchfarbener Quarz’ (PHolm.). — Denominative Verba. 1. καπνίζω, Aor. καπνίσ(σ)αι, auch mit Präfix, ἀπο-, περι-, ὑπο-, ‘Rauch machen, beräuchern, rauchfarben sein’ (seit Il.) mit κάπνισις ‘Beräucherung’ (Arist.), κάπνισμα ‘Weihrauch’ (AP), καπνιστήριον ‘Dampfbad?’ (Priene); 2. καπνόομαι ‘in Rauch aufgehen’ (Pi., E.); 3. καπνιάω ‘einen Bienenschwarm ausräuchern’ (A. R. 2, 131), nach θυμιάω; 4. καπνείω ‘in Rauch aufgehen lassen, verbrennen’ (Nik. Th. 36). — Neben καπνός steht ein Aorist ἀπὸ (δὲ ψυχὴν) ἐκάπυσσεν ‘hauchte aus’ (Χ 467; κάπυσσεν Q. S. 6, 523), wozu das Präsens καπύσσων· ἐκπνέων H.; das als Grundlage zu vermutende Nomen kann in κάπυς· πνεῦμα H. (auch κάπος· ψυχή, πνεῦμα) erhalten sein. Ganz unsicher ist das an falscher Stelle überlieferte καπυκτά· πνέοντα H.; Zusammenhang mit καπύσσων ist indessen nicht ausgeschlossen, vgl. zu ἀλύσσω s. ἀλύω. Derselbe mit dem ν-Suffix in καπνός alternierende υ-Stamm erscheint noch in καπυρός ‘trocken usw.’, s. bes.; unsicher dagegen κέκηφε· τέθνηκε H., κεκαφηότα (Hom.), s. d. — Ein ursprüngliches *κϝαπ-νός (zum Lautlichen Schwyzer 302; vgl. auch unten) stimmt hinsichtlich des Stammes zu lit. kvãpas ‘Hauch, Atem. Duft, Geruch’; daneben mit ē-Vokal kvėpiù, kvė̃pti ‘keuchen, atmen, einhauchen’, lett. kvêpstu, kvêpt ‘qualmen, rauchen, duften’; καπνός u. Verw. gehen somit auf idg. qu̯ep- zurück. Eine alte kaum zu entscheidende Streitfrage ist die Verwandtschaft von lat. vapor ‘Dampf, Dunst’ mit v- für erwartetes qu-. Umgekehrt begegnet in russ. kópotь ‘feiner Ruß, Staub’ u. Verw. eine u̯-lose Form, die sich vom Slavischen aus nicht erklären läßt und auch zu καπνός in Beziehung stehen könnte. Endlich weist das Germ., z. B. got. af-ƕapjan ‘ersticken, auslöschen’, af-ƕapnan ‘erlöschen’ ein wurzelauslautendes p für f (b) auf. Man hat somit in den verschiedenen Sprachen mit zahlreichen, nicht unerwarteten Entgleisungen zu rechnen. — Weitere Formen, teilweise von zweifelhafter Zugehörigkeit, mit reicher Lit. bei WP. 1, 379f., Pok. 596f.; dazu W.-Hofmann s. vapor, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kvė̃pti, Vasmer Russ. et. Wb. s. kópotь. Ältere Lit. auch bei Bq. I-781-782
κάππα n. indekl. (Kallias ap. Ath. 10, 453d). — Aus dem Semitischen, vgl. hebr. kaph; dazu Schwyzer 140. I-782
κάππαρις, -εως, -ιος f. ‘Kaper, Capparis spinosa’ (Hp., mittl. Kom., Arist., Pap. usw.); Deminutivum καπ(π)άριον (Pap. u. a.). — Davon κάππαρος m. Fischname (PCair. Zen. 83, IIIa); nach der Bereitung, s. Strömberg Fischnamen 88. — Herkunft unbekannt. I-782
Καππώτας- -α m. Ζεὺς Κ., dorischer Name eines großen unbehauenen Steins in Gytheion (Paus. 3, 22, 1). — Wohl für *Καταπώτας "der Heruntergefallene", von *κατα-πωτάομαι (κατα-πίπτειν), eig. Ben. eines Meteorsteins; Pisani Acme 1, 86. Etw. abweichend Belardi Doxa 3, 209 : wie Ζεὺς Καβάτας (lakon.) = Καταιβάτης eig. Bein. des Blitzgottes. I-782
κάπρος m. ‘Eber, Wildschwein’, auch appositiv zu σῦς (seit Il.), als Fischname = ‘Capros aper’ (Arist. u. a.; nach der Lautgebung, Thompson Fishes s. v., Strömberg Fischnamen 101). Ableitungen: Deminutiva καπρίδιον, -ίσκος (Kom.); f. κάπραινα von einer unzüchtigen Frau (Kom.); καπρία f. ‘das Ovarium, der Brunstsaft der Sau’ (Arist.; Näheres bei Scheller Oxytonierung 43); καπρών ‘Schweinekoben’ (Delos IIIa); (σῦς) κάπριος = (σῦς) κάπρος (Il., A. R.); κάπριος ‘von der Gestalt eines Ebers’ (Hdt. 3, 59), κάπρειος ‘zum Eber gehörig’ (Nonn.). Denominative Verba: καπράω ‘nach dem Eber gehen’, vom brünstigen Schwein (Arist.), auch καπριάω (Arist. v. l., Ar. Byz.), zur Bildung Schwyzer 731f.; καπρίζω ‘ds.’ (Arist.); καπρῴζομαι ‘brünstig sein’, vom Eber (Skiras Kom.). — Stimmt lautlich zu dem italo-germanischen Wort für ‘Ziegenbock, Bock’, lat. caper, umbr. cabru ‘caprum’, germ., z. B. ano. hafr. Eine unsichere Spur desselben Wortes im Keltischen ist in gallo-rom. *cabrostos ‘Geißblatt, Liguster’ vermutet worden. Das im Griechischen neugeschaffene τράγος ("der Nager") hat die alte Benennung des Bocks, idg. *kápros für andere Zwecke freigestellt; das Wort wurde wahrscheinlich zuerst appositiv zu σῦς (vgl. oben) verwendet. Das anklingende lat. (ital.) aper ‘Eber’ hat den Vokal von caper angenommen, ist aber sonst damit nicht verwandt. Auch die keltische Bezeichnung des Bocks, z. B. air. gabor, scheint von einem anderen Wort (idg. *ghaidos in Geiß usw.?) beeinflußt worden zu sein. — In den östlichen Sprachen ist dieses Wort bis auf das ganz fragliche aind. kápr̥th- ‘membrum virile’ nicht nachzuweisen. — Reiche Lit. mit weiteren Einzelheiten bei WP. 1, 347f., Pok. 529, W.-Hofmann s. caper (und aper). Sehr kühne Kombinationen bei Wagner KZ 75, 72ff. I-782-783
κάπτω, Fut. κάψω, Perf. -κέκαφα, -κέκαπται, auch mit ἀνα-, ἐγ-, ὑπο-, ‘schnappen, schlucken’ (Hdt., Herod., Kom., Arist. u. a.). Davon (ἀνά-)κάψις ‘das Schlucken’ (Arist.); κάμματα pl. ‘Mundbissen, Opferkuchen’ mit καμματίδες pl. ‘Lorbeerblätter, die zum Schlucken der κάμματα benutzt wurden’ (Nikokl. 2); ἔγκαφος ‘Mundbissen’ (Eup. 330). — Daneben κάπη f. ‘Krippe’ (Θ 434, δ 40, S. Ichn. 8, Lyk. 95), κάπηθεν (Suid.). — Das Präsens κάπτω, von dem alle übrigen Formen ausgehen, kann mit lat. capiō ‘nehmen’ und germ., z. B. got. hafjan ‘heben’ formal identisch sein; es stimmt aber in Gebrauch und Bedeutung weit besser zu dem volkstümlichen ndd. (= nhd.) happen ‘verschlingen’, ndl. happen ‘schnappen’ (mit expressiver Gemination). Die genannten Wörter gehören mit zahllosen anderen zu einer weitverbreiteten Sippe der Bedeutung ‘greifen, fassen usw.’ idg. kap- (nebst mehreren lautlichen Varianten), die ursprünglich lautmalender Natur war (vgl. Oehl Fangen — Finger — Fünf [Collectanea Friburgensia N. F. 22] 83ff.); griech. κάπτω hat einen ausgeprägt volkstümlich-expressiven Charakter. Das für sich stehende κάπη ‘Krippe’ ist wohl eher eine alte freistehende Bildung als eine direkte Ableitung von κάπτω; vgl. καπάνα und κώπη. — Reiches Material m. Lit. bei WP. 1, 342ff., Pok. 527f., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. capiō, Bq s. κάπτω usw. I-783-784
καπυρός ‘trocken, spröde, knisternd, hell von der Stimme’ (Hp., Epich., Antiph., Arist., Theok. usw.). Davon καπύρια, -ίδια pl. Art Kuchen (Pap. u. a.); καπυρόομαι ‘trocken, gesengt werden, knistern’ (Str., Orib.), καπυρίζω ‘lärmen, zechen’ mit καπυριστής ‘Zecher’ (Str.). — Zunächst vom υ-Stamm in *καπύω (κάπυς), somit eig. ‘Rauch von sich gebend, verbrannt’; zur Bedeutung Legrand REGr. 20, 10ff., Bugiatzides ’Αθ. 26, 109ff. Unbegründeter Zweifel bei WP. 1, 379, wo eine Grundform *κατα-πυρός (zu πυρόω) empfohlen wird. S. καπνός. I-784
καπύσσαι (*καπύω), καπύσσων s. καπνός. I-784
κάρ indekl. ‘Kopf’, nur in ἐπὶ κάρ ‘auf den Kopf, kopfüber’ (Π 392) und ἀνὰ κάρ ‘aufwärts’ (Hp. ap. Gal. 19, 79). n. — S. κάρᾱ. I-784
κάρᾱ (Trag., auch Kratin., Eup., Sannyr.), κάρη (ep.) n. ‘Kopf’. Als Vorderglied in καρᾱ-τομέω ‘enthaupten’ (E., J. u. a.) mit καράτομος ‘enthauptet’ (S., E.), scheinbares Grundwort καρατόμος ‘enthauptend’ (Lyk.), vgl. zu δειροτομέω s. δέρη; καρηβαρέω (-άω) ‘sich im Kopfe schwer fühlen, schläfrig sein, Kopfschmerzen haben’ mit καρηβαρία, -ίη usw. (Hp., Arist. usw.); daraus lat. caribaria > frz. charivari, W.-Hofmann 1, 854; zu καραδοκέω s. bes. Vgl. noch κράσπεδον, κρησφύγετον, κρήδεμνον. — Weitere Formen: A. Junge Analogiebildungen zu κάρᾱ, κάρη: Dat. τῷ κάρᾳ (A., S.), κάρῃ (Thgn.); κάρης, -ην (Kall., Nik. u. a.), κάρᾱν (Anakreont.). B. Ältere zweisilbige Formen: ep. καρή-ατος, -ατι, pl. -ατα; auch κάρη-τος, -τι; zu καρήατα neuer Nom. sg. κάρηαρ (Antim.). C. Einsilbige Formen: κρά̄-ατος, -ατι, pl. -ατα; gewöhnlicher (auch Trag.) κρᾱτός, -τί, pl. κρᾶ-τα (Pi. Fr. 8); weitere vereinzelte Formen: κράτεσφι (Κ 156; wohl sg.), κρά̄των (χ 309), κρᾱσίν (Κ 152), κρᾶτας (E.); κρᾶτα als Akk. sg. (θ 92, Trag.), als Nom. sg. (S. Ph. 1457); dazu Nom. sg. κράς (Simm. 4). D. κάρᾰ (antevok.) als Nom. pl. (h. Cer. 12), κάρᾱ pl.? (Sannyr. 3), myk. ka-ra-a-pi Instr. pl.?? Zu κάρηνα s. bes.; vgl. auch unten. — Aus den obliquen Formen des altind. Wortes für ‘Kopf’, z. B. Gen. sg. śīrṣṇ-ás mit dem adverbiellen Ablativ śīrṣa-tás (a aus n̥), die eine mit n erweiterte einsilbige Schwundstufe vom zweisilbigen Nom.-Akk. śíras- (aw. sarah-) repräsentieren, ergibt sich für κρά̄ατος ein ursprüngliches *κρά̄σα-τος (wegen des ᾱ äolisch); durch Kontraktion entstand κρᾱτός (nach Zenodot κρητός). Die antevokalische Form κρᾱσν- wird von κρᾱνίον (s. d.) vertreten. Die Erklärung der griech. zweisilbigen Formen hat vom Plur. κάρηνα aus *καρασν-α auszugehen, wozu die Singularformen καρήατος, -ατι aus *καρασα-τος, -τι (mit metr. Dehnung und η für ᾱ nach κάρηνα), falls nicht zu κάρη neugebildet, das auf ein analogisches *κάρασ-α (wie ὄνομα) zurückgehen kann; zu κάρη wurden jedenfalls κάρη-τος, -τι neugeschaffen. — Neben diesem alten σ-Stamm stehen vereinzelte σ-lose Formen: ἐπὶ κάρ ‘auf den Kopf’, ἔγ-καρ-ος, ἴγκρος· ἐγκέφαλος und κατὰ (ἀπὸ) κρῆ-θεν ‘vom Haupte herab’ (Hom., Hes.), κρή-δεμνον ‘Kopfbinde’. Ihre Erklärung ist strittig: κατὰ κρῆθεν (wonach ἀπὸ κρῆθεν) kann für κατ’ ἄκρηθεν stehen (s. bes. Leumann Hom. Wörter 56ff.); ἔγκαρος läßt sich am einfachsten als gelehrte Neubildung zu κάρη nach κεφαλή : ἐγκέφαλος verstehen; zu κρήδεμνον vgl. s. v. Die Ansetzung eines σ-losen Nomens κάρ kann sich vor allem auf arm. sar ‘Höhe, Gipfel, Abhang’ (idg. *ḱr̥r-o-) stützen; ein älteres *καρς (Ehrlich KZ 39, 556ff.) ist ganz unwahrscheinlich. — Lit. bei Schwyzer 583 (wo anders über κάρη [nach J. Schmidt Pluralbild. 117]: zu κάρ wie κριθή zu κρῖ u. a.; eine schon wegen des Genus anfechtbare Parallele); dazu noch WP. 1, 403ff., Pok. 574f., Chantraine Gramm. hom. 1, 230f., 242, Leumann Hom. Wörter 159, Egli Heteroklisie 31f., 87ff. Zu κάρᾱ — κεφαλή van Hook Hesperia Suppl. 8, 413f. — Vgl. noch 1. καρόω, καρώ, καρωτόν; κέρας, κράνος, κριός. I-784-785
κά̄ραβος m. 1. ‘stacheliger Meerkrebs’ (Epich., Ar., Arist. usw.; vgl. Thompson Fishes s. v.), übertragen von einem leichten Kahn (EM); 2. Käferart (Arist.). Davon καραβίς Art Meerkrebs (Gal., Sch.), καράβιον = ἐφόλκιον (H. s. ἐφόλκια, Sch.); wohl auch καραβαία· δίκρουν ξύλον H. (s. Grošelj Razprave 2, 11). — Daneben κηραφίς = καραβίς (Nik. Al. 394), wohl sekundäre Umbildung nach den Tiernamen auf -φ(ο)- und epische Sprache nachahmendes η für ᾱ. — Mittelmeerwort unbekannten Ursprungs; vgl. Cohen BSL 27, 100, wo mehrere anklingende arabische und andere Wörter herangezogen werden. Nach Bq s. v. wäre -βος außergriech. (makedonisch) für griech. -φος aus idg. -bho-. — Aus κάραβος stammen lat. cārabus ‘Meerkrebs’, ‘kleiner Kahn’ (wozu rom., z. B. frz. caravelle) und ein slavisches Wort für ‘Schiff’, z. B. russ. koráblь; s. Vasmer Russ. et. Wb. s. v. mit Lit. und Kritik abweichender Ansichten. I-785
κάραγος · ὁ τραχὺς ψόφος, οἷον πριών H. — Zu κέκρᾱγα wie τάραχος (-χή) zu τέτρηχα. S. κράζω und Bq s. v. I-785
καρᾱδοκέω, auch mit ἀπο-, δια- ‘den Ausgang von etwas (μάχη, πόλεμος usw.) abwarten, auf etwas warten, sorgfältig aufpassen’ (Hdt. [Attizismus?; vgl. Wackernagel Unt. 3 A. 1 m. Lit.], E., Ar., X., Plb. usw.); davon (ἀπο-)καραδοκία ‘eifrige Erwartung’ (Aq., Ep. Rom., Ep. Phil.). — Nach gewöhnlicher Annahme eig. ‘mit vorgestrecktem Kopfe nach etw. sehen’, was weder sachlich noch formal ganz befriedigt; nach δωρο-, ξενο-δοκέω u. a. (ὁδοι-δοκέω nach ὁδοι-πορέω) zu schließen, wäre für καρᾱ- eher Objektsfunktion zu erwarten. Zum Gebrauch usw. von καραδοκέω vgl. Aly Glotta 15, 104f. I-786
καράκαλλον (AP, Edict. Diocl.), καρακάλλιον (Pap. V-VIp) n. ‘Kapuze’. — Aus lat. caracalla; wohl urspr. gallisch, s. W.-Hofmann s. v. I-786
κάραννος, κάρανος usw. s. κάρηνα. I-786
καρβάν, Akk. -ᾶνα (A. Supp. 129 [lyr.], H.), κάρβᾱνος (A., Lyk.) ‘ausländisch, fremd’; davon καρβάζειν, καρβαΐζειν, καρβανίζειν = βαρβαρίζειν H. — Erklärung strittig. Nach Kretschmer Glotta 31, 250 (m. weiterer Lit.) von dem Ort Qarbana (= Herakleion) in Ägypten, von dem aus vermutlich die von den Ägyptern kriegsgefangenen Danaer nach dem Peloponnes flüchteten. Ganz anders Hommel Philol. 98, 132ff.: καρβάν = hebr. neutest. κορβάν, eig. ‘Opfergabe’, das als angeblicher Spitzname auf phönikische Kaufleute bezogen wäre; die dafür gegebene semantische Begründung ist kaum überzeugend. I-786
καρβάτινος ‘aus Häuten’ (Ph. Bel.), καρβάτιναι f. pl. ‘Schuhe aus unbereitetem Leder’ (X., Arist., Luk.); H. auch καρπάτινον· ἀγρο<ι>κικὸν ὑπόδημα μονόδερμον. — Bildung wie δερμάτινος u. a.; man vergleicht einige unter sich recht verschiedenartige Wörter für ‘Schuh usw.’ im Baltisch-Slavischen, Germanischen und Keltischen, z. B. lit. kùrpė ‘Schuh’, čech. krpě ‘ds.’, aisl. hriflingr, ags. hrifeling ‘Art Schuh’, air. cairem ‘Schuhmacher’, alles von WP. 1, 425 (m. Lit.), Pok. 581 auf idg. qerəp- ‘Zeug- oder Lederlappen; bes. Schuh’ zurückgeführt; außerdem lat. carpisc(u)lum ‘Art Schuhwerk’ (IVp), das schon wegen seiner späten Bezeugung als Fremdwort zu betrachten ist. Auch im übrigen haben wir es wahrscheinlich in gewisser Ausdehnung mit technischen Wanderwörtern zu tun. Lit. auch bei W.-Hofmann s. carpisc(u)lum, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kùrpė, Vasmer Russ. et. Wb. s. korpátь. — Aus καρβάτινος lat. carpatinus ‘rohledern’. — Vgl. κρηπίς. I-786
κάρδαμον n. Art Kresse, ‘Lepidium sativum’ (X., Ar., Pap. usw.). Als Vorderglied in καρδάμωμον, haplologisch für καρδαμ-άμωμον n. ‘Kardamom’ (Thphr., Dsk.; zur Bildung Schwyzer 263). Ableitungen: καρδαμίς = κάρδαμον (Nik., Plu.; nach κεδρίς u. a., Chantraine Formation 343); καρδαμίνη ‘ds.’, auch = σισύμβριον u. a. (Dsk. u. a.; Chantraine 204); καρδαμάλη ‘persischer Kuchen aus κάρδαμον’ (Trypho ap. Ath.; wie ἀμυγδάλη u. a.); καρδαμίζω "Kresse reden", d. h. ‘Unsinn reden’ (Nik. Th. 617). — Nebenform καρδάνη ‘ds.’ (Gloss.; nach βοτάνη). — Da unter den Pflanzennamen auf -αμον (Schwyzer 494, Chantraine 133) mehrere offenbare Fremdwörter sind, liegt es nahe, auch κάρδαμον als fremd zu betrachten. Ganz fragliche Vermutung von Strömberg Wortstudien 38: von *κάρδος = κράδος ‘Zweig’ in καρδίδιον, ἀνα-, κατακάρδιον. Nicht besser Grošelj Razprave 2, 41: zu σκόροδον. — Aind. kardamaḥ bezeichnet eine nicht näher bekannte Pflanze, weshalb Beziehung zu κάρδαμον unsicher bleibt; vgl. Mayrhofer Wb. s. v. I-786-787
καρδία, ion. -ίη, ep. fast nur κραδίη ‘Herz’, übertr. ‘Seele, Geist’ (seit Il.), auch ‘der obere Magenmund’ (Hp., Th.), ‘Kernholz’ (Thphr., Pap.; Strömberg Theophrastea 125ff.). Als Vorderglied z. B. καρδι-αλγέω ‘Sodbrennen haben’ mit -ής, -ία, -ικός (Hp.); sehr oft als Hinterglied, z. B. θρασυ-κάρδιος ‘dreisten Herzens’ (Il. usw.). Vereinzelte Ableitungen: κάρδιον n. ‘herzgeformter Schmuck’ (Delos IIIa), καρδικός ‘zum Herzen gehörig’ (Pap.), καρδιᾶτις f. pythagoreische Benennung der Fünfzahl (Theol. Ar.); καρδιώσσω, att. -ώττω = καρδιαλγέω (Epich., Hp., Ar., Arist. usw.) mit καρδιωγμός (Hp. u. a.), auch καρδιάω (καρδιόωντα Nik. Al. 581); καρδιόω ‘erheitern, ermuntern’ (LXX). — Daneben κῆρ (ep.), κέαρ (Pi., B., Trag.) n., Dat. κῆρι, Adv. κηρόθι ‘im Herzen’ mit κηραίνω ‘bange sein’ (E., Max., Ph.). — Zu καρδία vgl. andere Körperteilbenennungen auf -ία wie κοιλία, ἀρτηρία, λαυκανίη. Auszugehen ist von dem einsilbigen Neutrum κῆρ aus *κῆρδ (idg. *ḱērd), das ursprünglich mit Ablaut flektiert wurde; vgl. z. B. lat. cord-is (idg. *ḱr̥d-és; wäre gr. *καρδ-ός, *κραδ-ός). Möglich ist, daß als Vermittler der i-Stamm fungierte, der sich auch anderswo entwickelt hat: lit. šird-ìs, arm. Instr. srt-iw (Nom. sirt < idg. *kērd(-i); vgl. unten), heth. Gen. kard-iaš (Nom. ke-ir [= kēr]); das -i war ursprünglich im Nom. Akk. zuhause: aind. hā́rdi (Gen. hr̥d-ás wie lat. cord-is; zum Anlaut unten); vgl. noch arm. sirt oben. — Das zweisilbige κέαρ wurde von Dichtern als falscher Archaismus zu κῆρι usw. nach Muster von ἔαρ (ἦρ) : ἦρι ‘Frühling’ geschaffen (Brugmann IF 5, 341); auch ἧπαρ kann die Form beeinflußt haben. Zum Akzent von κῆρ Schwyzer 377; dazu noch eine Hypothese von Berger Münch. Stud. z. Sprachwiss. 3, 3. — Auch sonst hat das alte Wort Erweiterungen erfahren: kelt., z. B. air. cride (ḱr̥d-i̯o-), slav., z. B. aksl. srъdь-ce (neben srěda ‘Mitte’ aus urslav. *serd-a), germ., z. B. got. hairt-o, Gen. hairt-ins (n-Stamm wie augo ‘Auge’, auso ‘Ohr’), aind. hŕ̥d-aya-m = aw. zərəd-aē-m. Das aind. (indoiran.?) Wort zeigt ein sekundäres h- (für ś- < idg. ḱ-), wahrscheinlich durch Kreuzung mit einem sinnverwandten Begriff (s. zu χορδή). — Weitere Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 1, 423, Pok. 579, W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. cor, Vasmer Russ. et. Wb. s. sérdce. Zum Griech. noch Schwyzer, u. a. 279, 342, 377, 518; außerdem Scheller Oxytonierung 61, Bolelli (s. zu ἦτορ). Vgl. auch zu κραδαίνω. I-787-788
κάρδοπος f. ‘Backtrog, Mulde’ (Kom., Pl., Hom. Epigr., Nik.; zum fem. Genus vgl. die Fälle bei Schwyzer-Debrunner 34 A. 2; zu dem künstlich rationalisierten καρδόπη [Ar. Nu. 678] ebd. 28 A. 1). Davon das Deminutivum καρδόπιον (Delos IIa); καρδοπεῖον ‘Deckel einer Mulde’ (H.; cod. -ιον), auch ‘Maulkorb’ (Ar. Fr. 301). — Ohne Etymologie. Von Grošelj Živa Ant. 1, 125 aus κραδάω ‘schwingen’ erklärt. I-788
κάρηνα n. pl. (ep. poet. seit Il.), sekund. sg. κάρηνον (h. Hom. u. a.), κάρᾱνον (A. Cho. 396 [lyr.], Mosch. 1, 12) ‘Haupt, Kopf, Bergesgipfel’. Davon lakon. κάρᾱνος ‘Herr’ (X. HG 1, 4, 3), Κόραννος· βασιλεὺς Μακεδονίας (wohl eig. appellativisch), κάραννος· κεκρύφαλος, κρήδεμνον (äol.); καρανώ· τὴν αἶγα. Κρῆτες H.; zur Bildung Solmsen Wortforsch. 150 A. 2. Denominativa: καρανόω ‘(krönen), vollenden’ (A.); *καρανίζω ‘enthaupten’ in καρανιστῆρες ... δίκαι σφαγαί τε (A. Eu. 186), καρανιστὴς μόρος (E. Rh. 817); Einzelheiten bei Fraenkel Nom. ag. 2, 14; 18; 35; 49. — Aus *κάρασ-ν-α; der alternierende r-Stamm liegt in καράρα· κεφαλή H. aus *καρασ-ρ-ᾱ vor (davon Καράρων V. d. Κάρανος); ebenso in dem ablautenden lat. cerebrum ‘Hirn’ (aus *ceres-ro-m oder ceras-ro-m). Weiteres s. κάρᾱ, κρανίον, κραίνω; auch κέρας. I-788
καρθμοί · κινήσεις H. S. σκαίρω. I-788
κᾱρίς, -ίδος (Anan., alte Kom.), -ῖδος (mittl. Kom. u. a.), auch κουρίς, κωρίς (Epich., Sophr.) f. Ben. kleiner Krebstiere; Näheres bei Thompson Fishes s. v. Davon καρίδιον (Arist.), καριδάριον (Anaxandr.); καριδόω (τὸ σῶμα) ‘(den Körper) wie eine καρίς bewegen’ (Anaxandr.). — Nach Ath. 3, 106b ἀπὸ τοῦ κάρα· τὸ πλεῖστον γὰρ μέρος τοῦ σώματος ἡ κεφαλὴ ἀπηνέγκατο, eine offenbare Volksetymologie, die von Ehrlich KZ 39, 556f. weiter ausgeführt worden ist: κᾱρίς aus *καρσ-ίς, κουρίς, κωρίς aus *κορσίς; wenigstens für die letztgenannte Grundform fehlt jede Stütze (vgl. zu κόρση). Eher zu κάραβος als volkstümliche Kurzform; auch in κουρίς, κωρίς müssen volkstümliche Bildungen vorliegen. Vgl. noch Adjarian Mélanges Boisacq 1, 4, der καρίς zusammen mit arm. karič ‘Skorpion’ als ein asiatisches LW betrachtet. I-788-789
καρκαίρω nur Υ 157 κάρκαιρε δὲ γαῖα πόδεσσιν ὀρνυμένων, von den Alten teils als ‘erbebte, zitterte’ (ἐκραδαίνετο, σείετο), teils als ‘erdröhnte’ (ἐψόφει) erklärt (Einzelheiten bei Fraenkel Nom. ag. 1, 132 A. 1 mit unrichtiger Erklärung); dazu noch ἐκάρκαιρον· ψόφον τινὰ ἀπετέλουν H. — Jotpräsens mit intensiver Reduplikation (Schwyzer 647); dem Ursprung nach onomatopoetisch. Das Aind. hat ein athematisches, ebenfalls redupliziertes car-kar-ti ‘rühmend erwähnen’. — Vgl. κήρυξ. I-789
κάρκαροι · τραχεῖς H. — Stimmt zu aind. karkara- ‘hart’ (erst spät belegt, vgl. Mayrhofer Wb. s. v.), vgl. anderseits κάρχαρος (s. d.). S. auch καρκίνος. I-789
κάρκαρον (Sophr. 147), -ος (D. S. 31, 9), -ον oder -ος (Vett. Val. 68, 26) ‘Gefängnis’; κάρκαροι· δεσμοί H., auch κάρκαρα, u. a. mit μάνδραι erklärt (Glosse stark entstellt). — Aus lat. carcer entlehnt, s. W.-Hofmann s. v. I-789
καρκίνος m. (Epich., ion. att.) ‘Krebstier, Krabbe’ (zur Bed. ausführlich Thompson Fishes s. v.), übertr. ‘Krebsgeschwür, Kneifzange, Art Schuh usw.’, auch N. eines Sternbildes (Scherer Gestirnnamen 167f.). — Offenbar mit lat. cancer ‘Krebs’, aind. karkaṭa- ‘Krebs, Krabbe’ zusammenhängend; die morphologischen Einzelheiten bleiben indessen etwas unklar. Wie in lat. cancer aus *car-cro-s scheint auch in καρκίνος eine Dissimilation der r-Laute eingetreten zu sein mit weiterer Hinzufügung eines ινο-Suffixes (vgl. Schwyzer 490); zur Bildung von aind. karkaṭa- Wackernagel-Debrunner 2 : 2, 157 (etymologische Bedenken bei Mayrhofer Wb. s. v.). Aus καρκίνος als LW. aind. karki(n)- ‘der Krebs im Tierkreise’ (dazu karka- ‘Krabbe’ [Lex.] als Rückbildung?). — Zusammenhang mit dem Adjektiv für ‘hart’ (s. κάρκαρος, κράτος) nach den harten Scheren oder dem harten Panzer ist sehr wohl möglich. Vgl. W.-Hofmann s. cancer m. Lit. und weiteren Einzelheiten. Mehrere Ableitungen: Deminutiva καρκίνιον (Arist., Hp.), auch ‘Art Pantoffel’ (Herod.), καρκινάς, -άδος f. (Gal., Ael. u. a.); καρκινίας m. N. eines Edelsteins (Plin.; nach der Farbe; wie καπνίας u. a.; Chantraine Formation 94); καρκινευτής ‘Krabbenfänger’ (Artem. 2, 14; nach ἁλιευτής, ὀρνιθευτής u. a.); καρκινώδης ‘krebsartig’ (Arist., Mediz. u. a.). Denominatives Verb καρκινόω ‘krümmen, verkrampfen’ (Antiph., Thphr.; vgl. Strömberg Theophrastea 65), -όομαι ‘krebsartig werden, vom Krebs leiden’ (Hp.) mit καρκίνωμα ‘Krebs’ (Mediz.), καρκίνωσις ‘Bildung von Krebsgeschwüren’ (Aët.); καρκίνωθρον (codd. -αθρον, -ηθρον) Pflanzenname, ‘Polygonum aviculare’ (Dsk. 4, 4; nach Strömberg Pflanzennamen 147 eig. "Krebsmittel" [?]; wohl eher von den krebsartig um sich greifenden Wurzeln). I-789-790
κάρνη · ζημία, αὐτόκαρνος· αὐτοζήμιος H. — Man vergleicht seit Curtius und Fick zunächst das wie ein Denominativum aussehende lat. carināre ‘höhnen, spotten’ (Enn., Gramm.), ferner, mit Abtrennung eines n-Suffixes, eine Reihe keltischer, germanischer und baltoslavischer Wörter, z. B. air. caire ‘Tadel’, ahd. harawēn ‘verspotten’, lett. karinât ‘zergen, necken, reizen’, russ. kor ‘Beleidigung, Schimpf’; hinzu kommt das im Anlaut mehrdeutige toch. AB kärn- etwa ‘quälen, schlagen’. WP. 1, 353, Pok. 530, W.-Hofmann s. carinō, Fraenkel Lit. et. Wb. s. káirinti, Vasmer Wb. s. kor (überall m. Lit. und weiteren Formen), v. Windekens Lex. étym. 26. — Zu bemerken das anklingende κάραννος, von H. u. a. mit ζημία glossiert, und das von κάρᾱνον abgeleitete *καρανίζειν ‘enthaupten’ in καρανιστήρ, -τής (s. κάρηνον). Kann κάρνη davon getrennt werden? — S. auch κέρτομος. I-790
κάρνος · φθείρ, βόσκημα, πρόβατον H. — Im Sinn von φθείρ wohl zu κόρις usw. (s. auch κάρον und καρός); als ‘βόσκημα, πρόβατον’ zu der großen Sippe von κέρας; s. d. Zu Κάρνειος m. Bein. des Apollon auf dem Peloponnes, der damit verbunden worden ist, s. Nilsson Gr. Rel. 1, 532f. I-790
κάροινον n. Ben. eines süßen Weines (Edict. Diocl.: καροίνου Μεονίου; Hippiatr., Gloss.). — Grimme Glotta 14, 19 vermutet Entlehnung aus semit. (akkad.) khurunnu ‘Sesamwein’ (zunächst vom Hethit.); mehr als zweifelhaft. — Zu bemerken οἶνος καρύϊνος (Gal.; aus Mäonien); auch ἀβόλλης, χιτὼν καρόϊνος (Pap.; für καρύϊνος = ‘nußbraun’?). I-790
κάρον Pflanzenname, ‘Kümmel, Carum carvi’ (Theb. Ostr. 135 [Ip], v. l. Dsk. 3, 57), auch καρώ f. (Dsk. l. c., Orib., unsicher Ath. 9, 371e; volkstümliche Bildung, s. Chantraine Formation 116). n. — Vielleicht von κάρ· φθείρ H. wegen der Ähnlichkeit des Kümmelkornes mit einer Laus (WP. 2, 574). I-790
καρός Gen. nur in τίω δέ μιν ἐν καρὸς αἴσῃ (Ι 378) als Bezeichnung von etwas Wertlosem: — Dazu vielleicht καριμοίρους, von H. allerdings mit zwei Erklärungen versehen: τοὺς ἐν μηδεμιᾷ μοίρᾳ, ἢ μισθοφόρους. — Gewöhnlich als "Abgeschnittenes, Winziges" zu κείρω gezogen, aber vielleicht eher von κάρ ‘Laus’ (H.), was unbedingt anschaulicher und ausdrucksvoller wäre. Nicht mit Schwyzer Glotta 12, 17f. u. A. Gen. von κήρ ‘Todesgottin’ mit altem Ablaut. I-790-791
καρόω 1. auch mit ὑπο-, ‘in Schlaf versenken, betäuben’, -όομαι ‘betäubt, umnebelt werden’ (Hp., Antipho Soph., Arist, usw.). Davon κάρωσις ‘Betäubung, Dämmerzustand’ (Hp. u. a.), καρωτικός ‘betäubend’ (Arist., Gal. u. a.), καρώδης ‘betäubend, betäubt, schlaftrunken’ (Hp. u. a.; zur Bildung vgl. ὑπνώδης und die verbalen Ableitungen auf -ώδης bei Chantraine Formation 431); καρωτίδες (ἀρτηρίαι) pl. (auch sg.) ‘die Hauptschlagadern’ (die Schlagfluß veranlassen, Mediz.); postverbal κάρος n. ‘Betäubung, tiefer Schlaf, schläfriger Zustand’ (Arist., Phld., A. R. usw.), ebenso καρός· κωφός, οἱ δὲ σκοτόδινος H. — Wohl eig. als Denominativum von κάρα, κάρη ‘Kopf’ "einen (schweren) Kopf haben, sich schwer im Kopfe fühlen" wie καρηβαρέω; vgl. καρωθείς· τὴν κεφαλὴν σεισθείς, μεθυσθεὶς ἢ βαρηθείς H., dazu Baunack Philol. 70, 379. Das Verb war somit ursprünglich medial-intransitiv. Gegen Ansetzung eines Nomens *κάρος n. ‘Kopf’ (Ehrlich Sprachgesch. 6) mit Recht WP. 1, 404. I-791
καρόω 2. nur Ptz. Aor. καρούσαντες (IG 9 [2], 1229, 25; Thessal. IIa) ‘schätzend’ und καροῦσθαι· ὠνεῖσθαι, καρούμενος· ὠνησάμενος H. — Etymologisch unerklärt; vgl. Bechtel Dial. 1, 206f. I-791
καρπαία auch κάρπεα· ὄρχησις Μακεδονική). f. Ben. eines mimischen Waffentanzes der Thessalier (X. An. 6, 1, 7, Ath. 1, 15f, H. [cod. καπρία]; — Die Beschreibung des Tanzes bei Ath. l. c. (und bei Max. Tyr. 28, 4 ohne Nennung des Namens) läßt sich weder mit καρπός ‘Frucht’ noch mit καρπός ‘Handwurzel’ ungesucht vereinigen. I-791
καρπάλιμος Beiwort von πόδες ‘schnell, hurtig, eilig’ (Il., h. Merc. 225, Ar. Th. 957 [lyr.], A. R.), von γένυες (Pi. P. 12, 20); Adv. καρπαλίμως (ep. poet. seit Il.). — Zur Bildung Arbenz Die Adj. auf -ιμος 28f. — Nicht sicher erklärt. Von Schrader KZ 30, 473 (mit Grassmann, Curtius u. A.) als "behend" auf καρπός ‘Handwurzel’ bezogen mit weiterem Anschluß an ahd. hwerban ‘drehen’ usw., s. 2. καρπός. Solmsen KZ 30, 602 verzichtet auf die Anknüpfung an καρπός, geht also direkt von der Bedeutung ‘drehen’ aus. Andere, z. B. L. Meyer und Bechtel (s. Lex. s. v.), wollen in κάλπη ‘Trab’ (mit Dissimilation) das Grundwort sehen. I-791
κάρπασος 1. f. (auch κάλπασος [Pap.]) ‘eine Art feiner Flachs’ (D. H. 2, 68, Sch. Ar. Lys. 736), ‘Baumwolle’ (Peripl. M. Rubri 41), -α n. pl. ‘Segel aus Linnen’ (AP 9, 415, 6; nach ἱστία). Komp. ψευδο-κάρπασος m. = κάχρυ (s. d.; Ps.-Dsk.). Davon καρπάσιον ‘spanischer Flachs’ (Pap. IIIp), καρπάσινος ‘aus κ.’ (LXX, Str., D. H.) = lat. carbasinus. — Mit aind. karpā́sa- m. ‘Baumwollstaude’ identisch; weitere Geschichte dunkel. Seit alters wird κάρπασος als ind. LW betrachtet (Lit. bei Bq und W.-Hofmann s. carbasus); nach Porzig ZII 5, 272ff. ist der Ursprung in einer mediterranen oder kleinasiatischen Sprache zu suchen; dagegen Mayrhofer Wb. s. v. Über Versuche, aind. karpā́sa- als vorarisch (austrisch) zu erklären, s. Mayrhofer. Aus κάρπασος, -α (direkt oder indirekt) lat. carbasus, -a, s. W.-Hofmann m. Lit. I-791-792
κάρπασον 2. n. N. eines Gewächses mit giftigem Safte, ‘weißer Helleborus, Veratrum album’ (Med., Orph.); ὀπο-κάρπασον (Dsk.; lat. opocarpathon) = ὀπὸς καρπάσου (= lat. sucus carpathi, Plin.), nach ὀπο-βάλσαμον; ξυλο-κάρπασον (Gal.) nach ξυλο-βάλσαμον (Risch IF 59, 287). — Lat. carpathum mit th für -σ- läßt fremde (mediterrane) Herkunft vermuten. Eine Form mit Dental liegt übrigens auch in dem Namen der nach der Pflanze benannten Insel Κάρπαθος vor (Bogiatzides ’Αθ. 29, 72ff.); hierher noch der ON Καρπασία (Kypros). Die s-Form ist auch ins Latein gekommen (carpasum, carbasa). — An Ableitung von καρπός mit ασο-Suffix (Brugmann Sächs. Ber. 1899, 185) ist selbstverständlich nicht zu denken, aber volksetymologische Umbildung ist nicht ausgeschlossen. I-792
καρπήσιον Ben. einer aromatischen Pflanze aus Kleinasien, ‘Valeriana Dioscoridis’ (Gal., Alex. Trall.); καρπησία = 2. κάρπασον (Paul. Aeg.). n. — Zur Begriffsbestimmung Thiselton-Dyer JournofPhil. 34, 310f.; über den Ausgang -ήσιος Chantraine Formation 41f. Etymologie unbekannt. I-792
καρπός 1. myk. ka-po? m. ‘Frucht, Feldfrucht, Ertrag’ (seit Il.), Zahlreiche Kompp., z. B. καρπο-φόρος, ἄ-καρπος. Ableitungen. Deminutivum καρπίον (Thphr., Pap.); Adjektiva: κάρπιμος ‘fruchtbringend’ (Trag., Kom., hell. usw.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 45 u. 47), καρπώδης ‘reich an Früchten’ (Kaiserzeit). Denominative Verba: 1. καρπόομαι ‘Früchte einernten, ausbeuten’ (ion. att.), -όω ‘Frucht tragen, hervorbringen’ = ‘(Brand)opfer darbringen’ (A., LXX, Inschr.) mit κάρπωμα ‘Frucht, (Brand)opfer’ und κάρπωσις ‘Nutzung, Nießbrauch, (Brand)opfer’, καρπώσιμος (Hermipp. Hist.); vgl. Bechtel Dial. 1, 449 u. 2, 550 m. Lit. 2. καρπίζομαι (-ίζω Paros; hell. Versinschrift) ‘als Frucht pflücken, ernten’ (E., hell. u. spät), -ίζω ‘befruchten’ (E. in lyr.); davon καρπισμός ‘Gewinn usw.’ (Arist., Thphr.). 3. καρπεύω, -εύομαι ‘Früchte einernten’ (Hyp., hell. u. spät) mit καρπεία ‘Nutznießung, Einkommen’, καρπεῖον ‘ds.’, auch = καρπός. — Den nächsten Vergleich bietet lat. carpō ‘abpflücken’; καρπός mithin ‘Abpflückung, das Abgepflückte’; über die unerwartete Oxytonierung vgl. Schwyzer 459. Hierher noch das germ. Wort für ‘Herbst’, z. B. ahd. herbist (idg. *qar-pistos eig. "am besten zum Pflücken geeignet", vom Monat?); auch venet. PN, Carponia, Carpus u. a.?; vgl. Haas Sprache 2, 235 mit unsicheren weiteren Kombinationen. Da α in καρπός (im Gegensatz zu a in carpō und e in herbist) auch vokalisches r̥ repräsentieren kann, kommt auch lit. kerpù ‘mit der Schere schneiden’ in Betracht. — Weitere Kombinationen s. κρώπιον. I-792-793
καρπός 2. m. ‘Handwurzel’ (seit Il.). Als Vorderglied in καρπό-δεσμον, -δεσμος, -δέσμιον ‘Armband’ (Pap., Luk. u. a.), Hypostase ὑπο-κάρπιος ‘unter der Handwurzel befindlich’ (Aristaenet.). Davon καρπωτός ‘bis zur Handwurzel reichend’ (LXX); καρπίζομαι ‘an der Handwurzel gegriffen werden’, u. a. als Zeichen der Freilassung, ἐπὶ ἐλευθερίᾳ, = ‘adseror in libertatem’ (Gloss.), mit καρπιστής ‘Freilasser, emancipator’ (Arr.), καρπισμός, -ιστία ‘vindiciae’ (Gloss.). — Wohl mit Schrader und Solmsen (s. zu καρπάλιμος) zu einem germanischen Verb für ‘drehen usw.’, z. B. got. ƕaírban, ahd. hwerban, hwerfan ‘sich wenden, werben’. Grundform somit *κϝαρπός aus idg. *ku̯r̥p-; zum Lautlichen Schwyzer 302. — Fragliche weitere Anknüpfungen bei WP 1, 472f., Pok. 631. I-793
κάρρον n. (LXX, Pap., Edict. Diocl.), auch -ος (Ed. Diocl.) ‘Art vierrädriger Wagen, Karren’; als Vorderglied in καρρο-πηγός, -ποιός (Gloss.). Davon das Demin. καρρίον (Gloss.) und καρρικὸς γόμος ‘Karrenlast’ (Palmyra IIp). — Zunächst aus lat. carrus (Genus wohl nach ἅρμα; spätlat. auch -um), das aus dem Keltischen stammt. Weiteres bei W.-Hofmann s. carrus. I-793
κάρσιον -ίως Suid. · πλάγιον H., — Aus ἐγ-, ἐπικάρσιος (s. d.) losgelöst. I-793
κάρτα Adv. ‘stark, sehr’ (vorw. ion. u. trag.). — Von *καρτύς = κρατύς (vgl. καρτερός, κάρτιστος), s. κράτος. Zum Ausgang -α Schwyzer 622f. m. reicher Lit. I-793
καρταῖπος n. ‘Großvieh’ (Gortyn), — Neubildung zu m. *καρταί-πως für καρταί-πους (Pi.) = κραταί-πους ‘starkfüßig’ (Hom. Epigr.); Plur. καρταί-ποδα (Gortyn) wie τετρά-ποδα (sg. τετρά-πος Gortyn). Schwyzer 580 A. 6, Sommer Nominalkomp. 29 A. 1, 31f. — Dazu, wohl als Kurzform, κάρτην (für -ταν)· τὴν βοῦν. Κρῆτες H.; s. Bechtel Dial. 2, 787, Fraenkel Glotta 35, 86ff. und Μνήμης χάριν 1, 101. I-793-794
κάρταλλος (selten -αλος) m. ‘unten spitz zulaufender Korb’ (LXX, hell. Pap., Ph., H.); Demin. καρτάλλιον (hell. Pap.). — Technisches oder volkstümliches Wort auf -αλλος (vgl. Chantraine Formation 245ff.), letzten Endes auf ein Verb ‘drehen, flechten’ zurückgehend, aber im einzelnen dunkel. Weiteres s. κύρτος. I-794
καρτός Beiwort der Zwiebel, des Lauches (πράσον, κρόμμυον) ‘geschnitten’, τὸ καρτόν ‘Schnittlauch’ (Dsk., Gal., Gp.); auch von Kleidern, etwa ‘(fein) geschnitten’? (IG 22 1514, 39f.; χλανίς, χλανίσκιον); καρτοί· κεκουρευμένοι H. — Verbaladjektiv von κείρω (s. d.); wegen der Beziehung auf die Zwiebel vgl. nhd. Schnittlauch und Knoblauch, aus ahd. klobo-louh zu ags. clufu ‘Zwiebel’ und ahd. klioban ‘klieben, spalten’; lat. sectīle porrum ‘Schnittlauch’. I-794
κᾰρύ̄κη (-ύκκη) f. N. einer lydischen Brühe aus Blut und Gewürzen (Pherekr., Ath., Plu., Hdn. usw.). Als Vorderglied u. a. im καρυκο-ειδής (Hp.), -ποιέω (Ar.). Ableitungen: καρύκινος ‘κ.-farben’, d. i. ‘dunkelrot’ (X.) und die Denominativa 1. καρυκεύω ‘mit κ. versehen, bereiten, würzen’ (Alex., Men. usw.), auch ‘vermischen, verwirren’ (Erot., H.), mit καρυκεία (Ath. u. a.), καρύκευμα (Poll., Arist.-Komm. u. a.); 2. καρυκάζειν· ταράττειν H. — Unerklärt, wohl lydisch. I-794
κάρυον n. ‘Nuß’ (Epich., Ar., Thphr. usw.). Kompp., z. B. καρυσ-ναύτης ‘der in einer Nuß fährt’ (Lyk.); καρυό-φυλλον ‘getrocknete Blumenknospe des Gewürznelkenbaums, Eugenia caryophyllata’ (Mediz.), volksetymologische Umbildung eines Fremdworts (aind. kaṭuka-phalam?; s. Maidhof Glotta 10, 11 m. Lit.). Mehrere Ableitungen. 1. καρύα f. ‘Nußbaum’, bes. ‘Hasel, Corylus avellana’ (S., LXX, Thphr. usw.; zum Genus Schwyzer-Debrunner 30). 2. Deminutiva: καρύδιον (Philyll. 19) mit καρυδόω ‘kastrieren’, καρύδωσις (Hippiatr.); καρυΐσκος (LXX). 3. Adjektiva: καρύ-ϊνος ‘aus Nüssen, nußbraun usw.’, -ώδης, -ηρός ‘nußähnlich’ (hell.); καρυωτός ‘mit nußähnlichem Buckel bzw. Frucht versehen’ (= ‘Dattelbaum’), καρυῶτις f. ‘Art Dattel’ (hell. u. spät); substantivisch καρυΐτης ‘Art Euphorbia’ (Dsk.; Strömberg Pflanzennamen 53, Redard Les noms grecs en -της 72). 4. Adverb: καρυηδόν ‘in einer nußähnlichen Weise’ (Mediz.). 5. Verb: καρυατίζω ‘mit Nüssen spielen’ (Ph.; nach den Verba auf -ατίζω). — Eine erweiterte Pluralform liegt endlich vor in καρυήματα· κάρυα. Λάκωνες H. (nach τραγήματα u. a.; Schwyzer 523 m. Lit., Chantraine Formation 178, Fraenkel Glotta 32, 26). — Alle zum Vergleich herangezogenen Wörter weichen hinsichtlich der Stammbildung sowohl von κάρυον wie von einander stark ab: lat. carīna ‘Schiffskiel’ (seit Enn. und Plaut.), ‘Nußschale’ (seit Plin.), kymr. ceri (< *carīso-) ‘Obstkern’; aind. karaka- m. ‘(Schale der) Kokosnuß’ (Lex.), ‘Wasserkrug’. Andere Bedenken kommen hinzu: für lat. carīna ist griechische Entlehnung (aus καρύϊνος = *‘nußschalenartig’ > ‘Schiffskiel’?) vermutet worden (W.-Hofmann s. v. m. Lit.); die Priorität der Bedeutung ‘Kokosnuß’ gegenüber ‘Wasserkrug’ bei aind. karaka- wird bei Mayrhofer Wb. angezweifelt. — Die Anknüpfung an eine Wortgruppe qar- ‘hart’ (WP. 1, 354f., Pok. 531f.) ist ganz hypothetisch. I-794-795
κάρφω, Aor. κάρψαι, Fut. κάρψω, auch mit κατα-, ὑπο-, ‘einschrumpfen lassen, zusammenziehen, dörren’ (ep. poet. seit Od.). Ableitungen. 1. κάρφος n. ‘dürres Reisig, dürrer Halm, Heu, Spreu’ (ion. att.); davon καρφίον Demin. (Dsk. u. a.), καρφηρός ‘aus dürren Halmen bestehend’ (E. Ion 172; vgl. αὐχμηρός, αὐστηρός u. a., Chantraine Formation 232f.), καρφίτης ‘ds.’ (AP), καρφώδης ‘voll von κ.’ (Gloss.), καρφεῖα n. pl. = κάρφη pl. (Nik. Al. 118); καρφόομαι (AP) = καρφύνεσθαι· ξηραίνεσθαι, φθείρεσθαι H.; s. noch Fraenkel Denom. 294. 2. κάρφη f. ‘Heu’ (X., Arr.). 3. καρφαλέος ‘trocken, dürr, spröde’ (ep. ion. poet. seit Il.; wie αὐαλέος u. a.; vielleicht von κάρφος, vgl. Chantraine 253f.). 4. κατακαρφ-ής ‘verdorrt’ (Nik. Fr. 70, 9). — Zu dem schwundstufigen thematischen Wurzelpräsens κάρφω (wozu κάρφος für älteres *κέρφος?; vgl. unten) bieten die verwandten Sprachen kein genaues Gegenstück. Große Ähnlichkeit zeigt aber eine im Baltisch-Slavischen und Germanischen reich vertretene Wortsippe, z. B. russ. koróbitь ‘krümmen, biegen’, refl. ‘sich krümmen, zusammenschrumpfen’, woneben mit anlaut. s- skórbnutь ‘zusammenschrumpfen’, lit. skrembù, skrèbti ‘sich mit einer dünnen Kruste überziehen, steif werden’, nisl. herpa-st ‘sich krampfartig zusammenziehen’, aisl. skorpna ‘einschrumpfen, vertrocknen’ usw., idg. (s)qerbh-, (s)qrebh-; WP. 1, 588ff., Pok. 948f. m. reicher Lit. und buntem Vergleichsmaterial; dazu noch Vasmer Russ. et. Wb. s. koróbitь und skórblyj, W.-Hofmann s. corbis. Unklar bleiben die Hesychglossen κορφῶς· ἐλαφρῶς, κέρβαλα· ἀσθενῆ (trotz v. Blumenthal Hesychst. 40f.). Vgl. auch κράμβη. — Die expressive Wortgruppe hat offenbar lautliche Entgleisungen und Verschränkungen erlitten. I-795
καρχαλέος ep. Adj., durch Kreuzung von κάρχαρος und καρφαλέος entstanden und semantisch zwischen beiden schillernd, somit ‘trocken, sengend, bissig, scharf’ (Φ 541 [v. l. καρφ-], Nik. Th. 691 [v. l. καρφ-], A. R., Nonn.). — S. κάρφω und κάρχαρος. I-796
κάρχαρος καρχαρόδων (-ους), -οντος ‘beißend, bissig, scharf, rauh’ (Alkm. 140, Lyk., Opp., sp. Prosa), ‘mit scharfen Zähnen’ (Il., Hes., Ar., Arist., Thphr.; vgl. Sommer Nominalkomp. 93 m. Lit.); im Ausgang umgebildet καρχαρέος (EM). Ableitung καρχαρίας m. Art Haifisch (Pl. Kom., Sophr. u. a.; vgl. Thompson Fishes s. v., Strömberg Fischnamen 45). — Onomatopoetische Reduplikationsbildung (Schwyzer 423). Man vergleicht aind. khára- ‘hart, rauh, scharf’, neupers. xār(ā) ‘Fels, Dorn’, auch toch. A tsär ‘rauh’; letzteres jedenfalls sehr fraglich, s. Pedersen Tocharisch 242f. m. A. 1. Nach Leumann Hom. Wörter 156 wäre κάρχαρος aus hom. καρχαρόδοντες abstrahiert. — Eine unaspirierte Nebenform ist κάρκαροι· τραχεῖς H. (vgl. s. v.). Lit. bei Bq, WP. 1, 355, Mayrhofer Wb. s. kharaḥ1. I-796
καρχήσιον (Pi. -άσιον) n. ‘ein nach der Mitte sich verengendes Trinkgefäß’, übertr. ‘der oberste Teil des Mastbaums, wo die Fallen laufen, der Topp, der Mastkorb’, auch ‘Käfig einer Drehmaschine’ (Sapph., Pi., ion. att.). Davon καρχήσιος m. ‘Fall eines Schiffes, Tau im allg.’ (Gal.). — Fremdwort unbekannter Herkunft; vgl. Schwyzer 470, Chantraine Étrennes Benveniste 3, Hermann Gött. Nachr. 1943, 1f. Weitgehende Kombinationen bei Grošelj Živa Ant. 2, 208f., 4, 171. Lat. LW carchēsium (s. Friedmann Die jon. u. att. Wörter im Altlatein 20ff.), woraus sp. carquesia, ital. calcese > frz. calcet. I-796
καρώ f. ‘Kümmel, Carum carvi’ (Dsk., Gal., Orib., wohl auch Diph. Siph. ap. Ath. 9, 371e); καρωτόν n. ‘Karotte, Möhre’ (Ath. l. c.?; Lesung sehr unsicher); lat. carota (Apic.). — Wohl von κάρᾱ, -η ‘Kopf’ wie κεφαλωτόν Ben. einer Zwiebel von κεφαλή (ähnlich Bq). I-796
-κάς adverbielles Suffix, s. ἑκάς. I-796
κασαλβάς (κασσαβάς EM), -άδος f. ‘Hure’ (Ar.) mit κασάλβιον ‘lupanar’ (Sch. Ar. Eq. 1825 als v. l.), κασαλβάζω (Ar., Hermipp. Kom.). Auch κασωρίς mit κασωρεύω (Lyk.) und κασωρῖτις ‘ds.’ (Hippon., Antiph.), κασώριον (Ar. Eq. 1285) = κασωρικὸς δόμος (ganz unsichere Konj. in Hippon. 74); κασαύρα· κασωρίς, πόρνη, auch κασαυράς, mit κασαυρεῖα (pl.) H. — Kurzform κάσσα (Lyk.). — Vulgäre Wörter, mit κασᾶς (s. d.) irgendwie zusammenhängend (vgl. lat. scortum und die Lit. bei W.-Hofmann s. v.), aber der Bildung nach ganz dunkel, vgl. Chantraine Formation 352. I-796-797
κασᾶς, -ᾶ, -ᾶν (Agatharch., X. Kyr.), ‘Pferdedecke, -schabrake’; κασῆς (PTeb.); auch κάσσος (Hdn. 1, 208), nach H. ἱμάτιον παχὺ καὶ τραχύ, περιβόλαιον, und κάς· ... δέρμα H., PLond. 2, 402 V 5. m. Als Vorderglied in κασ(σ)ο-ποιός (Pap., Ostr.); Ableitung κασωτός Beiw. von ἐσθής (Diog. Oen.). — Orientalisches Fremdwort, vgl. hebr. kissē’ und kesūṭ eig. ‘Bedeckung’, bzw. ‘(Ober)kleid’; Cuny MSL 19, 193f. und Nyberg bei Björck Alpha impurum 295 (wo auch weitere Einzelheiten). Verfehlte idg. Etymologien werden von Bq abgelehnt. I-797
κασία- ion. -ίη (selten -σσ-) f. ‘Kasienlorbeer, Cinnamomum iners, Art Zimt’ (Sapph., Melanipp., Hdt., Thphr. usw.). Davon κασσίζω ‘κ. riechen oder schmecken’ (Dsk.). — Orientalisches LW, vgl. hebr. qeṣī‘āh, assyr. kasîa; urspr. austroasiatisch? Kretschmer Glotta 27. 250 (nach Gonda); ältere Lit. bei Bq. I-797
κασίγνητος κασιγνήτη f. (ep. poet. seit Il., auch kork., kypr., lesb.; vgl. Bowra JournofHellStud. 54, 65), thess. κατίγνειτος m. m., ‘Bruder, Schwester (von derselben Mutter), Vetter, Base’. Kompp.: αὐτο-κασίγνητος (Il.), -ήτη (ep. poet. seit κ 137) ‘leiblicher Bruder, Schwester’, πατρο-κασίγνητος, -ήτη ‘Oheim, Tante’ (Hom. u. a.), ματρο-κασιγνῆται pl. ‘Schwester mütterlicherseits (?)’ (A. Eu. 962); συγ-κασιγνήτη ‘(eigene) Schwester’ (E. IT 800). Daneben, wohl als Kurzform (vgl. unten) κάσις, (-ιος) m. f. ‘Bruder, Schwester’ (Trag., Kall., Nik. u. a.), σύγ-κασις ‘(eigene) Schwester’(E. Alk. 410 [lyr.]). Auch κάσιοι (für -ιες?)· οἱ ἐκ τῆς αὐτῆς ἀγέλης ἀδελφοί τε καὶ ἀνεψιοί. καὶ ἐπὶ θηλειῶν οὕτως ἔλεγον Λάκωνες. H.; vgl. Leumann Hom. Wörter 307 m. A. 79, wo κάσις, κασίγνητος mit zweifelhaftem Recht auf die poetische Sprache zurückgeführt wird. Unklar sind κασεν (lakon. Knabeninschr.; s. Kretschmer Glotta 3, 270ff., Schwyzer 625 A. 5 [für καθ’ἕν?]) und καινίτα· ἀδελφή, καινίτας· ἀδελφοὺς καὶ ἀδελφάς H. (kyprisch < κασιγνητ- [mit Itazismus]?; s. v. Blumenthal Hesychst. 22 m. Lit.). — Unerklärt. Wie Fick Curt. Stud. 8, 323 von αὐτοκασίγνητος als der ältesten Form ausgehend, will Kretschmer Glotta 2, 204ff. mit einer leisen Änderung eines früheren Vorschlags von Wackernagel (KZ 33, 13ff. = Kl. Schr. 1, 692ff.) in einem ursprünglichen *αὐτο-[τε]κασίγνητος ein Ptz. f. *τεκασῑ (idg. *teqn̥tī) = τεκοῦσα wiederfinden; es wäre aber unbedingt *τέκασσα (Prellwitz, Bq) zu erwarten. Ähnlich will Ribezzo Riv. fil. class. 44, 91ff. (auch Schwyzer 270f.) κασι- mit aksl. za-čęti ‘concipere’ (vgl. zu καινός) verbinden (eig. "eodem conceptionis loco genitus"?). Noch anders Kuiper Glotta 21, 287 (zu κατά) und Pisani Arch. glottol. it. 34, 127 (dazu Belardi Doxa 3, 209). I-797-798
κασκάνδιξ · ἡ γηθυλλίς (Art Zwiebel) H. — Wohl zu σκάνδιξ ‘Kerbel’ mit Reduplikation und Dissimilation (Brugmann Grundr.2 1, 856, Schwyzer 260). I-798
κάσμορος · δύστηνος H. S. κάμμορος. I-798
Κασσάνδρα, ion. -η f. Tochter des Priamos (seit Il.). Auch Κασάνδρα (erste Silbe stets lang), Κεσάνδρα (kor., tarent. Vasen; hyperkorrekte Form?; Fraenkel Phil. 97, 161), Κατάνδρα (att. Amphora). Näheres zu den verschiedenen Formen und der Bildung im allg. Sommer Nominalkomp. 189f. m. Lit. — Etymologisch unerklärt; allerlei Hypothesen von Schulze Kl. Schr. 698, Hoffmann Glotta 28, 52, Sturtevant ClassPhil. 21, 248f., J. Davreux La légende de la prophétesse Cassandre (Paris 1942) 90ff., Carnoy Les ét. class. 22, 344. I-798
κασσίτερος, att. καττίτερος m. ‘Zinn’ (ep. ion. seit Il., att. Inschr.); als Vorderglied in κασσιτερο-ποιός ‘Verzinner’ (Ptol.). Davon κασσιτέρινος (καττι-) ‘aus Zinn’ (att. Inschr., Arist. u. a.); Κασσιτερίδες νῆσοι "die Zinninseln", wahrscheinlich sw. von Britannien (Hdt. 3, 115, Str.); κασσιτερᾶς m. ‘Verzinner’ (Pap.); κασσιτερόω ‘verzinnen’ (Dsk.). — Herkunft strittig. Man hat einerseits elamitischen Ursprung vermutet, aus *kassi-ti-ra "aus dem Land der Kassi (d. h. Kossäer) stammend" (davon Κασσίτιρα Insel im Indischen Ozean [Dion. ap. St. Byz.]?), anderseits an keltische Namen wie Cassi-velaunus erinnert, wobei die Κασσιτερίδες νῆσοι ebensowohl dem Metall ihren Namen hätten geben können (vgl. z. B. Κύπρος: Kupfer) wie umgekehrt; die eine Annahme ebenso hypothetisch wie die andere. — Eberts Reallexikon 6, 299, Schrader-Nehring Reallex. 2, 699f.; weitere Lit. bei W.-Hofmann s. cassiterum (auch Nachträge); dazu Kretschmer Glotta 27, 36; ältere Lit. auch bei Bq. — Gr. κασσίτερος hat eine weite Verbreitung erhalten: lat. cassiterum (nach ferrum, aurum u. a.), aksl. kositerъ, aind. kastīram, arab. qazdir usw. I-798
κασσύω (Nik. Fr. 85, 6), att. καττύω (Kom., Pl.), auch mit ἐν-, ἐπι-, παρα-, συν-, ‘flicken, schustern’ (ion. att.). Davon κάσσυμα (Hp.), κάττυμα (Kom. u. a.) ‘Schuhsohle’, καττύς f. ‘Stück Leder’ (Ar. Fr. 285). — Nicht sicher erklärt. Der verlockenden Anknüpfung an das idg. Verb für ‘nähen’, z. B. lat. snō, aind. sī́vyati, got. siujan (Curtius 381, Osthoff MU 4, 139) stehen lautliche Bedenken entgegen (Lagercrantz Lautgesch. 114f. mit unhaltbarem Vorschlag, Kretschmer Glotta 1, 52f., Schwyzer 321 u. 686). Aber καττύς ist schwerlich das Grundwort (Kretschmer l. c.), sondern vielmehr aus καττύω rückgebildet. I-798-799
κάστανα n. pl. (Mnesith. ap. Ath. 2, 54b, Gal. u. Dsk. als v. l.), auch κάστανοι (Gal.), καστανίαι (Dsk.); sg. κάστανον (Gp.), -ος (H. s. καρύαι) ‘Kastanien’. Als Hinterglied in βαλανο-κάστανον = βάλανος καστανικός (so Gal.) und βολβο-κάστανον ‘Erdnuß’ (Alex. Trall.). Ableitungen: καστάναια, -εια pl. = κάστανα (att. Inschr. u. a.), καστανέη ‘Kastanienbaum’, καστανεών ‘Kastanienhain’ (Gp.), καστανικός (Gal.; vgl. oben), κασταναϊκὸν κάρυον (Thphr. u. a.); Καστανὶς αἶα Land in Kleinasien (Nik. Al. 271; vgl. Καστανέα = πόλις Μαγνησίας EM). — Unklar ist das η in καστηνοῦ (Gen.) ‘Kastanienbaum’ (Nik. Al. 269). Wohl kleinasiatisch; vgl. außer den genannten ON arm. kask ‘Kastanie’, kaskeni ‘Kastanienbaum’. — Aus κάστανον, -άνεια lat. castanea (vgl. z. B. picea), woraus u. a. ahd. chestinna, durch neue Entlehnung nhd. Kastan(i)e. Weiteres s. W.-Hofmann s. castanea. I-799
κάστον · ξύλον. ’Αθαμᾱ͂νες H. — Zahlreiche Vorschläge. Nach Pisani Rend. Acc. Lincei 6 : 4, 355ff. aus *κάλστον (neben *κάλσον > κᾶλον, κῆλον [?]; vgl. s. v.) und mit aind. kāṣṭhám n. ‘Holzstück’ ursprünglich identisch; über das mehrdeutige aind. Wort Mayrhofer Wb. s. v. Bechtel Dial. 2, 86 denkt (fragend) an lat. castrāre; Güntert IF 45, 346 vergleicht, lautlich unbefriedigend, κεάζω, κέαρνον; dazu Kretschmer Glotta 18, 236. Beachtung verdient die Hypothese v. Blumenthals, Hesychst. 18, καστόν stehe für καυστόν ‘brennbar’ mit illyrischem Übergang von au zu a. I-799
Κάστωρ, -ορος Sohn des Königs Tyndareos und der Leda, einer der Dioskuren (seit Il.). Daraus κάστωρ ‘Biber’, auch ‘Bibergeil’ (Hdt., Hp., Arist. usw.). m. Davon Καστόρ(ε)ιος ‘zu Kastor gehörig, auf den Biber bezüglich’ (Pi., X., Dsk. u. a.), καστόρ(ε)ιον n. ‘Bibergeil’ (Pap., Plu. u. a.); καστορίδες f. pl. ‘lakonische Hunderasse, anfänglich von Kastor aufgezogen’ (AP, Poll.), ‘Biber’ (Opp., Ael.); καστορίζω ‘dem Bibergeil ähnlich sein’ (Dsk., Vett. Val.). — Als urspr. appellativisches Nomen agentis gehört Κάστωρ zu κεκαδμένος, κέκασμαι (s. d.; verfehlt Steinhauser Sprache 2, 2 A. 4 [zu ir. cass ‘Locke’] und Dumézil BSL 42 S. XVI [zu lat. censeō]). Wegen der Heilwirkung des Bibergeils bei Frauenkrankheiten wurde der Name des Κάστωρ, der u. a. auch als σωτήρ der Frauen bekannt war, auf den Biber und das Bibergeil übertragen. Lit. bei Bq s. v., Schwyzer 635, W.-Hofmann s. castrō und ēcastor, Wahrmann Glotta 17, 258. Aus καστόρ(ε)ιον aind. kastūrī f. Moschus’. I-799-800
κασύτας · Συριακὸν βοτάνιον H.; auch καδύτας (Thphr. CP 2, 17, 3) ‘Hopfenseide, Cassyta filiformis’. — Aus arab. kašūth, vgl. Grimme Glotta 14, 19. I-800
κασωρίς, κασωρεύω usw. S. κασᾶς, κασαλβάς. I-800
κάτα, κατά Adverb und Präposition ‘(von -) herab, (-) hinab, gegen, entlang, durch — hin, über — hin’ mit Gen. (Abl.) und Akk. (seit Il.); daneben καται- in καται-βαταί (ν 110), καται-βάτης Bein. d. Zeus usw. (Thera, Melos, Thasos, Trag. u. a.); vgl. noch zu καταῖτυξ. — Mit heth. katta Adv. und Postpos. ‘hinab, herab, bei, mit, unter’ begrifflich und formal im Grunde identisch; auch das keltische Wort für ‘mit’, z. B. altkymr. cant, air. cēt-, dürfte dazu stimmen; idg. Grundform somit *kn̥ta (zu heth. -a- für zunächst erwartetes -an- s. Pedersen Hittitisch und Kronasser Vgl. Laut- und Formenlehre 53). Weitere Beziehung zu idg. *kom in lat. cum usw. (s. κοινός), wobei idg. *km̥ta anzusetzen wäre, bleibt offen. — Die Nebenformen καται- und ark. κατύ erklären sich am einfachsten als Analogiebildungen nach παραί bzw. ἀπύ (καται- somit nicht = heth. katti-mi ‘bei mir’ usw.). — Einzelheiten mit reicher Lit. bei Schwyzer-Debrunner 473ff. Ältere Lit. bei Bq. I-800
καταδίχιον Ben. eines Gefäßes (IG 14, 427 : I, 15 u. a., Tauromenion). — Hyperkorrekte Form für *καδδίχιον, s. κάδος. I-800
καταῖτυξ, (-υγος) f. Ben. eines ledernen Helms ohne φάλος und λόφος (Κ 258), etwa ‘Schirmhaube, Sturmhut’. — Erinnert der Bildung nach an ἄντυξ; die von den Scholl. gegebene Erklärung παρὰ τὸ κάτω τετύχθαι· λόφον γὰρ οὐκ ἔχει ist indessen wertlos, da sie offenbar aus dem Text erschlossen ist. Ob sie trotzdem dem Kerne nach richtig ist, läßt sich wegen unserer Unkenntnis der betreffenden Kopfbedeckung (vgl. Trümpy Fachausdrücke 45) nicht entscheiden. — Nach Bechtel Lex. s. v. Lehnwort; unbefriedigende semitische Anknüpfung bei Lewy KZ 55, 29f. I-800
κατ’ ἄκρας, ion. κατ’ ἄκρης — s. ἄκρος m. Lit.; vgl. auch über κατ’ ἄκρηθεν s. κάρᾱ. I-800
καταρράκτης, ion. -ρρήκτης m. ‘herabstürzend, steil, Wasserfall, Falltüre, Enterbrücke, Schleuse’, auch N. eines Vogels, ‘Wasser-, Seerabe’ (Hdt., S., Ar., hell. u. sp.). — Von κατα-ρράττω, -ρρήσσω, s. ῥά̄ττω. I-801
κατασκένε ‘(wenn er) tötet’ (GDI 4998: 1, 14f., Gortyn) — = κατα-κτείνῃ mit lautlicher Sonderentwicklung der Konsonantengruppe (Schwyzer 325f.); s. u. Verfehlt H. Petersson IF 23, 394. I-801
κατενῶπα (κατένωπα) s. ἐνῶπα. I-801
κατῆλιψ, -ιφος f. Bed. unbekannt, etwa ‘Gebälk, Dachsparren, oberes Stockwerk’ (Ar. Ra. 566). — Zur Bildung vgl. αἰγίλιψ, ἄλιψ; sonst unerklärt. I-801
κατηφής ‘mit niedergeschlagenen Augen, beschämt, betrübt’ (ω 432, Hp., E., hell. u. spät) mit κατήφεια, ep. ion. -είη ‘Niedergeschlagenheit usw.’ (Il., Th., hell. u. sp.). — Daneben κατηφέω (E., Arist.), Aor. -ῆσαι ‘niedergeschlagen sein, sich schämen usw.’ (vorw. ep. poet. seit Il.); dazu κατηφής als Rückbildung? (Szemerényi Glotta 33, 244 zögernd). Nebenformen : κατηφόνες = κατηφέες (Ω 253; zur Erklärung Schwyzer 487, Chantraine Formation 160); κατηφιάω = κατηφέω (A. R., AP, Plu. u. a.), nach den Verba auf -ιάω; ngr. κατηφιάζω vom Wetter ‘zu Regen neigen, neblig werden’ (Georgakas Λεξ. Δελτ. 2, 123ff.). — Ohne überzeugende Etymologie. Nach Schwyzer Mél. de Saussure 247ff. als ‘den Blick nach unten gerichtet habend’ zu ἁφή, ἅπτω (dagegen Kretschmer Glotta 5, 309). Anders, gewiß nicht besser, Prellwitz KZ 44, 123f., Glotta 19, 126, Fick KZ 45, 56f. (zustimmend Bechtel Lex. s. v.), Pisani Rend. Acc. Lincei 4-5 (1929) 4. I-801
κατρεύς, -έως m. N. einer indischen Pfauenart (Klitarch., Nonn.). — Herkunft unbekannt, wohl indisch; zur Bildung vgl. ἐριθεύς, χλωρεύς und andere Vogelnamen (Bosshardt Die Nom. auf -ευς 20). Bosshardt 74 erinnert als Alternative an die kretische Stadt Κατρεύς, Κάτρη. — Zum Sachlichen Thompson Birds s. v. I-801
καύαξ καύηξ, -ηκος (Antim., hell. Dichtung), auch κήξ f. (ο 479) und κῆϋξ m. (Babr., Dionys. Av.) m. · λάρος H.,N. eines Seevogels, ‘Seeschwalbe’? (vgl. Thompson Birds s. v.). — Ausgang wie in ἱέραξ, ἴρηξ u. a. (Chantraine Formation 380). Schallwort ohne genaue außergriechische Entsprechung. Genetisch oder elementar verwandt sind mehrere Vogelnamen wie kymr. cuan ‘Nachteule’ und andere keltische Wörter, woraus lat. cavannus ‘ds.’, ahd. (mit regelrechter Lautverschiebung) hūwo ‘Eule’; mit innerem Guttural (reduplizierte Bildung) καυκαλίας· ὄρνις ποιός, καυκιάλης· ... ὄρνις H., aind. koka- m. Ben. einer Gänseart (auch ‘Wolf’), lit. kaukỹs m. N. eines schreienden Vogels u. a. m. Dazu primäre Verba wie aind. káuti ‘schreien’, lit. kaũkti ‘heulen, winseln’ u. a. m.; vgl. zu κωκύω. — Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 1, 331, Pok. 535f. und in den einschlägigen Spezialwörterbüchern, z. B. W.-Hofmann s. cavannus, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kaũkti, Mayrhofer s. káuti; auch Bq s. v. — καύαξ· πανοῦργος Suid. ist als Schimpfwort aus einer Komödie geholt, s. Kretschmer KZ 31, 354. I-801-802
καύης m. (Hippon. 2), Akk. -ην f. (IGRom. 4, 1755 u. a.; geschr. -ειν) N. eines Priesters bzw. einer Priesterin in Sardes. — Lydisches Wort, vgl. Latte Philol. 97, 43. I-802
καυκαλίς, -ίδος N. einer Umbellifere, ‘Tordylium apulum’ (Thphr., Nik., Dsk., Gp.), auch καῦκον (Ps.-Dsk. 2, 139) und καυκιάλης· βοτάνη τις, ὁμοία κορίῳ (cod. κωρ-) H. f. — Zur Bildung auf -αλίς Chantraine Formation 251f. Die Pflanze wurde auch δαῦκος ἄγριος genannt (Dsk. 2, 139); die Form καῦκον scheint jedenfalls mit δαῦκος (δαῦκον) in Beziehung zu stehen (Umbildung davon nach κάω, καῦσαι?), vgl. Strömberg Pflanzennamen 153. Weitere Hypothesen bei Nencioni Rev. degli stud. or. 19, 101f. I-802
καῦκος m. ‘Becher’ (Gloss.) mit dem Deminutivum καυκίον (Pap. VIp, AP 9, 749 in lemm., Just.); daneben καυκάλιον ‘ds.’ (Alex. Aphr. Pr. 1,94; nach βαυκάλιον, s. d.). — Mit lat. caucum n. ‘Becher’ (seit Script. hist. Aug.) identisch, aber sonst dunkel; vgl. W.-Hofmann s. v. Davon vulgär- und neugr. καῦκα ‘patera, vulva, Freundin’, vgl. Rohlfs WB s. κάψα. Nencioni Riv. degli stud. or 19, 101 will καυκ- (καυκάλιον) durch Assimilation aus βαυκ- (βαυκάλιον) erklären; dabei bleibt indessen das Grundwort καῦκος unverständlich, da ein entsprechendes *βαῦκος fehlt. I-802
καυλός m. ‘Schaft, Stengel, Stiel, Federkiel’ (Il., ion.-att.; zur botan. u. anatom. Bed. Strömberg Theophrastea 95ff. und 49). Oft als Hinterglied, z. B. μονό-καυλος (Thphr. u. a.; Strömberg 104f.), vereinzelt als Vorderglied, u. a. in καυλο-κινάρα ‘der Stengel der Artischocke’ (Gp.; vgl. Strömberg Wortstudien 7). Mehrere Ableitungen. Zwei Deminutiva: καυλίον (Arist., Pap. u. a.), καυλίσκος (J., D. S., Dsk.); καυλεῖον = καυλός (Nik.; nach ἀγγεῖον u. a.); καυλίας ‘Stengelsaft’ (Thphr.; wie ῥιζίας ‘Wurzelsaft’, vgl. Strömberg Theophrastea 91, Chantraine Formation 94f.); καυλίνης Fischname = χλωρὸς κωβιός (Diph. Siph. ap. Ath. 8, 355c; nach der Farbe, Strömberg Fischnamen 26; Bildung wie Αἰσχίνης u. a.); καυλικός, καυλώδης ‘stengelartig’ (Thphr.), καύλινος ‘aus einem Stengel bestehend’ (Luk.), καυλωτός ‘mit Stengel versehen’ (Eudem. Phil. IVa; wie αὐλωτός u. a.); καυληδόν ‘stengelweise’ (Opp. u. a.). Denominatives Verb καυλίζομαι ‘mit Schaft versehen sein’ (Ar. Fr. 404). Dagegen gehen δικαυλέω ‘zwei Stengel haben’, ἐκκαυλέω ‘in einem Stengel auswachsen, einen Stengel schießen’ mit ἐκκαύλησις, -ημα, ἐκκαυλίζω ‘den Stengel entfernen’ (Thphr. u. a.) usw. von virtuellen *δι-καυλος, *ἔκ-καυλος usw. aus (καυλέω nur Suid.). Zu ngr. καυλώνω ‘sexuell erhitzt sein’ Caratzas Glotta 33, 121. — Altes Erbwort, das auch im Latein und im Baltischen vorhanden ist: lat. caulis m. ‘Stengel’ (i-Stamm wohl sekundär, s. Leumann Lat. Gramm. 232); lit. káulas (mit abweichendem Stoßton) ‘Knochen, Bein, Würfel’, lett. kaũls ‘ds.’, auch ‘Stengel’, preuss. caulan ‘Bein’; dazu das abgeleitete mir. cuaille ‘Pfahl’ (aus *kaulīni̯o-). Weitere Beziehung zu aind. kulyā́ ‘Bach, Graben, Kanal’ und zu dem germ. Wort für ‘hohl’, z. B. anord. holr, got. us-hulōn ‘aushöhlen’ (idg. *qaul-, *qul-?) ist gänzlich unsicher, s. Mayrhofer Wb. s. kulyam; weitere Einzelheiten m. Lit. bei W.-Hofmann s. caulis und Fraenkel s. káulas. — Ein Reimwort ist αυλός, s. d. I-802-803
καυνός · κακός, σκληρός, κλῆρος H.; in der letztgenannten Bed. auch Kratin. 194 und Ar. Fr. 660 (s. Kock z. St.); davon διακαυνιάσαι = διακληρῶσαι (Ar. Pax 1081). — Im Sinn von κακός seit Fick 1, 375 zu einem germ.-baltischen Wort für ‘demütig, Scham usw.’ gezogen, z. B. got. hauns ‘niedrig, demutig’, nhd. Hohn, lett. kàuns ‘Scham, Schande, Schmach’. Der Text ist aber sehr unsicher; jedenfalls sieht σκληρός (in diesem Sinn von Schulze KZ 29, 270 A. I = Kl. Schr. 329 A. 1 zu καίω gestellt) wie eine Dittographie (mit σ- von κακός) des folgenden κλῆρος aus. — Zu καυνός = κλῆρος eine sehr fragliche Hypothese von Bezzenberger BB 27, 171 A. 3 (s. Bq Add. et Corr., WP. 1, 332). Mayer Glotta 32, 75 A. 1 will die illyrischen Namen Ceunus, -a u. a. heranziehen. I-803
καῦρος = κακός (S. Fr. 1059, Phot., H.). — Nach Güntert Reimwortbildungen 131 Kreuzung von παῦρος und καυνός = κακός (vgl. d. W.). Auch eine Kreuzung von κακός und παῦρος ließe sich denken. I-803
καυσία f. Ben. eines königlichen Filzhutes bei den Makedonen (hell. u. spät; s. Hoffmann Maked. 55ff.). — Unerklärt. Lose Vermutung von Sapir AmJPh 60, 464. I-803
καυχάομαι, Aor. καυχήσασθαι (καυχάσ[α]ιτο Sapph. Supp. 4, 21), Fut. καυχήσομαι, Perf. κεκαύχημαι (2 Ep. Cor. 7, 14), ‘sich rühmen, prahlen’ (Pi., Sapph., ion. att.). auch mit ἐκ-, ἐν-, κατα-, Ableitungen: καύχα f. ‘Prahlerei’ (Pi. Nem. 9, 6; Rückbildung), καῦχος n. ‘Gegenstand des Prahlens’ (Syrien Vp; Rückbildung); καύχημα, -ᾱμα ‘ds.’ (Pi., spät) mit καυχηματίας ‘Prahler’ (Ptol., Sch.) und καυχηματικός (Sch.), καύχησις ‘das Rühmen’ (hell. u. spät); καυχήμων ‘sich rühmend, prahlend’ (Babr. u. a.); καυχητής ‘Prahler’ mit καυχητικός, καυχητιάω (Sch., EM). — Expressive Iterativbildung (vgl. Schwyzer 717ff.) mit mehreren Anknüpfungsmöglichkeiten: zu arm. xausim ‘sprechen’ (mit Umstellung der Gutturale, idg. *qhauḱ-; Pedersen KZ 39, 335) und lit. šaukiù, šaũkti ‘schreien, laut rufen’ (Prellwitz Wb; zur Bedeutung vgl. εὔχομαι); zu aind. hávate, aw. zavaiti ‘anrufen usw.’, aksl. zovǫ, zъvati ‘rufen’, arm. jaunem ‘weihen’ usw.; dabei wäre eine ähnliche Reduplikation wie in aw. zao-zao-mi ‘nachrufen’ anzunehmen (Persson Beitr. 1, 118ff. m. Lit. und weiteren Einzelheiten). I-803-804
καχάζω, auch κακχάζω, καγχάζω (zur Gemination und Nasalierung Schwyzer 315 u. 647), Aor. καχάσαι, Fut. καχαξῶ (Theok.), auch mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἐκ-, ‘laut lachen’ (ion. att., Theok.). Davon καχασμοί pl. (Ar. Nu. 1073, v. l.), κακχαδίαι· ἰσχνό-φωνοι H. — Redupliziertes Schallwort mit nahen Entsprechungen in mehreren Sprachen: aind. (Gramm.) kákhati, aksl. chochotati, ahd. kachazzen ‘laut lachen’, arm. xaxan-k‘ pl., lat. cachinnus ‘schallendes Gelächter’ mit cachinnō, -āre; genetische Verwandtschaft ist möglich aber selbstverständlich unsicher. Vgl. WP 1,336, Pok. 634 und die Spezialwörterbücher, namentlich W.-Hofmann s. cachinnō mit weiteren Formen und Lit. S. auch *κηκάζω. I-804
καχεξία f. ‘schlechter Zustand des Körpers od. der Seele, Unwohlsein’ (ion. att.) mit der Rückbildung καχέκτης m. ‘in schlechtem Zustand befindlich, krank, übelgesinnt’, wovon καχεκτικός, -τέω, -τεύομαι (hell. u. spät), auch καχεξής (Phld. Rh. 1, 36 S.; nicht sicher). — Zusammenbildung aus κακῶς ἔχειν; Gegensatz εὐεξία mit -έκτης usw. von εὖ ἔχειν. I-804
καχεταιρίη f. ‘schlechte Genossenschaft’ (Thgn. 1169). — Zusammenbildung aus κακοὶ ἑταῖροι ‘schlechte Genossen’. Vgl. Porzig Satzinhalte 212f. I-804
καχλάζω, fast nur im Präs. u. Ipf., vereinzelt mit Präfix, z. B. ἀνα-, ὑπερ-, ‘plätschern, rauschen, brausen, vom Wasser’ (poet. seit Pi. und A., auch sp. Prosa). Davon καχλασμός (Zos. Alch., Gloss.), ἀνακάχλασις (Sch.). — Seltene Nebenform κοχλάζω (PHolm. 3, 1, coni. in Plu. 2, 590f) mit κόχλασμα (H. s. ἀπόβρασμα, πομφόλυξ). Onomatopoetisches Wort mit intensiver Reduplikation (Schwyzer 647); vgl. παφλάζω und Güntert Reimwortbildungen 161. Vergebliche idg. Anknüpfungsversuche sind bei Bq notiert. I-804-805
κάχληξ, -ηκος m. ‘Steinchen, Kiesel im Flußbett’, auch koll. (Th., Str., J. u. a.). — Bildung auf -ηξ wie τράπηξ, νάρθηξ u. a. (vgl. Björck Alpha impurum 261f.); ein angenommenes Grundwort *κάχλος ist von Zupitza Die german. Gutturale 207f. mit dem germ. Wort für ‘Hagel’, ahd. hagal m., anord. hagl n. usw. gleichgesetzt worden. — Nach Güntert Labyrinth 28 A. 1 wäre κάχληξ samt lat. calx aus dem Ägäischen entlehnt. Für fremden Ursprung auch Porzig ZII 5, 269f. I-805
κάχρυς, -υος (-υδος, -υδα Dieuch. ap. Orib.) f. ‘geröstete Gerste’ (ion. att.), ‘Winterknospe’ (Thphr.); κάχρυ n. ‘Frucht des Weihrauchbaumes, auch der Baum selbst’ (Hp., Thphr., Dsk. u. a.). Als Vorderglied καχρυο-φόρος ‘Winterknospen tragend’ (Thphr.), καχρυ-φόρος ‘das κάχρυ tragend’ (Nik.; Beiwort der λιβανωτίς). Ableitungen: καχρυώδης ‘Winterknospen ähnlich’ (Thphr.), καχρυόεις = καχρυφόρος (Nik.); καχρύδια pl. ‘Spreu der κάχρυς’ (Arist.; zur Bildung Chantraine Formation 70), καχρυδίας m. ‘κάχρυς-ähnlich’ (πυρός, Thphr. u. a.), ‘aus κάχρυς gemacht’ (ἄρτος, Poll.); καχρυδιάζομαι ‘im Winter hervorsprießen’ (Cat. Cod. Astr.). — Seit Persson Studien 103 und 124 zu κέγχρος ‘Hirse’ gezogen, s. ebd. Die Bedeutung weist aber eher in die Richtung von ‘geröstet, trocken’, was eine Verbindung mit κάγκανος nahe legen würde; dagegen verstößt jedoch das χ. I-805
καψοί · οἱ τοῖχοι H. — Von v. Blumenthal Hesychst. 40 wenig überzeugend zu lat. capsa, idg. qap- ‘fassen, in sich enthalten’ (s. zu κάπτω) gezogen. I-805
κάω ‘brennen’ s. καίω. I-805
κε (äol. kypr.), κεν (ep. poet. seit Hom.), κα (dor.; Dichter κᾱ) Modalpartikel = ion. att., ark. ἄν. — Mit κα deckt sich formal das hervorhebende russ. -ko (nach Dat. von Personalpronomina und nach Imperativen), woneben -ka = κᾱ. Zu κα : κε vgl. γα : γε. Der auslautende Nasal in κεν kann als ion. ν ἐφελκυστικόν erklärt werden; genetischer Zusammenhang mit dem hervorhebenden aind. kám und mit der slav. Präposition kъ (beide aus idg. *qom) ist trotz der anklingenden Verbindung nú kam : νύ κεν nicht glaubhaft. — Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer-Debrunner 568f.; zum Gebrauch noch Gonda Moods 135ff. I-805
κεάζω, Aor. κεάσ(σ)αι, Pass. κεασθῆναι, Perf. Ptz. Pass. κεκεασμένος, auch mit ἀμφι-, δια-, ‘spalten, zerschmettern’ (ep. poet. seit Il.). Davon εὐκέα-τος ‘leicht zu spalten’ (ε 60, Theok. 25, 248), κέαρνα· σίδηρα τεκτονικά (nach σκέπαρνον); unsicher Κεάδαο Gen. (Β 847). — Der zweisilbige Aorist κεά-σ(σ)αι (mit fakultativem analogischem -σσ-) stimmt zu ἐλά-σ(σ)αι, πετά-σ(σ)αι usw.; dazu wurden die übrigen Formen, κεάζω u. a., neugeschaffen. Eine andere Präsensbildung kann in κείων (ξ 425, Versende) vorliegen, wenn mit Schulze Q. 434 für κεῶν aus *κεάων (nach Persson Studien 134 u. A. dagegen aus *κεϝι̯ω zu nhd. hauen usw.; nicht vorzuziehen). Nach Palmer Μνήμης χάριν 2, 69ff. wäre auch myk. ke-ke-me-na (ko-to-na) als ‘geteilt’ hierherzustellen (?; vgl. auch zu κεῖμαι). — Zu κεα-, wenn aus *κεσα-, stimmt das aind. Fut. śasi-ṣyati ‘er wird schneiden’, dessen Ursprünglichkeit allerdings fraglich ist, da aind. śas-(a)ti ‘schneiden’ in allen alten Formen und Ableitungen ein einsilbiges śas- aufweist. Von gr. κεσ- mit sicherem und aind. śas- mit möglichem idg. e (*ḱes-) unterscheidet sich lat. castrō, -āre ‘verschneiden’ durch das unerklärte a (Reduktionsvokal?). Über andere, ganz hypothetisch hierher gezogene Nominalbildungen (am ehesten russ. usw. kosá f. ‘Sichel, Sense’; mit k- für s- durch Dissimilation?) s. WP. 1, 448f., Pok. 586, W.-Hofmann s. castrō, Vasmer Russ. et. Wb. s. kosá. I-806
κεβλή (Kall. Fr. 140, EM), auch κεβαλή (H., EM), makedon. für κεφαλή. Als Vorderglied in κεβλή-γονος ‘kopfgeboren’, Ben. der ’Ατρυτώνη (Euph. 108) und des Mohns (Nik. Al. 433). Davon κεβλήνη· ἡ ὀρίγανος H., wegen der drei dicht beisammenstehenden Blütenköpfchen des Origanums (Grošelj Razprave 2, 42); κέβλος· κυνοκέφαλος (Art Affe), κῆπος H. — Zum vielerörterten κεβ(α)λή s. Pisani Rev. int. ét. balk. 3, 14ff. mit Lit., insbes. Kretschmer Glotta 21, 162 und 22, 100ff., außerdem Krahe IF 60, 297, der für illyrische Herkunft eintritt. Hierher nach Mayer Glotta 31, 114ff. und 32, 72 auch der illyrische ON Cibalae. I-806
κεβλήπυρις N. eines unbekannten Vogels (Ar. Av. 303), auch als Spitzname von Themistokles gebraucht (Hermipp. Com. Va). — Die Beziehung auf κεβλή und πῦρ ("redpoll", ‘Hänfling’) ist sachlich nicht zu begründen, vgl. Thompson Birds s. v. I-806
κέγχρος m. (f.), gewöhnlich im Plur. ‘Hirse, Hirsekorn’, übertr. ‘Fischrogen, kleine Kugel, Flecken usw.’ (Hes. Sc. 398, Sapph. 5, 13 [?], Hekat., Hdt., Arist., hell. u. spät). Als Vorderglied z. B. in κεγχρο-φόρος (Str.). Mit Metathese bzw. andersartiger Dissimilation (vgl. unten) κέρχνος (Anaxandr., Gal., H.); dazu Κερχνεία ON? Zahlreiche Ableitungen: 1. κεγχρίς f. = κέγχρος (Hp.), auch N. eines mit Hirse gemästeten Vogels, lat. miliarius (Ael.; vgl. Thompson Birds s. v.), usw. 2. κεγχρίας m. ‘hirseähnlicher Rotlauf’ (ἕρπης, Gal.) mit -ιδίας ‘ds.’ (Dsk.). 3. κεγχρίνης m. ‘Schlange mit hirseartigen Flecken’ (Nik., Lyk. u. a.); vgl. κέγχρινος unten. 4. κεγχρίτης ‘ds.’ (Aët.), -ῖτις ἰσχάς ‘getrocknete Feige’ (AP; Redard Les noms grecs en -της 112). 5. κεγχραμίς f. ‘Feigenkern’ (Hp., Arist., Thphr.), nach καλαμίς, σησαμίς u. a.; nicht mit Schwyzer 494 fremdes Suffix; davon -ιδώδης. 6. κεγχρώματα pl. ‘kleine Visierlöcher am Schildrande (?)’ (E. Ph. 1386, vgl. Chantraine Formation 186; s. auch zu κέρχνος). 7. κεγχρεών, -ῶνος m. ‘Werkstatt, wo Metall gekörnt wird’ (Docum. ap. D. 37, 26). 8. κεγχρ-ιαῖος ‘von der Größe eines Hirsekorns’ (Luk., Dsk.; nach den Massadj. auf -ιαῖος, Chantraine 49). 9. κέγχρινος ‘aus Hirse gemacht’ (Dsk., Gal.). 10. κεγχρώδης ‘hirseähnlich’, von Ausschlägen (Hp.), von Pflanzen (Thphr.). 11. κεγχρωτός ‘mit Körnern, Tüpfeln versehen’ (Pap. u. a.). 12. Κεγχρεαί pl. ON. — Nicht sicher erklärt. Gewöhnlich nach Persson Studien 73 als "Zerriebenes" auf redupliziertes idg. *gher-ghr-os zurückgeführt mit uralter Dissimilation r — r > n — r (bzw. r — n) und weiterer Beziehung zu χέρ-μα, χερ-άς u. a. Auch κάχρυς wird von Persson (S. 124) als damit verwandt betrachtet mit nächstem Anschluß an mhd. grū-z ‘Korn von Sand oder Getreide’, lit. grú-das ‘Korn’ usw.; κα- könnte dabei die Schwundstufe von κεγ- repräsentieren (Bq s. κάχρυς), was allerdings die Dissimilation in gemeinidg. Zeit hinaufschieben würde; semantische Bedenken s. κάχρυς. — Anders Niedermann Symb. Rozwadowski 1, 111ff.: für *κέρχνος (durch Metathese) < *κερκσνος zu ahd. hirso ‘Hirse’ aus *hirhso (?). I-806-807
κέγχρων, -ωνος m. N. eines Windes am Flusse Phasis, der als "βίαιος καὶ χαλεπὴ καὶ θερμή" beschrieben wird (Hp. Aër. 15). — Nach Pisani Ist. Lomb. 73, 496 mit v. Wilamowitz von κέρχνος ‘Heiserkeit’ mit Metathese. Schwyzer 487 erwägt fremde Herkunft. I-807
κεδάσσαι, κεδασθῆναι Aor. (ep. seit Il.), Präs. κεδαίω, κεδα(ί)ομαι (hell. Epig, κεδάννυμαι (AP 5, 275); s. σκεδάννυμι. I-807
κέδματα n. pl. (Hp.), nach Gal., Erot. und H. = αἱ χρονιώτεραι διαθέσεις νοσώδεις περὶ τὰ ἄρθρα; davon κεδματώδης (Hp. ap. Erot.; nicht sicher). — Von Prellwitz (und Bq) als ‘Gliederreißen’ mit κεδάσ(σ)αι verknüpft; man hätte indessen -κεδά(σ)ματα erwartet. I-807-808
κεδνός ‘sorgfältig, der Sorge wert, achtbar, wert, lieb’ (ep. seit Il.); davon κεδνοσύνη (IG 3, 1370; Versinschr., Kaiserzeit; vgl. Wyss -συνη 64). — Nicht überzeugend erklärt. Die sonst naheliegende Zusammenstellung mit κήδομαι, dor. κᾶδος, ep. κεκᾰδών (Curtius, Bartholomae BB 17, 109 A.; vgl. auch Seiler Steigerungsformen 83) ist wegen des ε-Vokals schwierig zu begründen. Nach Schulze GGA 1896, 235 (Kl. Schr. 698) zu Κόδρος, κόσμος u. a. — Verfehlt v. Windekens Le Pélasgique 15 (pelasgisch zu θέσσασθαι, πόθος), Bezzenberger BB 27, 166 (s. Bq). I-808
κέδρος f. ‘Wacholder, Juniperus’, später ‘Zeder’ (seit ε 60). Einzelne Kompp., z. B. κεδρ-έλαιον ‘Zederöl’ (Aët.), ὀξύ-κεδρος f. ‘stachelige Zeder’ (Thphr.; vgl. Strömberg Pflanzennamen 35). Ableitungen: κεδρίς f. ‘Wacholderbeere, Wacholder’ (Hp., Ar. usw.); κέδρον n. ‘Wacholderbeere usw.’ (Inschr., EM, H.); κεδρία ‘Zedernharz, Zedernöl’ (Hdt., D. S. u. a.), auch κεδρέα (Pap., Mediz.; nach μηλέα, συκέα usw.). κεδρίτης (οἶνος) ‘Wein mit Wacholder-(Zeder-)aroma’ (vgl. Redard Les noms grecs en -της 97 m. A. 6). κέδρινος ‘von Zedernholz’ (Hp., E., Arist. usw.), auch κεδρίνεος ‘ds.’ (Nik.; metrische Umbildung), κεδρωτός ‘aus Zedernholz gemacht’ (E. in lyr.), Κεδρεᾶτις, -ιδος f. N. der Artemis in Orchomenos in Arkadien (Paus. 8, 13, 2; nach Τεγεᾶτις u. a.). κέδρωστις, -εως f. ‘Hundsrübe’ (Dsk. 4, 182; nach ἄγρωστις, s. d.). Denominatives Verb κεδρόω ‘in Zedernharz legen, einbalsamieren’ (Posidon., Str.). — Herkunft unklar. Die Ähnlichkeit mit dem baltischen Namen des Wacholders, z. B. lit. kadagỹs (Schrader-Nehring Reallex. 2, 612, Lidén IF 18, 491), beschränkt sich auf die erste Silbe (verzweifelte morphologische Überbrückungsversuche von H. Petersson Heteroklisie 104f., Specht Ursprung 147); die weitere Anknüpfung an russ. čad ‘Dunst’, aksl. kaditi ‘räuchern’ (idg. qēd- : qōd-; Schrader-Nehring a. a. O.) muß ebenfalls als ganz hypothetisch betrachtet werden. Anderer Vorschlag von Endzelin bei Mühlenbach-E.: zu lett. cedrin̥š ‘Heidekraut’. Lat. LW cedrus. — Nach Fohalle Mélanges Vendryes 157ff. wäre ein Mittelmeerwort für ‘Zeder’, lat. citrus ‘Thuia articulata’ und gr. κέδρος, an ein einheimisches gr. κέδρος ‘Wacholder’ angeglichen (?). — Weitere Einzelheiten m. Lit. bei Schrader-Nehring a. a. O., Fraenkel Lit. et. Wb. s. kadagỹs, W.-Hofmann s. cedrus und citrus, auch WP. 1, 384f. und Pok. 537. S. auch κίτρον, -κίτριον. I-808
κεῖμαι, 3. sg. κεῖται, 3. pl. κέαται, att. κεῖνται, Inf. κεῖσθαι usw. (weitere Formen bei Schwyzer 679; sehr unsicher myk. ke-ke-me-na) ‘liegen, sich befinden, stattfinden usw.’, überaus oft mit Präfix in verschiedenen Sinnfärbungen, ἀνά-, κατά-, παρά-, ἔγ-, ἔκ-, ἐπί-, σύγ-κειμαι u. a. m. (seit Il.). Nominale Ableitungen, z. T. altererbt (s. unten): 1. κοῖτος m. ‘Lager, Bett, Schlaf’ (ep. poet. seit Od., auch Hdt.), κοίτη f. ‘Lager, Bett, Ehebett, Nest, Parzelle, Kiste’ (seit Od.); oft in Kompp., z. B. ἀπό-, σύγ-, ἡμερό-κοιτος, ἀ-, παρα-κοίτης (vgl. zu ἀκοίτης). Von κοῖτος, κοίτη: κοιτίς f. ‘Kistchen’ (Men., J. usw.; vgl. Schwyzer 127) mit κοιτίδιον ‘ds.’ (Sch.); κοιτάριον ‘Bettchen’ (Sch.); κοιτών m. ‘Schlafgemach’ (Ar. Fr. 6, hell. u. sp.) mit κοιτώνιον, -ωνίσκος, -ωνίτης, ωνικός (spät); κοιτατήριον ‘Schlafzimmer’ (Kyrene; vgl. ἑστιατήριον s. ἑστία); κοιταῖος ‘auf dem Lager liegend’ (Decr. ap. D. 18, 37, Pkb. usw.), κοιτάριος ‘zum Bett gehörig’ (Edict. Diocl.). Denominatives Verb κοιτάζομαι ‘sich lagern, nisten’ (Pi., hell.), -άζω ‘zu Ruhe bringen, sich lagern’, auch ‘Land aufteilen’ (von κοίτη ‘Parzelle’), hell. u. sp. Davon κοιτασία ‘das Zusammenwohnen’ (LXX), κοιτασμός ‘das Einpferchen, die Einhürdung des Viehs’ (Pap.). — 2. *κοίμη oder *κοῖμος mit dem Denominativum κοιμάω ‘zur Ruhe legen, zu Bett bringen, einschläfern’, κοιμάομαι ‘sich zu Bett legen, schlafen gehen, sich lagern’ (seit Il.); davon κοίμησις ‘das Sich-Lagern, (Todes)schlaf’ (Pl., LXX, NT), κοίμημα ‘der Schlaf, Beischlaf’ (S.), κοιμη-τήριον ‘Schlafzimmer, Ruhe-, Grabstätte’ (Inschr.); auch κοιμίζω = κοιμάω (nachhom., vorw. poet.) mit κοίμισις, -ισμός, -ιστής, -ιστικός (spät); eher aus κοιμάω umgebildet als von *κοίμη, *κοῖμος selbständig abgeleitet. — 3. κειμήλιον n. ‘Kostbarkeit, Kleinod’ (vorw. poet. seit Il.), sekundär -ιοι Pl. m. (f.) ‘Kostbarkeiten’ (Pl. Lg. 931a; Apposition von πατέρες ἢ μητέρες); zunächst ηλ-Ableitung eines Neutrums *κεῖμα (Frisk Eranos 38, 42 u. 41, 52). In derselben Bed. κεμήλιον (Alk. G 1, 8)? Specht KZ 68, 145 (nach *θεμήλιον, θέμηλα); aber s. zu κεμάς. — Vgl. auch κῶμα und κώμη. — Verbale Ableitungen : Iterativum (παρε)- κέσκετο (ξ 521, φ 41); desiderative oder futurische Formen κείω, κειέμεν, κείοντες usw.; späte Erweiterung κατεκείαθεν· κατεκοιμήθη H. (wohl nach hom. μετεκίαθεν); weitere Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer 679, Chantraine Gramm. hom. 1, 322 und 453. — Eine genaue Entsprechung des abstufungslosen athematischen Präsens κεῖται liegt auf indoiranischem Gebiet in aind. śéte, aw. saēte ‘liegt’ vor; dazu stimmt noch bis auf die Endung das synonyme heth. kitta, -ri; ganz unsicher dagegen lyk. sijęni ‘ds.’ (Pedersen Lykisch und Hittitisch 17f.). Auch die nominalen t- und m-Bildungen kehren außerhalb des Griechischen wieder: bret. argud ‘leichter Schlaf’ < *ar-eḱoi-to-; germ., z. B. got. haims ‘Dorf, Heim’, lett. sàimė ‘Hausgesinde, Familie’, lit. šeimýna ‘ds.’, aksl. sěmьja ‘ds.’, wohl auch kelt., z. B. air. cōim ‘lieb’. Andere Ableitungen desselben Verbs sind in lat. cīvis, germ., z. B. got. heiwa-frauja ‘Hausherr’, aind. śéva- ‘traut, freundlich, lieb’ u. a. m. ebenso wie in arm. sēr ‘Neigung, Liebe’ mit sirem ‘lieben’ vermutet worden. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 358ff., Pok. 539f., W.-Hofmann s. cīvis. I-809-810
κειμήλιον s. κεῖμαι. I-810
κειρία, auch κιρία, κηρία, καιρία f., oft pl. ‘Bettgurt, Binde (zu Wundverbänden, Totenbinden), Bandwürmer’ (Ar. Av. 816, LXX, Pap., Mediz., Ev. Jo. 11, 44 u. a.). — Beziehung zu καῖρος ‘Schnur, Schlinge’ od. ähnl. liegt nahe, aber die weitaus gewöhnlichsten Schreibweisen κ(ε)ιρ-, κηρ- bleiben dabei schwerverständlich. Somit unerklärt; vgl. Scheller Oxytonierung 57f. I-810
κείρω, Aor. κεῖραι, ep. usw. auch κέρσαι, Pass. καρῆναι (καρθέντες mit v. l. κερθέντες Pi. P. 4, 82), Fut. κερέω, κερῶ, Perf. Pass. κέκαρμαι, dazu Akt. κέκαρκα (hell. u. spät), ‘abschneiden, scheren, bes. vom Haar, abästen, abmähen, abweiden, aufzehren’ (seit Il.). oft mit Präfix, z. B. ἀπο-, δια-, περι-, Komp. ἀ-κερσε-κόμης ‘mit ungeschnittenem Haar’ (ep. seit Υ 39), auch ἀ-κειρε-κόμᾱς, -ης (Pi. u. a.); zur Form Schwyzer 442, zur Bed. Fink Philol. 93, 404ff. Ableitungen. 1. κέρμα n. ‘abgeschnittenes Stück, bes. kleines Geldstück, Kleingeld, Scheidemünze’ (Emp. 101, 1 [nicht ganz sicher], Kom., hell. u. sp.) mit κερμάτιον (hell. u. sp.) und κερματίζω ‘zerstückeln, in kleines Geld umwechseln’ (att., Arist., Pap.); davon κερματιστής ‘Geldwechsler’ (Ev. Jo. 2. 14), κερματισμός ‘Zerstückelung’ (Olymp.); κερματόομαι = -ίζομαι (Prokl.). — 2. κορμός m. ‘abgehauenes Stück, Klotz, Rumpf’ (seit ψ 196) mit κορμίον (hell. u. sp.), κορμηδόν ‘in Klötzen’ (Hld.), κορμάζω ‘in Klötze zersägen’ (D. H.). — 3. κουρά s. bes. 4. καρτός s. bes. — Vgl. noch κόρση, κόρις, κέρτομος, 2. κέλωρ. — Das primäre hochstufige Jotpräsens κείρω aus *κερ-ι̯ω, das zusammen mit dem übrigen Paradigma ein regelmäßiges, innerhalb des Griechischen ausgebautes System bildet (Schwyzer 715, 751, 759), gehört zu einer weitverbreiteten idg. Wortgruppe; immerhin fehlen genaue Entsprechungen zu den griechischen Verbformen. Am nächsten kommen die ebenfalls hochstufigen arm. k‘erem ‘kratze, schabe’ (mit sekundärem Aorist k‘ere-c̣i; anders, nicht besser, über k‘erem Meillet BSL 37, 12), alb. sh-kjer ‘reiße auseinander’ (Prät. sh-kora aus idg. *qēr-); dazu noch heth. karšmi ‘abschneiden’ (mit s-Erweiterung wie in κουρά; s. d.). Sehr gewöhnlich sind die Formen mit anlautenden. idg. sq-: germ., z. B. ahd. sceran ‘scheren’ (hochstufiges Wurzelpräsens), lit. skiriù, skìrti ‘trennen, scheiden’ (schwundstufiges Jotpräsens), air. scar(a)im ‘trenne’ (schwachstufiges ā-Präsens). Eine t-Erweiterung erscheint u. a. in aind. kr̥-n-t-áti ‘scheidet’ (infigiertes Nasalpräsens; Perf. ca-kart-a); sie wäre auch für den Aorist ἔκερσα (wenn aus *ἔ-κερτ-σα) denkbar (Risch 219). — Die Zahl der einzelsprachlichen Nominalableitungen ist fast unabsehbar; dabei konnten selbstverständlich parallele Neubildungen entstehen. So decken sich formal ganz κέρμα und aind. cárman-, aw. čarəman- n. ‘Haut, Fell’, apreuss. kērmens m. ‘Leib’ (idg. *qér-men-); nur im Ablaut weichen voneinander ab κορμός und aksl. krъma f. ‘Steuerruder, Achterteil des Schiffes’, russ. kormá ‘puppis’ (zur Bed. Persson Beitr. 172 m. A. 1). — Weitere Formen bei WP. 2, 573ff., Pok. 938ff., W.-Hofmann s. carō, cēna, corium; daselbst auch reiche Lit. I-810-811
κείω, 1. κειέμεν, κείων, κείοντες usw. — desiderative oder futurische Formen von κεῖμαι, s. d. I-811
κείων 2. ‘spaltend’ (ξ 425) s. κεάζω. I-811
κεκαδών ‘berauben’ redupl. Ptz. Aor. Akt. ‘beraubend’ (Λ 334), κεκαδήσει Fut. ‘er wird berauben’ (φ 153 = 170), κεκαδῆσαι· βλάψαι, κακῶσαι, φείσασθαι, στερῆσαι H.; dazu das Med. ὑπὸ ... κεκάδοντο ‘sie wichen zurück’ (Δ 497 = Ο 574) und das intr. Plusquamperf. ἐκεκήδει· ὑπε<κε>χωρήκει H. — Die Bedeutungsverschiedenheit zwischen den akt.-transitiven und den med.-intr. Formen läßt sich wohl aus der Diathese erklären. Aus dem Griechischen gehört hierher noch κάδυρος· κάπρος ἄνορχις H. (v. Blumenthal Hesychst. 39); unsicher κάδαμος· τυφλός. Σαλαμίνιοι H. — Anknüpfung an κήδω ‘betrüben usw.’ ist ebenfalls denkbar, aber nur, wenn man die sonst naheliegende Verbindung mit aind. kadanam n. ‘Vernichtung’ (ep. klass.) aufgeben will. — Fern bleiben lat. cadō (Fick 1, 42) und cēdō (Bechtel Lex. s. κεκάδοντο mit Kuhn KZ 1, 92), wohl auch χάζομαι (Schwyzer 748 als Hypothese). I-811
κέκασμαι, (ἐ)κέκαστο (ep. poet. seit Il.), κεκαδμένος (Pi. O. 1, 27) ‘sich auszeichnen, übertreffen, sich rüsten’ (zu -σμ- aus -δμ- Schwyzer 208 und 773). Davon κάδμος· δόρυ, λόφος, ἀσπίς. Κρῆτες H. (d. h. "Rüstung"; vgl. Bechtel Dial. 2, 787), wohl auch die EN Κάδμος, att. Vasen Κασσμος (anders Schulze Kl. Schr. 698 und Bottiglioni Glotta 21, 55f.) und Κάστωρ (s. d.); ebenso Καστι-άνειρα (Θ 305). — Ein synonymes Perf. Akt. besitzt das Aind. in śāśadúḥ, Ptz. śā́śadāna- ‘sich auszeichnen, hervorragen’. Ganz unsicher ist die Verbindung mit mir. cā(i)d ‘heilig’, gall. caddos ‘sanctus’; fernzuhalten lat. Camēnae, s. W.-Hofmann s. v. m. Lit. — Zu κέκασμαι wurde als Analogiebildung ein Präsens καίνυμαι geschaffen, s. d. I-811-812
κεκαφηότα Ptz. Perf. Akt. m. sg. mit θυμόν (Ε 698, ε 468); in später Epik (Opp., Nonn.) mit γυῖα, δέμας oder absolut; auch -ηότας (Nonn.) und -ηότι (θυμῷ, ταρσῷ; Opp., AP). Der bei den Späteren unverkennbare intr. Gebrauch ‘erschöpft, ermüdet’ trifft auch für Homer zu (θυμόν somit entweder Objekt zum Hauptverb oder Akk. der Beziehung); eine trans. Bedeutung ‘aushauchend’ ist bei einem alten Perfekt ausgeschlossen; vgl. Nehring ClassPhil. 42, 113ff. — Schon von Kuhn KZ 1, 137 mit dem hochstufigen Ind. κέκηφε· τέθνηκεν H. verbunden; zum Ptz. auf -ηώς Schwyzer 770, Chantraine Gramm. hom. 1, 428. Weitere Anknüpfungen sind hypothetisch: zu ἐκάπυσσεν (ψυχήν Χ 467), ἐγκάπτει· ἐκπνεῖ H. usw. (s. καπνός; Kuhn, Curtius, Osthoff u. a.); zu κηφήν, κωφός (Bezzenberger BB 5, 313, Solmsen Wortforsch. 123, Bechtel Lex. s. v.). I-812
κεκῆνας · λαγωούς. Κρῆτες H. — Nicht sicher erklärt. Zur Bildung vgl. λειχήν, κωλήν u. a. (Chantraine Formation 167f., Schwyzer 487); als Grundlage kann sowohl ein Verb wie ein Nomen in Betracht kommen. Die Zusammenstellung mit aind. śaśá- ‘Hase’ (zuletzt Mayrhofer Stud. z. idg. Grundspr. 27ff.), wozu sekundär śaśati ‘springen’, setzt eine dialektische idg. Assimilation ḱ-s > ḱ-ḱ voraus (Schwyzer 302), da śaśá- ja von dem weitverbreiteten Namen des Hasen (germ., z. B. ahd. haso, apreuss. sasins, kymr. cein-ach < *ḱasnī) nicht zu trennen ist. Eine solche Assimilation ist aber besonders wegen der neuiran. und Pamirformen (z. B. pashto sōe, wakhi süi, Morgenstierne Pashto 66) nicht wahrscheinlich. — Von Solmsen Wortforsch. 144f. wird κεκήν mit einem im Slavischen, Germanischen und Keltischen vertretenen Verb für ‘springen usw.’ verbunden, z. B. aksl. skočiti ‘springen’, ahd. scëhan ‘eilen, schnell fortgehen’, kymr. scochid ‘weicht, geht fort, zu Ende’, idg. sqeq-; man muß dann für κεκήν eine Anlautsvariante qeq- annehmen. I-812
Κέκροψ, -οπος m. mythischer König Athens, halb Mann, halb Schlange; davon Κεκρόπιος, f. -πίς ‘kekropisch, attisch’, Κεκροπία f. = Athen, -πίδαι N. der Athener (ion. att.). — Nach Hekat. 119 J. fremden Ursprungs; Kretschmer Glotta 4, 309 will es dagegen durch Metathese aus *Κέρκοψ ‘mit Schwanz versehen’ erklären. I-812-813
κεκρύφαλος m. ‘weibliche Netzhaube, von der ἀναδέσμη umwunden’ (seit Il.), auch ‘Teil des Hauptgestells des Zaumzeugs’ (X., att. Inschr.), ‘Bauch des Jagdnetzes’ (X., Plu.), ‘der zweite Magen der Wiederkäuer, Netzmagen’ (Arist. u. a.; Strömberg Wortstudien 63f.). — Technisches Wort unbekannter, wohl asiatischer Herkunft, vielleicht nach κρύφα, κρύπτω umgebildet. Unhaltbare idg. (κρύπτω, κορυφή, κρόκη) und semitische Etymologien bei Bq. I-813
Κεκυπώσιος (μήν) m. Monatsname in Zelea (Mysien; SIG 279, 17, IVa). — Nach Schwyzer KZ 65, 248 A. 1 s. v.a. "Kukkucksmonat", der Monat, in dem üblicherweise der Kuckuck zu rufen beginnt, viell. illyrisch-thrakisch; nach einem onomatopoetischen Namen des Kuckucks. I-813
κέλαδος m. ‘Getöse, Lärm, scharfer Laut’ (ep. poet. seit Il.; zur Bedeutung und Verbreitung Trümpy Fachausdrücke 155). Vereinzelt in Kompp., z. B. κελαδο-δρόμος ‘ihren Lauf durch den Jagdlärm nehmend’ (Orph.; von Artemis), δυσ-κέλαδος ‘mit unheimlichem Getöse’ (Π 357 usw.); zu ’Εγκέλαδος s. bes. Ableitungen: κελαδεινός, äol. (Pi.) -εννός ‘lärmend, tosend’ (ep. lyr. seit Il.; analogisch nach den Adj. auf -εινός, Chantraine Formation 195f.); κελαδῆτις ‘ds.’ (γλῶσσα, Pi. N. 4, 86; Fraenkel Nom. ag. 1, 164f., Redard 10); κελάδων, -οντος ‘ds.’ (ep. seit Il.), auch als Flußname (Η 133; dazu Krahe Beitr. z. Namenforsch. 2, 236; 3, 162), eher Sekundärbildung auf -ντ- (vgl. zu ἱμάς m. Lit.) als von einem Denominativum *κελάδω (Schwyzer 723, Bechtel Lex. s. κέλαδος). Denominativum κελαδέω, Aor. κελαδῆσαι ‘rauschen, lärmen, zwitschern usw.’ auch trans. ‘besingen’ (ep. lyr. seit Il.) mit κελάδημα (E. in lyr. u. a.). — Der Bildung nach zu ὅμαδος, χρόμαδος, ῥοῖβδος und anderen Schallwörtern stimmend (Schwyzer 508, Chantraine Formation 359f.), gehört κέλαδος (idg. qelə-) zu καλέ-σαι, κλη-τός mit derselben Hochstufe wie in τελα-μών neben τλή-μων (dor. τλά̄-μων). Anders Zupitza KZ 36, 55: κέλα-δος aus qeln̥- (vgl. die Nomina auf -άδ-, Chantraine 349ff.). — Weiteres s. καλέω; vgl. auch κελαρύζω. I-813
κελαινός ‘schwarz, dunkel, finster’ (ep. poet. seit Il.). Als Vorderglied u. a. (mit Haplologie) in κελαι(νο)-νεφής ‘schwarzwolkig’, von Ζεύς (Hom., Pi.); auch von αἷμα (Hom.), von πεδίον, σκότος (Pi.), zur Erklärung (Umbeziehung in einem vorhomerischen Vers?) Leumann Hom. Wörter 202ff. Denominative Verba: κελαινόομαι ‘dunkel werden’ (A. Ch. 413, lyr.), κελαινιάω ‘schwarz sein’ (Opp., Nonn.; nach den Krankheitsverba auf -ιάω, Schwyzer 732). — Morphologisch isoliert und somit schwierig zu beurteilen. Zum Ausgang vgl. περκνός, ἐρεμνός u. a., aber das vorausgehende κελαι- bleibt dabei unverständlich. Bei Annahme eines ιο-Suffixes (mit Metathese) kommt man dagegen zunächst auf einen n-Stamm zurück, der auch in lat. colum-ba ‘Taube’ (nach der Farbe) vorliegen kann (Prellwitz BB 22, 102f.). Dagegen ist aind. kalaṅka- m. ‘Fleck, Schmutz’ als mutmaßliches dravidisches LW fernzuhalten (Mayrhofer Wb. s. v.). — Weiteres s. κηλίς; vgl. auch κόλυμβος und κιλλός. I-813-814
κελαρύζω nur Präsensstamm mit Ausnahme vom Aor. κελάρυξε (Lyr. Adesp. 90, 1) ‘rauschen, rieseln’, vom Wasser (ep. poet. seit Il., auch sp. Prosa). Davon κελάρυσμα ‘das Rauschen’ (Opp.), κελάρυξις ‘ds.’ (H.). — Expressives Schallwort auf -(ρ)ύζω wie τονθορύζω, γογγύζω, ὀλολύζω, κλύζω, wohl zu κέλωρ· φωνή H. (wozu noch κελωρύειν, -ρύσας H.), u. zw. zunächst entweder von einem Adjektiv *κελαρός, -ής (wie ὕδωρ : ὑδαρής u. a.; dazu Bechtel Lex. s. v.) oder von einer Nebenform *κέλαρ (wie τέκμωρ : τέκμαρ; dazu Bq und Benveniste Origines 17); letzten Endes zu κέλαδος, καλέω, s. dd. I-814
κελεα, auch -εια, -ηα, -οια, -υα f. (auch n. pl.?) Bez. eines jugendlichen Agons in Sparta (lakon. Inschr., Kaiserzeit), vgl. Bechtel Dial. 2, 376. — Über eine Hypothese von Laum s. Wahrmann Glotta 17, 242. I-814
κελέβη f. ‘Gefäß mit großer Öffnung, Art Mischkrug’ (Anakr., Theok., Kall. usw.) mit κελεβήϊον (Antim. 17). — Auffallend ist die Ähnlichkeit mit hebr. koeloeb ‘Gefäß’ (Lewy Fremdw. 104); somit wohl semitisch oder Mittelmeerwort, vgl. Kretschmer Glotta 11, 284. Nach Güntert Labyrinth 27 A. 2 zu lat. calpar; s. zu κάλπις. — Verfehlte idg. Etymologien bei Bq. I-814
κελεΐς · ἀξίνη H. S. κελεός. I-814
κελέοντες m. pl. ‘die Bäume des stehenden Webstuhls’ (Ar. Fr. 795, Antipho Fr. 11, Theok., Ant. Lib.), nach H. auch = ’τὰ ὁπωσοῦν μακρὰ ξύλα, δοκοί, ἱστοί’. — Wohl eig. als "die Emporragenden" Ptz. Präs. von *κελέω, Denominativum von *κέλος, formal = aksl. čelo ‘Stirn’ mit weiterem Anschluß an κολοφών, κολωνός, s. d. Frisk IF 49, 97f. — Nicht mit H. zu κελοί = ξύλα, vgl. zu κελεός. S. auch 1. κέλωρ. — Hierher noch Celetrum Stadt im westlichen Makedonien (Liv. 31, 40; vgl. Frisk Symb. Oslo. 11, 64ff. mit Unhaltbarem über Κελένδερις, κελένδρυ(ν)ον)? I-814
κελεός m. ‘Grünspecht, Picus viridis’ (Arist.). — Bildung wie γαλεός, θυρεός, εἰλεός u. a. (Chantraine Formation 51) und letzten Endes wohl als "der Hauer" od. ähnl. mit κελοί = ξύλα (H. s. κελέοντας) zu κολάπτω, κόλος (s. dd.). Nach Bechtel KZ 44, 357 zu lit. kùlti ‘dreschen’; Zweifel bei Kretschmer Glotta 5, 309. Huber Comm. Aenip. 9, 16 sieht in der schwankenden Überlieferung (vv. ll. καλιός, κολιός usw.) ein Indiz fremder Herkunft. Eine Deminutivbildung scheint in κελεΐς· ἀξίνη H. ("die Hauerin") vorzuliegen. I-815
κελέτρα f. (IG 9 : 2, 521, Larissa IIIa). - Geländebezeichnung, aber nähere Bedeutung unbekannt, — mithin etymologisch schwierig zu beurteilen. Hypothese von Frisk Symb. Oslo. 11, 64ff.: als ‘Trift’ zu κέλομαι, κέλλω. Anders v. Blumenthal Hermes 74, 98f.; eig. ‘Ölkelter, Ölpresse’ zu κολετράω, s. d. I-815
κέλευθος f., pl. auch -α n. (zum fem. Genus Schwyzer-Debrunner 34 A. 2, zum neutr. Plur. Egli Heteroklisie 125) ‘Weg, Pfad, Bahn, Reise’ (ep. poet. seit Il., auch IG 5 [2] 3, 23, Tegea IVa). Vereinzelt als Vorderglied, z. B. κελευθο-ποιός ‘Weg bahnend’ (A.), öfter als Hinterglied, z. B. ἱππο-κέλευθος ‘den Weg zu Pferd machend, Wagenkämpfer’ (Il., von Patroklos); zu ἀκόλουθος s. bes. Wenige Ableitungen: κελεύθειᾰ f. ‘Weggöttin’, Beiname der Athena in Sparta (Paus. 3, 12, 4; nach den Nomina auf -ειᾰ), κελευθείας· τὰς ἐνοδίους δαίμονας H.; κελευθήτης ‘Reisender’ (AP 6, 120), nach ἀγυιήτης, πολιήτης u. a.; eine Änderung in das geläufigere -ίτης (z. B. von Redard Les noms grecs en -της 33 empfohlen) ist (trotz ὁδίτης) nicht geboten. — Zu κέλευθος u. Verw. im allg. Ruijgh L’élément achéen 123f. — Die Schwierigkeit, für ein θ-Suffix ein unmittelbar einleuchtendes Vorbild zu finden, hat zu mehreren Versuchen Anlaß gegeben, κέλευθος mit ἐλευθ- in ἐλεύσομαι usw. zu verknüpfen. So Brugmann Sächs. Ber. 1897, 28 (κέλευθος aus κελεύειν und ἐλευθ- kontaminiert), Pisani Rend. Acc. Lincei 6 : 5, 9 (aus κε- in κεῖνος u. a. und ἐλευθ-; dagegen Kretschmer Glotta 20, 253), ders. Ist. Lomb. 77, 552f. (aus *κελο-λευθος; von κέλομαι). Anders, nicht besser, Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 373ff.: κέλευθος nach κέλομαι umgebildet für *κλεῦθος (zu κλύω, s. d.). Unmittelbarer Anschluß an κελεύειν wird dagegen von Specht Ursprung 254 und 280 gelehrt, indem er, wenig überzeugend, das suffixale θ als idg. th in dem synonymen aind. pánthāḥ ‘Weg’ (vgl. zu πόντος) und in dem stammverwandten lit. keliū́ta ‘Weg’ wiederfinden will. Letzteres ist aber offenbar von kẽli-as ‘Weg, Straße, Bahn’ gebildet und steht mit κέλευθος in keinem unmittelbaren Zusammenhang; vgl. Fraenkel KZ 72, 177. Ebensowenig sind au in dem denominativen keli-áuti ‘wandern, reisen’ und ευ in κέλευθος miteinander gleichzusetzen (dafür Fraenkel Lit. et. Wb. s. kẽlias). Dagegen könnten kẽl-i-as und κέλ-ευ-θος einen alten Suffixwechsel i : eu (u) repräsentieren (Specht Ursprung 143). — Weiteres s. κελεύω. I-815-816
κελεύω, -ομαι, Aor. κελεῦσαι, -σασθαι, oft mit Präfix, z. B. παρα-, δια-, ἐπι-, ἐν-, ‘antreiben, auffordern, befehlen’ (seit Il.). Ableitungen, auch von den Präfixkompp. (hier nicht besonders notiert): κέλευ(σ)μα ‘Aufforderung, Befehl’ (ion. att.), auch ‘Zuruf des κελευστής’ (s. u.), woraus rom. LW, z. B. ital. ciurma, frz. chiourme ‘Gesamtheit der Ruderknechte eines Schiffes’ (vgl. Kahane Byz.-Neugriech. Jbb. 15, 97), κελευσμός (ion. att.), κελευσμοσύνη (Hdt.), κέλευσις (att. usw.) ‘ds.’ (zum analogischen -σ- in κέλευσμα usw. Schwyzer 773 und 761); κελευστής "Antreiber", d. h. ‘Rudermeister’ (att. usw.; zur Bedeutung Richardson Class. Quart. 37, 55ff.); κελευστικός ‘auffordernd’ (att. usw.). Erweitertes Ptz.: κελευτιόων, -όωντε (-άων, -άοντε) ‘anfeuernd’ (Ν 125, Μ 265), Vorbild unklar, vgl. Schwyzer 732 m. A. 5 und Lit. — Von κέλομαι ‘antreiben, in Bewegung setzen’ mit einer unerklärten ευ-Erweiterung, deren Alter aus κέλευθος ‘Weg’ (zur Bed. vgl. u. a. Weg: be-wegen, ἄγυια : ἄγειν und Luther Weltansicht und Geistesleben 28f.) hervorgeht und die auch in τελευ-τή vorzuliegen scheint. Nicht wahrscheinlich Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 367ff.: κελεύω nach κέλομαι für *κλεύω zu *κλεῦσαι ‘aufhorchen lassen’ (zu κλύω); dagegen Frisk GHÅ 56 : 3, 8f. I-816
κελεφός ‘aussätzig’ (Cat. Cod. Astr. 8 (4), 189) mit κελεφία ‘Aussatz, lepra’ (Kyran. 15). Als Vorderglied κελυφο-κομεῖον ‘Krankenhaus für Aussätzige’ (BMus. Cat. Copt. MSS. p. 453, Nr. 1077). — Zum Ausgang vgl. das synonyme ἀλφός ‘lepra’; sonst unklar. Strömberg Wortstudien 99, wie vor ihm Lewy Fremdw. 70, sieht darin nur eine lautliche Variante von κέλυφος ‘Schale’ (mit oppositivem Akzent), was semantisch gewiß möglich ist. Fremder Ursprung (vgl. Chantraine Formation 264) kommt bei diesem technischen Wort natürlich auch in Betracht. — Idg. Wurzeletymologie (zu σκάλλω usw.) bei Bq, WP. 2, 591, Pok. 924. Abzulehnen Mann Lang. 28, 34. I-816
κέλης, -ητος ‘Renner’ (seit ι 371; vgl. Delebecque Cheval 49f.), ‘schnellsegelndes Schiff’ (ion. att.), auch κέληξ ‘Renner’ (IG 5 : 1, 213; Sparta Va). m. Davon κελήτιον ‘Schaluppe’ (Th., App.); κελητίζω ‘auf Rennpferden (als Kunstreiter) reiten’ (Ο 679 usw.), κελητιᾶν· κελητίζειν, ἱππεύειν H. — Bildung auf -ητ- bzw. -ηκ- (Schwyzer 499 und 496), wohl von κέλομαι ‘antreiben’ (s. d.). Davon lat. celēs, celōx (nach vēlōx) ‘schnellsegelndes Schiff’. — Ganz fraglich ist die Zusammenstellung mit aw. čarāitī ‘junge Frau’ (wohl zu čar- ‘sich bewegen’, s. πέλομαι) und mit germ., z. B. ahd. helid ‘Held’ (Johansson WZKM 19, 237, Meillet MSL 17, 114). I-816-817
κελλάς · μονόφθαλμος H. — Wenn nicht expressive Gemination, muß -λλ- auf -λν- zurückgehen. Dann ist κελλάς als Fem. von κελλός zu betrachten, das tatsächlich auch bei H. belegt ist, allerdings im Sinn von στρεβλός, πλάγιος (vgl. zu κυλλός), und entweder auf einen nominalen n-Stamm zurückgeht oder zu einem Verb mit no-Suffix gebildet ist (idg. *qel-n-ó-s oder *qel-nó-s). Eine auffallende semantische Übereinstimmung zeigen indessen air. (akymr.?) coll, aind. kāṇá- ‘einäugig’, die idg. *qol-no- repräsentieren können (vgl. Mayrhofer Wb. s. v.) und sich dann nur im Ablaut von κελλάς unterscheiden wurden. Lit. bei WP. 1, 436, u. a. Persson Beitr. 2, 646f. u. 960f. I-817
κέλλω (Gramm.), Aor. κέλσαι (ep. poet. seit Od.; zum Lautlichen Schwyzer 285), Fut. κέλσω (A., E.), κελῶ (H.) ‘antreiben (tr. u. intr.), bewegen, anfahren, landen’, auch mit Präfix, bes. ὀ-κέλλω, Aor. ὀκεῖλαι (ion. att.), vereinzelt ἐπι-, ἐγ-, εἰσ-, συγ-κέλσαι (ep., auch Hp., Ar.), ἐπ-έκειλα Act. Ap. 27, 41. Daneben κέλομαι (ep. poet. seit Il., dor.), Aor. (ἐ)κέκλετο (ep. poet. seit Il.) mit neuem Präsens κέκλομαι (A. R.), (ἐ)κελήσατο (Pi., Epich., Epid.), Fut. κελήσομαι (κ 296), vereinzelt mit ἐπι-, παρα-, ‘antreiben, auffordern, zurufen’. Dazu das athematische κέντο (Alkm. 141) aus *κέλτο (zum Lautlichen Schwyzer 213, zur Bildung ebd. 678f.). — Ableitungen κέλης, κελεύω, κλόνος, s. dd. — Die semantisch eng verwandten κέλλω (Jotpräsens) und κέλομαι laufen formal ohne Vermischung nebeneinander her. Die ursprüngliche Zusammengehörigkeit ist aber kaum anzuzweifeln, obwohl für κέλομαι die Bedeutung ‘zurufen’ an καλεῖν denken lassen könnte (so zuletzt Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 367f., Specht KZ 59, 86ff.); sie dürfte trotzdem aus ‘antreiben, auffordern’ sekundär entwickelt sein. — Die übrigen Sprachen bieten keine Formen, die zu den griechisehen genau stimmen. Semantisch am nächsten steht das sekundäre Präsens aind. kalayati (kāl-) ‘treibt’. Zu beachten ist auch der Wurzelaorist toch. A śäl, B śala ‘er brachte’, pl. kalar, śälāre (Pedersen Tocharisch 183ff.), wozu ein nā- Präsens källāṣ, källāṣṣäṃ; weder Bedeutung noch Form sind aber eindeutig. Dasselbe gilt für alb. qil ‘bringe, trage’ und für germ., z. B. got haldan ‘βόσκειν, ποιμαίνειν’, nhd. halten. Eine Nominalbildung ist lat. celer ‘schnell’; ganz unsicher dagegen lat. celeber ‘belebt’. I-817-818
κέλῦφος n. ‘Frucht-, Zwiebel-, Eierschale usw., Hülse’ (Ar. V. 545 [lyr.], Arist., Thphr., AP u. a.). Davon κελύφιον (Arist.), κελύφανον ‘ds.’ (Lyk., Luk.) mit κελυφανώδης ‘schalenähnlich’ (Thphr.); auch κολύφανον· φλοιός, λεπύριον H. (-ο- nach κολεός u. a., vgl. Grošelj Razprave 2, 43). — Zum neutralen Genus, das bei φ-Ableitungen nur ganz ausnahmsweise erscheint, vgl. die synonymen σκῦτος, νάκος, δέρος u. a. Als "Hülle" gehört κέλυφος unzweifelhaft zur Sippe von καλύπτω; auszugehen ist von dem hochstufigen Verb, das in ahd. helan usw. (s. καλύπτω) vorliegt, wobei man für die Herkunft des ῦ auf Vermutungen hingewiesen ist; vgl. zu κολέος. — Abzulehnen Sütterlin IF 25, 67, Pisani Jb. f. kleinas. Forsch. 3, 150. I-818
κέλωρ 1., -ωρος m. ‘Abkömmling, Sohn’ (E. Andr. 1033 [lyr.], Lyk. u. a.); davon κελώριον· παιδίον H. — Wegen des Ausgangs (wie ἕλωρ, τέκμωρ u. a.; Schwyzer 519) vielleicht eig. n. ‘Nachkommenschaft’. Wenn aus *κέρωρ dissimiliert, tritt κέλ-ωρ als r-Stamm an die Seite des alten s-Stamms in lat. Cerēs, ahd. hirsi ‘Hirse’, arm. seṙ (idg. *ḱer-s-i-) ‘Geschlecht, Nachkommenschaft’; ein alternierender n-Stamm läßt sich in alb. thjerrë (< *ḱer-n-) ‘Linse’, eig. ‘Futter, Nahrung’ vermuten. Bq s. v. und MSL 17, 113ff.; reiche Lit. bei WP. 1, 408 (Pok. 577), W.-Hofmann s. Cerēs. Weiteres s. κορέννυμι und κόρη. — Anders, gewiß nicht besser, Frisk IF 49, 98. I-818
κέλωρ 2. · ἐκτομίας, γάλλος, σπάδων H. — Wenn aus *κέρωρ dissimiliert, wohl mit Bq zu κείρω, s. d. Ein alternierender n-Stamm z. B. in lat. carō, -nis urspr. *‘Abschnitt, Stück’. I-818
κέλωρ 3. · φωνή H. mit κελωρύειν· κεκραγέναι, βοᾶν (H., Phot.), κελωρύσας· φωνήσας, βοήσας (H.). — S. κελαρύζω. I-818
κεμάς, -άδος ‘Hirschkalb, junger Hirsch, junge Hindin, Spießer’ (Κ 361, A. R., Kall., auch späte Prosa); auch κεμμάς (Q. S., AP, H.; hypokoristische Gemination) und κεμφάς (H.; nach den Tiernamen auf -φάς, -φος wie γρομφάς); f. κεμαδο-σσόος ‘Hirschkälber jagend’ (Nonn.). Davon κεμήλιος Bein. des Dionysos (Alk. G 1, 8); wohl nach der Tracht, vgl. Gentili Maia 2 : 3-4, 2f., Nilsson Gr. Rel. 1, 570f.; Suffix indessen auffallend; vgl. Risch IF 33, 195 mit anderen Deutungen; s. auch zu κειμήλιον; — auch κέμων· ἑτερόφθαλμος H. (Grošelj Razprave 2, 42)? — Ableitung auf -άς, u. zw. entweder von einem o-Stamm *κέμος = aind. śámaḥ ‘hornlos’ (λίθος : λιθάς) oder von einem m-Stamm (νίφ-α : νιφάς), der auch dem german. Wort für ‘Hindin’, z. B. ahd. hinta f. zugrunde liegt (urg. *hin-ðī́ [-ði̯ō] < idg. *ḱem-tī́ wie hund, urg. *hun-ða- < idg. *ḱu̯n̥-tó-; s. κύων). Direkte suffixale Verbindung zwischen κεμάς und dem german. Wort ist nicht anzunehmen. Die Schwundstufe des m-Stammes ist in lit. šm-ùlas ‘hornlos’ erhalten. — Abweichend über die Stammbildung WP. 1, 385f. (mit reicher Lit.); verfehlt Specht Ursprung 132 u. 264. Vgl. noch Lüders KZ 56, 282ff. I-818-819
κενέβρεια ‘Tierleiche, Aas’ (Ar. Av. 538, Erot., Phot.) n. pl., auch sg. (Ael. NA 6, 2) — Unerklärt. Vgl. κινάβρα. I-819
κενεών ‘die Weichen’ s. κενός. I-819
κενός (att.), ep., auch ion., kypr. und epid. κενε(ϝ)ός, ep. ion. poet. κεινός ‘leer, eitel’ (seit Il.). Oft als Vorderglied, z. B. κενε-αυχέες (Vok. pl. Θ 230, -έα AP, κεν-αυχής Plu., AP) ‘leer, eitel prahlend’; Hinterglied zu αὐχέω, wenn nicht danach umgebildet für -ευχέες (zu εὖχος, εὔχομαι), Wackernagel Unt. 65, Bechtel Lex. s. v.; κέν-ανδρος ‘leer an Männern’ (A. Pers. 119 [lyr.], S. OC 917) mit -ία (A. Pers. 730 [troch.]), vgl. Sommer Nominalkomp. 191; κεν-εμβατέω ‘ins Leere treten, fehltreten, in eine Höhlung stoßen’ mit κενεμβάτησις (Plu., Mediz. u. a.), wie von *κεν-εμβάτης nach anderen Ableitungen auf -βατέω von Zusammenbildungen mit -βά-της. Ableitungen: κενεών, -ῶνος m. ‘der leere Raum zwischen Hüften und Rippen, die Weichen’ (ep. ion., X., LXX usw.; zur Bildung Schwyzer 488 und Chantraine Formation 164); κενεότης, -νότης f. ‘Leere’ (ion. bzw. att.); κενήριον = κενοτάφιον (hekl.), wohl nach ἠρίον, wenn nicht damit zusammengesetzt (danach ψευδήριον ‘ds.’ [Lyk.]). Denominatives Verb κενόω, -νεόω ‘entleeren, veröden’ (ion. att.) mit κένωσις, -νέωσις ‘Entleerung’ (ion. poet., att.), wozu κενώσιμος (Anon. ap. Suid.; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 99), κένωμα, -νέωμα ‘leerer Raum’ (hell. u. sp.), κενωτικός ‘ausleerend usw.’ (Gal. u. a.). — Zu κενός, ion. κεινός, beide aus *κενϝός, vgl. z. B. στενϝός; zu κενεϝός stimmt ἐτεϝός; auszugehen ist somit wahrscheinlich von einem υ-Stamm *κενύς. — Angesichts der stark wechselnden Ausdrücke für ‘leer’ ist die Übereinstimmung zwischen κενός und arm. sin, Gen. sn-oy (o-St.) ‘ds.’ (idg. *ḱen-, Stamm unsicher) auffällig und zeugt von den nahen Beziehungen dieser Sprachen zueinander (vgl. z. B. Schwyzer 57, Porzig Gliederung 157). I-819
Κένταυροι m. pl. Ben. mythischer Wald- und Bergbewohner, halb Menschen, halb Pferde; bei Homer, wo die Pferdegestalt noch ganz zurücktritt, auf die Gegend von Pelion und Ossa beschränkt (seit Il.). Davon Κενταύρειος ‘zu den K. gehörig’ (E., Luk.), -(ε)ιον N. einer Heilpflanze, ‘Centaurea salonitana’ (Thphr., Dsk., Pap. u. a.; nach dem kräuterkundigen Kentauren Cheiron, daher auch χειρωνιάς genannt; Strömberg Pflanzennamen 100), auch Κενταυρίη (Hp.) und -ρίς (Thphr.) ‘ds.’; Κενταυρ-ικός ‘kentaurenartig, wild, roh’ (Ar.), -ίδης ‘von Kentauren stammend’ (Luk.). — Eigentliche Bedeutung unbekannt, mithin ohne Etymologie; wahrscheinlich Fremdwort. Der alte verfehlte Vergleich mit aind. Gandharvá- m. N. eines mythischen Wesens (Kuhn KZ 1, 513ff.) wird noch von Carnoy Le Muséon 49, 99f. und von Dumézil Le Problème des Centaures (Paris 1929) 253ff. (wo noch lat. februum herangezogen wird) verteidigt. Oft mit κεντεῖν ‘stacheln’ verbunden mit verschiedenen Auffassungen des Hinterglieds: zu einem angeblichen *auro- ‘Pferd’ (Nazari Riv. fil. class. 32, 99); zu αὔρα ‘Luft’ (Mannhardt Antike Wald- und Feldkulte [1877] 39ff.); zu demselben Wort für ‘Wasser’, das u. a. auch in ἄναυρος ‘Gießbach’ (s. d.) vermutet wird (Kretschmer Glotta 10, 50ff., 211f.). Noch anders Sturtevant ClassPhil. 21, 235ff. (von Kretschmer Glotta 17, 249f. abgelehnt), v. Blumenthal ZNF 16, 155ff. — Ausführlich über die Kentauren Nilsson Gr. Rel. 1, 229ff. I-819-820
κεντέω (seit Pi.), Aor. κένσαι (Ψ 337), κεντῆσαι (Hp. usw., κέντᾱσα Theok. 19, 1), Pass. κεντηθῆναι (Arist.) mit κεντηθήσομαι (Hdt.), κεντήσω (S.), κεκέντημαι (Hp.), auch mit Präfix, z. B. κατα-, παρα-, ἀπο-, δια-, ‘stacheln, stechen’. Ableitungen. 1. Das aus κένσαι für *κέντ-σαι (Schwyzer 287) zu erschließende κεντ- (Präsens oder starker Aorist?; vgl. unten) ging vor Dental lautgemäß in κεσ- über. So κεσ-τός (< *κεντ-τός) ‘gestickt’ (ep., sp. Prosa; Ammann Μνήμης χάριν 1, 17); κέσ-τρον ‘spitzes Eisen usw.’ (Plin. u. a.) mit κεστρωτός und κέστρωσις (H.; *κεστρόω), κέσ-τρος ‘Art Pfeil usw.’ (Plb., D. H., H.) mit dem Demin. κεστρίον (Attika) und κέστρειον ‘Vorrat von Pfeilen (?)’ (Delos IIIa); κέσ-τρα f. ‘Spitzhammer, Bolzen’ (S., Ph. Bel., Hero), auch Fischname = σφύραινα (Ar. usw.; nach der Körperform, Strömberg Fischnamen 35); dazu κεστρεύς ‘Seebarbe’ (ion. att.; Bosshardt Die Nom. auf -ευς 51) und κεστρῖνος, -ινίσκος ‘ds.’ (Kom.). — 2. Durch Umbildung nach κεντ-έω (nicht mit ρο-Suffix nach Fraenkel KZ 42, 118 A. 1) entstand κέντρον ‘Stachel, Stachelstab’, als geometrischer term. techn. ‘ruhender Zirkelschenkel, Mittelpunkt eines Kreises’ (seit Il.), wovon eine Menge Komposita und Ableitungen, z. B. κεντρ-ηνεκής ‘mit dem Stachel angetrieben’ (Il.; vgl. mit anderer Funktion des Hinterglieds δουρ-, ποδ-ηνεκής); Subst. κέντρων s. bes.; Adj. wie κεντρικός, >κεντρώδης, κεντρήεις; Fisch- bzw. Pflanzennamen wie κεντρίνης, κεντρίσκος, κεντρίτης (Strömberg Fischnamen 47, Redard Les noms grecs en -της 83, 111); denominative Verba κεντρόω ‘mit einem Stachel versehen, stechen’ (ion. att.), κεντρίζω ‘stacheln’ (X. u. a.); von κέντρον auch als Rückbildung κέντωρ m. ‘Sporner’ (Il., AP; Fraenkel Glotta 2, 32). — 3. Von κεντέω (κεντῆ-σαι, -σω): κέντημα ‘der Stich, das Mosaik’ (Arist., Inschr. Smyrna [Kaiserzeit]), κεντητής ‘Mosaikarbeiter’ (Edict. Diocl.), κεντητήριον ‘Pfriem’ (Luk.), κεντητικός ‘stachelig’ (Thphr.), κεντητός ‘gestickt, mit Mosaik eingelegt’ (Epikt., Pap.). — 4. Mit altem Ablaut κοντός m. "der Stecher", ‘Stange, Schifferstange, Stab zum Antreiben des Viehs’ (seit ι 487; LW lat. contus mit percontor) mit κοντά-κιον, -άριον, -ίλος, -ωτός u. a.; dazu κοντός ‘kurz’ (Adam. u. a.) durch Loslösung aus κοντο-μάχος, -βόλος, -βολέω u. a., wo κοντός als ‘kurz’ aufgefaßt wurde; so schon in κοντο-πορεία (Plb. u. a.), s. Hatzidakis Festschrift Kretschmer 35ff., wo über die zahlreichen mittel- und neugr. Ableger; dazu Wahrmann Glotta 17, 234. — Zu dem sigmatischen Aorist κένσαι aus *κέντ-σαι wurde nach unbekanntem Vorbild ein Präsens κεντ-έω neugebildet (vgl. Schwyzer 706), wozu κεντῆ-σαι, κεντή-σω usw. — Aus anderen Sprachen kommen als Verwandte nur isolierte Nominalbildungen in Betracht: ahd. hantag ‘spitz’, Ableitung von urg. *handa- (formal = κοντός), lett. sīts ‘Jagdspieß’ (= lit. *šiñtas < idg. *ḱentos- n.?), wozu noch einige keltische Wörter, z. B. bret. kentr ‘Sporn’, kymr. cethr ‘Nagel’, die aber alle wahrscheinlich aus lat. centrum entlehnt sind. — Lit. bei Bq, WP. 1, 402, W.-Hofmann 2, 423, Pok. 567. I-820-821
κέντρον ‘ Stachel (stab) usw.’ s. κεντέω. I-821
κέντρων 1., -ωνος m. eig. "der den Stachel verdient", ‘Spitzbube’ (S. Fr. 329, Ar. Nu. 450). — Von κέντρον, s. κεντέω. I-821
κέντρων 2., -ωνος m. ‘Lumpenrock, Flickwerk usw.’ (hell. u. spät); davon κεντρωνάριον (Pap. -όριον) Bed. unbekannt (POxy. 2, 326 [Ip]). — Aus lat. centō ‘ds.’ entlehnt unter Anlehnung an κέντρον ("der zerstochen ist"); ob auch 1. κέντρων dabei mitgewirkt hat, bleibt bei der abweichenden Bedeutung ganz fraglich. I-821
κέπφος m. N. eines unbekannten Wasservogels, gewöhnlich, aber ohne eigentlichen Grund, mit dem Sturmvogel, Thalassidroma pelagica identifiziert (Arist., Thphr., Lyk., Nik.); auch übertr. von einem leicht zu täuschenden, einfältigen Menschen (Ar., Kall.). Davon κεπφόομαι ‘sich leicht täuschen lassen, einfältig sein’ (LXX, Cic.). — Das Wort enthält offenbar eine expressiv-volkstümliche Gemination, ist aber sonst unerklärt. Eine Nebenform ist κεμπός· κοῦφος, ἐλαφρὸς ἄνθρωπος H. (Grošelj Živa Ant. 7, 43; vgl. die Beschreibung des κέπφος bei H. : εἶδος ὀρνέου κουφοτάτου κτλ.). — Solmsen IF 30, 7 A. 1 vergleicht lat. hebes, aber der Vogelname ist ohne Zweifel primär. Zum Sachlichen Thompson Birds s. v. I-821-822
κεραΐζω (ep. ion. poet. seit Il.), Aor. κεραΐσαι (Hdt.), -ΐξαι (Nonn.), Fut. Inf. κεραϊξέμεν? (Π 830 nach Bekker für κεραϊζέμεν), auch mit ἐκ- (Kall., AP), ‘verwüsten, zerstören, vernichten’. Davon κεραϊστής ‘Zerstörer’ (h. Merc. 336; Zumbach Neuerungen 7), κεραϊσμός ‘Zerstörung’ (D. H.). — Die sekundäre Präsensbildung κεραΐζω, wovon alle übrigen Verbalformen ausgehen, hat wahrscheinlich ein älteres primäres Verb ersetzt, das in den Nasalpräsentia aind. śr̥ṇā́ti ‘zerbricht’, air. ar-a-chrin ‘zerfällt’ erhalten ist. Der zweisilbige Stamm κερα- hat ein genaues Gegenstück im aind. Aorist a-śarī-t (Länge des ī sekundär) und im air. Präteritum do-cer ‘er fiel’ (idg. ḱerə-). Im Griechischen ist er noch in ἀ-κέρα-ιος ‘unversehrt’, vielleicht auch in ἀ-κήρα-τος ‘ds.’ (η metr. Dehnung?, vgl. s. v.) vorhanden. Wie δαΐζω ‘zerschneiden’ eine Erweiterung von δαίω ist (vgl. s. v.), trat das sinnverwandte κεραΐζω an die Stelle des verschwundenen primären Verbs. Die Ansetzung eines vermittelnden Nomens *κερα-ϝός (Bechtel Lex. s. v., WP. 1, 410 u. A.; vgl. auch Schwyzer 735) ist nicht wahrscheinlich und jedenfalls überflüssig. — Unabhängige Bildungen sind κεραυνός und κήρ; s. dd. mit weiteren Anknüpfungen. I-822
κεραΐς f. (Lyk. 1317; Akk. -ΐδα). Nach den Scholl. z. St. Ben. eines kleinen Vogels, die an der fraglichen Stelle der Medea beigelegt wird. Darauf bezieht sich die H.-glosse κεραΐς· κορώνη. — Eig. fem. von κεραός ‘gehörnt’ und somit einen dem Geschlecht der Hornvögel (Bucerotidae) angehörigen Vogel bezeichnend. I-822
κεράϊς, nur Akk. κεράϊν (Thphr. HP 9, 15, 5; cerain Plin. HN 19, 82), nach Thphr. a. a. O. medizinische Benennung des wilden Rettichs, der ῥάφανος ἀγρία. — Die Ähnlichkeit mit dem slavischen Wort für ‘Meerrettich, Cochlearia Armoracia’, z. B. russ. chrén, čech. křen, muß, wenn nicht zufällig, auf Entlehnung aus gemeinsamer Quelle (Küsten des schwarzen Meeres?) zurückgehen. Schrader-Nehring Reallex. 2, 55; weitere Lit. bei Vasmer Russ. et. Wb. s. v. I-822
κεράμβυξ, -υκος m. Käferart mit langen Fühlhörnern, ‘Hornschröter’ (Nik. Fr. 39, H.; zur Bed. Goossens L’Ant. Class. 17, 263ff.). — Volkstümliche Bildung von κέρας durch Kombination eines labialen und eines gutturalen Elements; vgl. einerseits σήραμβος, κόλυμβος, κόρυμβος u. a. (Chantraine Formation 261), anderseits βόμβυξ, ὄρτυξ usw. (ebd. 383 und 397). Eine andere Bildung ist κεράμβηλον, von H. u. a. mit κάνθαρος glossiert; vgl. πέτηλος, κίβδηλος u. a. — Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 406. I-822-823
κέραμος m. ‘Töpfererde, Ziegel, Ziegeldach, Tongefäß, Topf, Krug, Faß’ (seit Ik.), Ε 387 als (unterirdisches) Gefängnis gebraucht, eine Bedeutung, die vom Schol. z. St. auch den Kypriern zugeschrieben wird, aber nach Leumann Hom. Wörter 270 A. 17 und 273 vielmehr als hom. Nachbildung aus den Κύπρια ἔπη stammt (vgl. indessen Latte Glotta 34, 200ff. mit überzeugenden Gegenargumenten, auch σιρός· πίθος, δεσμωτήριον H.; dazu Bechtel Dial. 1, 450). Kompp., z. B. κεραμουργός ‘Töpfer’ (hell.). Zahlreiche Ableitungen: A. Stoffadjektiva: κερά-μινος (Hdt. u. a.), -μικός (ion. att.), -μεος (Pl. u. a.), -μεοῦς (att., hell.; nach ἐρεοῦς von ἐρέα), -μοῦς (hell.), -μαῖος (Plb.), -μιος (Str.), -μήϊος (Nik.), -μῖτις (Hp., Plu. usw.; Redard Les noms grecs en -της 107). — B. Substantiva. 1. κεραμεύς ‘Töpfer’ (seit Il.; myk. ke-ra-me-u) mit Κεραμεικός m. "Töpfermarkt", ein großer Platz in Athen, auch als Adj. = -μικός (X. u. a.), κεραμευτικός ‘zum Töpfer gehörig’ (D. S. u. a.), κεραμεῖον ‘Töpferwerkstatt’ (att. usw.), κεραμεύω ‘aus Ton herstellen, Töpfer sein’ (att.) mit κεραμεία ‘Töpferei’ (Pl. u. a.). 2. κεράμιον ‘irdenes Gefäß, Tonkrug, Faß’ (ion. att.) mit κεραμύλλιον ‘Krüglein’ (Delos, Pap., IIIa; Leumann Glotta 32, 215). 3. κεραμίς f. ‘Dachziegel, (Ziegel)dach’ (ion. att.) mit κεραμίδιον (spät) und κεραμιδόω ‘mit Ziegel decken’ (Arist. usw.). 4. κεραμ(ε)ών ‘Töpferei’ (Ar. Lys. 200, Hdn. Gr. 1, 32; 40). — Denominatives Verb κεραμόω ‘mit Ziegel decken’ (att. Inschr. usw.) mit κεραμωτός (Plb., Str.), κεράμωσις (Epid. IVa usw.). — Ohne sichere Etymologie. Die Anknüpfung an κερά-σαι, κεράννυμι (Prellwitz mit Hirt u. A.) ist formal tadellos, aber semantisch nicht befriedigend. Direkter Zusammenhang mit lat. cremāre als "terra coctilis" (Vaniček) ist formal schwer zu begründen; wir hätten vielmehr auf ein Verb qer- ‘brennen, glühen, heizen’ zurückzugreifen (WP. 1, 418f., Pokorny 571f.), das in verschiedenen baltischen und germanischen Nominalableitungen vermutet worden ist, z. B. lit. kárštas ‘heiß, glühend, brennend’ (daneben kir̃š-ti ‘aufgebracht werden, in Zorn geraten’), got. haúri n. ‘Kohle’, ahd. herd ‘Herd’; hinzu kommt das mehrdeutige aind. kūḍayati ‘versengt, verbrennt’; dagegen scheidet das primäre lit. kùrti ‘feuern, heizen’ aus, weil eig. ‘(Feuer) anmachen’, s. Fraenkel Lit. et. Wb. s. v. Da aber unter den Wörtern auf -(α)μο- nicht wenige fremder Herkunft verdächtig sind (Chantraine Formation 133f., Schwyzer 493f.), ist bei diesem technischen Ausdruck des Ziegelsteinbaus auch mit vorgr.-kleinasiatischem Ursprung zu rechnen; zu beachten der karische ON Κέραμος (Kretschmer Glotta 11, 284, Schrader-Nehring Reallex. 2, 694). Über eine ganz unsichere protohattische Entsprechung s. Laroche BSL 51, p. XXXIV. I-823-824
κερανίξαι auch κρανίξαι· ἐπὶ κεφαλὴν ἀπορρῖψαι H. · κολυμβῆσαι, κυβιστῆσαι; — Letzteres scheint ein Denominativum von κρανίον zu sein, κερανίξαι läßt sich dann als Umbildung nach κέρας erklären. Mit lat. cernuus ‘kopfüber hinstürzend’ besteht kein direkter Zusammenhang; s. W.-Hofmann s. v. m. Lit. I-824
κεράννυμι (att.), auch κεραννύω (Kom., Hyp.), κεραίω (Ι 203, Delph. Va usw.), κεράω (Od. u. a.; Konj. κέρωνται Δ 260), κίρνημι, -νάω (vorw. poet. und ion. seit Od.), Aor. κεράσ(σ)αι (seit Il.), auch (ἐπι-)κρῆσαι (η 164, Hp.), Pass. κρᾱθῆναι, κρηθῆναι (ion. att.), auch κερασθῆναι (att.), Perf. Med. κέκρᾱμαι, -κρη- (Sapph., Pi., ion. att.), auch κεκέρασμαι (Arist. usw.), Fut. κερῶ (att.), κεράσω (Them.), Pass. κρᾱθήσομαι (att.), auch mit Präfix, bes. συν- ‘mischen, vermischen’, insbes. von Wein mit Wasser, ‘mildern, temperieren’ (vom Klima usw.) Ableitungen. A. Von κρᾱ- (κρη-): 1. κρᾶσις, κρῆσις (σύγκρ. usw.) ‘Mischung’ (ion. att.) mit *κρᾱσίον > ngr. κρασί ‘Wein’ (Kretschmer Glotta 15, 64f., Hatzidakis ebd. 139f.; zur Bedeutungsgeschichte von κρᾶσις s. Den Dulk Κρᾶσις. Bijdrage tot de Grieksche Lexicographie. Diss. Leiden 1934). 2. κρᾶμα (vereinzelt auch κράμμα nach βάμμα u. a.), ion. κρῆμα ‘Mischung, Legierung’, auch ‘gemischter Wein’ (ion. hell.) mit κραμάτιον (Dsk.) und κραμ(μ)άτινος ‘aus einer Legierung bestehend’ (Pap.). 3. κρᾱτήρ, κρητήρ m. "Mischer", ‘Mischkrug’, auch übertr., ‘Krater’ (seit Il.; myk. ka-ra-te-ra?; zur Bed. Brommer Herm. 77, 359 u. 366) mit κρατηρία ‘ds.’ (Dsk. u. a.; Scheller Oxytonierung 54) und den Deminutiva κρατήριον, κρη- (Hp. u. a.), κρατηρ-ίδιον (Böot., J.), -ίσκος (Delos IIIa, Ath.); κρατηρίζω "eine Bowle trinken", ‘sich berauschen’ (Sophr., D. u. a.; vgl. Wackernagel Glotta 14, 52f. = Kl. Schr. 2, 860f.). 4. Zusammenbildungen wie ἄ-κρᾱ-τος (-η-) ‘ungemischt’ (seit Il.), αὐτο-κρη-ής "mit sich selbst gemischt", d. h. ‘ungemischt’ (Nik. Al. 163), αὐτό-κρας ‘ds.’ (Poll.). — B. Von κερᾰ-: κατα-κέρασις ‘Mischung (mit Wasser)’ (Arist.), κέρασμα ‘ds.’ (hell. u. spät), συγ-κερασμός ‘ds.’ (Gloss.), κεραστός (εὐ-, ἐγ-κέρ.) ‘gemischt’ (D. H., Plu., APl.), κεραστής ‘Mischer’ (Orph.), ἐπι-, κατα-κεραστικός ‘eine (rechte) Mischung bewirkend usw.’ (Mediz.), μετά-κερας Adj. n. ‘temperiert, lauwarm’ (Kom.), αὐτό-κερας, auch als Adv. ‘ungemischt’ (Poll., Phryn.; vgl. αὐτοκρηής). S. noch zu 2. ἀκήρατος. Im Sinn von ‘unvermischt’ (οἶνος; Dsk. 5, 6, 10) ist ἀκέραιος eine Umdeutung von ἀκέραιος ‘unversehrt’; s. zu 1. ἀκήρατος. — Dem. Verbaladjektiv (ἄ)-κρᾱτος entspricht im Altindischen das Ptz. ā́-śīr-ta- ‘gemischt’; sowohl gr. κρᾱ-, κρη- wie aind. śīr- repräsentieren die Schwundstufe einer zweisilbigen Wurzel (Einzelheiten bei Schwyzer 360ff.). Diese ist in κερά-σαι (woneben analogisch κεράσ-σαι) erhalten; ein entsprechendes aind. *á-śari-ṣam ist nicht zu belegen. Dagegen stimmen bezüglich des Präsenssuffixes zueinander aind. śrī-ṇā́-ti und κίρ-νη-μι; beide Formen sind aber als Neu- oder Umbildungen zu betrachten. Ein idg. *ḱr-nā-ti hätte aind. *śr̥-ṇā́-ti (im homonymen Wort für ‘zerbrechen’ erhalten), gr. *κάρ-νη-σι ergeben sollen; das ι in κίρνημι ist eher Neubildung nach den reduplizierten Präsentia τίθημι, γίγνομαι usw. als alte Reduktionsstufe (Lit. bei Schwyzer 695). — Zu dem alten κερά-σαι gesellten sich als Neubildungen die verschiedenen Präsentia κεραίω, κεράω, κεράννυμι (Schwyzer 676, 681, 697) ebenso wie κερῶ, κεράσω, κερασθῆναι, κεκέρασμαι (beide mit analogischem σ); alt (oder älter) waren κρᾱ-θῆναι, κέ-κρᾱ-μαι (wie βλη-θῆναι, βέ-βλη-μαι u. a.). — Ein anderes Formensystem bietet das Altiranische in dem auch semantisch abweichenden, vielleicht davon zu trennenden aw. sar- ‘vereinigen’ (Gonda Acta Or. 14, 201; s. noch Wackernagel-Debrunner KZ 67, 174 = Kl. Schr. 1, 390) mit dem thematischen Wurzelpräsens sārə-ntē (3. Pl. Med.) und dem einsilbigen athematischen s-Aorist sārəš-tā (3. Sg. Med.). — Weitere Formen mit Lit. bei WP. 1, 419f., Pok. 582; Laryngalbetrachtungen bei Sturtevant ClassPhil. 36, 356ff., Lang. 19, 306. I-824-825
κεραός ‘gehörnt’, sek. ‘aus Horn gemacht’ (ep. poet. seit Il.). — Als *κεραϝός identisch oder nahverwandt mit mehreren Benennungen des Hirsches und anderer gehörnter Tiere: lat. cervus (wie κεραός wohl idg. *ḱerəu̯-o-), kelt., z. B. kymr. carw ‘Hirsch’ (idg. Reduktionsstufe, etwa *ḱr̥̄u̯-o-), alb. ka ‘Ochse’ (ebenso), slav., z. B. russ. koróva, skr. krȁva ‘Kuh’ (idg. *ḱōru̯-ā mit westlicher Behandlung des ḱ wie in alb. ka; illyrisches LW?, s. Porzig Gliederung 175 m. Lit.), lit. kárvė ‘ds.’ (sek. ē-Stamm); daneben mit Palatalisierung und Schwachstufe apreuß. sirwis ‘Reh’, falls nicht vielmehr zu lit. šir̃vas ‘grauschimmelig’ (vgl. zu νεβρός). — Eine parallele >Bildungsweise zeigt der german. Name des Hirsches, z. B. ahd. hiruz, idg. *ḱeru-d-. In beiden Fällen haben wir es mit Ableitungen eines Wortes für ‘Horn’ zu tun, das in aw. srū- f., heth. karau̯-ar n. erhalten ist; vgl. noch zu κόρυδος, κορυφή, κόρυς. Einzelheiten mit reicher Lit. bei W.-Hofmann s. cervus, dazu Sommer Nominalkomp. 20 A. 2. — Weiteres s. κέρας. I-825-826
κέρας Gen. ep. *-ραος, Hdt. -ρεος, att. -ρως, -ρᾱτος, Dat. ep. -ραϊ, Hdt. -ρεϊ, att. -ρᾳ, Nom. Akk. pl. ep. -ρα(α), Hp. und att. -ρᾱτα, Gen. ep. -ράων, att. -ρῶν, -ρᾱτων, Dat. -ρᾱ̆σι, ep. auch -ράεσσι; sp. Epik Gen. sg. -ρά̄ατος, N. A. pl. -ρά̄ατα (weitere Einzelheiten bei Schwyzer 515), myk. ke-ra-a?, n., ‘Horn, Blas-, Trinkhorn’, übertr. ‘Flußarm, Heeresflügel, Spitze usw.’. Als Vorderglied u. a. in κερασ-φόρος ‘horntragend’ (Trag. usw.), auch κερατο-φόρος ‘ds.’ (Arist. u. a.); κεραο-ξόος ‘hornglättend’ (Δ 110, AP; zum euphonisch bedingten Themavokal Schwyzer 440, Sommer Nominalkomp. 20 A. 2), thematisch umgebildet z. B. in κερο-φόρος (E.), außerdem κερε-αλκής ‘starkhörnig’ (A. R.; vgl. Schwyzer 440). Als Hinterglied in der Regel -κερως (m. f.) aus -κερα(σ)-ος in ὑψί-, ἄ-κερως usw.; dazu als besondere Femininform ὑψι-, καλλι-κέραν Akk. (B.; Sommer 20 A. 1); ganz vereinzelt -κέρᾱτος, z. B. ἀ-κέρατος (Pl., Arist.; τῆς ἀκεράτου neben τὴν ἀκέρων Pl. Plt. 265b, c), auch ἀ-κέρωτος (AP), -κερος z. B. in νή-κεροι pl. ‘hornlos’ (Hes. Op. 529); dazu die Subst. δί-κερας n. ‘Doppelhorn’ (Kallix.) und, als Pflanzennamen, αἰγό-, βού-, ταυρό-κερας n. (nach der Form der Frucht, Strömberg Pflanzennamen 54); auch αἰγο-κέρως ‘Capricornus’ mit dem metrisch bedingten Gen. -κερῆος (Arat., Q. S.; vgl. Bosshardt Die Nom. auf -ευς 64). Zahlreiche Ableitungen. Deminutiva: κεράτιον ‘Hörnchen’ (Arist. hell.), N. eines Gewichts u. einer Münze, "Karat" (Hero usw.) = lat. siliqua (Inschr. und Pap.); τὰ κεράτια ‘die Früchte des Johannisbrotbaums’ (Ev. Luk. 15, 16, Dsk. u. a.); davon κερατία f. ‘Johannisbrotbaum’ (Str., Plin.), auch -τέα (Pap., Gp.; nach den Baumnamen auf -έα), κερωνία ‘ds.’ (Thphr., Plin.; wie βρυωνία u. a.; Chantraine Formation 207f.), durch Kreuzung κερατωνία ‘ds.’ (Gal., Aët.). Weitere Substantiva: κερασ-τής m. ‘gehörntes Wesen’ (S., E. u. a.; von ἔλαφος, Πάν usw.), Ben. einer Schlange, ‘Cerastes cornutus’ (Nik. u. a.), f. -στίς (A).; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 209; auch Beiname der Insel Kypros (Hdn. 1, 104, 15: "ἀπὸ τοῦ πολλὰς ἄκρας ἔχειν"); κερατῖτις (μήκων) ‘Art Mohn’ (Thphr., Dsk.; Redard Les noms grecs en -της 72f.); κεραΐτης m. = lat. cornicularius (Lyd. Mag.), κεραῗτις f. "Hornpflanze" = τῆλις u. a. (Redard 41 und 72 m. Lit., Strömberg Pflanzennamen 54); sowohl κεραΐτης wie κεραῗτις gehören aber vielmehr zu κεραία (s. unten); κερατίας m. N. des Dionysos (D. S.), auch Ben. eines Kometen (Plin.; Scherer Gestirnnamen 107); κεραία f. Ben. verschiedener hornähnlicher Gegenstände, z. B. ‘Rahe, Balken, Fühlhorn’, als Schriftzeichen = lat. apex (att., hell.); Demin. κερᾴδιον (Attika, Delos; oder κεραΐδιον?); κερατών, -ῶνος m. Ben. eines Altars auf Delos (hell.; eig. "mit Hörnern geschmückter Platz"; nach den Ortsbezeichnungen auf -ών). — Adjektiva: κεράτινος ‘von Horn gemacht’ (X., Pl. Kom. usw.), κερατίνης m. ‘Hörnerschluß’ (D. L., Luk. u. a.); κερατώδης ‘hornähnlich’ (Thphr.); κερόεις ‘gehörnt’ (Anakr., Simon. usw.); κερέϊνος ‘ds.’ (Aq., Sm. u. a.). — Denominative Verba: 1. κερατίζω ‘mit den Hörnern stoßen’ (LXX u. a.); davon κερατιστής (LXX), κεράτισις (Apollod. Poliork.); κερατισμός ‘Umwechslung in Keratien’ wie von κερατίζω *‘in Keratien umwechseln’ (Pap. VIp, Lyd. Mag.); 2. κερατόω ‘in Horn verwandeln’ (Ael.); 3. κεράω ‘mit Hörnern versehen’ (Arat.), ‘einen Flügel bilden’ (Plb.). — Zu κεραός, κεραΐς, κεράμβυξ, κερανίξαι, κερουτιάω, κέρνα s. bes. — Neben dem hochstufigen κέρας ‘Horn’ steht in κάρᾱ, κάρηνα ‘Kopf’ ein schwachstufiges *καρασ-, in κρᾱνίον ‘Schädel’ ein schwundstufiges *κρᾱσ-; zur Bedeutung s. unten. Eine (sekundäre) Schwachstufe liegt auch in aind. śíras- n. ‘Kopf’ vor (wäre gr. *κάρος; aw. sarah- n. ‘Kopf’ ist mehrdeutig); dazu der schwundstufige Gen. śīrṣ-ṇ-ás (wäre gr. *κρᾱνός; nach Umbildung κρά̄ατος, vgl. zu κάρᾱ). Dagegen erscheint der hochstufige e-Vokal in lat. cerebrum ‘Hirn’ (idg. *ḱeres-ro-m oder *ḱerəs-ro-m; letzteres = κερασ-). — Der s-Stamm hat ein u-Komplement in κερα(ϝ)-ός u. Verw. (s. d.); hinzu kommt die n-Bildung in germ., z. B. nhd. Horn, lat. corn-ū (Verquickung der n- und u-Stämme), aind. śŕ̥ṇ-g-am ‘Horn’ u. a. Hypothesen über die ursprüngliche Verteilung der verschiedenen Formen innerhalb des Paradigmas in der bei W.-Hofmann s. cerebrum angeführten Literatur. Die ursprüngliche Bedeutung war wohl ‘Horn, Gehörn’, woher ‘gehörnter Tierkopf’ und ‘Kopf im allg.’ (anders z. B. WP. 1, 403: eig. ‘das Oberste am Körper’, woraus ‘Kopf’ und ‘Horn’). — Weitere Formen mit Lit. s. zu κάρᾱ, κρᾱνίον, κρήδεμνον, κράνος, außerdem W.-Hofmann s. cerebrum und cornū; ältere Lit. auch bei Bq. I-826-827
κέρασος (κερασός nach Hdn. Gr. 1, 209) m. (f.) ‘Süßkirschbaum, Prunus avium’ (Xenoph., Thphr. usw.). Davon κερασία, -έα ‘ds.’ (Gp.; vgl. κερατία, -έα s. κέρας), κεράσιον ‘Süßkirsche’ (hell. u. spät), *κεράσινος in lat. cerasinus ‘kirschfarbig’, n. κεράσινον ‘kirschroter Farbstoff’ (PHolm.). — Ausgang wie die fremden θίασος, κάρπασος (s. dd.). Da der veredelte Süßkirschbaum aus dem Pontosgebiet stammt (daher Κερασοῦς Stadt am Pontos, "die Kirschreiche"), ist gewiß auch der Name kleinasiatisch. Herkunft sonst unbekannt, nach Bq (zögernd) thrakisch-phrygisch (Bedenken bei Kretschmer Glotta 5, 309); vgl. zu κράνον. — Aus gr. κέρασος, -ία, κεράσιον stammen einerseits asiatische Benennungen des Kirschbaumes und der Kirsche wie arm. keṙas, kurd. ghilas, anderseits lat. cerasus, -ium, vulgärlat. *cerasia, *ceresia, -ea; aus dem Latein wiederum die rom. und germ. Formen wie frz. cerise, ahd. chirsa > Kirsche. — Lit. bei W.-Hofmann s. cerasus. I-827-828
κεραυνός m. ‘Donnerkeil, Wetterstrahl, Blitz’ (seit Il.). Kompp., z. B. τερπι-κέραυνος (s. τέρπομαι), ἐγχει-κέραυνος ‘der den Donnerkeil als Speer hat’ (Pi.; nach ἐγχει-βρόμος ‘der mit dem Speer donnert’), auch κεραυνο-εγχής ‘ds.’ (B.). Ableitungen: κεραύνιος ‘zum Donnerkeil gehörig’, auch ‘vom D. getroffen, den D. schleudernd’ (Trag. usw.), auch κεραυναῖος (AP 7, 49; Steph. -ειος); κεραύνιον N. eines Pilzes ‘Tuber aestivum’ (Thphr., Gal.), weil angeblich gegen den Blitz schützend oder aus dem Donnerschlag entstanden; ebenso κεραυνία = ἀείζῳον μικρόν (Ps.-Dsk.), vgl. Strömberg Pflanzennamen 79f.; letzteres auch N. eines Steins wie κεραυνίας, -νίτης (PHolm., Clem. u. a.; Redard Les noms grecs en -της 55). Denominatives Verb κεραυνόομαι, -όω ‘vom Blitz getroffen werden’, bzw. ‘mit dem Blitz erschlagen’ (seit Hes.); davon κεραύνωσις ‘Donnerschlag’ (Str., Plu.). — Thematische Umbildung eines r-n-Nomens *κερα-ϝαρ, κερα-υν- ‘Zerschmetterung’ von einem verschollenen Verb ‘zerschmettern’, das von κεραΐζω (s. d.) verdrängt wurde; zur Bildung s. ἐλαύνω und Schwyzer 521 m. Lit. — Aind. śáru- ‘Pfeil’ und germ., z. B. got. haírus ‘Schwert’ (Bq) gehören nicht hierher, s. WP. 1, 410f. I-828
Κέρβερος m. N. eines vielköpfigen Hundes, der die Unterwelt bewachte (seit Hes.). — Erklärung strittig. Seit Müller KZ 5, 148f. gewöhnlich mit aind. karbara-, śárvara- ‘gesprenkelt, bunt’ identifiziert, das in der dissimilierten dialektischen Nebenform śabála- den beiden Hunden der Unterwelt beigelegt wird (RV. 10, 14, 10). Zweifel bei Mayrhofer Wb. s. karbaraḥ, wo für das aind. Wort austroasiatische Herkunft erwogen wird. — Nach Pisani Riv. degli studi or. 18, 91f. sind Κέρβερος und śabála- mediterrane LW. Dagegen will v. Wilamowitz Glaube 1, 314 A. in Κέρβερος die glückliche Erfindung eines Dichters sehen; "man hört in ihm das Knurren eines bissigen Köters" (?). Morphologische Betrachtungen bei Specht Ursprung 119 und 262. Ältere Lit. bei WP. 1, 423 (und Pok. 578). I-828-829
κέρδος n. ‘Gewinn, Vorteil, Lohn, Sold, Gewinnsucht’ (seit Il.); im Plur. auch ‘gute Ratschläge, Listen, Ränke’ (Hom.). Vereinzelt als Vorderglied, z. B. κερδο-φόρος ‘gewinnbringend’ (Artem.), als Hinterglied in αἰσχρο-κερδής ‘voll schmutziger Gewinnsucht, habgierig’ (ion. att.) u. a. Ableitungen: Deminutiva κερδάριον, κερδύφιον (Gloss.); κερδοσύνη ‘List’ (Hom., Kleanth. Hymn. 1, 28; Porzig Satzinhalte 226, Wyss -συνη 27), κερδώ f. "die Listige", d. h. ‘der Fuchs’ (Ar., Babr. u. a.); Κέρδων, -ωνος PN (D., Argolis; daraus als Appellativum lat. cerdō ‘gemeiner Handwerksmann’), auch Κερδέων Bein. des Hermes und Κερδείη Πειθώ (Herod. 7, 74); Κερδῷος ‘gewinnbringend’ Bein. des Apollon (Thessal., Lyk.; nach Λητῷος), auch des Hermes (Plu., Luk.), auch auf den Fuchs übertragen (Babr.); κερδητικός ‘gewinnsüchtig’ (Gloss.). — Ferner κερδαλέος ‘gewinnreich, -süchtig, verschlagen’ (seit Il.) und κερδαίνω, Aor. κερδῆναι, -δᾶναι, -δῆσαι ‘gewinnen, Vorteil ziehen’ (Pi., ion. att.); ob diese Bildungen zu κέρδος analogisch neugeschaffen wurden oder Ausläufer eines alten Stammwechsels /n:l/(:s) sind (Schwyzer 484 m. Lit.), läßt sich kaum entscheiden; jedenfalls gehört κερδαίνω nicht zu Κέρδων (Schwyzer 724). — Außerdem die primären, zu κέρδος neugebildeten Steigerungsformen κερδίων ‘vorteilhafter’ (poet. seit Il.), κέρδιστος ‘der listigste’ (Hom.), ‘der vorteilhafteste’ (Trag.), vgl. Seiler Steigerungsformen 84. — Die einzige brauchbare außergriechische Anknüpfung bieten einige keltische Wörter: air. cerd (idg. *kerdā) ‘Kunst, Handwerk’, auch ‘aerarius, figulus, poeta’, kymr. cerdd ‘Gesang’. — Aus der zweifelhaften H.-glosse κήρτεα· τὰ κέρδη lassen sich schwerlich morphologische Schlüsse (vgl. Schwyzer 512 A. 3) ziehen. Lit. bei Bq, WP. 1, 423, auch W.-Hofmann s. cerdō; dazu E. Lewy Festschrift Dornseiff 226f. I-829
Κερεάτας m. Bein. des Apollon in Arkadien (Paus. 8, 34, 5). — Wohl von dem ON Κερέα. Nach anderen eig. = "der Gehörnte" (zu κέρας) als N. eines alten Hirtengottes; vgl. Κάρνειος neben κάρνος. Näheres bei Nilsson Gr. Rel. 1, 536. I-829
κέρθιος m. N. eines kleinen Vogels mit heller Stimme, viell. ‘Baumläufer, Certhia familiaris’ (Arist. HA 616b 28). — Unerklärt; vgl. zu κρέξ. I-829
κέρκα · ἀκρίς; κέρκαξ· ἱέραξ; κέρκνος· ἱέραξ ἢ ἀλεκτρυών H. - S. κέρκος. I-829
κερκάς · κρὲξ τὸ ὄρνεον; κερκιθαλίς· ἐρῳδιός H. - S. κρέξ. I-830
κέρκηρις, -εως N. eines Wasservogels (PCair. Zen. 388b, IIIa, BGU 1252, 30, IIa), lat. cerceris (Varro LL 5, 79; mit querquēdula verglichen, das Gloss. 3, 319, 13 u.ö. durch κερκήδης paraphrasiert wird); κερκίων m. N. eines indischen sprechenden Vogels, Art Mynah (Acridotheres tristis oder Gracula religiosa?; Ael. NA 16, 3; Thompson Birds s. v.); κερκορώνους Akk. pl. N. unbekannter indischer Vögel (Ael. NA 15, 14). — Zu κερκίων vgl. πορφυρίων, ἀκανθίων und andere Vogel- und Tiernamen; wohl von κέρκος, "ἐπειδὴ καὶ αὐτὸς διασείεται τὸν ὄρρον, ὡς ποιοῦνται οἱ κίγκλοι" (Ael.). In κερκορωνος vermutet Thompson s. v. Haplologie für κερκο-κορώνη; ob κέρκηρις ebenfalls zu κέρκος oder etwa zur Sippe von κρέξ gehört, bleibt ungewiß. S. noch W.-Hofmann s. cerceris und querquēdula. I-830
κερκίς, -ίδος f. ‘Stäbchen, an dem der Einschlagfaden befestigt wurde, Weberschiffchen’ (seit Il.); übertr. von ähnlichen Gegenständen, z. B. ‘Schienbein, Armröhre’ (A. R., Heroph. Med. u. a.), ‘keilförmiger Ausschnitt der Zuschauerplätze im Theater’ (hell.); als Baumname u. a. ‘Espe, Populus tremula’ (Arist., Thphr.). Als Vorderglied in κερκιδοποιική (τέχνη) ‘die Kunst eines κερκιδοποιός’ (Arist.); als Hinterglied in παρα-κερκίς f. ‘Wadenbein’ (Poll.). Ableitungen: Deminutivum κερκίδιον (Pap.); κερκιδιαῖον ‘keilförmiger Klotz’ (Attika); κερκίζω ‘mit dem Weberschiffchen hantieren’ (Pl., Arist.) mit κέρκισις ‘Weberei’ (Arist.), κερκιστική (τέχνη) ‘Webkunst’ (Pl.), κέρκιστρα n. pl. ‘Weberlohn’ (Pap.). Außerdem noch κερκάδαι pl. ‘die Weber’, Ben. einer Gewerbevereinigung (Argos); vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 176. Deminutivum von κέρκος (s. d.), wahrscheinlich in einem ursprünglichen Sinn *‘Stab, Rute’ (vgl. Vendryes REGr. 25, 461). — Nicht mit Prellwitz u. a. zur Sippe von κρέξ (nach dem Summen des Weberschiffchens). I-830
κερκολύρα s. κρέκω. I-830
κέρκος f. (nach οὐρά?) ‘Schwanz eines Tieres’ (Kom., Pl. Phdr. 254d, Arist. usw.), ‘membrum virile’ (Ar., Herod.). Kompp. z. B. κερκο-φόρος ‘schwanztragend’, ἄ-κερκος ‘schwanzlos’ (Arist.); zu κέρκουρος und κέρκωψ s. bes. Davon die Deminutiva κερκίς (s. d.) und κερκίον (Aq., Sm., Thd.); außerdem die Tiernamen κέρκα· ἀκρίς H., κερκώπη N. einer Zikade (Ar. usw.; Strömberg Wortstudien 16; vgl. zu Κέρκωπες), wohl auch κέρκαξ· ἱέραξ H. und (mit unklarem, vielleicht verderbtem Ausgang) κέρκνος· ἱέραξ, ἢ ἀλεκτρυών H. (nach dem langen oder charakteristischen Schwanz; auch κέρκος wird von H. u. a. mit ἀλεκτρυών glossiert; vgl. indessen auch zu κρέξ); — κέρκωσις ‘schwanzartiger Auswuchs’ (Mediz. u. a.; nach καρκίνωσις u. a. wie von *κερκόομαι); κερκέτης· τὸ μικρὸν πηδάλιον H. (Paus. Gr. Fr. 118). — Im Gegensatz zu οὐρά scheint κέρκος, eig. wohl ‘Stab, Rute’ (s. zu κερκίς), aus der niedrigen Sprache zu stammen. Ursprung sonst unbekannt; einige ganz fragliche Hypothesen (zu κρέκω?, κρίκος, κίρκος?, mir. corc ‘Haarbekleidung’?, κέρας?, aus *κερ-κρ-ος dissimiliert?) werden bei Bq (mit Add. et Corr.) notiert. I-830-831
κέρκουρος m. ‘leichtes, urspr. kyprisches Fahrzeug’ (Hdt., hell.), auch N. eines Meerfisches (Opp.; vgl. Strömberg Fischnamen 48). Kompp. ταυρο-κέρκουρος, κερκουρο-σκάφη Ben. verschiedener Fahrzeuge (hell. Pap.). Dem. κερκούριον (AP 5, 43; als f. PN); κερκουρίτης ‘Matrose eines κ.’ (hell. Pap.; Redard Les noms grecs en -της 43). — Eig. als Bahuvrihi ‘mit einem κέρκος-ähnlichen Hinterteil’, sofern nicht volksetymologische Zurechtlegung eines Fremdworts; semitische Hypothese von Movers bei Lewy Fremdw. 152; dazu Chantraine Étrennes Benveniste 13f. — Lat. LW cercūrus als Fischname (Ov., Plin.). I-831
Κέρκυρα daneben Κόρκυρα (att. Inschr. 433a, auch kerkyräische Münzen; wohl durch Assimilation ε — υ > ο — υ entstanden, Schwyzer 255) f. (Hdt., Th., att. Inschr. seit 375a), die Insel Korkyra (Korfu); davon Κερκυραῖος (Κορ-) ‘Bewohner von K.’. — Hierher noch der illyrische Volksname Κέρκυρες (vgl. Ἴλλυρες); danach der Inselname? (Schwyzer 66 m. Lit.). Nach Mayer KZ 70, 76ff. eig. "Eicheninsel", von dem illyr. Wort für ‘Eiche’ zu lat. quercus, got. fairguni ‘Gebirge’ usw. Andere Kombinationen bei Specht Sprache 1, 40f. I-831
Κέρκωπες m. pl. N. zweier neckischer Kobolde, die von Herakles gefesselt wurden (Hdt. u. a.), übertr. im Sing. ‘Necker, Spitzbube’ (Aeschin. u. a.), N. eines langschwänzigen Affen (Manil.); davon κερκωπία ‘Neckerei’ (Semon.), κερκωπίζω ‘necken, verspotten’ (Zenob., H.). Daneben, mit Erweiterung nach den ā-Stämmen, κερκώπη· τέττιξ θήλεια μὴ φωνοῦσα H. (vgl. Prellwitz Glotta 16, 152). — Eig. ‘mit schwanzartigem Aussehen, langschwänzig’, von κέρκος (s. d.) und -ωψ (Schwyzer 426 A. 4). Gil Emerita 25, 312 will in κερκώπη ‘τέττιξ’ ein Kompositum *κερκο-ϝωπ-η ‘mit schriller Stimme’ sehen, was u. a. im Hinblick auf die Erklärung bei H. (s. oben) wenig für sich hat. I-831
κέρνα 1. · ἀξίνη H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 40 von κείρω und somit von κέαρνα (s. zu κεάζω) zu trennen (?). I-831
κέρνα 2. -ναι f. pl. n. pl., ‘die beiden Auswüchse an den Knochenfortsätzen der Rückenwirbel’ (Poll. 2, 180). — Nach gewohnlicher Annahme aus *κερσ-ν-α mit derselben Stammbildung wie in κάρηνα (aus *καρασ-ν-α), κρανίον (aus *κρᾱσ-ν-), aber im Ablaut davon abweichend. Ein genaues Gegenstück zu κερσ-ν- aus idg. *ḱers-n- kann in dem germanischen Wort für ‘Hirn’, z. B. ahd. hirni (aus idg. *̂rs-n-iio-m neben awno. hiarsi aus *ḱers-on-) vorliegen. Semantisch sehr verlockend ist sonst der Vergleich mit awno. huern ‘die beiden bootförmigen weißen Knochen im Fischgehirn’, das aber wie got. ƕairnei ‘Schädel’ ein anlautendes idg. qu̯- aufweist und zu awno. huerna ‘Kochgeschirr’ usw. gehört; vgl. zu κέρνος. I-832
κέρνος n. (m. Sch. Nik. Al. 217) ‘irdenes, ringsum mit Näpfen besetztes Gefäß, das in dem Mysterienkult gebraucht wurde’ (Ammon. und Polem. ap. Ath. 11, 476f und 478c, H.); pl. κέρνεα· τὰ τῇ μητρὶ τῶν θεῶν ἐπιθυόμενα H.; auch -να (Poll. 4, 103); zur Bedeutung usw. Nilsson Gr. Rel. 1, 128; 270f., 726. — Technisches Wort unbekannter Herkunft, vielleicht vorgriechisch (vgl. Schwyzer 491, Chantraine Formation 209). Mehrere erfolglose idg. Erklärungsversuche: zu κέραμος (s. d.), aind. carú- ‘Kessel’, awno. huerna ‘Kochgeschirr’ (s. Bq und WP 1, 518 m. Lit.; auch Vasmer Russ. et. Wb. s. čéren II); zu lat. scrīnium ‘Schrein’ (Persson BB 19, 261), zu aind. śárāva- ‘Teller’ (H. Petersson Et. Miszellen 18). — Die Nebenform κέρχνος mit κερχνίον (Eleusis) kann schwerlich ursprünglich sein (vgl. Bq), sondern ist wohl durch Volksetymologie verursacht, vgl. κέρχνος, κερχνώματα im Sinn von ‘Erhabenheit, getriebene Arbeiten’. Als Vorderglied in κερνο-φόρος (Nik., Ath. u. a.) mit κερνο-φορέω (Sch.); Kurzform κερνᾶς (AP 7, 709). Deminutivum κερνίον (att. Inschr., Theognost.). I-832
κερουτιάω ‘den Kopf hoch tragen’ (Ar. Eq. 1344) mit κερουτιασμός (Phot.). — Denominativum auf -ιάω (vgl. Schwyzer 732) von *κεροῦττα, echt attisch für κεροῦσσα (S., E.), κερόεσσα (Anakr.) ‘mit Hörnern versehen’ (von κερόεις), Beiwort des Hirsches; somit eig. "sich wie eine κεροῦσσα (ἔλαφος) benehmen". Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 46 (Kl. Schr. 2, 1148), A. 1 (S. 47). I-832
κερτομέω, Aor. (selten) κερτομῆσαι, ‘höhnen, (ver)spotten, lästern, kränken’ (fast nur poetisch seit Il.) mit κερτόμησις (S. Ph. 1236). auch mit ἐπι-, Daneben κέρτομος ‘höhnend, lästernd’ (pöet. seit Hes. Op. 788, späte Prosa) mit κερτομίαι pl. ‘Verspottungen, Kränkungen’ (Hom.; anders Porzig Satzinhalte 207f.); φιλο-κέρτομος ‘den Hohn liebend’ (χ 287, Theok., APl.); auch mit erweiterndem ιο-Suffix κερτόμιος ‘ds.’ (Hom., S. in lyr.). Von ἐπικερτομέω : ἐπικερτόμ-ημα (Demetr.), -ησις (Hdn. u. a.) und als Rückbildung ἐπικέρτομος (Q. S.). — Expressives Wort strittiger Herkunft. Nach Prellwitz Wb. s. v. Univerbierung von κείρειν und τέμνειν (vgl. die Bildungen bei Schwyzer 645; s. auch zu λοιδορέω); ähnlich, aber im einzelnen unklar, Radermacher Festschrift Kretschmer 149ff. Brugmann IF 15, 97f. geht von *κέρ-στομος ‘ein Lästermaul habend’ (vgl. ἐΰ-στομος u. a.) aus und zieht ebenfalls das Vorderglied zu κείρειν (s. auch Benveniste Origines 68 und zu σκερβόλλω). Nach anderen (Walde LEW2 132; vgl. W.-Hofmann s. carinō) ist auch die Sippe von κάρνη an der Bildung des Vorderglieds beteiligt gewesen. Wieder anders Pisani Ist. Lomb. 77, 583. — Ob κέρτομος das Grundwort von κερτομέω darstellt, scheint zweifelhaft; es ist eher als Rückbildung daraus zu verstehen (vgl. Risch 181). I-832-833
κερχνηΐς, -ίδος (-ῄς, -ῇδος), auch κεγχρηΐς, -ρίς (Arist., Ael.), κέγχρη (Arist.), κέρχνη (H.) f. (Ar. Av. 304, 589 u. a.) N. einer Falkenart, wahrscheinlich ‘Turmfalke, Falco tinnunculus’. — Von κέρχνος ‘rauhe Stimme, Heiserkeit’ mit derselben Bildung wie in χλωρηΐς Beiwort der Nachtigall (: χλωρός) u. a. (Chantraine Formation 345f.); daneben κέρχνη nach den η- (ᾱ-) Fem.; κεγχρηΐς usw. durch Metathese, evtl. in Anlehnung an κέγχρος ‘Hirse’; darüber Thompson Birds s. κεγχρηΐς, wo auch über die charakteristische Lautgebung des Turmfalken. I-833
κέρχνος m. ‘rauhe Stimme, Heiserkeit’ (Hp., S. Ichn. 128), ‘rauhe Fläche, Erhabenheit’ (S. Fr. 279), auch = ὁ τῶν ἀργυρίων κονιορτός (Poll. 7, 99). Kompp. ἄ-κερχνος ‘ohne Heiserkeit’ (Aret.), αἱμό-κερχνον n. ‘Bluthusten’ (Hp.; subst. Bahuvrihi). Aus ἄκερχνος und κέρχνω entstand das Adj. κέρχνος (κερχνός?) ‘rauh’ von der Stimme, ‘heiser’ (Gal.). Davon κερχνώδης ‘rauh, heiser’ (Hp.), κερχνασμός ‘Rauheit, Heiserkeit’ (Gal.; wie von *κερχνάζω). Denominatives Verb κερχνόομαι, -όω ‘rauh, uneben sein bzw. machen, gravieren’ (H.) mit κερχνώματα pl. ‘Unebenheiten, erhabene, getriebene Arbeiten’ (H.; danach auch E. Ph. 1386 für κεγχρώμασι zu lesen?, vgl. zu κέγχρος), κερχνωτός ‘getrieben, graviert’ (H.); auch κέρχνω ‘heiser sein oder machen’ (Hp. u. a.; zur Bildung Schwyzer 723 Zus.). — Daneben κερχαλέος ‘rauh, heiser’ (Hp.), auch κερχναλέος (Hp. v. l., Gal.; vgl. unten). Zu κερχνηΐς s. bes. — Ohne sichere Anknüpfung, wohl ursprünglich onomatopoetisch. Eine allgemeine Ähnlichkeit zeigen die unter κρέξ besprochenen Schallwörter; κέρχνος dann aus *κέρκ-σνος? Anderseits erinnert Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 12 an das schallnachahmende aind. ghar-ghara- m. ‘Geknister, Gerassel’, woneben die davon unabhängig gebildeten lat. hirriō ‘winselnd knurren’, ags. gierran ‘krachen, knarren, girren’ u. a. m. (WP. 1, 605, Pok. 439); κέρχνος stände dann für *κερ-χρ-ο-ς und κερχαλέος wäre Analogiebildung nach ἰσχνός : ἰσχαλέος u. a., wozu durch Kreuzung κερχναλέος. I-833-834
κέσκεον n. ‘Werg’ (Herod. 9a), κέσκι<ον>· στυπεῖον, τὸ ἀποκτένισμα τοῦ λινοῦ H. — Volkstümliche Reduplikationsbildung (vgl. Schwyzer 423) aus *κέσ-κεσ-ο-ν zu einem Verb für ‘kämmen, hecheln, kratzen’ in aksl. češǫ (Jotpräsens), česati, wohl auch in heth. kišāi-, idg. qes-, wozu u. a. die Verbalnomina čech. pa-čes ‘Hede, Werg’, lit. kasà ‘Haarflechte, Zopf’ (idg. *qos-ā), mir. cīr f. (*qēs-rā), wohl auch heth. kišri- Ben. eines wollenen Gegenstandes; weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 449f., Pok. 585, Vasmer Russ. et. Wb. s. česátь, W.-Hofmann s. carrō. — Eine Erweiterung davon ist ξέω; s. noch ξαίνω, ξύω. I-834
κεστός κέστρα, -τρον, -τρεύς usw. ‘gestickt’, s. κεντέω. I-834
κεύθω, auch κευθάνω (Γ 453), κυνθάνει· κρύπτει H., Fut. κεύσω, Aor. κεῦσαι, auch κύθε (γ 16), redupl. Konj. κεκύθωσι (ζ 303), Perf. κέκευθα, ‘verbergen, verhehlen’, auch ‘verborgen sein’ (ep. poet. seit Il.). auch mit ἐπι- (ἐνι-, ἀμφι-), Davon κεῦθος n., oft im Plur. -εα ‘Versteck, Höhle, Tiefe’ (poet. seit Il.), κευθμών, -μῶνες ‘ds.’ (vorw. poet. seit Od.), κευθμός, -μοί ‘ds.’ (Ν 28, Lyk., Kall.); vgl. Porzig Satzinhalte 240 und 263; auch κευθῆνες· οἱ καταχθόνιοι δαίμονες Suid. (Schwyzer 487, Solmsen Wortforsch. 143). — Ein nahes Gegenstück zu κεύθω kann auf germanischem Gebiet in dem ags. Jotpräsens hȳdan, nengl. hide ‘verbergen’ vorliegen. Verlockend ist auch der Vergleich mit arm. suzanem ‘untertauchen, verbergen’ (Bugge KZ 32, 38f.; näheres bei Lidén Armen. Stud. 122); er setzt aber ein anlautendes palatales ḱ voraus, das mit den sonst herangezogenen Wörtern, z. B. aind. kuhū́ḥ f. ‘Neumond’ ("der Versteckte"), kuharam n. ‘Höhle’ (Mayrhofer Wb. s. kúhakaḥ), nicht vereinbar ist; auch die übrigen weitverzweigten Vertreter von idg. (s)qeu- ‘bedecken, umhüllen’ (WP. 2, 546ff., Pok. 951ff.) enthalten velares q. Hierher noch einige keltische Verbalnomina, z. B. mir. codal ‘Haut’ (vgl. Vendryes WuS 12, 242); über das unklare lat. cūdō ‘Helm von Fell’ s. W.-Hofmann s. v. — Neben den obengenannten Wörtern aus idg. qeudh- stehen u. a. mehrere mit auslautendem t, s. κύτος. Vgl. noch κύσθος, κύστις, auch σκῦτος und σκῦλα. I-834
κεφαλή f. ‘Kopf, Haupt’, auch übertr. ‘das Oberste, Äußerste, Quelle usw.’ (seit Il.). Zahlreiche Kompp., z. B. κεφαλ-αλγ-ία ‘Kopfweh’ (Hp.), durch Dissimilation -αργία (Luk.); βου-κέφαλος ‘mit Ochsenkopf versehen’ (Ar.), auch als Pflanzenname (Strömberg Pflanzennamen 54); als EN Βου-κεφάλᾱς m. das Leibroß Alexanders des Großen (Str., Plu. u. a.; zur Bildung Schwyzer 451). Viele Ableitungen. Deminutiva: κεφάλιον (att. Inschr. u. a.), -ίδιον (Poll., Pap.), κεφαλίς f. ‘Bolle einer Zwiebel, Spitzkappe eines Schuhes, Säulenkapitell usw.’ (Arist. u. a.), κεφαλὶς βιβλίου ‘Buchrolle’ (LXX); — κεφάλαιον n. ‘Hauptsache, -punkt, -summe, Kapital’ (Pi., att. usw.; selten Adj. κεφάλαιος [Ar. Ra. 854, PMasp. 151, 16, VIp]) mit κεφαλαιώδης, Adv. -ωδῶς ‘die Hauptsache betreffend’ (Hp., Arist., hell. u. spät) und dem Denominativum κεφαλαιόω ‘(die Hauptpunkte) zusammenfassen’ (att. usw.), wovon κεφαλαίωμα ‘Gesamtsumme’ (Hdt. 3, 159), -αίωσις ‘Zusammenfassung’ (Sch.), -αιωτής = lat. capitularius mit -τία (Pap. Kaiserzeit); — κεφαλαία f. ‘chronisches Kopfweh’ (Mediz.); — κεφαλώδης ‘kopfähnlich’ (Thphr.), κεφαλικός ‘zum Kopf, zum Leben gehörig, capitalis’ (Pap., Dsk. u. a.); — κεφαλίτης λίθος ‘Eckstein’ (H.), κεφαλίτης γλήχων wahrsch. ‘Mentha aquatica’ (Hippiatr.; Redard Les noms grecs en -της 73); κεφαλίνη ‘Zungenwurzel’ (Poll.); κεφαλῖνος Fischname = βλεψίας (Dorio ap. Ath.; Strömberg Fischnamen 41), auch κέφαλος ‘Mugil cephalus’ (Hp., Kom., Arist. usw.; ausführlich darüber Thompson Fishes s. v.; anders Pisani Ist. Lomb. 75 : 2, 54f. [: zu aind. śaphara-, lit. šãpalas ‘Cyprinus’]); — κεφάλωμα ‘Summe’ (Messen., Delph.; nach ἀνάλωμα, Bechtel Dial. 2, 156; vgl. auch κεφαλαίωμα oben); κεφαλωτός ‘mit Kopf versehen’ (Arist., hell. u. spät), als Pflanzenname ‘Thymian’ (Ps.-Dsk.; Strömberg Pflanzennamen 50), -ωτόν (sc. πράσον) ‘Zwiebel’ (Pap. u. a.); — κεφαληδόν ‘nach Köpfen gerechnet’ (Priene IVa). — Denominativa: κ]εφαλίζω ‘enthaupten’ (BGU 1, 341, 9); dazu in anderer Bed. κεφαλισμός ‘Multiplikationstafel’ (Arist.); κεφαλόω in κεκεφαλωμένος ‘mit Kopf versehen’ (Arist.-Komm.); κεφαλιόω in ἐκεφαλίωσαν (Ev. Mark. 12, 4), Bed. unklar ‘auf den Kopf schlagen’ oder ‘enthaupten’?, s. Bauer Gr.-dt. Wb. s. v. m. Lit. (verfehlt Pernot Neophilol. 26, 310ff.). — Außerdem die Hypostasen προσ- (dor. ποτι-), ὑπο-κεφάλαιον ‘(Kopf)kissen’ (ion. att.; vgl. Schwyzer-Debrunner 517), ἀποκεφαλίζω ‘enthaupten’ (LXX, Phld. usw.) mit -ισμός, ισμα, -ιστής. — Altes Wort für ‘Kopf’, das auch im Tocharischen und Germanischen zu belegen ist: toch. A śpāl ‘Kopf’ (Auslaut unklar), ahd. gebal m., mhd. gebel ‘Schädel’, ahd. gibilla f. ‘ds.’ (germ. i̯ō-Ableitung); daneben im Sinn von ‘Giebel’ ahd. gibil m., got. gibla m. (n-Stamm) und, mit Ablaut, ano. gafl m. ‘Giebelseite’; idg. *ghebh(e)l-, das wie ein l-Stamm aussieht; ein entsprechendes Grundwort ist indessen nirgends angetroffen. — Hierher noch γαβαλάν· ἐγκέφαλον ἢ κεφαλήν H. und maked. (illyr.?) κεβ(α)λή; s. κεβλή m. Lit. I-835-836
Κέως, -ω f. eine der Kykladen (Inschr., Str.) mit Κεῖος, ion. Κήϊος Bewohner der Insel Keos (ion. att.); Κέος f. Örtlichkeit auf Salamis (Hdt. 8, 76). — "Beiläufiger Einfall" von Solmsen Unt. 125: ob aus *κῆϝος ‘Brand’ (zu καίω)? I-836
κῆβος (Arist., Str., Gal.), auch κῆπος (Agatharch., Str. 16, 4, 16 v. l., Ael.) m. ‘langschwänziger Affe’. — Als LW zu aind. kapí-, hebr. qōf, altägypt. qefi ‘Affe des Landes Punt’. Ursprung sonst unbekannt; nach dem Vokal zu schließen stammt κῆβος zunächst aus dem Ägyptischen. Anders Grimme Glotta 14, 16 (heth.-oriental.). Lewy Fremdw. 6, Mayrhofer Wb. s. kapíḥ m. weiterer Lit. I-836
κῆδος, dor. κᾶδος n. ‘Sorge, Trauer, Leichenbestattung; Verschwägerung, affinitas’ (seit Il.). Als Hinterglied z. B. in ἀ-κηδής ‘sorglos, unbesorgt, unbestattet’ (vorw. poet. seit Il.) mit ἀκήδεια, -ίη, ἀκηδέω, -ιάω; auch ἀ-κήδεσ-τος ‘ds.’ (poet. seit Il.; Schwyzer 503), προσ-κηδής etwa ‘sorgenvoll, verschwägert, befreundet’ (φ 35, Hdt. 8, 136, A. R. u. a.); nach προσ-φιλής?, vgl. zur Bildung und Bedeutung Sommer Nominalkomp. 110 A. 2, Levin ClassPhil. 45, 110f. — Als Vorderglied in Κηδι-κράτης (IVa; Bechtel Hist. Personennamen 236; nach ’Αλκι- u. a.). Ableitungen: 1. κηδεστής m. ‘Heiratsverwandter, Verschwägerter’ (att. usw.) mit κηδεστ(ε)ία ‘Verschwägerung’, κηδέστρια f. ‘Pflegerin’ (Pap.); auch κηδέστωρ ‘Fürsorger’ (Man.; archaisierend, s. Fraenkel Nom. ag. 1, 139f.). 2. Adjektiva: κήδε(ι)ος ‘der Sorge wert, geliebt, verschwägert’ (poet. seit Il.), ἐπικήδειος ‘zur Leiche, Trauer gehörig’ (E., Pl. Lg. 800e, spät; Hypostase), κηδόσυνος ‘lieb’ (E. Or. 1017) und κηδοσύνη (Dat. pl. -σύνῃσι) ‘Betrübnis’ (A. R.; Wyss -σύνη 42). 3. Denominatives Verb κηδεύω ‘besorgen, bestatten, vermählen’ (att. usw.) mit κήδευμα ‘Verschwägerung’ (S., E.), -ευσις ‘Sorge’ (Ael., Plot.), -ευτής ‘Besorger’ (Arist.), -εία ‘Verwandtschaft, Bestattung’ (E., X. usw.), wovon κηδειακός ‘Leichenbestatter’ (Pergam. IIp). — Primärer Superlativ κήδιστος ‘am nächstenstehend, der liebste, teuerste’ (Hom.; Seiler Steigerungsformen 82f.). — Primäres Verb κήδομαι, Aor. Ipv. κήδεσαι (A. Th. 139, lyr.), Fut. κεκαδήσομαι (Θ 353), Perf. κέκηδα (Tyrt. 12, 28), auch mit Präfix, z. B. περι-, προ-, ‘sorgen, besorgt sein, sich kümmern’ (seit Il.); auch Akt. κήδω, Fut. κηδήσω ‘besorgt machen, betrüben’ (ep. eleg. seit Il.); davon κηδεμών ‘Besorger, Fürsorger, Beschützer’ (seit Il.; nach ἡγε-μών; Schwyzer 522) mit κηδεμονία ‘Pflege, Fürsorge’, -μονικός ‘fürsorglich’ (hell. u. spät), -μονεύω ‘Beschützer sein’ (Just.); metrische Erweiterung κηδεμονεύς (A. R., APl.; Boßhardt Die Nom. auf -ευς 63). — Ein mit dem s-Stamm in κῆδος alternierender r-Stamm (: κῦδος : κυδ-ρός) wird seit Geldner KZ 27, 242f. in aw. sādra- n. ‘Leid, Wehe, Unheil’ vermutet, idg. *ḱād-os- bzw. ḱād-ro-. Den s-Stamm hat Thieme Der Fremdling im RV 158f. in dem dunklen riśā́das-, nach Th. ‘für den Fremdling sorgend’, wiederfinden wollen. In Betracht kommen ferner einige Nomina aus dem Italischen, Keltischen und Germanischen: osk. cadeis ‘makevokentiae’ (Gen. sg.), kekt., z. B. mir. caiss ‘Haß’, auch ‘Liebe’ (eig. *‘Sorge’?), kymr. cawdd ‘offensa, ira, indignatio’, germ., z. B. got. hatis n. ‘Haß, Zorn’. Die germanischen Wörter gehen alle auf einen schwachstufigen s-Stamm zurück, idg. *ḱədos- (vgl. κεκαδήσομαι); die übrigen Formen sind mehrdeutig. Zum primären κήδομαι bieten die übrigen Sprachen kein Gegenstück. Vgl. zu κεκαδών. — WP. 1, 340f., Pok. 517 m. Lit.; zur Bedeutung noch Porzig Satzinhalte 293 und v. Windekens Sprache 4, 133, der die herkömmliche Etymologie verwirft und dafür eine pelasgische Erklärung gibt. I-836-837
κηθίς, -ίδος f. ‘Stimmurne, Würfelbecher’ (Poll. 7, 203; nicht ganz sicher); weitere Deminutivbildungen: κήθιον, -ειον, -ίον (Hermipp. 27, Poll., H.), κηθάριον (Ar. V. 674), κηθίδιον (Poll.); auch mit Metathese der Aspiration χείτιον neben κείθιον (Eust. 1259, 36) und mit Hauchverlust κητίον (Alkiphr. 1, 39, 8 [κηπίον Bast. usw.], Ath. 11, 477d cod. A). — Technisches Wort ohne Etymologie. Fick BB 1, 173 und Solmsen KZ 33, 295f. vergleichen κώθων ‘Krug’ mit einer weiteren, ganz fraglichen Hypothese (s. Bq und WP. 1, 533). — Vgl. κάθος· σπυρίς H., auch κάθιδοι (für -ίδες?)· ὑδρίαι H. (vgl. s. v.) und κάδος. I-837
*κηκάζω nur Aor. Konj. κηκάσῃ (Lyk. 1386) mit κηκασμός ‘Schmähung, Hohn’ (Lyk.); κηκαδεῖ (-άζει?)· λοιδορεῖ, χλευάζει H. ‘schmähen, höhnen’ Daneben, vielleicht als Ableitung (Schwyzer 508), κηκάς, -άδος f. ‘schmähend, höhnend’ (γλώσσῃ Kall. Fr. 253), auch als Beiwort der ἀλώπηξ (Nik. Al. 185). — Wenn aus *κᾱκ-, stimmt κηκάσῃ u. Verw. zu einem westgerm. Wort, ahd. huohōn ‘spotten, höhnen’, huoh ‘Spott, Hohn’; die Gleichung kommt indessen über eine Wurzelidentifizierung (idg. kāk-) nicht hinaus. Ursprünglich gewiß onomatopoetisch, vgl. den Seevogelnamen κήξ (s. καύαξ) und καχάζω; s. auch κακός. — Lit. bei Bq und WP. 1, 336. I-837-838
κηκίς, dor. κακίς, -ῖδος f. ‘hervorquellende Flüssigkeit’, von Blut, Purpurfarbe, Pech, Fett (A., S.), ‘Farbstoff des Gallapfels, Gallapfel’ (Hp., D., Thphr. u. a.); Deminutivum κηκίδιον (Mediz. u. a.). — Daneben, wohl als Denominativum eines ι-Stamms (Schwyzer 727), κηκίω (dor. κακίω H.), nur Präsensstamm, auch mit ἀνα-, ‘hervorquellen, -sprudeln’ (ep. poet. seit Il.). — Nicht sicher erklärt. Seit Fick 1, 420 mit lit. šókti ‘springen, tanzen’ verglichen, idg. *ḱāq-; die (nasalierte?) Form καγκύλας· κηκῖδας. Αἰολεῖς wird dabei mit lit. šankùs ‘flink’ zusammengehalten. Dazu noch thrak.-phryg. σίκιν(ν)ις ‘Tanz der Satyrn zu Ehren des Dionysos’ (S., E. usw.). Weitere, noch unsicherere oder ganz willkürliche Kombinationen bei Solmsen Wortforsch. 145 A. 2; ausführliche Lit. bei Bq und WP. 1, 334. — κηκίς, -ῖδος ist entweder aus einem alten ī-Stamm erweitert (Chantraine Formation 347) oder aus κηκίω rückgebildet. I-838
κῆλα n. pl. ‘Pfeile, Geschosse (der Götter)’ (Il., Hes., Pi., Orph.). — Zu einem allgemeinen Vergleich bieten sich einige aind. Wörter der Bed. ‘Rohr, Pfeil’ wie śará- m., śárya- n., -ā f., śalyá- m. n., außerdem mir. cail ‘Speer’ (idg. *kali-), awno. hali m., ‘Schwanz’ (n-Stamm), alle im Gegensatz zu κῆλα mit kurzem (α-)Vokal; Grundwort somit wohl ein ablautender l-Stamm. Beziehung zu κᾶλον ‘Holz’ liegt nicht vor. — Weitere, mehr oder weniger unsichere Anknüpfungen bei WP. 1, 431f. (m. Lit.), Pok. 552f. I-838
κηλᾶς, -ᾶ m. N. eines indischen Storches, ‘Marabu, Leptopilus argala’ (Ael. NA 16, 4). — Bildung wie ἀτταγᾶς, ἐλεᾶς u. a. (Schwyzer 461, Chantraine Formation 31f.); wohl aus dem Indischen (vgl. hind. hargēla) mit Umbildung nach κήλη ‘Geschwulst, Buckel’ mit Beziehung auf den großen Kropf. Thompson Birds s. v.; zum Akzent noch Björck Alpha impurum 63 A. 2. I-838
κήλαστρος -ον n. f., ‘Stechpalme, Ilex aquifolium’ (Thphr.), κηλάστραι· σκαφίδες, ἀγγεῖα ποιμενικά. ἢ δένδρα H. — Bildung wie z. B. δέπαστρον, κάναστρον, ζύγαστρον (s. dd.). Herkunft unbekannt; die Anknüpfung an κηλίς (Bq) erfordert eine semantische Begründung. Hofmann Et. Wb. d. Griech. erinnert an bask. gorostri ‘Stechpalme’. I-838
κηλέος ‘brennend, lodernd’ (Hom., Hes.) nur in πυρὶ κηλέῳ (zweisilbig), immer am Versende außer Θ 217 und Ο 74 (hier πυρὶ κηλείῳ). Daneben περί-κηλος (Od.), κηλόν· ξηρόν H. und καυαλέον ἢ καυαλές· ὑπὸ Αἰολέων τὸ αἶθος, ἢ κατακεκαυμένον κτλ. — Wegen delph. κηυα (s. d.) scheint für κηλέος ein urgr. *κηϝαλέος erforderlich zu sein (κηϝαλέον πῦρ urspr. am Versende wie αἰθόμενον πῦρ u. a.?; Shipp Studies 54); äol. κᾰϝαλέος muß dann im Ablaut abweichen. Die Form κηλείῳ beruht auf Suffixtausch (Schmid -εος und -ειος 40; anders Fick: sekundär für äol. καυαλέῳ); auch περί-κηλος und καυαλές sind Umbildungen (nach den λο- bzw. den ής-Adj.). Einzelheiten m. Lit. bei Debrunner IF 23, 21f. und Bechtel Lex. s. v. — Weiteres s. καίω und κηώδης. I-839
κηλέω, Aor. κηλῆσαι, ‘bezaubern, betören, besänftigen’ (ion. att.). auch mit κατα-, ὑπερ-, ἐκ-, Davon mehrere Verbalnomina: κηληθμός ‘Bezauberung’ (λ 334 = ν 2; Chantraine Formation 137), κήλησις ‘ds.’ (Pl.), κήλημα ‘Zauber’ (Ibyk., E.), κήληθρον ‘ds.’ (Phryn., H.); — Κηληδόνες f. pl. N. mythischer Sängerinnen, die den Sirenen ähnelten (Pi.; vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 268), κηλήτωρ ‘Bezauberer’ (Orph.), -ήτειρα f. (Hes. Op. 464 εὐκηλήτειρα; wohl Juxtaposition, s. Fraenkel Nom. ag. 1, 111; = ἡσυχάστρια H.), κηλητήριος ‘bezaubernd, betörend’ (S., E.), -ητικός (Ath., Ael.). — Deverbative Bildung (Schwyzer 720) unklarer Herkunft. Mit Bugge Gurt. Stud. 4, 331f. wird allgemein ein anders gebildetes germanisches Deverbativum etwas abweichender Bedeutung zum Vergleich herangezogen: got. (af)hōlōn ‘verleumden, συκοφαντεῖν’ (wäre gr. *κωλάω wie πωτάομαι) = ags. hōlian ‘ds.’, ahd. huolen ‘betrügen’ (wozu als Rückbildungen ags. hōl n. ‘Verleumdung’, awno. hōl n. ‘Lob, Prahlerei’, vgl. Wissmann Nom. postv. 125). Zum germanischen Wort stimmt semantisch das formal davon abweichende lat. calvor, -ī ‘Ränke schmieden, täuschen’ mit calumnia ‘falsche Anklage, Betrug, Verleumdung’. Ein entsprechendes primäres Verb ist nirgends zu belegen. — Anders Prellwitz Wb. (als Alternative): zu κέλαδος, καλεῖν (s. dd.). Wieder anders Machek Slavia 16, 184ff.: zu russ. šalítь ‘übermütig, mutwillig sein’, čech. šáliti ‘täuschen, betrügen’ usw.; dagegen Vasmer Russ. et. Wb. s. šalítь. — WP. 1, 446, Pok. 551, W.-Hofmann s. calumnia. I-839
κήλη, att. κάλη f. ‘Geschwulst, Bruch’ (Hp., AP), ‘Buckel, Höcker’ (Eup., Arist. usw.); als Vorderglied in κηλο-τομία ‘Bruchoperation’, als Hintergkied in ἐντερο-, σαρκο-κήλη u. a. (Mediz.; Strömberg Wortstudien 69f.). Davon κηλήτης, att. καλήτης m. ‘mit einem Bruche behaftet’ (Str., Gal., Phryn. u. a.), (ἐντερο-)-κηλικός (Dsk., Gal.); κάλᾳμα· ὄγκος H. (Erweiterung, Chantraine Formation 186f.); denominatives Verb καλάζει· ὀγκοῦται. ’Αχαιοί H. Zu κηλᾶς Vogelname s. bes. — Der Gegensatz zwischen ion. κήλη und att. κάλη (nach den Gramm. α lang) ist nicht aufgeklärt. Die Annahme einer Rückverwandlung von uratt. η zu ᾱ (WP. 1, 333) ist nicht zu begründen; eine Zurückführung auf im Ablaut verschiedene Grundformen: *κᾱϝ-ελ-ᾱ > κήλη, *κᾰϝ-ελ-ᾱ > κάλη (Kretschmer KZ 31, 471f. zweifelnd) ist ein wenig verlockender Ausweg. So bleibt die Möglichkeit, in κάλη einen nichtattischen Terminus zu erblicken (Björck Alpha impurum 70 zögernd); der Beweis steht noch aus. — Eine auffallende Ähnlichkeit zeigt ein germanischer Ausdruck für ‘Leistenbruch’, awno. haull m., ags. hēala m., ahd. hōla f., urg. *haula(n)-, -ō(n); aus slavischem Gebiet kommen in derselben Bedeutung hinzu ksl. kyla, russ. kilá, auch ‘Knorren am Baum’ u. a., wozu lit. kū́las ‘Nabelbruch’, kū́la ‘Verdickung, Anschwellung, Auswuchs, Knorren’ stimmen. Alle oben genannten Formen lassen sich auf einen idg. l-Stamm *qāu̯el-, qaul-, qūl- zurückführen (vgl. zu ἥλιος). — WP. 1, 333, Pok. 536f., W.-Hofmann s. cūlus, Vasmer Wb. s. kilá. Ältere Lit. auch bei Bq. I-839-840
κηλίς, -ῖδος f. ‘Fleck, Blutfleck, Schandfleck’ (Trag., Antipho, X., Arist. usw.) mit κηλιδόω (καλ- Ekphant. ap. Stob. 4, 7, 64) ‘beflecken, schänden’ (E., Arist., Ph. u. a.), κηλιδωτός (Suid., Gloss.). — Daneben κηλάς, -άδος f. Beiwort der Sturmwolke (Thphr.), nach H. auch = χειμερινὴ ἡμέρα und αἴξ, ἥτις κατὰ τὸ μέτωπον σημεῖον ἔχει τυλοειδές, somit eig. ‘gefleckt, gesprenkelt’; auch κηλήνη· μέλαινα H. — Bildung wie κληΐς, κνημίς u. a. (Schwyzer 465, Chantraine Formation 346f.), wie diese von einem Nomen ausgehend. Ob κηλάς, κηλήνη auf dies unbekannte Nomen zurückgehen, ist nicht ganz sicher, da auch mit Suffixtausch bzw. Rückbildung zu rechnen ist. — Ein unbekanntes Wort liegt auch dem sinnverwandten italischen Adjektiv lat. cālidus ‘mit einer Blässe auf der Stirn versehen’ = umbr. (buf) kaleřuf ‘boves calidos’ zugrunde (wie candidus, nitidus u. a.). Zur selben Bedeutungssphäre gehört auch das kurzvokalische lit. kalýbas, -ývas ‘weißhalsig, von Hunden’; hinzu kommt air. caile ‘Fleck’ (idg. *qali̯o-). Semantisch etwas abseits steht lat. cālīgō ‘Nebel, Finsternis’, das von Ernout-Meillet ferngehalten wird. Fern bleiben jedenfalls aind. kāla- ‘(blau)schwarz’, kalmaṣa- ‘Fleck, Schmutz’ (wohl LW, s. Mayrhofer Wb. s. vv.). Vgl. noch κελαινός mit abweichendem Vokal und eigenartiger Bildung. — Einzelheiten mit reicher Lit. bei WP. 1, 440ff., Pok. 547f., W.-Hofmann s. (2.) callidus und cālīgō, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kalýbas, Vasmer Russ. et. Wb. s. kal. I-840-841
*κῆλον ‘Pfeil, Geschoß’ s. κῆλα. I-841
κήλων, -ωνος m. ‘Zuchthengst’ (Archil., Kratin., Ph., H.) oft übertr. ‘Brunnenschwengel’ (Delos IIIa, Pap.; wie mhd. heng(e)st); als Vorderglied in κηλωνο-στάσιον ‘Stellung für den Brunnenschwengel’ (PBerl. Leihg. 13, 14; vgl. den Hrsg. z. St.). Davon κηλωνεῖον, ion. -ήϊον ‘Schöpfmaschine’ (Hdt., Ar., Arist., Pap. u. a.) und κηλωνεύω ‘den Brunnenschwengel drehen’ (Hero, Ath. Mech.). Sekundärbildung auf -ων (Chantraine Formation 161f.); — Grundwort nicht sicher. Vendryes REGr. 25, 461 schlägt vor, von κῆλον in dem unbelegten Sinne von ‘πόσθη’ auszugehen. Anders, gewiß nicht besser, Zupitza Die german. Gutt. 195: zu ahd. scelo ‘Schellhengst’, mhd. schel ‘springend, auffahrend’ usw. — Vgl. zu Σιληνός. I-841
κημός m. ‘Maulkorb, geflochtener Deckel der Stimmurne, Fischreuse, Mundbinde usw.’ (A., S., Ar., X. u. a.; zur Bedeutung Schenkl WuS 5, 172ff.). Davon κημόω ‘einen Maulkorb anlegen, das Maul verbinden’ (X., 1 Ep. Kor. 9, 9, Sch.) mit κήμωσις· φίμωσις H. Als Hinterglied in εὐκαμία· ἡσυχία, ἤτοι εὐφημία (EM, H.), wie von *εὔ-κᾱμος. — Unerklärt. Die formal gewiß mögliche Anknüpfung an arm. k‘amem ‘drücken, pressen, auspressen’ (Petersson KZ 47, 284) ist mit der sonst naheliegenden Grundbedeutung ‘Flechtwerk’ schwer vereinbar. Dasselbe gilt von der Heranziehung einer im Baltisch-Slavischen und Germanischen stark vertretenen, z.T. ziemlich bunten Wortsippe der Bedeutung ‘zusammendrücken, pressen, zusammenballen usw.’, die außerdem im Vokal abweicht, z. B. lit. kãmanos pl. ‘Zaumzeug mit Gebiß’, russ. kom ‘Klumpen’, mhd. hemmen, hamen ‘aufhalten, binden, hemmen’ usw. usw. (WP. 1, 388f., Pok. 555, Fraenkel s. kãmanos, Vasmer s. kom). Lat. quālum ‘geflochtener Korb’ (Prellwitz1) weicht anderseits im Anlaut ab, s. WP. 1, 507, W.-Hofmann s. v. Nicht mit Specht Ursprung 263 A. 4 zu χάβος ‘Maulkorb’ (Sch.). Noch anders Wood ClassPhil. 21, 341 (zu ahd. hamo ‘Hülle’ usw.). — Aus dor. *καμός stammt lat. cāmus ‘Maulkorb, Beißkorb’, aus κημός osman. arab. ĝem ‘Gebiß, Mundstück des Zaumes, Zaum, Zügel’, wovon ngr. τὸ γέμι ‘Zügel, Zaum’ (Maidhof Glotta 10, 9). — S. auch κῶμος, κώμυς. I-841
κῆπος 1. dor. κᾶπος m. ‘Garten, eingehegtes bepflanztes Land’ (seit Il.), ‘unbearbeitetes Grundstück’ (kypr.; vgl. Kretschmer Glotta 3, 303 mit R. Meister). Oft als Vorderglied, z. B. κηπουρός aus *κηπο-ϝορός (att., hell. u. sp.), auch κηπ-ωρός (Archipp. u. a.; wohl nach θυρωρός, s. zu θύρα) ‘Gartenhüter, Gärtner’; κηπο-λάχανον ‘Gemüsegarten’ (Pap.; Typus ἱππο-πόταμος, s. zu ἵππος; dazu Strömberg Wortstudien 7), auch κηπο-λαχαν-ία ‘ds.’ (Pap.); κηπ-εργός ‘Gärtner’ (Korykos; nach ἔργον für -ουργός [Poll.]). Auch als Hinterglied, z. B. περί-κηπος m. ‘um das Haus angelegter Garten’ (ptol. Pap., D. S. u. a.; wohl nach περί-χωρος u. a.); ἀγρό-κηπος (att. Inschr., Kaiserzeit), ἀγρο-κήπιον (Str.) ‘als Garten bebautes Feld’. - Ableitungen: Deminutiva κηπίον (Halik. Va, Th. usw.), -πίδιον (Plu., D. L.), -πάδιον (Pap.); κηπαῖος ‘zum Garten gehörig’ (Arist. usw.; Chantraine Formation 48), κηπεύς, dor. καπεύς ‘Gärtner’ (Philyll. Kom. 14, AP; Bosshardt Die Nom. auf -ευς 49), κηπίδες Νύμφαι ‘Garten-Nymphen’ (Aristainet.). Denominatives Verb κηπεύω ‘im Garten bauen, heranziehen, pflegen’ (E., Eub., Arist. usw.) mit κηπεῖαι f. pl. ‘Gärtnereien’ (Pl. Lg. 845d u. a.), κηπεύματα pl. ‘Gartengewächse, -früchte’ (Ar. Av. 1100 u. a.), κηπευτής = κηπεύς (Gloss.), κηπεύσιμος ‘in einem Garten herangezogen’ (Alex. Trall.; nach φυτεύσιμος, Arbenz Die Adj. auf -ιμος 86). — Bis auf den Stammauslaut kann κῆπος, κᾶπος mit einem sinnverwandten westgerm. Wort identisch sein, ahd. huoba, asächs. hōba, nhd. Hufe, Hube f. ‘Stück Land von einem gewissen Maße’, ndl. hoeve ‘Bauernhof’, idg. *qāpā́; hierher noch alb. kopshtë ‘Garten’ (mit shtë-Suffix), das für velaren Anlaut entscheidet. Über weitere, unsichere oder entschieden verfehlte Anknüpfungen (κάπετος, lat. capiō, ahd. habaro ‘Hafer’) s. Bq, WP. 1, 345f., Pok. 529, wo auch ältere und jüngere Lit. zu finden ist. I-842
κῆπος 2. ‘Affe’ s. κῆβος. I-842
κήρ, κηρός f. ‘Tod, Verderben’, oft personifiziert ‘Todesgöttin, Todesdämon’ (poet. seit Il.), im Plur. ‘Todesarten, Unfälle’ (auch Prosa); ausführlich darüber Nilsson Gr. Rel. 1, 222ff., v. Wilamowitz Glaube 1, 271ff. Ableitungen: κηρέσιον· ὀλέθριον, νοσηρόν H. (nach θεσπέσιος); κηραίνω ‘beschädigen, ins Unglück bringen’ (A. Supp. 999, Ph. u. a.; nach πημαίνω), κηρόομαι ‘beschädigt werden’ (EM). Kompp. z. B. κηρεσσι-φόρητος ‘von den Keren (in den Tod) getrieben’ (Q 527; Schwyzer 446, Pfister Würzb. Jb. 3, 406f.), κηρι-τρεφεῖς ‘zum Tode erzogen’ (ἄνθρωποι, Hes. Op. 418), κηρο-τρόφος ‘den Tod ernährend, tödlich’ (ὄφις, Nik. Th. 192); ἐπί-κηρος ‘dem Tod anheimgefallen’ (Hp., Arist., hell.); auch ἀ-κήρ-ατος mit ἀκηράσιος und ἀ-κήρ-ιος ‘unversehrt’, s. 1. ἀκήρατος und Sommer Nominalkomp. 152 m. Lit. und weiteren Einzelheiten. — Altes Wurzelnomen, das sich semantisch ungesucht an κεραΐζω anschließt; auszugehen ist dabei von dem im Altind. und Keltischen belegten starken Aorist (s. zu κεραΐζω); κήρ somit eig. als Nomen agentis "die Verderberin". Der Umstand, daß die betreffenden Verbformen eine zweisilbige Wurzel enthalten, braucht (mit Ernout-Meillet s. cariēs) keine Bedenken dagegen zu erregen. Um so bedenklicher sind die langvokalischen α-Formen bei Alk. (κᾶρι B 6 A 7) und Alkm. (κᾶρα Fr. 56; überl. κάραν), weil sie ein urgr. *κά̄ρ (vgl. κάρ· θάνατος H.) zu erfordern scheinen. Auch καριῶσαι· ἀποκτεῖναι und ἐκαρίωσας· ἀπέκτεινας H. zeigen α, das indessen wie lat. cariēs eine Reduktionsstufe enthalten kann, s. unten. Hinzu kommt noch der alte attische Spruch θύραζε Κᾶρες, οὐκ ἔτ’ ’Ανθεστήρια, wo indessen Κᾶρες für älteres Κῆρες stehen dürfte und jedenfalls seine eigene Geschichte hat (s. Nilsson Gr. Rel. 1, 224f. m. Lit.). Gegen κᾶρι, κᾶρα bei Alk. und Alkm. stehen anderseits κῆρες und κής sowohl bei Pi. Fr. 277 wie in den Chorgesängen der Tragödie. Eine Lösung wird vielleicht ermöglicht durch die Ansetzung eines ablautenden Paradigmas κήρ, *κᾰρός (nicht in ἐν καρὸς αἴσῃ erhalten, s. καρός) mit einem sekundären Nom. *κά̄ρ (Ehrlich Sprachgesch. 9f.). — Weitere idg. Formen m. Lit. bei WP. 1, 410f., Pok. 578; zum Griech. noch Hamm Grammatik zu Sappho und Alkaios 45. I-842-843
κῆρ n. ‘Herz’ s. καρδία. I-843
κηραφίς f. Art Meerkrebs s. κάραβος. I-843
κηρός m. ‘Wachs’ (seit Od.). Oft als Vorderglied, z. B. in den Zusammenbildungen κηρό-δε-τος ‘mit Wachs zusammengefügt’ (Theok. u. a.), κηρο-πλάσ-της ‘Wachsbildner’ (Pl. u. a.), κηρο-τακ-ίς f. "Wachsschmelze", ‘heiße Platte, die von Malern gebraucht wurde, um die Wachsfarbe heiß zu halten’ (PHolm. 6, 33 u. a.; vgl. Lagercrantz z.St.); als Hinterglied z. B. in πισσό-κηρος m. ‘Mischung aus Harz und Wachs, mit der die Bienen die Zugänge ihres Stockes verstopfen, Bienenharz, Vorstoß’ (Arist., Plin.; daneben κηρό-πισσος ‘Salbe aus Wachs und Harz’ [Hp.], vgl. Risch IF 59, 58), μελί-κηρος ‘Bienenwachs’ (Pap.); daneben mit Umbildung des Hinterglieds nach verschiedenen Mustern: μελι-κήρ-ιον ‘Honigwabe’ (Sm.), μελι-κηρ-ίς ‘Honigwabe’, übertr. ‘Art Kyste oder Fettgeschwulst’ (Hp., Pap. u. a.), μελί-κηρᾰ f. ‘Eierkapsel der Schnecken’ (Arist.). Zahlreiche Ableitungen: 1. κηρίον ‘Wachskuchen, Honigwabe’ (ion. att. seit h. Merc. 559; Zumbach Neuerungen 11) mit κηρίδιον (Aët.), κηριώδης ‘wabenähnlich’ (Thphr.), κηρίωμα ‘Augenfluß’ (S. Fr. 715), κηριάζω ‘laichen’, von der Purpurschnecke, wegen der Ähnlichkeit ihres Laiches mit einer Wabe (Arist.). — 2. κήρινος ‘aus Wachs’ (Alkm., att.) mit κηρίνη (sc. ἔμπλαστρος) N. eines Pflasters (Mediz.); 3. κήρινθος m. ‘Bienenbrot’ (Arist., Plin., H.; zum gleichlautenden ON s. v. Blumenthal ZONF 13, 251); 4. κηρίων, -ωνος ‘Wachskerze, -fackel’ (Plu., Gal.; Chantraine Formation 165, Schwyzer 487); 5. κηρών, -ῶνος ‘Bienenkorb’ (Sch.); 6. κηρίς Fischname = κιρρίς? (Diph. Siph., Alex. Trall.; s. κιρρός), wohl nach der hellgelben Farbe; vgl. Strömberg Fischnamen 20f., Thompson Fishes s. v.; 7. κηρῖτις (λίθος) ‘wachsähnlicher Stein’ (Plin. HN 37, 153: "cerae similis"; Redard Les noms grecs en -της 55); 8. *κηροῦσσα in lat. cērussa ‘Bleiweiß’ (seit Plaut.; vgl. W.-Hofmann s. v. und Friedmann Die jon. u. att. Wörter im Altlatein 94f.). — Denominative Verba: 1. κηρόομαι, -όω ‘mit Wachs überzogen werden bzw. überziehen’ (Hp., Herod., AP u. a.) mit κήρωσις ‘Bienenharz’ (Arist.); κήρωμα ‘Wachssalbe, -pflaster’ (Hp. usw.; vielleicht direkt von κηρός, vgl. Chantraine Formation 186f., lat. cērōma), -ματικός, -ματίτης, -ματιστής (Redard 47); κηρωτή ‘ds.’ (Hp., Ar., Dsk. u. a.; direkt von κηρός?) mit κηρωτάριον ‘ds.’ (Mediz.); 2. κηρίζω ‘wie Wachs aussehen’ (Zos. Alch.). — Die von Curtius 149 angenommene Verwandtschaft mit einem baltischen Wort für ‘Honigwabe’, lit. korỹs, lett. kâre(s), ist von verschiedenen Forschern abgelehnt oder in Zweifel gezogen worden (Osthoff Etym. parerga 1, 18ff., Fraenkel Lit. et. Wb. s. korỹs, Specht Ursprung 52). Weil ein dor. *κᾱρός sich nicht erweisen läßt (Osthoff a. a. O.) und eine Entlehnung von ion. att. κηρός in fremdes Dialektgebiet durch nichts zu stützen ist, stößt diese Gleichung wegen der Verschiedenheit der Vokale (idg. ē : ā) auf große Schwierigkeiten. Da ferner für das idg. Urvolk eigentliche Bienenzucht kaum anzunehmen ist (über idg. Benennungen der Naturprodukte der Bienen s. zu μέλι und μέθυ), ist für κηρός mit orientalischer Herkunft zu rechnen (vgl. Haupt Actes du 16éme congr. des orientalistes [1912] 84f., Schrader-Nehring Reallex. 1, 140f., Chantraine Formation 371, Deroy Glotta 35, 190, Alessio Studi etr. 19, 161ff., Belardi Doxa 3, 210). — Aus κηρός wahrscheinlich als LW lat. cēra (-a nach tabella, crēta; Einzelheiten bei W.-Hofmann s. v.); aus lat. cēreolus gr. κηρίολος ‘Wachskerze’ (Ephesos IIp). I-843-844
κηρύλος m. N. eines Vogels, der bisweilen mit dem Eisvogel ἀλκυών identifiziert oder verglichen wird (Alkm., Archil., Ar. Av. 299f. [hier κειρύλος geschrieben als Spitzname mit Beziehung auf κείρειν], Arist. u. a.); zur Sache Thompson Birds s. v. — Bildung auf -υλος, wohl deminutivisch (Chantraine Formation 249ff., Leumann Glotta 32, 217f.); als Grundlage kommt nicht nur κηρ-, sondern auch κηλ- (mit Dissimilation) in Betracht. Im ersten Falle vielleicht mit Prellwitz (Wb.2, BB 30, 176) zu aind. śārá- ‘bunt’, śārī̆- N. eines Vogels; vgl. Frisk Nom. 6 m. A. 4 (idg. *ḱero-); im letzteren ist an κελαινός u. Verw. (s. d.) angeknüpft worden (WP. 1, 420). Man ist aber dann vielmehr geneigt, mit Lagercrantz Sertum philol. C. F. Johansson oblatum (1910) 117ff. *κηλ-ύλος zu κήλων ‘Zuchthengst’ zu ziehen; vgl. die Beschreibung des Vogels bei H.: κηρύλος· ἄρσην ὄρνις συνουσιαστικός. I-844-845
κήρυνος auch κάρυννος (Phot.). m. Ben. eines Würfelwurfs (Eub. 57, 2); — Unerklärt. I-845
κήρυξ (κῆρυξ Hdn.; vgl. Schwyzer 391), dor. äol. κάρυξ, -ῦκος, myk. ka-ru-ke? m. ‘Herold, Bote’, auch ‘Trompetenschnecke‘ (seit Il.). Als Hinterglied z. B. in δρομο-κήρυξ ‘Kurier’ (Aeschin. u. a.). Viele Ableitungen. 1. Femininbildung: κηρύκαινα ‘Heroldin’ (Ar. Ek. 713; Augenblicksbildung, vgl. Chantraine Formation 108); 2. Patronymicum: Κηρυκίδαι m. ‘Abkömmlinge der athenischen Familie der Κήρυκες’ (Pokl.). 3. Adjektiva: κηρύκειος ‘zum Herold gehörig’ (S.), gewöhnlich im Ntr. κηρύκ(ε)ιον, dor. κᾱρ-, ion. κηρυκήϊον ‘Heroldstab’ (ion. att. dor.; lat. LW cādūceum, -eus; vgl. W.-Hofmann s. v.), auch als Sternbild (Scherer Gestirnnamen 200); ‘Ausruferlohn, Versteigerungssteuer’ (hell. Inschr. u. Pap.); Καρυκήϝιος böot. Ben. des Apollon (Tanagra, Theben, VIa; Schwyzer 468); κηρυκικός ‘den Herold, Ausrufer betreffend’ (Pl., Pap.; Chantraine Étud. sur le vocab. gr. 135f.), -ινος ‘zum Herold gehörig’ (Pap., Suid.), -ώδης ‘der Trompetenschnecke ähnlich’ (Arist.). — Denominative Verba: 1. κηρύσσω, -ύττω, κᾱρ- ‘Herold sein, ausrufen, bekanntmachen’ (seit Il.) mit κήρυγμα ‘Heroldsruf, Bekanntmachung’ (ion. att.), κηρυγμός (Sch.), κήρυξις (D. C.) ‘ds.’; 2. κηρυκεύω ‘als Herold auftreten, verkündigen’ (att.) mit κηρυκεία, -ηΐη ‘Heroldsdienst’ (ion. att.), κηρύκευμα ‘Botschaft’ (A. Th. 651), -ευσις ‘ds.’ (Suid.). — Bis auf das erweiternde -κ- (Schwyzer 496) mit aind. kārú- ‘Sänger, Dichter’ identisch. Aus dem Griechischen hierher noch καρκαίρω (s. d.). Weitere, mehr oder weniger entfernte Verwandte, namentlich im Altind. und German., bei Bq s. καρκαίρω, WP. 1, 353f., Pok. 530f. I-845
κῆτος, -εος n. ‘großes Seetier, Meerungeheuer’ (poet. seit Il.), ‘Walfisch’ (Arist.), auch N. eines Sternbilds (Arat. u. a.; Scherer Gestirnnamen 187). Kompp., z. B. κητό-δορπος (συμφορά) ‘den κητεα ihr Abendessen schenkend’ (Lyk.); μεγα-κήτης ‘mit großen κήτεα’ (Hom.), Beiw. von πόντος, auch von δελφίς = ‘ein großes κῆτος (ausmachend)’, danach auf ναῦς übertragen (vgl. Sommer Nominalkomp. 184f. mit Kritik anderer Ansichten), βαθυ-κήτης (πόντος) ‘κήτεα in der Tiefe bergend’ (Thgn. 175), πολυ-κήτης ‘mit vielen κήτεα’ (Theok. 17, 98). Ableitungen: κήτειος ‘zum κῆτος gehörig’ (Mosch., Nonn. u. a.), κητώδης ‘zum Walfischgeschlecht gehörig’ (Arist. u. a.); κητεία f. ‘Fang von κήτεα (Thunfischen)’ (Str., Ath., Ael.; nach ἁλιεία); κήτημα ‘eingepökelter Thunfisch’ (Diph. Siph. ap. Ath. 3, 121b; nicht sicher; erweiterte Form), κητήνη· πλοῖον μέγα ὡς κῆτος H. (nach ἀπήνη?; vgl. auch Chantraine Étrennes Benveniste 9); κητόομαι ‘ein κῆτος werden’ (Ael.). Vgl. κητώεσσαν. — Unerklärt. Verfehlte idg. Etymologien sind bei Bq und bei WP. 1, 384 (s. auch Bechtel Lex. s. v.) referiert. I-845-846
κητώεσσαν Beiwort von κοίλην Λακεδαίμονα (Β 581, δ 1; Versende), allg. als ‘voll von Schlünden, schlundreich’ erklärt, spät auf das hölzerne Pferd bezogen (Q. S. 12, 314) und, durch Vermischung, mit κήτειος, κῆτος, von πώεα, φάλαγξ gebraucht (Nonn.). — Nicht sicher erklärt. Zenodot (Sch. zu δ 1) las dafür καιετάεσσαν und verstand es als ‘καλαμινθώδη’, von καιέτα (H.) oder καιετας (ohne Akzent, Apoll. Lex. s. κητώεσσαν) = καλαμίνθη; von Kall. Fr. 224 wird der Eurotas καιετάεις genannt. Andere Gewährsmänner (bei Str. 8, 5, 7 und Eust. 1478, 41) bezogen es dagegen auf καιετοί· οἱ ἀπὸ τῶν σεισμῶν ῥωχμοί und auf καιέτας = καιάδας (s. d.). — Wer die Lesung Zenodots bevorzugt, muß Aristarchs κητώεσσαν als eine Verschlimmbesserung mit Anschluß an κῆτος betrachten. So Bechtel Lex. s. v., indem er nach Buttmann Lex. 2, 92ff., Solmsen Unt. 123f. u. a. ein Wort κῆτος = ‘Schlund, Höhlung’ ansetzt, das in μεγα-κήτης (von δελφίς, ναῦς, evtl. auch von πόντος) erhalten wäre (anders darüber s. κῆτος). Nach Buttmann und Solmsen ist dagegen κητώεσσαν (mit metr. Dehnung für *κητόεσσαν) die echte Lesart, u. zw. von κῆτος angebl. ‘Höhlung, Schlund’. I-846
κηυα delph. in θύεν..τρικτευαν κηυαν (IG 22, 1126, 34 [bis], IVa). — Ausdruck unklarer Bedeutung; τρικτευαν jedenfalls zu τριττο(ι)α, τρικτύα ‘aus drei Tieren bestehendes Opfer’. Wenn, wie diese, substantivische Ableitung von τρικτύς, τριττύς, muß κηυαν als Attribut am ehesten Adjektiv sein; ob = *κηιϝαν durch Metathese aus *κηϝ-ιαν ‘zum Brennen bestimmt’ (von καίω, Aor. *κῆϝ-αι)?; vgl. κηώδης und κήϊα, κεῖα· καθάρματα H. Nicht mit Bechtel Dial. 2, 156 aus *kēu̯usi̯ă. — Wenn dagegen τρικτευαν als Adjektivattribut fungiert (dafür mit guten Gründen Prellwitz BB 17, 166ff.), steckt in κηυα ein Verbalabstraktum, nach Prellwitz *κηϝ-ι̯ᾰ, nach Schwyzer 459 m. A. 7 (s. auch 349) dagegen *κήϝ-ᾱ. I-846-847
κῆϋξ N. eines Seevogels s. καύαξ. I-847
κηφήν, -ῆνος (καφάν H.) m. ‘Drohne, Raubbiene’, oft übertr. ‘Nichtstuer, Abgelebter’ (seit Hes.), auch von den kleinasiatischen Griechen als Benennung asiatischer Völker, z. B. der Perser (Hdt. 7, 61), verwendet wie russ. usw. Némĭci "die Stummen" als Name der Deutschen. Davon das Deminutivum κηφήνιον (Arist.) und κηφηνώδης ‘drohnenähnlich’ (Pl. u. a.). — Daneben Κηφεύς (Hdt. usw.) und mehrere andere Kurznamen wie Κῆφις, Κᾶφις, Κάφων, Καφώ, s. Solmsen Wortforsch. 123f.; anders Bechtel Lex. s. κεκαφηώς. — Substantivierung auf -ήν, -άν eines Adjektivs *κηφός, *κᾱφός, das auch dem PN Κηφεύς zugrunde liegen kann (verfehlt darüber Bosshardt Die Nom. auf -ευς 133f.) und mit κωφός ‘stumpf, stumm, taub’ ablautet. Weitere Analyse und Anknüpfung unsicher; vgl. zu κεκαφηότα. — Lat. hebes ‘stumpf’ ist wegen des Vokalismus (idg. ĕ gegenüber ā, ō in καφάν, κωφός) damit nicht vereinbar, insofern man Κᾶφις usw. nicht davon trennt und καφάν als eine falsche Dorisierung betrachtet. Andere, veraltete Kombinationen sind bei Bq referiert. I-847
κῆχος (κῆγχος, κηγχός) nur in der Frage ποῖ κῆχος; nach einigen Grammatiken = ποῖ γῆς; nach anderen = ποῖ δή; (Ar. Fr. 656, Pherekr. 165). — Volkstümlicher Ausdruck ohne Etymologie. I-847
κηώδης (Ζ 483, danach D. P. 941), κηώεις (Hom., AP, Nonn.); durch Vokalkürzung bzw. Metathesis der Quantität κεώδης· καθαρός, κεῶεν ὄζει· εὐωδεῖ H. ‘voll von Räucherwerk, wohlriechend’ — Aus *κηϝώδης bzw. *κηϝόεις (mit metr. Dehnung) von *κῆϝος n. ‘Brand, Räucherwerk’, Verbalsubstantiv vom starken Aor. *κῆϝ-αι ‘brennen’, s. καίω. Solmsen Unt. 124f., auch Schwyzer 527. Anders Thieme Studien 60. — Neben dem s-Stamm *κῆϝος stehen einerseits *κηϝίον (τεῖχος : τειχίον u. a.) in κήϊα und κεῖα· καθάρματα H., anderseits ein l-Stamm in *κηϝαλ-έος > κηλέος ‘brennend’, s. d.; zum Suffixwechsel vgl. z. B. ἔτος : ἔταλον, ἄγκος : ἀγκάλη. I-847
κίβδηλος (auch Pi. Dith. 2, 3) ‘verfälscht, unecht’, vom Golde, Münzen usw., ‘trüglich, lügnerisch’ (seit Thgn.); negiert ἀ-κίβδηλος ‘unverfälscht’ (Hdt., Pl. Lg. u. a.; vgl. Frisk Adj. priv. 14f.). Davon κιβδηλία, -ίη ‘Verfälschung, Trug’ (Hp., Ar. u. a.) und die Denominativa: 1. κιβδηλεύω ‘verfälschen’ (E., Ar., Arist. u. a.) mit κιβδήλευμα, -λεία ‘Fälschung’ (Pl. Lg.), 2. κιβδηλιάω ‘wie verfälschtes Gold aussehen, Gelbsucht haben’ (Arist.; nach den Krankheitsverben auf -ιάω). — Daneben κίβδης· κακοῦργος, <κά>πηλος, χειροτέχνης H., κίβδωνες = μεταλλεῖς, ‘Bergwerksarbeiter’ (Poll., Moer.). — Gemeinsames Grundwort κίβδος ‘Metallschlacke’ (Poll.); in derselben Bed. auch κίβδηλις H. s. κιβδηλιῶντας; zum ηλο-Suffix Chantraine Formation 242, Schwyzer 484. — Ausdruck des Bergbaus ohne Etymologie (vgl. zu μέταλλον). Bq (mit Solmsen) vergleicht das ebenfalls dunkle κίβον· ἐνεόν. Πάφιοι H. und erinnert an frz. (pierre) sourde d. h. ‘terne, sans reflet’; Grošelj Živa Ant. 3, 200f. zieht noch heran nhd. taub, slov. gluh auch ‘ohne Metall’ (von Mineralien). Zum Ausgang -δος wären dann die sinnverwandten μόλυβδος ‘Blei’, λύγδος ‘weißer Marmor’ zu vergleichen; s. noch Fraenkel Nom. ag. 2, 175 A. 1 (S. 176; z. T. abweichend), Grošelj a. a. O. mit einer ganz hypothetischen Etymologie. Ältere verfehlte oder ganz fragwürdige Erklärungsversuche aus dem Idg. und dem Semit. bei Bq; s. auch WP. 1, 349. — Ein verwandtes Verb will v. Blumenthal in κίψει· κακοποιεῖ H. wiederfinden (?). I-847-848
κῐ́βῐσις f. ‘Sack, Ranzen’ (Hes. Sc. 224, Pherekyd., Kall., Pap.); nach H. kypr. = πήρα; auch κίβησις (Suid., Orion), κύβεσις, κυβησία H.; daneben, wohl als volkstümliche Kurzform mit Gemination, κίββα· πήρα. Αἰτωλοί H.; zu bemerken noch κίρβα· πήρα (cod. πειρά) H., ngr. κιρβέλλα ‘kleiner Sack’; dazu Kretschmer Glotta 11, 247. — Fremdwort unbekannter Herkunft; vgl. zu σάκκος und θύλακος. Semitische Hypothese bei Lewy Fremdw. 91. S. auch κιβωτός. I-848
κιβώριον n. ‘das Fruchtgehäuse der ägyptischen Seerose, der κολοκασία’, übertr. ‘Trinkbecher’, auch ‘Grab’ (hell. u. spät). — LW, wahrscheinlich aus dem Ägyptischen (so H.), aber dort nicht belegt, s. G. Meyer Gr.3 140 m. Lit., Nencioni Stud. itfilclass. N. S. 16, 11. — Daraus lat. cibōrium, vgl. Ernout-Meillet s. v. I-848
κῖβωτός f. (zum Genus Schwyzer-Debrunner 34 A. 2) ‘holzerner Kasten, Kiste, Schrank’ (Hekat., Simon., att. usw.), auch von der Arche Noahs und von der Bundeslade (LXX). Davon die Deminutiva κιβώτιον (Ar., Arist. usw.), -ίδιον (Delos IVa), -άριον (Hero u. a.). — Vielleicht mit dem sachlich nahestehenden κίβισις ‘Sack’ (s. d.) verwandt; jedenfalls wie dies ein Fremdwort unbekannter Herkunft. Semitische Hypothesen bei Lewy Fremdw. 99f. Eine kürzere Form κίβος (κῖβος?) bei Suid. — Aus κιβωτός syr. qēƀūthā und npers. kēƀūt ‘Schachtel’ (vgl. Bailey Trans. Phil. Soc. 1933, 50). Zur selben Gruppe vielleicht lat. cibus, s. W.-Hofmann s. v. m. Lit. I-848-849
κίγκασος · κυβευτικός τις βόλος, auch κίκκασος· βόλου ὄνομα H. — Zur Bildung Chantraine Formation 435; sonst unerklärt. I-849
κιγκλίς, -ίδος gew. pl. -ίδες f., ‘Gittertür(en)’, bes. die Türen, durch die die Richter oder die Ratsherren die Gerichtsstätte oder den Sitzungsraum betraten (Ar., Luk., Plu. u. a.), auch θυρο-κιγκλίδες (Attika). — Technisches Wort ohne sichere Etymologie. Wohl am ehesten mit Strömberg Wortstudien 15 Rückbildung aus κιγκλίζειν ‘schwanken, unstet sein’ (Thgn. 303; Gegensatz ἀτρεμίζειν; vgl zu κίγκλος), somit eig. etwa "Pendeltür" o. ä. — Nach Solmsen Wortforsch. 215 dagegen zu κάκαλα· τείχη H.; sehr unwahrscheinlich. Wieder anders Pisani Ist. Lomb. 77, 549: aus κιλ-κλί-δ-ες dissimiliert und wie δι-κλί-δ-ες ‘zweiflügelige Türen’ (s. d.) von κλί-ν-ειν; ähnlich schon Fraenkel KZ 45, 169. I-849
κίγκλος m. ‘Bachstelze’, nach H. ‘ὄρνεον πυκνῶς τὴν οὐρὰν κινοῦν’ (Kom., Arist. u. a.; Einzelheiten bei Thompson Birds s. v.), auch als N. eines Fisches (κίγκαλος, Numen. ap. Ath. 7, 326a), nach der Farbe?; vgl. Strömberg Fischnamen 116. Als Vorderglied in κιγκλο-βάτᾱς ‘wie eine Bachstelze gehend’ (ῥυθμός, Ar. Fr. 140). — Davon κιγκλίζω eig. "sich wie eine Bachstelze bewegen", wohl zunächst mit Beziehung auf den Schwanz (vgl. H. s. κίγκλος: κιγκλίζειν, ὅ ἐστι διασείεσθαι), ‘schwanken, unstet sein’ (Thgn. 303; vgl. zu κιγκλίς), auch mit δια- (trans., Hp., Ar.) und ποτι- (Med., Theok. 5, 117); Ableitungen κίγκλισις (Hp.), -ισμός (Hp., Men.). — Schon die wechselnden Formen der Überlieferung (κί(γ)χλος, κίγκαλος, κέγκλος usw.) deuten darauf hin, daß κίγκλος eine volkstümliche Benennung ohne feste literarische Tradition ist. Eine überzeugende Erklärung steht noch aus. Nicht mit Fritzsche Curtius’ Stud. 6, 315f. als *κέγκλος (mit ε > ι vor Nasal; Schwyzer 275) zu aind. cañcala- ‘beweglich, unstet’, da dies Wort vielmehr für *cal-cal-a- (mit Dissimilation) steht und zu cálati = cárati ‘sich bewegen’ (s. πέλομαι) gehört, sich also mit *κέγκλος > κίγκλος nicht vereinigen läßt (vgl. WP. 1, 401f.). Auch κίγκλος ließe sich natürlich auf *κέλ-κλ-ος zurückführen, wodurch Anschluß an κέλλω, κέλομαι formal möglich wäre; semantisch ist aber diese Etymologie (trotz κλόνος, κλόνις) nicht befriedigend. I-849
κίδαλον · κρόμμυον H. — Nach Grošelj Živa Ant. 2, 209 zur Sippe von σχίζω (s. d.); vgl. σχιστά· τὰ γράμματα. καὶ τὰ κρόμμυα H. I-850
κίδαρις, auch κίτ(τ)αρις, -εως f. N. einer turbanartigen Kopfbedeckung, die nur die persischen Könige trugen (Ktes., Ph., Plu. u. a.), auch vom Turban des jüdischen Oberpriesters (LXX); N. eines arkadischen Tanzes (Ath. 14, 631d). — Fremdwort aus unbekannter Quelle; Grimme Glotta 14, 16 vermutet heth.-oriental. Ursprung. I-850
κίδαφος, κιδάφη, auch κινδάφη, κι(ν)δάφιος, daneben σκίνδαφος f. (Ael.), σκιδάφη (Ark.); als Adj.: κίδαφος = δόλιος, κι(ν)δάφιος = πανοῦργος H. = ἀλώπηξ H.; Denominativ κιδαφεύειν· πανουργεῖν H. — Tiername mit φο-Suffix (Schwyzer 495, Chantraine Formation 263); die adjektivische Funktion ist offenbar sekundär. — Unerklärt. Nach Wood ClassPhil. 3, 76 als "der Gescheite" zu lit. skíedžiu, skíesti ‘trennen, scheiden’ usw.; ähnlich im Grunde schon Fick 13, 806 und Schrader BB 15, 138: zu aind. chidura- ‘trügerisch’ (in dieser Bed. nur lexikalisch belegt; sonst ‘zerbrechlich, zerbrechend’, zu chid- ‘abschneiden’, s. σχίζω). — Eine Nebenform ist κίραφος, s. d.; nach Havers Sprachtabu 125 wäre der Wechsel δ : ρ tabuistisch. Weittragende Hypothesen zur Stammbildung bei Specht Ursprung 171 und 229. I-850
κίδναμαι ‘sich ausbreiten’ s. σκεδάννυμι. I-850
κιδνόν · ἐνθάδε. Πάφιοι H. — Von der deiktischen Partikel idg. *ḱi in lat. ci-s, gr. ἐ-κεῖ (s. d.) usw., aber im einzelnen unklar. Bechtel Dial. 1, 349 sieht darin eine νο-Ableitung vom Neutrum *κιδ = got. und hit-a ‘ἕως ἄρτι’. Auch Pisani Anales de filcl 6, 213ff. setzt *κιδ dem got. hit-a gleich; -νον stehe dagegen für νῦν ‘nun’ mit kyprischem Übergang von υ zu ο; vgl. heth. kinun ‘jetzt’. Hierher nach P. noch ἀ-κιδνός ‘schwach, winzig’, Komp. ἀ-κιδνότερος, eig. "la persona o cosa che meno di un’altra si trova ‘κιδνον’"(?) oder s. v. a. ‘unzeitgemäß’. I-850
κιθάρα, ion. -ρη, auch κίθαρις, -ιος f. (ep. poet. seit Il.; zum [äolischen?] Akzent Schwyzer 385 m. Lit.). ‘Zither, Laute’ (ion. att.) Kompp., z. B. κιθαρο-αοιδός (Kom.), gewöhnlich kontrahiert κιθαρῳδός (ion. att.) ‘Zithersänger’ mit κιθαρῳδέω usw., ἀ-κίθαρις ‘ohne Z.’ (A.). Davon κίθαρος m. 1. ‘Brustkasten’ (Hp. Loc. Hom.; nach der Form); 2. N. eines Plattfisches (Kom., Arist. usw.; nach der Form) mit κιθάριον (Ptol. Euerg.); auch κιθαρῳδός N. eines im Roten Meere lebenden Fisches (Ael.; nach der Farbenzeichnung; Thompson Fishes s. v., Strömberg Fischnamen 38). — Denominatives Verb κιθαρίζω ‘die Zither spielen’, auch von Saiteninstrumenten im allg. und von dem begleitenden Gesang (seit Il.; Schwyzer 736; zur Bed. E. Diehl RhM N. F. 89, 96f.) mit mehreren Ableitungen: κιθαριστύς f. (Il.), κιθάρισις (Pl. u. a.), -ισμός (Kall.) ‘das Zitherspielen, die Kunst des Zitherspielens’; Versuch einer semantischen Differenzierung bei Benveniste Noms d’agent 69, s. auch Porzig Satzinhalte 181; κιθάρισμα ‘Musikstück für die Z.’ (Pl. usw.); κιθαριστής ‘Zitherspieler usw.’ (h. Hom. 25, 3, Hes. usw.) mit -ίστρια (Arist. usw.), auch -ιστρίς (Nik. Dam.), -ιστικός (Pl. usw.), -ιστήριος (hell.) ‘dem Zitherspielen, -er gehörig’. — LW aus unbekannter Quelle. Verfehlte Erklärungsversuche aus dem Indog. und dem Semit. bei Bq. I-850-851
κί̄κᾰμα Akk. n. (pl.) N. einer Pflanze, nach H. (cod. κικαμία) ähnlich der καυκαλίς (Nik. Th. 841). — Bildung wie βάλσαμον, σήσαμον usw., aber im übrigen unerklärt. I-851
κῖκι, -ιος, -εως in dieser Bedeutung auch κικέα (Aët., Paul. Aeg.; nach συκέα usw.); n. (auch indekl., Mayser Pap. 1 : 2, 24) ‘Rizinusöl’ (Hdt. 2, 94, Pl. Ti. 60a, Pap. u. a.), auch auf den Baum übertragen ‘Wunderbaum, Ricinus communis’ (Str., Dsk.), als Vorderglied z. B. κικιο-φόρος ‘Rizinusöl hervorbringend’ (γῆ, Pap.). Davon κίκινος ‘vom Rizinus stammend’ (ἔλαιον, Dsk., Gal.), κίκιον ‘die Wurzel des Rizinusbaums’ (Gal.). — Ägyptisches Wort (Hdt. 2, 94); vgl. Hehn Kulturpflanzen 207 und Mayser Pap. 1 : 1, 37. I-851
κίκιννος m. ‘gekräuseltes Haar, Haarlocke’ (Kom., Theok., AP u. a.). — Unerklärtes Kulturwort (ägäisch oder kleinasiatisch?; vgl. Schrader-Nehring Reallex. 1, 420). Daraus lat. cincinnus; vgl. W.-Hofmann s. v. mit weiteren Einzelheiten; daselbst (wie bei Bq) auch verfehlte idg. Etymologien. I-851
κίκιρρος · ἀλεκτρυών, κίκκα· ἀλεκτορίς, κικκός· ἀλεκτρυών H. — Onomatopoetische Wörter; vgl. z. B. nhd. kikeriki Naturlaut des Hahnes usw. Zu κίκιρρος (aus Diodors Γλῶσσαι ’Ιταλικαί?) stimmt Cicirrus, osk. Cognomen des Messius (Hor. Sat. 1, 5, 52), wohl eig. ‘Kampfhahn’ mit Beziehung auf die in der unteritalischen Posse geläufige Hahnenmaske (W.-Hofmann s. v. nach Heinze zur Horazstelle). I-851
κικκαβαῦ Naturlaut der Nachteule (Ar. Av. 261); davon κικκάβη ‘Nachteule’ (Sch. z. St.) und κικκαβάζω ‘wie eine Eule schreien’ (Ar. Lys. 761 coni. Dobree für κακκαβάζω, -βίζω). Daneben κικκάβη (Gloss.), κίκυμος, -υβος (H.), κικυμωΐς (Kall. Fr. 318) ‘ds.’; vgl. Heubeck Würz. Jb. 1949-50, H. 2, 208ff. — Onomatopoetische Wörter, teilweise mit expressiver Gemination (Schwyzer 315); zum β-Suffix Chantraine Formation 261. Vgl. κακκάβη und κίκιρρος; s. auch κίκκαβος und κύμινδις; dazu noch W.-Hofmann s. cucubiō. I-851-852
κίκκαβος m. scherzhafte Benennung einer kleinen Münze der Unterwelt = ein Achtel einer ψωθία = 3 Obolen (Pherekr. [1, 167] ap. Poll. 9, 83); auch ‘Geizhals’ (Phot. s. κίμβικας). Davon κικκάβι(ο)ν· ἐλάχιστον, οὐδέν H. — Ausgang wie in dem sinnverwandten κόλλυβος (s. d.), aber vielleicht mit Pisani Paideia 6, 291ff. von (dem Laut) der Nachteule, κικκαβαῦ, κικκάβη; (nach der Eule auf der Rückseite der athenischen Münzen?). Das Wort *κίκκος ‘Kerngehäuse des Granatapfels’ beruht auf einer Konjektur für das unklare κικαῖος bei H.; s. Pisani l. c. I-852
κικλήσκω ‘rufen, nennen’ s. καλέω. I-852
κίκους · ὁ νέος τέττιξ, κίξιος· τέττιξ H. — Nach Gil Emerita 25, 323f. onomatopoetisch. I-852
κῖκυς, -υος f. ‘Kraft, Stärke’ (ep. poet. seit λ 393); ἄ-κικυς, -υος ‘kraftlos, schwach’ (ep. poet. seit Od., auch Hp.); κικύω = ἰσχύω (Hdn. Gr. 2, 533 u. a.). — Unerklärt. Verfehlte idg. Etymologien (zu κύος, κηκίω u. a.) bei Bq. Nach v. Windekens KZ 74, 239ff. pelasgisch (zu nhd. quick usw.). I-852
*κίκω, ἔκιξα s. κιχάνω. I-852
κιλλίβᾱς, -αντος, gew. pl. -αντες m. ‘dreibeiniges Gestell, Gerüst’ (Ar. Ach. 1121, Pap., Poll. u. a.). — Umbildung von κίλλος ‘Esel’ nach dem synonymen ὀκρίβας (vgl. Schwyzer 448). Zur Bedeutung vgl. z. B. ὄνος, ὀνίσκος ‘Winde, sucula’, frz. chevalet ‘Gestell’, nhd. Esel, Bock ‘ds.’ u. a. m. I-852
κιλλός ‘grau’ (Eub. 103, Phot., H., Eust.). Davon mit Akzentverschiebung κίλλος m. ‘Esel’ (vgl. frz. grison; Sammelb. 5224, Poll. 7, 56, H.), übertr. ‘Zikade’ (H.; nach der Farbe, vgl. Strömberg Wortstudien 11, Fischnamen 100, Gil Emerita 25, 315); auch als Vorderglied, z. B. κιλλ-ακτήρ· ὀνηλάτης, κυνηγός (Poll., H.; dor.), Κιλλ-άκτωρ PN (AP 5, 28; 44). Dazu noch als Hinterglied in maked. ’Επό-κιλλος (s. zu ἵππος)? — Über das dunkle Κιλλι-κύριοι (H., Phot.) s. die unsichere Hypothese von Weber KZ 66, 230ff. — Ableitung κίλλιος ‘eselsfarbig, ὀνάγρινος’ (Poll.), wohl auch κιλ<λ>ίας· στρουθὸς ἄρσην H. — Vgl. κίλλουρος. Herkunft unklar. Bezüglich des Stammvokals vgl. πιλνός ‘grau’ neben πελιός ‘ds.’; κιλλός also mit Persson Beitr. 1, 169 zu κελαινός (s. d.) u. Verw.? Für die Geminata λλ sind mehrere Erklärungen aufgestellt worden: aus λν (Persson), aus λνι̯ (WP. 1, 440), aus λι̯ (Güntert Idg. Ablautprobl. 26), Kurzform (WP. a. a. O.). — Anders Prellwitz Wb. — Aind. cillī ‘Grille’ (Gramm.) ist wohl lautnachahmend, s. Mayrhofer Wb. s. v. I-852-853
κίλλουρος · σεισοπυγίς (‘Bachstelze’) H. — Nach Schrader BB 15, 127f. zu einem baltischen Wort für Bachstelze, lit. kíelė, lett. ciẽlava, apreuß. kylo, das selbst auf ein Verb ‘bewegen’ (s. κινέω, κίω) zurückgeführt wird; lit. kíelė könnte dann mit gr. *κίλλα aus *κιλ-ι̯α identisch sein. — Zu erwägen bleibt indessen, ob die Bachstelze nicht einfach nach der grauen Farbe benannt worden ist; s. zu κιλλός. In beiden Fällen wäre als Hinterglied οὐρά ‘Schwanz’ angehängt. — Über das anklingende, aber dunkle lat. mōtacilla ‘die weiße Bachstelze’ s. W.-Hofmann s. v. I-853
κιμβάζει · στραγγεύεται H. S. σκιμβάζω. I-853
κίμβιξ, -ικος m. ‘Geizhals, Knauser’ (Xenoph., Arist., Plu. u. a.) mit κιμβικ[ε]ία· πανουργία, ἐνεασμός H.; auch κιμβ(ε)ία ‘Geiz, Knauserei’ (Artist., H.). — Volkstümlich-expressives Wort auf -ιξ (Chantraine Formation 382), das sich einer genauen Analyse entzieht. Vielleicht mit Persson Studien 177 A. 1, Grošelj Živa Ant. 2, 209f. zu σκιπός· σκνιφός, ὁ μικρολόγος H., σκιφία H. als Erklärung von κιμβεία; weitere Anknüpfungsversuche s. κνίψ. I-853
Κίμων, -ωνος m. PN (Hdt. usw.). — Hypothese von Prellwitz BB 30, 176: als ursprüngliches Farbenadj. (vgl. Μιλτιάδης : μίλτος ‘Rötel’) zu lat. cīmex ‘Wanze’ (eig. "der Dunkelbraune"?), aind. śyāmá- ‘schwarzgrau, dunkelfarbig’ usw. Weitere Formen bei WP. 1, 361, Pok. 541, W.-Hofmann s. cīmex. I-853
κινάβρα f. ‘Bocksgeruch’ (Luk., Poll.) mit κιναβράω ‘nach Bock riechen’ (Ar. Pl. 294). — Unerklärt. Begründeter Zweifel an der herkömmlichen Zusammenstellung mit κενέβρειος bei Schwyzer 350. I-853
κίναδος, -εος n. sizil. Wort für ‘Fuchs’ (Kall. Kom. 1 D., Sch. Theok. 5, 25), ‘Getier’ (Demokr. 259), auf Menschen übertr. ‘Bösewicht’ (att.); nach H. = θηρίον, ὄφις. Deminutivum κινάδιον (Harp.). — Vielleicht mit Fick BB 28, 101 zur Sippe von κνώδαλον, s. d. I-853
κινάθισμα n. ‘Geräusch’, von fliegenden Vögeln (A. Prom. 124, anap.), κιναθισμός ‘ds.’ (Phot.); von κιναθίζειν· ἰδιάζειν, ἀποθησαυρίζειν κατὰ μικρὸν συλλέγοντα. ἔνιοι μινυρίζειν καὶ κινεῖν H. Daneben κίναθος· θησαυρισμός Phot., κιναθίας· κρυπτός H. — Dunkel; zur Anfangssilbe vgl. κινυρός. Wegen der Kürze des ι nicht zu κῑνέω. I-853-854
κίναιδος m. ‘unzüchtiger Mensch, Wüstling’ (Pl., Herod., Pap. usw.), auch in Kompp., z. B. κιναιδο-λογέω (Str.), N. eines Meerfisches (Plin.), eines Vogels (= κιναίδιον, Gal.). Davon κιναίδιον (-ιος) N. der ἴυγξ (H., Phot.), der Bachstelze (Sch.) usw., κιναιδίας m. ‘Stein, der im Fische κίναιδος gefunden wurde’ (Plin.), -ία ‘Unzucht’ (Aeschin., spät), -ώδης ‘nach der Art eines κ.’ (Sch.); κιναιδίζω ‘κ. sein’ (Antioch. Astr.) mit κιναίδισμα (Eust.), auch -δεύομαι (Sch.). — Nicht befriedigend erklärt. Nach Archigenes (ap. Gal. 12, 800) syrisch. Fick BB 28, 101 zieht es als ‘pruriens’ zu -κναίω ‘zerschaben, -reiben’, zunächst aus einem Adv. *κιναι-δόν wie βάδος ‘Marsch’ aus βαδόν (?). I-854
κινάρα f. ‘Artischocke’ (hell. u. spät) mit κιναρεών (Pap.), κιναρη-φάγος (Juba). — Fremdwort unbekannter Herkunft. I-854
κίνδαξ · εὐκίνητος, κίνδακας· εὐκινήτους H. Daneben ὀνο-κίνδιος (Eup.), -δας (H.) ‘Eselstreiber’; κινδαύει (κινδάνει Taillardat, s. u.)· κινεῖται, κερατίζει H., Κίνδων N. eines ὀψοφάγος (Ath. 8, 345c). — In κινδ- wird allgemein eine Erweiterung von κίω vermutet; vgl. zur Bildung ἀλίνδω, κυλίνδω (Persson Beitr. 1, 156). Man hat auch ein nasalinfigiertes κι-ν-δ- derselben Art wie lat. fu-n-d-ō angenommen; das nasallose κι-δ- hat Brugmann IF 6, 94, wenig überzeugend, in got. haitan ‘nennen, rufen’ wiederfinden wollen. S. zuletzt Taillardat Rev. ét. anc. 58, 189ff. mit weiteren Hypothesen; vgl. noch Fraenkel Nom. ag. 2, 175 A. 1. — Verfehlt v. Windekens Le Pélasgique 98ff. (zu θείνω, φόνος). Vgl. κίνδυνος. I-854
κίνδυνος (Dat. -υνι Alk. Z 92; auch Gen. -υνος Sapph. 184?) m. ‘Gefahr, Risiko’ (Thgn., Pi., ion. att.; zum Begriff Mette Hermes 80, 409ff.); — Ohne überzeugende Etymologie. Die formal naheliegende Anknüpfung an κίνδαξ, ὀνο-κίνδιος mit weiterem Anschluß an κινεῖν (Prellwitz Wb., Vendryes REGr. 25, 461f. mit Hinweis auf lat. solli-citus ‘geängstigt, in Gefahr’, v. Windekens Le Pélasgique 98f.) bietet semantisch nur eine theoretische Möglichkeit. Nicht weniger hypothetisch ist der Vorschlag Schulzes (bei Sittig KZ 52, 207f.; zustimmend u. a. Schwyzer 335, Specht KZ 66, 5), κίνδυνος stehe als alter Ausdruck des Würfelspiels durch Assimilation für *κύν-δυ-νος, von κύων als Bezeichnung des unglücklichen Wurfes (wie aind. śvan-, lat. canis; vgl. zu Κανδαύλης) und einem Wort für ‘würfeln, Würfelspiel’ in aind. dī́vyati ‘würfeln’, dyūtá- n. ‘Würfelspiel’; weder phonetisch noch morphologisch ohne Bedenken, s. Kretschmer KZ 55, 90f.; ablehnend Kuiper Μνήμης χάριν 1, 217 A. 26. Für fremden (vorhellenischen oder kleinasiatischen) Ursprung Debrunner Eberts Reallexikon 526, Kretschmer a. a. O. — Über κίνδυνος = ἡ ἐν πρῴρα σελίς (H.), woher ngr. (Naxos) ‘Bett’, Andriotis Glotta 25, 19f. als Hinterglied z. B. in ἐπι-κίνδυνος ‘mit Gefahr verbunden’ (ion. att.). Davon κινδυνώδης ‘gefahrvoll, gefährlich’ (Hp., Plb. usw.), κινδυνεύω ‘sich der Gefahr aussetzen, Gefahr laufen’ (ion. att.) mit κινδύνευμα ‘Wagstück’ (S., E., Pl. u. a.), -ευτής ‘Wagehals’ (Th., D. C.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 73), -ευτικός ‘gefahrvoll, abenteuerlich’ (Arist.). I-854-855
κῑνέω, Aor. κινῆσαι, ‘in Bewegung setzen, vertreiben, schütteln’ (seit Il.). oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, δια-, μετα-, παρα-, συν-, Davon κίνημα, κίνησις ‘Bewegung, Aufregung’ (ion. att.) mit παρα-κινηματικός (Ph.), κινητικός ‘bewegend, beweglich’ (ion. att.; Chantraine Étude sur le vocab. gr. 101); κινηθμός ‘Bewegung’ (Pi.; zur Bed. Benveniste Origines 201); κινώ = κίνησις (Emp. 123, 2; nach H. dor.); κινητήρ ‘Erreger, Erschütterer’ (h. Hom., Pi.; von Poseidon; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 108; 153; Benveniste Noms d’agent 39 u. 42) mit κινητήριος (A.); κινητής ‘ds.’ (Ar., Plb.); κίνηθρον (Poll.), -ητρον (Eust., Sch.) ‘Rührlöffel’; κινητήριον ‘Bordell’ (Eup.; von κινεῖν sens. obsc.); — eine Rückbildung von ἀπο-κινεῖν ist ἀπόκινος m. N. eines komischen Tanzes (Kom.). — Daneben κί̄νυμαι ‘sich bewegen, κινέομαι’ nur Präsensstamm (ep. seit Il.), vereinzelt mit ἐν-, ἐπι-, ὑπο- (Q. S.); intensive Erweiterung davon κινύσσομαι ‘heftig bewegt werden, aufgeregt sein’ (A. Ch. 196; Schwyzer 716) mit κίνυγμα ‘bewegter, leichter Gegenstand, Spielball’ (A. Pr. 158, anap.). — Wegen κίνυμαι ist für κινέω ein älteres *κινέϝ-ω, wohl für *κι-νευ-μι, anzusetzen; die außerpräsentischen Formen κινῆ-σαι usw. sind somit Analogiebildungen. Schwyzer 696 m. A. 5 u. Lit. In κι-νυ-μαι, *κι-νευ-μι liegt ein altes νυ-Präsens vor, s. κίω, auch σεύω. I-855
κιννάβαρι, -εως auch -ις m. (Anaxandr. 14, Ps.-Dsk. 3, 143) n. (Arist., Thphr. usw.), ‘Drachenblut’ (Malerfarbe), ‘Zinnober’, auch als Planzenname = ἐρυθρόδανον (Ps.-Dsk.), mit κινναβάριον N. einer Augensalbe (Gal.), -άρινος ‘zinnoberrot’ (Arist. u. a.), -αρίζω ‘zinnoberrot sein’ (Dsk.). — Fremdwort aus unbekannter orientalischer Quelle; vgl. Schrader-Nehring Reallex. 2, 701f. Aus dem Griech. lat. cinnabaris mit mhd. zinober usw. — Eine eigentümliche Nebenform ist τιγγάβαρι (Diokl. Kom. 9, 10, Theognost. Kan. 120, H.) mit τιγγαβάρινος (Dam. Isid. 203). I-855
κιννάμωμον, vereinzelt -ν-, auch κίνναμον (Plin.), -ν- (Nik. Th. 947), n. (Hdt., Thphr., Pap. usw.), gewöhnlich als ‘Zimt’ erklärt; nach Hennig Klio 32, 325ff. irgendeine andere wohlriechende Substanz; als Vorderglied in κινναμωμο-φόρος (γῆ, Str.), κινναμο-λόγος m. N. eines mythischen Vogels (Plin.), auch κιννάμωμον genannt (Arist. u. a.); zur Sache Thompson Birds s. v. Davon κινναμωμίς f. eine geringere Art des Zimtes (Gal.), κινναμώμινος ‘aus (mit) Zimt bereitet’ (Antiph. u. a.), -μίζω ‘dem Zimte ähnlich sein’ (Dsk. 5, 121). — Aus dem Phönikischen (Hdt. 3, 111); vgl. hebr. qinnāmōn ‘ds.’; Ausgang nach der Gewürzpflanze ἄμωμον oder volksetymologisch nach ἄμωμος ‘tadellos’. Lewy Fremdw. 37, Schrader-Nehring Reallex. 2, 695f. I-856
κί̄νυμαι ‘sich bewegen’ s. κινέω und κίω, auch σεύω. I-856
κινύρα f. N. eines Saiteninstruments (LXX, J.), — aus hebr. kinnōr ‘Zither’ mit Angleichung an κινυρός. Lewy Fremdw. 164; s. auch Grimme Glotta 14, 19. I-856
κινυρός Beiwort der βοῦς (Ρ 5), des γόος (A. R. 4, 605), der πέτηλα (Nonn. D. 38, 95); Bed. schon früh strittig, vgl. H.: κινυρή (zu Ρ 5). ἁπαλή, νέα, λεχώ, οἰκτρά, θρηνητική und κινυρόν (zu A. R. 4, 605). λεπτόν, καπυρόν, ὀξύ, οἰκτρόν. Davon κιν[ν]υρίδες· τὰ μικρὰ ὀρνιθάρια H., offenbar = ‘klagend, jammernd’; κινυρίζω ‘jammern, wehklagen’ (Ι 612 nach Zenodot), κινύρομαι ‘knirschen, (be)jammern’ (A. Th. 123 [lyr.], Dikt. 804, Ar. Eq. 11, A. R., Kall. u. a.). PN Κινύρης (Λ 20), -ρας (Tyrt.). — Der Parallelismus von κινυρός, κινυρίζω, κινύρομαι und μινυρός, μινυρίζω, μινύρομαι liegt auf der Hand; allem Anschein nach sind gegenseitige Verquickungen früh eingetreten. Andere Mischformen sind κιναθίζειν mit -ισμός, -ισμα (s. d.) und κιναρύζεσθαι· θρηνεῖν μετὰ τοῦ γογγύζειν H. (nach κελαρύζειν?, Leumann Hom. Wörter 241 A. 37). — In Übereinstimmung mit dem Alter der Belege betrachtet Leumann l. c. nur κινυρός und μινυρίζω als alt; die übrigen Formen wären unter Mitwirkung von μύρομαι durch Kreuzungen entstanden. In κινυρός wäre ein altertümlicher, von den Erklärern verschieden gedeuteter Fachausdruck der Viehzucht erhalten. — Eine überzeugende Erklärung von κινυρός und Verw. ist jedenfalls noch nicht gefunden (pelasgische Hypothese bei v. Windekens Le Pélasgique 100). I-856
κινύσσομαι s. κινέω. I-856
κινώπετον κινωπηστής, -οῦ m. ‘ds.’ (ebd. 141). n. ‘giftiges Tier, insbes. Schlange’ (Kall. Jov. 25, Nik. Th. 27 u. 195); — Ausgang nach ἑρπετόν, δακετόν bzw. ἑρπηστής; wohl mit Persson Studien 177 zu κνώψ ‘giftiges Tier’ (s. d.) mit Vokalentfaltung. I-856-857
κιξάλλης, -ου m. ‘Wegelagerer, Seeräuber, Dieb’ (Demokr. 260, SIG 38, 19 [Teos Va], H.), bei Jo. Gramm. (Hoffmann Dial. 3, 208) κιττάλης = κλέπτης (zum Lautlichen Schwyzer 318). Davon κιξαλλεύω ‘Räuberei treiben’ (SIG l. c.), κιξαλλία· πᾶσα κακοτεχνία H. — Zur Bildung vgl. καβάλλης, δαμάλης u. a., sonst unklar. Wohl kleinasiatisch (karisch-lykisch) mit Hoffmann Dial. 3, 612; vgl. Solmsen Wortforsch. 141 m. A. — Nicht mit v. Herwerden Lex. suppl. s. v. zu κίξατο (s. κιχάνω). I-857
κίρα · ἀλώπηξ. Λάκωνες, κίραφος· ἀλώπηξ H. — Als "der Rote" zu κιρρός ‘πυρρός, ἐρυθρός, ξανθός’ (s. d.), evtl. aus κίδαφος daran angeglichen. Frisk IF 49, 98f. (auch über die Bildung); ältere Versuche ebd. und bei Bq. I-857
κιρκαία (ῥίζα) ‘die schwarze Schwalbenwurz, Vincetoxicum nigrum’ (Dsk., Apollod.) = διρκαία (s. d.). — Von Κίρκη, nach Dsk. 4, 75 "ἐπειδὴ δοκεῖ ἡ ῥίζα φίλτρων εἶναι ποιητική". Weiteres s. διρκαία; dazu noch Güntert Götter und Geister 95ff. I-857
κίρκος 1. m. Art Habicht oder Falke (s. Thompson Birds s. v.; poet., Hom., A., A. R. u. a.). — Herkunft unbekannt, onomatopoetisch?; vgl. zu κρέξ. I-857
κίρκος 2. m. ‘Kreis, Ring’ s. κρίκος. I-857
κίρνημι, κιρνάω s. κεράννυμι. I-857
κιρρός ‘rotgelb, gelbbraun’, von οἶνος, νέκταρ (Hp., Nik. u. a.), f. κιρράς (Nik.). Nuancierende Kompp. und Abl.: ὑπό- (Hp., Dsk., Gal.), ἔγ-κιρρος (Dsk.; Strömberg Prefix Studies 127), κιρρο-ειδής (Apollod. Myth.), κιρρώδης (Hippiatr.). Außerdem κιρρίς f. N. eines Seefisches (Opp.); vgl. κηρίς m. Lit. s. κηρός (κιρρά [für κίρρα?] H.); auch = εἶδος ἱέρακος (EM 515, 15); vgl. κεῖρις· ὄρνεον, ἱέραξ, οἱ δὲ ἁλκυόνα H., woraus lat. cīris ‘Meervogel’, s. W.-Hofmann s. v.; auch κίρις· ... ὄρνεον H.; ganz unsichere Hypothesen bei v. Blumenthal Hesychst. 40f. — Hierher auch κίρα, κίραφος ‘Fuchs’, s. d. — Zur Geminata -ρρ- vgl. πυρρός (oder volkstümlich-expressiv?). Nicht befriedigend erklärt. Der Vergleich mit lit. šir̃mas, šir̃vas ‘(blau)grau, grauschimmelig’ (Prellwitz, Frisk IF 49, 99) verstößt gegen den Vokalismus, da lit. -ir̃- unbedingt am ehesten als Schwundstufe zu gelten hat (WP. 1, 409, Pok. 573f.). Nach Anderen zu slav., z. B. r.-ksl. sěrь ‘grau’, mir. cīar ‘dunkel’ usw. (WP. 1, 360, Pok. 540f.); anders über die slav. Wörter Vasmer Wb. s. séryj. I-857
κιρσός auch κρισσός (Hippiatr., H.), κριξός (Poll.); zum Wechsel σ(σ) : ξ Schwyzer 318 und 516. m. ‘Krampfader’ (Hp., Philostr. u. a.), Als Vorderglied u. a. in κιρσο-κήλη ‘Aderbruch’, κιρσο-τομέω mit -ία ‘Aderbruch operieren’; Ableitungen κιρσώδης ‘krampfaderig’, κιρσόομαι, -όω ‘Krampfadern erhalten, verursachen’ mit κίρσωσις (Med.). — Herkunft unklar. Nach Walde in WP. 2, 569 (Pok. 935) zu κίρκος, κρίκος ‘Ring’ als "vortretende Aderringe"; somit aus *κιρκ-ι̯ός, *κρικ-ι̯ός? I-858
-κις, ep. lyr. dor. auch -κι, lak. -κιν, multiplikatives Suffix in πολλά-κι(ς) ‘vielmals’ (seit Il.), τετρά-κι(ς) ‘viermal’ (seit ε 306), πεντά-κι(ς) ‘fünfmal’ (seit Pi.) usw. — Zu πολλά-κι(ς) stimmt begrifflich aind. (ved.) purū́-cid ‘vielmals’; auch der Form nach lassen sich die beiden Wörter vereinigen unter der Annahme, daß der Plural πολλά ‘oft’ ein älteres *πολύ̄ (s. πολύς) ersetzt hat, da das für aind. c hier vorauszusetzende idg. qu̯ im Griechischen nach υ durch κ vertreten wird. Eine Bestätigung bringt tarent. ἀμά-τις ‘einmal’ = kret. ἀμά-κις H. Von πολλάκι(ς) haben sich die κ-Formen zu den Zahladverbien τετράκι(ς) usw. verbreitet; vgl. noch οὐ-κί. An -κις : aind. cid erinnert bezüglich des Auslauts ἕως ‘bis’ : aind. yā́vat (s. zu 2. ἕωs m. Lit.); zu bemerken sind noch Wechselformen wie αὖθι(ς), αὖθιν, außerdem δίς, τρίς. — Etymologisch ist -κι, -τι = aind. cid mit dem Indefinitum τι ‘irgendwas’ identisch, s. τίς. — Schwyzer 299 nach Wackernagel KZ 25, 286f. = Kl. Schr. 1, 230f. I-858
κῖς (κίς Hdn. Gr. 2, 925), Akk. κῖν, Gen. κιός m. ‘Holz-, Kornwurm’ (Pi. Fr. 222, Thphr., Gramm.); — zum Akzent Schwyzer 378 und Berger Münch. Stud. z. Sprachwiss. 3, 8; zur Quantität des ι in κιός usw. Schwyzer 571. — Unerklärt. Vergebliche idg. Deutungsversuche bei Bq, neuer Vorschlag von H. Petersson Griech. u. lat. Wortstud. 9f. Zu aind. kīṭá- m. ‘Wurm, Insekt’, wohl mind., s. Mayrhofer Wb. s. v. I-858
κίσηρις, -εως, -ιδος auch κίσηλις (Pap., Luk.) f. ‘Bimsstein’ (Ar., Arist., Thphr., Pap.), mit κισήριον (EM), κισηρο-ειδής und κισηρώδης ‘bimssteinähnlich’ (Diog. Apoll., hell. u. spät); κισηρόομαι ‘in Bimsstein verwandelt werden’ (Thphr.), -ρίζω ‘mit Bimsstein glätten’ (Nik. Dam.). — Unerklärtes Fremdwort; zur Sache vgl. Schrader-Nehring Reallex. 1, 146. I-858
κίσθος auch κίστος (Hp., Gal.), κίσθαρος m. (Dsk.) m. (Eup., Mnesim., Dsk.), ‘Cistus’, Familie von niedrigen Sträuchern, deren einzelne Arten oft den harzähnlichen Stoff λήδανον absondern. Davon ὑποκισθίς (-τίς) f. ‘Cytinus hypocisthis’, Schmarotzerpflanze (Dsk., Gal. u. a.). — Zu κίσθαρος vgl. κόμαρος, κίσσαρος und andere Pflanzennamen (Chantraine Formation 227, auch Bertholdi Mélanges van Ginneken 157ff.). — Fremdwort unbekannter Herkunft; vgl. Lewy Fremdwörter 46f. (θ : τ somit kein idg. Wechsel th : t mit Specht Ursprung 251 u. 255). Verfehlte idg. Etymologie bei Bq. I-858-859
κίσπρα · πικρὰ τὸ ἦθος, παλίγκοτος. Κῷοι H. — Bechtel Dial. 2, 599 vergleicht fragend osk. kaispatar, dessen Bedeutung indessen unbekannt ist. I-859
κίσσα 1. att. κίττα f. ‘Häher, Garrulus glandarius’, auch ‘Elster, Pica caudata’ (Ar. usw.; zur Begriffsbestimmung usw. Thompson Birds s. v.), auch = ἰχθῦς ποιός H. (zum Benennungsmotiv Strömberg Fischnamen 115). Davon κισσαβίζω (-ττ-) ‘wie ein Häher schreien’ (Poll.; vgl. τιττυβίζω u. a.), auch κισσάω, s. zu 2. κίσσα. — Bildung wie νῆσσα und andere Tiernamen (Chantraine Formation 98), somit aus *κικ-ι̯ᾰ, onomatopoetisch von dem Naturlaut des Vogels wie aind. kiki- (Lex.), kikidīví- m. (RV. 10, 97, 13, TS.) ‘der blaue Holzhäher’, germ., z. B. ags. higora ‘Häher’. — Wenn Erbwörter gemeinsamen Ursprungs vorliegen, hat sich aind. kikidīví- im Gegensatz zu den germanischen Wörtern als schallnachahmend der regelmäßigen Lautentwicklung (Palatalisierung k > c) entzogen. Lit. bei Bq, WP. 1, 451, Pok. 598, Mayrhofer s. v.; dazu noch Schwentner KZ 69, 246f. (über schallnachahmendes kiki-) und Fraenkel KZ 72, 178ff. (zu den Benennungen des Eichelhähers im Litauischen und Germanischen). I-859
κίσσα 2. att. κίττα f. ‘krankhafte Eßlust schwangerer Frauen’ (Dsk., S. E., Sor., Gal.) mit κισσώδης ‘von κίσσα gefüllt’ (Dsk.). — Daneben κισσάω, κιττάω ‘krankhafte Eßlust haben’, von schwangeren Frauen, übertr. ‘heftig verlangen’ (Ar., Arist. usw.), ‘schwanger werden’ (LXX), mit κίσσησις (Gal.). — Alter und Frequenz der Belege lassen darauf schließen, daß κισσάω gegenüber 2. κίσσα primär ist, letzteres somit eine Rückbildung darstellt (so schon Lagercrantz Lautgeschichte 86ff., aber mit unrichtiger Etymologie). Seinerseits ist aber κισσάω ein Denominativum von 1. κίσσα ‘Häher, Elster’ und bezieht sich auf die wohlbekannte Gefräßigkeit dieses Vogels (ὄρνεον ἀδηφάγον καὶ παμφάγον Sch. Ar. Pax 496); κισσάω somit eig. volkstümlich-expressiv ‘sich wie ein Häher (eine Elster) gebärden’. — Die landläufige Anknüpfung an aind. kéta- ‘Wille, Begierde’, lit. kviečiù ‘einladen’ usw. (Solmsen KZ 33, 294ff.) muß somit fallen. Weitere verfehlte Etymologien bei Bq. Das allgemein mit 2. κίσσα verbundene κοῖται· γυναικῶν ἐπιθυμίαι ist offenbar nichts als ein okkasioneller Gebrauch von κοίτη = ‘Ehebett, geschlechtlicher Verkehr’. I-859-860
κισσός, att. κιττός ‘Efeu, Hedera helix’ (ion. att.). Oft als Vorderglied, z. B. κισσο-φόρος ‘efeutragend’ (Pi., Ar. u. a.); auch als Hinterglied, z. B. κατά-κισσος ‘mit Efeu bekränzt’ (Anakreont.). Ableitungen: Deminutivum κισσίον = ἀσκληπιάς (Ps.-Dsk.); κίσσινος ‘aus Efeu’ (Pi., E. u. a.), κισσήεις ‘ds.’ (Nik., Nonn.; zur Bildung Schwyzer 527), κισσώδης ‘mit Efeu umwunden’ (Nonn.); κισσεύς Beinanne des Apollon (A. Fr. 341; Boßhardt Die Nom. auf -ευς 43f.); κισσών ‘Efeuhain’ (Hdn. Gr.), κίσσαρος = κισσός (Gloss.). Denominatives Verb κισσόω, -ττ- ‘mit Efeu bekränzen’ (E., Alkiphr.) mit κίττωσις (Attika). — Fremdwort unbekannter Herkunft (vgl. Güntert Labyrinth 22, Bertoldi Studi etr. 10, 26 A. 2). Vergebliche idg. Erklärungsversuche bei Bq, WP. 1, 451 und W.-Hofmann s. hedera. Pelasgische Etymologie bei Carnoy L’Ant. class. 24, 17. I-860
κισσύβιον n. N. eines hölzernen Trinkgefäßes (Od., Theok., Kall. u. a.; zur Sache Brommer Herm. 77, 358 und 365f.), auch κισσύφιον (IG 22 : 1424a, 265; nach den Demin. auf -ύφιον). — Wie so viele Gefäßnamen etymologisch dunkel. Von den Alten auf κισσός bezogen, u. zw. entweder nach dem Material (Eumolp. ap. Ath. 11, 477a) oder nach dem Schmuck (Poll. 6, 97); die Bildungsweise bleibt dabei unklar; vgl. zuletzt Mastrelli Studitfilclass. N. S. 23, 97ff., wo auf die zahlreichen Fremdwörter mit β-Suffix hingewiesen wird. I-860
κίστη f. ‘Korb, Kiste’ (ζ 76, Ar., hell. usw.), als Vorderglied in κιστα-φόρος, -έω ‘Korbträger (sein)’ (Thrakien, Makedon.), κιστο-ειδής ‘kistenähnlich’ (H. s. ὀγκίον). Deminutiva κιστίς f. (Hp., Ar.), κιστίδιον (Artem.). — Vielleicht mit air. cess f. ‘Korb, Hürde’ aus idg. *kistā neben *kis-to- in air. ciss-ib ‘tortis’; dann eig. "Geflecht, geflochtener Behälter" (Fick 2, 12). — Andere Vorschläge: zu κεῖμαι (κοίτη auch = ‘Kiste’) nach Prellwitz s. v. (dagegen Bq); zu lat. cūra nach v. Planta u. a. (s. W.-Hofmann s. cista); ebenso Hendriksen IF 56, 21ff. u. 24ff., der aind. śeṣa- ‘Rest’ und (mit Fick BB 2, 266) lit. kìšti ‘einstecken’ mit einbezieht (dagegen W.-Hofmann a. a. O. und 1, 859, Fraenkel Lit. et. Wb. s. v.). — Aus κίστη lat. cista, woraus wiederum die europäischen Formen, ir. ciste m. ‘Schachtel’, ahd. kista usw. I-860
κίτριον n. ‘Zitronatbaum (Citrus medica), Zitronatzitrone’ (Juba, J., Epidauros IIp, Pap., Dsk. u. a.) mit κιτριο-ειδής (Gal.); auch κίτρον ‘Zitronatzitrone’ (Pamphil. ap. Ath. 3, 85c) mit κιτρό-μηλον ‘ds.’ (Dsk., Gp. u. a.); davon κίτρινος ‘zum Zitronatbaum gehörig, zitronengelb’ (D. C., Pap. u. a.), auch κίτρεος (Pap. VIp); κιτρέα f. ‘Zitronatbaum’ (Gp.; nach μηλέα usw.); κιτρᾶτον ‘Zitronentrank’ (Alex. Trall.). — Aus lat. citrium, citrum, citreus, citrātus, die alle auf citrus ‘Zitronatbaum’ zurückgehen, das selbst irgendwie mit gr. κέδρος (s. d.) zusammenhängt und vielleicht durch etruskische Vermittlung aus dem Griechischen entlehnt ist. — W.-Hofmann s. citrus mit weiteren Einzelheiten und reicher Lit. I-860-861
κίφος n. messen. Wort für στέφανος (Paus. 3, 26, 9). — Für *σκίφος zu σκιφίνιον· πλέγμα ἐκ φοίνικος H., σκιφα-τόμος ‘der σκίφα (‘Palmen’?) [für ψίλινοι στέφανοι] fällt’ (IG 5 : 1, 212, 63; Sparta Ia). — Nicht mit Solmsen Wortforsch. 205 (zögernd) zu κόφινος; auch nicht mit Petersson Glotta 4, 298 zu aind. śiphā ‘faserige Wurzel, Rute’ u. a. I-861
κιχά̄νω (ep.), att. κιγχᾰ́νω, mehrere als Aoriste dienende Formen: a) athemat. (ἐκίχην), -χεις, (ἐ)κίχημεν, Konj. κιχείω, Opt. -χείην, Inf. κιχήμεναι, -χῆναι, Ptz. κιχείς, -χήμενος; b) themat. 3. sg. ἔκιχεν, 3. pl. ἔκιχον, Konj. κίχω, κίχῃσι, Inf. κιχεῖν, Ptz. κιχών; c) sigmatisch κιχήσατο, Akt. Ptz. κιχήσας (B. 5, 148); d) dor. ἔκιξε = ἤνεγκε (Simm. 26, 7), ἀπέκιξαν (Ar. Ach. 869; böot.), κίξαντες· ἐλθόντες, πορευθέντες, κίξατο· εὗρεν, ἔλαβεν, ἤνεγκεν H.; Fut. κιχήσομαι ‘erreichen, erlangen, antreffen’ (ep. poet. seit Il.). Davon κίχησις· ἡ λῆψις H. — Auszugehen ist von einem reduplizierten Wurzelpräsens *κί-χη-μι (wie τί-θη-μι) in κί-χη-μεν, κι-χή-την u. a. (ἐκίχεις wie ἐτίθεις), die aber bei der Entstehung des neuen Präsens κιχάνω als Aoriste umgedeutet wurden. Hinzu traten als Neubildungen das thematische ἔκιχεν usw. und das sigmatische κιχήσατο mit dem Futurum κιχήσομαι (schon Il.); einen anderen σ-Aorist schuf das Dorische in ἔκιξε. Als letztes Glied des neuen Systems entstand nach Muster von ἔφθην, φθήσομαι : φθάνω das Präsens κιχάνω; dazu κιγχάνω nach λαμβάνω usw. Schwyzer 688 m. A. 5, 698; Chantraine Gramm. hom. 1, 300; 392; 415; 446. — Zu *κί-χη-μι aus idg. *ĝhi-ĝhē-mi stimmen bis auf den Reduplikationsvokal aind. já-hā-ti ‘verlassen’, aw. za-zāi-ti ‘entlassen’ (vgl. z. B. δί-δω-μι gegenüber dá-dā-ti); im übrigen haben sich die beiden Sprachen infolge der griechischen Neubildungen völlig getrennt (aind. Aor. a-hā-t wie ἔ-βη-ν, Fut. hā-sya-ti). Ein unredupliziertes hochstufiges Präsens liegt in dem germanischen Verb für ‘gehen’ vor; ahd. ags. gān, anord. gā; zur Bedeutung vgl. aind. Med. jí-hī-te, 3. pl. jí-h-ate ‘fort-, hervorgehen’ (mit Reduktions- bzw. Schwundstufe des Stammvokals). Entfernte Verwandte werden in χάζομαι, χατέω, χήρα, χώρος vermutet; s. dd. I-861-862
κίχλη (seit χ 468), jünger κίχλᾰ (Alex. Trall., Gp.; Solmsen Wortforsch. 260), dor. κιχήλα (Epich. 157, Ar. Nu. 339) f. ‘Drossel’, auch N. eines Lippfisches (Epich., Arist. usw.; weil er wie die Drossel mit den Jahreszeiten die Farbe verändert; Strömberg Fischnamen 116). Daneben κιχλίζω ‘kichern, lachen’ (Ar., Theok., Herod. usw.) mit κιχλισμός; κιχλιδ-ιάω ‘zu kichern wünschen’ (Kom. Adesp. 1038; nicht ganz sicher). — Volkstümliche Reduplikationsbildung, wahrscheinlich mit χελιδών usw. verwandt (s. d.), aber im einzelnen ebenso unklar wie die stark wechselnde Gruppe lat. turdus, nhd. Drossel usw. Ob der Vogelname oder das Verb die Priorität hat, steht dahin. Eine Nebenform ist ἴχλα (H.). Zur Sache Thompson Birds s. v. (auch über die verschiedenen Namen der Drossel). I-862
κίχορα κιχόρη f. (Thphr.), κιχόριον n. (Thphr., Dsk., Plin.), -ια pl. (Ar. Fr. 293; für -εια = lat. cĭchŏrēa pl.?) n. pl. (Nik. Al. 429; ῑ, Versanfang), ‘Zichorie, Cichorium intybus’. — Ohne Etymologie. I-862
κίχρημι (D., Plu.; κιχρέτω usw. delph. IVa, ἐσκιχρέμεν Inf. thess. IIIa; außerdem κίνχρητι ‘gibt ein Orakel’ kret. IIa), Med. κίχραμαι (Thphr., Plu., AP), Aor. χρῆσαι, χρήσασθαι und Fut. χρήσω, -ομαι (ion. att.), Perf. κέχρηκα (hell.), -ημαι (D.), ‘ausleihen’, Med. ‘entleihen’. vereinzelt mit Präfix δια-, ἐπι-, ἐσ-, Davon κίχρησις (Tz.). — Wie δίδημι zu δῆσαι, δήσω (s. 1. δέω) entstanden κίχρημι, κίχραμαι als Neubildungen zu χρῆσαι, χρήσω, χρήσασθαι, χρήσομαι. Auszugehen ist dabei vom Medium χρήσασθαι eig. ‘in Gebrauch nehmen’, wozu ein faktitives Aktivum χρῆσαι ‘zum Gebrauch geben’ = ‘ausleihen’ geschaffen wurde; danach χρήσασθαι auch = ‘entleihen’. S. χρή, wo auch Lit. I-862
κίω (κίεις A. Ch. 680), sonst nur präteritale und außerindikativische Formen: ἔκιε (κίε), κίομεν, κίον, Ipv. κίε, Konj. κίῃς, Opt. κίοι, Ptz. κιών ‘sich in Bewegung setzen, (weg)gehen’ (Hom., A.), mit θ-Erweiterung μετ-εκίαθε, -ον ‘folgte(n) nach, auf-, besuchte(n)’ (ep. seit Il.; ῑ metr. Dehnung). — Ursprünglich thematischer Wurzelaorist, der als Imperfekt umgedeutet wurde und zu gelegentlichen Präsensformen Anlaß gab (Schwyzer 747 und 686, Chantraine Gramm. hom. 1, 392f.; anders Bloch Suppl. Verba 26ff.). — Neben dem alten Wurzelaorist κί-ε steht im Latein eine ebenfalls alte primäre to-Ableitung in cĭ-tus ‘rasch, schnell’, eig. *‘in Bewegung (gesetzt)’ (con-cĭtus, solli-cĭtus u. a.). Als Präsens diente im Griechischen κίνυμαι, κινέω (s. d.), das indessen vielleicht zu σεύω (s. d.) in nächster Beziehung stand. Im Latein trat als Präsens die Neubildung ciēre (sekundär (ac)-cīre) ein. Eine sog. "schwere Basis" wird in μετ-εκίαθε und κίατο· ἐκινεῖτο H. vermutet; zu κια- könnte dann das langvokalische κί̄-νυ-μαι als Schwundstufe fungieren. — Vgl. noch zu κίνδαξ. Weitere Formen (für das Griechische ohne Belang) mit Lit. bei Bq, WP. 1, 361ff., W.-Hofmann s. cieō, Pok. 538f. I-862-863
κί̄ων, -ονος m. f. (zum Genus Schwyzer 486, Schwyzer-Debrunner 37) ‘Säule, Pfeiler’, auch übertr. (seit Od.), als mediz. Terminus ‘Zäpfchen, Nasenknorpel, Art Warze’ (Hp. u. a.). Als Vorderglied u. a. in κιονό-κρᾱνον ‘Säulenknauf’ (Str. 4, 4, 6 [v. l.], D. S. u. a.) neben früher belegtem und geläufigerem κιό-κρᾱνον (Pl. Kom., X., Delos IIIa usw.; Silbendissimilation). Außerdem die Hypostasen ἀκρο-, τετρα-, μετα-, προ-κιόν-ιον (Ph. u. a.). Davon die Deminutiva κιόνιον (Ph. Bel. u. a.), -ίσκος (Hero, J. u. a.), -ίς ‘Zäpfchen’ (Mediz.). — Mit arm. siwn ‘Säule’ identisch, sonst isoliert. Das Wort gehört somit zu den vielen bemerkenswerten graeco-armenisehen Übereinstimmungen (Schwyzer 57). Specht KZ 66, 13 (auch Lexis 3, 70) sieht darin ein gemeinsames gr.-arm. LW; vgl. zu αἴξ und Porzig Gliederung 157. I-863
κλαγγή, Dat. auch κλαγγ-ί (Ibyk. 56; vgl. unten) f. ‘Klang, scharfer Laut, Geschrei eines Tieres usw.’ (vorw. poet. seit Il.) mit κλαγγηδόν ‘unter Geschrei’ (Β 463; Haas Μνήμης χάριν 1, 133), auch κλαγγόν ‘ds.’ (Babr.), κλαγγώδης ‘klangvoll, schrill’ (Hp., Gal.). — Daneben κλάζω, auch mit Präfix, z. B. ανα-, ἐκ-, Aor. κλάγξαι ‘erklingen, erschallen, schreien’ (vorw. ep. poet. seit Il.), auch κλαγεῖν (B. 16, 127, h. Hom. 19, 14, E. u. a.), Fut. κλάγξω (A.), Perf. κεκλήγοντες (äolisierend) und κεκληγώς, -ῶτες (Hom.; Schwyzer 540 A. 4, Chantraine Gramm. hom. 1, 430f.), κέκλᾱγα (Alkm. 7), κέκλαγγα (Ar., X.), Perfektfuturum κεκλάγξομαι (Ar.). — Einzelne Beispiele verschiedener Präsentia: κλαγγαίνω (A. Eu. 131), -άνω (S.), -έω (Theok. Ep. 6, 5), -άζω (Poll., Porph.). — Zu κλαγεῖν : κλαγερός ‘schreiend’ (AP). — Als Jotpräsens kann κλάζω aus *κλάγγ-ι̯ω von einem Wurzelnomen κλάγγ- ausgehen, das ja in κλαγγ-ί (Neubildung?) tatsächlich vorliegt; es läßt sich aber auch als primäres Nasalpräsens auffassen, wobei der Ausgang -ζω von den Schallverben (ὀλολύζω, οἰμώζω u. a.; vgl. Schwyzer 716) übernommen sein kann. Die außerpräsentischen Formen κλάγξαι, κλάγξω, κέκλαγγα sind sowieso Neubildungen. Wenigstens der Funktion nach ist κλαγγ-ή als Verbalnomen zu betrachten (vgl. Porzig Satzinhalte 11f.). In κλαγεῖν und κέκληγα können primäre nasallose Formen erhalten sein, aber analogische Neubildung mit Nasalverlust läßt sich nicht von der Hand weisen (Leumann Celtica 3, 248). — Ein unmittelbares Gegenstück (bis auf -ζω) liefert lat. clangō ‘schreien’ (fast nur Präsens), zu dem awno. hlakka ‘schreien’ (mit Assimilation nk > kk) stimmen kann. Die Wörter gehören zu einer reich entwickelten Gruppe von Schallwörtern, die auch zu καλεῖν und κέλαδος in Beziehung stehen mögen; vgl. das bunte Material bei Bq, WP. 1, 496f., Pok. 599f., W.-Hofmann s. clangō. — S. auch κλώζω. I-863-864
κλαδαρός ‘gebrechlich’, von δοράτια (Plb. 6, 25, 5; neben λεπτά), κάμακες (AP 9, 322 neben ἄκλαστοι; v. l. κλαμαραί), γραμμὴ ζωηφόρος (in der Handwahrsagung, Cat. Cod. Astr. 7, 241). Als Vorderglied in κλαδαρόρυγχος ‘Art Kiebitz’ (Ael., H.), κλαδαρόμματοι· εὔσειστοι τὰ ὄμματα H. Daneben κλαδάσαι· σεῖσαι, κλαδάει· σείει, κινεῖ H.; κλαδάσσομαι etwa ‘rauschen, wallen’ vom zarten Blut (τέρεν αἶμα) durch die Glieder (Emp. 100, 22); nach Lobeck Proll. 89 A. 9 in κλυδάσσομαι zu ändern; Debrunner IF 21, 224 denkt an Einfluß von ταράσσω. — Zu κλαδαρός vgl. πλαδαρός, ψαφαρός, χαλαρός, λαπαρός und andere Ausdrücke für ‘zerbrechlich, schwach’ (Chantraine Formation 227); κλαδαρός : κλαδάω wie πλαδαρός : πλαδάω, χαλαρός : χαλάω u. a. — Letzten Endes zu κλάω mit derselben δ-Erweiterung wie in κλάδος, s. d.; vgl. auch zu κραδαίνω. I-864
κλάδος auch einzelne Fälle von einsilbigem κλαδ- in κλαδ-ί, κλάδ-α, -ας und von einem σ-Stamm in κλάδεσι, -έεσσι, -έων (nach δένδρεσι usw.?), vorw. poet.; m. ‘Ast, Zweig, Trieb’ (ion. att.), Kompp., z. B. ὀλιγό-κλαδος (Thphr.), κλαδο-τομέω (Pap.). Ableitungen: Deminutiva κλάδιον (Lib., Pap.) und κλαδίσκος (Gal. u. a.); κλαδεών (Orph.), κλαδών (H.) = κλάδος; κλαδώδης ‘astreich’ (Sch., Eust.), κλάδινος = rameus (Gloss.). Denominatives Verb κλαδεύω ‘abästen, beschneiden’ (Artem. u. a.; -έω Arr.) mit κλάδευσις (Aq., Sm., Gp.), κλαδεία (Gp.) ‘Abästung, Beschneidung’, κλαδευτήρια pl. ‘abgeästete Blätter’ (Gloss.), κλαδευτής ‘Abäster’ (Gloss.), κλαδευτήριον, -ια ‘Abästungsmesser, -feier’ (H.). — Zu κλάω ‘abbrechen’ (s. d.), aber mit einer schon vorgriechischen Dentalerweiterung. Mit κλάδος kann das germ. Wort für ‘Holz, Wald’, awno. ags. holt n. usw. formal sogar identisch sein (idg. *ql̥do-). Zum Sachlichen vgl. J. Trier, Holz (Münster-Köln 1952) S. 43ff. Eine von κλάδος unabhängige δ-Bildung erscheint in κλαδαρός ‘gebrechlich’ (s. d.), dazu noch das im Ablaut abweichende καλαδία· ἑυκάνη (= ‘Hobel’) H. Außergriechische Anknüpfung bieten noch z. B. lat. clādēs ‘Verletzung, Schaden usw.’ und slav., z. B. russ.-ksl. klada, russ. kolodá ‘Balken, Block, Baumstamm’. Weitere Verwandte bei WP. 1, 438ff., Pok. 546f., W.-Hofmann s. clādēs. I-864-865
κλάζω ‘erklingen’ s. κλαγγή. I-865
κλαίω, att. auch κλά̄ω (Schwyzer 266), Aor. κλαῦσαι (seit Il.), Pass. κλαυ(σ)θῆναι (Lyk., J. u. a.), Fut. κλαύσομαι (seit Il.), κλαύσω (Theok. usw.), κλα(ι)ήσω (att.; vgl. Chantraine BSL 28, 15), auch κλαυσούμεθα? (Ar. Pax 1081; vgk. Schwyzer 786 m. Lit.), Perf. κέκλαυμαι (A., S.), -σμαι (Lyk., Pku.), Fut. κεκλαύσομαι (Ar.), ‘laut klagen, (be)weinen’. vereinzelt mit Präfix wie μετα-, συν-, Ableitungen: 1. κλαυθμός ‘das Weinen’ (seit Il.) mit mehreren Ablegern: κλαυθμώδης ‘vom Weinen erstickt’ (Hp. u. a.), κλαυθμηρός ‘weinend’ (Sch.), κλαυθμών ‘Platz zum Weinen’ (LXX); κλαυθμυρίζομαι, -ίζω ‘winseln, wimmern’ (Hp., [Pl.] Ax. usw.), expressive Kreuzung von κλαυθμός und μύρομαι mit Ausgang nach den Verba auf -ίζομαι (vgl. Schwyzer 644), davon κλαυθμυρισμός (Is., Plu. u. a.). — 2. κλαύματα pl. ‘das Gewimmer, Wehklagen’ (att.), κλαύσματα (Porph.). — 3. κλαυμοναί pl. ‘ds.’ (Pl. Lg. 792a; nach Stob. κλαυθμοναί [s. zu 1.]; vgl. πημοναί). — 4. κλαῦσις ‘das Weinen’ (hell.) mit κλαυσιάω ‘zu weinen wünschen’ (Ar. Pl. 1099), κλαυσί-γελως m. ‘mit Weinen vermischtes Lachen’ (X. u. a.) — 5. κλαυστήρ ‘Weiner’ (Man.) und κλαυστικός (Apoll. Lex.); κλαυ(σ)τός (A., S.). — Ganz unsicher ist das Präsens κλαύθονται (PTeb. 3, 7; Epigramm; poetische Augenblicksbildung?, vgl. Schwyzer 703 m. Lit.). — Aus κλαύ-σομαι, κλαυ-θμός u. a. ergibt sich ein Präsens *κλάϝ-ι̯ω. — Eine annehmbare Anknüpfung bietet nur alb. klanj, kanj ‘weinen’ aus *qlau-n-i̯ō mit Kombination von Nasal- und Jotsuffix (Brugmann Grundr.2 2 : 3, 382); vgl. Mann Lang. 26, 381. I-865
κλαμαράν auch κλαμαραί als v. l. für κλαδαραί (AP 9, 322). · πλαδαράν, ἀσθενῆ H., — Zur selben semantischen und gefühlsmäßigen Gruppe wie κλαδαρός (s. d.) gehörig, trägt κλαμαρός das Gepräge einer volkstümlichen Neubildung, wodurch die Heranziehung von aind. klā́myati ‘müde werden’ (darüber Mayrhofer Wb. s. v.) u. a. (Fick u. a., s. WP. 1, 498, Pok. 602f., W.-Hofmann s. clēmēns) gefährdet wird. I-865
κλαμβός ‘gestutzt, verstümmelt’ (ὦτα, Hippiatr.). — Bildung wie κολοβός ‘ds.’, σκαμβός ‘krumm’ usw. (Chantraine Formation 261, Schwyzer 496) von κλάω (WP. 1, 440, Pok. 547). Über lit. klumbas ‘hinkend, strauchelnd’, ags. lempi-healt ‘hinkend’, die noch von Specht Ursprung 130f. mit κλαμβός verbunden werden, s. Fraenkel Wb. s. v. (zu lit. klùbti ‘stolpern, straucheln’) bzw. WP. 2, 433 und Pok. 657 (zu neng. limp ‘hinken’ usw.; idg. lemb-). I-865-866
κλαμυστῆσαι · βοῆσαι, καλέσαι H. — Expressive Bildung auf -υσ-τέω (: *κλαμ-ύζω wie κελαρύζω, γογγύζω u. a.; vgl. Schwyzer 705f. und 736) von der m-Ableitung in lat. clā-m-āre ‘laut rufen’, ahd. hlamōn ‘rauschen’ zur Sippe von καλέω; vgl. Specht KZ 68, 124. I-866
κλανίον (κλάνιον), auch κλάλιον (nach ψέλιον) ‘Armband’ (Pap. Kaiserzeit); κλανία· ψέλια βραχιόνων, auch κλαρ<ί>α· ψέλια H. (mit Dissimilation). Daneben χλανίαι· περιβολαί und χλανίτιδες· οἱ ὅρμοι παρθένων H. — Unklar, aber wahrscheinlich zu κλάω oder wenigstens darauf bezogen; vgl. κλαστός ‘kraus(haarig)’, ἐγκλαστρίδια ‘Ohrringe’. Die Formen mit χ- sind wohl durch Assoziation mit χλανίς ‘Obergewand’ verursacht. I-866
κλάπαι f. pl. (-οι m. pl.) ‘Holzschuhe’ (D. C. 77, 4, Suid.); auch euphem. ‘Stock’ als Strafmittel (Sch., Tz.). — Ohne Etymologie; ob lautnachahmend, nach dem Geklapper? I-866
κλᾰ́ω (ἐνι-κλᾶν, κατ-έκλων Il.), Aor. κλάσ(σ)αι, Pass. κλασθῆναι (seit Il.), athem. Ptz. ἀπο-κλά̄ς (Anakr. 17; vgl. unten), Fut. κλάσω, Perf. Pass. κέκλασμαι (ion. att.), ‘brechen, abbrechen’. oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, κατα-, περι-, συν-, Mehrere Ableitungen: κλάσις ‘das (Zer)brechen’ (ion. att.), κλάσμα ‘Bruchstück’ (att. usw.) mit κλασμάτιον (Delos IIIa), ἀνα-κλασμός ‘Zurückbiegung’ (Heliod.), κλάστης· ἀμπελουργός H., auch ὀστο-κλάστης (Kyran.) u. a., κλαστήριον ‘Messer zum Beschneiden der Weinstöcke’ (Delos IIa u. a.); dazu das sekundäre κλαστάζω ‘Weinstöcke beschneiden’, übertr. ‘züchtigen’ (Ar. Eq. 166); zur Bildung Schwyzer 706. — Direkt von κλάω wahrscheinlich auch κλών, κλωνός m. ‘Schößking, Trieb, Zweig’ (att. usw.) mit den Deminutiva κλωνίον, -ίδιον, -άριον, -ίσκος (Thphr., hell. Inschr., Gp. u. a.), außerdem κλωνίτης ‘mit Trieben versehen’ (Hdn.), κλῶναξ = ‘ῥάβδος, κλάδος’ (H.; nach δόναξ), κλωνίζω ‘beschneiden’ (Suid.); Grundform wohl *κλα-ών (anders Schwyzer 521; s. auch 487 A. 3), vgl. indessen auch κλῶμαξ, ἀπόκλωμα unten. — Mit anderem Ablaut dagegen κλῆμα ‘Zweig (der Weinrebe), Weinranke’, κλῆρος (κλᾶρος) ‘Los’, κλῶμαξ ‘Steinhaufen’ (s. dd.), ἀπόκλωμα. ἀπολογία ἐπὶ τὸ χεῖρον H. — Ganz fraglich Κλαζομεναί ON (Kleinasien), nach Fraenkel KZ 42, 256; 43, 216 "wo sich die Wogen brechen". — Das einheitliche verbale Formensystem, auf einem durchgehenden κλᾰ(σ)- aufgebaut, ist offenbar das Ergebnis einer starken Ausgleichung. Ob diese ursprünglich vom Präsens oder vom Aorist ausging, ist mangels vergleichbarer außergriechischer Formen schwer zu entscheiden; vgl. die Darstellung bei Schwyzer 676 u. 752 und bei Chantraine Gramm. hom. 1, 354 (der das Präsens κλάω wohl richtig als sekundär gegenüber κλάσαι betrachtet). In dem einmaligen ἀπο-κλά̄ς könnte eine alte athematische Form (Präsens oder Aorist? Schwyzer 676 u. 742) erhalten sein; eine analogische Neuschöpfung (wie nach φθᾰ́σαι : φθάς?) ist aber keineswegs ausgeschlossen. Für das alte passive κλασθῆναι kommt κλαδ- in Betracht (Schwyzer 761), aber Ausbreitung des Aoriststamms κλασ- im Verein mit Analogie ist auch möglich (Chantraine Gramm. hom. 1, 404f.). Ein altes s-Präsens *κλά[σ]-ω aus idg. *ql̥-s-ō (Brugmann Grundr.2 2 : 3, 342, Schwyzer 706) ist nicht hinlänglich begründet. — Die primären Verba der verwandten Sprachen weichen in der Form ganz ab: lit. kalù, kálti ‘schmieden, hämmern’ = aksl. koljǫ, klati, russ. kolótь ‘stechen, spalten, hacken’ (Hochstufe, idg. qolə-; zur Bedeutung WP. 1, 438 und Vasmer Russ. et. Wb. s. v.); lit. kuliù, kùlti (Schwundstufe, idg. ql̥̄-); lat. per-cellō ‘zerschmettern’ (wohl idg. qel-d-). Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 436ff., Pok. 545ff., W.-Hofmann s. clādēs. S. noch κλαδαρός, κλάδος, κόλος m. weiteren Hinweisen. I-866-867
κλεινός ‘berühmt’ s. κλέος. I-867
κλείς, κλειδός, κλεῖν (spät κλεῖδα), älter κλῄς, κλῃδός, κλῇδα (zur Schreibung Schwyzer 201f.), ep. ion. κληΐς, -ῖδος, -ῖδα, dor. κλᾱΐς, -ῖδος neben -ίδος (Simon., Pi.; äol.?, vgl. Schwyzer 465), daneben κλᾴξ (Theok.), κλαικος, -κα (epid., mess.) f. ‘Pflock, Ruderpflock’ (sekund. ‘Ruderbank’, Leumann Hom. Wörter 209), ‘Querriegel, Haken, Schlüssel, Schlüsselbein’ (seit Il.). Kompp., z. B. κλειδ-οῦχος (κλῃδ-) m. f. ‘Schlüsselhalter(in), Vorsteher(in)’ (poet., Inschr. u. a.), κατα-κλείς, -κληΐς ‘Schloß, Verschluß, Schrein, Futteral’ (att. usw.; von κατα-κλείω); myk. ka-ra-wi-po-ro = κλαϝι-φόρος? Ableitungen: Deminutivum κλειδίον (Ar., Arist. usw.); κλειδᾶς m. ‘Schlosser’ (Pap., Inschr., Kaiserzeit); spätes Denominativum κλειδόω (Smyrna, Pap.) mit κλείδωσις (Sch.), -ωμα (Suid.). — Altes Denominativum κλείω, altatt. κλῄω, ion. κληΐω (Hdt.), späte Dichter κλῄζω (Hymn. Is., AP), Theok. κλᾴζω, Aor. ep. ion. κληῗσαι, κληΐσσαι (seit Od.), altatt. κλῇσαι, att. κλεῖσαι, Pass. κληϊσθῆναι, κλῃσθῆναι, κλεισθῆναι (ion. bzw. att.), κλᾳσθῆναι (Theok.), Fut. κλῄσω (Th.), κλείσω, Perf. κέκλῃκα (Ar.), κέκλεικα (hell. u. spät), Med. κέκλῃμαι (-ήϊμαι), κέκλειμαι, dor. κέκλᾳνται (Epich.); daneben dor. Aor. (κλαΐξαι) κλᾷξαι, Pass. κλαιχθείς, Fut. κλᾳξῶ (Theok., rhod. u. a.), rückgebildetes Präsens ποτι-κλᾴγω (herakl.), oft mit Präfix, bes. ἀπο-, κατα-, >συν-, ‘schließen, verschließen, verriegeln, sperren’. Davon κλήϊθρον, κλῇθρον, κλεῖθρον, κλᾷθρον ‘Verschluß, Riegel, Hafensperre’ (ion. att. seit h. Merc. 146, dor.) mit κλειθρίον (Hero), κλειθρία ‘Schlüsselloch’ (Luk.; vgl. Scheller Oxytonierung 54), κλάϊστρον (Pi.), κλεῖστρον (Luk. u. a.) ‘Verschluß’, κλῇσις, κλεῖσις (Th., Aen. Tact.), κλεῖσμα, κλεισμός (hell. u. spät; auch ἀπόκλῃσις usw. von den präfigierten ἀπο-κλείω usw.) ‘das Verschließen usw.’; Verbaladj. κληϊστός, κλῃστός, κλειστός (ep. ion. bzw. att.), κλαικτός (κλᾳκτός) ‘verschließbar’ (argiv., mess.). — Zu κλεισίον s. κλίνω. — Ion. att. κλη(ϝ)ῑ-δ- und dor. κλᾱ(ϝ)ῑ-κ- sind Dental- bzw. Gutturalerweiterungen eines ῑ-Stammes, der in κληΐω noch zu verspüren ist. (Anders Debrunner Mus. Helv. 3, 45ff.: κληΐω Rückbildung aus κληῗ(δ)-σαι, von κληϊ̄δ-, vgl. κληϊσ-τός). Dagegen erklärt sich att. κλεῖν ungesucht (mit Debrunner a. a. O.; auch Schulze Kl. Schr. 419) als Analogiebildung zu κλείς (ναῦς : ναῦν u. a.). Der ῑ-Stamm geht seinerseits von einem Nomen *κλᾱϝ(-ο)- o. ä. aus wie z. B. κνημί̄-δ- von κνήμη, χειρί̄-δ- von χείρ (Schwyzer 465, Chantraine Formation 346f.). — Eine genaue Entsprechung zum Grundwort kann in lat. clāvus ‘Nagel, Pflock’ vorliegen, woneben, mit derselben Bedeutung wie das abgeleitete κληΐς, clāvis ‘Schlüssel, Riegel’; wegen der semantischen Identität ist Entlehnung aus dem Griechischen erwogen worden, vgl. Ernout-Meillet s. v. und (ablehnend) W.-Hofmann 1, 230. (Dagegen clātrī pl. ‘Gitterwerk’ aus pl. dor. κλᾷθρα). Hinzu kommt noch ein keltisches Wort, z. B. air. clō, pl. clōi ‘Nagel’ (lat. LW?). Diesen Bildungen stehen im Slavischen einige Wörter gegenüber, die einen eu-Diphthong, idg. qlē̆u-, voraussetzen, z. B. aksl. u. russ. ključь ‘Schlüssel’, skr. kljȕka ‘Haken, Schlüssel, Klammer’. Ein weiteres Problem bieten wegen des abweichenden Anlauts die germ. Wörter für ‘schließen, Schlüssel’, z. B. ahd. sliozan, sluzzil, die unter Annahme eines ursprünglichen sql- (mit "beweglichem" s- und Wegfall des k-Lautes [?]) hierhergezogen werden. — Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes war wohl ‘Nagel, Pflock, Haken’ o. ä., Geräte, die seit alters zum Verschluß der Türe verwandt worden sind. — Eine Fülle weiterer Formen, z. T. von zweifelhafter Zugehörigkeit, bei WP. 1, 492ff., Pok. 604f., W.-Hofmann s. claudō, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kliū́ti ‘hängenbleiben, anstoßen, hindern, in etw. geraten’; daselbst auch weitere Lit. I-867-868
κλεισίον ‘Hütte, Baracke’ s. κλίνω. I-868
κλειτορίς, -ίδος f. ‘Klitoris, Kitzler’ mit κλειτοριάζω ‘die Klitoris berühren’ (Ruf., H., Suid.). — Medizinischer Terminus, wie ἀλεκτορίς (: ἀλέκτωρ), ἀκεστορίς (: ἀκέστωρ) usw. gebildet, somit eig. "kleiner Hügel", von *κλείτωρ ‘Hügel’, das tatsächlich als N. einer arkadischen Stadt belegt ist; Verbalnomen von κλίνω (s. d.); zur Bedeutung vgl. z. B. κλειτύς ‘Abhang, Hügel’, lat. clīvus ‘Hügel’. Grošelj Živa Ant. 3, 201; vgl. noch Schwyzer 531 A. 2, Benveniste Noms d’agent 34. — Nicht Fremdwort mit Cohen Mél. Boisacq 1, 178ff. I-868-869
κλειτός ‘berühmt’ s. κλύω. I-869
κλείω 1. ‘rühmen’ (ep.) s. κλέος. I-869
κλείω 2. ‘verschließen’ s. κλείς. I-869
κλεμμύς, -ύος f. ‘Schildkröte’ (Ant. Lib. 32, 2, H.). — Zur Bildung vgl. die synonymen χέλυς, ἐμύς. Ursprünglich wohl Fremdwort, aber mit κλέμμα (κλέπτω) verbunden wegen der Fähigkeit der Schildkröte, ihren Körper ganz oder teilweise unter den Panzer einzuziehen und zu verbergen. Vgl. Güntert Reimwortbildungen 144: Kreuzung von ἐμύς und *κλωμός = aind. kūrmá- ‘Schildkröte’ (indogermanisch?; vgl. Mayrhofer Wb. s. v.) mit -μμ- nach κλέμμα. I-869
κλέος, phok. κλέϝος n. ‘Gerücht, Ruf, Ruhm’ (seit Il.). Kompp., bes. in EN, z. B. Κλεο-μένης (Kurzname Κλέομ(μ)ις) mit Übergang in die o-Stämme, daneben Κλει-σθένης (aus *Κλεϝεσ- oder *Κλεϝι-σθένης), Τιμο-κλέϝης (kypr.) usw.; s. Fick-Bechtel Personennamen 162ff., Bechtel Hist. Personennamen 238ff.; zu thess. usw. -κλέας für -κλέης Kretschmer Glotta 26, 37. Ableitungen: Adjektiv κλεινός, äol. κλέεννος (aus *κλεϝεσ-νός) ‘ruhmvoll, berühmt’ (poet. seit Sol., Pi.) mit Κλεινίας u. a. — Erweiterung nach den Nomina auf -(η)δών (vgl. Schwyzer 529f., Chantraine Formation 361): κλεηδών, -όνος f. (Od.), κληηδών (δ 312; metr. Dehnung), κληδών (Hdt., Trag. usw.; Kontraktion bzw. Angleichung an κλῄζω, κικλήσκω; vgl. unten) ‘Ruf, Gerücht, (göttliche) Aussprache, Zuruf’; davon κληδόνιος (Sch., Eust.), κληδονίζομαι, -ίζω (LXX u. a.) mit -ισμα, -ισμός. — Denominative Verba: 1. κλείω (ep. seit Il.), κλέω (B., Trag. in lyr. usw.) ‘rühmen, preisen, verkünden’, hell. Dichter auch ‘nennen’ (nach κλῄζω, s. unten), κλέομαι ‘Ruhm genießen, gerühmt werden’ (ep. poet. seit Ω 202), hell. Dichter auch ‘genannt werden’; Grundform *κλεϝεσ-ι̯ω > *κλε(ϝ)έω, woraus κλείω, κλέω; s. Wackernagel BphW 1891 Sp. 9; ausführlich Frisk GHÅ 56 : 3 (1950) 3ff., wo auch mit der Möglichkeit gerechnet wird, κλέω (woraus dann κλείω mit metr. Dehnung) als Rückbildung zu κλέος nach ψεύδω : ψεῦδος u. a. zu erklären (so auch Risch par. 31 a). Anders z. B. Schulze Q. 281: κλείω denominativ aus *κλεϝεσ-ι̯ω, aber κλέω, κλέομαι alte Primärbildung; wieder anders Chantraine Gramm. hom. 1, 346 m. A. 3: κλέω primär, daraus wahrscheinlich metrisch gedehnt κλείω; weitere Lit. bei Frisk a. a. O. — Von κλείω, κλέω als Nom. agentis Κλειώ, Κλεώ, -οῦς f. "die Rühmerin", N. einer der Musen (Hdt., Pi. usw.). — 2. κλεΐζω (Pi.; εὐκλεΐζω von εὐκλεής auch Sapph., Tyrt. u. a.), κληΐζω (Hp., hell. Dichtung), κλῄζω (Ar. usw.), Aor. κλεΐξαι bzw. κληΐσαι, κλῇσαι, κλεῖσαι, Fut. κλεΐξω, κληΐσω, κλῄσω usw., ‘rühmen, preisen, verkünden’, auch ‘nennen’ (nach κικλήσκω, καλέω; daher auch die Schreibung κλη-); Grundform *κλεϝεσ-ίζω; anders z. B. Schulze Q. 282ff., s. Bq s. κλείω und Schwyzer 735 A. 7; vgl. noch Fraenkel Glotta 4, 36ff. — Altes Verbalnomen von einem Wort für ‘hören’, in mehreren Sprachen erhalten: aind. śrávas- n. ‘Ruhm’ (κλέος ἄφθιτον: ákṣiti śrávaḥ), aw. sravah- n. ‘Wort’, aksl. slovo n. ‘Wort’, wohl auch air. clū und toch. A klyw, B kälywe ‘Ruhm’, dazu noch illyr. EN Ves-cleves (= aind. vásu-śravas- ‘guten Ruhm besitzend’; vgl. Εὐ-κλῆς). Auch das Denominativum κλε(ί)ω aus *κλεϝεσ-ι̯ω stimmt zu aind. śravasyáti ‘preisen’ und kann somit vorgriechisch sein. Weiteres (m. Lit.) s. κλύω. — Zu κλέος s. noch die Abhh. von Steinkopf und Greindl s. εὔχομαι, außerdem Greindl RhM 89, 217ff. I-869-870
κλέπας · νοτερόν, πηλῶδες, ἢ δασύ, ἢ ὑγρόν; κλέπος· ὑψηλόν, νοτερόν, δασύ H. — Im Sinn von νοτερόν usw. von Fick (1, 428; 2, 103) und Zupitza (Die germ. Gutturale 37) mit air. cluain ‘Wiese’ und balt., z. B. lit. šlàpti ‘naß werden’ verglichen, im Sinn von ὑψηλόν von Specht KZ 68, 127 zu lat. culmen ‘Gipfel’ usw. gezogen (?). I-870
κλέπτω, Aor. κλέψαι (seit Il.), Pass. κλεφθῆναι (Hdt., E.), κλαπῆναι (Th., Pl. usw.), Ptz. κλεπείς (Pap. IIp), Fut. κλέψω (h. Merc. usw.), Perf. κέκλοφα (att.), Ptz. κεκλεβώς (Andania Ia; hyperdialektisch?, Schwyzer 722), Med. κέκλεμμαι (S.), κέκλαμμαι (Ar. u. a.), ‘stehlen, verhehlen, heimlich tun, hintergehen, täuschen’. auch mit Präfix wie ἀπο-, ἐκ-, δια-, ὑπο-, Als Hinterglied in der Zusammenbildung βοῦ-κλεψ (S. Fr. 318), als Vorderglied in verbalen Rektionskompp., z. B. κλεψί-φρων ‘hinterlistig’ (Hermes, h. Merc.); von κλέψαι, vgl. Knecht Τερψίμβροτος 38, Zumbach Neuerungen 21; zu κλεψύδρα s. bes. Ableitungen. A. Mit ε-Vokal: κλέπος n. ‘Diebstahl’ (Sol. ap. Poll. 8, 34). 2. κλέμμα ‘Diebstahl, Täuschung, Kriegslist’ (att. usw.) mit κλεμμάδιος ‘gestohlen’ (Pl.; nach ἀμφάδιος, κρυπτάδιος, Chantraine Formation 39). 3. κλεπία· κλοπή (Phot.). 4. κλέπτης m. ‘Dieb’ (seit Il.), Superl. κλεπτίστατος (Ar. u. a.; Leumann Mus. Helv. 2, 10ff.), Deminutiva κλεπτίσκος (Eup.), -τάριον (Charis.), scherzhaftes Patronym. κλεπτίδης (Pherekr.); Fem. κλέπτις (Alkiphr.), κλέπτρια (Sotad. Kom.; formal von κλεπτήρ, Fraenkel Nom. ag. 1, 75); Adj. κλεπτικός ‘diebisch’ (Pl., Luk.); Abstraktbildung κλεπτο-σύνη ‘Diebssinn’ (τ 396, Man.; Porzig Satzinhalte 226, Wyss -συνη 25). 5. κλεπτήρ ‘Dieb’ (Man.; späte Bildung nach alten Mustern, vgl. Fraenkel 1, 75). 6. κλέπιμος ‘geschmuggelt’ (Pap. IIIa; kaum mit Arbenz Die Adj. auf -ιμος 100 zu dem alten und seltenen κλέπος sondern eher aus κλόπιμος mit ε nach κλέπτω usw.); 7. κλεψιμαῖος ‘durch Diebstahl erworben’ (LXX u. a.; juristischer Terminus, Chantraine Mél. Maspero 2, 220; *κλέψις nur als Vorderglied). — B. Mit ο-Vokal. 1. κλοπή ‘Diebstahl, heimliche Tat’ (Trag., att. usw.) mit κλοπαῖος ‘durch Diebstahl erworben’ (att.), κλόπιμος ‘ds., diebisch’ (Ps.-Phok. u. a.), -ιμαῖος = κλεψιμαῖος (s. oben; Luk., Ant. Lib.), κλοπικός ‘für Diebstahl begabt’ (Hermes, Pl. Kra. 407e; scherzhaft?, vgl. Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 142); ἐπί-κλοπος ‘betrügerisch, verschmitzt’ (Il. usw.; Hypostase, Porzig Satzinhalte 249) mit ἐπικλοπίη (Nonn.); ’Επικλόπειος Bein. d. Zeus (H.); ὑπό-κλοπος, s. u. 2. κλοπός ‘Dieb’ (h. Merc. 276, Opp.) mit κλόπιος ‘trügerisch, diebisch’ (ν 295, AP, APl.). 3. κλοπεύς ‘Dieb, heimlicher Täter’ (S.) mit κλοπεύω ‘plündern’ (App.), κλοπεία (Str.; v. l. -ω-), -εῖον ‘gestohlenes Gut’ (Max.). 4. Iteratives Präsens ὑπο-κλοπέοιτο ‘sich unbemerkt verstecken’ (χ 382; ὑπο-κλέπτειν Pi., ὑπό-κλοπος ‘trügerisch, falsch’ B.; vgl. Schwyzer-Debrunner 524). — C. Mit ω-Vokal. 1. κλώψ ‘Dieb’ (Hdt., E., X. u. a.) mit κλωπικός ‘verstohlen, heimlich’ (E. Rh. 205 u. 512; Chantraine Ét. 119), κλωπήϊος ‘ds.’ (A.R.,Max.), κλωπεύω (X., Luk.), -εία (att.); 2. Iteratives Präsens κλωπάομαι = κλέπτομαι (H.). — Zum Aorist κλέψαι stimmt genau lat. clepsī; dem τ-(Jot-)präsens κλέπτω steht im Latein und Germanischen ein mutmaßlich älteres (Schwyzer 704) thematisches Wurzelpräsens lat. clepō = got. hlifan ‘stehlen’ gegenüber. Eine vereinzelte nominale Ableitung kann in mir. cluain ‘Betrug, Schmeichelei’ aus *klop-ni- erhalten sein. Zu bemerken noch das im Anlaut abweichende lit. slepiù, slė̃pti ‘verbergen’; mit der ad hoc gemachten Annahme eines anlautenden skl- ist nichts gewonnen, eher liegt eine Kreuzung oder Reimbildung vor. — Entfernte Beziehung zu καλύπτω (s. d.) u. Verw. ist natürlich möglich. Lit. und weitere Einzelheiten bei WP. 1, 497, Pok. 604, W.-Hofmann s. clepō, Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. hlifan. I-870-871
κλεψύδρα, ion. -ρη ‘Wasseruhr’, ähnlich wie eine Sanduhr konstruiert (ion. att.). — Verbales Rektionskompositum von κλέψαι (κλεψι-) und ὕδωρ mit Schwundstufe des Hintergliedes (wie ἄν-υδρ-ος u. a.) und zusammenschweißendem α-Suffix (dazu Schwyzer 452 : 7). I-871-872
κλέω κλέομαι ‘gerühmt, genannt werden’ ‘rühmen, nennen’, s. κλέος. I-872
κληδών ‘Ruf, Gerücht’ s. κλέος. I-872
κλήθρα, ion. -ρη f. ‘Erle, Alnus glutinosa’ (Od., Thphr.) mit κλήθρινος ‘aus Erle’ (Ath. Mech.). — Kann mit nhd. dial. lutter, ludere, ludern ‘Alpenerle, Betula nana’ identisch sein, idg. *klādhrā. Schrader BB 15, 289, Schrader-Nehring Reallex. 1, 259; daselbst auch andere idg. Benennungen der Erle. I-872
κληΐζω (κλῄζω) 1. ‘verschließen’ s. κλείς. 2. ‘rühmen, nennen’ s. κλέος. I-872
κλῆμα (ion. att.), äol. κλᾶμμα (Alk.; mit Verdoppelung des μ, s. Hamm Gramm. zu Sappho und Alkaios par. 73c); κλαμα n. (eher κλᾶμα als κλάμα) ‘Bruchstück, κλάσμα’ (Aigina Va). n. ‘Zweig (der Weinrebe), Schößling, Weinranke’; auch Pflanzenname, ‘Polygonum aviculare’ (Dsk.; Strömberg Theophrastea 184) Ableitungen: κληματίς, -ίδος f. ‘Zweig der Weinrebe, Reis, Reisig(bündel)’ (ion. att.), auch N. verschiedener rebenähnlicher Pflanzen wie Clematis vitalba (Dsk. u. a.); κληματῖτις f. Pflanzen(bei)name (Dsk.; Redard Les noms grecs en -της 73); κλημάτινος ‘aus Weinranken bestehend’ (Thgn. usw.), κληματόεις ‘ds.’ (Nik.), κληματώδης ‘voll von Zweigen, weinrebenähnlich’ (Dsk., Gal.), κληματικός ‘zur Weinranke gehörig’ (Gloss.). Denominative Verba: κληματόομαι ‘Schößlinge treiben’ (S., Thphr.), κληματίζω ‘Weinstöcke beschneiden’ (LXX). — Zu κλάω (s. d.), aber im Ablaut davon abweichend und zu lat. clā-d-ēs ‘Verletzung, Schaden’ u. a. stimmend; vgl. zu κλῆρος. Verfehlt Prellwitz KZ 47, 302. I-872
κλῆρος, dor. κλᾶρος m. ‘Los, Anteil, Erbteil, Ackerlos, Grundstück’ (seit Il.), ‘Klerus, Geistlichkeit’ (Just. u. a.). Kompp., z. B. κληρο-, κλᾱρο-νόμος ‘Erbe’ mit -νομέω, -νομία, -νομικός u. a. (ion. att., dor.); ἄ-κληρος ‘ohne Los, ohne Erbteil, arm, unverlost’ (seit λ 490); aber ναύκληρος, -κλᾱρος aus ναύ-κρᾱρος (s. d.); danach auch ὁλό-κληρος ‘vollständig’ (ion. att.) aus *ὁλό-κρᾱρος? (Debrunner Phil. 95, 174ff.); dagegen mit guten Gründen W. den Boer Mnemos. 3 : 13, 143f. Ableitungen: Deminutivum κληρίον (AP, Pap.), dor. κλᾱρίον ‘Schuldschein’ (Plu. Agis 13); Adj. κληρικός ‘zum κλ. gehörig’ (Vett. Val. u. a.); denominatives Verb κληρόω, κλᾱρόω ‘auslosen, durchs Los wählen’, Med. ‘losen, sich zulosen lassen’ (ion. att., dor.) mit κλήρωσις ‘das Losen’, κληρωτήριον ‘Losurne, Wahllokal’, κληρωτός ‘losbar, erlost’ (ion. att.) u. a. — Eig. "Steinscherbe, Holzstückchen" (als Los gebraucht), mit einem keltischen Wort für ‘Brett, Tafel’ identisch: air. clār, kymr. claur, dazu als Ausdruck der Stellmacherei bret. kleur ‘Gabelbaum am Wagen’; zu κλάω ‘abbrechen’ mit demselben Ablaut wie in κλῆ-μα, κλᾶ-μα, lat. clā-d-ēs u. a. Weiteres s. κλάω. I-872-873
κλῆσις κλητήρ, κλήτωρ ‘Herold, Zeuge’ usw. ‘Ruf, Vorladung’, s. καλέω. I-873
κλί̄βανος (Hdt., Epich., LXX, Pap., NT usw.), auch, wohl sekundär (Dissimilation?; Schwyzer 259), κρίβανος (Kom. u. a.) m., κρίβανον n. ‘Backofen’, eig. ein tönernes oder eisernes, nach oben sich verjüngendes und mit Luftlöchern versehenes Geschirr, in dem man Brot buk; übertr. auf ähnliche Gegenstände: ‘trichterförmiges Gefäß zum Wasserschöpfen, Felsenhöhle usw.’ (Str., Ael. u. a.). Davon (meist κλιβ-): κλιβάνιος, -ικός ‘zum Backofen, Backen gehörig’ (Pap.), -ιον ‘Backofen’ (Pap.), -ίτης (ἄρτος) ‘im K. gebackenes Brot’ (Kom.; Redard Les noms grec en -της 89), κριβανωτός ‘im Ofen gebacken(es Brot)’ (Alkm. 20, Ar.), κριβάνας· πλακοῦντάς τινας H.; κλιβανεύς ‘Bäcker’, -εῖον ‘Bäckerei’ (Pap.); κλιβανάριος aus lat. clībanārius ‘gepanzerter Reiter’ (seit IVp; aus der Soldatensprache oder nach aram. tanûr ‘Ofen, Panzer’?; vgl. Schwyzer 39). — Hypostase ἐπικλιβάνιος (θεά) ‘über den Ofen herrschend’ (Karneades). — Technisches LW auf -ανος (Chantraine Formation 200, Schwyzer 489f.); Herkunft unbekannt. Nach Walde Lat. et. Wb.2 s. lībum zu dem germ. Wort für ‘Laib Brot’, got. hlaifs usw. durch Entlehnung aus einem nördlichen Sprachgebiet; dagegen (W.-)Hofmann s. v. Andere Hypothesen bei Lewy Fremdw. 105f. (semitisch), bei Mohl MSL 7, 403 (uralaltaisch); weitere Lit. bei W.-Hofmann s. lībum. I-873
κλί̄νω, -ομαι, Aor. κλῖναι, κλίνασθαι (seit Il.), Pass. κλιθῆναι (seit Od.), κλινθῆναι (poet. seit Il.; metr. bedingt; Chantraine Gramm. hom. 1, 404 m. A. 2 und Lit., Schwyzer 761), auch κλινῆναι (att.; wohl für *κλι-ῆναι; Schwyzer 760), Fut. κλῐνῶ (att.), Perf. Med. κέκλῐμαι (seit Il.), wozu κέκλῐκα (Plb.), ‘(sich) neigen, (an)lehnen, (sich) senken, beugen’. sehr oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, κατα-, παρα-, ἐν-, ἀπο-, Sehr zahlreiche und weitverzweigte Ableitungen: 1. Von der Wurzel mit δ-Suffix: δι-κλί-δ-ες f. ‘doppelt angelehnt, zweiflügelig’ (s. bes.), ἐγκλίς· ἡ καγκελλωτὴ θύρα (EM); παρα-, ἐγ-κλιδόν ‘ausweichend, sich neigend’ (ep. poet. seit Od.). 2. Vom präfigierten Präsens mit Ausgang nach den σ-Stämmen (Schwyzer 513): κατα-, ἐπι-, ἀπο-, ἐκ-, συγ-κλινής usw. ‘abwärts geneigt, abschüssig usw.’ (Hp., A. usw.) mit ἐπικλίν-εια (Heliol. Med.), συγκλιν-ίαι pl. (Plu.). 3. Zusammenbildungen mit τη-Suffix: παρα-, συγ-κλί-της ‘der neben od. zusammen am Tisch liegt’ (X.. Plu.), ἐπι-κλίν-της ‘der sich seitwärts bewegt’ (Arist.). — 4. κλειτύ̄ς (auch κλῑτύς nach κλί̄νω), ύος f. ‘Abhang, Hügel’ (vorw. poet. seit Il.; zur Schreibung Schwyzer 506 m. A. 7 u. Lit.). 5. κλεῖτος n. (A. R. 1, 599), κλῐ́τος n. (Lyk., LXX, AP) ‘Abhang, Seite, Luftstrich’. — 6. κλίσις, vorw. von den Präfixkompp., z. B. ἀνά-, κατά-, ἀπό-κλισις ‘das Zurücklehnen usw.’ (ion. att.). — 7. κλίμα n. (mit hell. ῐ für ει; Schwyzer 523) ‘Neigung, Abhang, Himmelsgegend, Land’, auch ἔγκλι-μα usw. (Arist. usw.), mit κλιματίας ‘neigend’ (Herakleit., Amm. Marc.), κλιματικός ‘zur Himmelsgegend gehörig’ (Vett. Val.). 8. κλῖμαξ, -ακος f. ‘Treppe, Leiter, Schiffs-, Sturmleiter, Klimax usw.’ (seit Od.) mit κλιμάκιον (ion. att.), -ίς (att. Inschr., hell.), κλιμακίσκοι· πάλαισμα ποιόν H.; κλιμακίζω ‘einen Kunstgriff namens κλῖμαξ im Ringkampf benutzen’, übertr. ‘zu Fall bringen’ (att.); κλιμακωτός (Plb.), -ώδης (Str.) ‘treppenförmig’; auch κλιμακ-τήρ ‘Leitersprosse’ (ion. att.), ‘kritischer Punkt des menschlichen Lebens’ (Varro u. a.) mit κλιμακτηρικός, -τηρίζω (Gell., Vett. Val. u. a.); zur Bildung von κλῖμαξ (ῑ analog. statt ει [*κλεῖ-μα] nach κλί̄νω) Rodriguez Adrados Emerita 16, 133ff.; zu κλιμακτήρ Chantraine Formation 327f. — 9. κλισμός ‘Lehnsessel’ (ion. poet. seit Il.) mit κλισμίον, -άκιον (Inschr., Kall.), ‘Neigung, Abhang’ (Arist.). — 10. ἀνά-κλιθρον ‘Rückenlehne’ (Ptol.). — 11. κλίτα· στοαί, κλίταν (καὶ τάν cod.)· στοάν H., wohl eig. ‘Anlehnung, Lehne’ o. ä.; davon κλισία, ion. -ίη ‘Pfahlhütte, Baracke, Kapelle; Lehnsessel, Ruhebett, Grabkammer, Tischbett, Tischgelage’ (vorw. ep. poet. seit Il.), κλίσιον etwa ‘Anbau, Säulenhalle’ (ω 208, Delos IIIa), auch ‘Anbau, Schuppen, Kapelle’ (Lys., Paus. u. a.); oft κλεισίον geschrieben (Inschr. u. a.), ebenso κλεισία f. etwa ‘Herberge, Wirtshaus’ (ep.), wahrscheinlich durch Anschluß an κλείω ‘verschließen’ (anders Schulze Q. 295 A. 3 und Fraenkel KZ 45, 168); davon κλεισιάδες (θύραι) ‘Türen der κλ(ε)ισία, des κλ(ε)ισίον’ (Hdt., Ph., D. H., Plu. u. a.); Einzelheiten über κλισίη u. Verw. bei Frisk Eranos 41, 59ff., Scheller Oxytonierung 61. — 12. (ἐγ-, ἐκ-)κλιτικός ‘flexivisch usw.’ (Gramm. u. a.); zu (ἔγ-, ἔκ-)κλισις. — Vom Präsens: 13. κλίνη ‘Lager, Bett, Bahre’ (ion. att.; vgl. Chantraine Formation 192) mit κλινίς, -ίδιον, -ίον, -άριον (Kom. usw.), κλίνειος ‘zur κλίνη gehörig’ (D.), -ήρης ‘im Bett liegend, bettlägerig’ (Ph., J. u. a.); als Hinterglied in σύγ-κλινος ‘Bettgenosse’ (Men.). — 14. κλιντήρ, -ῆρος m. ‘ds.’ (ep. poet. seit Od.) mit κλιντήριον, -ίδιον, -ίσκος (Ar. u. a.), ἀνακλιν-τήρ ‘Tischgenosse’ (Ps.-Kallisth.); παρακλίν-τωρ ‘ds.’ (AP); ἀνά-, ἐπί-κλιν-τρον ‘Rückenlehne usw.’ (Erot. bei Poll., Ar., Inschr. usw.). — Das Jotpräsens κλί̄νω aus *κλῐ́ν-ι̯ω, das eine griechische Neuerung ist, geht auf ein älteres Nasalpräsens zurück, das in vielen Einzelsprachen, aber in wechselnder Gestalt auftritt: lat. clīnāre, germ., z. B. asächs. hlinōn, ahd. hlinēn > lehnen, balt., z. B. lett. slìe-n-u, slìet, ostlit. šli-n-ù, šliñti ‘anlehnen’, aw. sri-nu-, Ptz. sri-ta- ‘lehnen’, wohl auch arm. li-ni-m, Aor. Ipv. le-r, ‘werden, sein’; als gemeinsame Grundlage ist ein verschwundenes athem. *ḱli-nā-mi anzunehmen. Neben diesem weitverbreiteten Nasalpräsens steht im Indoiranischen und Baltischen ein thematisches Wurzelpräsens, z. B. aind. śrayati = lit. (alt u. dial.) šlejù ‘anlehnen’. Der ursprünglich nur dem Präsens zukommende Nasal hat im Latein und Germanischen die ganze Verbalflexion erobert, aber läßt im Griechischen das Perfekt (κέ-κλι-ται : aind. śi-śri-y-é), z. T. auch den Passivaorist unberührt. — Die griech. Nominalableitungen sind im großen und ganzen als Neubildungen verständlich; zu bemerken immerhin, außer (ἄ)-κλιτος = aind. śri-tá-, aw. sri-ta- ‘gelehnt’, κλίσις, formal = lit. šli-tì-s ‘Garbenhocke’; κλίτον = germ. z. B. ahd. lit ‘Deckel’, nhd. Augen-lid; daneben mit Hochstufe (wie in κλει-τύς) z. B. awno. hlīð f. ‘Abhang, Berghalde’. Wie in κλίνη ist der Nasal u. a. auch in ahd. hlina ‘reclinatorium’ eingedrungen. — Zahlreiche andere Nominalbildungen, die für das Griechische ohne Belang sind, bei Bq s. v., WP. 1, 490f., Pok. 600ff., W.-Hofmann s. clīnō (m. reicher Lit.). I-874-875
κλοιός, auch κλῳός (Ar. V. 897, E. Kyk. 235) m. ‘Halsband für Hunde, Halseisen für Gefangene’ (Kom., E. Kyk., X., Babr. u. a.) mit κλοιώτης· ὁ δεσμώτης, κλοιωτά· δεσμοῖς διειλημμένα H. — Wohl aus *κλωϝιός, aber ohne befriedigende Anknüpfung. Seit Curtius oft zu κλεΐς ‘Schlüssel’ gezogen; noch anders Hirt (s. Bq) und Machek Voprosy jazykoznanija 1 (1957) 104. I-875
κλόνις, -ιος f. ‘Steißbein’ (Antim. 65); davon κλόνιον· ἰσχίον, ῥάχις, ὀσφύς und κλονιστήρ· παραμήριος μάχαιρα, παρίσχιον H. (vgl. lat. clūnāc(u)lum ‘cultrum sanguinarium ..., quia ad clunes dependet’ Paul Fest. 50). — Das Wort ähnelt, schwerlich zufällig, einem alten idg. Wort für ‘Hinterbacke, Hüfte’: aind. śróṇi-, lat. clūnis, kelt., z. B. kymr. clun, awno. hlaun, balt., z. B. lit. šlaunìs, idg. *ḱlounis. Da sich aber κλόνις lautlich damit nicht vereinigen läßt (Versuche bei Bq referiert und abgelehnt), muß volksetymologische Anknüpfung an κλόνος (Sch. A. Pr. 499 ἀφ’οὗ καὶ κλόνις ὀνομάζεται διὰ τὸ ἀεικίνητον, scil. ὀσφύς) immer als eine mögliche Erklärung gelten (Brugmann, z. B. MU 3, 20, Schulze Q. 105 A. 1, Schwyzer 38 A. 1; Zweifel bei WP. 1, 499, Pok. 608; auch Specht Ursprung 162 mit einer morphologisch unglaubhaften Zerlegung). Anders, gewiß nicht besser, Petersson IF 35, 269ff. (dagegen Kretschmer Glotta 9, 233), Holthausen IF 62, 157. I-875-876
κλόνος m. ‘Erregung, erregtes Gedränge, Gewühl, Kampfgetümmel’ (ep. poet. seit Il., späte Prosa; zur Bed. Trümpy Fachausdrücke 157f.); vereinzelt in Kompp., z. B. ἄ-κλονος ‘ohne Erregung, ruhig’ (Gal., vom Puls). Denominativum κλονέω (vorw. Präsens), auch mit Präfix wie ὑπο-, συν-, ἐπι-, ‘erregen, bedrängen, herjagen’, Pass. ‘bedrängt werden, in Verwirrung geraten’ (ep. ion. poet. seit Il., sp. Prosa) mit κλόνησις ‘Erregung’ (Hp. u. a.). — Von κέλομαι, also κλ-όνος, mit derselben Bildungsweise wie in θρ-όνος (s. d. und Schwyzer 490). I-876
κλοπή ‘Diebstahl’, -εύς, -ός ‘Dieb’ s. κλέπτω. I-876
κλοτοπεύω nur Τ 149 zusammen mit διατρίβειν, Bed. schon im Altertum strittig, vgl. H. κλοτοπεύειν· παραλογίζεσθαι, ἀπατᾶν, κλεψιγαμεῖν, στραγγεύεσθαι. Er zitiert noch κλοτοπευτής· ἐξαλλάκτης, ἀλαζών. — Expressives Wort unklarer Bedeutung und schon deshalb einer sicheren Etymologie ermangelnd. Versuche von Laird ClassPhil. 4, 317ff. (dagegen Kretschmer Glotta 3, 336f.), H. Lewy KZ 55, 25f. und Kuiper Glotta 21, 287ff. I-876
κλύβατις f. Pflanzenname = ἑλξίνη, ‘Winde’ (Nik., Dsk.). — Unerklärt. — Nebenform κουλουβάτεια f. (Nik.). I-876
κλύζω, Ipf. iter. κλύζεσκον (Ψ 61), Aor. Pass. κλυσθῆναι (seit Il.), Fut. κλύσ(σ)ω (h. Ap. 75, Pi. usw.), Aor. Akt. κλύσαι (ion. att.), Perf. κέκλυκα, κέκλυσμαι (att.), ‘spülen, wegspülen, reinigen’, Pass. (intr.) ‘spülen, wogen, branden’. oft mit Präfix, z. B. ἐπι-, κατα-, περι-, προσ-, Ableitungen: κλύσις ‘das Spülen’ (Hp.), meist von den Präfixverba ἐπίκλυσις usw. (ion. att.); κλύσμα (auch κατάκλυσμα u. a.) ‘Flüssigkeit, womit etwas abgespült wird, Klystier’, auch ‘Brandung, Strand’ (ion. att.), mit κλυσμάτιον, -ματικός (Hp. u. a.); (ἐπι-, κατα- usw.)κλυσμός ‘Überflutung usw.’ (ion. att.); κλυστήρ, -ῆρος m. ‘Klystierspritze’ (Hdt. usw.) mit -τήριον, -τηρίδιον. — Daneben σύγ-κλυ-ς, -δος ‘zusammengespult, -geworfen’ (Th., Pl. u. a.), κλύ-δ-α Akk. sg. ‘ Wellenschlag’ (Nik. Al. 170; archaisierende Neubildung?), κλύ-δ-ων, -ωνος m. ‘Gewoge, Brandung, Getümmel’ (seit μ 421) mit κλυδώνιον (A., E.), κλυδων-ίζομαι ‘von den Wogen umhergeworfen werden’ (LXX, J. usw.) mit κλυδωνισμός (Hdn.), -ισμα (Suid.). — Expressive Erweiterung (ἐγ-, συγ-)κλυδάζομαι ‘plätschern usw.’ (Hp. u. a.; -άττομαι D. L.) mit κλυδασμός, (ἐγ)κλύδαξις, ἐγκλυδαστικός (Hp. u. a.); Einzelheiten bei Debrunner IF 21, 221f. — Dazu noch κλυδάω, von σταῖς, πηλός, etwa ‘durchnäßt, weich, formbar sein’ (Arist.), wohl nach φλυδάω. — Der Bildung nach zu den sinn- und lautähnlichen βλύζω, φλύζω stimmend, steht das Präsens κλύζω jedenfalls zu den nominalen δ-Bildungen κλύ-δ-α, κλύ-δ-ων in nächster Beziehung; ob es aus *κλυ-δ-ι̯ω als denominatives Jotpräsens entstanden ist (z. B. Schwyzer 715f.) oder eine selbständige Erweiterung auf -ζω repräsentiert (wozu κλύ-δ-ων usw. als Rückbildungen), läßt sich kaum entscheiden. Eine idg. d-Erweiterung ist indessen auch im Germanischen, z. B. got. hlutrs, nhd. lauter (idg. *ḱlū-d-ro-) vorhanden; daneben ohne -d- kymr. clir ‘hell, klar, heiter, rein’ (idg. *ḱlū-ro-). Ein dentalloses primäres Verb scheint in alat. cluō ‘purgo’ (nur Plin. 15, 119) erhalten zu sein (vgl. die Ausführungen bei W.-Hofmann s. v.) und wird jedenfalls von clo(v)āca ‘unterirdischer Abzugskanal’ vorausgesetzt; hinzu kommt, mit anderem Ablaut, lit. šlúoju, šlúoti ‘fegen, wischen’ (idg. *ḱlō[u]-). — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 495f., Pok. 607, W.-Hofmann s. cluō; über hierhergehörige alteurop. Flußnamen (*Cluentus in Cluentensis vicus u. a.) Krahe Beitr. z. Namenforschung 5, 113f. I-876-877
κλύω (seit Hes. Op. 726), Aor. ἔκλυον (seit Il.), daneben athematische Formen: Ipv. κλῦθι, -τε (Hom., Pi., Trag.), κέκλυθι, -τε (Hom. u. a.), auch κέκλῠκε (Epich. 190; vgl. unten), Ptz. κλῠ́μενος ‘berühmt’ (Antim., Theok.), gew. PN Κλύμενος, Κλυμένη (Hom. usw.), ‘vernehmen, Kunde bekommen, hören, gehorchen’ (ep. poet. seit Il.), auch (mit εὖ, κακῶς u. ä.) ‘im Rufe stehen’ (Trag.). vereinzelt mit Präfix wie ἐπι-, ὑπο-, — Der thematische Wurzelaorist ἔκλυον, zu dem das Präsens κλύω als Neubildung getreten ist, stimmt zum aind. Aorist śruvam, ist aber wie dieser aus einem älteren athematischen Aorist erwachsen, der im Ipv. κλῦθι, -τε und im Ptz. κλύμενος noch erkenntlich ist. Zu κλῦθι (bei Hom. immer am Versanfang), mit metrischer Dehnung für *κλύ-θι, bietet aind. śru-dhí ein genaues Gegenstück; dazu als Neubildung κλῦτε, vielleicht für *κλεῦ-τε = aind. śró-ta (Einzelheiten bei Schwyzer 800 A. 6). Das reduplizierte κέ-κλυ-θι, -τε läßt sich als Neubildung nach τέ-τλᾰ-θι u. a. (s. zu ἱλάσκομαι) erklären (anders Schwyzer 804 mit Schulze Q. 391ff.); zum einmaligen κέκλυκε (Epich.) ebd. 799 A. 2. — Auch κλυτός hat außergriechische Entsprechungen, u. zw. in mehreren Sprachen, z. B. aind. śrutá- ‘gehört’, lat. in-clutus ‘berühmt’, arm. lu ‘kund’, air. cloth n. ‘Ruhm’, idg. *ḱlŭ-tó-; daneben mit langem ū (als Schwundstufe einer zweisilbigen Wurzelform?), germ., z. B. ahd. hlūt ‘laut’; mit altem eu-Diphthong awno. hljōð n. ‘das Gehörte, das Zuhören, Laut, Stille’ (idg. *ḱléu-to-m). — Die Hochstufe eu tritt noch bei dem athematischen Wz.-aorist zutage, aind. á-śrav-am, 3. sg. á-śro-t (wäre gr. *ἔ-κλεϝ-α, *ἔ-κλευ); dazu *κλεϝετός > κλειτός (vgl. Schwyzer 502) und das alte Verbalnomen κλέ(ϝ)ος, s. d. — Die übrigen Sprachen bieten eine Menge, z. T. erheblich voneinander abweichender Formen; es sei hier nur an das alte nu-Präsens in aind. śr̥-ṇó-ti, aw. surunaoiti und an das auch semantisch neugestaltete lat. cluēre ‘genannt werden’ erinnert. Zu bemerken noch das Denominativum κλέω ‘rühmen, preisen’, s. κλέος. Im Griechischen wurde, wie die ähnlichen Bildungen in anderen Sprachen, ἔκλυον, κλύω von anderen Ausdrücken (ἀκούω, πυνθάνομαι) stark zurückgedrängt und hat sich nur in der poetischen Sprache behaupten können. — Weitere Formen mit sehr reicher Lit. bei Bq s. κλέ(ϝ)ω, WP. 1, 494f., Pok. 605ff., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. clueō, Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. hliuma. Dazu κλυτός m., auch f. (s. Schwyzer-Debrunner 32 A. 5) ‘berühmt’ (ep. poet. seit Il.), oft als Vorderglied, z. B. κλυτό-τοξος ‘mit berühmtem Bogen’ (von Apollon), κλυτό-πωλος ‘mit berühmten Fohlen’ (von Hades; vgl. Thieme Studien 48ff.); auch Κλυται-μήστρα, -ρη (seit Il.), mit Hinterglied zu μήστωρ, Vorderglied umgebildet nach Κραται-, Παλαι- u. a.; Schwyzer 448, Sommer Nominalkomp. 147 m. A. 1 u. Lit. — Mit anderem Ablaut κλειτός ‘berühmt’ (Hom., Pi.) aus *κλεϝετός; vgl. unten. I-877-878
κλωβός auch κλουβός (POxy. 1923, 14; V-VIp [Bed. unsicher], Tz., Gloss.). m. ‘Vogelkäfig’ (AP, Babr. u. a.), Demin. κλωβίον (-ου-) ‘kleiner Käfig, Flechtkorb’ (Hdn. Epim., Pap.). — Semitisches LW, vgl. hebr. syr. kelūb ‘Vogelkäfig’. Lewy Fremdw. 129 nach Renan und A. Müller; vgl. noch Grimme Glotta 14, 19. I-878
κλῶδις · κλέπτης H. — Nach Machek Μνήμης χάριν 2, 19f. zu aksl. kradǫ, krasti ‘κλέπτειν’ mit Substitution r : l (?). Ebenso schon Specht Ursprung 175, 226 u. 319 mit weitgehender Wurzelzerlegung: κλ-ῶ-δ-ις : κλ-ε-π- : ahd. (h)l-an-d-eri ‘Räuber’ u. a.; alles zu idg. *ḱel- ‘verbergen’ (?). I-878
κλώζω nur Präsensstamm, auch κλώσσω (Suid. s. φωλάς; nicht ganz sicher; aus κλωγμός rückgebildet? Debrunner IF 21, 248). ‘glucken, schnalzen’ (D., Alkiphr., Poll. u. a.), Davon κλωγμός (Kratin., X. u. a.), auch κλωσμός (Ph. 2, 599 neben -γ-, Harp.) ‘das Glucken, Schnalzen’. — Zu κλώζω vgl. einerseits κλάζω (s. κλαγγή m. Lit.), anderseits κρώζω (s. d.); wie diese ein onomatopoetisches Schallwort. I-879
κλώθω, -ομαι (κλώσκω H.; vgl. Schwyzer 708), Aor. κλῶσαι, -ώσασθαι (seit Ω 525 und Od.), Pass. κλωσθῆναι (Pl. usw.), κέκλωσμαι (Kom., LXX), ‘spinnen’. auch mit Präfix, bes. ἐπι-, Davon κλῶθες pl. f. ‘Spinnerinnen’ (η 197; vgl. Leumann Hom.Wörter 72; anders Bechtel Lex. s. v.), Κλωθώ f. "die Spinnerin", eine der Moiren (Hes. u. a.); κλωστήρ, -ῆρος m. ‘Garn, Knäuel, Spindel’ (att., Theok., A. R. usw.; vgl. Gow ClassRev. 57, 109), κλωστήριον ‘Bund, Garn’ (Ostr. 1525 [?], Suid.); κλωστάς m. ‘Spinner’ (Sparta); κλῶσμα ‘Faden, Knäuel’ (LXX, Nik. u. a.), κλῶσις ‘ds.’ (Lyk.), ‘das Spinnen’ (Corn., M. Ant.). — Beziehung zu κάλαθος ‘Korb’ liegt nahe; s. d. m. Lit. Weit unsicherer ist die Verwandtschaft mit lat. colus ‘Spinnrocken’; s. W.-Hofmann s. v. (vgl. noch s. cōlum ‘Seilkorb’); dazu WP. 1, 464, Pok. 611f. I-879
κλῶμαξ, -ᾰκος m. ‘Steinhaufen, Felsen’ (Lyk. 653) mit (’Ιθώμη) κλωμακόεσσα ‘steinig, felsig’ (Β 729). — Bildung wie λίθαξ, βῶλαξ usw. (Chantraine Formation 379), somit wohl zunächst von einem Verbalnomen *κλῶμος, eig. *‘Bruch’, von κλάω ‘brechen’ (s. d.); vgl. περικεκλασμένος ‘auf unebenem, felsigen Grund gelegen’, von τόποι, πόλεις, οἰκίαι (Plb.). Andere Hochstufe in κλῆ-μα (κλᾶ-μα), κλῆ-ρος (κλᾶ-ρος). — Daneben κρῶμαξ ‘ds.’, κρωμακόεις· κρημνώδης H., κρωμακωτός (Eust. 330, 40; paphlagonisch) mit ρ nach κρημνός, κρεμάννυμι? — Nach Belardi Doxa 3, 210 als ägäisch zu lat. grūmus ‘Erdhaufen, Hügel’. I-879
κλών, -ωνός m. ‘Schößling, Trieb’ s. κλάω. I-879
κμέλεθρα n. pl. ‘Stubendecke, Balken’ (Pamphil. ap. EM 521, 34, H.). — Technisches Wort unbekannter Herkunft. Die Ähnlichkeit mit μέλαθρον (s. d.) kann kaum zufällig sein (ganz unsichere Vermutung von Pisani KZ 71,126). Nach Grammont Dissimilation 43 für *κμέρεθρον zu aind. (Gramm.) kmárati ‘ist krumm’; "nicht mehr als eine Möglichkeit" (Mayrhofer Wb. s. v.). Vgl. zu καμάρα. I-879
-κναίω daneben, auch als Simplex, att. Inf. κνῆ-ν, κνῆ-σθαι, 1. u. 3. sg. Präs. κνῶ, κνῇ, Ipf. ἐπὶ ... κνῆ (Λ 639), auch κνᾶ-ν (Hdt.), κνᾶ-σθαι, κνᾷ (hell. und spät); außerdem κνήθω, auch mit κατα-, ἐν-, ἐπι- u. a. (Arist., hell. u. spät). Außerpräs. Formen: 1. -κναῖσαι, -κναισθῆναι, -κναίσω, -κεκναισμένος (Ar., E. in lyr.,Pl.,Theok.); gewöhnlicher (als Simpl. u. Komp.) 2. κνῆσαι, dor. Opt. Med. (Theok.) κνάσαιο, κνησθῆναι, κνήσω, κέκνησμαι (ion. att.). ‘schaben, kratzen, jucken’. nur mit Präfix, δια-, ἀπο-, ἐκ-, κατα-κναίω (Hp., Trag. in lyr., att. usw.); Ableitungen. Nomina actionis: 1. κνῆσις ‘das Kratzen, Jucken’ (Pl. u. a.) mit κνησιάω ‘Lust zum Kratzen haben’ (Ar., Pl. u. a.), auch κνηστιάω ‘ds.’ (Gal., Jul. u. a.; nach den Verba auf -τιάω) und κνηθιάω ‘ds.’ (Hdu., EM; nach κνήθω, vgl. Schwyzer 732). 2. κνῆσμα (vereinzelt κνῆμα) ‘ds.’ (Hp., X. u. a.); 3. κνησμονή ‘ds.’ (Mediz. u. a.; πῆμα : πημονή usw.); 4. κνησμός ‘ds.’ (Hp., Arist. usw.) mit κνησμώδης ‘von Jucken begleitet’ (Hp., Arist., Str. u. a.). 5. κνηθμός ‘das Jucken’ (Nik.). — Nom. agentis und instrumenti: 6. κνῆστις f. (von *κνήστης m.) ‘Schabmesser, bes. Käsereibe’ (Λ 640, Nik., Opp. u. a.), auch ‘Rückgrat’ (κ 161; vgl. ἄκνηστις); anders über κνῆστις z. B. Fraenkel Glotta 4, 41ff., Benveniste Noms d’agent 77; 7. κνηστήρ ‘Schabmesser’ (Nik.). 8. κνηστίς -ίδος f. ‘Haarnadel’ (Plu.). 9. κνῆστρον ‘brennende Pflanze, Daphne oleoides, θυμελαία’ (Hp., Dsk.); κνηστρίον ‘Scharre’, (Edict. Diocl. u. a.). — Adj. 10. κνηστικός ‘schabend, juckend’ (Sch.). — Von den drei Präsentien κναίειν, κνῆν, κνήθειν repräsentiert κνήθειν eine Neubildung zu κνῆ-σαι usw. nach Muster von πλῆ-σαι : πλή-θ-ω, λῆ-σαι : λήθ-ω u. a. Das Paar κνῆν : κναίειν stimmt zum sinnverwandten ψῆν : ψαίειν. — Zum Vergleich bieten sich allerhand Wörter mit anlautendem idg. *q(e)n- aber mit sonst wechselnder Gestalt, was in Anbetracht des Gefühlswertes der Ausdrücke für ‘kratzen, schaben’ nichts Auffallendes hat. Zu κνῆ-ν (wohl ursprünglich athematisch; Schwyzer 675f., Chantraine Gramm. hom. 1, 297 u. 307) aus idg. qnē- gesellen sich am nächsten aus dem Baltischen und Germanischen lit. kn(i)ó-tis ‘sich abschälen, sich loslösen’, ahd. nuoen ‘durch Schaben glätten, genau zusammenfügen’ (mit ahd. hnuo ‘Fuge, Nut’ usw.) aus idg. qnō- (vgl. κνώ-δ-αλον), evtl. qnā- wie alb. krromë ‘Schorf, Räude’ aus idg. *qnā-mn̥ (gr. κνῆμα ist davon unabhängig). Dagegen lat. cnāsonas Akk. pl. ‘Kratznadeln’ (Paul. Fest. 52) von hell. *κνά̄σων ‘Kratzer’ (κνᾶσαι· ὀλέσαι, λυπῆσαι H.); vgl. Leumann Sprache 1, 207. — Das -αι- in κναίω hat dagegen kein unmittelbares Gegenstück (lit. knaisýti ist Sekundärbildung zu knìsti ‘kratzen’, s. κνίζω). Das Zusammenstellen von κνῆ-ν und κναί-ειν zu einem uralten Paradigma *qnē[i]-mi : qnəi-mé (Schwyzer 676; vgl. Specht Ursprung 325) ist ganz hypothetisch. — Vgl. κνίζω, κνύω, κνάπτω; κνώδαλον, κνήφη und κόνις; dazu WP 1, 392ff., Pok. 559ff., Fraenkel Lit. et. Wb. s. knablỹs, wo auch weitere Lit. — S. noch κνέωρος, κνήφη. I-880-881
κνάπτω (ion. altatt.; sehr selten κνάμπτω, vgl. γνάμπτω und Güntert Reimwortbildungen 115f.), jungatt., hell., auch ion. γνάπτω, ‘Tuch walken, Wolle krempeln’ als Fachausdruck, auch übertr. ‘zerreißen, zerfleischen’ im allg. vereinzelt mit ἀνα-, ἐπι-, Zahlreiche Ableitungen, in denen wie beim Verb jungatt. usw. γν- an die Stelle von κν- tritt (als Nebenformen hier nicht besonders notiert): κνάφος m. ‘die Karde des Walkers’, auch ‘Klette, Stachelfolter’ (Hdt., Hp., Kom. u. a.) mit κναφεύς ‘Walker’ (ion., att., myk. ka-na-pe-u; Boßhardt Die Nom. auf -ευς 40), auch als Fischname (Dorio; zum Benennungsmotiv Strömberg Fischnamen 93); davon κναφεῖον, -ήϊον ‘Walkerwerkstatt’ (ion. att.), κναφευτική (τέχνη) ‘Walkerkunst’ (Pl. u. a.), κναφεύω ‘walken’ (Ar.) und, als späte Femininbildung, κνάφισσα ‘Walkerin’ (Pap.; Chantraine Formation 110); κναφικός ‘zum Walken gehörig’ (Dsk., Pap.). — γνάψις ‘das Walken’ (Pl.), γνάπτωρ = κναφεύς (Man.). — γνάφαλλον ‘Wollflocken, Kissen’ (Pap. u. Ostr.) mit γναφαλ(λ)ώδης ‘γ.-ähnlich’, γναφάλλιον, -αλλίς Pflanzenname, ‘Diotis maritima’ (Dsk., Plin.; Strömberg Pflanzennamen 105); auch κνέφαλλον ‘Kissen’ (Kom., E.; vv. ll. κναφ-, γναφ-) und γνόφαλλον (Alk. Ζ 14, 8; neben μόλθακον). — Verbaladj.: ἄ-γναπτος (Pl. Kom., Plu.) und ἄ-γναφος (NT, Pap.) ‘ungewalkt, neu’, ἐπί-γναφος (: ἐπι-γνάπτω) ‘wieder aufgewalkt, aufgebügelt’, von Kleidern (Poll.). — Gehört als Fachausdruck zur selben Sippe wie κναίω, κνῆν, κνίζω, κνύω (s. dd.) mit Ausgang wie in ῥάπτω, σκάπτω, ἅπτω usw.; dazu κνάφος wie ῥαφή usw. Die Formen mit γν- lassen sich lautlich nicht begründen; vgl. Schwyzer 414, wo indessen, wenig überzeugend, κνάπτω als aus älterem γνάπτω assimiliert betrachtet wird; dafür wird namentlich auf γνόφαλλον bei Alk. (richtig überliefert?) hingewiesen. Das im Vokal abweichende κνέφαλλον läßt sich schwerlich auf alten Ablaut zurückführen (vgl. dazu Persson Beitr. 1, 139f., Schwyzer 343). — Als außergriechischer Verwandter kommt am nächsten ein keltisches Wort für ‘Fließ’ in Betracht, z. B. kymr. cnaif (dazu Vendryes WuS 12, 243); andere, formal nahestehende Bildungen im Germanischen und Baltischen liegen begrifflich mehr oder weniger abseits, z. B. awno. *hnafa, Prät. hnof ‘abknipsen’ (mit Gemination hneppa ‘kneifen, klemmen, drücken’), lit. knabénti ‘hinein-, aufpicken’ u. a. m., s. Fraenkel Lit. et. Wb. s. knablỹs, wo auch Lit. Hinzu kommt noch nach Mann Lang. 28, 38 alb. krrabë ‘Haken, Stricknadel’. S. noch κνήφη und κνώψ. I-881-882
κνέφας, -αος, -ους usw.; zur Flexion Schwyzer 514f.; sekund. Nom. Akk. κνέφος (H., Suid., Phot.; aus κνέφους, -εϊ erschlossen?). n. ‘Abenddämmerung, Dunkel, Morgendämmerung’ (poet. seit Il., X.) Davon κνεφαῖος ‘zur Dämmerung gehörig, dunkel’ (Trag., Kom., Hippon.); κνεφάζω ‘verdunkeln’ (A. Ag. 131 [lyr.]). — Mehrere hypothetische Deutungsversuche, alle lautlich schwierig. Oft mit dem indoiran. Wort für ‘Nacht’, aind. kṣap-, aw. xšap- (wozu wohl noch heth. išpant- ‘Nacht’) verglichen, so zuletzt Petersen AmJPh 56, 57 (Kreuzung von *ξέπας od. *κτέπας und νέφος). Von anderen zu lat. creper ‘dämmerig’, crepusculum ‘Dämmerung’ gezogen unter Annahme sabinischer (bzw. etruskischer) Lautentwicklung. Nicht besser Meillet BSL 23, 259f., Studia Indo-iranica für W. Geiger 234ff. und Grošelj Živa Ant. 2, 210f. — Ein Reimwort ist ψέφας, s. d.; vgl. noch zu δνόφος. Der wechselnde Anlaut der griech. Wörter beruht nach Specht Ursprung 11 auf tabuistischer Verdrehung. Ältere und jüngere Lit. (mit verfehlten weiteren Etymologien) bei Bq, WP. 1, 524f., (Pok. 649), W.-Hofmann s. creper. I-882
κνέωρος -ον n. m. N. einer brennenden Pflanze, ‘Daphne, Thymelaea’ (Thphr., Dsk., Plin., H.) mit κ<ν>εωρεῖν· πασχητιᾶν H.? (vgl. Fraenkel Glotta 4, 42). — Wie das synonyme κνῆστρον zu κνῆν (s. -κναίω), aber der Bildung nach dunkel. Eine Grundform *κνη[σ]ορος (κνησ- : aind. ki-knasa- ‘Schrot, Grieß’ usw.; Fick u. a., s. Bq; dagegen Mayrhofer Wb. s. v.) mit suffixalem -ορο- überzeugt nicht. I-882
κνῆκος myk. ka-na-ko? Daneben κνηκός, dor. κνᾱκός ‘gelblich, saflorfarben’, gew. von der Ziege (Thespis, S. Ichn. 358, Theok., AP), aber auch vom Wolf (Babr.). f. ‘Saflor, Carthamus tinctorius’ (Hp., Arist., Thphr., Pap. usw.); als Vorderglied u. a. in κνηκο-φόρος ‘saflortragend’ (Pap.); Ableitungen: κνήκιον ‘Klee, σάμψουχον’ (Dsk., Ps.-Dsk.); κνά̄κων, -ωνος m. ‘Bock’ (Theok.), κνᾱκίας m. ‘Wolf’ (Babr.); κνήκινος ‘aus Saflor’ (Pap., Dsk.), κνηκώδης ‘saflorähnlich’ (Thphr.); κνηκίτης (λίθος) N. eines gelblichen Steins (Hermes Trism.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 55); κνηκίς, -ῖδος f. ‘blasser Flecken, bes. am Himmel’ (Kall., Plu. u. a.; vgl. κηλίς und Chantraine Formation 347), auch N. einer Antilopenart usw. (H.). — Anklingende Wörter für ‘gelb usw.’, bzw. für gelbliche Stoffe sind aind. kāñcana- n. ‘Gold, Geld’, Adj. ‘golden’, m. Pflanzenname, apreuß. cucan (= cuncan) ‘braun’ und das germ. Wort für Honig, ahd. honag usw.; der Vokalwechsel muß auf (unklarem) Ablaut beruhen. Das griech. Wort war wohl ursprünglich Adj. (κνῆκος somit oppositive Barytonese); die Saflorpflanze wurde nach einer Vermutung bei Schrader-Nehring Reallex. 2, 270 von Ägypten eingeführt. — Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 400; dazu Pok. 564f. und Mayrhofer Wb. s. v. (mit leisem Zweifel). I-882-883
κνήμη, dor. κνά̄μᾱ f. ‘Unterschenkel, Wade’ (seit Il.), ‘Schienbein’ (Gal., Ruf.), übertr. ‘Stengel zwischen zwei Gelenken’ (Thphr.; Strömberg Theophrastea 48), ‘Radspeiche’ (Hom. usw. in Kompp., Poll., Eust.). Als Hinterglied z. B. in ὀκτά-κνημος ‘mit acht Speichen’ (Il.), παχύ-κνημος ‘mit dicken Waden’ (Ar.). Substantivierte Hypostase: ἀντικνήμ-ιον n. ‘was gegenüber der Wade ist’, d. h. ‘Schienbein’ (ion. att.). Ableitungen: κνημίς, -ῖδος f. (seit Il.), äol. κνᾶμις, pl. κνάμῐδες (Alk.), ‘Beinschiene’ (Trümpy Fachausdrücke 19f.) mit κνημίδια pl. (att. Inschr.; Bed. unsicher); κνημία f. ‘Radspeiche’ (Lys.), pl. ‘τὰ τῆς ἁμάξης περιθέματα’ (H.) usw. (s. Scheller Oxytonierung 53f.); κνημ-(ι)αῖος ‘zum Unterschenkel, zur Wade gehörig’ (Hp., Gal.; zur Bildung Chantraine Formation 49). — Zu κνημός s. bes. Zu κνά̄μᾱ stimmt bis auf den Stammauslaut air. cnāim ‘Bein, Knochen’ (i-St.); beide können auf idg. *knām- zurückgehen. Nahe kommt ein germ. Wort für ‘(Hinter-) schenkel, Kniekehle’, ahd. hamma, ags. hamm, awno. hǫm. Da -mm- aus -nm- assimiliert sein kann, ist für hamma usw. eine idg. Grundform *konəm-ā möglich, die sich nur im Ablaut von κνάμα, cnāim unterscheiden würde; dazu Schwyzer 361, WP. 1, 460 (m. Lit.), Pok. 613f. I-883
κνημός m. geographischer Ausdruck (Hom., h. Ap. 283, Orph. A. 465), z. B. Ἴδης ἐν κνημοῖσι (Il.), Bed. unsicher, etwa ‘Berghang, Bergvorsprung, Bergwald’, δημόσιος κνημός ‘öffentlicher Hain’ (TAM 2 : 1, 64, Telmessos; nicht ganz sicher); außerdem = ὀρίγανος (arg., Eust. 265, 40). Denominatives Verb κνημῶσαι· περιχῶσαι, φράξαι, φθεῖραι, κλεῖσαι, ἐλθεῖν; κνημοῦμαι· φθείρομαι, κνημωθῆναι· φθαρῆναι, διεκνημώσατο· διέφθειρε H. Im Sinn von ‘umzäunen usw.’ vgl. κνημός = ‘Hain’; dunkel = φθεῖραι (vgl. κνημίαι· φθοραί H. und Scheller Oxytonierung 63f.). — Der Bedeutung nach erinnert κνημός an ndd. hamm ‘Bergwald’ (Fick KZ 21, 368), das indessen eher mit mnd. ham ‘eingefriedetes Stück Land’, ndd. hamme ‘umzäuntes Feld’ zusammenzustellen ist und dann anders erklärt werden kann (vgl. zu κημός). — Ob Beziehung zu κνήμη besteht ("Wade des Berges"?; nach Eust. 1498, 42 = ‘was sich oberhalb des Fußes befindet’), muß wegen der unklaren Bedeutung offen gelassen werden. I-883-884
κνῆν, κνῆστις s. -κναίω. I-884
κνήφη f. ‘Räude, Krätze’ (LXX De. 28, 27, H. s. ξῦσμα, Suid. s. ’Αφροδίτη) mit κνηφάω = prurio (Gloss.). — Zu κνῆ-ν ‘kratzen, jucken’ mit φ-Suffix wie in ἀκαλήφη, vgl. d. m. Lit. Direkter Zusammenhang mit κνάφος, κνάπτω ist nicht wahrscheinlich. — Daneben κνίφεα· κνίδας H., wohl mit -ι- nach κνίδη, κνίζω. Ganz fraglich σκνῆφαι (wohl für ἀκαλῆφαι) als Erklärung von κνῖδαι (H.). Wenn richtig, vgl. σκνίψ neben κνίψ. I-884
κνί̄δη f. ‘Brennessel, Meernessel’ (Hp., Arist., Theok. usw.). Davon κνίδειος ‘zur κνίδη gehörig’ (Theognost.); κνιδᾶται (κνηδ- cod.)· δάκνεται, ἴσως ἀπὸ τῆς πόας und κνιδῶντες (-δοντες cod.)· κνίδῃ μαστιγοῦντες H.; κνιδώσεις pl. ‘das Jucken, das von einer Nessel verursacht wurde’ (Hp.), wie von *κνιδόω; vgl. die zahlreichen Bildungen auf -(ω)σις aus der medizin. und techn. Lit. bei Chantraine Formation 284ff. — Zu κνίζω ‘kratzen, stechen’ (s. d.), aber wegen der Länge des ῑ nicht unmittelbar davon abgeleitet. Vgl. κνῖσα. — Eine entsprechende kurzvokalische Form ist mir. cned ‘Wunde’, idg. *qnĭdā. I-884
κνίζω, Aor. κνίσαι, dor. κνίξαι (Pi.), Pass. κνισθῆναι, Fut. κνίσω, Perf. Pass. κέκνισμαι, ‘kratzen, reiben, reizen, ärgern’ (Pi., ion. att.). auch mit Präfix, z. B. ἀπο-, κατα-, ὑπο-, Davon κνισμός, κνίσμα ‘das Kratzen, Reizen usw.’ (Ar. u. a.), ἀπόκνισμα‘Brocken’ (Ar.), ἀπό-, ἐπί-κνισις ‘das (Ab)kratzen usw.’ (Thphr.). Außerdem als Rückbildungen *κνίς, Akk. κνίδα (Opp.) , pl. κνίδες (LXX) ‘Nessel’, κνίζα ‘ds.’ (Gloss.). Komp. mit verbalem (aoristischem) Hinterglied φιλό-κνῐσος ‘lüstern’ (AP), in derselben Bed. auch das Simplex κνισότερος (Ath. 12, 549a). — Da das Präsens κνίζω zum Aorist κνίσαι gebildet sein kann (Schwyzer 716), ist als Grundlage sowohl κνιδ-, κνιτ-, als auch κνι(σ)- möglich. Im ersten Fall bietet sich Anschluß (außer an die langvokal. κνί̄δη, κνῖσα) vor allem an baltische und germanische Formen, z. B. lett. knidêt ‘jucken, keimen, kriechen’, awno. hnīta (Prät. hneit) ‘an etwas anstoßen’; zu bemerken noch mir. cned ‘Wunde’ (aus *qnĭdā); daneben mit -t-, z. B. lit. kni-n-tù (Prät. knit-aũ), knìs-ti ‘kratzen, kitzeln, reizen’. Im letzten Falle wäre höchstens lit. knis-ù ‘auf-, zerwühlen’ zu vergleichen; ohne konsonantischen Auslaut indessen auch die anders vokalisierten κνῆν, -κναίω (s. d. m. Lit.). Weitere baltische Formen m. Lit. bei Fraenkel Lit. et. Wb. s. knìsti; vgl. noch de Vries IF 62, 142f. I-884-885
κνῖσα, ep. κνίση f. ‘Fettdampf, Opfergeruch, die fette Netzhaut’ (ep. poet. seit Il., Arist., hell. u. sp. Prosa). Kompp., z. B. πολύ-κνισος ‘mit reichem Opfergeruch’ (A. R.). Davon mehrere Adjektiva: κνισήεις (κ 10, Pi.), κνισωτός (A. Ch. 485), κνισηρός (Achae. 7) ‘fettdampfend, voll Opfergeruch’, κνισώδης ‘fettdampfend, fett’ (Arist., Gal. usw.), κνισαλέος (H.), κνισός (Ath. 3, 115e; nach dem Adj. auf -σός) = κνισήεις. Denominative Verba: κνισάω ‘mit Opfergeruch anfüllen’ (E., Ar. usw.), κνισόομαι, -όω ‘in Fettdampf verwandelt werden, Fettdampf abgeben, mit Fettdampf anfüllen’ (Arist., Ph. usw.). — Nebenform κνῖσος n. (Kom. Adesp. 608, Sch.), nach λίπος u. a. — Lat. nīdor m. ‘Bratenduft, Brodem, Qualm’, das für *cnīdōs stehen kann, macht für κνίση, woraus sekundär κνῖσα (Solmsen Wortforschung 238), eine auf einen s-Stamm zurückgehende Grundform *κνῑδσ-ᾱ wahrscheinlich, von idg. *qnīdos- n.; vgl. zu ἕρση. Nahe kommt awno. hniss n. ‘starker Geruch, ekelhafter Geschmack beim Essen’, idg. *qnĭd-to-. Da dies unzweifelhaft zu hnītan ‘anstoßen’ gehört (vgl. u. a. got. stigqan ‘stoßen’ = ahd. stincan ‘stinken’), wird auch für nīdor und κνῖσα ein ähnlicher Ursprung, somit auch Verwandtschaft mit κνίζω, nahegelegt. Wie für κνί̄δη ist aber für κνῖσα und nīdor von einer langvokalischen Hochstufe auszugehen. — Aus dem Keltischen wahrscheinlich hierher ir. u. kymr. cnes ‘Haut’ (idg. *qnĭd-tā; vgl. awno. hniss; zur Bedeutung Vendryes WuS 12, 243). — Lit. bei Bq, Bechtel Lex. s. κνίση, W.-Hofmann s. nidor; s. noch zu -κναίω. I-885
Κνίφων (Va, Meisterhans3 74), jünger Γνίφων m. N. pr. eig. ‘Knicker, Geizhals’. — Volkstümliche und expressive Bildung, vgl. (die spät belegten) κνιπός, σκνιπός, σκνιφός ‘geizig, knauserig’ zu κνίψ usw. (s. d.); in Γνίφων liegt wohl wie in γνάπτω eine sekundäre unerklärte Anlauterweichung vor (anders Schwyzer 414). Für ein urspr. Γνίφων ist es allerdings leicht, lautlich entsprechende Wörter zu finden, z. B. lit. gnýbu, mnd. knīpen ‘kneifen’, ano. knīfr ‘Messer’ (Einzelheiten bei WP. 1, 581f., Pok. 370f.). Hdn. Gr. 2, 949 zitiert ohne Erklärung κνίφω, -ιάω. I-885
κνίψ, κνῑπός, auch σκνίψ, σκνῖπός, pl. auch σκνῖφες m. Ben. nicht näher bekannter Insekten (nach Arist. Sens. 444b 12 kleine Ameisen), die allerhand Bäume und Pflanzen heimsuchen (Ar., Arist., Thphr., LXX usw.). Als Vorderglied in κνιπο-λόγος m. N. eines Spechts, σκνιπο-φάγος ‘σκνῖπες fressend’ (Arist.). Davon κνίπειος ‘zum κνίψ gehörig’ (Zos. Alch.). In entfernter oder fraglicher Beziehung zu κνίψ, σκνίψ stehen außerdem zahlreiche expressive, aber in der Literatur selten belegte Wörter, die namentlich die Knauserei oder verschiedene Augenleiden bezeichnen: κνιπός (AP), σκνιπός (Anon. in EN, H.), σκνιφός (Phryn.) ‘geizig, knauserig’; davon κνιπεύω ‘knauserig sein’ mit κνιπεία (Doroth. Astrol.); daneben auch im Sinn von ‘schwachsichtig u. ä.’ : κνιπός (Semon.), σκνιφός H., ὑπό-σκνιπος, -σκνιφος, -σχνιφος ‘etwas kurzsichtig’ (Pap.), κνιπά· πτίλη H.; davon κνιπότης ‘Augenentzündung’ (Hp. Loc. Hom. 13, Erot.), κνιπόομαι ‘entzündet sein, von den Augen’ (H. in κεκνιπωμένοι), auch ‘vom Mehltau, Brand angegriffen werden, von Früchten’ (H. ebd.). Den Benennungen für Augenkrankheiten usw. schließen sich Ausdrücke für ‘finster’ an: σκνιφαῖος (v. l. -παῖος) Beiw. von ὁδίτης ‘im Dunkeln Wandelnder’ (Theok. 16, 93; nach κνεφαῖος?), σκνῖφος· τὸ σκότος H. — Hinzu kommen zwei anscheinende Denominativa: κνιπεῖν· σείειν, ξύειν μέλαθρα καὶ δοκούς H. (eig. von den κνῖπες?), σκνίπτειν· νύσσειν H. — Mit κνίψ, σκνίψ reimen θρίψ und ἴψ (s. dd.). Sowohl (σ)κνίψ wie die Wörter für ‘knauserig’ können vom Begriff des Kneifens und Stechens ausgehen (vgl. σκνίπτω). Auch die Ausdrücke für Gesichtsschwäche usw. sind vielleicht vom Ausgangspunkt des Zusammenkneifens der Augen zu verstehen; Übertragung aus dem Bereich der (von κνῖπες verursachten) Pflanzenkrankheiten ist auch in Erwägung zu ziehen (s. κνιπόομαι). — Zum Vergleich eignen sich jedenfalls einige Wörter für ‘kneifen usw.’ im Baltischen und Germanischen. z. B. lett. kniêbt, knīpêt, mndl. nipen; s. WP. 1, 395, Pok. 562, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kneĩbti. Ob eigentliche "Urverwandtschaft" vorliegt, bleibt natürlich bei diesen volkstümlichen Wörtern eine offene Frage. Vgl. zu -κναίω, κνίζω, κνύω. I-885-886
κνόος, κνοῦς m. ‘das knarrende Reiben des Rades an der Radachse’, auch (A. Fr. 237) ‘das Geräusch der Füße beim Marschieren’; auch (durch Vermischung mit χνόη) ‘Radbuchse’ (H., Phot.). — Wegen der schlechten Bezeugung schwer zu beurteilen; allgemein wird darin ein hochstufiges Nomen zu κνύω ‘kratzen’ (s. d.) gesehen. I-886
κνύζα 1. Pflanzenname s. κόνυζα. I-886
κνύζα 2. ‘Krätze’ s. κνύω. I-886
κνυζέομαι, (-έω), auch -ζάομαι, -ζομαι, ‘winseln, wimmern’, von Hunden und Kindern (S., Ar., Theok., Opp., Nonn., späte Prosa). vereinzelt mit προσ-, ὑπο-, Davon κνυζηθμός ‘Gewinsel’, auch von wilden Tieren (π 163, A. R., Opp., Ath.); κνύζημα ‘das Wimmern der Kinder’ (Hdt., Him. u. a.). — Onomatopoetisch; eine zufällige Ähnlichkeit bietet lit. kniaũk-ti ‘miauen’. Vgl. κνυζόω. I-886-887
κνυζόω nur κνυζώσω (ν 401), κνύζωσεν (ν 433), von den Augen des Odysseus, die, früher περικαλλέα ἐόντα, von Athena getrübt und entstellt werden. — Das Grundwort scheint in κνυζοί· οἱ τὰ ὄμματα πονοῦντες, κνυζόν· ἀέρα ἐπινέφελον καὶ πνευματώδη H. erhalten zu sein (unklar Anakr. 87); vgl. Büchner Herm. 75, 156 A. 1. Beziehung zu κνύζα ‘Krätze’, κνύω liegt nahe; die Lautähnlichkeit mit κνυζάομαι ist somit wohl zufällig. Eine auffallende Parallele bietet indessen lit. kniáuktis ‘sich bewölken, sich bedecken (vom Himmel), eine finstere Miene aufsetzen’ neben kniaũkti ‘miauen’; ähnlich niaũras ‘bewölkt, finster, trübe’, auch ‘mürrisch, näselnd’, niauróti ‘brummen, vom Bären’. Inwieweit bei solchen Wörtern unabhängiger (onomatopoetischer oder sonstiger) Ursprung vorliegt oder sinnesanalogische Übertragung stattgefunden hat, ist nicht leicht zu entscheiden. Vgl. Fraenkel Lit. et. Wb. s. kniáuka und niauróti. — Anders über κνυζός, -όω (zu qen- ‘zusammendrücken’), gewiß nicht besser, WP. 1, 391, Pok. 559. I-887
κνύω ‘kratzen’ (Ar. Th. 481, Men. 1021), περι-κνύω ‘ringsum kratzen’ (Phot.). Davon Wörter für ‘Kratzen’: κνῦμα n. (Ar. Ek. 36, Gal. 19, 112) und für ‘Krätze’: κνύος n. (Hes. Fr. 29, 1), κνῦσα f. (Herod. 7, 95 als Schimpfwort; vgl. δεῖσα, μύξα u. a.; Chantraine Formation 100f.; Schwyzer 516f.), κνύζα (Philox. Gramm. ap. EM 523, 2, Eust.; vgl. ἄζα, σκύζα, κνίζα u. a.). Dazu einige H.-Glossen: κνύθος· ἄκανθα μικρά, κνυθόν· σμικρόν (vgl. τυτθός, -όν und die Pflanzennamen auf -θος bei Chantraine 367f., Specht Ursprung 255); Rückbildung κνῦ· τὸ ἐλάχιστον, wie γρῦ, βρῖ. — Zu κνόος, κνοῦς s. bes. — Wie zu den sinn- und lautähnlichen κναίω, κνῆν, κνάπτω, κνίζω kann man auch zu κνύω aus den verwandten Sprachen, namentlich aus dem Germanischen und Baltischen anklingende Wörter heranziehen: ahd. hniuwan ‘zerstoßen, zerquetschen’, mit ausgehendem Dental awno. hnjōđa ‘stoßen, schlagen, nieten’, beide idg. qneu-, lett. knūdu und knūstu ‘jucken’. Weitere Formen m. Lit. WP. 1, 396f., Pok. 562f.; vgl. noch de Vries IF 62, 142f. Schwyzer 676 will für κνύω (wie entsprechend für κνῆν, κναίειν) ein altes ablautendes Wurzelpräsens *qnṓu-mi : *qnū̆-me ansetzen. I-887
κνώδαλον n. ‘wildes oder schädliches Tier’ (poet. seit ρ 317) mit κνωδαλώδης (Tz.). — κνώδᾱξ, -ᾱκος m. ‘Zapfen, Achse’, auch ‘Höhlung für die Achse’ (Hero, Ph. Bel. u. a.) mit κνωδάκιον und κνωδακίζω ‘an Zapfen aufhängen’ (Hero). — κνώδων, -οντος m., im Plur. ‘Zähne am Schwert oder am Jagdspieß, Schwerthaken’, im Sing. ‘Schwert’ (S., X. usw.). — An κνώδαλον : κνώδων erinnern Wortpaare wie ἀγκάλη : ἀγκών, ὀμφαλός : lat. umbō (Schwyzer 483, Chantraine Formation 246); dabei wäre κνωδον-τ- sekundär für *κνωδον- (Schwyzer 526). Auf jeden Fall gehen κνώδαλον und κνώδων ebenso wie κνώδαξ (zum Suffix -ᾱξ Schwyzer 497, Chantraine 381; dazu Björck Alpha impurum 69: aus dorischsprachiger Ingenieurkunst?) auf ein Verbalnomen *κνωδ(ο-) etwa ‘Zahn’, eig. "Beißer, Nager", zurück, das letzten Endes zu κνῆ-ν u. Verw. gehört (s. -κναίω), aber mit altem Ablaut auch in κάναδοι· σιαγόνες, γνάθοι H., in κναδ-άλ-λεται· κνήθεται H. und in lit. kándu ‘beißen, stecken’ wiederzufinden ist; zu lit. kándu (idg. qonəd-) : κναδ-άλλεται vgl. bes. lit. žándas ‘Kinnbacken’ : γνάθος ‘ds.’ (vgl. s. v.). S. auch κνώψ. I-887-888
κνώσσω nur Präsensstamm, ‘schlafen, schlummern’ (ep. poet. seit δ 809). auch mit ἐνι-, κατα-, — Wie εὕδω (s. d.) ohne Etymologie; vgl. Schwyzer 648 A. 1. Fruchtlose idg. Deutungsversuche bei Bq und WP. 1, 390. Vgl. das Oppositum ἐγρήσσω (Λ 551 u. a.; zu ἐγείρω). I-888
κνώψ, κνωπός m. N. eines wilden Tieres, von Schlangen u. a. (Nik. Th.). Dazu κνωπεύς· ἄρκτος. ἔνιοι κνουπεύς (H.; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 85). Auch κυνοῦπες· ἄρκτος (für -οι?). Μακεδόνες H. — Nicht sicher erklärt. Ob Kreuzung von κνώδαλον und einem anderen Wort (κλώψ, κνίψ, σήψ o. ä.)? Nach Fick 3, 97 und Persson Beitr. 1, 139 zu awno. (hnafa), Prät. hnōf ‘abknipsen’. Verfehlt Baunack Phil. 70, 456f. — Durch Erweiterung (mit Sproßvokal) wahrscheinlich κινώπετον (s. d.). I-888
κοακτήρ m. N. eines Mysteriendieners in Sparta s. κοῖον. I-888
κοά̄λεμος m. ‘Dummkopf, Tölpel’ (Ar., Plu.), auch (parodierend) N. eines Dämons der Dummheit (Ar. Eq. 221). — Ausgang wie in ἰάλεμος (s. d.), sonst unklares Fremdwort; zum Lautlichen Schwyzer 302 und Björck Alpha impurum 46 und 258, der an onomatopoetisches κο- denkt (etwa ‘Quarrer’). Vgl. καυαλός· μωρολόγος H.; s. auch zu κόβαλος. I-888
κοάξ Interjektion, vom Quaken der Frösche (Ar. Ra.). — Lautnachahmung wie z. B. nhd. qua(c)k, quaken; heth. akuwakuwaš(?) ‘Frosch’ (?). Lat. coaxāre ‘quaken’ (Suet. usw.) ist wohl eher literarische Nachbildung von κοάξ. Vgl. κοΐ, κοΐζω. Zum Lautlichen noch Schwyzer 313 und 620. Vgl. W.-Hofmann s. coaxō m. weiteren Einzelheiten. I-888-889
κόβᾱλος m. ‘Spitzbube, Gauner, Halunke’, auch (parodierend) Ben. böser Genien (Ar., Arist., D. C.); als Adj. ntr. κόβαλα, -ον ‘gaunerisch usw.’ (Pherekr., Ar.). Davon (über κοβαλεύω, s. unten) κοβαλεία (Din.), κοβάλευμα (Et. Gen.) ‘Gaunerei’; (ἐκ)κοβαλικεύομαι ‘gaunern, betrügen’ (Ar. Eq. 270) mit κοβαλικεύματα pl. (Ar. Eq. 332); zunächst von *κοβαλικός (κοβαλικοῖσι Konj. bei Timokr. Fr. 1, 7 Diehl). — Daneben κοβαλεύω ‘transportieren’ (Pap., EM), ngr. κουβαλῶ ‘ds.’, κοβαλισμός ‘Transport’ (Pap.). — Volkstümliche Wörter ohne Etymologie. Nach Björck Alpha impurum 46f. u. 258f. mit v. Wilamowitz eig. ‘Lastträger, Transportarbeiter’, woraus verächtlich ‘Gauner, Halunke’; die ursprüngliche Bedeutung wäre als ein nicht att.-ion. Element in die Koine übernommen. Als Heimat von κόβαλος vermutet v. Wilamowitz GGA 1898, 689 Korinth; Zacher IFAnz. 18, 86 (s. auch Kretschmer KZ 55, 85f.) betrachtet, ebenfalls hypothetisch, das Wort als thrakisch-phrygisch (wie κοάλεμος). Gegen Zusammenhang mit lat. caballus (Grégoire Byzantion 13, 287ff.; vgl. zu καβάλλης) s. Björck a. a. O. m. weiterer Lit. I-889
κόγχη auch κόγχος m. (f.) f. ‘Muschel, Muschelschale’, auch als Hohlmaß und übertr. von mehreren muschelähnlichen Gegenständen, ‘Ohrenhöhle, Kniescheibe, Hirnschale, Siegelkapsel, Schildbuckel usw.’ (Emp., Epich., Sophr., ion. att.). Einzelne Kompp., z. B. κογχο-θήρᾱς m. ‘Muschelfänger’ (Epich.). Zahlreiche Ableitungen: 1. Deminutiva κογχίον (Antiph., Str. u. a.), κογχάριον (Str., Aret.). 2. κογχωτός ‘mit einem Buckel versehen’ (Pap. IIIa). 3. κογχίτης (λίθος) ‘Muschelkalkstein’ (Paus.; Redard Les noms grecs en -της 55). 4. κογχαλίζειν· πεποίηται ἀπὸ τοῦ ἤχου τῶν κόγχων H. (etwa nach κροταλ-ίζειν : κρότ-αλα : κρότος); 5. dazu als Rückbildung κόγξ Interjektion, vom Laut der in die Stimmurne fallenden Scherbe usw. (H.); vgl. v. Wilamowitz Glaube 2, 482. 6. Auch κογχίζω ‘purpurrot farben’ mit κογχιστής ‘Färber’ und κογχιστική ‘Farbengewerbe’ (PGrenf. 2, 87); für *κογχυλίζω usw. (vgl. zu 7.). — Besonders zu bemerken 7. κογχύ̄λιον n. ‘Muschel, Muscheltier und dessen Schale’, auch ‘Purpurschnecke’ (Epich., Sophr., Hdt., Hp., Arist. usw.), zunächst von κογχύλη (nur als v. l. Ph. 1, 536 und AP 9, 214); von κογχύλιον: κογχυλίας (Ar.) und κογχυλιάτης (X., Philostr.) = κογχίτης (λίθος; Redard 56); κογχυλιώδης ‘κ.-ähnlich’ (Str.), κογχύλιος ‘purpurfarben’ (Pap.), κογχυλιατός, -ιωτός ‘mit Purpur gefärbt’ (Pap., Gloss.); auch κογχυλεύς (für *κογχυλιεύς oder von κογχύλη?) ‘Purpurarbeiter’ (Korykos) mit κογχυλευτής ‘Purpurschneckenfischer’ und κογχυλευτική ‘Purpurschneckengewerbe’ (Just.). — Mit κόγχος ist aind. śaṅkhá- m. ‘Muschel’ als Erbwort identisch. Aus κόγχη, κογχύλιον, κογχίτης lat. concha, conchȳlium, conchīta; aus κόγχη, κόγχος als Maßbezeichnungen auch lat. congius N. eines bestimmten Hohlmaßes (Ausgang gewiß nach modius; -g- durch eine vermittelnde Sprache? Schwyzer KZ 57, 262 A.); für Urverwandtschaft Sturtevant Lang. 17, 4. — Vgl. κόχλος. I-889-890
κοδομεύς m. ‘Gerstenröster’ mit κοδομεύω ‘Gerste rösten’, wovon κοδομεία ‘das Gersterösten’ und κοδομεῖον ‘Gefäß für Gersterösten’. Dazu als besondere Femininformen κοδομή und -μεύτρια ‘Gerstenrösterin’ (alles nur Poll. u. H., auch Phot. u. Suid.). Über das Verhältnis der Wörter zueinander s. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 84 (κοδομεύς Rückbildung zu κοδομεύω, Denom. von κοδομή?). — Wegen der undurchsichtigen Bildungsweise der Entlehnung verdächtig (kleinasiatisch?; Fick KZ 41, 199f.). Mehrere Anknüpfungsversuche, u. a. an ein slavisches Wort für ‘räuchern’, z. B. aksl. kaditi (Fick 1, 23; dazu Vasmer Russ. et. Wb. s. kadítь; vgl. zu κέδρος). Auch andere, noch fraglichere Kombinationen werden bei Bq und WP. 1, 384f. angeführt und abgelehnt. — Eine ähnliche Bedeutung zeigt das im Vokal abweichende κίδναι· αἱ ἐγχώριοι πεφρυγμέναι κριθαί H. I-890
κοδύμαλον s. κυδώνια (μᾶλα). I-890
κοέω daneben κοάω in κοᾷ· ἀκούει, πεύθεται; ἐκοᾶμες· ἠκούσαμεν, ἐπυθόμεθα; ἐκοάθη· ἐπενοήθη, ἐφωράθη; κοᾶσαι· αἰσθέσθαι H.; — ἐκόησεν (Kall. Fr. 53). — Anscheinend primär ἔκομεν· εἴδομεν, ἑωρῶμεν, ᾐσθόμεθα H. (vgl. unten). — Verbaladj. in ἀνακῶς (s. d.). Λαο-κόων, εὐρυ-κόωσα ‘die weithin vernehmende’ (Euph. 112, H.) u. a. (vgl. Bechtel Namenstudien 37f.). ‘bemerken, vernehmen, hören’ (Anakr. 4, 14, Hellad. ap. Phot., wohl auch H. [cod. κοθεῖ]); Zu κοίης usw. s. κοῖον. — Als iterativ-intensives Deverbativum (nach Zupitza KZ 40, 251 u. A. eher denominativ) ist κο(ϝ)έω (woneben κο(ϝ)άω; Schwyzer 717ff.) mit lat. caveō, cavēre (< *covēre) ‘sich in acht nehmen, sich vorsehen’ identisch. Eine schwundstufige Primärbildung ist in aind. ā-kuvate ‘beabsichtigen’ zu belegen. Auch in ἀκεύει (= ἀκέϝει?)· τηρεῖ H. ist ein zugehöriges primäres (hochstufiges) Verb vermutet worden. (Unverständlich dagegen ἔκομεν; vgl. Schwyzer 721 A. 10 u. 740). Zu diesen Verbalformen gesellen sich mehrere Verbalnomina, z. B. aind. kaví- m. ‘Seher, Dichter, weiser Mann’. — Neben idg. qeu- gab es auch sqeu-, s. θυοσκόος. Vgl. noch zu ἀκούω und κῦδος. Weitere, für das Griechische belanglose Formen mit reicher Lit. bei WP. 1, 368ff., Pok. 587f., W.-Hofmann s. caveō, Vasmer Russ. et. Wb. s. čúju. I-890-891
κόθορνος m. ‘hoher Jagdstiefel, Fußbekleidung der Schauspieler mit hohem Absatz, tragischer Kothurn’ (Hdt., Ar. u. a.). — Lehnwort, vielleicht lydisch (Jonkees JournofHell Stud. 60, 80). I-891
κόθουρος Beiwort des κηφήν od. der Drohne, ‘ohne Stachel’ (Hes. Op. 304); κόθουριν (cod. -οῦ-)· ἀλώπεκα H. — Wie κόλουρος, f. -ρις ‘stumpfschwänzig’ (vom Fuchs usw.) aus κόλος und οὐρά, ebenso ohne Zweifel κόθουρος zu κοθώ· βλάβη H., das seinerseits indessen dunkel ist. Bei H. auch κορθώ· βλάβη; κόθουρος somit für *κορθ-ουρος und κοθώ aus κόθουρος losgelöst? — Zu κορθώ vgl. aind. kr̥dhú- ‘verkürzt, verstümmelt, mangelhaft’ u. a.; s. κυρσάνιος. I-891
κοΐ Interjektion, vom Naturlaut junger Schweine (Ar. Ach., Hdn. Gr.); davon κοΐζειν ‘quieken’ (Ar. Ach.). — Wie nhd. quieken, russ. kvičátь ‘quieken’ u. a. einzelsprachliche Lautnachahmung. Vgl. κοάξ und γρῦ, γρύζω. I-891
κοιακτήρ, κοίης usw. s. κοῖον. I-891
κοικύλλω ‘umhergaffen’ (Ar. Th. 852); dazu als Rückbildung Κοικυλίων PN, "der Gaffer" (Ael.). — Intensive Reduplikationsbildung ohne sichere Etymologie; nach Debrunner IF 21, 96 zu κύλα (s. d.). Vgl. die ähnlich gebildeten, ebenfalls dunklen Synonyme δενδίλλω, δανδαίνω, παπταίνω u. a. m. I-891
κοῖλος (κόϊλος, vgl. unten) ‘hohl, ausgehöhlt, geräumig, tief’ (seit Il.). Oft als Vorderglied, z. B. κοιλο-γάστωρ ‘hohlbauchig, gefräßig’ (A.; zur Bildung Sommer Nominalkomp. 150). Zahlreiche Ableitungen: A. Substantiva: 1. κοιλία f. ‘Bauchhöhle, Bauch, Körperhöhlung im allg.’ (ion. att. usw.) mit κοιλιώδης ‘bauchähnlich’ (Arist.), κοιλιακός ‘zum Bauch gehörig, an Bauchkrankheiten leidend’ (Plu., Mediz. u. a.), κοιλιτική (νόσος) ‘Bauchkrankheit’ (Cat. Cod. Astr.); Deminutivum κοιλίδιον (Str. u. a.). 2. κοιλάς f. ‘Höhlung, Schlucht’ (hell. u. spät), Adj. f. ‘hohl’ (Tryph. Ep.). 3. κοιλότης ‘Höhlung’ (Arist. u. a.). 4. κοιλίσκος m. ‘ausgehöhltes, schaufelförmiges Messer’ (Mediz.; vgl. γραφίσκος und andere Gerätenamen bei Chantraine Formation 408). 5. und 6. κοίλωμα (Arist., hell. u. sp.), κοίλωσις (Hp. u. a.) ‘Höhlung, Aushöhlung, Vertiefung’, vgl. κοιλόομαι unten. — B. Adjektiva (zu τὸ κοῖλον ‘Hohles, Höhle’): 1. κοιλώδης ‘reich an Höhlen’ (Babr.). 2. κοιλαῖος = κοῖλος (Gal.). — C. Verba: 1. κοιλαίνω, κοιλᾶναι (-ῆναι), κεκοίλασμαι ‘aushöhlen’ (ion. att.) mit κοίλανσις (Alex. Aphr. u. a.), κοίλασμα (LXX, Hero u. a.), κοιλασία (Hero) ‘Aushöhlung usw.’. 2. κοιλόομαι, nur in κεκοιλωμένος ‘ausgehöhlt’ (D. S., Dsk.); davon κοίλωμα, κοίλωσις, falls nicht direkt von κοῖλος, s. oben. — Aus dem bisweilen dreisilbig zu lesenden κόϊλος (bei Hom. immer möglich außer χ 385, wo im Versanfang; Meister HK 50, Chantraine Gramm. hom. 1, 28) ergibt sich eine Grundform *κόϝιλος, die sich als λ-Ableitung an κόοι· τὰ χάσματα τῆς γῆς, καὶ τὰ κοιλώματα H. und lat. cavus ‘hohl’ aus *covos anschließt; daneben mir. cūa ‘hohl’ aus *ḱou̯-ios. Wenn die Gleichung κοῖλος = alb. thelë ‘tief’ (< idg. *ḱou̯ilos) zu Recht besteht (Pedersen KZ 36, 332), ist die Bildung schon vorgriechisch. Verwandte l-Ableitungen sind arm. soyl ‘Höhle’ (< idg. *ḱeu-lo-) und κύλα; s. d. Weiteres zur Stammbildung Benveniste Origines 41f., wo ein Nomen auf -il als Grundlage vermutet wird, und Specht Ursprung 130, der von einem i-Stamm ausgehen will, wofür er sich auf das einmalige κοιφόν· κοῖλον (wohl für κυφόν) beruft. — S. auch κῶος, κώθων, κύαρ; dazu W.-Hofmann s. cavus (mit reicher Lit.). I-891-892
κοῖλυ · τὸ καλόν H. — Seit Hoffmann bei Bezzenberger BB 16, 240 zu einem Wort für ‘heil, unversehrt’ mit Vertretern im Germanischen und Baltisch-Slavischen gezogen, z. B. got. hails, aksl. cělъ ‘heil’ (alter u-Stamm), apreuß. kailūstikan Akk. sg. ‘Gesundheit’ (ebenso von einem u-St.). Ein anklingendes keltisches Wort für ‘(glückliches) Vorzeichen’, z. B. kymr. coel, muß aber dann wegen des ursprünglichen ai-Diphthongs beiseite bleiben. Auch die Zugehörigkeit von gr. κοῖλυ kann indessen wegen der Vieldeutigkeit des Interpretamentums nur als hypothetisch gelten. — WP. 1, 329, Pok. 520, Vasmer Russ. et. Wb. s. célyj mit weiterer Lit., u. a. Specht KZ 64, 16f., 21. I-892
κοιμάω, κοιμίζω ‘zur Ruhe legen’ s. κεῖμαι. I-892
κοινά (für κοίνα od. κοῖνα?)· χόρτος H. — Stimmt ganz zu einem baltisch-slavischen Wort für ‘Heu’, z. B. lit. šiẽnas, aksl. sěno ‘χόρτος’ (Persson BB 19, 257). Lat. fēnum, faenum ‘Heu’ läßt sich damit schwerlich vereinigen, s. W.-Hofmann s. v. und Nachträge 1, 864f. I-892
κοινός τὸ κοινόν ‘Gemeinde, Gemeingut, öffentliche, leitende Behörde, Bund’ (ion. att. seit Hes.; Hom. dafür ξυνός); ‘gemeinsam, gemeinschaftlich, öffentlich, gewöhnlich, unparteiisch’, zahlreiche Kompp. aus verschiedenen Zeiten. Ableitungen. 1. *κοινά̄ων (Schwyzer 521, Chantraine Formation 163) > dor. ark. κοινάν, -ᾶνος m. (Pi., Lokris, Tegea), att. κοινεών, -ῶνος m. (E. HF 149, 340), κοινών, -ῶνος m. (X. Kyr.; nach κοινωνέω usw.) ‘Gefährte, Genosse, Bundesgenosse’; davon dor. usw. κοινανέω (dor. Vertrag ap. Th. 5, 79, 1; Argos, Delphi), att. κοινωνέω (für *κοινεωνέω) ‘Teilnehmer sein, teilnehmen’ mit κοινανία (Pi.), att. κοινωνία ‘Gemeinschaft, Anteil’ und κοινωνός ‘Gefährte usw.’ (wahrscheinlich Rückbildung; Leumann Hom. Wörter 224 A., Mom. 3); davon κοινανικός (Archyt.), κοινωνικός (att.) ‘gemeinschaftlich, sozial’; κοινωνιμαῖος ‘die Gemeinschaft betreffend’ (Pap.; Chantraine Formation 49, Mél. Maspéro 2, 220); von κοινωνέω noch κοινώνημα (Pl., Arist. u. a.). — Sonstige nominale Ableitungen: 2. κοινότης f. ‘Gemeinschaftlichkeit, Leutseligkeit’ (att., hell.); 3. κοινεῖον ‘öffentliche Halle, Verein usw.’ (Inschr. u. a.); 4. κοινάριον Demin. von κοινόν (geschr. cynarium, CIL 13, 10021, 199). — Denominatives Verb κοινόω, -όομαι ‘gemeinsam machen, teilen’, auch ‘gemein machen, profanieren’, Med. ‘in Gemeinschaft treten, sich beteiligen, um Rat fragen’ (ion. att.; Pi. Aor. κοινᾶσαι) mit κοίνωμα, -μάτιον ‘Fuge, Band’ (Ph. Bel.), κοίνωσις ‘Umgang, Verkehr’ (Plu. u. a.). — Wenn κοινός mit Metathese für *κονι̯ός steht, gesellt es sich (über älteres *κομι̯ός oder zu urgr. *κον?, Schwyzer 309) zu einer italokeltischen Präposition (Präfix), z. B. lat. cum, com- (con-), gall. com- ‘mit, zusammen mit’, idg. Adverb *kom ‘zusammen’; dazu wahrscheinlich auch die Präfixe germ., z. B. got. ga-, alb. kë- ‘mit-’. Im i̯o-Suffix will Brugmann IF 17, 355 die Schwundstufe von idg. ei- ‘gehen’ erkennen (dazu Schwyzer 472). — Verfehlte ältere Deutungen bei Bq. I-892-893
κόϊξ, -ϊκος (Kom., Thphr.), κόϊς (Epich., BGU 972, 5) m. N. einer Palmenart, ‘Hyphaene thebaica, aus deren Blättchen geflochtener Korb’, mit κοΐκινος ‘aus κ. gemacht’ (Str.). — LW. Nach Fraenkel Phil. 97, 170 davon σκοίκιον ‘Art Geschirr, Korb o. ä.’ (Kyrene, hell. Pap.) mit σ- aus σκεῦος und σπυρίς. — Eine andere Form ist κοῦκι n. (Pap., Plin.) mit κούκινος (Peripl. M. Rubr., Pap.), s. d. I-893
κοῖον, κώϊον· ἐνέχυρον. κοῦα, κῶα· ἐνέχυρα H. Davon κοιάζει· ἐνεχυράζει, κουάσαι· ἐνεχυριάσαι, κωάζειν· ἐνεχυράζειν, κωαθείς· ἐνεχυριασθείς H. Als Nomen agentis dazu κο(ι)ακτήρ N. eines Mysteriendieners in Sparta (IG 5 : 1, 210ff.). = ἐνεχυρασ- τής? (Fraenkel Nom. ag. 1, 158 nach Meister); andere Erklärungsversuche bei Bourguet Dial. Lac. 112f. — Wohl mit v. Blumenthal Hesychst. 41 aus *κόϝ-ιον zu κοέω ‘bemerken, aufpassen’ mit derselben Bedeutungsentwicklung wie in lat. cavēre ‘sich vorsehen, Bürgschaft leisten’. Nach v. B. hierher auch κοίης, κόης· ἱερεὺς Καβείρων, ὁ καθαίρων φονέα (H.) mit κοιόλης· ὁ ἱερεύς (H., Suid.), κοιᾶται· ἱερᾶται, κοιώσατο· ἀφιερώσατο, καθιερώσατο H. Vgl. auch lyd. kaveś (Masson Jb. f. kleinas. Forsch. 1, 182ff.). Nach Bochart (Lewy Fremdw. 258) sem., vgl. hebr. kōhēn ‘Priester’; ebenso Grimme Glotta 14, 19. — Noch unsicherer ist die Heranziehung von κοῖος = ἀριθμός (Ath. 10, 455e; maked.; eig. "Kenner" [??], v. B. ibid.). I-893-894
κοίρανος m. ‘Herrscher, Heerführer, Herr’ (ep. poet. seit Il.). Vereinzelt aks Hinterglied, z. B. πολυ-κοίρανος ‘über viele herrschend’ (A. Fr. 238, lyr.) mit πολυκοιρανίη ‘das Herrschen über viele’ (Rhian. 1, 10); aber Β 204 = ‘Vielherrschaft’ mit Subjektsfunktion des Vorderglieds; das Hinterglied fungiert überall als Verbalnomen zu κοιρανέω. Spärliche Ableitungen: κοιρανίδαι pl. ‘Herrschersöhne, Mitglieder des herrschenden Hauses’ (S. Ant. 940; Fraenkel Nom. ag. 2, 20); κοιρανῇος und κοιρανικός ‘zum Herrscher gehörig’ (sp. Dichter); κοιρανίη ‘Herrschertum’ (D. P., APl.; vgl. oben); κοιρανέω ‘herrschen, gebieten’ (ep. poet. seit Il.). — Zu κοίρανος stimmt (bis auf den Zwischenvokal) awno. herjann Beiname Odins; bei der Produktivität des no-Suffixes, zumal in Wörtern derselben Bedeutungssphäre (lat. dominus : domus, got. þiudans ‘König’ : þiuda ‘Volk’ u. a. m.), brauchen die Wörter nicht altererbt zu sein. Aber die Grundlage ist jedenfalls gemeinsam, und zwar ein Wort für ‘Heer, Kriegsschar’ mit Vertretern im Germanischen, Baltischen und Keltischen, z. B. got. harjis ‘Heer’, lit. kãrias ‘ds.’, mir. cuire m. ‘Schar, Menge’, gall. Tri-, Petru-corii Völkernamen ("aus drei, bzw. vier Stämmen bestehend"), idg. *qori̯os. Auch im Griechischen hat das Wort existiert, nach Eigennamen wie Κοιρό-μαχος, Κοιρατάδας zu schließen (Solmsen Glotta 1, 76ff.). — Neben idg. *qori̯os stand ohne i̯o-Suffix *qor(o)- in lit. kãras ‘Krieg’, mit gedehntem Vokal apers. kāra- ‘Heer, Volk’. Weitere Einzelheiten mit Lit. bei WP. 1, 462f., Pok. 615f., Fraenkel Lit. et. Wb. s. kãr(i)as. — Im Griechischen wurde das alte κοίρανος durch die Eindringlinge ἄναξ und βασιλεύς ersetzt; s. dd. I-894
κοκ(κ)άλια, (κωκ-) n. pl. Ben. kleiner Schaltiere (Arist. HA 528a 9). — Versuch einer näheren Begriffsbestimmung bei Thompson Fishes s. v., der gleichzeitig auf ähnliche ital. Benennungen, cocciole, cozzule u. a., hinweist. Vgl. auch κόχλος und Ableitungen, dazu die Formen bei Meyer-Lübke Rom. et. Wb. Nr. 2011. I-894-895
κόκκος m. 1. ‘Kern von Früchten, bes. der Granate’ (h. Cer., ion. att.; vgl. Strömberg Theophrastea 185); 2. ‘die Scharlachbeere, der Scharlach, die Kermeseiche’ (Thphr., Gal., Dsk. u. a.; Michell ClassRev. 69, 246); 3. übertr. ‘Pille’ (Mediz.). Kompp., z. B. κοκκο-βαφής ‘mit Scharlach gefärbt’ (Thphr. u. a.), καλλί-κοκκος ‘mit schönen Kernen’ (Thphr.); κοκκό-δαφνον, δαφνό-κοκκον (Mediz.) = κόκκος δάφνης, δαφνίς (Strömberg Wortstudien 7). Ableitungen: Deminutiva κοκκίον, κοκκάριον (Mediz.); κόκκων, -ωνος m. ‘Kern d. Granate’ (Sol., Hp. u. a.), ‘Mistelbeere’ (H.), κόκκαλος m. ‘Kern des Pinienzapfens, Pinienzapfen’ (Hp., Gal. u. a.; Chantraine Formation 247); κοκκίδες pl. ‘scharlachrote Pantoffel’ (Herod.), -ίδα· αἴγειρον H.; κόκκινος ‘scharlachrot’ (Herod., Pap., Arr. u. a.) mit κοκκινίζω ‘scharlachrot sein’ (Sch.), κοκκηρός ‘aus Scharlach gemacht’ (Edict. Diocl.; wie οἰνηρός, ἐλαιηρός u. a.); κοκκίζω ‘den Kern herausnehmen’ (A., Ar.). — Etymologie unbekannt, wohl Fremdwort; zu beachten die volkstümliche Gemination (Chantraine Formation 7). — Alessio Studi etr. 18, 126 (s. auch Belardi Doxa 3, 210) erinnert an span. cuesco ‘Nüßchen’ u. a. und erwägt ein mediterranes *cosco-, woraus durch Assimilation κόκκος(?). I-895
κόκκῦ̄ Ruf des Kuckucks, auch als Ausruf im allg. (Ar.). Als Vorderglied in κοκκυ-βόας ὄρνις Ben. des Hahns (S. Fr. 791; codd. Eust. κοκκο- nach den ο-Stämmen; richtig?). Davon κοκκύζω vom Ruf des Kuckucks und des Hahns (seit Hes.; vgl. Fraenkel Glotta 4, 34) mit κοκκυσμός ‘schrilles Geschrei’ (Nikom. Math.), κοκκυστής ‘Schreihals’ (Timo); κόκκυξ, -ῡγος m. ‘Kuckuck’ (seit Hes., -υγος Nom. Alk.), auch übertr., u. a. als N. eines Fisches (Hp., Arist. u. a.), einer Feigenart (Nik.); dazu Strömberg Fischnamen 116, bzw. Pflanzennamen 73. Von κόκκυξ: Κοκκύγιον N. eines Berges (Paus.); κοκκυγία· ἀνεμώνη. Κροτωνιᾶται H. ("Kuckucksblume"; Strömberg a. a. O.); κοκκυγέα Baumname, ‘Rhus Cotinus’ (Plin.; coni. in Thphr. HP 3, 16, 6). Daneben mit labialer Bildung die PN Κόκκυψ, Κοκκουβίας (böot.; vgl. Bechtel Dial. 1, 262f.). Hierher noch κόκκυς· λόφος (d. i. ‘Hahnenkamm’) H.? (voridg. nach Alessio Studi etr. 18, 125 und Hubschmid 3me Congr. intern. de topon. 2, 186f.; nach v. Windekens Le Pélasgique 103 "pelasgisch"). — Zu κοκκύμηλον s. bes. — Wohl zunächst aus kuku dissimiliert (Schwyzer 258 u. 423). Onomatopoetisch wie aind. kokilá- ‘Kuckuck’, kukkuṭá- ‘Hahn’, lat. cucūlus, nhd. Kuckuck usw. usw.; s. z. B. WP. 1, 466f., Pok. 627, W.-Hofmann s. cucūlus. Zu κόκκυξ ausführlich Thompson Birds s. v. I-895-896
κοκκύμηλον n. ‘Pflaume’ (seit Archil.) mit κοκκυμηλέα f. ‘Pflaumenbaum’ (Arar. Kom., Thphr. u. a.), -μηλών m. ‘Pflaumengarten’ (Gloss.). — Beziehung zu κόκκος liegt sachlich nahe ("Kernobst" Schrader-Nehring Reallex. 2, 182); -υ- wäre dann volksetymologisch von κόκκυξ eingedrungen, obwohl eine nähere Begründung fehlt; vgl. indessen Strömberg Pflanzennamen 73. Zu beachten κοδύ-μαλον (s. κυδώνια). I-896
κοκύαι (v. l. κοκκ-) m. u. f. pl. ‘Vorfahren’ (AP, Kall., H.); κουκᾶ· πάππων H. — Von Grošelj Razprave 2, 12 (wie von Schmidt z. St.) zu γυγαί· πάπποι H. gezogen; s. d. I-896
κόλαβρος m. = χοιρίδιον (H. [cod. κοιλίδιον], Suid.); N. eines Gesangs, der den Tanz namens κολαβρισμός begleitete (Ath.); davon κολαβρίζειν· σκιρτᾶν (H.) mit κολαβρισμός (Ath., Poll.), Pass. ‘zum Gelächter gemacht werden’ (LXX); κολαβρευομένη· κώλοις ἁλλομένη H. Einzelheiten bei Lawler und Kober Class. Phil. 40, 98ff. mit Hypothesen über die Etymologie. — Von Poll. 4, 100 wird der betreffende Tanz als thrakisch oder karisch bezeichnet; somit wohl Fremdwort. I-896
κολάζω ‘einzwängen, züchtigen’ s. κόλος. I-896
κόλαξ, -ᾰκος m. ‘Schmeichler, Schmarotzer’ (att. hell.) mit κολακίς f. (Klearch., Plu.), κολακικός ‘schmeichlerisch’ (Pl. u. a.) und κολακεύω ‘schmeicheln’ (att. hell.); Oft als Hinterglied in der Komödiensprache, z. B. κνισο-κόλαξ, s. Risch IF 59, 277. davon κολακεία (Demokr., Pl. u. a.), κολάκευμα (X. u. a.) ‘Schmeichelei’, κολακευτικός ‘schmeichlerisch’ (Pl. u. a.), κολακευτής = κόλαξ (Gloss.). — Ausdruck der attischen Umgangssprache ohne Etymologie. Von Persson Beiträge 1, 158f. zu κηλέω u. Verw. gezogen, was schon wegen des o-Vokals Bedenken erweckt; vgl. WP. 1, 446, Pok. 551, W.-Hofmann s. calumnia. Nicht besser Pisani Ist. Lomb. 77, 553: zu κέλλω, δύσκολος oder Machek Slavia 16, 211 und Listy filol. 72, 69f.: zu slav. *cholcholiti in čech. chlácholiti ‘sänftigen, beruhigen, umschmeicheln’ u. a. — Frühere vergebliche Versuche bei Bq. I-896
κολάπτω, Aor. κολάψαι, ‘behacken, behauen, durch Stoßen und Schlagen aushöhlen, meißeln’ (ion. att., äol. usw.). auch mit Präfix, bes. ἐν-, ἐκ-, Davon ἐγ-, ἐκ-κόλαψις ‘das Ein-, Aus- >hauen’ (Inschr., Arist.), ἐγ-κόλαμμα ‘Inschrift’ (LXX, Priene), (ἐγ-)κολαπτός ‘eingehauen’ (Inschr., LXX); κολαπτήρ m. ‘Meißel’ mit δια-κολαπτηρίζω ‘mit einem Meißel behauen’ (Lebadeia); außerdem als Zusammenbildung von δόρυ und κολάπτειν mit της-Suffix δρυ(ο)-κολάπτ-[τ]ης ‘Specht’ (Ar., Arist. usw; weiteres s. δρῦς), ebenso κρᾱνο-κολάπτης N. einer giftigen Spinne (Philum.). — Zu κόλαφος s. bes. — Ausgang wie in σκάπτω, δαρδάπτω, κόπτω u. a. (mit wurzelhaftem Labial) und vielleicht nach diesen gebildet als Ersatz eines zweisilbigen Wurzelverbs, das in lit. kalù, kálti ‘schmieden, hämmern’, aksl. koljǫ, klati ‘σφάττειν’, russ. kolotь ‘stechen, spalten, hacken’ erhalten ist, idg. qolə-. Die Sippe hat im Griechischen zahlreiche Vertreter, s. κόλος, κελεός, κλάω. I-896-897
κόλαφος m. ‘Faustschlag, Ohrfeige’ (Epich. 1 als N. eines παιδοτρίβης, H., EM; lat. LW colap(h)us seit Plaut.) mit κολαφίζω ‘mit der Faust schlagen, ohrfeigen’ (NT, Sammelb. 6263, 23); Κολαφίδιον att. Frauenname, s. Fraenkel Nom. ag. 2, 86 m. A. 3). — Niedriges Wort, das eben deswegen der Erklärung große Schwierigkeiten bereitet. Wenn mit κολάπτω verwandt, was gewiß möglich ist, muß es als Rückbildung, nicht als Grundlage davon verstanden werden; zur Bildung vgl. κρόταφος u. a. (Chantraine Formation 264). Ganz anders Krogmann KZ 67, 224 A. 1: zu κολοφών u. a.; nicht überzeugend. Auch nicht zu aind. kalaha- ‘Streit’, s. Mayrhofer Et. Wb. s. v. Ältere vergebliche Versuche bei Bq. — Lat. colap(h)us (dazu Ernout Rev. de phil. 77, 155f.) hat im Vulgärlatein und in den roman. Sprachen eine weite Verbreitung gefunden (colpus, ital. colpo, frz. coup usw.; auch got. kaupatjan ‘κολαφίζειν’?; vgl. Feist Etym. Wb. s. v. m. Lit.) und ist von da ins Griechische zurückgewandert (s. Fraenkel a. a. O.). I-897
κολέα · ποιά τις ὄρχησις, κολία· ὀρχήσεως εἶδος mit κολιάσαι· ὀρχήσασθαι H. Ipf. ἐκολίαζε (IG 12 Suppl. 244; vgl. Latte Glotta 32, 39f.). — Nach Persson Beiträge 1, 179 zu κέλομαι, wozu noch κολεῖν· ἐλθεῖν H., wohl als Deverbativum (Schwyzer 747 A. 1; anders Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 374: -ολ- < -əl- wie lit. kìlti ‘aufstehen’). I-897
κολεόν -ός m., mit metr. Dehnung κουλ-, n., ‘Schwertscheide, Scheide’ (seit Il.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 62). Auch in Kompp., z. B. κολεό-πτερος ‘mit Flügeldecken versehen’ (Arist.), σιδηρο-κόλεος ‘mit eiserner Scheide’ (Pap. IIIa). Denominativum κολεάζοντες· ὠθοῦντες εἰς κολεόν, περαίνοντες H. (sens. obsc., ebenso Ath. Mitt. 59, 66; Syrus Va) mit κολεασμός· τὸ περαίνεσθαι H. Zu εἰλεός u. a. im Ausgang stimmend, kann κολεόν, -ός für *κολεϝ-όν stehen und zu καλύ-πτω, κέλυ-φος (s. dd.) in naher Beziehung stehen (Bechtel Lex. s. v.). Ob auch κόλυθροι pl. ‘Hoden’ (Arist.) mit Bq u. a. hierher zu ziehen ist, bleibt wegen der Bedeutung unsicher (κόλυθρον, -τρον auch ‘reife Feige’ [Ath. 3, 76f.]; vgl. auch zu σκόλυθρον). — Nach Meillet BSL 30, 115 A. 1 stammt κολεόν ebenso wie das anklingende lat. culleus ‘lederner Sack’ aus einer Mittelmeersprache; vgl. W.-Hofmann s. v. I-897-898
κολετράω ‘mit Füßen treten’ (Ar. Nu. 552), nach H. Ausdruck der Ölbereitung: ἀπὸ τῶν τὰς ἐλαίας πατούντων, ὅ δὴ λέγουσι κολετρᾶν. — Setzt zunächst ein Substantiv *κόλετρον oder *κολέτρα voraus, somit ein Nomen instrumenti oder loci unbekannter Bedeutung. Mehrere Möglichkeiten stehen also dem Erklärer offen; die Anknüpfung an κόλος, κολάπτω u. Verw. (s. WP. 1, 437; Curtius 362 vergleicht lat. calcitrāre; dazu W.-Hofmann s.1. calx) hat unter solchen Umständen wenig Wert. I-898
κολίας m. N. eines makrelenähnlichen Fisches, ‘Scomber colias’ (Epich., Ar., Arist. u. a.) mit κολίδιον (Mediz.). — Bildung wie ἀκανθίας, ξιφίας und andere Fisch- und Tiernamen (Chantraine Formation 94); im übrigen unerklärt. Zur Sache Thompson Fishes s. v. I-898
κόλλᾰ f. ‘Leim’ (Emp., Hdt., Hp., E. usw.); — In κόλλᾰ ist anscheinend eine ια-Ableitung enthalten (Schwyzer 474, Chantraine Formation 98), aber die Geschichte des Wortes ist im übrigen ziemlich dunkel. Auffallend ist die Ähnlichkeit mit einem slavischen Wort für ‘Leim’, z. B. russ.-ksl. klějь, klejь, russ. klej aus ursl. *kъlějь, *kъlьjь (mit Reduktionsvokal); hinzu kommt aus dem Germanischen ein isoliertes Verb, das auf ein enges Gebiet beschränkt ist: mndl. mnd. helen ‘kleben’ (urg. *haljan); die Einzelheiten bleiben indessen unklar. WP. 1, 464 (Pok. 612) nach Fick 1, 389, Zupitza Die german. Gutturale 113; dazu Vasmer Russ. et. Wb. s. klej. Rom. LW it. colla, frz. colle usw. — Ein sinnverwandtes Wort mit weiter Verbreitung ist γλοιός, s. d. als Vorderglied z. B. in κολλ-εψός ‘Leimkocher’ (att. Inschr., Poll.); als Hinterglied in ταυρό-, ἰχθυό-κολλα ‘Stier-, Fischleim’ (Plb., Dsk. u. a.); aber ποτί-, σύγ-κολλος usw. (Pi., A. usw.) sind Rückbildungen zu ποτι-, συγ-κολλάω usw. Ableitungen: κολλήεντα n. pl. (Ο 389 ξυστά, Hes. Sc. 309 ἅρματα) ‘festgefügt’, vgl. κολλητός unten; κολλώδης ‘leimig, klebrig’ (Pl., Arist. usw.). Denominatives Verb κολλάω, oft mit Präfix wie συν-, προσ-, ἐν-, κατα-, ‘leimen, zusammenkleben, fest verbinden, vereinigen’ (Pi., Emp., ion. att. usw.). Davon κόλλημα ‘das Zusammengeleimte, Zusammenklebung, zusammengeklebtes Blatt’, pl. ‘Papyrusblätter, die eine Rolle bilden’, κόλλησις ‘das Zusammenleimen, Lötung, Fugendichtung’ (ion. att. usw.) mit (συγ-)κολλήσιμος, -ον ‘zusammengeleimt(e Aktenrolle)’ (Pap.; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 99); (συγ-)κολλητής ‘Zusammenleimer, Löter’ (Ar., Pap.); κολλητήριον ‘Leimstoff, Leim’ (Ph. Bel.); κόλλητρα pl. ‘Lötkosten’ (Pap.); κολλητός ‘geleimt, fest zusammengefügt’ (seit Il.; Amman Μνήμης χάριν 1, 16), κολλητικός (dor. -ᾱτ-) ‘leimig, zusammenleimend’ (Arist., Epid., Pap. u. a.), κολλητικὰ ἔργα ‘Dichtungsarbeiten’ (Pap.). Als Hinterglied in der Rückbildung πρωτό-κολλον n. ‘das zuvorderst angeklebte Blatt einer Papyrusrolle’ (Just.). — Vereinzelt ἐπι-κολλαίνω ‘ankleben’ (Thphr.), κολλίζω (Gp.) mit κολλιστής (Gloss.). I-898-899
κόλλαβος m. Art Brot oder Kuchen (Ar., Philyll.); auch = κόλλοψ (Luk., Iamb., H.); dazu κολλαβίζω "κόλλαβος spielen", d. h. einer versetzt dem anderen, der seine Augen mit der Handfläche zuhält, einen Schlag und fordert ihn auf zu raten, mit welcher Hand er geschlagen wurde (Poll. 9, 129); Grund der Benennung dunkel. — Volkstümliches Wort auf -βος (Schwyzer 496, Chantraine Formation 261f.) und wie so viele derselben Bildungsweise ohne Etymologie. Vgl. κόλλιξ und κολλύρα, auch κόλλοψ. I-899
κόλλιξ, -ῑκος m. ‘rundes grobes Brot’ (Hippon., Kom.), ‘Tablette’ (Mediz.); κολλικο-φάγος (Ar.). Davon κολλίκιος ἄρτος (Ath.), κολλίκιον (Greg. Kor.). — Wie bei κόλλαβος (s. d.) müssen wir aus Unkenntnis der Tatsachen auf eine Erklärung verzichten; zur Bildung Schwyzer 497, Chantraine Formation 382. — Aus mgr. κολλίκι(ον) russ. kulíc ‘Osterkuchen (aus Weizenmehl)’; vgl. Vasmer Russ. et. Wb. s. v. I-899
κόλλουρος m. N. eines unbekannten Fisches (Marc. Sid. 22) mit κολλουρίς Malvenart (Gloss.). — Vermutung von Strömberg Fischnamen 48: für κόλ-ουρος ‘stutzschwänzig’ mit expressiver Gemination; nach dem Fisch wäre die Malve als Sumpfpflanze benannt (ebd. 25) [?]. I-899
κόλλοψ, -οπος m. ‘Wulst am Querholz der Lyra zum Aufspannen der Saiten’, auch ‘Bolzen oder Schraube zum Anspannen derselben’ (φ 407, Ar., Pl., Luk.); ‘Wulst am Halse der Rinder und Schweine, Rinderschwarte’ (Ar. Fr. 646 und 506, 3); ‘Hebestange einer Winde’ (Arist. Mech. 852b 12); übertr. ‘ἀνδρόγυνος, cinaedus’ (hell. Kom., AP) mit κολλοπο-διώκτης (Sch. Ar. Nu. 347, Eust., Suid.), κολλοπεύω ‘ein κόλλοψ sein’ (Pl. Kom.). — Andere Denominativa sind: κολλοπίζειν· καθέλκειν und κολλοπῶσαι· κατακολλῆσαι H. mit falschem Anschluß an κόλλα. — Fachausdruck unbekannter Herkunft; nach H. "διὰ τὸ εἰς κόλλαν εὐθετεῖν" (mit Bezug auf die Rinderschwarte). Andere Vorschläge: zu lat. callum ‘dicke Haut, Schwiele’, bzw. zu σκόλοψ ‘Pfahl’ (s. Bq s. v. und WP. 1, 357). Nicht besser Pisani Ist. Lomb. 77, 553ff.: mitsamt κόλλιξ, κολλύρα, κόλλαβος zu lat. collum, nhd. Hals. I-899-900
κόλλυβος (-ον n. Poll. 9, 72) m. ‘Scheidemünze’ (Ar., Eup., Kall.), ‘kleines Goldgewicht’ (Thphr.); ‘Wechselkurs, Aufgeld’ (hell. u. sp. Inschr. u. Pap., Cic.). Davon κολλυβιστής ‘Geldwechsler’ (Men., NT, Pap., *κολλυβίζω; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 68f., Chantraine Formation 320) mit κολλυβιστικός und κολλυβιστήριον ‘Wechselstube’ (Pap. u. Ostr.). — Semitisches LW, vgl. hebr. ḥālap ‘Wechsel’ (Lewy Fremdw. 119f. nach Lagarde). — Aus κόλλυβα· τρωγάλια H. (Sch. Ar. Pl. 768; vgl. κόλλαβος) russ. usw. kólivo ‘Brei, Grütze mit Rosinen, Gedächtnisessen für einen Verstorbenen’ (Vasmer Wb. s. v. m. Lit.). I-900
κολλύ̄ρα (-ού-) Bed. unsicher, etwa ‘Kuchen, Tablette’; vgl. κόλλιξ und κόλλαβος (Ar., Thphr., LXX, Pap. u. a.). Davon als Deminutiva κολλυρίς und κολλύριον (-ού-) (LXX, Pap.); κολλύριον (-ού-) gewöhnlich ‘Augensalbe, Salbe im allg.’ (in der Form einer Tablette; Apok., Arr., Mediz., Inschr. u. Pap.). Dazu noch κολλυρικός ‘aus κολλῦραι gemacht’ (Plaut. Pers. 95), κολλυρίζω ‘κ. backen’ (LXX), κολλυριόομαι in κεκολλυριωμένον (cod. -ρόμενον)· λευκῷ κεχρισμένον H.; κολλυρίων m. N. eines Vogels aus dem Drosselgeschlecht (Arist.; H. auch κορυλλίων), Benennungsgrund unbekannt; nach der Farbe? (vgl. auch Thompson Birds s. v.). — Bildung wie ἄγκῡρα, λέπῡρον u. a. (Chantraine Formation 234), sonst dunkel. Vgl. zu κόλλοψ. I-900
κολοβάφινος = χολοβάφινος, s. χολή. I-900
κολοβός ‘verstümmelt, verkümmert, kurz’ (Pl., X., Arist., hell. u. spät); als Vorderglied z. B. in κολοβό-κερκος (LXX). Davon κολόβιον n. ‘kurzärmelige (ärmellose) Jacke’ (Pap.), auch κολόβαξ (Gloss.); κολοβώδης ‘verkümmert, stumpf’ (Polem. Phgn. [v. l.]), κολοβότης ‘verstümmelter Zustand’ (Plu.). Denominative Verba: 1. κολοβόω ‘verstümmeln, verkürzen’ mit κολόβωσις ‘Verstümmelung’, κολόβωμα ‘verstümmeltes, amputiertes Glied’ (Arist. usw.); 2. κολοβίζω ‘ds.’ (Thera Ia-Ip). — Expressive Erweiterung auf -βος von κόλος; s. auch zu κλαμβός. Die Versuche, zu κολοβός genau stimmende Wörter außerhalb des Griechischen zu finden (s. Bq; auch Machek Listy filol. 72, 71 und Ling. Posn. 5, 61 über slav. komolъ ‘hornlos’) sind erfolglos geblieben. Beziehung zu lat. incolumis, calamitas mit altem Suffixwechsel b : m (Niedermann, s. W.-Hofmann s. calamitās; auch Specht Ursprung 262) gehört gewiß auch zu den hypothetischen Annahmen. I-900-901
κολοιός m. ‘Dohle, Corvus monedula’ (Il., Pi., Ar., Arist. usw.) mit κολοιώδης ‘dohlenartig’ (Plu.) und κολοιάω (Poll. 5, 89), -ῳάω (Β 212) ‘(wie eine Dohle) kreischen’, κολῳέω ‘ds.’ (Antim. 37); dazu als Rückbildung κολῳός ‘Gekreisch’ (Α 575, A. R. 1, 1284), κολοιή· φωνή H. — Bildung (nach αἰγυπιός?) und Herkunft unerklärt. Onomatopoetischer Ursprung (Bq als Vermutung), an sich glaubhaft, ist wenig greifbar (etwa zu κέλαδος, καλέω?). Nach Specht Ursprung 145 zu ags. hlyn ‘Lärm’ mit Stammwechsel (o)i : u (?). Vgl. κολοίφρυξ. — Daß κολῳάω, -ῳός von κολοιάω, -οιός zu trennen wäre (z. B. Bq), ist äußerst unwahrscheinlich. Die besondere Schreibung mit -ῳ- (in ἐκολῴα Β 212) entstand vielleicht als (metrisch gedehnte) Mischform von *ἐκολόα (mit regelmäßigem Schwund des intervokalischen ι wie in lesb. εὐνόαν u. a.; Schwyzer 236) und *ἐκολοία; vgl. auch κολουᾶν· θορυβεῖν H. I-901
κολοιτία, κολουτέα f. Baum, der auf den Liparischen Inseln wuchs, ‘Cytisus aeolicus’, auch ‘Salweide, Salix cinerea’ (Thphr.); bei H. auch κολοιτέα, κολωτέα, κοιλωτέα· δένδρον τι. Daneben κολυτέα f. ‘Blasenbaum, Colutea arborescens’ (Thphr.), colūtea n. pl. ‘dessen Früchte’. — Herkunft unbekannt. Vgl. zu κολοκύνθη. I-901
κολοίφρυξ · Ταναγραῖος ἀλεκτρυών. καὶ ὄρος Βοιωτίας H. — Nach Bechtel Gött. Nachr. 1919, 345f. und Dial. 1, 306 aus κολοιός und φάρυξ mit Ausdrängung des unbetonten α, somit eig. "die Kehle einer Dohle habend". Vom Tier wäre der Name auf den Berg übertragen. Wenn diese Vermutung überhaupt das Richtige trifft, könnte in -φρυξ eine alte Schwundstufe erhalten sein, s. zu φάρυγξ. — Den PN Κολοιφων (IG 5 : 2, 425, 3) will B. auf ähnliche Weise als "der die Erscheinung eines κολοιός hat" erklären. I-901
κολόκυμα nur Ar. Eq. 692, vom Wortschwall des Kleon, — schon von den Alten verschieden erklärt: κόλον κῦμα (Sch. ad loc.), τυφλὸν oder μακρὸν κῦμα (H.), κωφὸν κῦμα καὶ μὴ ἐπικαχλάζον (Suid.). Ein Determinativkompositum mit attributivem Vorderglied wäre indessen auffallend. Das Wort ist vielmehr eine scherzhafte Gelegenheitsbildung mit Anspielung auf κόλον ‘Darm’; es spricht eben der ἀλλαντοπώλης. I-901-902
κολοκύνθη, att. -τη, später -υνθᾰ, -υντᾰ (Solmsen Wortforsch. 263) f., spät auch -υνθος (-υντος, -ιντος) m., ‘Flaschenkürbis, Lagenaria vulgaris’ (Hp., Kom., Arist., Pap. usw.); κολοκυνθαρύταινα f. ‘Löffel aus K.’ (Pap.). Davon das Deminutivum κολοκύντιον (Phryn. Kom.), -υνθίς ‘κολόκυνθα ἀγρία’ (Dsk., Gal.), -ύνθινος (-ύντινος, -ίνθινος) ‘aus κ. bereitet’ (Pap., Luk.), -υνθιάς f. ‘ds.’ (AP), -ών ‘Kürbispflanzung’ (Pap.); ἀποκολοκύντωσις ‘Verwandlung zum Kürbis’ (Seneca, D. C. 60, 35; travestierend nach ἀποθέωσις, s. Stiebitz Μνῆμα f. Jos. Zubatý [Prag 1926] 391ff.). -Κολοκυνθώ f. PN; s. Schulze Kl. Schr. 309f. — Zum Ausgang vgl. die (fremden) Pflanzennamen auf -υνθος, -ινθος (Chantraine Formation 370). Die Mittelsilbe erinnert an lat. cucumis ‘Gurke’, κύκυον· τὸν σικυόν, κυκύϊζα· γλυκεῖα κολόκυντα H.; sie läßt höchstens auf Entlehnung aus gemeinsamer Quelle schließen, vgl. W.-Hofmann s. cucumis, wo auch gegen Anknüpfung an κυέω (m. weiterer Lit.); dazu noch Kretschmer Glotta 15, 169 (gegen eine ganz unwahrscheinliche Hypothese von Rozwadowski). Nach einem Gewährsmann bei Ath. 2, 58f wurde der Kürbis aus Indien eingeführt; der Vergleich mit aind. kālindam n. ‘Wassermelone’ und kurd. kalak ‘Melone’ (Pott) besagt indessen nicht viel. — Über die Kürbis- und Gurkennamen im allg. s. Schrader-Nehring Reallex. 1, 652ff. I-902
κόλον n. ‘Dickdarm, Grimmdarm’ (Ar. Eq. 455, Arist., Nik., Poll.); Ben. einer in Töpfen verwahrten Speise (PSI 5, 535, 39; 46, IIIa), nach Ath. 6, 262a = ἡ τροφή. — Ohne überzeugende Erklärung. Bq denkt zögernd an κυλλός ‘krumm’, κελλόν· στρεβλόν H. Nach anderen (Hoffmann BB 15, 47, Wood ClassPhil. 21, 341ff., Lidén KZ 61, 23) gehört dazu καλίδια· ἔντερα. Κύπριοι H. (s. d.). I-902
κόλος von Rindern und Ziegen ‘hornlos, mit nicht ausgewachsenen Hörnern’ (Hdt., Theok., Nik., H.), vom Speer ‘ohne Spitze’ (Π 117), vom Kampf ‘abgebrochen’ (Sch. als Benennung des Θ). Als Vorderglied in κόλουρος ‘stutzschwänzig’ (Plu.), als mathem. und astron. Terminus ‘stumpf’ (Hipparch. Astr., Hero, Nikom.); dazu κολουραῖος ‘abgebrochen, steil’ (πέτρα, Kall.), κολούρα ‘Hügel o. ä.’ (Hermione, Epid.), κολουρίᾳ· τῇ ἀποτομία, κολουρῖτις· γῆ. Σικελοί H., κολούρωσις = κολόβωσις (Iamb.); lat. LW clūra ‘(Schwanz)affe’ (W.-Hofmann s. v., Leumann Sprache 1, 206 A. 8). — Nach κόλ-ουρος wohl κόλ-ερος ‘mit kurzgeschorenem Wollvlies’ (Arist.; Gegensatz εὔ-, ἔπ-ερος; s. εἶρος); außerdem κολόχειρ· χείραργος H. Von κόλος abgeleitet oder damit nahe verwandt sind zwei Verba: 1. κολάζω, κολάσαι, vereinzelt mit συν-, ἀντι-, προ-, ‘einzwängen, züchtigen, bestrafen, beschneiden’ (ion. att.); wohl Denominativum. Davon κόλασις ‘Züchtigung, Beschneidung’ (ion. att.), -ασμα (Ar., X. u. a.), -ασμός (Plu.) ‘Züchtigung’; κολαστής ‘Zuchtmeister’ (Trag., auch Pl., Lys. u. a.; Fraenkel Nom. ag. 2, 36f.), auch κολαστήρ ‘ds.’ (Arr.), mit f. κολάστρια (Ezek.), κολάστειρα (AP); κολαστήριον, Adj. -ος ‘Züchtigungsmittel, züchtigend’ (X., Ph. u. a.), κολαστικός ‘züchtigend’ (Pl. usw.). — 2. κολούω, κολοῦσαι, vereinzelt mit περι-, κατα-, ἀπο-, ‘verstümmeln, beschneiden, beschränken, Einhalt tun’ (seit Il.); Bildung unklar; scheint zunächst einen u-Stamm vorauszusetzen (vgl. Schwyzer 683, Chantraine Gramm. hom. 1, 374; s. auch zu κωλύω). Davon κόλουσις ‘das Beschneiden, das Beschränken’ (Arist. usw.), κολούσματα· κλάσματα H. — Das altertümliche und absterbende κόλος, das von der expressiven Erweiterung κολοβός, gewissermaßen auch von κόλ-ουρος ersetzt wurde, gehört als Verbalnomen zu einem im Baltisch-Slavischen erhaltenen, im Griechischen von κολάπτω (s. d.) ersetzten primären Verb der Bedeutung ‘schlagen, hauen, abschlagen, abbrechen’, das im Griechischen auch sonst eine Reihe verschiedener Ableger hinterlassen hat, s. κλάω, κελεός m. weiteren Hinweisen. Die auffallende Barytonese (Schwyzer 459) mag mit der passiven Bedeutung zusammenhängen; vielleicht war κόλος wie stumpf ursprünglich Substantiv. Ein formales Gegenstück bietet aksl. kolъ ‘πάσσαλος’, russ. kol ‘Pfahl, Stange, Zaunpfahl’ (eig. "Abspaltung, Abhauung, abgespaltenes Stück Holz"?; vgl. σκῶλος ‘Spitzpfahl’ zur Sippe von σκάλλω); daneben mit Dehnstufe lit. kuõlas ‘Pfahl’. — Wie die Bedeutungsentwicklung für κόλος abgelaufen ist, bleibt wegen der Spärlichkeit der literarischen Belege ungewiß; somit ist nicht zu entscheiden, ob wir von einer allgemeinen Bed. ‘stumpf’ auszugehen haben mit allerhand sekundären Spezialisierungen oder ob umgekehrt ein Wort spezieller Bedeutung, z. B. ‘hornlos’ (aus *‘abgebrochen’ o. ä.) auf andere Gegenstände gelegentlich übertragen wurde; vgl. den Vorgang bei κόλουρος. I-902-903
κολοσσός (-ττ- D. S., -σ- Kyrene) m. (Kyrene auch f.) ‘Riesenstatue, Koloß’ (Hdt. [nur von Ägypten], hell.), auch ‘Statue’ im allg. (A., hell.), ‘Figur, Puppe’ (Kyrene; vgl. v. Wilamowitz BerlAkSb. 1927 : 19, 155ff.); als Vorderglied u. a. in κολοσσο-ποιός (Hero). Davon κολοσσιαῖος (D. S. [-ττ-], Ph., Pap. u. a.), -ικός (D. S. [-ττ-], Str., Plu. u. a.) ‘die Maße eines K. habend, riesengroß, kolossal’. — Schon das (suffixale) Element -σσ- läßt fremde mediterrane Herkunft vermuten; s. Chantraine Formation 34 m. Lit., Lamer IF 48, 233, Krahe Die Antike 15, 181 u. A.; zögernde Zustimmung bei Kretschmer Glotta 21, 159. Bq vergleicht das ebenfalls dunkle κολεκάνος (-οκ-) ‘langer, magerer Mensch’ (Stratt., H.). — Die idg. Etymologien (zu κολωνός usw.; s. Bq) sind hinfällig. Ausführlich über κολοσσός Benveniste Rev. de phil. 58, 118ff. I-903-904
κολοσυρτός m. ‘lärmende Schar, Lärm, Aufstand’ (Il., Hes., Ar.) mit κολοσυρτεῖ· θορυβεῖ, ταράσσει H. — Die gleich gebildeten κονιορτός, ἁμαξιτός, βουλυτός u. a. (s. dd. und Chantraine Formation 303f.) machen eine Zerlegung in κολο-συρ-τός so gut wie sicher. Das Wort ist somit eine Zusammenbildung (Zusammenschweißung) mittels des το-Suffixes von σύρειν (Suid. s. v.) und einem unerklärten Vorderglied (von L. Meyer und Prellwitz mit κολῳός ‘Gekreisch’, bzw. κολοφών, κολωνός verbunden, von Wood ClassPhil. 16, 66f. zu κέλομαι usw. gezogen). I-904
κολοφών, -ῶνος m. ‘Gipfel, Spitze, Höhepunkt’, nur figürlich (Pl., Kom. Adesp., Str. u. a.), nach H. auch = κολιός (d. h. κελεός; s. d.) und ἰχθῦς θαλάσσιος; κολοφωνέω ‘dem Werke die Krone aufsetzen’ (Steph. in Hp.). Als EN Stadt Ioniens; Κολοφώνιος ‘aus K., Bewohner K.s’. — Die sonst naheliegende Verbindung mit κολωνός über *κολαφών aus idg. *qoln̥-bho- (seit Brugmann Grundr.2 2 : 1, 301) wird durch den kleinasiatischen Stadtnamen stark gefährdet, der zweifellos für fremde Herkunft spricht, s. Chantraine Formation 162 m. Lit. Vgl. moderne LW wie nhd. Kulm, kulminieren, Klimax, frz. apogée. I-904
κόλπος m. ‘Busen, Bausch, Meerbusen, Bucht, Talgrund’ (seit Il.), auch ‘Geschwür unter der Haut’ Als Hinterglied z. B. in βαθύ-κολπος ‘mit tief niederfallendem Bausch, d. h. ‘tief gegürtet’ (Il. usw.). mit κολπάριον ‘ds.’ (Mediz.). — Ableitungen: κολπώδης ‘busenartig, buchtenreich’ (E., Plb. u. a.); κολπίας ‘bauschig’ (πέπλος, A. Pers. 1060), ‘vom Meerbusen blasender Wind’ (sp.), ἐγκολπίας ‘ds.’ (Arist.); Κολπίτης m. alter Name Phöniziens (Steph. Byz.), pl. "Meerbusenbewohner", N. eines unzivilisierten Volkes am Roten Meere, das sich u. a. mit Seeraub (und mit Schmuggel?) beschäftigte (Philostr.; Redard Les noms grecs en -της 23, vgl. auch unten zu διακολπιτεύω); κολπόομαι, -όω ‘einen Bausch bilden, schwellen (lassen)’ (B., Hp. usw.) mit κόλπωσις, -ωμα ‘Bauschung, Bausch’, -ωτός ‘gebauscht’ (spät). Außerdem mehrere präfixale Bildungen in wechselnder Funktion; meist hell. u. sp.: ἐγ-, ἐπι-, ὑπο-κόλπιος, ἀνα-, ἐγ-, ἐπι-κολπόω, ἐγ-, κατα-, περι-κολπίζω u. a. Dagegen (δια-)κολπιτεύω ‘schmuggeln’ (PTeb. 709, 9; 14; IIa) schwerlich mit Olsson Eranos 48, 157 zu κόλπος ‘Busen’ (*"am Busen tragen"), sondern vielmehr zu dem Volksnamen Κολπῖται "Meerbusenbewohner" (s. o.); ebenso ἔλαιον κολπιτικόν (PTeb. 38, 12 u. 125; IIa) ‘Schmuggelöl’ (nach den Hrsgg. [fragend] eig. "am Busen verborgenes Öl"). — Da κόλπος für *κϝόλπος stehen kann (vgl. zu καπνός und Schwyzer 302, Lejeune Traité de phon. 72 A. 3), ergibt sich die Möglichkeit, κόλπος mit germ. nhd. wōlben zu verbinden, u. zw. als Verbalnomen (*"Wölbung") zu dem in mhd. walb ‘wölbte sich’, awno, holfinn ‘gewölbt’ noch erhaltenen primären Verb, wozu als Kausativ awno. huelfa, ahd. (h)welben ‘wölben’, ags. bi-hwelbian ‘überwölben’. Bis auf das Genus wäre dann κόλπος mit awno. hualf, ags. hwealf f. ‘Gewölbe’ identisch (Zupitza Die germ. Gutturale 54). Aber die Gleichung ags. heofon-hwealf ‘Himmelsgewölbe’ : αἰθέρος κόλποι (Pi. O. 13, 88) besagt nichts über die Etymologie, da der poetische gr. Ausdruck vom Begriff des Busens ausgeht. — Weitere Anknüpfungen an lat. calpar ‘Weinfaß aus Ton’, culcita ‘Kissen, Polster’ usw. (s. W.-Hofmann s. vv. m. Lit., auch Bq) haben keinen Wert; abzulehnen ebenfalls Mann Lang. 17, 14 (alb. kulp ‘Efeu’ usw.). — Aus κόλπος vlat. colphus > ital. golfo. I-904-905
κόλσασθαι · ἱκετεῦσαι H. s. κῶλον. I-905
κολύβδαινα f. Art Krebs (Epich. 57). — Unklar; nach μολύβδαινα ‘Bleikugel, Angelblei’ für κολύμβαινα ‘ds.’ (s. zu κόλυμβος)? I-905
κόλυθροι m. pl. ‘Hoden’ s. zu κολεόν. I-905
κόλυμβος In derselben Bed. κολυμβίς f. (Ar., Arist. usw.), -άς f. ‘ds.’ (Ath.), aber gewöhnlich von eingepökelten Oliven (Diph. Siph., Pap. u. a.); κολύμβαινα = κολύβδαινα (Archig. ap. Gal.), κολύμβατος N. einer Pflanze (Gp.; nach βάτος?), Benennungsgrund unklar, vgl. Strömberg Pflanzennamen 113 und κολυμβάς als N. eines Strauches (στοιβή) bei Gal. m. ‘kleiner Taucher, Podiceps minor’ (Ar.; Thompson Birds 158), auch Rückbildung von κολυμβάω, s. u. Denominatives Verb κολυμβάω, oft mit Präfix, z. B. ἐκ-, κατα-, ἀνα-, δια-, ‘untertauchen, ins Wasser springen, schwimmen’ (att., hell. u. sp.) mit κολυμβήθρα ‘Badeort, Teich, Zisterne’ (Pl. usw.), κολύμβησις ‘das Untertauchen’ = ‘Perlenfang’ (Peripl. M. Rubr.), als Rückbildung κόλυμβος = κολύμβησις (Str., Paus., Plu. u. a.) und -ήθρα (Hero); κολυμβητήρ (A.) und -ητής (Th., Pl. u. a.) ‘Taucher’ (vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 14 u. 17f.) mit κολυμβητική (τέχνη) ‘Taucherkunst’ (Pl.); auch κολυμβιστής (Sch.); κολυμβιτεύω (= -ητεύω?) ‘ins Wasser werfen’ (Pap.). — Ohne sichere Erklärung. Gegen Gleichsetzung mit lat. columba ‘Taube’ mit Recht W.-Hofmann s. v.; ein gemeinsames idg. *kolu-mb(h)- (-nb(h)-) ist selbstverständlich ein lautliches Unding. Möglich ist dagegen an sich idg. *kolon-b(h)-, sofern man das unerklärte gr. -υ- mit in den Kauf nehmen will. Ursprüngliche Verwandtschaft mit columba (und κελαινός?) ist trotz der Bedeutungsverschiedenheit zweifellos möglich, aber solange die Wortbildung auf ihre Erklärung wartet, bietet diese Möglichkeit wenig Interesse. Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 1, 440f., Pok. 547f., W.-Hofmann s. columba. Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 116. I-905-906
κολυτέα Pflanzenname s. κολοιτέα. I-906
κολχικόν n. N. einer giftigen Safranart, ‘Colchicum speciosum’ (Dsk.). — Nach der Heimat Κολχίς benannt, s. Strömberg Pflanzennamen 122. I-906
κολώνη κολωνός m. (h. Cer., Hdt., X., A. R. u. a.) f. (Il., Pi., S. u. a.), ‘Hügel, Anhöhe, Stein-, Grabhügel usw.’, auch als ON (Stadt in Troas, att. Demos); als Hinterglied in Καλλι-κολώνη Hügel bei Ilios (Il.; Schwyzer 453 A. 5), ὑψι-κόλωνος ‘hochragend’ (Opp.). Davon κολωνία (an falscher Stelle; somit für -ώνα? [Schmidt])· τάφος. ’Ηλεῖοι H. (Scheller Oxytonierung 56); vom Demosnamen Κολωνέται pl. (Hyperid.; Fraenkel Nom. ag. 2, 128 A. 1). — Sowohl κολών-η wie κολων-ός setzen einen alten n-Stamm voraus, der in verbauter Form auch in lit. káln-as ‘Berg’, lat. collis ‘Hügel’ aus *coln-is, ags. hyll, nengl. hill ‘Hügel’ aus urg. *huln-i- vorhanden ist. Der daraus zu erschließende idg. n-Stamm *qol-(e)n-, *ql̥-n- geht als Nomen agentis "der Hochragende" auf ein primäres Verb ‘ragen’ zurück, das mit (ursprünglich nur präsensbildendem?) -d- von lat. -cellō aus *-cel-d-ō ‘ragen’ repräsentiert wird; s. noch zu κελέοντες. Zum suffixalen -ώνη, -ωνός noch Chantraine Formation 207f. — Die abweichende Analyse von Brugmann (z. B. Grundr.2 2 : 1, 280), Specht (z. B. Ursprung 137f.) u. a., laut der κολώνη, -ός aus idg. *qolō[u]-no- einen mit dem n-Stamm in lit. káln-as usw. alternierenden u-Stamm (in lat. colu-men u. a.) enthalten sollte, ist nicht vorzuziehen. — Reiches Material m. Lit. bei WP. 1, 433ff., Pok. 544, W.-Hofmann s. collis u. celsus, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kálnas. I-906-907
κολῳός ‘Gekreisch’ s. κολοιός. I-907
κομάκτωρ, -ορος m. (Rhinth. 9, Inscr. Magn. 217; Ia). Bedeutung unsicher, wohl mit Fraenkel Nom. ag. 2, 70f. aus lat. coactor = exactor pecuniae. — Nicht mit v. Blumenthal Glotta 18, 149 aus osk. *comahtor. I-907
κόμαρος f. (m.) ‘Erdbeerbaum, Arbutus unedo’ (Kom., Thphr., Theok. u. a.). Davon κόμ(μ)αρι n., auch -ρις f., -ρον n. ‘rote Farbe aus der Wurzel der Pflanze Comarum palustre’ (PHolm. u. a.); vgl. Lagererantz z. St. (S. 197f.). Der ι-Stamm wie in κιννάβαρι(ς) u. a. — Ob mit Strömberg Pflanzennamen 58 von κόμη ‘Baumkrone’ mit αρο-Suffix (vgl. κίσθαρος zu κισθός)? Frühere Erklärungsversuche bei Bq und Lewy Fremdw. 27. Über ein angebliches mediterranes Kollektivsuffix -αρος Bertoldi Mélanges v. Ginneken 157ff. I-907
κόμβα · κορώνη. Πολυρρήνιοι H. — Bechtel Dial. 2, 788 verbindet damit κόμβησαν· ποιὸν ἦχον ἀπετέλεσαν und κομβακεύεται· κόμπους λέγει H. Zu vergleichen sind auch κόμπος und βομβέω, alles lautnachahmende und volkstümliche Wörter, die Verschränkungen und Kreuzungen unterworfen sind. S. auch 3. κύμβη. I-907
κόμβος m. ‘Band, Schleife, Gürtel’ (Anon. ap. Suid.); als Vorderglied in κομβο-λύτης· βαλαντιοτόμος H., κομβο-θηλεία f. ‘Spange’ (Sch.; aus κόμβος θῆλυς [θήλεια]); auch κομπο-θηλαία ‘Band, Gürtel’ (Sch.) und κομπο-θήλυκα pl. (Hippiatr.; v. l. für πόρπακας) nach κόμπος = ‘Prahlerei’. Ableitungen: κομβίον = περόνη (Eust., Sch.), κομβώσασθαι· στολίσασθαι, κόμβωμα· στόλισμα H., κομβώματα = καλλωπίσματα usw. (Suid., H.). Besser belegt ist die Hypostase ἐγκομβόομαι ‘anbinden, etw. anziehen’ (Epich., hell. Kom., 1 Ep. Pet. 5, 5) mit ἐγκόμβωμα ‘schützendes Oberkleid, das von Sklaven getragen wurde’ (Longus, Thd. u. a.); außerdem ἀνακομβόομαι ‘sich umgürten’ (Gp.). — Technisches Wort ohne sichere Erklärung. Man vergleicht seit Fick 1, 383; 3, 71, Zupitza Die germ. Gutt. 22f. einerseits einige baltisch-slavische Wörter für ‘hangen, hängen usw.’, z. B. lit. kabìnti ‘(auf)hängen, anhaken’, kìbti ‘sich anhängen, anhaken’, s.-ksl. skoba ‘fibula’, russ. skobá ‘eiserne Krampe, Klammer’, anderseits gr. σκαμβός ‘krumm(beinig)’, Σκόμβος PN (nach Bechtel KZ 44, 358 "der Hinker"); außerdem noch das isolierte norw. hempa ‘Kleiderstrippe, Schlinge, Henkel’ (kann von hamp ‘Hanf’ schwerlich getrennt werden). Das Resultat dieser Vergleiche ist offenbar eine sowohl lautlich wie begrifflich wenig befriedigende Approximation. — WP. 2, 539f., Pok. 918, W.-Hofmann s. cambiō und campus, Vasmer s. skobá. I-907-908
κομέω, Ipf. κομέεσκον, nur Präsensstammἀμφι-~ (AP); κομίζω, -ομαι, Aor. κομίσ(σ)αι, -ασθαι, dor. (Pi.) κομίξαι, Pass. κομισθῆναι, Fut. κομιῶ, -οῦμαι (seit ο 546; Schwyzer 785, Chantraine Gramm. hom. 1, 451), hell. u. sp. κομίσω, -ίσομαι, ‘besorgen, pflegen’ (ep. seit Il.), sehr oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἀπο-, εἰσ-, ἐκ-, κατα-, παρα-, συν-, ‘besorgen, warten, pflegen, sich js. od. einer Sache annehmen, erbeuten, retten, holen, bringen, transportieren’ (seit Il.). Davon (ἀνα-, ἀπο- usw.) κομιδή ‘Besorgung, Pflege, Erbeutung, Rettung, Zufuhr, Fahrt’ (seit Il.; vgl. Porzig Satzinhalte 189f.); Dat. κομιδῇ als Adv. ‘genau, geradezu, ganz und gar’ (ion. att.); κομιστήρ, -τής ‘Pfleger, Herbeischaffer’ (E.; Fraenkel Nom. ag. 2, 14; 18; 35) mit κομίστρια f. (AB, Orph.); κόμιστρα (-ον sg.) ‘Lohn für Errettung, Beförderung’ (Trag., Inschr.); κομιστικός ‘zur Pflege, Beförderung geeignet’ (ion. att.); ἐκ-κομισμός ‘Ausfuhr, Bestattung’ (Str., Phld.), μετα-κόμισις, εἰσ-κόμισμα u. a. (Sch., Gloss.). — Als Hinterglied in zahlreichen Zusammenbildungen -κόμος, z. B. εἰρο-κόμος ‘Wolle bearbeitend, Wollspinnerin’ (Γ 387, AP), ἱπποκόμος ‘Pferdewärter, Stallknecht’ (ion. att.). — Zur Bedeutungsentwicklung bei κομίζω nebst Ableitungen Wackernagel Unt. 219f., Hoekstra Mnem. 4 : 3, 103f. — Iterativ-intensives Deverbativ zu dem primären κάμνω (wie φορέω usw.; Schwyzer 719); daraus durch Erweiterung κομίζω mit der Rückbildung κομιδή (Schwyzer 421 A. 3 m. Lit.). — Dem Komp. ἱππο-κόμος entspricht heth. aššuššani- ‘Pferdewärter’ aus indoiran. *aśva-śam(a)-, s. Mayrhofer Sprache 5, 87 m. Lit. Weiteres s. κάμνω. I-908
κόμη f. Davon die Demin. κομίσκᾱ (Alkm.) und κόμιον (Arr.). Außerdem κομήτης m. ‘(langes) Haar tragend, langhaarig(er Mann)’ (ion. att.), "Haarstern", ‘Komet’ (Arist. usw.; Scherer Gestirnnamen 105, 107f.), auch Pflanzenname = ‘τιθύμαλλος, Euphorbia’ (Dsk.); κομήεις ‘belaubt’ (Orph.). Denominativum κομάω (ion. -έω) ‘langes Haar tragen, (mit wohlgepflegtem Haare) prangen’ (seit Il.); vereinzelt u. spät mit ἀνα-, κατα- u. a. ‘Haupthaar’ (zum Numerus Schwyzer-Debrunner 43), auch von der Mähne des Pferdes (seit Il.), übertr. ‘Laubwerk, Laub’, auch vom Wachstum im allg. (seit Od.), ‘Kometenschweif’ (Arist.). Kompp., z. B. ἱππό-κομος ‘mit Roßhaar bedeckt’, vom Helm (Il.; aber ἱππο-κόμος zu κομέω), κομα-τροφέω (-ο-) ‘das Haar wachsen lassen’ (Amorgos, Str.). — Nicht sicher erklärt. Beachtung verdient der alte Gedanke, κόμη als "gepflegtes Haar" (im Gegensatz zu θρίξ; s. d.) mit κομέω ‘pflegen’ zu verbinden; urspr. Bedeutung dann *‘Pflege’. Schwyzer 725 A. 10 erwägt sogar für κόμη postverbale Entstehung aus κομάω, das Nebenform zu κομέω ‘pflegen’ sein könnte. Da sich aber κομάω immer auf das Haar bezieht und nie im Sinn von ‘pflegen’ o. ä. gebraucht wird, ist diese Annahme nicht besonders wahrscheinlich. — Anders Wood ClassPhil. 21, 341f. — Lat. LW coma; vgl. W.-Hofmann s. v. I-908-909
κόμμι indekl. oder -εως, -ει (-ιδι) n. ‘Gummi’ (Hdt., Hp., Arist., Thphr. usw.); davon κομμίδιον (Hippiatr., Sch.), κομμι(δ)ώδης ‘gummiähnlich’ (Arist., Thphr.), κομμίζω ‘Gummi ähnlich sein’ (Dsk.). — Aus ägypt. kemai, kema· (Schrader-Nehring Reallex. 2, 417). Aus κόμμι lat. cummi(s), jünger gummi; daraus die europ. Formen. Bei unabhängiger Entlehnung aus dem Ägyptischen (Fohalle Mélanges Vendryes 171; dazu Kretschmer Glotta 16, 166) wären die beiden Sprachen schwerlich auf dieselbe Form gekommen. I-909
κομμόομαι, -όω ‘(sich) putzen, zieren, verschönern’ (Eup., Arist., Them.), ἐπι-~ (Them.). Davon κόμμωμα ‘Putz, Zier’ (Luk.), -ωσις ‘Verzierung’ (Ath., H.); Rückbildung κομμός· περίεργος κόσμησις (Suid.); -ωτής ‘Putzer, Friseur’ (Arr., Luk., Plu. u. a.) mit κομμωτίζω· ἐπιμελοῦμαι (Suid.), -ώτρια f. ‘Putzmädchen, Zofe’ (Ar., Plat. u. a.), -ώτριον ‘Putzmittel’ (Ar.), -ωτικός ‘zum Putz, zur Verschönerung gehörig’, -ωτική (τέχνη) ‘Verschönerungskunst’ (Pl., hell. u. spät); κομμώ· ἡ κοσμοῦσα τὸ ἕδος τῆς ’Αθηνᾶς ἱέρεια (AB). — Als ausgesprochenes Kulturwort unterliegt κομμόω offenbar dem Verdacht, eine modische Neuschöpfung oder Entlehnung zu sein. Die Ähnlichkeit mit κόσμος bzw. κομψός hat zu Versuchen geführt, eine Verbindung herzustellen: *κομμος dialektisch für κόσμος (L. Meyer 2, 342); aus *κομπ-μ-ος neben κομπ-σ-ος (= κομψός) als idg. Wechselformen (?; Brugmann IF 28, 359 A. 2); beides wenig überzeugend. An sich richtiger war der Gedanke Solmsens, RhMus. 56, 501f., darin eine Neubildung zu sehen, u. zw. von κομμώ aus, das mit hypokoristischer Gemination für *κομώ (: κομεῖν) stände. I-909
κόμπος m. ‘Geräusch, Geklirr beim Anschlagen an einen Körper, lauter Lärm, Prahlerei’ (vorw. poet. seit Il.). Kompp., z. B. ὑπέρ-κομπος ‘übermäßig lärmend, großprahlend’ (A., Men.). Ableitungen: κομπώδης ‘großprahlerisch’ (Th., Plu.), κομπός m. ‘Prahler, prahlend’ (E.; zum Akzent usw. Schwyzer 459), κομπηρός ‘laut klingend’ (Arist.-Komm., Sch.). Denominativa: 1. κομπέω ‘klirren’ (Μ 151), ‘klirren machen, anschlagen’ (D. L.), gew. ‘(mit etw.) prahlen, sich blähen’ (vorw. poet. seit Pi.; zur Bildung Schwyzer 726 m. A. 5). 2. κομπάζω ‘prahlen, sich blähen’ (vorw. poet. seit B. und A.), ‘(ein Geschirr) anschlagen, um den Gehalt zu prüfen’ (Pap.) mit κομπάσματα pl. (selten sg.) ‘prahlende Reden’ (A. usw.), κομπασμός ‘Prahlerei’ (Plu.), κομπασία ‘das Klirrenmachen, Anschlagen’ (Pap.), κομπαστής ‘Prahler’ (Ph., Plu. u. a.) mit κομπαστικός (Poll.), auch s. v. a. "Anschläger" (Pap.), κόμπασος (Hdn.), Κομπασεύς ‘dem (angeblichen) Κόμπος-Gau angehörig’ (Ar.). 3. κομπόω (Pass.) ‘mit etw. prahlen’ (D. C.). — Ohne Etymologie, wahrscheinlich onomatopoetisch; vgl. zu βόμβος, κόναβος und κόμβα. Verfehlte idg. Deutungsversuche bei Bq. I-909-910
κομψός ‘fein, elegant, geistreich, listig’ (att.). Kompp., z. B. περί-κομψος ‘überaus fein’ (Ar.). Davon κομψότης ‘Feinheit, Eleganz’ (Pl. u. a.), κομψεύομαι (-εύω) ‘geistreich sein, (sich) witzig ausdrücken’ (Pl. u. a.) mit κομψεία (Pl., Luk.), κόμψευμα (Arist., Luk., Gal.) ‘witziger Ausdruck, Spitzfindigkeit’. — Über κομψός als Stilbegriff s. H. Wersdörfer Die φιλοσοφία des Isokrates im Spiegel ihrer Terminologie (Leipzig 1940) S. 105f., 127f. Seit lange (Bezzenberger-Fick BB 6, 237) mit lit. švánkus ‘fein, anständig, angemessen’ verbunden (zum Lautlichen Schwyzer 302). Wohlbegründete Einwände bei Chantraine REGr. 58, 90ff., der begrifflich ansprechend, aber morphologisch nicht ganz glatt dafür Anknüpfung an κομέω, κομμόομαι (über *κομ-σός) sucht. Zum Suffix noch Stang Symb. Oslo. 23, 46ff. I-910
κοναβέω (AP), Aor. κοναβῆσαι (Hom., Hes.), κοναβίζω (Il., Orph.; nur Ipf.; zum metrisch bedingten Gebrauch der verschiedenen Formen Schwyzer 105 u. 736, Chantraine Gramm. hom. 1, 340 u. 350) ‘dröhnen, rasseln, klirren’. Daneben, wohl als Rückbildung, κόναβος m. ‘Gerassel, Geklirr’ (κ 122, A. Th. 160 [lyr.]); κοναβηδόν ‘mit Gerassel’ (AP). — Ausgang wie in ἀραβέω (ἄραβος), ὀτοβέω (ὄτοβος), θορυβέω (θόρυβος) u. a. (Chantraine Formation 260, Schwyzer 496); der Anfang erinnert an καναχή, κόμπος. Die weitere Analyse dieses lautnachahmenden Wortes bleibt offen. I-910
κοναρόν · εὐτραφῆ, πίονα, δραστήριον; κοναρώτερον· δραστικώτερον; κονάριχον· γλαφυρόν H. — Im Sinn von δραστήριος wohl zu ἐγκονέω (s. d.). Ob sich die Interpretamenta εὐτραφῆ, πίονα auf ein anderes κοναρόν beziehen, ist fraglich; es kann sich auch wie so oft um verschiedene Erklärungsversuche einer und derselben dunklen Textstelle handeln. Aus ähnlichen Gründen entzieht sich das familiär-deminutive κονάριχον einer bestimmten Beurteilung. I-910-911
κόνδαξ, -ᾱκος m. Ben. eines Hasardspiels, das mit einem stumpfen Speer gespielt wurde (AP 5, 60 [sens. obsc.], Cod. Just. 3, 43, 1, 4) . — Zunächst von κόνδοι· κεραῖαι H. (zu κόνδοι· ἀστράγαλοι s. κόνδυλος), das indessen wohl nur für κοντοί steht mit Erweichung der Tenuis hinter Nasal (vgl. Schwyzer 210). Zum ᾱκ-Suffix Björck Alpha impurum 69. — Ein anderer Name des Spiels ist κονδο-μονόβολον (Cod. Just. ebd.). I-911
κόνδυ, -υος n. N. eines Trinkgeschirrs (hell.), nach H. = ποτήριον βαρβαρικόν, κυμβίον; Deminutivum κονδύλιον (hell.). — Wie viele andere Wörter auf -υ (vgl. Chantraine Formation 119) offenbar entlehnt. I-911
κόνδῠλος m. ‘Knöchel, Knochengelenk, geballte Faust, Wulst des Zahnfleisches usw.’ (ion. att.). Als Hinterglied z. B. in μονο-, δι-κόνδυλος (Arist.). Davon κονδυλώδης ‘κ.-artig, knollig’, κονδύλωμα, -σις ‘harte Anschwellung, Schwulst, Verhärtung’ (Hp. u. a.), κονδυλωτός ‘mit κ. versehen’ (att. Inschr. IVa), kaum über κονδυλόομαι ‘κ. erhalten, anschwellen’ (Aspasia ap. Aët., H.). — κονδυλίζω ‘mit der Faust (ins Gesicht) schlagen, ohrfeigen, mißhandeln’ (Hyp., LXX usw.) mit κονδυλισμός (LXX u. a.). — Andere Körperteilbenennungen auf -υλος sind δάκτυλος, σφόνδυλος (vgl. Güntert Reimwortbildungen 116ff.); der Stamm erscheint in κόνδοι· ἀστράγαλοι H. Auswärtige Beziehungen sind ganz unsicher oder abzulehnen: aind. kanda- m. ‘Knollenwurzel’, kandúka- m. ‘Spielball’, kanduka- n. ‘Kissen’ (vgl. Mayrhofer s. vv., der dravidische Herkunft erwägt); lit. kánduolas ‘Kern’ (zu kándu, ką́sti ‘beißen’; s. Fraenkel Lit. et. Wb. s. v. m. Lit.). Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 390. I-911
κονί̄λη f. Art der aromatischen Pflanze Origanum, ‘Majoran’ (Nik., Mediz., Dsk.). — Bildung wie ζωμίλη, μαρίλη u. a. (Chantraine Formation 249, Schwyzer 483), sonst unklar. Persson Beitr. 2, 809 A. 1 vermutet Zusammenhang mit κνῖσα, κνίζω (wegen des stechenden Geruchs). Lat. LW cunīla. I-911
κόνις, -ιος, -εως (-εος), -ι, -ει f. ‘Staub, Asche’ (seit Il.). Als Vorderglied in der Zusammenbildung κονι-ορ-τός m. ‘Staubwolke’ (ion. att.), von ὄρ-νυμι mit το-Suffix (anders Pisani Ist. Lomb. 77, 558), ngr. κορνιαχτός (Hatzidakis Glotta 3, 70ff.); in den Kompp. κονί̄-σαλος m. (κονίσ-σαλος, vgl. unten) ‘Staubwolke’ (Il.), ‘der öl- und schweißgemischte Staub des Ringers’ (Gal.), auch N. eines priap-ähnlichen Dämons (Kom., Inschr.) und eines lasziven Tanzes (H.; vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 161 u. 279); in der letztgenannten Bed. von Fick u. a. (s. Scheller Oxytonierung 50 A. 2) als besonderes Wort betrachtet; κονί̄-ποδες m. pl. Art Schuhe (Ar. Ek. 848, Poll.), N. der Sklaven in Epid. (Plu.; franz. Parallelen bei Niedermann KZ 45, 182). Denominatives Verb κονί̄ω, -ίομαι, Fut. κονί̄σω, hell. κονιοῦμαι, Aor. κονῖσαι (κονίσσαι), Perf. Med. κεκόνι(σ)μαι, auch mit ἐν-, δια- u. a., ‘mit Staub bedecken, sich mit Sand bestreuen’ (seit Il.; zur Bildung unten); davon κόνιμα (Delphi IIIa), -ισμα (Kythera) ‘Staub des Ringerplatzes’, κόνισις ‘das Bestäuben, Übung am Ringerplatz’ (Arist.), ἐνκονιστάς m. ‘gymnasta’ (Theben; Fraenkel Nom. ag. 1, 174f.), κονίστρα (Arist. usw.), κονιστήριον (Pergam. IIa u. a.) ‘Staubplatz, Ringerplatz’, κονιστικός ‘sich im Staub wälzend’ (Arist.). Erweiterte Form κονίζεσθαι· κυλίεσθαι, φθείρεσθαι, κονιορτοῦσθαι H. (hierher auch κονιοῦμαι?). Sonstige Ableitungen: κόνιος ‘staubig’ (Pi.), ‘stauberregend’ (Paus., Bein. des Zeus), κονιώδης ‘aschenähnlich’ (Hp.). — κονία, ep. ion. -ίη, metr. gedehnt -ί̄η (κόννα· σποδός H. äol.?) ‘Staub, Asche, Sand’ (Hom., Hes. Sc., A. u. E. in lyr.), ‘Aschenlauge’ (Ar., Pl., Thphr., Mediz.), ‘Kalk, Tünche, Gips’ (LXX, hell. u. sp. Inschr. u. Pap.). Davon κονιάω ‘mit Kalk überstreichen, tünchen’ (D., Arist. u. a.) mit κονίαμα ‘Kalk, Tünche, Gips’ (Hp., D., hell.), κονίασις ‘das Tünchen’ (hell. Inschr. usw.), κονιατήρ ‘Tüncher’ (Epid. IVa), κονιατής ‘ds.’ (Inschr. u. Pap.; Redard Les noms grecs en -της 36); κονιατός ‘getüncht’ (X., Thphr., Pap.; Ammann Μνήμης χάριν 1, 17), κονιατικά (ἔργα) ‘Stuckarbeiten’ (Pap., Inschr.). Nebenform κονιάζομαι ‘mit Asche bestreut werden’ (Gp.). — Von lat. cinis, -eris m. (f.) unterscheidet sich κόνις nur im Ablaut des Stammvokals (e : o); der aus ciner-is und cinis-culus zu erschließende s-Stamm läßt sich auch für κονίσ-σαλος, κεκόνισ-μαι, κονί̄ω aus *κονισ-ι̯ω, κονί-α aus *κονισ-ᾱ vermuten (Einzelheiten bei Scheller Oxytonierung 49f.). Das Wort war vielleicht ursprünglich ein neutr. is-(i-?)Stamm; s. zuletzt Benveniste Origines 34, Specht Ursprung 298. Zugrunde liegt wahrscheinlich ein verlorengegangenes Verb der Bed. ‘kratzen, schaben, reiben’, von dem mehrere Ableger erhalten sind; s. zu -κναίω; daselbst auch weitere Lit. I-911-912
κονίς, gew. pl. κονίδες f. ‘Eier von Läusen, Flöhen, Wanzen’ (Arist., Antyll. ap. Orib., Hdn.). Davon κονιδισμός ‘Krankheit der Augenwimpern’ (Kyran.; zur Bildung Chantraine Formation 142ff.). — Altes Wort, zu dem mehrere Sprachen nahe oder entfernt vergleichbare Formen bieten. Am nächsten kommen germ. ags. knitu, ahd. (h)niz ‘Niss’ und alb. thënī́ ‘Laus’, die auf idg. *ḱnid- zurückgehen können (gr. κονίς nach κόνις? Georgacas Glotta 36, 164). Daneben stehen mit idg. gh- slav., z. B. russ. gnída, lett. gnĩda, nordgerm., z. B. awno. gnit ‘Nisse’. Mit -l- lit. glìnda ‘ds.’, das zu lat. lēns, lendis ‘ds.’ eine Brücke zu schlagen scheint. Wieder anders kelt., z. B. mir. sned f. ‘Nisse’ (idg. *snidā) und arm. anic ‘Laus’ (idg. *sn̥nid-s-?). — Infolge volksetymologischer, euphemistischer, tabuisierender Veränderungen und Verdrehungen läßt sich, wie nicht anders zu erwarten war, keine einheitliche Grundform wiederherstellen. Für κονίς liegt an sich Anknüpfung an die Sippe von κναίω, κνίζω nahe, aber dabei muß das auf anlaut. Palatal zurückgehende alb. thënī́ besonders erklärt werden. Entsprechend lassen sich die slavischen und nordgerm. Formen mit einem Verb für ‘zernagen, zerreiben’ (gr. χνίει, χναύω usw.) verbinden. — Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 1, 461, Pok. 608 u. 437, W.-Hofmann u. Ernout-Meillet s. 2. lēns, Fraenkel Lit. et. Wb. s. glìnda, Vasmer Russ. et. Wb. s. gnída. I-912-913
κόνναρος m. N. eines dornigen immergrünen Strauches, ‘Zizyphus Spina Christi’ (Theopomp. Hist. u. a.); κόνναρον· καρπὸς δένδρου ὅμοιος (ὁμοίου?) παλιούρῳ H. — Bildung wie κόμαρος (s. d.) u. a.; sonst dunkel. I-913
κοννέω nur κοννεῖς, κοννῶ (A. Supp. 130 u. 164 [kyr.]) und κοννεῖν· συνιέναι, ἐπίστασθαι, κοννοῦσι· γινώσκουσιν H. ‘kennen, verstehen’, — Die Ähnlichkeit mit κόν· εἰδός (?) und ἔκομεν· εἴδομεν, ἑωρῶμεν, ᾐσθόμεθα H., letzten Endes auch mit κοέω ‘bemerken, vernehmen’ (s. d.) ist schon längst beobachtet worden (s. Lit. bei Bq); aber die Einzelheiten und die Bildungsweise bleiben gänzlich dunkel. I-913
κόννος m. ‘Bart’ (Luk. Lex. 5), nach H. = ὁ πώγων, ἢ ὑπήνη, ἢ χάρις; in ähnlicher Bed. wie σκόλλυς, μαλλός (s. ἱέρωμα und κοννοφόρων). — Außerdem im Plur. neben ψέλλια als Ben. eines Mädchenschmucks (Plb. 10, 18, 6, wo κόνοι, aber -νν-Suid.). — Unerklärt. I-913
κοντός m. ‘Stange, Schifferstange’ s. κεντέω. I-913
κόνυζα auch σκόνυζα (Pherekr.) und κνύζα (Theok.) > ngr. (kalabr.) kliza usw. (Rohlfs ByzZ 37, 53, Wb. s. v.), f. (Hekat., Arist., Thphr., Dsk. u. a.), N. einer stark riechenden Pflanze, ‘Flohkraut, Inula (viscosa, graveolens, britannica)’; davon κονυζήεις ‘κ.-ähnlich’ (Nik.), κονυζίτης (οἶνος) ‘mit κ. gewürzt’ (Dsk., Gp.; Redard Les noms grecs en -της 97). — Bildung wie μώλυζα, μάνυζα, ὄρυζα, κόρυζα u. a. Kann nach diesen zu κονίς (s. d.) gebildet sein, wobei das dialektale κνύζα sich als Umbildung nach κνύω erklären läßt. Anderseits ist κνύζα (< *κνύγ-ι̯ᾰ?) mit awno. hnykr (urg. *hnuki-, idg. *knugi-) ‘Gestank’ (wozu κνόος, κνύω) verglichen worden (Torp bei Fick 3, 100). Wenn richtig, ist κόνυζα sekundäre Umbildung nach κονίς (nach Schwyzer 278 -ο- Vokalentfaltung). I-913-914
κόπις m. ‘Schwätzer, Lügner’ s. κόπτω. I-914
κόππα n. N. des Buchstaben q, der urspr. im Alphabet zwischen π und ρ stand (Parmeno 1), auch Zeichen für 90 (Pap. u. a.). Davon κοππατίας m. ‘Pferd, das am Schenkel ein Koppa eingebrannt hat’ (Ar.; mit Anspielung auf κόπτω; vgl. στιγματίας u. a.), auch κοππα-φόρος (Luk.). — Aus dem Phönizischen; vgl. hebr. qōph. I-914
κόπρος f. (zum Genus Schwyzer-Debrunner 34 A. 4) ‘Mist, Dünger, Kot, Schmutz, Düngerplatz, Viehhof’ (seit Il.). Kompp., z. B. κοπρο-λόγος ‘Unratsammler’ (Ar.), κοπρο-φορά ‘Dünger(last)’ (Amorgos IVa; Fraenkel Nom. ag. 2, 187 A. 2 [S. 188]). Zahlreiche Ableitungen. A. Subst. κόπριον = κόπρος (Heraklit., Hp., Inschr., Pap. u. a.) mit κοπριώδης ‘mistähnlich, voll von Mist’ (Hp., Thphr., Pap.), κοπριακός ‘zum Dünger gehörig’ (Pap.); κόπρανα pl. ‘Exkremente’ (Hp., Aret.); κοπρία ‘Misthaufen’ (Semon., Stratt., Arist. usw.; Scheller Oxytonierung 44); κοπρών (Ar. usw.), -εών (Tz.), -ιών (Gortyn) ‘Abtritt’; κοπροσύνη ‘Düngen’ (Pap. VIp); — Κοπρεύς Herold des Eurystheus (Ο 639; Boßhardt Die Nomina auf -ευς 121); Κοπρεαῖος scherzhafter PN (Ar.); κοπρίαι pl. ‘Possenreißer’ (D. C.; lat. copreae). — B. Adj. Κόπρειος ‘dem Κόπρος genannten Demos gehörig’ (Inschr.), auch mit Beziehung auf κόπρος (Ar.), Κόπριος ‘ds.’ (Is. u. a.); κόπρινος ‘in κ. lebend’ (Hp.); κοπρώδης ‘mistähnlich, schmutzig’ (Hp., Pl., Arist.). — C. Verba. κοπρέω ‘düngen’ nur Fut. Ptz. κοπρήσοντες (ρ 299; v. l. κοπρίσσοντες); (ἐκ-, ἐπι-)κοπρίζω ‘ds.’ (ρ 299 v. l., Hp., Thphr. u. a.) mit κόπρισις, -ισμός ‘das Düngen’ (Thphr., Pap.); κοπρόω ‘mit Mist verunreinigen’ (Arr.) mit κόπρωσις ‘das Misten’ (Thphr.; ἐκκοπρόω mit -ωσις Hp.); κοπρεύω = κοπρίζω (Chios V-IVa), κοπρεῦσαι· φυτεῦσαι H. — Thematische Umbildung eines alten r-n-Stammes, der in aind. śákr̥-t, śakn-áḥ ‘Mist’ erhalten ist; idg. somit *ḱoqu̯r-. Ein primäres Verb wird in lit. šikù, sìkti ‘cacare’ vermutet. WP. 1, 381, Pok. 544, W.-Hofmann s. cacō und mūscerda m. reicher Lit. S. auch zu σκῶρ. Das Lallwort κακκάω ist damit nicht verwandt. I-914-915
κόπτω, Aor. κόψαι (seit Il.), Pass. κοπῆναι (att.), Perf. κέκοφα (att.), ep. Ptz. κεκοπώς (Ν 60 mit v. l. -φώς und -πών; äol.? Schwyzer 772; nach Chantraine Gramm. hom. 1, 397 eher themat. Aor.), Med. κέκομμαι (A.), Fut. κόψω (Alk., Hippon. usw.), ‘stoßen, schlagen, hauen, hämmern, zerreiben, ermüden’ sehr oft mit Präfix in verschiedenen Bed.varianten, z. B. ἀπο-, ἐκ-, προ-, περι-, συν-, Zahlreiche Ableitungen (Einreihung nicht immer sicher oder eindeutig): 1. κόπος eig. *‘Schlag’ (so noch E. Tr. 794 für überl. κτύπος?; vgl. auch A. Ch. 23), ‘Mühsal, Mühe, Ermüdung, Arbeit’ (ion. att.); davon κοπώδης ‘ermüdend, müde’ (Hp., Arist., hell.), κοπηρός ‘ds.’ (Hdn.); κοπόομαι, -όω ‘müde werden, ermüden’ (J., Plu. usw.) mit κόπωσις (LXX), κοπάζω ‘müde werden, nachlassen’ (ion. hell. u. sp.) mit κόπασμα (Tz.), κοπιάω (ἐγ-, συγ-, προ-) ‘müde werden, sich abmühen’ (ion. att.) mit κοπιαρός ‘ermüdend’ (Arist., Thphr.), κοπιάτης ‘Erdarbeiter, Gräber’ (Cod. Theod., Just.), κοπιώδης = κοπώδης (Hp., Arist. u. a.), κοπίαι· ἡσυχίαι H. — 2. (ἀπο-, ἐκ-, παρα-, προ- usw.)κοπή ‘das Stoßen, Hauen usw.’ (ion. att.) mit κόπαιον (Alkiphr. u. a.), κοπάδιον (Gloss.) ‘Stück’, κοπάριον ‘Art Sonde’ (Mediz.), (ἐγ-, ἐκ-)κοπεύς ‘Ölstampfer, Meißel usw.’ (hell. u. sp.; Boßhardt Die Nom. auf -ευς 73). — 3. κόμμα (διά-, ἀπό-, περί- u. a.) ‘Einschnitt, Gepräge, Abschnitt’ (ion. att.) mit κομμάτιον ‘kleiner Abschnitt usw.’ (Eup. u. a.), κομματίας ‘der in kurzen Sätzen spricht’ (Philostr.), -ατικός ‘aus kurzen Sätzen bestehend’ (Luk. u. a.); 4. κομμός ‘das an die Brust Schlagen, Trauerklage, Klaggesang’ (A., Arist.). — 5. κόπις, -ιδος m. ‘Schwätzer’ (Heraklit. 81 [?], E. Hek. 132 [lyr.], Lyk.), vgl. ὠτοκοπεῖ· κεφαλαλγει, ἐνοχλεῖ λαλῶν H., κόπτειν τὴν ἀκρόασιν, δημο-κόπος = δημηγόρος (H.) u. a. m. (Persson Beitr. 1, 162f.; s. auch Fraenkel Nom. ag. 2, 48 m. Lit., v. Wilamowitz Herm. 62, 277f.; anders über κόπις Pisani Acme 1, 324); dazu (oder zu κόπος?) κοπίζειν· ψεύδεσθαι H.; 6. κοπίς, -ίδος f. ‘Schlachtmesser, krummer Säbel’ (att.), auch N. des Mahls am ersten Tage der Hyakinthien zu Sparta (Kom.; vgl. Nilsson Gr. Rel. 1, 531) mit κοπίζω ‘die K. feiern’ (Ath.); 7. κοπάς, -άδος f. ‘beschnitten, gestutzt’ (Thphr.), ‘Gebüsch’ (hell. Pap.), ἐπι-κοπ-άς ‘abgeholztes Land’ (Pap.). — 8. κοπετός = κομμός (Eup., LXX, Act. Ap. usw.; zunächst von κόπος?; vgl. Schwyzer 501 und Chantraine Formation 300). — 9. πρό-, ἀπό-, πρόσ-κοψις usw. von προ-κόπτειν usw. (Sapph., Hp., Arist. u. a.). — 10. κόπανον ‘Schlachtmesser, Beil’ (A. Ch. 890), ‘Mörselstößer’ (Eust.), wovon κοπανίζω ‘zerstoßen’ (LXX, >Alex. Trall.) mit κοπανισμός, κοπανιστήριον H.; ἐπικόπανον ‘Hackeblock’ (hell.). — 11. κοπτός ‘zerstoßen’ (Kratin., Antiph.; vgl. Ammann Μνήμης χάριν 1, 18); κοπτή (σησαμίς) ‘Kuchen von zerstoßenen Sesamsamen’ (hell. u. ep.), ‘Meerzwiebel, θαλάσσιον πράσον’ (Ath.), ‘Pastille’ (Dsk. u. a.); 12. ἐπι-, περι-κόπτης ‘Satiriker’ bzw. ‘Steinmetz’ (Timo bzw. Pap.), Προκόπτας = Προκρούστης (B. 18, 28); 13. (ἀπο-, παρα-, προσ- usw.)κοπτικός (Mediz. u. a.) — 14. κόπτρα pl. ‘Hauerlohn’ (Pap.); 15. κοπτήριον ‘Dreschplatz’ (hell. Pap.). — 16. Zwei Pflanzennamen: κοπίσκος = λίβανος σμιλιωτός (Dsk. 1, 68, 1), κόπηθρον· φυτὸν λαχανῶδες ἄγριον H. — Hinzu kommen Verbalnomina wie ἀπό-, ἐπί-, παρά-, ὑπέρ-κοπος usw. und Zusammenbildungen wie δημο-κόπος (vgl. 5. oben); dazu Sturtevant ClassPhil. 3, 435ff.; zu -κόπος, -κοπῶ im Neugr. (Bed. stark verändert oder verblaßt) Hatzidakis Glotta 2, 292f. — Das Präsens κόπτω kann zu lit. kapiù (Inf. kàpti) ‘hauen, fällen’ genau stimmen; daneben stehen das Nasalpräsens kampù (Prät. kapaũ, Inf. kàpti) ‘zerschlagen werden, müde werden’ (vgl. κόπος ‘Ermüdung’) und das uncharakterisierte alb. kep ‘hauen’, idg. *qopō oder *qapō (nach Mann Lang. 26, 386 allerdings aus *qopi̯ō, das mit κόπτω identisch wäre). Hinzu kommt die Sekundärbildung lit. kapóju, -óti ‘hacken, spalten, zerschlagen, hauen usw.’ = lett. kapãju, -ât ‘ds.’, die auch auf slav. Gebiet auftritt, z. B. russ. kopájo, -átь ‘hacken, hauen, graben’. Wie sich die oben angeführten Formen zu den zahlreichen Wörtern mit anlautendem sk-, z. B. σκάπτω, σκέπαρνος (s. dd.) verhalten, bleibt wohl für immer eine ungelöste Frage; wegen des semantischen und formalen Ineinandergreifen ist jedenfalls eine reine Scheidung nicht möglich; vgl. WP. 2, 559ff., Pok. 930ff., auch W.-Hofmann s. cāpō. — Daß κόπτω mit auffälligem ο-Vokal für älteres *κεπτω nach κόπος eingetreten wäre (Specht KZ 59, 108), ist angesichts des lebendigen ε:ο-Wechsels (σκέπτομαι : σκοπός usw.) nicht wahrscheinlich. I-915-916
κοράλλιον (Peripl. M. Rubr., Dsk. u. a.), κοράλιον (S. E.), κουράλιον (Thphr. u. a.), κωράλ(λ)ιον (att. nach Hdn. Gr. 2, 537) n. ‘Koralle’ mit κοραλλικός ‘korallenähnlich’ (Ps.-Demokr.), -ίζω ‘einer K. ähnlich sein’ (Dsk.). — Herkunft unbekannt, wahrscheinlich Mittelmeerwort. Schrader-Nehring Reallex. 1, 628r erwägt Univerbierung aus κόρη (κούρη) ἁλός "Tochter des Meeres" als Lehnübersetzung eines ähnlichen indischen Ausdrucks. Die wechselnden Schreibungen κορ-, κουρ-, κωρ- beruhen jedenfalls auf Assoziation mit κόρη usw. Semitische Etymologie bei Lewy Fremdw. 18f. (hebr. gōrāl ‘Steinchen’). — Davon als LW lat. corallium, cūralium, vgl. W.-Hofmann s. v. I-916-917
κόραξ, -ακος m. ‘Rabe’ (Thgn., Pi. usw.; Κόρακος πέτρη "Rabenfels" ν 408), oft übertr. ‘Haken, Enterhaken, Türhaken usw.’ (hell. u. spät), auch als Fischname (Diph. Siph.; vgl. unten) und als N. eines Sternbildes (Eudox. usw.; Scherer Gestirnnamen 191). Kompp. κορακο-ειδής ‘rabenähnlich’ (Arist.), ὀξυ-κόρακος ‘mit einem scharfen Haken’ (Paul. Aeg.). Mehrere Ableitungen, unter denen einige Fisch- und Pflanzennamen (wegen der Farbe und der Stimme, bzw. wegen des Standorts; Strömberg Fischnamen 114f., Pflanzennamen 119): Deminutiva κοράκιον ‘Häkchen’ (Pap.), Pflanze = ἱεράκιον (Arist.), κορακίσκος (Gloss.), κορακῖνος m. ‘junger Rabe’ (Ar.), gewöhnlich Fischname, ‘Sciaena nigra’ (Epich., Ar., Arist. usw.) mit f. κορακινίς (Gp.), Demin. -ινίδιον (Kom., Pap.); lat. LW coracīnus > ital. coracino usw.; κορακίας m. ‘Alpenkrähe, Pyrrhocorax alpinus’ (Arist., H.), Κορακιαί pl. ON in Delos (Inschr. IIIa; mit oppositivem Akzent); κορακεύς· εἶδος ἰχθύος H. (Boßhardt Die Nom. auf -ευς 85); κοράκεως m. = κορώνεως ‘Feigenbaum mit rabenschwarzen Früchten’ (Hermipp. 51; vgl. zu ἐρινεώς s. ἐρινεός); κορακησία Pflanzenname (Pythag. ap. Plin.), Κορακήσιον ON (Pamphylien) mit -ήσιος, -ησιωτικός (Pap. IIIa); zu -ήσιος Chantraine Formation 42, Schwyzer 466; κορακώδης ‘rabenähnlich’ (Arist.), κοραξός ‘rabenschwarz’ (Str. u. a.), κόραξος Fischname (Xenokr.) mit σο-Suffix (Schwyzer 516, Chantraine 434); (κατα-)κορακόω ‘(mit einem Türhaken) verschließen’ (Mon. Ant. u. a.), κοράξαι· ἄγαν προσλιπαρῆσαι. πεποίηται παρὰ τοὺς κόρακας H., wohl eig. ‘sich anhaken’; davon als Rückbildung κόρακος m. ‘Pflaster’ (Paul. Aeg.)? — σκορακίζω eig. "zu den Raben (ἐς κόρακας) gehen heißen", ‘fortjagen, beschimpfen’ (att., hell.) mit σκορακισμός ‘Beschimpfung, Verwünschung’ (LXX, Plu.); vgl. Schwyzer 413. — Ausführlich über κόραξ, κορακίας, κορακῖνος Thompson Birds und Fishes s. vv. — Onomatopoetisches Wort auf -αξ, mit den anders gebildeten lat. corvus ‘Rabe’, gr. κορώνη, lat. cornīx ‘Krähe’, gr. κόραφος Vogelname (H.) verwandt. In -α-ξ wird seit Brugmann Grundr.2 2 : 1, 494f. wegen cor-n-īx, κορ-ών-η ein sonantisches -n̥- vermutet. — Weitere Formen mit reicher Lit. bei WP. 1, 413ff., Pok. 567ff., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. cornīx. Vgl. κορώνη, auch κορκορυγή; κράζω und κρώζω. I-917
κόρδᾱξ, -ᾱκος m. N. eines Tanzes in der alten Komödie (Ar., Thphr. u. a.), auch im Kulte des Apollon (Amorgos) und der Artemis (Sipylos, Elis; Paus. 6, 22, 1). Davon Κορδάκα f. Bein. der Artemis in Elis (Paus. a. a. O.), κορδακικός ‘κ.- ähnlich’ (Arist.), κορδακίζω ‘den κ. tanzen’ (Hyp. u. a.) mit -ισμός (D. u. a.), -ισμα (H.), -ιστής (Amorgos, Pap.). — Dorisches Wort (Björck Alpha impurum 61 m. Lit.) unsicheren Ursprungs. Zum Vergleich sind schon längst (s. Curtius 154) herangezogen worden aind. kūrdati ‘springen, hüpfen’ (dravidisch?; s. Mayrhofer Wb. s. v., Kuiper Sprachgesch. u. Wortbedeutung 244), des weiteren κραδάω, κραδαίνω, κράδη (s. d.) und σκορδινάομαι (s. d.); vgl. noch zu κορδύλη. — Gegen idg. Herkunft Nehring Glotta 14, 185ff. I-917-918
κορδύ̄λη f. ‘τύλη, Geschwulst, Beule’ (Semon. 35, EM); N. einer Haartracht = att. κρωβύλος (Kreon ap. Sch. Ar. Nu. 10, EM); ‘Keule, κορύνη, ῥόπαλον’ (H.), als Vorderglied (mit Silbendissimilation) in κορδυ-βαλλῶδες (πέδον, Luk. Trag. 222) ‘pavimentum’; ‘junger Thunfisch usw.’ (Str., cordȳla Plin., Mart., cordula Apic.; zur Begriffsbestimmung Thompson Fishes s. v.), auch σκορδύλη (Arist.) und κορύδῡλις (Numen. ap. Ath.) Denominatives Ptz. ἐγκεκορδυλημένος ‘εντετυλιγμένος, eingewickelt, zusammengerollt’ (Ar. Nu. 10). Bildung wie κανθύλη, σχενδύλη (Chantraine Formation 251), aber sonst dunkel. — Die Bed. ‘junger Thun’ kann auf ‘Keule’ zurückgehen, s. Strömberg Fischnamen 36; zur Nebenform mit σκ- Schwyzer 334; ob κορύδυλις ein anaptyktisches υ enthält (Strömberg a. a. O.) oder durch Anknüpfung an κόρυς u. Verw. verschuldet ist, mag dahingestellt sein. — Was sich für eine Realität hinter dem Wort κορδύλη sonst verbirgt, entzieht sich unserer Kenntnis; vgl. indessen Bechtel Dial. 1, 450. Güntert Reimwortbildungen 117f. vermutet Kreuzung von κόνδυλος mit κόρυς, κορυφή, κόρση, bzw. mit κορύνη. Die Verbindung mit κόρδαξ, κραδάω (seit Curtius) schwebt semantisch in der Luft; eine Grundbedeutung "Gedrehtes" für κορδύλη im Sinn von ‘τύλη, best. Haartracht’ (WP. 2, 567) ist nicht weniger willkürlich. Noch anders Persson Beiträge 1, 166 A. 4 (zu κόρθυς usw.). — Pelasgische Überlegungen bei v.Windekens Le Pélasgique 109. I-918
κορδύλος m. wahrsch. ‘Wassermolch, Triton palustris’ (Arist.); auch κουρῠ́λος (Numen. ap. Ath.). — Ob zu κορδύλη nach dem Rückenkamm, der insbesondere das Männchen kennzeichnet? I-918
κορέννυμι, -μαι (Them., Orph.), κορέω, κορέσκω (Nik.), κορίσκομαι (Hp.), Aor. κορέσ(σ)αι, -ασθαι (seit Il.), Pass. κορεσθῆναι (Od. usw.), Perf. Ptz. Akt. (intr.) κεκορηώς (Od. u. a.), Ind. Med. κεκόρημαι (seit Il.), κεκόρεσμαι (X. usw.), Fut. κορέω (Il.), κορέσω (Hdt.), ‘sättigen, sich sättigen, satt, überdrüssig werden’ (ep. ion., poet., auch sp. Prosa). vereinzelt mit ὑπερ- (Thgn., Poll.), ἀπο- (Gloss.), Davon κόρος m. ‘Sättigung, das Sattsein, Überdruß, Übermut’ (seit Il.); als Hinterglied in ἄ-κορος ‘unersättlich, unermüdlich’ (Pi.) mit ἀκορία ‘ungesättigter Zustand, Mäßigkeit’ (Hp.), ‘Unersättlichkeit’ (Aret.); διά-, κατά-, πρόσ-, ὑπέρ-κορος ‘gesättigt usw.’ (ion. att.); auch mit Umbiegung in die σ-Stämme und mit verbaler Umdeutung (Schwyzer 513) ἀ-, δια-, προσ- κορής usw. mit προσ-κορίζομαι ‘verdrießen, ärgern’ (Sch.). Als Privativum auch ἀ-κόρη-τος (Il. u. a.), ἀ-κόρε(σ)-τος (Trag. u. a.). — Mit Dehnstufe κώρα· ὕβρις H. (v. Blumenthal Hesychst. mit Lobeck). Zu κόρος (κοῦρος, κῶρος) ‘Jüngling’ und κόρη ‘Jungfrau’ s. bes. Ganz unsicher Αἰγι-κορεῖς pl. m. mit Αἰγικορίς f. N. einer der alten ionischen Phylen (E., Inschr. usw.; vgl. Hdt. 5, 66), s. Nilsson Cults 147 und Frisk ebd. — Der Ausgangspunkt des ganzen Paradigmas ist offenbar der Aorist κορέσαι, -ασθαι, zu dem die übrigen Formen allmählich hinzugeschaffen worden sind: Pass. κορε-σ-θῆναι (Chantraine Gramm. hom. 1, 406), Perf. κεκόρημαι, -εσμαι (Schwyzer 773), Fut. κορέω, -έσω, zuletzt auch die verschiedenen, spärlich belegten Präsentia κορίσκομαι, κορέω, -έσκω, -έννυμι; die Vorbilder ergaben sich von selbst. Das Verb war wohl ursprünglich wegen des perfektiven Aspekts auf den Aorist beschränkt; ein altes Präsens *κόρνυμι (Schwyzer 697; wie στόρνυμι) hat wenig für sich. — Der ο-Vokal, der auch in den gleichgebildeten στορέσαι ebenso wie in θορεῖν, μολεῖν, πορεῖν u. a. auftritt, ist nicht befriedigend erklärt (Versuche bei Schwyzer 360f. und Sánchez Ruipérez Emerita 18, 386ff.); dem zweisilbigen κορέ-σαι entspricht sonst das stoßtonige lit. šér-ti ‘füttern’, wozu noch der uralte s-Stamm in lat. Cerēs ‘Göttin des pflanzlichen Wachstums’, wohl auch arm. ser ‘Abkunft, Geschlecht, Nachkommenschaft’ (idg. *ḱéros n. mit Übergang in die o-Stämme). — Die übrigen Formen, z. B. lat. creō ‘schaffen’, crēscō ‘wachsen’, arm. sermn ‘Same’, alb. thjer ‘Eichel’, eig. "Futter" (WP. 1, 408f., Pok. 577, W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. Cerēs, creō), sind für das Griechische ohne Belang. — Zu den Bedd. ‘sättigen, nähren, gedeihen lassen’, ‘sich sättigen, sich ernähren, gedeihen, wachsen’ vgl. den ähnlichen Sachverhalt bei der Sippe von lat. alō. I-918-919
κορέω, Aor. κορῆσαι, vorw. ‘auskehren, fegen, säubern’ (υ 149, Kom. u. a.). mit ἐκ-, vereinzelt mit ἀνα-, παρα-, ἀπο-, Davon κόρημα ‘Kehricht, Besen’ (Kom. u. a.), κόρηθρον ‘Besen’ (Luk. u. a.), auch, als Rückbildung, κόρος ‘Besen’ (Bion, H.). Als Hinterglied in Zusammenbildungen: σηκο-κόρος ‘Stallknecht’ (ρ 224, Poll.), νεω-κόρος (att. usw.), dor. να(ο)-κόρος ‘Tempelaufseher’ (Inschr.) mit -κορέω, -ία, -ίη, -εῖον, -ιον (att., hell. u. spät). — Zu ζακόρος s. bes. — Auch κορίζω in κεκορισμένος ‘gesäubert’ (BGU 1120, 40; Ia). Iterativ-intensives Deverbativum (Schwyzer 719) der Alltagssprache ohne Etymologie. Vergebliche Deutungsversuche von Hirt IF 17, 391, Prellwitz s. v., WP. 1, 462; s. Bq s. v. und W.-Hofmann s. cōlum. Vgl. auch κόσκινον. I-919-920
κόρη (seit h. Cer. 439; Zumbach Neuerungen 57), ep. ion. κούρη (seit Il.), dor. κώρα, κόρα, ark. kor. κόρϝα — Myk. ko-wo, ko-wa. f. ‘Jungfrau, Mädchen, Tochter’, übertr. ‘Pupille, Puppe’, archit. ‘weibliche Figur’, auch N. der Tochter der Persephone (ion. att., ark.); zum Bedeutungsinhalt Kerényi Paideuma 1, 341ff. Einige Kompp., z. B. κορο-πλάθος m. ‘Bildner weiblicher Figuren’ (att.). Ableitungen. Zahlreiche Deminutiva: κόριον, dor. (megar.) κώριον (Ar., Theok. u. a.) mit κορίδιον (Delphi, Naupaktos); κορίσκη (Pl. Kom. u. a.) mit -ίσκιον (Poll.); dazu Κορίσκος m. N. zur Angabe eines beliebigen Mannes (Arist. u. a.), auch als EN (D. L.); κοράσιον (hell. u.sp.; Schwyzer 471 A. 5 m. Lit.) mit -ασίδιον (Arr.), -ασίς (Steph. Med.), -ασιώδης (Kom. Adesp., Plu.); κόριλλα, Κόριννα (böot.; Chantraine Formation 252 u. 205); κορύδιον (Naupaktos). — Adjektiva: κουρίδιος (ion. poet. seit Il.), eig. ‘jungfräulich, unberührt, die in jungfräulicher Unberührtheit Gefreite’, dann ‘ehelich, rechtmäßig’ (ἄλοχος, πόσις, λέχος u. a.; zur Bed. Bechtel Lex. s. v., zur Bildung Schwyzer 467, Chantraine Formation 40); κουρήϊος ‘jungfräulich’ (h. Cer. 108; Zumbach Neuerungen 14); Κόρειος ‘zu Κόρη gehörig’, Κόρειον, -α pl. ‘Tempel’, bzw. ‘Fest der Κόρη’ (Attika, Plu.); κοραῖος ‘zum Mädchen gehörig’ (Epik. in Arch. Pap. 7, 8), κορικός ‘ds.’ (hell. u. sp.; Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 121). *Κορίτης (-τις) ‘Diener(in) der Κόρη’ im Κορειτῆαι pl. für *Κοριτεῖαι ‘Dienst der Κόρη?’ (Lykosoura). — Verba: κορεύομαι ‘die Jungfrauschaft verleben’ (E.), ‘die Jungfrauschaft verlieren’ (Pherekyd.) mit κόρευμα, κορεία Junfrauenstand’ (E., bzw. D. Chr., AP); κορίζομαι eig. *,,wie ein Mädchen (Kind) behandeln", ‘liebkosen’ (Ar.), ὑπο- ~ ‘mit Kosenamen benennen, anreden’ (Pi., att.). — Neben κόρη oder vielleicht davon gebildet (vgl. unten): κόρος (Trag., Pl. Lg., Plu. u. a.; auch dor.), ep. poet. κοῦρος, Theok. κῶρος m. ‘Jüngling, Knabe, Sohn’ (seit Il.). Kompp., z. B. ἄ-κουρος ‘ohne Sohn’ (η 64), κουρο-τρόφος ‘Jünglinge ernährend’ (Od. usw.); zu Διόσκουροι s. bes. — Ableitungen: κούρητες m. pl. ‘waffenfähige Junglinge, junge Krieger’ (Il.), Κουρῆτες, dor. Κωρ- (Hes., Kreta usw.) ‘Kureten’, N. göttlicher Wesen, die um das Zeuskind einen Waffentanz ausführten usw. (Hes. Fr. 198, Kreta usw.) mit Κουρητικός, -ῆτις, κουρητεύω, κουρητισμός (hell. u. sp.); zur Bildung von κούρητες Schwyzer 499, Chantraine Formation 267; zur Betonung Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 106 (= Kl. Schr. 2, 1163) m. Lit.; dazu noch v. Wilamowitz Glaube 1, 129 A. 1. Zu κοῦρος noch κουρώδης ‘knabenähnlich’ (Aus.), wohl auch κούριος ‘jugendlich’ (Orph. A., Orac. ap. Paus. 9, 14, 3), κουροσύνη, -dor. -α ‘Jugend’ (Theok., AP), -συνος ‘jugendlich’ (AP). — Sowohl auf κόρη (κούρη) wie auf κοῦρος beziehbar ist κουρίζω ‘junger Mann, Mädchen sein’ (ep. seit χ 185), ‘einen Jüngling (zum Manne) erziehen’ (Hes.), κουριζόμενος· ὑμεναιούμενος H. — Das beschränktere Vorkommen von mask. κοῦρος, κόρος im Vergleich zu dem über die ganze Gräzität verbreiteten κούρη, κόρη läßt vielleicht den Schluß zu, daß das Mask. als Neubildung zum Fem. urgr. *κόρϝα hinzutrat; s. Lommel Femininbildungen 7ff. (wo auch über andere Wörter der betr. Sippe). Als mask. Gegenstücke dienten z. B. παῖς und νεανίας. — Daß κόρϝα, *κόρϝος zur Sippe von κορέννυμι gehört, dürfte als sicher gelten, aber die nähere Beurteilung ist schwierig: eig. Abstraktbildung, etwa "Wuchs, Gedeihen, Blüte"? Die Bed. ‘Sproß, Ast’ bei κόρος (sehr vereinzelt: Lysipp. 9, Hp. ap. Gal. 19, 113) ist trotzdem kaum uralt (Vermutung darüber bei WP. 1, 408), sondern aus ‘Sohn’ od. ähnl. entwickelt, wenn nicht zu κείρω, vgl. zu κοῦρος. Zu bemerken ist κόρυξ· νεανίσκος H. (neben κόριψ ‘ds.’ und Κόρυψ böot. PN, s. Bechtel Namenstudien 29f.), das einen vermittelnden u-Stamm enthalten kann; Specht Ursprung 148. Weiteres s. κορέννυμι. — κοῦρος nicht mit Bezzenberger, Fick und Bechtel (s. Lex. s. v.) zu lit. šárvas ‘Rüstung’, κόρυς ‘Helm’; s. Kretschmer Glotta 8, 254 und WP. a. a. O. I-920-921
κορθίλαι pl. in κορθίλας ποιεῖν (IG 22, 2493, 16; IVa), von Gartenarbeit, nähere Bed. unbekannt; vgl. κορθίλας καὶ κόρθιν· τοὺς σωρούς. καὶ τὴν συστροφήν H., auch κορθέλαι· συστροφαί, σωροί H. — Seit Fick BB 17, 322 mit χόρτος usw. verbunden (s. d.); vgl. indessen auch zu κόρθυς. I-921
κορθίλος (κόρθ- cod.) · ὄρνις, ὅν τινες βασιλίσκον H. — Bildung wie τροχίλος, σποργίλος und andere Vogelnamen (Chantraine Formation 249). — Läßt sich eine Anknüpfung an κόρθις, κορθίλαι semantisch begründen? I-921
κόρθυς, -υος f. ‘Getreidehaufe, Garbe’ (Theok. 10, 46: κόρθυος ἁ τομά; vgl. H.: κόρθυας· τὰ κατ’ ὀλίγον δράγματα), ‘Haufe, σωρός’ (EM 530, 3), vom Sand, ἄμμου κόρθυς (Anon. ap. Suid. s. κορθύεται). Davon κορθύομαι (κῦμα, bzw. ὕδωρ Ι 7, A. R. 2, 322) ‘einen Haufen (eine Garbe?) bilden, sich erheben’; κορθύνω (Ζεὺς κόρθυνεν ἑὸν μένος Hes. Th. 853). Aor. κορθῦσαι (εὖτέ με θυμὸς κορθύσῃ Hymn. Is. 150) ‘einen Haufen errichten, in die Höhe heben’. — Offenbar mit κόρθις, κορθίλαι nahe verwandt. Anknüpfung an aind. śárdha- m., śárdhas- n. ‘Schar, Truppe’, germ., z. B. got. haírda ‘Herde’, mkymr. cordd f. ‘Truppe, Schar, Familie’ u. a. m. (idg. *ḱordho-, -ā, *ḱerdhos-, -ā, eig. *"Haufen"?) liegt nahe; die weitere Verbindung mit der Sippe von κορέννυμι (Osthoff Etym. parerga 1, 8ff.; s. WP. 1, 424f., Pok. 579, auch W.-Hofmann s. creō) ist ganz hypothetisch. I-921-922
κορίαννον (Anakr., Kom., Thphr.), Kurzform κόριον (Hp., Nik., Pap. u. a.); auch κορίανδρον (Gloss.), dissimiliert κολίανδρον (Gp., Sch.); κορίαμβλον (H.); myk. ko-ri-ja-do-no, ko-ri-a2-da-na? n. ‘Koriander, Coriandrum sativum’ — Unerklärtes Mittelmeerwort; die Form -ανδρον ist offenbar volksetymologisch, ebenso -αμβλον (nach ἀμβλύς?); die Kurzform κόριον mit Anspielung auf κόρις ‘Wanze’ (Strömberg Pflanzennamen 61; wegen des Geruchs). Vgl. Hatzidakis Glotta 2, 297f. I-922
κορίαξος m. (Alex. Trall.) nach LSJ "a kind of fish"; dagegen Strömberg Fischnamen 115, der es eher als ‘Gewurzfleisch’ erklären will. — Somit zu κόριον, κορίαννον? Bildung allerdings ganz dunkel. I-922
κόρις, -ιος (-ιδος), -εως m. (f.) ‘Wanze, Cimex lectularius’ (Ar., Sor., Phryn.); auch als Fischname (Dorio, böot. Inschr., s. Lacroix Mélanges Boisacq 2, 52; nach der platten Form, Strömberg Fischnamen 124) und als Pflanzenname, ‘Hypericum empetrifolium’ (Dsk., Aët.; nach Form und Aussehen des Blattes?, Strömberg Theophrastea 50). Denominativum κορίζω ‘von Wanzen wimmeln’ (Gloss.). — Mit russ. korь f. ‘Motte’ identisch, u. zw. als altes Verbalnomen zum Verb für ‘scheren, schneiden’ in κείρω usw. (s. d.); mithin eig. "die Schneidende, die (Zer)beißende"; WP. 2, 574 nach Lidén Armen. Stud. 82f. (mit semantischen Parallelen) und Persson Beitr. 2, 942; anders Solmsen Wortforsch. 161. — Zur Bildung vgl. τρόπις, τρόφις, τρόχις u. a. (Schwyzer 462). Vgl. κόριον s. κορίαννον. I-922
κορκορυγή f. ‘dumpfer Lärm, Kriegslärm’ (A., Ar.) mit (δια-)κορκορυγέω ‘(durch)lärmen, (durch)toben’ (τὴν γαστέρα, Ar. Nu. 387 m. Sch.); κορκορυγμός ‘das Kollern im Bauch’ (Ps.-Luk. Philopatr. 3). — Onomatopoetisches Wort mit Reduplikation und Ausgang wie βορβορυγή, -γμός, ὀλολυγή, -γμός (Schwyzer 496, Chantraine Formation 401). Zum Stamm vgl. κόρκορα· ὄρνις. Περγαῖοι H. und κόραξ (s. d.). I-922
κορμός m. ‘abgehauenes Stück, Klotz, Rumpf’ s. κείρω. I-922
κόρνοψ, -οπος m. ‘Heuschrecke’ s. πάρνοψ. I-923
κόρος 1. m. ‘Sättigung, Überdruß, Übermut’ s. κορέννυμι. I-923
κόρος, 2. ion. κοῦρος m. ‘Jüngling, Knabe, Sohn’ s. κόρη. I-923
κόρος 3. m. Ben. eines Hohlmaßes für Getreide, Mehl u. ä., nach J. AJ 15, 9, 2 = 10 att. Medimnen (LXX, J., Ev. Luk., Pap.). — Semit. LW, vgl. hebr. kōr eig. ‘rundes Gefäß’. Lewy Fremdw. 116 m. Lit. I-923
κόρση, att. κόρρη, äol. κόρσα, dor. κόρρα f. ‘Schläfe, Schläfenhaar’, übertr. ‘Mauerzinne usw.’ (vorw. poet. seit Il. außer im att. Ausdruck πατάσσειν, τύπτειν, ῥαπίζειν ἐπὶ κόρρης; Prosa dafür κρόταφος). Kompp. πυρσόκορσος "mit roten Schläfen(haaren)", d. i. ‘mit roter Mähne’ (λέων; A. Fr. 110), ψιλο-κόρσης m. ‘kahlköpfig’ (Kall., Hdn.); κορσο-ειδής (λίθος) "schläfenfarbig", d. i. ‘grau’ (Plin.; vgl. mgr. κορσίτης; Redard Les noms grecs en -της 56), Κορρί-μαχος (thess.; Kretschmer Glotta 2, 350). Davon κορσεῖα, κόρσεα pl. ‘Schläfen’ (Nik.); κορσήεις = κορσοειδής (Orph. L. 498 [?]). — Wohl eig. als substantiviertes Adj. "geschorene Stelle" zu κορσός *‘geschoren’ (nach H. = κορμός), mit σ-ο-Suffix zu κείρειν; vgl. bes. κορσοῦν· κείρειν H., ἀ-κερσε-κόμης und κουρά (s. d.). Diese Deutung geht im Prinzip ins Altertum zurück, z. B. Poll. 2, 32: καὶ κόρσας τινὲς ἐκάλεσαν τὰς τρίχας διὰ τὸ κείρεσθαι; sie wurde in neuerer Zeit von Wackernagel KZ 29, 128 und von Schwyzer 285 vertreten. Nur ist ‘Haar’ nicht die ursprüngliche Bedeutung, sondern eine poetische Metapher; man hat vielmehr von ‘Haarschnitt (an der Seite des Hauptes)’ auszugehen, s. Frisk GHÅ 57 : 4, 14ff. mit Lit. und zahlreichen Parallelen. — Gewöhnlich seit Pott (s. Bq und WP. 1, 405 m. Lit.) zu κέρας, κάρηνα gezogen, semantisch ganz unbefriedigend. Abzulehnen ebenfalls J. Schmidt Pluralbild. 374 (zu lat. crista, crīnis); Otrębski Ling. Posn. 2, 256 (zu lat. cervīx); Forbes Glotta 36, 258ff. (zu κρόταφος). I-923
κορσός, -όω, κορσωτήρ usw. s. κουρά. I-923
Κορύβαντες sg. Κορύβας· ‘Ρέας ἱερεύς H.; auch Κύρβαντες, sg. -ας (Pherekyd., S., Lyk., Kall.). m. pl. ‘Korybanten’, Priester der phrygischen Kybele (E., Ar., Str. usw.), Davon κορυβάντειος ‘korybantisch’ (AP), -αντικός ‘ds.’ (Plu. u. a.), -αντίς f. ‘ds.’ (Nonn.), -αντώδης ‘K.-artig’ (Luk.), -αντεῖον n. ‘K.-tempel’ (Str.); κορυβαντιάω ‘nach Art der Korybanten verzückt sein’ (Pl., Longin. u. a.) mit -ιασμός (D. H., Longin.); κορυβαντίζω ‘die Korybantenweihe erteilen’ (Ar. V. 119, Iamb. u. a.) mit -ισμός· κάθαρσις μανίας H. — Bildung wie Ἄβαντες, ἀλίβαντες u. a. (Schwyzer 526, Chantraine Formation 269). Etymologie unbekannt; nach der Herkunft zu schließen, phrygisch. Hypothese von Kretschmer Sprache 2, 67f.: als phrygisch zu awno. huerfa ‘sich drehen usw.’ (got. ƕairban, s. zu 2. καρπός); ursprüngliche Form Κύρβαντες, woraus Κορύβ- durch Angleichung an κόρυς; hierher als phryg. LW nach K. auch κύρβις ‘drehbare Tafel’ (s. d.). I-923-924
κόρυδος (-δός) m. (f.) ‘Haubenlerche, Alauda cristata’ (Ar., Pl., Arist. usw.); erweiterte Formen mit ν- und λ(λ)-Suffix (Chantraine Formation 360f. u. 246f.): κορυδῶνες pl. (Arist. HA 609a 7; vgl. unten), κορύδαλ(λ)ος (Arist.; v. l. -αλλός), -αλλός (Theok., Babr.), -αλλά (Epich., sizil. Inschr.), -αλλίς (Simon., Theok.); — κάρυδοι· καρύδαλοι H. — PN Κόρυδος, -ύδων, -υδαλλός, -υδεύς (s. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 132 m. Lit.). — Zu κόρυς ‘Helm’ mit δο-Suffix (vgl. die ähnlichen Fälle bei Schwyzer 508 und Chantraine 359); eine dementsprechende t-Erweiterung liegt zufällig im german. Wort für ‘Hirsch’, z. B. asächs. hirot, ahd. hiruz (idg. *ḱeru-d-) vor. Vgl. noch mit -θ- (wie in κόρυθ-): κόρυθος· εἷς τις τῶν τροχίλων und κορύθων· ἀλεκτρυών H. — Die Form κορυδῶνες (s. oben) kann schwerlich richtig sein; man erwartet κορυδόνες (wie χελιδόνες usw.) oder evtl. κορύδωνες. — Ausführlich über κόρυδος usw. Thompson Birds s. κορύδαλος. Weiteres s. κόρυς. I-924
κόρυζα f. ‘Schnupfen, Nasenschleim’ (Hp., Gal., Luk. u. a.), übertr. ‘Dummheit’ (Luk., Lib.). Davon κορυζώδης ‘verschnupft’ (Hp.), κορυζᾶς ‘ds.’ (Men. Fr. 1003; vgl. Körte z. St.), -ζάω ‘den Schnupfen haben, dumm sein’ (Pl., Arist., Plb. u. a.), κορυζιᾷ· pipitat (Gloss.). — Mit verstärkendem βου-: βου-κόρυζα = ἡ μεγάλη κόρυζα (Men. Fr. 1003 aus Suid.), βουκόρυζος· ἀναίσθητος, ἀσύνετος H. — Daneben κορύναι und κροῦμαι· μύξαι H. (richtig?). — Ausgang wie κόνυζα u. a. (s. d.); ohne sichere Anknüpfung. Seit Fick (s. Bq) mit einem german. Wort für ‘(Nasen)schleim’, z. B. ags. hrot, ahd. (h)roz ‘Rotz’ verbunden, das indessen als Verbalnomen zu ags. hrūtan, ahd. hrūzzan ‘knurren, schnarchen’ gehört. Persson Beitr. 2, 886f. zieht noch heran lat. mūs-cerda ‘Mäusekot’ und — ohne Dental wie κορύναι — awno. hǫrr ‘Nasenschleim’, ahd. horo, -awes ‘Kot, Schmutz’ u. a. m. Nicht mit Danielsson Gramm. u. et. Stud. 1, 31 zu κόρυς unter Berufung auf H.: κόρυζα· ... περὶ κεφαλὴν πάθος, eine offensichtliche Volksetymologie. Weitgehende Kombinationen bei Specht Ursprung 118, 209, 232, wo auch Lit. I-924
κόρυμβος m., pl. -α (-οι) ‘die äußerste Spitze am Steuerbord’ (ep. poet. seit Ι 241), ‘Gipfel eines Berges’ (Hdt., A. u. a.), ‘Blüten-, Beerentraube, bes. des Efeus’ (Mosch., Corn., Plu. u. a.), ‘Haarknoten, -büschel, κρωβύλος’ (Herakleid. Pont. u. a.). Kompp., z. B. κορυμβο-φόρος ‘traubentragend’ (Longos), δι-κόρυμβος ‘mit zwei Gipfeln’ (hell. Dichtung). Daneben κορύμβη f. ‘Haarknoten’ (Asios), ‘Haarband’ (Antim.). — Ableitungen: κορύμβιον ‘Träubchen’ (Dsk.); κορυμβίας (Thphr.), κορύμβηλος (Nik.), κορυμβήθρα (Ps.-Dsk.) ‘Efeu, Hedera helix’; vgl. Strömberg Theophrastea 91, Pflanzennamen 53; κορυμβίτης (κισσός) ‘ds.’ (Mediz., Plin., Redard Les noms grecs en -της 73); κορυμβώδης ‘traubenähnlich’ (v. l. Dsk. 3, 24); κορυμβόομαι ‘in einen Haarknoten zusammengebunden werden’ (Nik. Dam.). — Auch κόρυμνα· κόσμος τις γυναικεῖος περιτραχήλιος H. Zu κορυφή (s. d.) mit Erweichung der Aspirata vor dem unerklärten Nasal; vgl. zu θάμβος (: ταφεῖν), θρόμβος (: τρέφεσθαι). Persson Beitr. 2, 584 A. 1. I-924-925
κορύνη (Quantität des υ schwankend) f. ‘Keule, Streitkolben, Knüppel, Knollen, membrum virile’ (seit Il.); κορυνη-φόρος ‘Keulenträger’ (Hdt. u. a.). κορυνήτης m. ‘Keulenschwinger’ (Il., Paus.); κορυνώδης ‘knollig’ (Thphr.), κορυνιόεις ‘ds.’ (v. l. Hes. Sc. 289); κορυνάω ‘knollenartige Knospen treiben’ mit κορύνησις (Thphr.). — Wohl zu (von?) κόρυς mit Beziehung auf das verdickte Ende der betreffenden Geräte. Zur Bildung vgl. Geräte- und Werkzeugnamen wie τορύνη, βελόνη (Chantraine Formation 207f.). I-925
κορύπτω ‘mit dem Kopf (den Hörnern) stoßen’ s. κορυφή. I-925
κόρυς, -υθος, -υθα, -υν κόρυρ· θριγκός H. (lak.). Myk. ko-ru-to (Gen. sg.); auch ko-ru-pi (Instr. pl.)? f. ‘Helm’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa); Kompp. κορυθ-άϊξ ‘helmschüttelnd’ (Χ 132; vgl. zu ἀΐσσω), -αἰόλος ‘ds.’, meist von Hektor (Il., auch A. R.; Akzent nach Hdn., Eust. mit codd. Ven.; somit auf αἰόλλω bezogen; vgl. Frisk Eranos 38, 39 m. A. 2, auch Bechtel Lex. s. v.), κορυθήκη f. ‘Helmschachtel’ (Delos IIa; Haplologie für κορυθο-θ.); τρί-κορυς ‘mit dreifachem Helmrande’ (E. Ba. 123, lyr.), auch τρι-κόρυθος ‘ds.’ (E. Or. 1480) u. a.; χαλκο-, ἱππο-κορυστής ‘mit ehernem bzw. roßhaarigem Helm’ (Il. u. a.; -της metrisch erweiternd, s. Frisk a. a. O.). Ableitungen. 1. Deminutivum κορύθιον (Gloss.). 2. κορυστής m. ‘Helmträger, -tragend’ (Il.). 3. κόρυθος. εἷς τις τῶν τροχίλων, περικεφαλαία H.; zu Κόρυ(ν)θος als Bein. des Apollon s. u. 4. κορύθων· ἀλεκτρυών H. 5. κορυθάλη, -αλίς = εἰρεσιώνη, ‘Maizweig’ (EM) mit Κορυθαλία Bein. der Artemis vor Sparta (Polem. Hist., H.; s. Nilsson Gr. Rel. 1, 123 u. 490), auch = κορυθάλη (H., Gloss.); dazu κορυθαλίστριαι· αἱ χορεύσυσαι τῇ Κορυθαλίᾳ θεᾷ H. (nach den Fem. auf -(ί)στρια; vgl. Chantraine Formation 106). 6. Denominatives Verb κορύσσω, -ομαι, Aor. κορύσσασθαι (Il.), κορύξασθαι (Ath. 3, 127a; auch Hp. Ep. 17?), Ptz. Perf. κεκορυθμένος (ep. poet. seit Il.; Chantraine Gramm. hom. 1, 434), Verbaladj. κορυστός ‘gehäuft’, vom Maß (Attika; κορυ<σ>τόν· ἐπίμεστον H.), eig. ‘(sich) behelmen’, übertr. ‘in die Höhe heben, (sich) erheben’, auch im allg. ‘(sich) wappnen’ (ep. poet. seit Il.; Leumann Hom. Wörter 210, Erbse Herm. 81, 171). — Unsicher bleibt die Beurteilung von Κόρυ(ν)θος Bein. des Apollon in Messenien (Inschr., Paus. 4, 34, 7); vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 106 m. A. 3, Hitzig-Blümner z. St.); κορυνθεύς· κόφινος, κάλαθος. ἀλεκτρυών (H.; vgl. κορύθων ob.). — Zu κόρυς mit Ableitungen Trümpy Fachausdrücke 40ff., Gray Class. Quart. 41, 114ff. — Gewöhnlich zur Sippe von κέρας gezogen, u. zw. zunächst zum alten u-Stamm in κερα(ϝ)-ός (s. d.); die Bedeutungsverschiedenheit ebenso wie die morphologischen Einzelheiten sind indessen nicht gebührend aufgeklärt. Chantraine Mélanges Glotz 165ff. erwägt deshalb für κόρυς, κορυφή usw., wozu noch ON wie Κόρινθος, mediterranen Ursprung, allerdings aus der sog. protidg. Schicht; dazu noch v. Windekens Le Pélasgique 106ff. — Zu κόρυς gehören direkt oder indirekt κορυφή, κόρυμβος, κόρυδος, κορύνη, s. dd. I-925-926
κορυφή, dor. -φά ‘Gipfel, Scheitel’, auch übertr. (seit Il.). Kompp., z. B. κορυφᾱ-γενής ‘kopfgeboren’, eig. von Athena, übertr. (Pythag. bei Plu. 2, 381f.), δι-κόρυφος ‘mit zwei Gipfeln’ (E., Arist. u. a.). Zahlreiche Ableitungen, oft in technischem Sinn: κορυφαῖος m. ‘der Erste, Haupt, Chorführer’ (ion. att.), sekund. Adj. ‘zu oberst’ (Plu., Hdn. u. a.), κορυφαιότης ‘Führertum’ (Corp. Herm.); κορυφαῖον ‘die obere Kante eines Jagdnetzes’, -φαία ‘das Hauptgestell eines Zaums’ (X., Poll.). — κορυφώδης ‘mit Gipfel versehen’ (Hp.). — κορυφάς f. ‘Nabelkante’ (Hp. ap. Gal.); -φίς, -φών = κορυφή (Gloss.), κόρυφος m. = κορυφή (Epid.), = κόρυμβος γυναικεῖος H. — κορύφαινα f. N. eines Fisches, ἵππουρις (Dorio ap. Ath. u. a.); zum Benennungsmotiv Strömberg Fischnamen 59, zum Suffix ebd. 137; κορύφια pl. Art Mollusken (Xenokr. ap. Orib.). — κορυφιστήρ = κορυφαῖον (Poll.), auch ‘Stirnband’ (Sch.); vgl. βραχιονιστήρ u. a. (Chantraine Formation 328), -ιστής ‘ds.’ (H.). — Denominative Verba: 1. κορυφόομαι ‘sich gipfeln, sich hoch auftürmen’ (poet. seit Il., sp. Prosa), ‘zusammenzählen’ (hell. u. sp.), -όω ‘zum Gipfel bringen’ (Mediz.), mit κορύφωμα ‘Auftürmung, Höhepunkt’ (Ath. Mech.), -ωσις ‘Gipfel einer Pyramide’ (Nikom.). — 2. κορύπτω ‘mit dem Scheitel (den Hörnern) stoßen’ (Theok. u. a.; zur Bildung Schwyzer 705) mit κορυπτίλος ‘stößig’ (Theok.); nach τροχίλος, σποργίλος u. a. (Chantraine Formation 249), wohl hypokoristisch; auch κορύπτης, -τόλης ‘ds.’ (EM, H.); ἐκορυπτίας· ἐγαυρίας H. — Bildung mit φ-Suffix (Schwyzer 495, Chantraine 264), zunächst einen υ-Stamm voraussetzend, der ja tatsächlich in κόρυς, -υν (s. d.) vorliegt; gegen direkte Ableitung spricht aber die Bedeutung. — Verfehlte Kombinationen bei Bezzenberger-Fick BB 6, 237 (s. Bq) und Persson Beitr. 1, 179 (dagegen WP. 1, 406). — S. auch κόρυμβος. I-926-927
κόρχορος κόρκορος (Ar. V. 239, Nik. Th. 626) m. (Thphr., Ps.-Dsk.), Pflanzenname, ‘blauer Gauchheil, ἀναγαλλὶς ἡ κυανῆ, Anagallis caerulea’; zur Begriffsbestimmung Thiselton-Dyer JournofPhil. 33, 201. — Reduplizierte Bildung (vgl. Strömberg Pflanzennamen 21) ohne Etymologie. I-927
κορχυρέα f. ‘unterirdischer Abzugskanal’ (IG 9 : 1, 692, 8, Korkyra IIa: περὶ τᾶν κορχυρε[ᾶν). — Bildung auf -έα (Chantraine Formation 91f.) nach unbekanntem Vorbild; auch im übrigen dunkel. Dittenberger z. St. erinnert an γοργυρα ‘ds.’ (Hdt. 3, 145, H.; vgl. s. v.) und κορκόδρυα (κορκορρόα Lobeck)· ὑδρόρυα H.; die schwankende Form läßt auf ein technisches LW schließen. I-927
κορώνη f. ‘Krähe’, auch ‘Seekrähe, Saatkrähe’, ‘Corvus corone, cornix, frugilegus, Puffinus yelkuan’ (seit Od.); vereinzelt in Kompp., z. B. κορωνο-βόλος ‘Krähen erschießend’, τρι-κόρωνος ‘dreifaches Krähenalter habend’ (AP). — Oft übertr. von allerhand gekrümmten oder hakenförmigen Gegenständen (vgl. unten): ‘Bogenende’ (Il.), ‘Türgriff’ (Od., Poll.), ‘Ende des Pflugbaumes’ (A. R. u. a.), ‘Achterschiff’ (Arat.), ‘krankhafter Auswuchs des Ellbogenbeins usw.’ (Hp. u. a.), ‘Art Kranz’ (Sophr. 163, H.). Ableitungen: κορωνιδεύς m. ‘junge Krähe’ (Kratin. 179; Boßhardt Die Nom. auf -ευς 46); κορώνεως f. ‘Baum mit rabenschwarzen Feigen’ (Ar. Pax 628; vgl. zu ἐρινεώς s. ἐρινεός). — κορωνίς f. ‘gekrümmt, geschweift’, von Schiffen (Hom.), von Rindern (Theok.), als Subst. ‘Kranz’ (Stesich.), ‘Krummlinie, Schnörkel’ am Ende eines Buchs usw., als orthographisches Zeichen, übertr. ‘Ende’ (hell. u. sp.); dazu m. κορωνός ‘krumm usw.’ (Archil., Hp., EM), auch PN Κόρωνος (Β 746; Sommer Nominalkomp. 122), n. κορωνόν ‘Gelenkknoten’, τὰ κόρωνα ‘Ellbogen’ (Mediz.); κορώνιος· μηνοειδῆ ἔχων κέρατα βοῦς H., auch Monatsname (Knossos), κορώνιον n. ‘Krähenkraut’ (Ps.-Dsk.; Strömberg Pflanzennamen 42); κορωνίης m. ‘der stolz den Hals beugt’ (ἵππος; Semon.) mit κορωνιάω ‘stolz den Hals beugen, sich brüsten’ (hell. u. sp.), auch ‘sich krümmen’ (κορωνιόωντα >πέτηλα Hes. Sc. 289; metrisch bedingt). — Denominatives Verb κορωνίζω ‘beendigen, vollenden’ (von κορωνίς; Pontos); auch von κορώνη als Grundlage von κορωνισταί pl. "Krähensänger", κορωνίσματα pl. "Krähengesänge", d. h. ‘Bettelsänger’, ‘Bettelgesänge’ (Ath.). — Ausführlich über κορώνη ‘Krähe’ Thompson Birds s. v. — Die italischen Wörter für ‘Krähe’, lat. corn-īx, umbr. curn-aco ‘cornicem’, machen auch für κορών-η einen alten n-Stamm *koron-, *korn- wahrscheinlich, der ebenfalls in κόραξ und κόραφος vorliegen kann (anders Brugmann Grundr.2 2 : 1, 280; s. auch Schwyzer 491); ein mit diesem n-Stamm alternierender u-Stamm steckt in lat. corvus, mir. crū ‘Rabe’. Die Wörter gehen wohl alle auf eine Schallnachahmung zurück (anders Specht Ursprung 118: urspr. Farbwort). — Allgemein wird κορώνη als Benennung gekrümmter Gegenstände nebst κορωνίς, κορωνός von κορώνη ‘Krähe’ getrennt und zu κυρτός (s. d.) usw. gezogen. Gegen eine Zerlegung in zwei verschiedene Wörter spricht indessen schon die eigenartige Bildung des griechischen Wortes. Die Annahme eines metaphorischen Gebrauchs von κορώνη ‘Krähe’ hat in Anbetracht der ähnlichen Verwendung der entsprechenden Vogelnamen im Griechischen und anderen Sprachen (κόραξ, lat. corvus, frz. corbeau, nengl. crow, schwed. kråka u. a. m.) nichts Auffallendes. Nicht nur der Schnabel sondern auch die Füße der betreffenden Vögel haben die Metaphern veranlassen können. — Aus κορώνη, κορωνίς lat. corōna, corōnis mit westeuropäischen Ablegern. — Vgl. zu κόραξ. I-927-928
κόσκινον n. ‘Sieb’ (Semon., Demokr., att.). Einzelne Kompp. wie κοσκινο-ποιός ‘Siebmacher’ (Kom.), τυρο-κόσκινον Art Käsekuchen (Chrysipp. Tyan. ap. Ath. 14, 647 f). Ableitungen. Deminutivum κοσκίνιον (Chrysipp. Tyan.); κοσκίνωμα ‘Gitter’ (Sm., Thd.; zur nominalen Ableitung Chantraine Formation 187); κοσκινηδόν Adv. ‘siebweise’ (Luk.). Denominative Verba : 1. κοσκινεύω ‘sieben’ (Demokr., Pap. u. a.) mit κοσκινευ-τής ‘Sieber’, -τικόν ‘Getreidesiebsteuer’, -τήριον ‘Getreidesiebplatz’ (Pap.); 2. κοσκινίζω ‘ds.’ (Mediz., Aq., Sm.) mit -ίνεσις ‘das Sieben’ (Pap. u. a.). — Ohne Etymologie, vielleicht Mittelmeerwort (Chantraine Formation 203). Vergebliche idg. Erklärungsversuche: aus *κόρ-σκινον, zu κόρος ‘Besen’? (Walde-P. 1, 462 fragend); zu lit. kóšiu, kóšti ‘seihen’ (dagegen Bq und Vasmer Russ. et. Wb. s. káša); zu lat. scindō (dagegen Bq und W.-Hofmann s. cōlum). I-928
κοσκυλμάτια n. pl. ‘Lederschnitzel’, übertr. von den schmeichlerischen Worten des Gerbers Kleon an Demos (Ar. Eq. 49). — Volkstümliche Reduplikationsbildung [σ]κο-σκυλ-μάτ-ια (vgl. Schwyzer 423) von σκύλλω ‘schinden, zerreißen’. Wie sich lat. quisquiliae pl. ‘Abfall, Kehricht’ dazu verhält, ist nicht aufgeklärt; für Urverwandtschaft zuletzt Hofmann gegen Walde u. a., die Entlehnung aus dem Griechischen annehmen; s. die Lit. bei Bq und bei W.-Hofmann s. v. I-928-929
κόσμος m. ‘Ordnung, Anstand, Schmuck’ (seit Il.), ‘Weltordnung, Welt’ (seit Pythag. od. Parm.; Kranz Phil. 93, 430ff.), ‘staatliche Ordnung, Regierung’ (ion. att.), Ben. der höchsten Behörde auf Kreta (Rückbildung aus κοσμέω?, Leumann Hom. Wörter 285f.; dagegen Ruijgh L’élément achéen 109). Zahlreiche Kompp., z. B. κοσμο-ποιία ‘Weltschöpfung’ (Arist. usw.), κοσμό-πολις m. Ben. einer städtischen Behörde (hell. u. sp.), eig. verbales Rektionskomp. = ὁ κοσμῶν πόλιν; davon unabhängig κοσμο-πολίτης ‘Weltbürger’ (hell.; von den Kynikern geprägt?, v. Wilamowitz Glaube 2, 275); εὔ-κοσμος ‘in schöner Ordnung’ (Sol. usw.). Ableitungen: 1. Deminutiva κοσμ-άριον, -ίδιον, -αρίδιον ‘kleiner Schmuck’ (spät); 2. κόσμιος ‘wohlgeordnet, anständig, sittlich, ruhig’ (ion. att.), ‘der Welt angehörig’ (Plu., Arr.) mit κοσμιότης ‘Gesittung’ (att. usw.); 3. κοσμικός ‘weltlich, irdisch, weltumfassend’ (hell. u. sp.); 4. κοσμωτός ‘in eine Welt verwandelt’ (hell.); 5. Κοσμώ f. N. einer Priesterin (Lykurg.); Κοσμίας, Κοσμᾶς u. a. PN. — 6. Denominatives Verb κοσμέω ‘anordnen, befehlen, regieren, schmücken’ (seit Il.); davon mehrere Ableger: κοσμητός ‘schön geordnet’ (η 127; Ammann Μνήμης χάριν 1, 17); κόσμησις ‘Anordnung, Ausschmückung’ und κόσμημα ‘Schmuck’ (att. usw.); κοσμήτωρ ‘Anordner, Befehlshaber’ (ep. seit Il., sp. Prosa) und κοσμητήρ ‘ds.’ Epigr. ap. Aeschin. 3, 185; s. Fraenkel Nom. ag. 1, 120f.), f. κοσμήτειρα (Ephesos, Orph.; -ήτρια H.); κοσμητής ‘Ordner, Gebieter, der da schmückt, putzt’, auch N. einer Behörde (att. usw.) mit κοσμητεύω (-τέω) ‘κοσμητής sein’ (Inschr., Pap.), -τεία (Pap.); κοσμητήριον ‘Toilettenraum’ (Paus.), κόσμητρον ‘Besen’ (Sch. u. a.); κοσμητικός ‘zum Schmücken gehörig’ (Pl., Arist. u. a.; Chantraine Ét. sur le vocab. grec 135). — Bildung auf -μος (Schwyzer 492, Chantraine Formation 132); trotz wiederholter Bemühungen nicht befriedigend erklärt. Mehrere Hypothesen von wechselndem Wert: zu κεδνός, Κόδρος (Schulze GGA 1896, 235 = Kl. Schr. 698, Pisani AnFilCl 5, 93f., Kranz Phil. 93, 430ff.); zu lat. censeō usw. (Froehde KZ 23, 311, Zupitza Die germ. Gutt. 109, Brugmann Distr. 19, Dumézil BSL 42 p. XVI); zu lat. corpus, aind. kálpate ‘in Ordnung sein’ (Brugmann IF 28, 358ff.); zu lat. cinnus ‘Mischtrank’ (Walde LEW1 s. v.); zu κομψός (WP. 1, 403; zögernd); aus *χόθμος zu idg. ghodh- ‘vereinigen, eng verbunden sein’ (Carnoy REGr. 69, 279f.). I-929-930
κόσσυφος (-ττ-, Gloss. -υκος) auch κόψιχος (-ικος, -υκος) m. (Kom. seit Ar., Suid., Moer.). m. ‘Amsel, Turdus merula’ (Arist., Matro, AP usw.), übertr. als N. eines Hahns (Paus. 9, 22, 4; Tanagra), auch eines Lippfisches (Numen. ap. Ath. 7, 305c, Mediz., Ael.), weil er wie die Amsel mit den Jahreszeiten seine Farbe verändert; auch nach der Lautgebung? (Strömberg Fischnamen 116 m. Lit.); Davon κοσσυφίζω ‘wie ein κ. singen’ (Hero). — Fem. Κοσσύφα dor. Hetärenname (Schulze Kl. Schr. 707 m. A. 9). Bildung auf -φος, bzw. -χος (Schwyzer 495 u. 498, Chantraine Formation 263 u. 403). — Die Ähnlichkeit zwischen κόψιχος und dem slav. Namen der Amsel, russ.-ksl. kosъ usw. aus *kopso-, wurde schon von Bezzenberger-Fick BB 6, 237 beobachtet. Unter Annahme einer Dissimilation aus *κοψυφος hat Meillet MSL 18, 171ff. auch κόσσυφος angereiht. Daß in κοψι-, *κοψυ- ein alter Stammwechsel i : u erhalten wäre (Specht Ursprung 145), leuchtet nicht ein; die Vokale gehören vielmehr mit dem Suffix zusammen. — Weitere Zurückführung auf eine "Schallwurzel" ḱop- in aind. śápati ‘verfluchen’ usw. (Meillet a. a. O.) ist mehr als zweifelhaft. Nicht besser Haas Ling. Posn. 3, 75. — WP. 1, 457, Pok. 614f., Vasmer Russ. et. Wb. 1, 639. Zum Sachlichen ausführlich Thompson Birds, bzw. Fishes s. v. I-930
κόστος (-ον n.) m. N. einer Pflanze und ihrer als Gewürz gebrauchten Wurzel, ‘Saussurea lappa’ (Thphr., D. S. u. a.); davon κοστόϊνος ‘aus κ.’ (Pap.; Kalbfleisch RhM 94, 345). — Aus aind. kúṣṭha- m. ‘ds.’; aus κόστος (-ον) wieder lat. costum -us. Vgl. Mayrhofer Wb. s. v. I-930
κοσυβ[άτ]ας m. ‘Opferer’ (Suppl. Epigr. 1, 414, 10; Gortyn V-IVa); κοσ<ύ>βατοι (-βάται?)· οἱ ἐπὶ θυσιῶν τεταγμένοι H. (post κοστίας). — Unerklärt. I-930
κοσύμβη f. N. eines Mantels, der nach D. Chr. 72, 1 von Hirten und Landleuten gebraucht wurde, von EM 311, 5 u. H. u. a. mit ἐγκόμβωμα (s. κόμβος) erklärt, von EM 349, 15 als ἀναβολή bezeichnet; die Bed. ‘κρωβύλος’ bei Poll. 2, 30 (Lesung schwankend) muß auf Vermischung mit κόρυμβος (s. d.) beruhen. Daneben κόσυμβος m., nach H. (-σσ-) = κοσ(σ)ύμβη; auch ‘Haarnetz’ (LXX Is. 3, 18); davon κοσυμβωτός (Ex. 28, 35, χιτών; v. l. κόσυμβος), nach H. = κροσσωτός, d. h. ‘mit Troddem, Fransen versehen’. — Technisches Fremdwort ohne Etymologie; zum Ausgang -βος Chantraine Formation 262. Unbrauchbare Hypothesen von Prellwitz s. v. (s. Bq) und Alessio Onomastica 2 (1948), 204f. (s. Belardi Doxa 3, 211). — An κόσυμβος erinnert κοτθυβος Ben. eines militärischen Ausrüstungsstückes, = περίζωμα? (Rev. Arch. 1935 : 2, 31). I-930-931
κοτίλιον n. Bed. nicht sicher, wohl Ben. eines Gefäßes zur Aufbewahrung (Inscr. Délos 1429 B II 25; IIa). — Unerklärt. Große formale Ähnlichkeit zeigen die vulgären κότιλον, κοτίλλιν· ἀνδρὸς αἰδοῖον (und κόθημα· ἐπὶ τοῦ αἰδοίου) H. I-931
κότινος m. (f.) ‘wilder Ölbaum, ἀγριελαία’ (Ar., Thphr. usw.; zur Benennung Strömberg Theophrastea 166 A. 1), als Vorderglied z. B. in κοτινη-φόρος ‘wilde Ölbäume tragend’ (Mosch.); κοτινάς f. ‘die Frucht des wilden Ölbaums’ (Hp.), ‘auf einen wilden Ölbaum gepropfter Ölbaum’ (Poll.); zur Bildung Chantraine Formation 353. — Unerklärt, wahrscheinlich LW (Chantraine 203, vgl. Schwyzer 491). Vgl. Schrader-Nehring Reallex. 2, 131. Daraus lat. cotinus ‘Perückenbaum’ (Plin.). I-931
κότος m. ‘Groll, Haß’ (ep. poet. seit Il., auch sp. Prosa; Irmscher Götterzorn 11f.). Oft als Hinterglied, z. B. ἔγ-κοτος ‘grollerfüllt’ (A. u. a.; Bahuvrihikomp.) mit dem Denominativum ἐγκοτ-έω ‘grollerfüllt sein, grollen’ (A. u. a.); davon ἐγκότημα, -ησις (LXX) und, als Rückbildung, ἔγκοτος (Hdt.) ‘Groll, Haß’ (anders über ἔγκοτος usw. Strömberg Prefix Studies 116); mit Suffixtausch ἐγκότιος Adj. (Salamis auf Kypros). Ableitung κοτήεις ‘voll Groll’ (Ε 191); -ήεις analogisch für κοτόεις (A. D., EM), Schwyzer 527; vgl. auch Thieme Studien 71 A. 3. — Daneben, wahrscheinlich als Denominativum (vgl. unten) κοτέω, -έομαι, Aor. κοτέσσασθαι, -έσαι, Fut. κοτέσσομαι, Perf. Ptz. Dat. κεκοτηότι ‘grollen’ (ep. lyr. seit Il.); auch κοταίνω ‘ds.’ (A. Th. 485, lyr.; nach θυμαίνω u. a., s. Fraenkel Denom. 18 und zu θυμός). — Keine überzeugende Etymologie. Man vergleicht seit Fick 3, 69 (z. B. Brugmann Grundr.2 1, 630) ein keltisch-germanisches Wort für ‘Kampf, Streit’, z. B. gall. catu- in Catu-rīges, ahd. hadu- in Hadu-brand und, im Suffix abweichend, mhd. hader ‘Zank, Streit’, wozu noch slav., z. B. russ.-ksl. kotora ‘μάχη’; außerdem mit palatalem Anlaut aind. śátru- ‘Feind’. Unter Ablehnung dieser Etymologie wird von WP. 1, 454 (vgl. 1, 339), gleichfalls nach Fick (1, 45), einer Zusammenstellung mit lat. cōs ‘Wetzstein’ usw. (s. κῶνος) das Wort geredet. Von der nur approximativen semantischen Übereinstimmung abgesehen fehlt in beiden Fällen die entscheidende morphologische Begründung. Wenn κότος ein alter s-Stamm wäre (Fraenkel KZ 43, 193ff.), würde es allerdings zu den u- und r-Stämmen in catu-, hader usw. besser stimmen; das dafür von Fraenkel angeführte κοτέσσασθαι läßt sich aber als Analogiebildung erklären (Chantraine Gramm. hom. 1, 349). — Machek Stud. in hon. Acad. d. Dečev 49f. vergleicht čech. katiti se ‘sich ärgern’. I-931-932
κότταβος (ion. -σσ-) m. (Anakr., Pi., Trag. u. Kom., hell. usw.) N. eines aus Sizilien stammenden Spiels, wobei der Spieler aus einem Becher den Weinrest gegen ein Ziel schleuderte, u. zw. entweder gegen eine auf der Spitze einer leuchterartigen Stange im Gleichgewicht ruhende, beim Treffen umfallende Scheibe (sog. κότταβος κατακτός) oder auch gegen leere Schälchen, die in einem mit Wasser gefüllten Becken schwammen und beim Treffen versanken (κ. ἐν λεκάνῃ od. δι’ ὀξυβάφων). Mit κότταβος wurde aber nicht nur, wohl auch nicht ursprünglich, das Spiel selbst, sondern auch verschiedene dabei gebrauchte Gegenstände oder dabei ausgeführte Bewegungen bezeichnet: die Neige des Weines oder der Wurf derselben, der κότταβος-Ständer, das κότταβος-Becken. Als Hinterglied in μεθυσο-κότταβος Adj. ‘beim Kottabos berauscht’ (Ar. Ach. 525). Ableitungen: κοτταβίς f. ‘zweihenkliges Trinkgefäß, zum Wurfe benutzt’ (hell.); κοτταβεῖον (-βιον) ‘Kottabos-Becken, -Ständer’ (Dikaiarch., hell.), auch ‘Siegespreis beim Kottabos’ (Kom. u. a.); κοτταβικὴ ῥάβδος ‘Kottabos-Stange’ (hell.). Denominatives Verb κοτταβίζω ‘K. spielen’ (Ar., Antiph.), euphem. für ‘sich erbrechen’ (Poll., EM), auch mit ἀπο-, κατα-, συν- (X., Kom. usw.); davon κοττάβισις, (ἀπο-)κοτταβισμός (spät). — Da sich die genaue und ursprüngliche Bedeutung von κότταβος nicht mehr ermitteln läßt, schweben eigentlich alle Etymologien in der Luft. Der Form nach erinnern an κότταβος u. a. folgende Wörter: κοτ(τ)ίς ‘Kopf, Hinterkopf’, κόττειν· τύπτειν H., κόττος ‘κύβος usw.’ (s. dd.). — An κοττίς anknüpfend wollen Studniczka BphW 14, 1299 und K. Schneider P.-W. 11 : 2, 1529 κότταβος als ‘mit einem Kopf versehen’ erklären mit Beziehung auf die Scheibe (πλάστιγξ) oben auf dem Kottabos-Ständer. Dagegen geht Mastrelli Boll. di Studi fil. e ling. sic. 5 (1957), Estr. 25ff. von κόττος ‘κύβος, Würfel’, älter angebl. ‘ἀστράγαλος, Wirbel, Gelenk’ aus; mit κότταβος wäre ursprünglich die Krümmung des Handgelenks beim Wurfe des Bechers gemeint. Der Ursprung des Wortes wäre im westlichen Mittelmeerraum zu suchen (vgl. zu κοττίς, wo noch ein Erklärungsversuch). — Lat. LW cottabus ‘klatschender Schlag’ (Plaut.; vgl. Friedmann Die jon. u. att. Wörter im Altlatein 46ff.). Näheres zu κότταβος Mastrelli a. a. O. mit reicher Lit., u. a. K. Schneider in P.-W. 11 : 2, 1528ff. Vgl. auch κοτύλη. I-932
κόττανα pl. n. ‘Art kleiner Feigen’ (Ath., H.); lat. LW cottana pl. ‘Art kleiner syrischer Feigen’ (Plin.). — Aus dem Semitischen; vgl. hebr. qāṭān, qeṭannīm ‘klein’ (Lewy Fremdw. 22 m. Lit.). Hierher auch κοτάννα f., nach H. = παρθένος παρὰ Κρησί; vgl. hebr. qāṭōn, f. qeṭannā ‘klein, jung’; auch ‘unmündiger Knabe’ bzw. ‘unmündiges Mädchen’ (Lewy 65). I-933
κοττάνη f. N. eines Fischgerätes (Ael. NA 12, 43). — Von κόττος N. eines Flußfisches, s. zu κοττίς. I-933
κοττίς, -ίδος dor. für κεφαλή (Poll., H., Phot.); auch κοτίς (Hp.), = ‘ἰνίον, παρεγκεφαλίς’ (Gal.), ‘τῆς κεφαλῆς ἡ κορυφή’ (Erot.). f. ‘Haartracht mit langem Stirnhaar’ (Poll., H., Phot.). Als Hinterglied in προκοττίς· ἡ χαίτη H. und προκόττα f. (dor.) Ableitungen κόττικοι· αἱ περικεφαλαῖαι; κοττάρια· τὰ ἄκρα τῆς κέγχρου H. — Daneben κόττος = κύβος (Cod. Just.), κοττός (κόττος)· ὄρνις. καὶ οἱ ἀλεκτρυόνες κοττοὶ διὰ τὸν ἐπὶ τῇ κεφαλῇ λόφον (vgl. ngr. κόττα ‘Huhn’); κοττοβολεῖν· τὸ παρατηρεῖν τινα ὄρνιν H. Über κόττος als N. eines Flußfisches (Arist. HA 534a 1) s. Strömberg Fischnamen 119 (nach dem Hahn). — PN Κοττίς, Κότταλος, -άλη (Herod.). — Beziehung zu κοτύλη ‘Napf, Schälchen’ ist sehr wohl möglich, aber eine Grundform *κοτϝ-ίς (Scheftelowitz BB 28, 146) hat wenig für sich; eher liegt bei diesem volkstümlichen Deminutivum eine expressive Gemination vor. — Nach Hubschmid Romance Philology 6, 190ff. stammen die betreffenden Wörter (einschließlich κοτύλη usw.) aus einer voridg. hispano-kaukasischen Sprachschicht und haben im Iberoromanischen, im Baskischen und anderswo zahlreiche Verwandte; ursprüngliche Bedeutung ‘konkave oder konvexe Rundung’, woher einerseits ‘Gefäß’ (> ‘Kopf’), anderseits ‘Hügel, Kopf’ u. a. m. Leider lassen sich die meisten konkreten Gegenstände unter einen solchen Hauptnenner bringen. — Hierher nach Hubschmid auch κότταβος als urspr. Gefäßname. — Noch anders über κόττος usw. Mann Lang. 28, 35. I-933
κοτύλη auch κότυλος m. ‘ds.’ (Hom. Epigr., Kom. u. a.). f. ‘Napf, Schälchen, kleiner Becher’ (seit Il.; zur Bed. Brommer Herm. 77, 358 u. 366), auch als Maß für Flüssiges und Trockenes = 6 κύαθοι od. = 1/2 ξέστης (ion. att.), übertr. ‘Gelenkhöhle, bes. die Hüftpfanne’ (Il., Hp. u. a.), ‘Zimbeln’ (pl., A.) usw.; Kompp., z. B. κοτυλ-ήρυτος ‘mit Bechern zu schöpfen, stromweise’ (Ψ 34), ἡμι-κοτύλη ‘eine halbe κ.’ (Pap. u. a.), δι-κότυλος ‘zwei κ. messend’ (Hp., Pap. u. a.). — Zur Bildung auf -ύλη (deminuierend?) Schwyzer 485, Chantraine Form. 250f. — Begrifflich nahe liegt lat. catīnus ‘(flache) Schüssel’; die Abweichung in Vokal und Bildung (a in catīnus nach patina? Petersen Lang. 14, 50) macht indessen die Gleichung sehr unsicher (vgl. Ernout-Meillet s. catīnus). Über noch fraglichere oder entschieden verfehlte Anknüpfungen s. WP. 1, 383f., Pok. 586, W.-Hofmann s. catīnus m. Lit. Neuer Vorschlag von Machek Stud. in hon. Acad. d. Dečev 49: zu čech. kotlati ‘hohl werden’ (denom. Verb). Aus dem Griechischen kommt das selbst unklare κοττίς in Betracht, s. d. Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 102. — Eine Entlehnung hätte bei einer Gefäßbezeichnung nichts Auffallendes. Ableitungen. Deminutiva κοτυλίς ‘Gelenkhöhle’ (Hp.), κοτυλίσκος, -ίσκη, -ίσκιον ‘kleiner Becher’ (Kom.), κοτυλίδιον (Eust.). — κοτυληδών, -όνος f. Ben. verschiedener becherähnlicher Vertiefungen (zur Bildung Chantraine Formation 361), z. B. ‘Saugnäpfchen, Saugwarze’ (ε 433 usw.), auch als Pflanzenname, wahrscheinlich ‘Cotyledon umbilicus’ (Hp., Nik., Dsk. u. a.; nach den napfähnlichen Blättern, Strömberg Pflanzennamen 44f.), mit κοτυληδονώδης ‘warzenähnlich’ (Gal.). — κοτυλιαῖος, -ιεῖος ‘eine κ. messend’ (hell.; Mayser Pap. 1 : 3, 95), κοτυλώδης ‘becherähnlich’ (Ath.); κοτύλων, -ωνος m. ‘Säufer’ (Plu.). — Denominatives Verb κοτυλίζω ‘kotylenweise, d. h. im kleinen verkaufen’ (ion. att.) mit κοτυλισμός, -ιστής, -ιστί (hell. u. sp.). I-933-934
κουβαρίς, -ίδος f. ‘Assel’ (Dsk. 2, 35 tit.). — Deminutivum von κόβαρος· ὄνος (‘ds.’; cod. ἄνθρωπος, d. i. ἄνο̄ς) H. Eine andere Deminutivbildung ist ngr. κουβάρι ‘Knäuel’ (Kukules Λεξ. ‘’Αρχ. 5, 34) mit dem Denominativum κουβαρίζω (v. l. -ιάζω) = μηρύομαι, d. i. ‘winden, zusammenwickeln’ (Sch. Theok. 1, 29, auch ngr.). Nach K. (s. auch Strömberg Wortstud. 12) wurde das Tier so genannt, weil es sich zusammenrollen kann; ebenso möglich ist, daß der Knäuel seinen Namen von der Assel bezogen hat. Das Wort ist sowieso unerklärt. I-934
κοῦκι n. N. eines palmenähnlichen Baums, ‘Hyphaena thebaica’, auch von dessen Faser gebraucht (PBaden 35, 23; Ip, Plin.); κουκιο-φόρον δένδρον (Thphr.). Davon κούκεον ‘Frucht des Koukibaumes’ (Ostr.); κούκινος ‘zum K.baum gehörig, aus dessen Fiebern gemacht’ (Pap. u. a.). — Fremdwort, wohl ägyptischer Herkunft, = κόϊξ, s. d. I-934
κουκούφας (κοκκ-), -ατος m. ägyptischer Name des Wiedehopfes, ἔποψ (Horap. 1. 55, PMag. Berol. 2, 18) mit dem Deminutivum κοκκοφάδιον (PMag. Lond. 121, 411; vgl. Dölger ByzZ 38, 213 m. Lit.). — Onomatopoetisches Wort, mit aind. kukkubha- ‘Phasianus gallus’, lit. cucubiō, -īre vom Schrei der Nachteule u. a. elementarverwandt. Vgl. zu κικκαβαῦ; außerdem WP. 1, 331, Pok. 536, W.-Hofmann s. cucubiō, Mayrhofer s. kukkubhaḥ m. weiterer Lit. I-934
κουρά, ion. -ρή f. ‘Schur des Haares, des Bartes, der Wolle’, auch von Bäumen und Gras; ‘Haarlocke, Schurwolle, Pelz’; ‘Schnittfläche, Klotz’ (ion. att.). Zahlreiche Ableitungen: 1. κουρεύς m. ‘Scherer, Barbier’ (att. usw.), N. eines Vogels (H.; von dem Laut), mit κουρεῖον ‘Barbierstube’ (att. usw.), wovon κουρεακός ‘klatschhaft’ (Plb.; zur Bildung Schwyzer 497); daneben κουρευτής ‘ds.’ (Gloss.), f. κουρεύτρια (Plu.), κουρευτικός ‘zum Scheren gebraucht’ (Sch., Olymp.); vgl. κουρεύομαι unten; zu κουρεύς usw. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 46. — 2. κούρειον (-εον) n. ‘Opfer von Haaren usw. an den Apaturien’ (S., Is., Inschr.) mit Κούρειος Bein. des Apollon (Teos), κουρεῶτις, -ιδος (ἡμέρα, ἑορτή) f. ‘der dritte Tag der Apaturien, an dem die Haare der Jünglinge und Mädchen dargebracht wurden’ (Pl., Inschr. u. a.; Nilsson Gr. Rel. 1, 137 u. 493), Κουρεών (-ηϊών) -ῶνος m. Monatsname in Magnesia am Maeander (Inschr.; s. Nachmanson Magn. 23 Anm. 1, 50). Dazu noch mit verblaßtem Hinterglied αἱμα-κουρίαι pl. ‘Blutopfer’ (Pi. u. a.). — 3. κούριμος ‘zur Schur gehörig, geschoren’ (Trag., Plu.), auch κουρεύσιμος (Sch.) wie von *κούρευσις (κουρεύομαι); Arbenz Die Adj. auf -ιμος 79f. — 4. κουρικός ‘zur Schur gebraucht, gehörig’ (Pap. u. a.). — 5. κουρίς, -ίδος f. ‘zur Schur, zum Rasieren gebraucht’ (μάχαιρα; Kratin.), ‘Putzmädchen’ (Kom., Plb. usw.). — 6. κουρίας m. ‘der sein Haar kurzgeschoren trägt’ (Luk., D. L.). — 7. κουράς· ἡ ἐν τοῖς ὀροφώμασι γραφή, ὀροφικὸς πίναξ H.; auch ἐγκουράς (A. Fr. 142, H.). — 8. κουρῖτις f. Pflanzenname, ‘περιστερεὼν ὕπτιος, Verbena officinalis’ (Ps.-Dsk., Ps.-Apul.; Ben.motiv unbekannt, vgl. Redard Les noms grecs en -της 73). — Denominative Verba: 1. κουριάω ‘der Schur bedürftig sein, langes Haar tragen’ (Pherekr., Plu., Luk. u. a.; nach den Krankheitsverba auf -ιάω, Schwyzer 732); 2. κουρίζω, -ίξαι ‘scheren, schneiden’ (Thphr., H.); 3. κουρεύομαι ‘die Tonsur nehmen, kurze Haare tragen’ (Just., Sch.). — Zu κοῦρος u. κουρίξ s. bes. — Als primäres Verbalnomen steht κουρά für *κορσά (zum Lautlichen Schwyzer 285f., Lejeune Traité de phon. 108 A. 3, 119 A. 2); das zugrunde liegende primäre Verb ist noch in heth. karš-mi ‘abschneiden’ (idg. eher *qérs-mi als *qórs-mi) vorhanden; dazu mit t-Erweiterung toch. A kärṣt-, B kärst- Abschneiden, zerstören’. Spuren desselben Verbs (mit anderer Lautentwicklung) zeigen noch gr. ἀ-κερσε-κόμης, Κόρσης Spitzname eines glattrasierten Mannes (Chrysipp.), κορσός· κορμός H., κορσοῦν· κείρειν H. mit κορσᾶς m. (Pap.), κορσω-τήρ (Kall., Poll.) ‘Barbier’, -τεύς ‘ds.’ (Ath. 12, 520e), -τήριον ‘Barbierstube’ (ebd.); dazu noch κόρση, s. d. — Lit. bei Bq s. v., WP. 2, 583f. (Pok. 945). Weiteres s. κείρω. I-935
κούρητες, κουρίδιος s. κόρη. I-936
κουρίξ Adv. ἔρυσάν τέ μιν εἴσω κ. (χ 188), κ. ἑλκομένη (A. R. 4, 18), κ. αἰνυμένους (H.). — Von κουρά nach den Adv. auf -(ί)ξ (Schwyzer 620, Chantraine Gramm. hom. 1, 250), eigentliche Bed. strittig. Nach Aristarch = τῆς κόμης ἐπιλαβόμενοι, d. i. ‘an den Haaren, beim Schopfe (fassend)’, was unmittelbar verständlich ist, wenn auch κουρά = ‘Haar, Schopf’ gewisse Bedenken erregen könnte. Nach Anderen (Bq s. v., WP. 2, 583) eig. ‘(den Haarschopf) wie beim Scheren (fassend)’, was der gewöhnlichen Bedeutung von κουρά näherkommt. — Verfehlte Deutungen (κόρση, Sippe von κάρᾱ) bei Bq. I-936
κοῦρος m. koll. etwa ‘Schnitzel, abgehauene Äste’ (IG 22, 1362, 6; IVa fin.: ξύλα .. κοῦρον .. φρύγανα .. φυλλόβολα). — Verbalabstraktum aus *κορσος wie κουρά (s. d.) aus *κορσά; vgl. Forbes Glotta 36, 238. Hierher (ohne -σ-) auch κόρος ‘Ast, Sproß’? (vgl. zu κόρη). I-936
κοῦφος ‘leicht, von geringer Schwere, leichtbeweglich, gehaltlos, nichtig, leer’ (seit Ν 158 und θ 201: κοῦφα bzw. κουφότερον als Adv.); zur Bed. Treu Von Homer zur Lyrik 76 usw. (s. Wortreg.). Wenige Kompp., z. B. κουφό-νοος ‘leichtsinnig’ (Trag., sp. Prosa), ὑπό-κουφος ‘etwas leicht’ (Dsk., Plu.). Ableitungen: κουφοτής f. ‘Leichtigkeit’ (Hp., Pl. usw.; Akzent nach βαρυτής, Wackernagel Gött. Nachr. 1909, 59 = Kl. Schr. 2, 1117, Schwyzer 382); κουφεῖαι pl. etwa ‘Topfscherben, Schutt’? (PTeb. 5, 199; IIa; κοῦφον [κεράμιον] auch ‘[leeres] Gefäß’); ngr. (ἀγριο-)κουφίτης m. Pflanzenname, ‘Erdrauch, Fumaria’ (Redard Les noms grecs en -της 68 u. 73). Denominativum κουφίζω ‘erleichtern, aufheben, tilgen’ (Hp., att. usw.), selten intr. ‘leicht sein’ (Hes. Op. 463, Hp., Trag.), mit κούφισις (Th. u. a.), -ισμα (E. u. a.), -ισμός (hell. u. sp.) ‘Erleichterung’; κουφιστήρ ‘Polster’ (um den Druck zu erleichtern; Mediz.); κουφιστικός ‘erleichternd’ (Arist. u. a.). — Isoliert, aber trotzdem wohl altererbt. Wertlose Vermutungen über die Etymologie sind bei Osthoff MU 6, 17f. und bei Bq notiert. Die Hochstufe des Stammes und die Barytonese fallen bei einem Adj. auf (Schwyzer 459); eig. adjektiviertes Subst.? — Durch κοῦφος wurden die alten ἐλαχύς, ἐλαφρός teilweise ersetzt bzw. zurückgedrängt, ein Umstand, der für die Bedeutungsentwicklung dieser Wörter nicht ohne Belang war. I-936
κόφινος m. ‘großer Weidenkorb’ (att., hell. u. sp.; zur Bed. Schulze BerlSb. 1905, 727f. = Kl. Schr. 498f.), auch als Hohlmaß = 9 att. χοίνικες (böot. Inschr. u. a.). Deminutivum κοφίνιον (Pap.); κοφινώδης ‘korbähnlich’ (Sch.), -ηδόν ‘korbweise’ (EM); κοφινόομαι ‘einen Korb über den Kopf bekommen’ (Nik. Dam.). — Technisches LW ohne Etymologie; Erklärungsversuche bei Bq und v. Windekens Le Pélasgique 103. Lat. LW cophinus, woraus engl. coffin ‘Sarg’, mhd. koffer usw. I-936-937
κόχλος m. (f.) ‘Muschel mit gewundenem Gehäuse, Meer-, Landschnecke’, auch ‘Purpurschnecke, Schminke’ (E., Arist., Theok. usw.). Davon mehrere Deminutivbildungen: κοχλίς f. (Luk., Man.); auch N. eines arabischen Steins (Plin.); κοχλία = ξιφύδρια, ‘Muscheln’ (H.); κοχλίδιον (Pap., Epikt.), -άδιον (Sch.). — Andere Ableitungen: κοχλίας m. ‘Schnecke mit gewundener Schale’, oft übertr. ‘Wasserschraube, Wendeltreppe usw.’ (Kom., Arist., hell. u. sp.); lat. LW coc(h)lea, vgl. Ernout Aspects du vocab. latin 54f.; κοχλιός ‘ds.’ (Paul. Aeg., Aët., Gloss.); κόχλᾱξ m. = κάχληξ und Umbildung davon (LXX, Dsk. u. a.); lat. LW coclāca (Orib. lat.; vgl. Ernout a. a. O.). — Unklar κοχλιάξων (-άζων), -οντος m. Art Maschinenschraube (Orib.; nach ἄξων?). — Aus lat. coc(h)lear, -āris n. (von coc(h)lea) als Rückentlehnung κοχλιάριον ‘Löffel’, auch als Maß (Dsk., Mediz.); urspr. N. eines Löffels, dessen spitzes Ende zum Ausziehen der Schnecken aus ihrer Schale diente; vgl. W.-Hofmann s. coc(h)lear. Beziehung zu κόγχος, κόγχη liegt nahe; der dabei anzunehmende Nasalwegfall (Curtius 152, Fick 1, 45) bleibt aber noch zu begründen. Unhaltbare Vorschläge werden bei WP. 1, 338 u. 462 abgelehnt. I-937
κοχυδέω (Pherekr. 130, 4), Ipf. κοχύδεσκεν (Theok. 2, 107; v. l. κοχύεσκεν), Präs. auch κοχύζει (Stratt. 61; cod. κοκκύζει) ‘mächtig hervorströmen’. — Intensive Reduplikationsbildung zu χύδην (zum dissimilierten Vokal Schwyzer 647). Dazu als Rückbildungen κοχύ· πολύ, πλῆρες H., κόχος ‘mächtiger Strom’ (Sch. Theok. ad loc.). I-937
κοχώνη f. ‘Stelle zwischen den Schenkeln, Hinterbacke’ (Hp., Kom., Herod.). — Die fast völlige Identität mit aind. jaghána- m. n. ‘Hinterbacke’ kann schwerlich Zufall sein; die weitere Beurteilung bleibt hypothetisch. Seit J. Schmidt KZ 25, 112 u. 116; 32, 373f. wird κοχώνη als assimilierte Form für *καχώνα erklärt, wobei *καχ- = aind. jagh- als Schwundstufe von jáṅghā f. ‘Unterschenkel’ usw. (zu got. gaggan ‘gehen’, idg. ĝhengh-) gilt. Beachtenswerte Einwände von Specht KZ 66, 197ff., der wegen προχῶναι ‘Hinterbacken’ (Archipp. 41) κοχώνη von jaghána- usw. trennt und dafür an χάσκω und Verw. (als "Kluft") anknüpfen will; κοχώνη dann aus *κεχ-. In dem einmaligen προχῶναι kann aber eine komische Verdrehung von κοχώνη nach πρωκτός vorliegen (Güntert Reimwortbildungen 122). Anders über προχῶναι (nach προχωννύω) Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 22f. I-937-938
κόψιχος m. ‘Amsel’ s. κόσσυφος. I-938
κράββατος (κράβαττος, κράβατος, auch -ακτος, -ον durch umgekehrte Schreibung, Schwyzer 317 A. 1) m. ‘niedriges Ruhebett’ (Rhinth., Kriton Kom., Arr., Pap. d. Kaiserz., NT). Komp. κραβατο-πόδιον = ἑρμίς, ‘Bettpfosten’ (Sch.). Deminutiva: κραβάτιον (Arr., -άκτιον Pap. V—VIp), κρεβαττάριον (Ed. Diocl.), ngr. κρεββάτι. Adj. κραβακτήριος (Pap. VIp). — Unklar κραβάτριος, etwa ‘Kammerdiener’? (IPE 2, 297). Zunächst aus lat. grabātus (-attus), nach Kretschmer Festschr. Bezzenberger 91 ff. maked.-illyr. von einem Wort für ‘Eiche’, *γράβος, das noch in γράβιον (s.d.) erhalten ist. Zum anl. κ- für γ- Schwyzer ZII 6, 242. II-1
κράβυζος m. N. eines Muscheltiers (Epich. 42). — Wohl Fremdwort; zum Ausgang -υζος Schwyzer 472 m. A. 3. Nach Strömberg Fischnamen 121 für *κραβό-βυζος aus κράβος· ὁ λάρος H. und βῦζα ‘Uhu’ (Nik.). II-1
κραγγών, -όνος (v. ll. κραγών, κράγγη) f. N. eines kleinen Krebstieres, wahrscheinlich ‘Squilla mantis’ (Arist. HA). — Zur Bildung auf -ών Chantraine Formation 159. Die Bedeutung läßt auf eine Entlehnung schließen. Die Anknüpfung an aind. śŕ̥ngam ‘Horn’ (Zupitza KZ 36, 59 ff. mit Johansson Beitr. z. griech. Sprachkunde 13), wozu κέρας u. Verw., wird mit Recht von Brugmann Grundr.2 2:1, 508 in Zweifel gezogen. — Für κραγγών· κίσσα H. will v. Blumenthal Hesychst. 41 f. κραγών, d. h. "Krächzevogel" (κράζω) lesen und umgekehrt κραγών· ἔνυδρον ζῶον in κραγγών ändern, wodurch sich eine richtige Alphabetenfolge wiederherstellen ließe. II-1
κραδάω nur Ptz. κραδάων (Hom.), κραδαίνω (seit Il.) ‘schwingen, erschüttern’, Med. ‘schwanken, zittern’; κραδεύειν H. als Erklärung von κραδαίνειν. Vereinzelt mit Präfix: ἐπι-κραδάω (A. R., Opp.); ἐπι-, δια-, συγ-κραδαίνω (Tim. Pers., Arist. u.a.); ἀνακραδεύει· σείει, σαλεύει H. Daneben κράδη f. ‘Baumwipfel, Zweigspitze, Zweig, bes. Feigenzweig’ (ion. att. seit Hes. Op. 681) mit ἀπο-κράδιος ‘vom einem Feigenbaum gepfiückt’ (AP), ἀπο-κραδίζω ‘von einem Feigenbaum pflücken’ (Nik.); auch ‘krankhafter Auswuchs, der einem Feigenzweig gleicht’ mit κραδάω ‘an einer κράδη leiden’ (Thphr.; vgl. Strömberg Theophrastea 195); auch N. einer Schwebemaschine, die bei szenischen Aufführungen verwendet wurde (Poll. 4, 128, H.). Nebenform κράδος ‘Rost od. Brand der Feigenzweige’ (Thphr. HP 4, 14, 4), nach Thphr. a.a.O. auch Benennung des Zweiges selbst. — Ableitungen: κραδησίτης· φαρμακός (’Sündenbock’), ὁ ταῖς κράδαις βαλλόμενος H. (vgl. Redard Les noms grecs en -της 242 A. 29); κραδίης m. ‘mit Feigenzweigen bereitet, von F. begleitet’ (H., Hippon.); κραδιαῖος ‘auf Feigenzweige bezüglich’ (Orph.); κράδαλοι· κλάδοι H. κραδαλός ‘zitternd’ (Eust.). — Zu κραδευταί s. κρατευταί. — Daß κράδη und κράδος mit κραδάω (wozu κραδαίνω als Erweiterung) zusammenhängt, scheint sicher; ihr gegenseitiges Verhältnis läßt aber verschiedene Auffassungen zu. Es liegt nahe, κραδάω als Denominativum zu verstehen, wobei für κράδη eine ursprüngliche Bedeutung ‘das Schwingen’ anzunehmen ist, was sich mit den Bedd. ‘Wipfel’ und ‘Schwebemaschine’ wohl verträgt (Fraenkel Denom. 19f.). Oder aber κραδάω ist als schwundstufiges Iterativum von einem verschwundenen primären Verb abgeleitet (vgl. Schwyzer 719 Mom. 4, Leumann Lat. Gramm. 317c m. Lit.) und hat selbst κράδη, -ος als Rückbildung ins Leben gerufen; diese letztere Alternative scheint den Vorzug zu verdienen. Noch anders (kaum zutreffend) Schwyzer 682 und Chantraine Gramm. hom. 1, 356: κραδάω altes (urspr. athematisches) Wurzelpräsens. —Eine sekundäre Nominalableitung zum primären Verb (*κέρδω o. ä.) kann in κόρδᾱξ N. eines Tanzes vermutet werden; s. d. mit weiteren Anknüpfungsversuchen. Ganz hypothetische Kombinationen bei W.-Hofmann s. cardō (m. Lit.), WP. 1, 567f., Pok. 934; s. noch Fraenkel Lit. et. Wb. s. (pa)-kìrsti.— Ein uraltes Wurzelnomen zu κραδάω u. Verw. wird von Schulze KZ 57, 75 = Kl. Schr. 217 fragend in dem idg. Wort für ‘Herz’, gr. κῆρ usw. (eig. "das Zuckende"?) vermutet. II-1-2
κράζω (einzelne Belege ab Ar.); Perf. κέκρᾱγα (Trag., Ar. usw.) mit Prät. ἐκέκραγον (LXX), Fut. κεκράξομαι (Kom., LXX usw.), κεκραγήσει· κραυγάσει H., Aor. κεκρᾶξαι (LXX); Aor. κρᾰγεῖν (ξ 467, Pi., Antiphon, Ar. u. a.), später κρᾶξαι (Thphr., LXX u. a.) mit Fut. κράξω (AP, Ev. Luk.), ‘krächzen, schreien’. auch mit Präfix, bes. ἀνα-, Ableitungen: κεκράκτης m. ‘Schreier’ (Hp., Ar., Luk.), κέκραγμα (Ar.), κεκραγμός (E., Plu.) ‘Geschrei’; κεκραξι-δάμας m. ‘durch Geschrei bezwingend’, scherzhafter Beiname des Kleon (Ar. V. 596, nach ’Αλκι-δάμας; Sommer Nominalkomp. 174 m. Lit.); κρᾱγέτας m. ‘Schreier’ (Pi.; Schwyzer 500), κρᾰγός ‘Geschrei’ (Ar. Eq. 487 κραγὸν κεκράξεται; Schwyzer 626), κράκτης ‘Schreier’ (Adam., Tz.) mit κράκτρια H. s. λακέρυζα, κρακτικός ‘schreiend, lärmend’ (Luk. u. a.). Das ursprüngliche System umfaßte einen thematischen Wurzelaorist κρᾰγεῖν nebst einem intensiven Perfekt κέκρᾱγα mit Präsensbedeutung (Schwyzer-Debrunner 263f.); hinzu trat ein nur selten vorkommendes Präsens κράζω mit neuem Aorist κρᾶξαι usw.; ein weitere Neuschöpfung war ἐκ-, ἐγ-κραγγάνω (Men., H.). Von der zentralen Stellung des Perfekts zeugen die davon gebildeten Verbal- und Nominalformen κεκράξομαι, κεκράκτης usw. — Als ursprüngliches Schallwort haben κέκραγα, κραγεῖν einen nahen Verwandten in κρώζω ‘krächzen’; dazu könnte κρᾰγεῖν sogar einen regelmäßigen schwundstufigen Aorist darstellen. Das dehnstufige κέκρᾱγα hat ein zweisilbiges Seitenstück in κάραγος· ὁ τραχὺς ψόφος, οἷον πριών H.; vgl. s. v. — Weiteres s. κρώζω, auch κόραξ und κραυγή. II-2-3
κραιαίνω (v. l. κρᾱαίνω), Aor. κρηῆναι (ep. seit Il.), κραᾶναι H., Pass. κρᾱανθῆναι (Theok.), Perf. 3. sg. κεκρά̄ανται (Od.), Vbaladj. ἀ-κρά̄αν-τος (Hom.); — κραίνω (ep. poet. seit Od., Mediz.), Fut. κρᾰνέω, -ῶ (Emp., A., E.; ἐπι-κρᾱνεῖ A. Ag. 1340), κρᾰνέεσθαι (Ι 626, intr.), Aor. κρῆναι (ep. seit Ο 599), κρᾶναι (A., S.), Pass. κρανθῆναι (Pi., Trag.), Perf. 3. sg. κέκρανται (Trag.), ἄ-κραν-τος (Pi., Trag.); ‘vollenden, vollbringen’ (seit Il.), intr. ‘enden’ (Mediz.), ‘herrschen’ (θ 391, S., E.; Wackernagel Unt. 157). auch mit ἐπι-, — Von κραίνω : κράντωρ, -ορος ‘Herrscher’ (E. in lyr., AP), ‘Vollbringer’ (Epigr. ap. Paus. 8, 52, 6), mit Dissimilation κάντορες· οἱ κρατοῦντες H. (Lewy KZ 59, 180); κραντήρ, -ῆρος ‘Herrscher’ (Orph.), pl. ‘Weisheitszähne’, eig. "Vollbringer", scil. der Zahnreihe (Arist.), sg. ‘Fangzahn’ (Nik., Lyk.); f. κράντειρα ‘Herrscherin’ (APl., Orph.); zu κράντωρ, -τήρ Benveniste Noms d’agent 46f.; κράντης ‘Vollender, Zustandebringer’ (Lyk.); κραντήριοι· οἱ κραίνοντες, καὶ ἐπιτελοῦντες H. — Zusammenbildung αὐτό-κρανος ‘sich selbst vollendend, selbstverständlich’ (H., EM; auch A. Fr. 295f.); nach H. auch = κίων μονόλιθος; wenigstens in der letzgenannten Bed. wohl eher zu κάρᾱ ‘Kopf’; s. -κρανον s. κρανίον. Die gut beglaubigte Variante κρᾱαίνω kann für *κρᾱσαίνω stehen und verhält sich demnach zum Gen. κρά̄ατος aus *κρά̄σα-τος von κάρᾱ, κάρη ‘Kopf’ wie z.B. ὀνομαίνω zu ὀνόμα-τος von ὄνομα; d.h. es geht als Denominativum von dem in dieser Form verbauten n-Stamm aus. Eigentliche Bedeutung somit ‘(einem Unternehmen) das Haupt aufsetzen’ (vgl. καρᾱνοῦν ‘vollenden’ von κάρᾱνον ‘Haupt’), intr. ‘Haupt sein’. — Neben κρᾱαίνω steht mit ionischer Lautform der Aorist κρηῆναι, kontrahiert κρῆναι, wozu wiederum das jüngere Präsens κραίνω (vgl. φῆναι : φαίνω) mit κρᾰνέω usw. Die gewöhnliche ep. Form κραι-αίνω hat wahrscheinlich ihre Stammsilbe κραι- aus κραίνω bezogen, evtl. als Ersatz eines ionischen *κρηαίνω neben κρηῆναι (Leumann IF 57, 157). —Fraenkel Denom. 7, Bechtel Lex. s. v. (nach Fick, J. Schmidt, Wackernagel, Danielsson); zustinmmed Schwyzer 724f. und Chantraine Gramm. hom. 1, 82, der immerhin (1, 343) mit Benveniste Origines 17 als Grundlage ein besonderes *κράσαρ n. ‘achèvement’ ansetzt; nicht glaubhaft. — Abzulehnen Bq mit Brugmann und Danielsson: κρα(ι)αίνω und κραίνω zwei verschiedene Wörter; Ehrlich Sprachgesch. 22 f. (s. Bq), Luther Weltansicht und Geistesleben 33f., Gray Et. Celt. 6, 66, Mann Lang. 17, 16; 28, 33. II-3-4
κραιπάλη f. ‘Weinrausch mit daraus entstandenem Kopfweh, Katzenjammer’ (Hp., Ar. usw.). Kompp. ἀ-κραίπαλος ‘vom Rausch befreit, befreiend’ (Arist., Dsk. u. a.), κραιπαλό-κωμος ‘an einem Gelage teilnehmend’ (Ar.). Davon κραιπαλώδης ‘rauschsüchtig’ (Phld., Plu.), κραιπαλάω ‘einen Rausch oder Katzenjammer haben’ (Ar., Pl., Plb. usw.). — Volkstümliches Wort auf -άλη; vgl. zur Bildung ἀγκάλη, μασχάλη, σκυτάλη usw. (Chantraine Formation 245ff.); aber sonst dunkel. Beziehung zu κραιπνός (Curtius 679f. u. A.) mit ν : λ-Wechsel liegt formal nahe und ist auch semantisch nicht unmöglich, obwohl selbstverständlich nicht zwingend (vgl. Solmsen KZ 30, 602f.). Über verfehlte idg. Erklärungsversuche s. Bq. — Lat. LW crāpula ‘ds.’ ( > frz. crapule) mit unklarem ā; s. W.-Hofmann s. v.; auch Ernout Aspects du vocab. latin 61 u. 67. II-4
κραιπνός ‘reißend, heftig, schnell’ (ep. poet. seit Il.; vgl. Treu Von Homer zur Lyrik 6f.); κραιπνό-συτος, -φόρος ‘schnell dahineilend, -führend’ (A.). — Unerklärt. Früher (z.B. Curtius 143 u. 525) mit καρπάλιμος verbunden; die dafür gegebene lautliche Begründung (Solmsen KZ 30, 602) ist kaum stichhaltig, s. Schwyzer 274. — Ältere Lit. mit verfehlten Deutungsvorschlägen bei Bq. II-4
κραῖρα · ἡ κεφαλή, καὶ ἀκροστόλιον; κραῖροι· στόλοι νεῶν, μέτωπα, κεφαλαί H. Sonst nur als Hinterglied: ὀρθό-κραιρα ‘mit aufrecht stehenden Hörnern, Schnäbeln’ (βοῶν, νεῶν ὀρθο-κραιράων Hom., Versende); ἐῢ-κραιρα ‘mit schönen Hörnern’ (βουσὶν ἐϋκραίρῃσιν h. Merc. 209); ἡμί-κραιρα ‘halber Kopf, Kopfhälfte’ (Kom., Inschr.); μελάγ-κραιρα ‘mit schwarzem Kopfe’ (Lyk., [Arist.] Mir.); δί-κραιρα ‘gabelig’ (A. R.). — εὔ-κραιρος f. (A., Opp., Tryph.; als geringe v. l. h. Merc. 209); ὀρθό-κραιρος f. (AP); τανύ-κραιρος m. f. ‘mit langen Hörnern’ (AP, Opp.); δί-κραιρος m. ‘zweihörnig’ (AP); βοό-, ἰσό-, ὁμό- κραιρος (Nonn.). — Mit Umbildung nach den Nom. auf -ης, -ητος : εὐκραίρης (Max. 84). — Die angeblichen Simplizia κραῖρα und κραῖρος sind offenbar aus den Kompp. ausgelöst. Alt ist nur die Femininform -κραιρα. Zu dieser wurde nach den übrigen komponierten Adj. ein genusindifferentes -κραιρος hinzugebildet, das sich mit der Zeit durchsetzte. — Als Feminina gesellen sich ὀρθό-κραιρα usw. zu Bildungen wie πίειρα, πρῷρα, die mit ια-Suffix von einem ρ-Stamm gebildet sind, der seinerseits mit einem ν-Stamm abwechselt (πίων, πρώων) und auch mit einem σ-Stamm in Verbindung stehen kann (aind. pī́vas- n. ‘Fett’ neben πίων, πίειρα; κῦδος : κυδρός : κυδαίνω). Daß -κραιρα zu κέρας, κάρᾱ (urspr. σ-Stamm) gehört, ist schon längst erkannt; als Grundform läßt sich entweder *-κρᾱρ-ι̯ᾰ mit altem Wechsel κερα-σ- : κρᾱ-ρ- oder *-κρᾱσ-ρ-ι̯ᾰ neben *καρασ-ν(ο)- > κάρην(ο)- ansetzen; vgl. noch καρά̄ρα < *καρασ-ρ-ᾱ ‘Kopf’ (s. κάρηνα) und ναύ-κρᾱρος, auch ἡμί-κρανον = ἡμί-κραιρα (Alex. Trall.) neben κρανίον (s. d.); das -ᾱ- wurde vor -ρι̯- regelmäßig gekürzt. So im Prinzip aber mit verschiedenen Modifikationen Danielsson Gramm. u. et. Stud. 1, 33f., Wackernagel BB 4, 312, Brugmann MU 2, 242f. u. IF 18, 432 A. 1 (Referat bei Bq), Bechtel Lex. s. ὀρθόκραιρα. II-4-5
κράμβος = καπυρός, ξηρός, von Lauten (Ar. Eq. 539 : κραμβότατον στόμα; H., Suid.); als Subst. m. ‘Schrumpfkrankheit der Trauben’ (Thphr.; Strömberg Theophrastea 167). Davon κραμβαλέος ‘trocken, geröstet’ (Ath.; nach αὐαλέος u.a.), κραμβαλίζουσιν· καπυρίζουσι H.; mit Vokalassimilation κρομ-βόω ‘rösten, braten’ (Diph.). — Daneben κράμβη f. ‘Kohl’ (ion. att.; nach den eingeschrumpften Blättern, Strömberg Pflanzennamen 24) mit κραμβίδιον ‘ds.’ (Antiph.), κραμβίον ‘Kohlsuppe’ (Hp. u. a.; neugr. Formen [teilweise mit γρ-] bei Georgakas ByzZ 41, 362), κραμβίς ‘Kohlwurm’ (Ael.; Ström- berg Wortstudien 9), κραμβήεις ‘kohlähnlich’ (Nik.), κραμβίτας m. ‘Gemüsehändler’ (Thessal.; Redard Les noms grecs en -της 37). Vorderglied z.B. κραμβο-κέφαλος ‘kohlköpfig’ (Pap.). — Hierher noch κράμβαλα· μνημεῖα H. (von der Aschenurne); auch κράμβωτον· ἰκτῖνος H. (nach den Krallen?; anders Thompson s. v.). Zu dem Ausgang -βος und dem α-Vokal vgl. u. a. σκαμβός, κλαμβός (s. d.). Der Akzent fällt auf und legt den Gedanken an ursprüngl. substantivische Funktion nahe; das seltene κράμβος somit sekundär gegenüber κράμβη (mit regelmäßiger Paroxytonierung)? — Vom volkstümlichen α-Vokal abgesehen stimmt κράμβος, -βη lautlich zu einer germanischen Wortgruppe, u. a. ahd. (h)rimfan ‘runzeln, krümmen, rūmpfen’, mnd. ramp ‘Krampf’, idg. *qremb-, *qromb-; sehr fraglich dagegen lit. kremblỹs ‘Eierschwamm, Pfifferling’, s. Fraenkel Lit. et. Wb. s. v. Npers. LW karaṃb ‘Kohl’. — Daneben stehen Wörter mit anlautendem idg. sqr-, z.B. mhd. schrimpfen, nhd. schrumpfen; mit auslautendem idg. bh ohne Nasal, z.B. lit. skrèbti (Ind. skre-m-b-ù) ‘eine dünne Kruste ansetzen, steif werden’, gr. κάρφω usw., s. d. m. Lit. — Vgl. noch κρόμπος. — Pelasgische Etymologie bei Carnoy Ant. class. 24,18. II-5-6
κραναός ‘hart, rauh, felsig’ (ep. poet. seit Il.), auch von Athen und den Athenern (Hdt., Ar. u. a.); κραναή-πεδος ‘mit felsigem Boden’ (h. Ap. 72, -η- metrisch bedingt; Zumbach Neuerungen 18). — Zur Form vgl. κερα(ϝ)ός, τανα(ϝ)ός; somit wohl eig. *κραναϝός; weitere Anknüpfung unsicher. Die herkömmliche Verbindung mit Wörtern für ‘hart’ (s. κράτος) besagt nichts, solange die Bildungsweise nicht aufgeklärt ist. Anders Johansson BB 18, 26f. und Ehrlich Sprachgeschichte 21f. (κάρνος, κραίνω, κράνος usw.; s. Bq). II-6
κρᾱνίον n. ‘Schädel, Hirnschale’, auch vom Kopf im allg. (Θ 84 [Attizismus?, Wackernagel Unt. 225, Chantraine Gramm. hom. 1, 18, Shipp Studies 21], Pi. I. 4, 54, att.). Als Vorderglied in κρανιό-λειος ‘kahlköpfig’ (Kom. Adesp. 1050); nicht selten als Hinterglied, zumal in mediz. Ausdrücken, z.B. ὀπισθο-κράνιον ‘occiput’, ἐγ-κράνιον ‘cerebellum’ (nach (ἐγ-κέφαλος), aber auch sonst, z.B. βου-κράνιον ‘Ochsenkopf’ (EM), auch als Pflanzenname (Ps.-Dsk., Gal., Strömberg Pflanzennamen 47). Adjektivische Hypostase περι-κράνιος ‘um den Schädel herumlaufend’ (Plu., Mediz.). Daneben, u. zw. älter und weit gewöhnlicher, -κρᾱνον, z.B. ἐπί-κρανον ‘Säulenknauf, Kopfbinde’ (Pi., E., Inschr. u. a.), ποτί-κρανον ‘Kopfkissen’ (Sophr., Theok. u. a.), ὀλέ-κρανον ‘Ellbogen-(kopf)’ (Hp., Ar., Arist. usw.), κιο(νό)-κρανον (s. κίων). Adj., z.B. βού-, ἐλαφό-, δί-, τρί-, χαλκεό-, ὀρθό-κρανος (fast nur poet.). Sehr selten als Vorderglied: κρανο-κοπέω ‘den Kopf abhauen’ (Pap.); zu κρανο-κολάπτης s. κράνον. — Denominative Verba: κρανίξαι· ἐπὶ κεφαλὴν ἀπορρῖψαι, κρηνιῶν· καρηβαρῶν H.; Hypostase ἀποκρανίξαι ‘vom Kopf losreißen’ (AP), ‘den Kopf abhauen’ (Eust.). — Die Sekundärbildung κρᾱνίον geht offenbar auf ein nominales Grundwort zurück. Als solches wird von Bechtel Lex. s. v. ein Substantiv *κρᾶνον angesetzt, das indessen eigentlich nur als Hinterglied in zahlreichen Kompp. (s. oben) belegt ist. Es empfiehlt sich deshalb, direkt vom obliquen Stamm κρᾱν- auszugehen. Sowohl κρανίον wie -κρανον, -ος würden dann von κάρᾱ, κρᾱτός ‘Kopf’ (s. d.) aus gebildet sein, gerade wie κύρ-ιος und ἄ-κυρος beide ein Nomen κύαρ voraussetzen (s. κύριος). Als Grundwort wäre an sich auch κράνα· κεφαλή H. möglich; wieviel aber auf diese vereinzelte Glosse zu bauen ist, bleibt zweifelhaft. — Lit. m. weiteren Formen s. κάρᾱ, κέρας. II-6-7
κράνον auch κράνος f. (Pap., Gp.) n. (Thphr., Mediz.), ‘Kornelkirschbaum, -kirsche’. Als Vorderglied vielleicht in κρανο-κολάπτης N. einer Spinne (Philum. Ven. 15, 1, Sch. Nik. Th. 764), s. Strömberg Wortstudien 22. — Gewöhnlicher und früher belegt κράνεια f. ‘Kornelkirschbaum’ (Hom., E., Thphr., hell. Inschr.), auch κρανία (Hp., Dsk. u. a.), -έα (Gp.). Davon κράνειον (-ιον) ‘Kornelkirsche’ (Thphr., Gal.), κρανέϊνος ‘aus Kornelkirschholz’ (Hdt., X. u. a.), auch κρανάϊνος ‘ds.’ (Hp., X., Str. u. a.; nach ἐλάϊνος), κράνινος ‘ds.’ (Paus.). Mit κράνον, -ος lassen sich die synonymen lat. cornum, -us als Erbwörter gut identifizieren: idg. *kr̥nom, -os. Als dritter einzelsprachlicher Vertreter kommt lit. Kirnis N. eines Gottes, der die Kirschbäume (*kirnas) beschützt, hinzu. Zweifel bei Ernout-Meillet s. cornus, aber zustimmend Ernout Aspects du vocab. latin 21. Wie sich κέρασος (s. d.) dazu verhält, bleibt offen. Weitere Hypothesen m. Lit. bei Bq s. v., W.-Hofmann s. cornus, WP. 1, 411f., Pok. 572f. II-7
κράνος n. ‘Helm’ (ion. att.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 45 f.). Als Vorderglied in κρανο-ποιέω, -ποιΐα, -ποιός ‘Helme schmieden’ (Ar. u. a.). Demin. κρανίδιον (att. Inschr.). — Mehrere Deutungsversuche. Wie κόρυς ist auch κράνος zur großen Sippe von κάρᾱ, κέρας gezogen worden (s. Bq s. κραίνω). Dabei wäre von dem u. a. in lat. cor-n-ū enthaltenen, mit dem. s-Stamm in κέρας usw. alternierenden n-Stamm auszugehen. Nach anderen (Curtius, L. Meyer, Prellwitz) zu κάρυον, κραναός (s. dd.) usw. II-7
κραπαταλ(λ)ός m. N. eines wertlosen Fisches (Hdn., H.), auch übertr. = μωρός (H.; Strömberg Fischnamen 95 A. 2) und als N. einer Münze (= δραχμή) in Hades (Pherekr. bei Poll. 9, 83). Davon κραπαταλίας· ἀνεμώδης καὶ ἀσθενής. καὶ ἀνίσχυρα λέγων, ἄμεινον δὲ ληρώδης H. (Pherekr. 99). — Volkstümliche Bildung auf -αλ(λ)ός (Chantraine Formation 245ff., Schwyzer 483 f.) ohne Anknüpfung. II-7
κράσπεδον n. ‘Rand, Saum eines Kleides’, übertr. von einem Gelände, einem Gebirge, auch von einem Heere = ‘Flügel des Heeres’ (S., E., Ar., X., Theok., NT usw.) mit κρασπεδίτης ‘Flügelmann eines Chores’ (Plu.; Gegensatz κορυφαῖος) und κρασπεδόομαι ‘umsäumt sein’ (E.). — Altes Kompositum von κάρᾱ ‘Kopf’ in einsilbiger Schwachstufenform κρᾱσ- und verblaßtem πέδον ‘Ebene, Boden’, vgl. aind. dru-padá-m ‘Holzpfosten’; das Vorderglied läßt auf eine ursprüngliche Bedeutung ‘oberer Rand’ (eig. "Kopfstelle"?) schließen, s. Risch IF 59, 14 mit Leumanns Bemerkung ebd. A. 3. — Ältere Lit. bei Bq. II-7-8
κράστις ‘Grünfutter’ mit κραστίζομαι ‘weiden’ s. γράω. II-8
κράταιγος, auch -αιγών, -όνος m. ‘Weißdorn, Crataegus oxyacantha’ (Thphr.). — Von Prellwitz, Bq und WP. 1, 10 aus κρατύς ‘hart’ und αἰγ- in αἰγίλωψ (s. d.) u. a. erklärt, was für das Vorderglied der Hauptsache nach richtig sein wird; ähnlich auch Mayer Glotta 35, 157 (zu αἰγ-ανέη u. a.). Verfehlt Machek Ling. Posn. 2, 152 (: zu slav. glogъ ‘Weißdorn’; vgl. zu γλῶχες). II-8
κρατευταί m. pl. — Letzten Endes wohl mit Fick KZ 22, 230 zu κράτος, κρατύς wie τελευτή zu τέλος; vgl. Aristarch: ἀπὸ τοῦ διακρατεῖσθαι τοὺς ὀβελίσκους ἐπὶ τούτων (τῶν βάσεων) κειμένους. Als Zwischenglied mag ein Verb κρατεύω (κεκ[ράτ]ευκα nur IG 14, 1794) = κρατύνω ‘fest machen, befestigen’ gedient haben; vgl. noch den maked. PN Κρατεύας. Die seltene Nebenform κραδευταί (att. Inschr.; vgl. Solmsen KZ 42, 221 ff.) ist als volksetymologische Umwandlung nach κραδάω, -αίνω verständlich. Anders Schwyzer 257 mit G.Meyer und Brugmann: κρατ-aus κραδ- durch Assimilation oder (Brugmann) Volksetymologie. Einzelheiten bei Fraenkel Nom. ag. 1, 20 A. 1. ‘Stützsteine, (tönerne) Aufsätze an beiden Seiten des Opferaltars als Stützen für die Bratspieße’ (I 214, Eup., att. Inschr.; Chapouthier Rev. ét. anc. 43, 12ff.), auch ‘Stützsteine eines Pflasters’ (Lebadea), ‘Bleigänse’ (att. Inschr.). Davon κρατευτήρια pl. ‘ds.’ (Poll. 6, 89; nach den Nom. instr. auf -τήριον). II-8
κράτος, ep. ion. (dor.) auch κάρτος, äol. κρέτος n. ‘Stärke, Kraft, Macht, Herrschaft, Sieg’ (seit Il.; zur Bed. Trümpy Fachausdrücke 202 ff.). Oft als Vorderglied, z.B. ἀ-κρατής ‘ohne Kraft, ohne Macht (über andere oder über sich selbst)’; Gegensatz ἐγ-κρατής ‘Macht über etw. besitzend, (sich) beherrschend’ mit ἐγκράτεια, -έω usw.; αὐτο-κρατής ‘Macht über sich selbst habend, selbständig’; gewöhnlicher αὐτο-κράτωρ ‘Selbstherrscher’ (seit Ar. und Th.; nach den Nom. ag. auf -τωρ); Einzelheiten bei Debrunner Festschrift Ed. Tièche (Bern 1947) 11f.; daneben -κρέτης in äol. und ark. kypr. EN, z.B. Σω-κρέτης. Neben κράτος, κρέτος stehen mehrere Adjektiva: 1. κρατύς ‘stark, mächtig’ (Hom.; nur κρατὺς ’Αργεϊφόντης, Versende) mit κρατύνω, ep. auch καρτ-, ‘stärken, befestigen, herrschen’ (seit Il.) mit κρατυσμός ‘Stärkung’, κρατυντήριος ‘stärkend’, -τικός ‘ds.’ (Mediz.), κρατύντωρ ‘Beherrscher’ (PMag. Leid.). — 2. κρατερός (ep. lyr. seit Il., A. Pr. 168, anap.), καρτερός (seit Il.) ‘stark, mächtig, gewaltsam’ (ion. att.); auch als Vorderglied, z.B. κρατερό-φρων (poet. seit Il.). Davon καρτερέω, auch mit Präfix, z.B. δια-, ‘standhaft sein, ausdauern, über sich gewinnen’ (ion. att.) mit καρτερία (Pl., X. u. a.), -ρησις (Pl.) ‘das Ausdauern, Standhaftigkeit’, -ρικός (att.); καρτερόω ‘stärken’ (Aq., Herm.). — 3. κραταιός ‘stark, kräftig, mächtig, hart’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa), auch als Pflanzenname (Ps.-Dsk.; Strömberg Pflanzennamen 82); selten als Vorderglied, z.B. κραταιό-φρων (PMag.). Davon κραταιότης = κράτος (LXX), κραταιόω ‘stärken’ (LXX, NT u. a.) mit κραταίωμα, -ωσις (LXX). Fem. κραταιίς (Od.; Schwyzer 385). — 4. Primäre Steigerungsformen: Komp. κρείττων, ep. (attisierend) κρείσσων mit sekundärem -ει- für κρέσσων (ion., Pi.); dor. κάρρων, kret. κάρτων; Denominativum κρειττόομαι ‘Auswüchse bekommen’, vom Wein, mit κρείττωσις (Thphr.). Sup. κράτιστος, ep. κάρτ-, (seit Il.), mit -τεύω ‘der Beste sein, übertreffen’ (Pi., att.); -(ε)ία als Titel, ‘Hoheit’ (Pap.). — 5. Adv. κάρτα ‘in hohem Maße, sehr’ (vorw. ion. und Trag.). — 6. Als Vorderglied mehrfach κραται- (καρται-), z.B. κραται-γύαλος ‘mit starken Bruststücken’ (T 361). Außerdem Κρατι-, Καρτι- in EN, z.B. Κρατί-δημος, Καρτί-νικος; auch Κρατ(ο)-, Κρατε- u. a. (Bechtel Hist. Personennamen 256). Hypokoristische Kurznamen Κρατῖνος (Schwyzer 491, Chantraine Formation 205), Κρατύλος, Κράτυλλος (Leumann Glotta 32, 217 u. 225 A. 1), Κρατιεύς (Boßhardt Die Nom. auf -ευς 126). Zu Κρεσφόντης s. u. — 7. Verb: κρατέω (seit Il.), äol. κρετέω, Aor. κρατῆσαι (nachhom.), κρέτησαι (Sapph.), oft mit Präfix, z.B. ἐπι-, κατα-, περι-, ‘beherrschen, besitzen, vorherrschen, (be)siegen’; davon (ἐπι- usw.) κράτησις ‘Macht, Herrschaft’ (Th., LXX u. a.), (δια-, ἐπι-) κρατητικός ‘beherrschend’ (spät), (δια-)κράτημα ‘Stütze, Griff’ (Mediz.); κρατητής ‘Besitzer’ (Prokl.); κρατῆρας· τοὺς κρατοῦντας H. für κρατητῆρας (Lewy KZ 59, 182). Dagegen ἐγκρατέω von ἐγ-κρατής, ναυ-κρατέω, -τία von ναυ-κρατής usw.; s. oben. καρταίνειν· κρατεῖν H. — 8. Zu κρατευταί s. bes. — Mit der Hochstufe in äol. κρέτος alterniert regelmäßig die Schwundstufe in κρατύς, κάρτα (βένθος : βαθύς usw.; zu ρα : αρ Schwyzer 342). Durch Analogie entstanden sowohl κράτος, κάρτος wie die Kompp. κάρρων < *κάρσ(σ)ων < *κάρτι̯ων und κάρτων neben dem alten hochstufigen κρέσσων < *κρέτι̯ων; Einzelheiten bei Seiler Steigerungsformen 53 ff. Eine Schwachstufe des σ-Stamms in κρέτος wird auch in Κρεσ-φόντης ( < *Κρετσ-) vermutet (Kretschmer Glotta 24, 237, Heubeck Beitr. z. Namenforsch. 5, 26). — Wie sich die Formen im übrigen zueinander verhalten, ist nicht ganz klargelegt. Das Adjektiv κρατερός, καρτερός enthält vermutlich einen alten, mit dem σ-Stamm in κρέτος (und dem ν-Stamm in καρταίνειν?) alternierenden ρ-Stamm (Benveniste Origines 17, Leumann Hom. Wörter 115), obgleich eine analogische Neubildung zu κράτος, κρατέω nicht als ausgeschlossen gelten kann (z.B. Schwyzer 482). Dagegen dürfte das nur in EN erscheinende Κρατι-, Καρτι- nicht alt sein (wie z.B. im κυδι-άνειρα : κῦδος), sondern auf Analogie (nach ’Αλκι-, Καλλι- u. a.; Frisk Nom. 70) beruhen. Zu κάρτα vgl. z.B. τάχα, ἅμα. Das Vorderglied κραται- dürfte nach παλαι- u. a. gebildet sein; dazu κραταιός nach παλαιός? (vgl. Schwyzer 448 m. Lit.). Anders Risch 117: κραταιός Rückbildung zu κραταιή für *κράταια, Fem. zu κρατύς (Πλαταιαί : πλατύς). Auch κρατέω ist umstritten. Gegen die nächstliegende Erklärung als Denominativum von κράτος (Schwyzer 724; κρατῆσαι erst nachhom.) wendet sich Leumann Hom. Wörter 113ff.; er will dafür in κρατέω eine Rückbildung aus ἐπικρατέω von ἐπι-κρατής (Hom. nur Adv. ἐπικρα-τέως) sehen. Noch anders Specht KZ 62, 35 ff. : κρατέω aus *κρατει̯-ω zu κρατι-; dagegen Leumann a.a.O. Eine genaue Entsprechung zu κράτος u. Verw. gibt es nirgends. Sehr nahe kommen indessen aind. krátu- m. ‘Kraft, Verstand, Wille’, aw. xratu- m. ‘Verstand, Wille’. Die gegen diese Zusammenstellung oft geäußerten Bedenken (z.B. WP. 1, 354) wegen des vorwiegend auf geistige Qualitäten bezüglichen indoiran. Wortes erledigen sich schon durch einen Hinweis auf ags. cræft ‘Kraft, physische Stärke, Macht’, auch ‘Einsicht, Gewandtheit usw.’. Das germanische Wort für ‘hart’, got. hardus usw., das gewöhnlich, vielleicht mit Recht, hierhergezogen wird, weicht im Vokal (idg. *qartú- oder *qortú- gegenüber *qr̥tú- zu *qret-) ab. — Vgl. Mayrhofer Wb. s. krátuḥ m. Lit. II-8-10
κραυγή f. ‘Geschrei, lautes Rufen’ (att. usw.). Davon κραυγίας· ἵππος, ὁ ὑπὸ κραυγῆς καὶ ψόφου ταρασσόμενος H. und κραυγός· δρυοκολάπτου εἶδος H. Denominativum κραυγάζω ‘schreien, krächzen, kreischen’ (unbek. Dichter bei Pl. R. 607b, D., hell. u. sp.) mit κραυγασμός ‘Geschrei’ (Diph.), *αστής ‘Schreier’ (AB), -άστρια f. (H.), -αστικός ‘schreiend’ (Prokl., Sch.). Auch κραύγασος ‘Schreier’ (Gloss.; Schwyzer 516, Chantraine Formation 435) mit Κραυγασίδης (Batr.), κραύγαζος (Ptol.). — Andere Bildung κραυγανάομαι in κραυγανώμενον (Hdt. 1, 111; v. l. -γόμενον; vgl. Schwyzer 770); unsicher Sch. Kall. Aet. Fr. 1, 20. — Dazu die PN Κραῦγις, Κραυξίδας, Κραυγαλίδαι (Bechtel Hist. Personennamen 496). — Zu κραυγ-ή, das als Nomen actionis ein verschollenes primäres Verb voraussetzt, bieten sich aus dem Germanischen und Baltoslavischen mehrere Verwandte. Mit κραυγός könnte awno. hraukr ‘Seerabe’ sogar direkt gleichgesetzt werden (Fick KZ 43, 144; von Falk-Torp Wb. s. raage II abgelehnt). Daneben mit ablautendem ū got. hrūk Akk. sg. ‘das Krähen’ und hrūkjan ‘krähen’ (wäre gr. *κρυγέω; in κορύγης· κῆρυξ. Δωριεῖς H. enthalten?; Fick a.a.O.). Auslautende Tenuis liegt vor u. a. in lit. kraukiù, kraũkti ‘krächzen’, slav., z.B. russ. kruk ‘Rabe’ (idg. *qrauqos). Zu bemerken außerdem, mit palatalem Auslaut, aind. króśati = aw. xraosaiti ‘kreischen, schreien’. — Wie in den sinnverwandten κράζω, κρώζω liegt auch in κραυγή eine alte Lautnachahmung vor. WP. 1, 417, Pok. 571, Vasmer Russ. et. Wb. s. kruk, Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. hruk, W.-Hofmann s. cornīx; überall mit weiteren Formen und Lit. II-10-11
κραῦρος ‘trocken, spröde, zerbrechlich’ (Pl., Arist., Thphr. usw.) mit κραυρότης ‘Sprödheit’ (Thphr., Gal.), κραυρόομαι ‘trocken werden’ (Ph., D. C.). Außerdem κραῦρος m. (Arist.) = κραῦρα f. (Gortyn [?], Suid., Phot.) ‘fieberhafte Krankheit des Schweins und des Viehs’ mit κραυράω ‘von κ. leiden’ (Arist.). — Unerklärt. Verschiedene unhaltbare oder ganz hypothetische Etymologien werden bei Bq abgelehnt. Nicht besser Carnoy Ant. class. 24, 18. — Reimwort θραῦρον· τραγανόν, θραυόμενον H. (zu θραύω), ebenfalls mit bemerkenswerter Barytonese (wie übrigens auch das Oppositum γλίσχρος). II-11
κρέας, dor. κρῆς; Gen. κρέως (sek. κρέατος; Attika 338a); Pl. Nom. κρέᾰ (seit Il., Neubildung; sehr unsicher κρέατα Od.), Gen. κρεῶν (ion. att.), auch κρειῶν (Hom.; wohl für κρεέων), κρεάων (h. Merc. 130; Zumbach Neuerungen 3), Dat. κρέασι (seit Il.), auch κρέεσσι (Orac. ap. Hdt. 1, 47), κρεάεσσι (sp. Ep.). n. ‘Fleisch, Fleischstück’. Als Vorderglied gewöhnlich κρεο- (nach den ο-Stämmen), z.B. κρεο-κοπέω ‘Fleisch hauen’ (A., E.), auch κρεω- (nach γεω-, λεω- u. a.) als v. l. und z.B. in κρεω-δαίτης ‘Fleischverteiler’ (Phld.), κρε-άγρα ‘Fleischzange’ (Ar. u.a.; Elision, u. zwar wohl aus κρεο-), κρεᾱ-νόμος, -έω, -ία ‘Fleisch verteilend’ (E., Is., hell. u. sp.; nach ἀγορᾱ-νόμος; danach κρεᾱ-δοτέω, -σία), κρεη-φαγέω ‘Fleisch essen’ (Hp. u. a., analogisch neben κρεο-φ.). Einzelheiten zur Flexion Schwyzer 516 m. Lit., Sommer Μνήμης χάριν 2, 145 ff. m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 209 f.; zur Form des Vorderglieds Solmsen Unt. 23 A. 1. Selten als Hinterglied: πάγ-κρεας ‘Kalbsmilch, Bauchspeicheldrüse’ (Arist., Mediz.), γλυκύ-κρεος ‘mit süßem Fleisch’ (Sophr.) u. a. Ableitungen: Deminutiva κρεᾴδιον (ion. att.), κρεΐσκος (Alex. 189), κρεύλλιον (Theognost.); dazu κρεώδης ‘fleischig’ (Arist., Thphr. u.a.), κρεῖον ‘Fleischbank’ (I 206; H. κρήϊον), nach ἀγγεῖον u.a.; nicht mit Specht KZ 62, 230 A. 2 und Ursprung 126 aus *κρέϝι-ον mit altem i-Stamm; ganz unsicher κρηστήριον (Attika IVa). — Bis auf den Akzent kann κρέας mit aind. kravíṣ- n. ‘rohes Fleisch’ identisch sein; Grundform dann *qreu̯əs- n. Anders Benveniste Origines 31: κρέας Neubildung für *κρέαρ mit demselben r-Stamm wie z.B. in aind. krūr-á- ‘roh, blutig’. Daneben mit anderer Stammbildung aind. kravyám n. ‘rohes Fleisch’ = apreuß. krawian n., lit. kraũjas m. ‘Blut’; mit anderem Ablaut z.B. aksl. krъvь f. ‘Blut’. — Weitere Formen m. reicher Lit. WP. 1, 478 f., Pok. 621f., W.-Hofmann s. cruor, crūdus, cruentus, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kraũjas, Vasmer Russ. et.Wb. s. krovь. S. auch κρύος. II-11-12
κρείων (ep. seit Il.), κρέων (Pi., A. in lyr.), -οντος, f. κρείουσα (ep. poet. seit X 48), κρέουσα (B.) ‘Herrscherin, Fürstin’; EN Κρέων, -ουσα (nachhom.), Patron. Κρειοντιάδης (Τ 240). m. ‘Herrscher, Fürst’; — Als Wort der poetischen Hochsprache gewiß altererbt. Wie in anderen Wörtern (Schwyzer 526) kann auch in κρείων die ντ-Flexion (nach ἄρχων, μέδων u. a.) einen älteren ν-Stamm ersetzt haben. Da ep. κρείων außerdem aus κρέων metrisch gedehnt sein kann, läßt sich κρείων mit einem indoiran. Komparativ, aw. srayah-, aind. śréyas- (e sekundär für a), gleichsetzen. Als Grundwort dient ein Nomen, aw. srī-, aind. śrī- f. ‘Herrlichkeit, Reichtum, Glanz, Ruhm’. Die sog. komparative Bedeutung steht natürlich dieser Identifikation nicht im Wege, da sie ja gegenüber der absoluten Funktion (śréyas- eig. ‘der in hohem Maße die śrī- besitzt’) sekundär ist; Benveniste Noms d’agent 121 ff. — Ausführlich Osthoff MU 6, 93 f., 102 f., 115f. m. Lit. (von Seiler Steigerungsformen 120f. abgelehnt); dazu Gonda KZ 73, 153f. (εὐρὺ κρείων : aind. pr̥thu-śrī- ‘mit breiter śrī-’). II-12
κρέκω, Aor. (spät) κρέξαι, ‘ein Gewebe (fest)schlagen, weben, ein Saiteninstrument mit dem Plektron schlagen’, übertr. ‘einen Laut von sich geben, anstimmen’ (Sapph., Pi., Ar. in lyr., AP usw.). vereinzelt mit ὑπο-, δια-, συν-, Davon κροκ- f. im Akk. sg. κρόκ-α (Hes. Op. 538), Nom. pl. κρόκ-ες (AP 6, 335), sg. κρόξ nur H., Theognost.; sonst κρόκη (ion. att.) ‘Einschlag des Gewebes, Einschlagfaden, Faden, (wollenes) Gewebe’. Von κρόκη : κρόκιον ‘wollene Binde’ (Antikl. 13), κροκίς f. ‘Sonnentau, Fliegenfalle, Drosera’ (Apollod. ap. Plin. HN 24, 167), κροκύς f. ‘Wollflocke’ (ion. att.) mit κροκύδιον (Gal. u. a.), κροκυδίζω ‘Wollflocken abrupfen’ (Kom., Gal.), -ισμός (Gal.); κροκόω ‘weben, in Wolle einhüllen’ (Dionys. ap. St. Byz., Phot.); κροκισμός ‘Gewebe’ (Sch.; wie von *κροκίζω). — κρεγμός m. ‘Laut von Saiteninstrumenten’ (Epich., A. R., Poll.). — Ursprünglich wahrscheinlich ein Ausdruck des Weberhandwerks ist κρέκω auch auf das Saitenspiel übertragen worden. Das thematische Wurzelpräsens κρέκω steht als solches isoliert; das Germanische bietet aber mehrere Nomina, die ein entsprechendes primäres Verb voraussetzen: awno. hræll m. (< urg. *hráhilaz; wäre gr. *κρόκιλος) ‘Stab zum Festmachen des Gewebes’, ags. hrēol (< urg. *hréhulaz) ‘Haspel, Weife’, nengl. reel; dazu mit grammatischem Wechsel ags. hrægl n. ‘Kleid, Gewand’, ahd. hregil n. ‘indumentum, spolium’. Auch verschiedene baltoslavische Wörter sind herangezogen worden: lit. krẽklės ‘zerlumpte Kleider, Lumpen’, lett. krękls ‘Hemd’; slavische Ausdrücke für ‘Feuer schlagen usw.’, z. B. russ. krešú, kresítь; Wörter für ‘Webstuhl’, z.B. russ. krosno; alles unsicher oder unbedingt abzulehnen, vgl. Fraenkel Lit. et. Wb. und Vasmer Russ. et. Wb. s. vv. Weitere unsichere Kombinationen bei WP. 1, 483 f. II-12-13
κρεμάννυμι (att.), κρίμνημι und κρήμνημι, -άω (Pi., Hp., Trag., Kom.), auch κρεμαννύω und κρεμάω (Arist. u. a.), κρεμάζω (LXX), κρεμνάω (Demetr. Eloc.), intr. κρέμαμαι (seit Il.); Aor. κρεμάσαι (seit Il.), Pass. κρεμασθῆναι (Hdt., att.); Fut. κρεμόω (H 83), κρεμῶ (att.), κρεμάσω (Kom., LXX), Pass. κρεμήσομαι (Ar., hell. Pap.); Perf. κεκρέμακα, -αμαι (spät), ‘hängen, aufhängen’, intr. ‘hangen, schweben’. oft mit Präfix, z.B. ἀνα-, κατα-, ἐκ-, Ableitungen: κρεμάθρα f. ‘Hängematte, -korb’ (Ar.), ‘Hängestrick’ (Arist.; v.l. -άστρα; vgl. unten); κρεμάς f. ‘abschüssig’ (A. Supp. 795, lyr.); κρέμασις, -ασμός (Hp. u. a.), -ασμα (Sch., Eust.), -ασία (Gloss.) ‘das Aufhängen usw.’; κρεμαστήρ "Aufhänger", Ben. gewisser Muskeln (Mediz.), ‘hängender Stiel’ (Gp.), -άστρα ‘hängender Blütenstiel’ (Thphr.; Strömberg Theophrastea 116); ἐκ-, ἀπο-, περι-κρεμής ‘herabhangend, bzw. ringsum behängt’ (sp.) von ἐκ-κρεμάννυμι usw. — Ursprünglich scheinen ein konfektiver aktiver Aorist κρεμά-σαι ‘aufhängen’ und ein (danach umgebildetes?) zuständliches mediales Präsens κρέμα-σθαι ‘hangen’ nebeneinander bestanden zu haben. Zu diesem System fügten sich verschiedene aktive Präsentia: κρίμνημι (s. zu κεράννυμι), κρήμνημι (eher nach κρημνός als alt, Kretschmer KZ 31, 375; nach Specht KZ 59, 97 vielleicht alt; unklar Schwyzer 351), κρεμάννυμι (Schwyzer 697), außerdem noch κρεμάω, -άζω, κρεμνάω. Auch die übrigen Formen haben sich daran angeschlossen. In κρημνός ist indessen ein alter Ablaut noch zu verspüren. — Zu dem sicher altererbten κρεμά-σαι ebenso wie zu den übrigen Formen fehlen außergriechische Entsprechungen. Dem Sinne nach zu lit. kariù, kárti ‘hängen, aufhängen’ stimmend, kann indessen κρεμάσαι eine Nasalerweiterung davon sein (seit Curtius 155). Das schon von Benfey und Pott herangezogene got. hramjan ‘kreuzigen’ bleibt dagegen besser beiseite (nach WP. 1, 487, Pok. 623 f. zu ags. hremman ‘einengen, behindern’, awno. hremma ‘fassen, klemmen’; noch anders Bengtsson Ark. f. nord. fil. 57, 97 ff.: von *hrams ‘Nagel’ = awno. hrammr ‘Bärentatze’). Weitere verfehlte Anknüpfungen bei Fraenkel Lit. et. Wb. s. kárti 1; vgl. noch Vasmer Russ. et. Wb. s. krómy. II-13-14
κρέμβαλα n. pl. ‘Klapper, Kastagnetten’ (Ath. 14, 636c, Carm. Pop. 3; zur Sache Weber RhM 82, 194f.). Davon κρεμβαλιάζω ‘mit K. spielen, klappern’ (Hermipp. 31; Schwyzer 735) mit κρεμβαλιαστύς (h. Ap. 162; Zumbach Neuerungen 8, Porzig Satzinhalte 181; vgl. auch zu βαμβαίνω). — Technisches Wort auf -αλο- (κρόταλα, ῥόπαλον u. a.; Chantraine Formation 245 f.). Gehört zu einer großen Gruppe Schallwörtern, die einen Anlaut (s)qr- und einen wechselnden Auslaut, u. a. einen Labial, enthalten. Am nächsten kommen lat. crepō ‘knarren, krachen’, lit. skrebù, -ė́ti ‘rascheln’ russ. kropotátь ‘brummen’; gr. β kann von der vorangehenden Nasalinfigierung bedingt sein (vgl. Schwyzer 333). — WP. 1, 415f., Pok. 569f. II-14
κρέξ, κρεκός f. N. eines Vogels, u. a., aber ohne eigentlichen Grund, mit dem Kampfhahn, Machetes pugnax, oder mit dem Wiesenknarrer, Rallus crex, gleichgesetzt (Hdt., Ar., Arist. u. a.), auch übertr. von einem Großprahler (Eup.). — Da die Identifizierung des Vogels ganz unsicher ist (s. Thompson Birds s. v.), sind alle Etymologien hypothetisch. Onomatopoetischer Ursprung liegt selbstverständlich nahe; es melden sich dann zum Vergleich andere Vogelnamen wie aind. kr̥kara- ‘Art Rebhuhn’, mir. cercc ‘Henne’, apreuß. kerko ‘Taucher’, russ. kréčet ‘Gier-, Jagdfalke’ (WP. 1, 413f., Pok. 568; dazu die einschlägigen einzelsprachlichen Wörterbücher und Borgström NTS 16, 142). — Daneben κερκάς· κρὲξ τὸ ὄρνεον, κερκιθαλίς· ἐρῳδιός (vgl. αἰγίθαλος), κέρκος· ἀλεκτρυών H.; inwieweit Vermischung mit κέρκος ‘Schwanz eines Tieres’ (s. d.) stattgefunden hat, bleibt offen. II-14-15
κρήγυος, dor. κράγυος; Adv. κρηγύως (Kall. u. a.). etwa ‘angemessen, richtig, ersprießlich’, durch Mißverständnis von Α 106 auch ‘wahr’ (ep. poet. seit A 106; vgl. Leumann Hom. Wörter 33 f.) — Unerklärt. Nach Schwyzer Glotta 12, 18ff. von κάρᾱ, κρη- (s. κρήδεμνον) ‘Kopf’ und γυῖα ‘Glieder’, sg. (selten) ‘Hand’, somit ‘Kopf und Hand habend’ (?). Frühere vergebliche Versuche bei Bq s. v. II-15
κρήδεμνον, dor. κρά̄-, n., oft im Plur. ‘Kopfbinde, Schleier’, übertr. ‘Burgzinnen, Deckelbinde’ (ep. poet. seit Il.; vgl. Leumann Hom. Wörter 296 m. A. 60, Haakh Gymnasium 66, 374ff.). — Zusammenbildung aus κάρᾱ ‘Kopf’ und δέω ‘binden’, aber im einzelnen mehrdeutig. Das Vorderglied kann (mit Ehrlich Sprachgesch. 6 ff.; dagegen Kretschmer Glotta 4, 336) an sich durch Ferndissimilation für κρηνο-, d.h. thematische Erweiterung der Schwundstufe von κάρᾱ (s. κρᾱνίον), stehen, aber auch aus κρησ- mit Schwund des σ vor δ entstanden sein; eine Bildung wie κράσπεδον (s. d.) spricht für die letztere Alternative. Ein ursprüngliches σ-loses κρη- ist jedenfalls daraus nicht zu erschließen (vgl. zu κάρᾱ). Im Hinterglied -δεμνον, -α steckt eine Ableitung von δέω ‘binden’; vgl. βέλεμνα s. βάλλω und δέμνια; das thematische -ο-mag alt sein (Schwyzer 520). — Etwas abweichend Bechtel Lex. s. v. II-15
κρῆθεν in κατὰ (ἀπὸ) κρῆθεν ‘vom Haupte herab’ (Hom. usw.) wohl falsch für κατ’ ἄκρηθεν; s. zu κάρᾱ. II-15
κρῆθμον (-ος) (m.) n. ‘Meerfenchel, Crithmum maritimum’ (Hp., Kall., Nik., Dsk. u. a.). — Unerklärt; wohl Fremdwort, vgl. Chantraine Formation 133. II-15
κρηματίς, -ίδος f. N. eines Gerätes, wahrscheinl. eines Bechers (IG 7, 3498, 15; 20, Oropos; Tempelinventar). — Deminutivum von κρῆμα (att. κρᾶμα) ‘Mischung, Mischtrank’; vgl. πτωματίς ‘umfallender Trinkbecher (ohne Fuß)’, καμματίδες ‘Lorbeerblätter zum Schlucken der κάμματα’. — Das Vorderglied in κρημο-φόροι (neben οἰνο-χόαι IG 22, 1425, 358) wohl für *κρηματιδο-φόροι, falls nicht von κρῆμα. II-15
κρημνός m. ‘jäher Abhang, Berghöhe’ (seit Il.). Oft als Hinterglied, z.B. ἀπό-κρημνος ‘abschüssig, steil’ (ion. att.), βαθύ- κρημνος ‘mit tiefen Abhängen’ (Pi. u. a.); ausführlich Strömberg Greek Preflx Studies 34 ff.; selten als Vorderglied, z.B. κρημνο-φοβέομαι ‘sich vor Abhängen fürchten’ (Hp.). Davon κρημνώδης ‘abschüssig’ (Th. u. a.); (κατα- usw.) κρημνίζω ‘herabstürzen’ (att. usw.), mit -ισμός, -ισις (sp.). — Altes Verbalnomen zu κρεμάννυμι (s. d.) mit bewahrtem Ablaut κρημ- : κρεμα-. Das Präsens κρήμνημι ist eher von κρημνός beeinflußt als umgekehrt. II-15-15
κρήνη, dor. ark. κράνα, äol. κράννα f. ‘Quelle, Brunnen’ (seit Il.); zur Bed. (gegenüber πηγή) Wycherley ClRev. 51, 2f. Kompp., z.B. καλλί-κρανος ‘mit schönen Quellen’ (Pi.). Ableitungen. Deminutiva: κρηνίς, -ῖδος f. (E., Kall., D.H.; Chantraine Formation 347), auch als ON (Str. u. a.); κρηνίον (Delos IIIa, Str. u. a.), -ίδιον (Arist. u. a.). — κρηναῖος ‘zur Quelle gehörig’ (seit ρ 240), κρηνήϊος ‘ds.’ (Orac. ap. Dam. Pr. 344); νύμφαι Κρηνιάδες (A. Fr. 168, Hexam.; nach ὀρεστιάδες u.a.; vgl. Chantraine 354f.); κρηνῖτις f. ‘zur Quelle gehörig’ (Hp.). — ON Κραννούν (thess.). Die verschiedenen Dialektformen (s. oben) lassen sich auf urgr. *κράσνᾱ zurückführen; das dabei unregelmäßige att. -ρη- für -ρᾱ- hat man als urion.-att. Dissimilation, als Ionismus oder endlich als Hyperattizismus erklären wollen (Schwyzer 189f. m. Lit.). — Es liegt nahe, κρήνη mit κρουνός ‘Quell, Springquell’ (s. d.), κροῦναι· κρῆναι τέλειαι H. zu verbinden; idg. Grundformen dann *krosno-, bzw. (für κρήνη) -kr̥snā. Zu κρουνός, κροῦναι kann ein germanisches Wort für ‘Welle, Flut’ bis auf den Stammauslaut, bzw. den Akzent stimmen, awno. hrǫnn f., ags. hræn, hærn f., urg. *hraznṓ, idg. *krosnā́. Die semantisch einwandfreie Anknüpfung an κάρᾱ ‘Kopf’ (Lobeck Rhematicon 128; vgl. lat. caput fontis u. a.; κράνα· κεφαλή H.) läßt sich weder mit dieser Kombination noch mit κρουνός vereinbaren (Sommer Lautstud. 80, Brugmann IF 18, 430 A. 1). — Andere, entschieden verfehlte Etymologien bei Bq s.v.; s. auch WP. 1, 488 f. mit Lit. Wenn mit κρουνός urverwandt, kann κρήνη nicht mit Lamer IF 48, 228ff. ägäisches LW sein; vgl. Kretschmer Glotta 21, 158. II-16
κρηπίς, -ῖδος f. ‘Halbschuh, der ganz oder teilweise den oberen Teil des Fußes bedeckt’ (X., Theok., Plu., Poll. u. a.), gew. ‘Grundlage, Sockel, Fundament, Einfassungsbau, Steindamm’ (ion. att., Pi.). Einzelne Kompp., z.B. ὀπισθο-κρηπίς Ben. eines Schuhes (att. Inschr., Poll., H.). Ableitungen: κρηπίδια pl. ‘Randsteine’ (Didyma IIa), κρηπιδαῖον (Lys.), -εῖον (Ostia) ‘Hausgrund’, κρηπιδ-ιαῖος ‘zum Fundament gehörig’ (att. Inschr. u. a.; zur Bildung Chantraine Formation 49). Denominativum κρηπιδόω ‘mit einer Grundlage versehen, gründen, unterstützen’ (D. C., Plu. u. a.) mit -ωμα ‘Grundlage’ (Inschr., D. S., Aq.). — Wie bei κνημίς ‘Beinschiene’, χειρίς ‘Handschuh’ u. a. ist man geneigt, auch bei dem sinnverwandten κρηπίς von einem nominalen Grundwort auszugehen; ebensogut möglich ist indessen, daß κρηπίς seinen Ausgang von diesen Wörtern bezogen hat. Die technische Bedeutung läßt auf Entlehnung schließen (Chantraine Formation 347, Schwyzer 465); die Verbindung mit einigen Wörtern für ‘Schuh’, z.B. lit. kùrpė (seit Bezzenberger 17, 214, Zupitza Die german. Gutt. 125; s. καρβάτινος), wird von Fraenkel Lit. et. Wb. s. v. gewiß mit Recht abgelehnt. Nicht mit Haupt Actes du 16e congres des orientalistes (1912) aus babyl. kipir, kipru ‘Ufermauer, Asphaltverkleidung’. Lat. LW crēpīda ‘Halbschuh’, crēpīdō ‘gemauerter Grund usw.’; vgl. W.-Hofmann s. v. II-16-17
κρησέρα, ion. -ρη ‘feines Sieb’ (Ar. Ek. 991, Mediz., Poll.), κραἅρα· κόσκινον ἢ ὄρυγμα H. (elisch). Davon das Demin. κρησέριον (Poll. u. a.), -ρίτης ἄρτος ‘Brot aus feingesiebtem Mehl’ (Diph. 26; Redard Les noms grecs en -της 88f.). — Die vereinzelten Wörter auf -έρα wie διφθέρα, ἀσκέρα, χολέρα, κυσέρη geben keinen sicheren Anhalt für die Beurteilung von κρησέρα. Gegen Ableitung von einem Nomen *κρῆσις ‘das Sieben’, zu κρίνω mit demselben Ablaut wie in lat. ex-crē-mentum, crē-vi (WP. 2, 584), spricht u. a. die Dehnstufe, die bei einer ti-Ableitung auffällt; vielleicht ist dafür von *κρῆσος od. dgl. auszugehen, vgl. Schwyzer 516 f. II-17
κρησφύγετον n. ‘Zufluchtsort’ (Hdt., D. H., Luk.). — Wohl mit Wackernagel KZ 33, 56 f. (= Kl. Schr. 1, 735f.) aus *χρησφύγε-τον dissimiliert mit Kontraktion aus *χρηεσ-φ., Zusammenbildung mit το-Suffix (vgl. ἀκμό-θε-τον) aus φυγεῖν und χρῆος ‘Schuld’, somit eig. "das Schuldentfliehen", d. h. ‘Ort, wohin man den Schulden entflieht’; Näheres bei Wackernagel a.a.O. Kritik bei Kretschmer KZ 33, 273f.; vgl. Brugmann IF 18, 431. — Die Anknüpfung an κάρᾱ ‘Kopf’ (z.B. Kretschmer KZ 31, 410, Solmsen RhM 53, 155f.) gibt keinen befriedigenden Sinn; verfehlt ebenfalls Charpentier BB 30, 155ff. (s. Bq u. WP. 1, 486). II-17
κρίζω (Men. 879), κριδδέμεν = γελᾶν (Stratt. 47, 7; böot.), Perf. Ptz. κεκρῑγότες (Ar. Av. 1521), Aor. 2 ὑπο-κρῐγεῖν (S. Ichn. 171; lyr.), Aor. 1 (ὑπο-)κρῖξαι od. -ίξαι (Ael. NA 5, 50, H.); daneben Aor. 2 κρίκε (H470, ζυγόν) ‘kreischen, knirschen’. Verbalnomina κρῐγή (Hippon. 54), κριγμός (Zonar.) ‘das Kreischen, Knirschen’; κριγή ἡ γλαῦξ H. — Die Reihe κέκρῑγα : κρῐγεῐν : κρίζω : κρῖξαι stimmt zu κέκρᾱγα : κρᾰγεῖν : κράζω : κρᾶξαι (s. d.). Wie dies ein Schallverb, hat indessen κρίζω eine direkte genetische Entsprechung in dem primären Wurzelpräsens awno. hrīka ‘knirschen’ (idg. *krig-). Zu κρίκε mit -κ- stimmen mehrere Formen: balt., z.B. lit. krykiù, krykti (krykšti) ‘schreien, kreischen’, slav., z.B. russ. kričátь ‘schreien’, krik ‘Geschrei’. Eine alte isolierte Nominalbildung ist der germ. Name des Reihers, z.B. ahd. (h)reigaro, heigaro (.mit Dissim.). — Weitere Formen bei WP. 1, 416, Pok. 570. II-17-18
κριθή Kürzere Form κρῖ n., siehe unten. f. ‘Gerstenkorn’, gew. pl. ‘Gerste’ (seit Il.), auch übertr. = ‘Geschwulst am Augenlid’ (Mediz.; Strömberg Theophrastea 192, Wortstudien 63). Zur Begriffsbestimmung von κριθή, πυρός, σῖτος Moritz Class. Quart. 49 (N. S. 5) 129ff. Kompp., z.B. κριθό-πυρον n. ‘Mischung von Gerste und Weizen’ (Pap.; vgl. zu διόσπυρον), εὔκριθος ‘reich an Gerste’ (Theok., AP). Mehrere Ableitungen. Deminutiva: κριθίον (Luk., Longos), κριθίδιον, auch ‘Dekokt von Gerste’ (Hp., Posidon. u. a.), κριθάριον (Pap.). Sonstige Substantiva: κριθαία ‘Gerstensuppe’ (Hom. Epigr. 15,7; nach ἁλμαία u.a., Chantraine Formation 86); κριθανίας m. N. einer Weizenart (Theophr. HP 8, 2, 3 neben σιτανίας; nach νεανίας? Strömberg Theophrastea 91; s. auch Chantraine 94). Adjektiva: κρίθινος ‘aus Gerste bereitet’ (ion., hell. u. sp.), κριθάμινος ‘ds.’ (Polyaen.; nach σησάμινος), κριθικός ‘aus Gerste bestehend’ (Pap.), κριθώδης ‘gerstenartig, voll Gerstenkörner’ (Hp.). Denominative Verba: κριθάω ‘sich an Gerste nähren, in Gerste gütlich tun, überfüttert werden’ (A., S.), auch κριθιάω (Arist. u. a.; nach dem Krankheitsverba auf -ιάω, Schwyzer 732) mit κριθίασις ‘an Uberfütterung leiden’ (X.u.a.); κριθίζω ‘mit Gerste füttern’ (Aesop., Babr.). — ON Κριθώτη (-ωτή) N. einer Landspitze in Akarnanien (Krahe IF 48, 223ff.). Spitzname Κρίθων (H.) von κριθή = πόσθη (Ar. Pax 965); Schulze KZ 29, 263 = Kl. Schr. 308. — Die erweiterte Form κριθ-ή erweist ein ursprüngliches Wurzelnomen *κρῑθ, woraus ep. κρῖ n. (seit Il.), nur Nom. u. Akk. (vgl. Egli Heteroklisie 12). — Die Versuche, κρῖ mit den westlichen Wörtern für ‘Gerste’, lat. hordeum, ahd. gersta, die schon für sich betrachtet nicht ganz eindeutig sind, zusammenzubringen, haben zu keinem völlig einwandfreien Resultat geführt. Die für hordeum und Gerste angesetzten Grundformen, idg. *ghr̥zd(h)-, bzw. *gherzd-, hätten am ehesten gr. *χραζ- od. *χρασθ- > *κρασθ-, bzw. *χερδ- (*χερθ-> *κερθ-) ergeben sollen. Besser stimmt κρῖ zu alb. drith, -ë ‘Gerste, Getreide’, dessen -ri- sich indessen ebenfalls auf idg. -r̥- zurückführen läßt. Auch arm. gari, Gen. garwoy ‘Gerste’ (formal = idg. *ghr̥i̯o-) erinnert an κρῖ; ein ähnliches Wort erscheint auch im Georgischen, grusin. qeri ‘Gerste’, vgl. Deeters IF 56, 140 f. Ob κρῖ direkt auf ein idg. Grundwort zurückgeht, bleibt somit etwas unsicher; vielleicht haben wir mit einem Wanderwort zu tun. Auch ägäischer Ursprung ist erwogen (Schwyzer 61, Debrunner Eberts Reallex. 4, 525). —Verschiedene Versuche, mit κρῖ lautlich zurechtzukommen, bei Walde KZ 34, 528, Schwyzer 352; abweichende, überholte Kombinationen bei Wood Mod. Phil. 1, 240 (zu ags. grotan, engl. groats ‘Grütze’), Persson Stud. 103 (zu χρίω). Weitere Einzelheiten mit reicher Lit. bei WP. 1, 611, Pok. 446, W.-Hofmann s. hordeum; dazu Schrader-Nehring Reallex. 1, 389, Porzig Gliederung 209. II-18-19
κρίκος, — Wenn idg., ist κίρκος als Grundform lautlich unmöglich; auch aus chronologischen Gründen hat κρίκος als das Ursprüngliche zu gelten; daraus durch Umstellung κίρκος (Schwyzer 267, Lejeune Traité de phon. 122). Die weitere Analyse ist ganz hypothetisch; sowohl ein angenommenes idg. -qri-q-o- (Hofmann) wie *qi-qr-o- > *qriqo- (WP. 2, 569) lenken das Wort in die allumfassende Sippe (s)qer- ‘drehen, biegen’ (WP. a.a.O., Pok. 935) ein. — Zu κίρκος, u. zw. wohl als LW, lat. circus ‘Kreis (linie), Zirkus’ (Thurneysen im Thes., Hofmann, Ernout Aspects du vocab. latin 69); nach anderen, z.B. WP., (Ernout -)-Meillet s. circus, urverwandt (wegen circum); aus circus durch Rückentlehnung hell. u. sp. κίρκος ‘ds.’; daraus und aus circulus die westeurop. Formen. auch κίρκος (hell. u. sp.; vgl. κιρκόω unten); Akk. κρίκα· κρίκον H. m. ‘Ring, Reif, am Jochbalken, am Segel, am Vorhang, Arm-, Fingerring usw.’ (Ω 272, Hdt. 2, 36, Arist., Thphr., hell. Inschr. usw.) Vereinzelt als Vorderglied, z.B. in κρικ-ηλασία ‘das Reifentreiben’ (Antyll. ap. Orib. 6, 26. 1). Ableitungen: κιρκίον ‘Ringelchen’ (Delos IIa), κρικέλ(λ)ιον ‘Reif’ (Alex. Trall., Sch.; wie ψέλ(λ)ιον; vgl. lat. circellus); κρικωτός ‘aus Ringen bestehend’ (hell. u. sp.); vgl. κρικόομαι ‘mit einem Ring befestigt werden’ (Str. u. a.) mit κρίκωσις (Heliod. ap. Orib.), -ωμα (Eust.); κιρκόω ‘mit einem Ring fesseln’ (A. Pr. 74). Mehrere H.-Glossen: κρικάδεια· τὸ ἐναλ-λάξαι τοὺς δακτύλους ὥσπερ [+]κρυβούς; ἐγκρικάδεια· συναφὴ χειρῶν εἰς τοὐπίσω; ἐγκρίκια· ξύλα κεκκαμμένα. — Zu Κίρκη eine unwahrscheinliche Hypothese bei Fick KZ 44, 347 (mit mehreren Einzelheiten über κίρκος); dagegen Güntert Kalypso 16 m. Lit. — Zu κιρσός (κρισσός, κριξός) s. bes. II-19-20
κρίμνον (-ῖ-?) n. ‘grobes Gerstenmehl, grobes Brot’, pl. auch ‘Krume’ (Hp., Herod., Eup., Arist., Pap., Lyk. u. a.). Davon κριμνώδης ’κ.-ahnlich’ (Hp., Ar. u. a.); κριμνίτης ἄρτος ‘grobes Brot’ (Iatrokl. ap. Ath. 14, 646a; Redard Les noms grecs en -της 90); κριμνῆστις· πλακοῦντος εἶδος H. (vgl. zu κυλλῆστις). — Erklärung strittig. Die Anknüpfung an κρῖ, κριθή (Brugmann MU 2, 179, Chantraine Formation 215) ist bildungsmäßig nicht zu begründen. Eher empflehlt sich eine Zerlegung in κρι-μν-ον zu κρί̄νω als "das Abgesiebte" (Curtius 165, Brugmann Grundr.2 2: 1, 231 u. A.); vgl. zu κρησέρα. Ablehnend Schwyzer 524. II-20
κριμνός m. ‘Purpurfarbe?’ (PHolm. 8, 43[geschr. κριμμον,Akk.], Ps.-Demokr. Alch. p. 42B. [cod. κρημνός]); κριμνούς· λευκάς τινας βοτάνας H. — Aus arab. qirmiz ‘Scharlach’ ? II-20
κρίνον, pl. κρίνεα, -εσιν n. ‘Lilie’ (ion. att.), auch N. eines Tanzes (Apolloph.; s. Lawler AmJPhil. 65, 75ff.). Einzelne Kompp. wie κριν-άνθεμον ‘Dachhauslauch, ἡμεροκαλλές’ (Hp., Ps.-Dsk.), καλαμό-κρινον ‘Art κάλαμος, die an κρίνον erinnert’ (Aët.; Strömberg Wortstudien 13). Davon κρίνινος ‘aus Lilien bestehend’ (Pap., Gal.), κρινωτός ‘mit Lilien geschmückt’ (Aristeas); κρινωνιά ‘Lilienbeet’ (Suid.), ‘Lilie’ (Thphr.); Scheller Oxytonierung 71; vgl. auch zu ἰωνιά (s. ἴον). — Fremdwort unbekannter Herkunft; vgl. Schrader-Nehring Reallexikon 2, 11. II-20
κρί̄νω (thess. κρεννέμεν), Aor.κρῖναι (lesb. κρίνναι), Pass. κριθῆναι (ep. auch κρινθήμεναι usw.; metr. bequem, s. Schwyzer 761, Chantraine Gramm. hom. 1, 404 m. Lit.), Perf. Med. κέκριμαι, Akt. κέκρικα (Pl. Lg. usw.), Fut. κρινῶ, ep. ion. κρινέω, dor. -ίω, ‘scheiden, trennen, auswählen, entscheiden, urteilen, verurteilen, richten, anklagen, anfragen’ (seit Il.); sehr oft mit Präfix, ἀνα-, κατα-, δια-, ἐκ-, συν- usw., ὑπο-κρίνομαι ‘antworten’ (ep. ion. seit Il.), ‘auf der Bühne (den Chor) beantworten, Schauspieler sein’ (att.), ἀπο- ~ ‘antworten’ (att.). Zahlreiche Ableitungen: 1. (ἀπό-, διά- usw.) κρίσις ‘Entscheidung, Urteil, Gericht usw.’ (Pi., ion. att.; Holt Les noms d’action en -σις 103 f.) mit κρίσιμος ‘entscheidend, kritisch’ (Hp., Arist. usw.; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 53f.), ἀποκρισιά-ριος ‘Sekretär’ (Pap. VIp). — 2. (ἀπό-, ἐπί-, σύν-, πρό-)κρίμα ‘Entscheidung, Urteil usw.’ (hell. u. sp.), κρῖμα = κρεῖμα (A. Supp. 397; vgl. unten); σύγκριμα ‘Zusammensetzung, Körper’ (hell. u. sp.) mit συγκριμάτιον ‘Körperchen’ (M. Ant.), -ματικός (Gal.). — 3. (ἀν-)κριτήρ ‘Richter, Verhörer’ (dor.), κριντήρ ‘ds.’ (Gortyn), κριτής ‘Beurteiler, Kampfrichter, Richter’ (ion. att.), oft von den Präfixkompp., z.B.ὑποκριτής ‘Schauspieler usw.’ (att.; Else WienStud. 72, 75ff.); κριτήριον ‘(entscheidendes) Kennzeichen, Gerichtshof’ (att., arg.), ἐπι- ~ ‘Gerichtsstätte’ (Kreta); ἐγκριτήριος ‘zur Aufnahme dienend’ (Korinth IIp); Näheres zu κριτήρ, -τής, -τήριον bei Fraenkel Nom. ag. [s. Index]. — 4. κριτός ‘ausgewählt, auserlesen, ausgezeichnet’ (ep. poet. seit Il.; Ammann Μνήμης χάριν 1, 21) mit Κρίτων, Κρίτυλλα (Leumann Glotta 32, 225 A. 1 = Kl. Schr. 250 A. 2); ἔκ-, σύγ-κριτος usw. (ion. att.); (δια-, ἐπι-, συν- usw.)κριτικός ‘zur κρίσις usw. gehörig’ (Pl., Arist. usw.). — 5. -κριδόν, z.B. διακριδόν ‘abgesondert’ (Il. usw.), διακριδά ‘ds.’ (Opp.). — 6. Zu κρίμνον s. bes. Das Präsens κρί̄νω aus *κρῐν-ι̯ω (falls nicht zum Aorist κρῖναι neugebildet; Schwyzer 694) enthält ein Nasalsuffix, das ursprünglich nur dem Präsens zukam, aber auch in mehrere außerpräsentische Formen eingeführt wurde; vgl. denselben Prozeß bei κλί̄νω. — Zum Nasalpräsens bieten das Latein und das Keltische genaue Gegenstücke in cer-n-ō ‘sichten, unterscheiden’ (< *crĭ-n-ō), kymr. go-grynu ‘sieben’ (< idg. *upo-qrĭ-n-ō). Auch das Verbaladj. κριτός hat eine direkte Entsprechung in lat. certus ‘entschieden, bestimmt, gewiß’; sonst gehen die Sprachen auseinander : die Dehnstufe in (dē)crē-v-ī, ex-crē-mentum ‘Ausscheidung’ kann höchstens in dem isolierten κρησέρα ‘feines Sieb’ (s. d.) vermutet werden. Das griechische Paradigma einschließlich der nominalen Ableitungen ist das Resultat einer weitgehenden Ausgleichung; nur att. κρῖμα für älteres κρεῖμα (nach κρί̄νω, κρῖναι) = lat. dis-crī-men hat die Hochstufe erhalten (Wackernagel Unt. 76 A. 1, Rodriguez Adrados Emerita 16, 133 ff.). — Die zahlreichen sonstigen Nominalbildungen, zumal im Latein, im Keltischen und Germanischen (u. a. lat. crībrum ‘Sieb’, germ., z.B. got. hrains ‘rein’, eig. ‘gesiebt’), lehren für das in sich geschlossene griech. System nichts. Weitere Einzelheiten m. Lit. bei WP. 2, 584, Pok. 946, W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. cernō. II-20-21
κρῑός m. ‘Widder, Schafbock’ (seit Od.; zur Bed. gegenüber ἀρνειός Benveniste BSL 45, 103), oft übertr., bes. = ‘Sturmbock, Mauerbrecher’ (X., Plb., hell. Inschr.), auch N. einer Pflanze, ‘Art Kichererbse’ (Thphr., hell. Pap., Dsk. u.a.; s.u.), und eines Meerungeheuers (Ael., Opp.; Strömberg Fischnamen 102). Kompp., z.B. κριο-πρόσωπος ‘mit einem Widdergesicht’ (Hdt. u. a.), ἀντί-κριος ‘feindlicher Sturmbock’ (Aen. Tact.). Davon κριώδης ‘widderähnlich’ (Ph.); κρίωμα ‘Art Schiff’ (Aq.), auch ‘Sturmbock’ (Apollod. Poliork.?); zur Bildung Chantraine Formation 187. — Allgemein als *κρῑ-ϝός zur Sippe von κέρας ‘Horn’ gezogen und zunächst mit dem germanischen Namen des Renntiers, awno. hreinn, ags. hrān (idg. *ḱroi-no-) verbunden (Lit. bei WP. 1, 406, auch Persson Beitr. 2, 774; 891; 910 und Specht Ursprung 127 u. 138); die sog. "i-Basis" dieser "Wurzel" gegenüber der "u-Basis" in lat. cerv-us, κερα(ϝ)-ός bedarf indessen einer besseren Begründung. Formal näher liegen einige baltisch-slavische Wörter für ‘krumm usw.’, z.B. aruss. ksl. krivъ ’σκολιός’, lit. kreĩvas, ostlit. kraĩvas ‘schief, krumm, gebogen’ (vgl. zu κροιός); der Widder wäre dann nach seinen krummen Hörnern benannt. — Als Benennung einer Kichererbsenart hat κριός nichts mit lat. cicer usw. zu tun (Bq, WP. 1, 452, Pok. 598 u. A.); die Pflanze hat vielmehr ihren Namen von ihren krummen Hülsen erhalten, s. Strömberg Theophrastea 50. II-21-22
κροαίνω ‘stoßen, stampfen’ s. κρούω. II-22
κροιός nach H. = νοσώδης, ἀσθενής; nach Theognost. Kan. 21 = κολοβός; auch att. Inschr. (IG 22, 244, 63 [IVa], ’Αρχ. ’Εφ. 1923,39), von Bausteinen (λίθοι). — Mehrere Hypothesen: zu lit. kraĩvas ‘schief, krumm’ usw. (Solmsen IF 31,466f.; vgl. zu κριός); zu κεραΐζω (Persson IF 35, 200f.); wohl am ehesten als ‘abgeschlagen, abgebrochen’ zu κρούω (WP. 1,411 u. 481). II-22
κρόκη 1. ‘Einschlagfaden’ s. κρέκω. II-22
κρόκη 2. ‘abgerundeter Kieselstein am Meeresufer’ (Arist., Lyk.); früher belegt κροκάλαι pl. (E. IA 210 [lyr.], AP, Agath.); unklar κροκάλην Akk. sg. (AP 7, 294; Adj.?). — Seit Curtius 144 mit aind. śárkarā f. ‘Gries, Geröll, Kies’ verbunden, das im Suffix zu κροκάλη stimmen kann. WP. 1, 463 (Pok. 625) erwägt Umstellung aus *κορκ- (= aind. śark-) nach κρόκη ‘Einschlagfaden’. — Nicht besser Charpentier ZDMG 73, 149f.: zu aind. kŕ̥śanam n. ‘Perle’ (vgl. Mayrhofer Wb. s. v.). — Vgl. κροκόδιλος und σάκχαρ. II-22
κροκόδῑλος auch κορκ- (Pap.), κροκύδ- (Hippon.), κρεκύδ- (Et. Gen.) m. (Hdt., Arist., Pap., LXX usw.), ‘Eidechse, Krokodil’. Als Vorderglied u. a. in κροκοδιλο-τάφιον ‘Krokodilgräberstätte’ (Pap.). Ableitungen: κροκοδιλίτης m. (λόγος, Chrysipp.; Redard Les noms grecs en -της 113) = lat. crocodilina ambiguitas (Quint.) ‘Krokodilschluß’, Art Trugschluß; κροκοδίλεον (Dsk., Gal.), -διλιάς (Gal., Alex. Trall.) ‘Eryngium maritimum, Stranddistel’; -διλέα ‘Kot des κροκ. χερσαῖος’, als Augensalbe benutzt (Plin.). Nach Hdt. 2, 69 eigentlich ionische Benennung der Eidechse, dann auf das Krokodil des Nils und den Alligator der indischen Flüsse übertragen. — Wohl als volkstümliches Wort eig. "Kieswurm", von κρόκη ‘Kies’ und δρῖλος ‘Wurm’ mit Dissimilation. Ausführliche Behandlung von Diels und Brugmann IF 15, 1ff., auch Solmsen BphW 1906, 758f.; daselbst auch über die itazistische Schreibung -ει- und andere Varianten. — Nach Grumach OLZ 1931, 1012 dagegen vorgriechisch (von Kretschmer Glotta 22, 261 abgelehnt). II-22-23
κρόκος m. ‘Safran, Crocus sativus’ (seit Ξ 348). Kompp., z.B. κροκό-πεπλος ‘mit safranfarbigem (-gelbem) Gewand’ (Il. u.a.; Treu Von Homer zur Lyrik 244 u. 258, Capelle RhM 101, 1ff.; 9). Viele Ableitungen, bes. Farbenadjektive: κρόκεος ‘safranfarbig, -gelb’ (P. [v. l. -όεις], E. in lyr.), -ήϊος ‘ds’ (h. Oer. 178; metr. bedingt; Schmid -εος u. -ειος 48, Zumbach Neuerungen 14), -όεις ‘ds.’ (Tyrt., Sapph., E., Ar. u. a.; Treu 268); κρόκινος ‘aus Safran, safranfarbig’ (Stratt., hell. u. sp.), -ώδης ‘ds.’ (Dsk., Mediz.), -ηρός ‘aus Safran’ (Gal. u. a.; nach οἰνηρός usw.; Chantraine Formation 233); κροκίας m. ‘safrangelber Stein’ (Plu.; wie καπνίας usw.; Chantraine 94); κροκω-τός ‘safrangelb’ (Pi.), m. ‘Safrangewand’ (Korn., att. Inschr.) mit -ώτιον (Poll.), -ωτίδιον (Ar.), -ώτινος (Pap. u.a.); κροκών m. ‘Safranbeet’ (Hdn.); κροκᾶτον n. ‘safrangelbes Pergament’ (Edict. Diocl. Asin.; aus lat. crocātus, vgl. unten). — Denominative Verba: κροκίζω ‘safranartig sein’ (Dsk., Plu.), κροκόομαι (κισσῷ) ‘mit safranfarbigem Efeu umrankt werden’ (AP). — Mit dem semitischen Wort für ‘Safran’, z.B. akkad. kurkanū, arab. kurkum, hebr. karkōm, und mit aind. kuṅku-mam ‘ds.’ (rnind. für *kurkuma-) identisch; Ursprung sonst unbekannt; vgl. den safranberühmten Berg Κώρυκος (Kiliken) ? — Aus κρόκος lat. crocus, auch crocōta f. ‘Safrangewand’ (aus κροκωτός) und crocōtinum ‘Safrangebäck’ ( : κροκώτινος); lat. Neubildung crocātus ‘safrangelb’ (> gr. κροκᾶτον, vgl. oben). — Lewy Fremdw. 48 (nach Lagarde), Schrader-Nehring Reallexikon 2, 270f. m. weiteren Einzelheiten u. Lit., Grimme Glotta 14, 19; auch Mayrhofer Wb. s. kuṅkumam. Ein anderes Wort ist κάγκαμον, s. d. II-23
κρομβόω ‘rösten, braten’ s. κράμβος. II-23
κρόμμυον (ion. att.), auch κρόμυον (Λ 630, τ 233, Philem. 122 usw.; vgl. u.), κρόμβυον (Pap.; <-μμ-, vgl. Schwyzer 231) n. ‘Zwiebel, Allium Cepa’. Kompp., z.B. κρομμυο-πώλης ‘Zwiebel- händler’ (Pap.). Deminutivum κρομ(μ)ύδιον (Gp., Sch.). — Alter Name der Zwiebel und des Knoblauchs, der auch im Keltischen, Germanischen und Baltisch-Slavischen belegt ist, z.B. mir. crim, kymr. craf ‘Knoblauch’, ags. hramsan (pl.), nengl. ramsons ‘Waldknoblauch’, nhd. (bair.) rams ‘ds.’, lit. kermùšė ‘wilder Knoblauch’, russ. čeremšá ‘Bärenlauch, Allium ursinum’. Der im Keltischen und Baltisch-Slavischen auftretende e-Vokal erscheint auch in κρέμυον (H.) und im ON Κρεμμυών (neben Κρομμ-; Gegend von Korinth); somit vielleicht κρομ- (= germ. hram-) mit J. Schmidt KZ 32, 346 (Schwyzer 255 f.) durch Assimilation aus κρεμ-. Auch bezüglich der Stammbildung gehen die Sprachen zusammen: idg. *qremus-, *qromus-, *qermus- (zu qrem- : qerm- vgl. zu βρέφος); nur die kelt. Formen sind nicht ganz eindeutig. Für sich steht der sowieso unsichere (illyr.?) ON Cremōna (Venetien), s. Krahe Die Spr. d. Illyrier 1, 104 m. weiteren Hypothesen. Die weitverbreitete (ursprüngliche?) Geminata -μμ- ist trotz Schwyzer Glotta 5, 194 nicht aufgeklärt. — WP. 1, 426, Pok. 5 80 f., Fraenkel Wb. s. kermùšė, Vasmer Wb. s. čeremšá m. Lit. und weiteren Einzelheiten. Zum Sachlichen Schrader-Nehring Reallexikon 2, 710ff. II-23-24
κρομπος, mit Vokalentfaltung κορομπος (Schwyzer 664, 12; 16, nur Dat. sg. -ποι; Orchom. in Arkad., 369a) Geländebezeichnung unbek. Art. — Fraenkel IF 41, Anz. 21 f. erwägt eine Bedeutung ‘Falte, Mulde, Schlucht’, was nach ihm Anschluß an ahd. hrimfan ‘rümpfen, krümmen’, aksl. krǫpъ ‘klein’ (eig. *’contractus’), lit. krumplys ‘Fingerknöchel’ u.a.m. (Fraenkel Lit. et. Wb. s. kremblỹs, WP. 2, 588ff., Pok. 948f.) ermöglichen würde. II-24
Κρόνος m. Sohn des Uranos u. der Gaia, Gemahl der Rhea, Vater des Zeus usw. (seit Il.), auch als Spitzname = ‘Greis, alter Narr’ (Ar. u. a.). Ableitungen. Patronymika : Κρονίδης m. = Ζεύς (Il. usw.), Κρονίδαρ· πολυετής H. (lak.); Κρονίων ‘ds.’ (seit Il.). Adj. : Κρόνιος ‘zu K. gehörig’ usw. (Pi., A. u. a.), τὰ Κρόνια ‘K.-Fest’ (D. usw.), Κρονιών Monatsname (Samos), f. Κρονιάς (Plu.); Κρονικός ‘zu K. gehörig, uralt, altmodisch’ (att. usw.; Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 150). Κρονεῖον ‘K.-Tempel’ (Pap.), Κρονίσκοι pl. Buchtitel (Gal.). — Appellativische Bedeutung unbekannt, mithin ohne Etymologie. Mehrere Hypothesen. Zu κραίνω als "der Vollender" bzw. "der Herrscher" (Usener Götternamen 26f. mit S. Tr. 126, Kretschmer Sprache 2, 66 u. 71 [eig. phrygischer Höhengott]); schon formal unmöglich, weil κραίνω < κρᾱαίνω, vgl. s. v. Zu κορέννυμι u. Verw. als "(dieu de la) production (et de la) croissance" (Carnoy Musée belge 24, 10). Zu κεραΐζω usw. als "der Gebrechliche, der Alte" (Güntert Weltkönig 234). Zwei "pelasgische" Erklärungen von v. Windekens: zu βιβρώσκω als "der Verschlucker" (Le Muséon 63, 108ff.); zu κορυφή usw. als "celui des sommets" (Beitr. z. Namenforsch. 9, 167 f.). — Ausführlich über Κρόνος (urspr. Erntegott) Nilsson Gr. Rel. 1,510m. reich. Lit. II-24-25
κρόσσαι f. pl. etwa ‘Mauerzinnen, Absätze’ (Μ 258, 444), ‘Stufen der Pyramiden’ (Hdt. 2, 125); πρό-κροσσοι eig. ‘mit vorspringenden κρόσσαι, zinnenartig vorspringend, staffelförmig gereiht’ (Ξ 35, Hdt. u.a.). κροσσοί m. pl. ‘Troddeln, Franse, Verbrämung’ (Gal., Poll., H.); δί-κροσσος ‘mit zweifacher Verbrämung’ (Poll., EM) mit δικρόσσια n. pl. (Peripl. M. Rubr.). Deminutivum κροσσίον (Hdn.); auch als Pflanzenname (Ps.-Dsk.); außerdem κροσσωτός ‘mit Troddeln, Verbrämung versehen’ (LXX, Lyk., Plu., Pap. u. a.), ‘mit Absätzen versehen’ (Lyk. 291?; v. l. κορσ-). — Technische Ausdrücke unklarer Herkunft. Seit Bezzenberger BB 12, 239 und Trautmann Balt.-slav. Wb. 139 wird κρόσσαι aus *κροκ-ι̯αι mit einigen baltischslavischen Wörtern für ‘Stange, Stock, Dachsparren’ verbunden, z.B. lit. krãkė ‘Stock, Stab’ (formal = κρόσσα), krẽklas ‘Dachsparren’, russ. krókva ‘Stange, Knebel, Dachsparren’ (alter u-Stamm); mhd. ragen ‘emporragen, hervorstehen’ (Zupitza Die germ. Gutt. 122) ist mehrdeutig. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 482, Pok. 619, Fraenkel Wb. und Vasmer Wb. s. vv. — Im Vergleich zu dem seltenen und späten κροσσοί ist das anscheinend davon abgeleitete κροσσωτός erheblich früher und besser belegt. Die Annahme liegt somit nahe, daß κροσσωτός (und δίκροσσοι mit δικρόσσια?) zu κρόσσαι gebildet wurde (nach θυσανωτός; vgl. noch κνισωτός : κνίση u.a.m.) mit Übertragung von der Baukunst auf das Schneiderhandwerk, indem die Verbrämung mit einer Mauerkrone verglichen wurde; davon wiederum als Rückbildung das formal sonst schwierige κροσσοί. Oder stammt der Ausdruck ursprünglich aus der Weberei, zu κρόξ, κρόκ-η ‘(hervorragender) Einschlagfaden’ (s. κρέκω)? II-25
κρόταφος Nebenformen mit Metathese: κόρταφος (Pl.Kom.[?; Maas KZ 46,159], EM, Et. Gud.), κότραφος (PMag. Osl. 1, 152). m., gew. pl. ‘Schläfe’, übertr. ‘Seite, Profil, steiler Berghang’ (seit Il.). Kompp., z.B. πολιο-κρόταφος ‘mit grauen Schläfen’ (ep. poet. seit Θ 518). Davon κροταφίς f. ‘Spitz- hammer’ (att. Inschr., Poll., H.; zur Bed. unten), κροτάφιος ‘zur Schläfe gehörig’ (Gal.), κροταφίτης ‘Schläfenmuskel’ (Mediz.; Redard Les noms grecs en -της 101), f. pl. -ίτιδες (πληγαί Hp.). Denominativum κροταφίζω ‘auf die Schläfe schlagen, ohrfeigen’ (Pap.) mit κροταφιστής (Gloss., H. s. κόβαλος). — Allgemein (z.B. Brugmann Grundr.2 2, 1, 390) zu κρότος gezogen als "das Klopfen (der Schläfenarterie)". Wegen der Bedeutung von κρότος ‘das (hörbare) Schlagen, Getöse’ kann sich aber κρόταφος dann nicht auf das von außen her sichtbare Klopfen der Adern beziehen (Pedersen KZ 39,237 A. 1, Benveniste Mél. Vendryes 56), sondern muß vielmehr auf das innere Geräusch derselben anspielen, wie es dem Hörorgan vermittelt wird; s. Frisk GHÅ. 57 : 4, 18 f. mit einer abweichenden Hypothese: κρόταφος eig. "Totschlag, Stelle des Totschlages" (vgl. κόλαφος) wie rom. dial. abattin ‘Schläfe’; κροταφίς somit eig. "Schläfengerät" ? Dazu mit weittragenden Folgerungen und z.T. unrichtiger Analyse Wüst ‘Ρῆμα 1, 11 ff. II-25-26
κρότος m. ‘Schlagen der Hände und Füße, der Ruder usw., Getöse, das Klatschen, Beifallgeklatsche’ (att. usw.). Oft als Hinterglied, z.B. μονό-, δί-, τρί-κροτος ‘mit einer, zwei, drei Ruderreihen’ (E., X., Plb. u.a.; Morrison Class. Quart. 41, 122 ff.), ἱππό-κροτος ‘von Rossen gestampft, vom Hufschlag der Rosse ertönend’ (Pi., E. u. a.), ἀπό-κροτος ‘fest gestampft, hart’ (Th., X. u. a.). Daneben κροτέω, auch mit Präflx, bes. συν-, in verschiedenen Bedd., ‘rasseln (machen), schlagen, stampfen, klatschen’ (Ο 453, ion. att.) mit κρότημα (S., E.), -ησμός (A. Th. 561, nach ὀρχησμός? Chantraine Formation 141), -ησις ([Pl.] Ax., Ph. Bel. u. a.), -ητικός (Dosith.). — κρόταλα n. pl. ‘Klappern, Klapperbleche, Becken, Kastagnetten’ (h. Hom., Pi., Hdt. usw.), sg. übertr. ‘Schwätzer’ (Ar., E.), mit κροτάλια n. pl. ‘(klappernde) Ohrringe’ (Pap. u. a.), ngr. κροταλίας, -ίτης ‘Klapperschlange’ (Redard Les noms grecs en -της 83), κροταλίζω ‘klappern, rauschen, klatschen usw.’ (A 160, Hdt. usw.) mit -ίστρια, -ιστρίς ‘Kastagnettenspielerin’ (Pap.). — Zu κρόταφος, -φίς s. bes. — Als Schallverb gesellt sich κροτέω zu κομπέω, κοναβέω, δουπέω, βρομέω u. a., die teils Denominativa, teils intensive Deverbativa sind (vgl. s. vv. und Schwyzer 726 m. A. 5). Das frühere und häufigere Vorkommen von κροτέω im Vergleich zu κρότος spricht für die Priorität des Verbs; auch einige der Kompp. mit -κροτος sind verbal orientiert. — Den einzig brauchbaren Vergleich bietet ein german. Verb mit innerer (urspr. nur präsentischer?) Nasalierung, ags. hrindan, hrand, awno. hrinda, hratt ‘stoßen’ (idg. qre-n-t-). — Verfehlte weitere Anknüpfungen sind bei Bq s. v. und WP. 1, 484f. notiert. II-26
κροτών, -ῶνος m. ‘Schaflaus, Zecke, Pediculus ovis, Ixodes’ (Arist., Dsk., Plu. u. a.), auch ‘Wunderbaum, Ricinus communis’ und dessen Same (Hp., Thphr., hell. Pap.), nach Dsk. 4, 161 διὰ τὴν ὡς πρὸς τὸ ζῷον τοῦ σπέρματος ἐμφέρειαν; vgl. Strömberg Theophrastea 50. Kompp., z.B. κροτωνο-φόρος (γῆ; hell. Pap.). — Unerklärt. Hofmann Et. Wb. erwägt ohne Begründung Anschluß an κρότος. — Davon κροτώνη f. ‘Knorren, krankhafter Auswuchs am Stamme (der Olive), Luftröhrenknorpel’ (Thphr., Hp., Gal.); zur Bildung vgl. γογγρώνη und Chantraine Formation 207, Schwyzer 491. Die Anknüpfung an κάρταλ(λ)ος ‘Korb’ über *κρατώνη (J. Schmidt KZ 32, 370) ist sowohl lautlich wie vor allem begrifflich schwierig. II-26-27
κρουνός m. ‘Quell, Springquell, Flut, Strom’, auch als ON (vorw. poet. seit Il.). Kompp., z.B. ’Εννεά-κρους N. einer Quelle am Hymettos (Hdt., Th. u. a.). Davon die Deminutiva κρουνίον (Hdn.), -ίσκος (Sch.); ferner κρουν-εῖον Art Trinkgefäß (Kom.), -ωμα ‘Flut’ (Emp. 6, 3), -ίτιδες (νύμφαι, Orph.), -ηδόν ‘quellenartig’ (LXX, Ph.u.a.); κρουνίζω, -ομαι ‘einen Strom entlassen, bzw. auffangen’ (Kom. u. a.) nnt -ισμός ‘Flut, Brause’ (Aq., Mediz.), -ισμα ‘Strom’, -ισμάτιον ‘kleiner Ausguß, schmale Tülle’ (Hero). — κροῦναι κρῆναι τέλειαι H. — Wohl aus *κροσνός zu κρήνη, s. d. II-27
κρούπεζαι (-ζα sg.) f. pl. ‘hölzerne Schuhe zum Zertreten der Oliven od. zur Angabe des Tanzrhythmus’ (Paus. Gr., Poll., Phot.); κρουπεζο-φόροι pl. Ben. der Böoter (Kratin.). Davon das Demin. κρουπέζια pl. (Poll., H.) und κρουπεζούμενος ‘mit κ. versehen’ (H.). — Verbales Rektionskompositum, dem Ausdruck τὸν πόδα (τῷ ποδὶ) κρούειν ‘dcn Fnß stoßen, mit dem Fuß stampfen’ entsprechend; Hinterglied nach ἀργυρό-πεζα u. a. — Nebenformen: κρούπαλα (S. Fr. 44; vgl. z.B. κρόταλα), κρούπανα (H., nach Gerätenamen auf -ανον), -πετα (H.; Vorbild?). II-27
κρούω, Aor. κροῦσαι, Pass. -σθῆναι, Perf. Med. κέκρου(σ)μαι, Akt. κέκρουκα, ‘stoßen, schlagen, stampfen’ (Hp., att.). sehr oft mit Präflx, z.B. ἀνα-, δια-, ἐκ-, παρα-, συν-, Ableitungen, auch von den Präfixkompp. in verschiedenen Bedd. (hier nicht besonders notiert): κροῦμα, -σμα ‘durch Anschlagen hervorgebrachter Laut, Ton, Melodie’ (Hp., att.) mit κρου(σ)-ματικός (hell. u. sp.), κροῦσις ‘das Schlagen, bes. der Saiten, Saitenspiel’ (Hp., att.), κρουσμός ‘ds.’ (hell. u. sp.); ἀνακρουσ-ία· παιδιᾶς εἶδος ἐπὶ σφαίρας H.; ἐπικρούσ-τιον N. eines rnediz. Instruments (Mediz.), -τήριον ‘Hammer’ (Gloss.); κρουστικός ‘zum Stoßen geeignet’ (Hp., Ar., Arist. usw.); Προκρούσ-της N. eines mythischen Räubers (X. usw.). — Für κρούω steht bei Hom. das erweiterte κροαίνω (Ζ 507 = Ο 264 κροαίνων ‘stampfend, galoppierend’; danach Opp., Philostr. u. a.); vgl. Debrunner IF 21, 43. — Zu κροιός s. u. und s. v. — Das griechische Verbalsystem nebst den zugehörigen Nomina ist auf einen verallgemeinerten Stamm κρουσ- aufgebaut; für das Präsens kommt außer *κρούσ-ω auch *κρούσ-ιω in Betracht. Das Paar κρούω : κροαίνω stimmt lautlich zu ἀκούω : ἀκοή und ist wohl auf dieselbe Weise zu verstehen; eine Grundform *κροϝάν-ι̯ω ohne σ (Bechtel Lex. s. v. mit Fraenkel Denom. 23 A. 2) erübrigt sich. Auch κροιός (s. bes.) läßt sich auf *κρουσ-ι̯ός (mit Bewahrung des funktionstragenden -ιο-) zurückführen. — Zu κρούω aus idg. qrous- stimmt genau slav., z.B. aksl. sъ-krušǫ, -šiti, russ. krušitь ’συντρίβειν, θραύειν, κρούειν’; dieselbe Hochstufe auch in lett. kràusêt ‘(ab)-stampfen’, lit. kraušýti ‘ds.’. Daneben mit Schwundstufe, idg. qrus-, z.B. ksl. aruss. krъcha, russ. krochá ‘Brocken, Krümchen’, lit. krušù, krùšti ‘zerstampfen, zerstoßen’; mit hochstuflgem qreus- lit. kriaũšti ‘stechen’. — WP. 1, 480 f. (nach Solmsen KZ 29, 97 u. A.), Pok. 622f., Fraenkel Wb. s. krùšti, Vasmer Wb. s. krochá u. krušítь mit weiteren Formen und reicher Lit. II-27-28
κρυερός, κρυμός s. κρύος. II-28
κρύος n. ‘Eiskälte, Frost’ (Hes. Op. 494, A. in lyr., Arist., Jul. u. a.). Davon κρυόεις ‘grausig, schauerig’ (Il., Hes., Pi.), ‘eiskalt’ (A. R., AP, Orph.) mit analogischem -ο- (vgl. auch Debrunner ’Αντίδωρον 28); s. auch ὀκρυόεις; κρυώδης ‘eiskalt’ (Plu., Poll.); außerdem wohl κρυερός ‘grausig, schauerig’ (Hom., Hes., Ar. in lyr. u. a.), ‘eiskalt’ (Simon., Ar. in lyr.); vgl. unten. — Neben κρύος stehen als davon unabhängige Bildungen: 1. κρῡμός m. ‘Eiskälte, Frost, Schauder’ (ion., Trag., hell. Dicht., sp. Prosa) mit κρυμώδης ‘eiskalt’ (Hp., Ph., AP u. a.), κρυμαλέος ‘ds.’ (S. E. u. a.; Debrunner IF 23, 22, Chantraine Formation 254), κρυμ-αίνω ‘kalt machen’ (Hdn.), -ώσσω ‘aus Kälte steif sein’ (Theognost.). — 2. κρύσταλλος m. ‘Eis’ (seit Il.), auch f. (nach λίθος) ‘Berg- kristall’ (Str., D. S. u. a.) mit κρυστάλλιον ‘ds.’ (PHolm.), auch Pflanzenname = ψύλλιον (Dsk.; wegen der abkühlenden Wirkung, Strömberg Pflanzennamen 83); κρυστάλλ-ινος ‘eiskalt’ (Hp.), ‘aus Bergkristall’ (D. C. u. a.), -ώδης ‘eisig, kristallklar’ (Ptol., PHolm. u.a.); κρυσταλλ-όομαι ‘frieren’ (Ph. u. a.), -ίζω ‘wie Kristall glänzen’ (Apok.); daneben κρυσταίνομαι ‘frieren’ (Nik. Al. 314), wohl freie Analogiebildung zu κρύσταλλος nach anderen Fällen des Wechsels ν : λ (anders Schwyzer 706). — Alte Wortgruppe mit mehreren nahen Entsprechungen in verschiedenen Sprachen. Eine rein griechische Bildung ist κρύσταλλος (nach Kuiper Μνήμης χάριν 1, 215 A. 16 eher LW); es geht mit einem expressiv geminierten λ-Suffix (Chantraine Formation 247, Schwyzer 484) von einem Nomen aus, das tatsächlich in lat. crusta ‘Rinde, Kruste’, wohl auch in toch. B krost, A kuraś usw. ‘kalt’ (Duchesne-Guillemin BSL 41, 155 f.) vorliegt. Als Grundlage von crus-tā wird ein nominaler s-Stamm vermutet; crus-tā somit eig. Kollektivbildung, bzw. substantiviertes Sekundäradj. ? (Leumann Lat. Gr. 246; aber vgl. unten). Neben der schwundstufigen Suffixform in cru-s-, idg. *qru-s-, steht die hochstufige in idg. *qruu̯-es-, gr. κρύ-ος, lett. kruv-es-is ‘gefrorener Schlamm’; dazu mit hochstufigem Stamm lat. cruōr < *qreu̯-ōs- und gr. κρέας < *qreu̯-əs-, s. d. — Zu κρῡμός stimmt aw. xrū-ma- ‘grauenhaft, grausig’; κρύος : κρῦμός mithin wie θύος : θῡμός. Die oft angesetzten Grundformen *κρύσ-ος, *κρυσ-μός sind nicht wahrscheinlich. — An κρυερός erinnern stark aind. krūrá-, aw. xrūra- ‘wund, roh, blutig, grausam’ und lat. crūdus ‘roh’, falls aus *crūrus; wenn damit uridentisch, muß κρυερός nach den Adj. auf -ερός umgebildet sein; es kann aber ebensogut eine selbständige Ableitung von κρύος sein; vgl. Bloch Sprachgesch. u. Wortbed. 23 A. 22. — Bei der obigen Analyse sind wir von einem nominalen s-Stamm ausgegangen; ein verbales qreus- erscheint aber im Germanischen, z.B. awno. hriósa, Prät. hraus ‘schaudern’ mit dem schwundstufigen Verbalnomen ahd. hroso, -a ‘Eis, Kruste’. Es liegt deshalb nahe, auch lat. crus-ta als ein Verbalabstraktum oder ein substantiviertes Verbaladj. (: toch. B krost) aufzufassen. — WP.1,478ff., Pok.621f., W.-Hofmann s. crusta m. reicher Lit. II-28-29
κρύπτω, Fut. κρύψω,Aor. κρύψαι, Pass. κρυφθῆναι (alles seit Il.), -φῆναι (S.), -βῆναι (LXX usw.), Fut. -βήσομαι (E., LXX), Perf. Med. κέκρυμμαι (seit Od.), Akt. κέκρυφα (D. H.), iter. Ipf. κρύπτασκε (Θ 272; Risch 240), -εσκε (h. Cer. 239), sp. Präs. κρύβω, sp. Ipf. ἔκρυβον, -φον, ‘verbergen, verhüllen, verstecken’. oft m. Präfix, z.B. ἀπο-, ἐν-, ἐπι-, κατα-, Viele Ableitungen: 1. κρυπτός ‘verborgen, heimlich, geheim’ (seit Ξ 168; Amman Μνήμης χάριν 1, 16) mit κρυπτάδιος ‘ds.’ (Il., A. in lyr. u.a.; nach ἀμφάδιος), κρυπτικός ‘verhüllend’ (Arist., Alex. Aphr.), κρυπτίνδα παίζειν ‘Versteck spielen’ (Theognost.); κρυπτεύω ‘sich verstecken’ (E. in lyr., X.) mit κρυπτεία ‘heimlicher Sicherheitsdienst in Sparta’ (Pl., Arist. u. a.). — 2. (ἔγ-, ἀπό-, ἐπί-)κρύψις ‘das sich Verstecken, das Verbergen’ (E., Arist., Plb. usw.; Holt Les noms d’action en -σις 149). —3. κρυπτήρ "Verstecker", Ben. eines Geräts (Delos IIa, Sch.), -τήριος ‘als Versteck dienend’ (Orac. ap. Paus. 8, 42, 6), κρύπτης ‘Mitglied einer κρυπτεία’ (E. Fr. 1126[?]). — 4. κρυφῆ, dor. -φᾶ (Pi., S., X. u. a.), κρύφᾰ (Th. u. a.) Adv. ‘heimlich, ohne jmds. Wissen’; davon κρυφάδᾱν (Korinn.), -άδις (Hdn.), -ηδόν (Od., Q. S.), -ανδόν (H.) ‘ds.’ (Schwyzer 550, 626, 631); κρυφαῖος ‘heimlich’ (Pi., Trag., LXX u. a.), κρύφασος N. eines Würfelwurfs (Poll.; Chantraine Formation 435). — 5. κατα-, ἀπο-κρυφή ‘Hehl, Versteck’ (S., LXX); κρύφιος ‘verborgen, heimlich’ (Hes., Pi., Trag., Th. usw.; κρύφιος : κρύπτω Schulze Kl. Schr. 362), κρυφία f. ‘Verborgenheit, Versteck’ (PFlor. 284, 8; VIp), κρύφιμος = κρύφιος (Man., Pap. u.a.; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 19 f.), -ιμαῖος ‘ds.’ (Ephesos IVp), -ιώδης ‘ds.’ (Eust.); ἀπό-, ἐπί-, ἔγ-, ὑπό-κρυφος ‘versteckt usw.’ (Pi., Hdt., E. usw.; von ἀποκρύπτω usw.), κρυφός (κρύφος) ‘Versteck’ (Emp. 27, 3; Porzig Satzinhalte 319; LXX), ‘geheim, versteckt’ (coni. Pi. O. 2, 97); zur Erklärung vgl. Georgacas Glotta 36, 164 f.; ἐγκρυφίας ἄρτος ‘unter der Asche verborgenes, d. i. gebackenes Brot’ (Hp. u. a.), ἐγκρυφιάζω ‘sich verborgen halten, verbergen’ (Ar. u. a.); κρυφιαστής ‘Traumdeuter’ (Aq.). — 6. κρύβδᾰ = κρύφα (Σ 168, A., Pi.), κρύβδην, dor. -δᾱν (seit Od.); vgl. Haas Μνήμης χάριν 133f. —7. (ἀπο-)κρυβή ‘Verhehlung’ (LXX, Vett. Val.), κρυβῆ = -φῆ (LXX, Pap.); κρυβηλός· κρυπτὸς [πύργος], κρύβες νεκροί, κρυβή-τας· τετελευτηκότας, κρυβήσια· νεκύσια, κρυβάζει· ἀποκρύπτειH. — An κρύπτω erinnert formal und semantisch καλύπτω (s. d.); die beiden Verba haben sich wahrscheinlich gegenseitig beeinflußt. Uber den Wechsel π : φ : β, der auch analogisch sein kann, vgl. Schwyzer 333, 705 A. 2, 737. — Bis auf den wurzelauslautenden Labial und die Vokalquantität stimmt κρύπτω zu slav., z.B. aksl. kryjo, kryti ’κρύπτω, ἀποκρύπτω’ (seit Persson Stud. 51 A. 1, Meillet MSL 8, 297), das seinerseits u. a. mit balt., z.B. lit. kráuju, kráuti ‘aufeinanderlegen, aufstapeln, aufhäufen’ verbunden wird; zur Bedeutung Schulze KZ 50, 275 (Kl. Schr. 621 f.). Sehr fraglich wegen des Vokals ist der Vergleich mit einem balt. Wort für ‘betrügen, hintergehen’, lit. króp(i)u, krópti, lett. krapt. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 477, Pok. 616f., Fraenkel Wb. s. kráuti und krópti 2., Vasmer Wb. s. krytь. II-29-30
κρωβύλος (Akz. nach Hdn. Gr. 1, 163) m. ‘Haarbeutel, Stirnschopf’ (Th., X., Antiph. u. a.; zur Bed. Hauser Jahresh. d. Österr. Arch. Inst. 1 1 Beibl. 87ff.) mit κρωβυλώδης ’κ.-ahn- lich’ (Luk. Lex. 13); κρωβύλη f. ‘Haarnetz’ (Hdn. Gr. 1, 323, Serv. ad Aen. 4, 138). — Unerklärtes Fremdwort. Idg. Etymologien bei Bq (ablehnend). Pelasgische Erklärung von Carnoy Ant. class. 24, 18, semit. bei Lewy Fremdw. 89 (vgl. Knauer Glotta 33, 116 A. 1). II-30
κρώζω, Aor. κρῶξαι, Fut. κρώξω, ‘krächzen’ (Hes. Op. 747, Ar. u. a.). auch mit Präfix wie ἐπι-, κατα-, ὑπο-, Davon κρωγμός ‘das Krächzen’ (AP, Jul.), κρῶγμα ‘ds.’ (Hdn. Epim.). — Onomatopoetisches Wort, das sich nur im Wurzelauslaut von den gleichbedeutenden lat. crōciō, -īre, slav., z.B. russ. ksl. kraču, krakati unterscheidet. Dazu noch z. B. lit. kr(i)okiù, kr(i)õkti ‘röcheln, grunzen’ und mit -g- kriogúoju, -úoti ‘mit heiserer Stimme sprechen oder schreien’; idg. -g- u. a. auch in germ., z.B. awno. hrōkr ‘Krähe’. — Weiteres reiches Material m. Lit. bei WP. 1, 414f., Pok. 568f. und in den betreffenden Spezialwörterbüchern. Vgl. κράζω, κραυγή, κόραξ, κορώνη u.a.m. II-31
κρώπιον (besser -ίον) H. auch κρώβιον (cod. auch κρόπ- und κρόβ-). n. ‘Sichel, Sense’ (Pherekyd. 154 J.); — Bildung wie λυχνίον, χαλκίον, ἀκόντιον und andere Gerätenamen auf -ιον (Chantraine Formation 58), somit gewiß von einem Nomen (*κρώψ o. ä.) ausgehend. Ohne unmittelbare Entsprechung, aber sicher mit den in Ablaut und Bildung abweichenden aind. kr̥pāṇa- ‘Schwert’, mir. corrán ‘Sichel’ (idg. *qorp-) irgendwie zusammenhängend. Primäre zugehörige Verba sind u. a. lit. kerpù, kir̃pti ‘schneiden, scheren’, lat. carpō ‘abpfiücken’. — Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 2, 580ff., Pok. 944f., Fraenkel Wb. s. kir̃pti 1., W.-Hofmann s. carpō. Vgl. 1. καρπός, auch σκορπίος und σκέπαρνος. II-31
κρωσσός m. (auch f. wie λήκυθος u. a.) ‘Krug, Mischkrug, Salbgefäß, Aschenkrug’ (Trag., Theok. u.a.); Demin. κρωσσίον (A P). — Schon das σσ-Element, gewissermaßen auch die technische Bed., läßt auf mediterranen Ursprung schließen. Über die Möglichkeit einer Lehnbeziehung zu keltischen und germanischen Wörtern für ‘Krug, Topf’, z.B. mir. crocān, ags. crocca, ahd. kruog, s. WP. 1, 487 m. Lit., Pok. 389, Vendryes REGr. 32, 495 ff. Pelasgische Etymologie (nach Georgiev) von v. Windekens KZ 72, 209ff. II-31
κτάομαι, ion. Ipf. ἐκτέετο (als v. l. Hdt. 8, 112), Aor. κτήσασθαι (seit Il.), Pass. κτηθῆναι (Th., E. u. a.), Fut. κτήσομαι (nachhom.), Perf. ἔκτημαι (ep. ion. usw.), κέκτημαι (Hes., att.), ‘erwerben, gewinnen, erlangen’, Perf. ‘besitzen’. oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἐν-, ἐπι-, προσ-, Viele Ableitungen, auch von den Präfixkompp. (hier nicht besonders notiert): 1. Dat.pl. κτεάτεσσι (Hom., Pi., E.), sg. κτέαρ (hell. u. sp. Dichtung) ‘(erworbene) Güter, Besitz, Eigentum’ mit κτεατίζω ‘erwerben’ (ep. poet. seit Il.), κτεατισμός (Man.; cod. κτεαν-). — 2. κτέανα n. pl., sekund. u. selten -ον sg. ‘ds.’ (ep. poet. seit Hes., auch Hp.), φιλο-κτεανώτατε Vok. (A 122; Sommer Nominalkomp. 69), πολυ-κτέανος (Pi. u. a.). Zu κτεάτεσσι und κτέανα s. auch unten. — 3. κτήματα n. pl. (seit Il.), auch sg. (seit ο 19), ‘Güter, Grundbesitz’, auch ‘Haustiere’ (Chantraine Rev. de phil. 72, 5ff.), mit κτημάτ-ιον (Alkiphr., Pap.), -ίδιον (Pap. VIp), -ικός ‘begütert’ (hell. u. spät), -ίτης ‘ds.’ (Lykurg. u.a.; Redard Les noms grecs en -της 28); als Hinterglied u. a. in πολυ-κτήμων ‘güterreich’ (Il. usw.) mit -μοσύνη (Poll.). — 4. κτήνεα, -νη n. pl., selten -νος sg. ‘Haustier(e), zahmes Vieh’ (vorw. ion. poet., hell. u. sp.), wohl direkt von κτάομαι mit νος-Suffix (Chantraine Formation 420; sehr komplizierte Hypothese bei Egli Heteroklisie 48 f.); davon κτηνηδόν ‘nach Art des Viehes’ (Hdt.), κτηνύδριον (Pap.); oft als Vorderglied, z.B. κτηνο-τρόφος ‘viehzüchtend, -ter’ (hell. u. sp.). — 5. κτῆσις ‘Erwerbung, Besitz’ (seit Il.; Holt Les noms d’action en -σις 82 ff.) mit κτήσιος ‘den Besitz betreffend’, Ζεὺς Κτήσιος als Beschützer des Besitzes (ion. att.; Nilsson Gr. Rel. 1, 403 ff.); Demin. κτησ(ε) ίδιον (Arr. u. a.). — 6. κτεάτειρα f. ‘Besitzerin’ (A. Ag. 356 [anap.]), Archaisierung nach κτεάτεσσι u. a. für -κτήτειρα, -τρια (in προ-κτήτρια ‘ehemalige Besitzerin’, Pap.) zu κτήτωρ m. ‘Besitzer’ (D. S., Pap., Act. Ap. u. a.) mit κτητορικός (Pap.); Einzelheiten bei Fraenkel Nom. ag. 2, 29f., 1, 183 A. 1, Schwyzer 474 A. 3. — 7. Φιλο-κτή-της PN (Il. usw.), Zusammenbildung aus φίλος und κτάομαι mittels des τη-Suffixes; att. Φιλοσκήτης (Kretschmer Glotta 4, 351). —8. Verbaladjektiva : κτητός ‘erwerblich, zu erwerben, erworben’ (I408 u.a.; Ammann Μνήμης χάριν 1,14); gewöhnlicher ἐπίκτη-τος ‘dazu erworben, neugewonnen’ (ion. att.); κτητικός ‘zum Erwerb gehörig, erwerbsam’ (att. usw.), vgl. Chantraine Ét. sur le vocab. grec 137. — 9. Unklar ist ἀκτῆνες· πένητες, ἠργηκότες (EM55, 11); nach Solmsen Wortforsch. 143 vermutlich aus *ἀ-κτη-ῆνες. — Mit Ausnahme von dem vereinzelt und verhältnismäßig spät belegten Präsens κτάομαι enthalten alle Formen urgr. κτη- (ἔγκτασις wohl hyperdorisiert nach ἔμπᾱσις; s. πάσασθαι). Auch κτεάτεσσι, κτέαρ gehen auf ein heteroklitisches *κτῆ-ϝαρ, -ϝατος zurück; daneben κτέανα als ein Uberbleibsel des alten obliquen n-Stammes *κτη-ϝαν-α, der als o-Stamm umgedeutet den Sing. κτέανον hervorrief, s. Schwyzer 519 A. 6 m. Lit., Egli Heteroklisie 32. — Der alte Vergleich mit dem indoiran. Präsens aind. kṣáyati = aw. xšayeiti, -te ‘herrschen, gebieten, Macht haben’ ist semantisch gewiß einwandfrei, aber formal schon deshalb weniger befriedigend, weil κτάομαι den Eindruck einer Neubildung macht und die fest eingebürgerten außerpräsentischen griechischen Formen keine indoiran. Entsprechungen haben. Hinzu kommt, daß wir einen Ablaut ē[i] > κτη- : əi > kṣáy-ati ansetzen müssen, wobei das Nomen aind. kṣa-trám — aw. xša-θrəm ‘Herrschaft’ als analogische Neubildung zu erklären ist (Kretschmer KZ 31, 430 f.). Die unmittelbare Gleichsetzung von κτάομαι ‘erwerben’ und aind. kṣáyati wird dadurch etwas erschüttert. — WP. 1, 504, Pok. 626. II-31-33
Κτάρος m. Beiname des Hermes (Lyk. 679). — Nach Güntert Götter und Geister 96 als "Totengott" zu κτέρεα, κτερίζειν, διά-κτορος; hypothetisch. II-33
κτείνω, att. auch κτείνυμι, -ύω, äol. κτέννω (Hdn.), Fut. κτενῶ, ep. auch -έω, κτανέω, Aor. κτεῖναι, äol. κτένναι (Alk.), und κτανεῖν, ep. auch κτάμεν(αι) und Med. -Pass. κτάσθαι, Pass. 3. pl. ἔκταθεν (ep.), hell. u. sp. κταν(θ)ῆναι, Perf. ἀπ-, κατ-έκτονα (Hdt., att.), hell. u. sp. auch ἀπ-εκτόνηκα, -έκτα(γ)κα, Pass. -εκτάνθαι ‘töten, umbringen’ (seit Il.; att. Prosa fast nur mit ἀπο-, poet. auch mit κατα-). Davon als Hinterglied -κτόνος, z.B. πατρο-κτόνος ‘vatermörderisch’ (Trag.) mit -κτονέω, -ία; vereinzelt passiv: νεό-κτονος ‘soeben getötet’ (Pi.); Simplex κτόνος (Zonar.) wohl aus den Kompp.; auch -κτασία, z.B. ἀνδρο-κτασία, gew. pl. -ίαι f. ‘Männermord’ (ep. poet. seit Il.), wie von *ἀνδρό-κτα-τος, vgl. unten und Schwyzer 469. — Das Präsens κτείνυμι (unrichtig -εινν- und -ινν-) mit sekundärer Hochstufe nach ἔκτεινα (δείκνυμι : ἔδειξα u. a.) steht für schwundstufiges *κτά-νυ-μι, das bis auf den Ablaut des νυ-Suffixes zu aind. kṣa-ṇó-mi ‘verletzen’ genau stimmt (κτείνω ‘töten’ somit euphemistisch; Chantraine Sprache 1, 143). Andere Übereinstimmungen mit dem Altindischen (und Altiranischen) zeigen der Aorist ἔ-κτα-το (Il.) = aind. a-kṣa-ta (Gramm.) und das Ptz. *-κτα-τος (in ἀνδρο-κτασίαι u.a.; s. oben) = aind. á-kṣa-ta-, ap. a-xša-ta- ‘unverletzt’. Das griechische Formensystem scheint im übrigen auf einem athematischen Wurzelaorist aufgebaut zu sein: 1. sg. *ἔ-κτεν-α, 3. sg. -ἔ-κτεν (vgl. gortyn. Konj. κατα-σκένε̄ [mit σκ für κτ, Schwyzer 326]), 1. pl. ἔ-κτᾰ-μεν, 3. pl. ἔ-κτᾰν; dazu das Präsens -κτέν-ι̯ω > κτείνω, die Aoriste ἔκτᾰν-ον, ἔκτεινα. Weitere Einzelheiten bei Schwyzer 697 u. 740, Chantraine Gramm. hom. 1, 380f. u. 449f. — Vgl. καίνω. II-33
κτείς (att. Inschr.), κτήν (Jo. Gramm. VIp), κτενός m. ‘Kamm, Weberkamm’, oft übertr. von kammähnlichen Gegenständen, z.B. ‘Harke, Rippe, Finger, Zacke, Kammuschel, Schamhaar, -bein’ (ion. att.). Einzelne Kompp., z.B. κτενο-πώλης ‘Kammhändler’ (Poll.), πεντέ-κτενος ‘fünfzackig’ (Kom.). Davon κτένιον ‘ds.’ (Epich., Pap.), κτενωτός ‘mit Zacken versehen’ (att. Inschr.), κτενᾶς m. Berufsbez. (Korykos), κτενωδῶς ‘kammähnlich’ (Gloss.); κτενίζω ‘kämmen, krempeln’ (ion. att.) mit -ισμός ‘das Kämmen’ (E. u. a.), -ιστής ‘Kämmer, Friseur’ (Pap., Gal.), -ιστικός ‘zum Kämmen gehörig’ (Pap.). — Wegen lat. pecten ‘Kamm’ seit v. Sabler KZ 31, 275 mit größter Wahrscheinlichkeit auf ein schwundstufiges *πκτ-εν-zurückgeführt mit Schwund der anlaut. π-. Eine umgekehrte Vereinfachung der lästigen Anfangsgruppe scheint im Iranischen vorzuliegen, wo mehrere neuiran. Formen, z.B. pashto ẓ̌manj, npers. šāna, aus idg. *pḱ-en- herleitbar sind (Morgenstierne Pashto 106; dazu Charpentier Acta Or. 7, 197 mit der Bemerkung Morgenstierne ebd. 199). — Weiteres s. πέκω. II-33-34
κτέρας (nur Nom.) n. ‘Geschenk’ (Κ 216, Ω 235, A. R. 4, 1550), gew. pl. κτέρεα, -έων ‘Totengeschenke, -opfer, -ehre’ (ep. seit Il.; zu -ας : -εα Schwyzer 515, Chantraine Gramm. hom. 1, 210). Als Hinterglied in ἀ-κτερής ‘unbestattet’ (Orac. Sibyll., H.). Davon κτερε-ΐζω (-ίξω, -ίξαι), auch mit ἐν-, ἐπι-, συν-, (ep. seit Il.) und κτερ-ίζω (-ιω, -ίσαι; ep. poet. seit Il.) ‘Totengeschenke darbringen, feierlich bestatten’ (Schwyzer 735, Debrunner IF 40, 107ff., Ruijgh L’élém. ach. 83) mit κτερίσματα pl. = κτέρεα (S., E.), -ισταί H. (= ταφῆες), ἀ-κτέριστος (S., Lyk.),-έϊστος (AP). Zu κτέρεα κτερεΐζειν Mylonas AmJArch. 52, 56ff. — Hierher noch κτέρες· νεκροί H., wohl konstruierte Rückbildung (Solmsen IF 3, 98; dagegen Fraenkel Nom. ag. 1, 68); in Betracht kommt ferner Πολύ-κτωρ (Hom.; danach Γανύ-κτωρ Plu., Paus.) als "Vielspender" (Fraenkel a.a.O. mit Solmsen; anders [zu κτάομαι] Schulze Kl. Schr. 79 nach Pott). Ganz unsicher διάκτορος, s. d. — Ohne Etymologie; verfehlte Erklärungen sind bei Bq notiert. II-34
κτηδών, -όνος, meist pl. -όνες m. ‘Adern, Fasern, Lagen’ im Körper, Holz, Stein usw. (Mediz., Theophr. u. a.); εὐ-κτήδων, -ονος ‘mit schönen (starken) Fasern’ (Thphr.); auch εὐ-κτέανος ‘ds.’ (Theophr., Plu.); — Bildung unklar, vgl. εὐ-κέατος und εὐθυ-κτέανον· ἰθὺ πεφυκυῖαν, εἰς ὀρθόν; ἰθυ-κτέανον· τὸ ἰθὺ πεφυκὸς καὶ ὀρθὸν δένδρον H. — Bildung auf -δών (Schwyzer 529 f., Chantraine Formation 360 ff.) ohne Etymologie. Nach Froehde BB 17, 316 zu πεκτέω (vgl. κτείς); noch anders G. Meyer Gr.3 344, s. Bq, der (zögernd) lat. saeta ‘Borste’ vergleicht. Neue Etym. von v. Windekens Ling. Posn. 8,34f. II-34
κτίδεος ‘aus Marder’ s. ἴκτις. II-34
κτίζω (Emp. usw.), Davon zahlreiche Nomina: κτίσις f. ‘Gründung, Schöpfung, Geschöpf’ (Pi., ion. att.; vgl. unten), κτιστύς f. ‘Gründung’ (Hdt. 9, 97; zur Bed. Benveniste Noms d’agent 72), κτίσμα ‘Gründung, Kolonie, Gebäude’ (hell. u. sp.), κτισμός ‘Gründung’ (Kleinas., Kaiserzeit); — κτίστωρ ‘Gründer’ (Pi., E. u. a.), κτιστήρ ‘ds.’ (Korinth, IVa), f. κτίστρια (Kleinas., Kaiserzeit), κτίστης ‘Gründer, Stifter, Baumeister’ (Arist. usw.) mit κτίστιον (-εῖον) ‘Tempel eines Gründers’ (Pap. IVp), älter συγκτίστης ‘Mitbegründer’ (Hdt. 5, 46); κτιστός ‘angelegt, gegründet’ (h. Ap. 299, Pap.; Zumbach Neuerungen 26); n. κτιστόν ‘Bauwerk’ (Pap.). — Hinzu kommen mehrere Bildungen, die von einer intransitiven Bedeutung ‘wohnen, weilen’ ausgehen und schon dadurch außerhalb des lebendigen Systems stehen: ἐῢ κτίμενος ‘wo sich’s gut wohnt’ (Hom.); περι-κτί-ονες pl. ‘Herumwohner, Nachbarn’ (ep. poet. seit Il.), ἀμφι-κτί-ονες ‘ds.’ (Pi.), auch als EN (att. Inschr. Va), daneben -κτύονες (Hdt., Inschr. IVa) mit unklarem υ (vgl. Hoffmann Dial. 3, 290); περι-κτί-ται pl. ‘ds.’ (λ 288), danach als Simplex κτί-ται ‘ds.’ (E. Or. 1621), κτίτης = κτίστης (Delph. IIa), myk. (me-ta-)ki-ti-ta; ἐΰ-κτι-τος = ἐῢ κτίμενος (Β 592 u. a.), ὀρεί-κτι-τος ‘in den Bergen wohnend’ (Pi.); aber z.B. θεό-κτι-τος ‘von Göttern begründet’ (Sol.) mit Anschluß an κτίζω; Einzelheiten bei Fraenkel Nom. ag. 1, 44; daselbst (und 1, 179 f.) auch über κτίστωρ u. a. —Für sich steht mit abweichendem Ablaut rhod. κτοίνα (auch πτοίνα mit unerklärtem πτ-) Ben. eines amtlichen Bezirkes auf Rhodos (myk. ko-to-(i)-na) mit κτοινᾶται, -έται (vgl. Fraenkel 1,207; 2, 126). Aor. κτίσ(σ)αι (seit Il.), Pass. κτισθῆναι (ion. -att.), Fut. κτίσω (A.), Perf. Med. ἔκτισμαι (Hdt. usw.), Akt. ἔκτικα (hell. u. sp.; zur Reduplikation Schwyzer 649), ‘gründen, anlegen, anbauen, schaffen’. auch mit Präfix, z.B. συν-, ἐπι-, ἀνα-, — Zu περι-κτί-ται stimmt bis auf den erweiternden ā-Stamm aind. pari-kṣí-t-’rings umher wohnend’, zu (ἐΰ)-κτιτος aw. (ana)-šita- ‘unbewohnt’. Daneben steht das athemat. Wz.-präsens aind. kṣé-ti, pl. kṣi-y-ánti (= myk. ki-ti-je-si [trans.]?) — aw. šaēiti, šyeinti ‘wohnen’. Ein entsprechendes athematisches Ptz. ist κτί-μενος. Die transitivkausative Bed. ‘zur Wohnung machen, gründen’, die eine griechische Neuerung darstellt, ist von dem Aorist κτίσ(σ)αι ausgegangen, der an die Seite eines intransitiven Wz.aoristes (noch in κτί-μενος bewahrt?) trat wie ἔ-στη-σα zu ἔ-στη-ν (s. ἵστημι). An κτίσ(σ)αι schloß sich κτίζω, wozu die übrigen Formen (Schwyzer 674 u. 716, Wackernagel Unt. 77). Auch κτί-σις hat ein genaues Gegenstück in aind. kṣi-tí-, aw. ši-ti- ‘Wohnplatz’, aber die abweichende Bedeutung macht es als Neubildung zu κτίζω stark verdächtig (vgl. Holt Les noms d’action en -σις 95 A. 5). Mit κτοίνα deckt sich endlich, vom i-Stamm abgesehen, arm. šēn, Gen. šini ‘bewohnt(er Platz)’. — Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 504 (Pok. 626). Vgl. κτίλος. II-34-35
κτίλος ‘gehorsam, zahm’, m. ‘Widder’ (ep. poet. seit Il.), nach H. = ὁ προηγούμενος τῆς ποίμνης κριός; dazu Thompson ClRev. 46, 53 f. Davon κτιλίς· τιθασός, πρᾷος, ἡγεμών H. und die Denominativa ἐκτιλώσαντο ‘sie zähmten’ (Hdt. 4, 113), ἐκτιλωμένος ‘gezähmt’ (Paus. Gr.), κτιλεύονται ‘sie werden gezähmt’ (Pi. Fr. 238). — Zum λ-Sufflx vgl. χωλός, φαῦλος und viele andere Ausdrücke für verschiedene Gebrechen (Chantraine Formation 238). Schon von Pott zu κτίζω u. Verw. als "zum Wohnplatz gehörig" gezogen. Nicht mit Bechtel Lex. nach Froehde zu lat. sileō ‘schweigen’. Weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 504. II-36
κτύπος m. ‘starker Lärm, Gekrache, Gestampfe, Getöse’ (vorw. poet. seit Il.). Sehr oft als Hinterglied, z.B. βαρύ-κτυπος ‘mit schwerem Getöse’ (h. Cer. usw.). Daneben, wohl als Intensiv, κτυπέω (seit Il.) mit κτυπῆσαι (S., E. usw.), auch Aor. 2 κτυπεῖν (Il. u. a.; metrisch bedingt?, Porzig Satzinhalte 25), oft mit Präfix (fast nur sp.), z.B. ἐπι-, κατα-, ὑπο-, ‘krachen, erdröhnen’, trans. ‘erdröhnen lassen’. Davon κτύπημα = κτύπος (Kritias, E. u. a.), -ητής ‘Lärmer’ (Suid.), κτυπία· ὁ ἐπιθαλάμιος κτύπος H. — Expressives Schallwort, an δοῦπος, δουπέω erinnernd (s. d.), aber sonst dunkel. Nach Güntert Reimwortbildungen 158 Kreuzung von (γ) δουπέω und τύπτω; nach Meillet BSL 28, c. r. 117 aus κ-τύπος mit κ-Präfix, vgl. noch Deroy Ant. class. 23, 309 und Ruijgh L’élém. achéen 148. Zur Bildung noch Schwyzer 718. — Verfehlte Deutungen bei Bq. II-36
κύαθος m. ‘Schöpfgefäß, Hohlmaß’ (ion. att.). Deminutiva κυάθ-ιον (Pherekr. u. a.), -ίς (Sophr.), -ίσκος (Mediz.); ferner κυαθ-ώδης ‘k.-ähnlich’ (Eratosth.), -ιαῖος ‘einen κ. messend’ (Arist. -Komm.), -ότης ‘der Begriff κύαθος’ (Pl.; vgl. Scheller Oxytonierung 29 A. 3), -ίζω ‘mit em κ. schöpfen’ (Kom., Plb.). — Zu λήκυθος, γυργαθός u. a. im Ausgang stimmend (Chantraine Formation 367, Schwyzer 511), gewöhnlich zu κύαρ u. Verw. gezogen (dagegen Chantraine a.a.O.); vgl. zu κύαμος. —Nicht mit Pisani Ist. Lomb. 73, 529 mit aind. kávandha-’Tonne’ identisch (vgl. Mayrhofer Wb. s. kábandhaḥ1). Lat. LW cyathus (seit Plaut.). II-36
κύαμος m. ‘Bohne’ (seit Il.), ‘Bohnenlos’ (att. usw.), übertr. ‘schwellende Brustwarze’ (Ruf., Poll.), ‘Assel’ (Gal.), N. einer Münze (Taurom. Ia). Einige Kornpp., z.B. κυαμο-τρώξ ‘Bohnenfresser’ (Ar.), ὑοσ-κύαμος ‘Schweinbohne’ (Hp., X. usw.; Vorderglied pejorativ, auch mit ὕειν ‘regnen’ verbunden, Strömberg Pflanzennamen 31 u. 155). Dunkle Nebenform κύμηχα· κύαμον H. Zahlreiche Ableitungen: Deminutiva κυάμιον (Nubien, Eust.), -ίδες· fabacia (Gloss.); κυάμ-ινος ‘aus Bohnen’ (Korn., Gal.), -ιαῖος ‘groß wie eine Bohne’ (Dsk., Luk.); κυαμ-ίας m. ‘bohnenähnlicher Stein’ (Plin.; wie καπνίας u. a., Chantraine Formation 94), -ίτης m. ‘Gott der Bohnen = Vorsteher des Bohnenmarktes’ (Paus.), -ῖτις (ἀγορά) ‘Bohnenmarkt’ (Plu.), vgl. Redard Les noms grecs en -της 193 u. 108; κυαμών, -ῶνος m. ‘Bohnenfeld’ (Thphr. u. a.) mit -ωνίτης ‘Bohnenfeldarbeiter’ (Pap.; Redard 37). Denominative Verba: κυαμεύω ‘durch Bohnenlos auswählen’ (att.), -ίζω ‘für Ehe reif sein’ (Ar.). — Neben κύαμος steht in derselben Bed. πύανος (H., Poll., Phot.; nach Heliod. Hist. 3 = ὁλόπυρος) mit Zusammenbildung Πυαν-έψια, -όψια n. pl. N. eines ion. att. Festes, wovon der Monatsname Πυανεψιών, -οψιών; auch Κυαν-εψιών, -ο-(Keos, Kleinas.) und Παν-όψια (nach Lykurg. Fr. 84 außeratt.). Die Formen mit -νεψ-, -νοψ- können aus -μεψ-, -μοψ- dissimiliert sein; das Paar κυάμος : πύανος wird verschieden beurteilt. Nach Specht KZ 69, 133 ff. wäre *πύαμος (zu idg. pu-, peu- ‘aufblasen, schwellen’ ) die ursprüngliche Form, woraus durch wechselseitige Dissimilation κύαμος und πύανος. Brugmann (zuletzt 4 50) und Güntert Reimwortbildungen 124 f. halten, wenig wahrscheinlich, Πυαν-όψια, πύανος für eine Mischform aus Κυαν- und Παν-όψια, welch letzteres aus idg. ḱu̯-, "Allegroform" von ḱuu̯- in κύαμος, hervorgegangen wäre. — Im allg. wird κύαμος als Fremdwort betrachtet (Chantraine Formation 133, Schwyzer 494, WP. 1, 366, Krahe Die Antike 15, 181, Kuiper Μνήμης χάριν 1,215m.A.19). An und für sich steht nichts im Wege dafür, κύαμος als idg. an κυέω usw. anzuschließen, s. Bq und Strömberg Pflanzennamen 51. Ṻber die idg. Namen der Bohne s. Schrader-Nehring Reallex. 1, 159 f. II-36-37
κύανος myk. ku-wa-no(?). m. Ben. einer dunkelblauen Substanz, ‘Lasur- od. Blaustein, blaugefärbter Glasfluß, dunkelblaues Email’ (seit Il.), auch N. eines Vogels (Arist., Ael.; s. Thompson Birds s. v.) und einer Pflanze, ‘Kornblume’ (Plin.); Oft als Vorderglied, z.B. κυανό-πρῳρος ‘mit dunkelfarbigem Schnabel’ (Hom., B.; -πρῴρειος metr. Erweiterung am Versende, Risch 120), -χαίτης ‘mit dunklen Haaren’ (Hom. usw.; Risch Sprachgesch. u. Wortbed. 389 ff.), -πεπλος ‘mit dunklem Gewand’ (h. Cer., Hes.; Treu Von Homer zur Lyrik 244). avon κυάνεος (ῡ metr. gedehnt) ‘aus κ. gemacht’, gew. ‘dunkelblau’ (vorw. poet. seit Il.; zur Bed. Capelle RhM 101, 10 u. 35). — Als kleinasiat. LW mit heth. kuu̯anna(n)- ‘Kupfer(blau), Schmuckstein’ identisch (Friedrich Wb. nach Götze). II-37
κύαρ n. ‘Nadelöhr, Ohröffnung’ (Hp., Poll.). — Alter r-Stamm, mit thematischer Umbildung in aw. sūr-a- m. ‘Loch, lacuna’ (idg. *ḱūr-o-), außerdem mit anderem Ablaut in arm. sor ‘Loch’ (idg. *ḱou̯er-o- o.ä.); dagegen kaum lat. caverna (etruskisch ?; W.-Hofmann s.v. m. Lit., anders Specht Ursprung 350). Einen alternierenden l-Stamm zeigt κύλα· τὰ ὑποκάτω τῶν βλεφάρων κοιλώματα H. (s.d.); ähnlich κοῖλος ‘hohl’ aus *κοϝιλ-ος. Ohne Sufflx u. a. lat. cavus ‘hohl’ (s. κοῖλος), mit Dehnstufe κῶος ‘Höhle’ (s. d.). — Die fraglichen Wörter werden allgemein zur Sippe von κυέω gezogen unter Annahme einer Grundbedeutung ‘Biegung’ (woraus ‘Einbiegung’ > ‘Höhlung’, bzw. ‘Ausbiegung’ > ‘Wölbung’; s. WP. 1, 365ff., Pok. 592ff., W.-Hofmann s. cavus). Wenn Zusammenhang überhaupt besteht, ist vielmehr von einer Bedeutung ‘aufblasen’ auszugehen, woraus ‘innerlich aushöhlen usw.’; vgl. aind. śūna- ‘angeschwollen, aufgewachsen’, śū́nan. ‘Leere, Mangel’, śūnyá- ‘leer, hohl’. II-38
κυβερνάω, Aor. κυβερνῆσαι (seit γ 283), kyr. Inf. κυμερῆναι, ‘steuern’, übertr. ‘leiten, regieren’. auch mit Präfix, z.B. δια-, Davon κυβερνητήρ, dor. -ατήρ m. ‘Steuermann’ (θ 557, Pi. u. a.) mit f. -ήτειρα (AP, Nonn.) und -ητήριος (Orac. ap. Plu.); κυβερνήτης (äol. κυμερνήτης [-άτας] nach EM 543, 3) ‘ds.’ (seit Il.) mit f. -ῆτις (Pap.) und -ήσια n. pl. ‘Steuermannsfest’ (zur Erinnerung an Theseus, Athen; Plu.); κυβέρνησις, -ᾱσις ‘das Steuern, die Führung’ (Pi., Pl. u.a.); κυβερνητικός ‘zum Steuern gehörig, geeignet’ (Pl. u.a.); κυβερνισμός = κυβέρνησις (Aq.). — Angesichts kyr. κυμερῆναι kann die Form κυβερνάω auf Dissimilation μ-ν > β-ν beruhen (Lejeune Traite de phon. 131), aber das Wort bleibt sowieso isoliert. Der Vergleich mit aind. kūbara-, -rī́ ‘Deichsel’ und mit lit. kumbras ‘Griff am Steuerruder’, kumbryti ‘steuern’ ist aufzugeben, s. Mayrhofer Wb. s. v. und Fraenkel Wb. s. kumbrỹs mit weiterer Lit. So wird fremde Herkunft wahrscheinlich, s. Fohalle Mél. Vendryes 157ff., Kretschmer Glotta 16, 166, Hermann Gött. Nachr. 1943, 2 f., Schwyzer 62, Chantraine Ét. sur le vocab. grec. 11. Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 467. — Aus κυβερνάω als LW lat. gubernō, s. W.-Hofmann s. v. II-38
κύβηλις, -εως f. nach H. = μάχαιρα, ἄμεινον δὲ πέλεκυς, ᾧ τὰς βοῦς καταβάλλουσι· τινἐς τὴν τυρόκνηστίν φασιν (Kom., Lyk.); κυβηλικός ‘auf eine κ. bezüglich’ (Kom.), κυβηλίσαι· πελεκίσαι H. — Unerklärt. Verfehlt Fick KZ 42, 288 (s. WP. 1, 330). II-38
κυβιστάω (-έω Opp. K. 4, 263), ‘ein Rad schlagen, sich überschlagen, sich herumtummeln’ (Il., Pl., X.) auch mit Präfix, ἐκ-, κατα-, περι-, mit κυβιστητήρ ‘der ein Rad schlägt, sich herumtummelt’ (Hom., E., Tryph.; Fraenkel Nom. ag. 2,13), auch mit Haplologie κυβιστήρ (H.) und κυβιστής (Delos; unsicher; vgl. Fraenkel Glotta 2, 31 A. 2 und unten); κυβίστησις (Plu., Luk.), -ημα (Luk.) ‘das Radschlagen’. — Expressives Verb mit unklarer Bildung und unbekannter Herkunft. Die Verba auf -(σ)τ- bieten nichts, was mit κυβιστάω direkt vergleichbar wäre; Bildungen wie ἑρπυστάζω (: ἑρπύζω, ἕρπω) u. a. (Schwyzer 706) lassen an ein *κυβίζομαι (evtl. über κυβιστής; s. oben) denken. — Man vergleicht seit Curtius und Fick (s. Bq und WP. 1, 375) einige im EM überlieferte Wörter : κύβη = κεφαλή (κυβιστάω = εἰς κεφαλὴν πηδῶ), κύβηβος = ὁ κατακύψας, κυβηβᾶν ’κυρίως τὸ ἐπὶ τὴν κεφαλὴν ῥίπτειν’ (nach H. = θεοφορεῖσθαι, κορυβαντιᾶν); dazu noch κυβητίζω· ἐπὶ κεφαλὴν ῥίψω, κυβησίνδα· ἐπὶ κεφαλήν, ἢ τὸ φορεῖν ἐπὶ νώτου, ἢ κατὰ νώτου H. Sämtliche diese Wörter sollen zu κυφός, κύπτω (s. d.) gehören und — wegen des β —aus der Sprache nördlicher (thrak., maked.) Gaukler stammen. Anstatt an das schlecht bezeugte κύβη mit einem hypothetischen nördlichen Ursprung anzuknüpfen, ist zu erwägen, ob das Wort nicht vielmehr zu κύβος ‘Würfel’ gehört: κυβιστάω eig. "wie ein Würfel herumrollen" ? — Nicht mit Prellwitz zu κόβαλος; vgl. Thumb KZ 36, 193 f. II-38-39
κύβιτον n. ‘Ellbogen’ (Hp. Loc. Hom. 6, nach Ruf. Onom. 72 und Poll. 2, 141 sizilisch) mit κυβιτίζω ‘mit dem Ellbogen stoßen’ (Epich. 213). — Aus lat. cubitum (trotz Bechtel Dial. 2, 284). Daneben κύβωλον ‘ds.’ (Poll. a.a.O.) durch Kreuzung mit ώλένη (Bq), nicht mit Solmsen Wortforsch. 7 selbständige Ableitung von κύβος. II-39
κύβος m. ‘Würfel’ (ion. att.), auch von den Augen des Würfels (E., Pl. u. a.) und dem Spielbrett (Hermipp. 27, pl.); übertr. von würfelähnlichen Gegenständen, ‘Kubus’ (Ti. Lokr.), ‘Kubikzahl’ (Pl., Arist.), ‘würfelförmiger Stein-, Holzblock’ (hell. Pap. u. Inschr.), ‘Kuchen, Stück eingesalzenen Fisches’ (Kom.); auch ‘Wirbelknochen’ (Rhian. 57; nach ἀστράγαλος) und ‘Höhlung vor der Hüfte beim Vieh’ (Ath. 9, 399b). Einzelne Kompp., z.B. φιλό-κυβος ‘der die Würfel liebt’ (Ar., Arist.). Ableitungen: 1. κύβιον ‘in der Form von κύβοι eingesalzenes Fischfleisch’ (Kom., Pap. u. a.) mit κυβιάριον Ben. eines zugehörigen Topfes (Pap.). 2. κυβίας m. ‘Art Thunfisch’ (Opp.; zur Bildung Chantraine Formation 94). 3. κυβοστόν n. Ben. eines Bruchs (Dioph.; nach εἰκοστόν usw.). 4. κυβεών m. ‘Spielhaus’ (Tz.). 5. κυβικός ‘viereckig’ (Pl., Arist. u. a.). Denominative Verba : 1. κυβεύω ‘würfeln, ein gefährliches Spiel wagen’ (att.), auch ‘hintergehen’ (Arr.), mit κυβεία ‘Würfelspiel’, κυβευ-τής ‘Würfelspieler’, -τικός, -τήριον (att. usw.). 2. κυβίζω ‘kubieren usw.’ (Hero u. a.) mit κυβισμός (Theol. Ar.). 3. κυβᾷ H. als Erklärung von πεττεύει. Obwohl das Würfelspiel uralt ist, wechseln die Ben. des Würfels stark von Sprache zu Sprache und sind oft Entlehnungen (Schrader-Nehring Reallex. 2, 423). Auch κύβος dürfte ein Fremdwort sein (Schwyzer 458); nach Hdt. 1, 94 beanspruchten die Lyder, das Würfelspiel erfunden zu haben. Lat. LW cubus. — Wegen der ganz zufälligen Bed. ‘Höhlung vor der Hüfte beim Vieh’ ist κύβος mit falscher Auffassung der Bed.-entwicklung mit germ., z.B. got. hups ‘Hüfte’, lat. cubitus ‘Ellbogen’ verbunden worden (Bq, WP. 1, 373f., Pok. 589f., W.-Hofmann s. cubitus; ablehnend Kretschmer KZ 55, 89). Sollte diese Gleichung wirklich zutreffen, muß κύβος ‘Würfel’ unter allen Umständen ein anderes Wort sein. — Zu κύβος = τρύβλιον (paph., H.) vgl. die Wörter s. κύπελλον. II-39-40
κυδάζομαι, -ω, Aor. κυδάσσασθαι ‘schmähen, beschimpfen’ (Epich. 6; 35, 6, A. Fr. 94, S. Aj. 722, A. R. 1, 1337). Daneben κύδος m. ‘Schmähung’ (Sch.; wohl Rückbildung) und die formal unklaren und in der Bedeutung abweichenden κυδοιμός ‘Schlachtgetümmel’ (ep. seit Il., sp. Prosa; Schwyzer 492 und Trümpy Fachausdrücke 158 f. m. Lit.) mit κυδοιμέω ‘toben, in Verwirrung bringen’ (Il. usw.), κυδοιδοπάω ‘Lärm, Verwirrung machen’ (Ar.; vgl. zu ἐχθοδοπέω). — Außerdem die H.-glossen κυδάγχας· μάχας, λοιδορίας, κυδαγχόμενα· λοιδο-ρούμενα, κυδάττειν· ἐπιφωνεῖν. — Eine mögliche Anknüpfung bieten einige slavische, germanische und indoiranische Wörter für ‘tadeln, schmähen usw.’, slav., z.B. aksl. kuditi ’μέμφεσθαι’, germ., z.B. norw. dial. huta ‘schreien, lärmen usw.’, mhd. gehiuze ‘Lärm, Geschrei, Spott, Hohn’, aind. kutsáyati ‘schmähen, tadeln’ (ablehnend Mayrhofer Wb. mit Wüst und Pisani), npers. ni-kūhīdan ‘tadeln, schmähen’, s. WP. 1, 378, Pok. 595, Vasmer Wb. s. kudítь und prokúda. — Vgl. κῦδος. II-40
κύδαρος -ον n. (Pap., AB, EM) m. (Antiph. 321), Ben. eines kleinen Schiffes. — Herkunft unbekannt. κυδίας· τὰ ἄνθη τῶν ὀδόντων H. — Da sowohl die nähere Bed. wie der stilistische Wert unbekannt bleiben, sind alle Erklärungen hypothetisch. Ganz unsichere Vermutung (nach Zupitza und Johansson) bei Bq, WP. 2, 554, Pok. 956; vgl. auch W.-Hofmann 2, 706. II-40
κῦδος, -εος n. ‘Ruhm, Ehre, Ansehen, Herrlichkeit’ (ep. poet. seit Il.; Trümpy Fachausdrücke 196 ff. m. Lit.; auch Greindl RhM 89, 220). Oft als Hinterglied, z.B. ἐπι-κυδής ‘ruhmvoll, voll Herrlichkeit’ (ep. poet. seit Il.); sehr zahlreiche PN, z.B. Φερε-κύδης, Κυδό-νικος (Bechtel Hist. Personennamen 269f.). Daneben mit regelmäßigem ι-, ρ-, ν-Wechsel: 1. κυδι-άνειρα f. konventionelles Epithet, eig. "mit ruhmvollen Männern’, ‘woran Männer ruhmvoll teilnehmen, den Männern Ruhm schaffend’ (μάχη, danach ἀγορά, Il.; Schwyzer 447 m. Lit., 474; Sommer Nominalkomp. 181); mit -ι- noch κύδιμος ‘ruhmvoll’ (Hes., h. Merc., Pi.; Schwyzer 494f. m. Lit.). κυδιάω ‘sich rühmen, stolz sein’ (Il., Hes. Sc., h. Cer [nur Ptz κυδιόων usw.], h. Hom. 30, 13 [κυδιόωσι], A. R., Q. S. [κυδιάασκον]), vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 359. — 2. κυδρ-ός ‘ruhmvoll’ (ep. poet. seit Il.) mit κυδρότερος (Xenoph., B.) neben den primären κύδιστος (ep. poet. seit Il.; Seiler Steigerungsformen 76), κύδιον (E.); auch κυδέστερος (Plb.) und κυδίστατος (Nik. Th. 3, Vok. -τε für Il. κύδιστε). Spätes Denominativum κυδρόομαι ‘sich rühmen’ (Ael., Polyaen.). — 3. κυδαίνω, Aor. κυδῆναι ‘ehren, verherrlichen’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa), auch κυδάνω ‘verherrlichen, sich rühmen’ (Il.; Chantraine Gramm. hom. 1,315 m. Lit.); vgl. auch κυδνός = κυδρός (vv. Il. bei Hes., IG 14, 2117) mit sekundärem Suffixtausch. — Hinzu kommen κυδάλιμος = κυδρός (Il.), Kreuzung von *κυδαλέος und κύδιμος? (Arbenz Die Adj. auf -ιμος 27 nach Debrunner); κυδήεις, dor. -άεις (AP, Man., Epid.; späte Analogiebildung, vgl. Schwyzer 527, Thieme Studien 71 A. 3); ὑπερ-κύδᾱς Ptz., nur -αντα(ς) ‘sich übermäßig rühmend’ (Il.); wohl Analogiebildung, vgl. Schwyzer 526 A. 5 m. Lit., Schwyzer-Debrunner 518 A. 8, Risch 23 n. 189. Dazu der Demosname Κυδαντίδαι? (Wackernagel Glotta 14, 54 = Kl. Schr. 2, 862). — Mit κῦδος wird seit Bezzenberger BB 27, 145 ein slavisches Wort für ‘Wunder’, z.B. aksl., russ. čúdo, Gen. -ese, skr.čȕdo, unter Annahme eines Ablautwechsels *qēudos- : *qūdos- verbunden (dazu Porzig Gliederung 170). Das slavische Nomen wird von einem Verb ‘vernehmen, wahrnehmen, hören’, z.B. aksl. čujǫ, čuti (wozu auch κοέω, s. d.), mit d-Suffix abgeleitet; čudo, κῦδος somit eig. "das Vernommene, Gehörte" wie κλέος von ἔκλυον. Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 1, 368ff., Pok. 587f., Vasmer Wb. s. čúdo nnd čúju W.-Hofmann s. caveō. Anders über κῦδος Persson Beitr. 1, 188 A. 2 (als "Ruf" zu κῠδάζω). — Uber κυδρός eine "gewagte Vermutung" bei Wackernagel Berl. Sb. 1918, 411 (= Kl. Schr. 1, 330): zu (iran.) Σύδροι, Volk in Arachosien (eig. *"die Ruhmvollen"), woraus aind. śūdrá- ‘Angehöriger der 4. Kaste’; vgl. W.-Debrunner Aind. Gramm. 2 : 2, 853 f. m.Lit.; dazu noch Thieme KZ 69, 173 f. II-40-41
κυδοιδοπάω ‘Lärm, Verwirrung machen’ s. κυδάζομαι. II-42
κυδώνια (μᾶλα) n. pl. ‘Quittenäpfel’ (Stesich., Alkm., Kom. u.a.), -ιαι μηλίδες (Ibyk.). Davon κυδωνέα (-ία) f. ‘Quittenbaum, Pirus Cydonia’ (hell. Pap., Dsk.), -ίτης (οἶνος) ‘Quittenwein’ (Dsk., Colum.; Redard Les noms grecs en -της 97), -ᾶτον ‘Quittentrank’ (Aet.,Paul.Aeg.), -ιάω ‘wie Q. schwellen’ (APl. u.a.). — κυδωνό-μελι n. ‘Quittenmet’ (Dsk., Orib.; Strömberg Wortstudien 30). — Durch volksetymologische Beziehung auf die berühmte Stadt Κυδωνία (an der Nordküste Kretas) aus einem älteren kleinasiatischen Namen entstanden, der noch in κοδύ-μαλον (Alkm. 90) erhalten ist; vgl. noch die Stadt Κυτώνιον an der Grenze Lydiens. Auf Vermischung mit κόττανον (s. d.) beruht die Bedeutungsangabe bei H.: κοδώνεα· σῦκα χειμερινά. καὶ καρύων εἶδος Περσικῶν. Lat. LW cydōneum ‘ Quittensaft, -wein’ (Ulp.). Hierher noch — wohl als unabhängige Entlehnung —lat. cotōneum ‘Quitte’ (seit Cato). Aus cotōneum und cydōneum stammen die west- und osteurop. Formen, z.B. ital. cotogno, frz. coing (> nengl. quince), ahd. chutina, mhd. quiten, slav., z.B. aruss. gdunja. — Weitere Einzelheiten m. Lit. bei W.-Hofmann s. cotōneum und Schrader-Nehring Reallex. 2, 209; dazu noch Lavagnini Stud. itfilclass. 18, 205, Mayer Glotta 32, 73 f. II-42
κυέω (seit Il.) Verbalnomina: κύημα ‘Leibesfrucht, Fötus, Embryo’ (ion. att.), -ησις ‘Konzeption, Schwangerschaft, Embryo’ (Pl., Arist., Thphr. u. a.), κύος n. = κύημα (Ar. Fr. 609, Inschr. Keos) mit κυόεις (Kos, IIIa); ἀπο-κυη-τικός ‘zum Gebären geeignet’ (Astrol.), κυητήριος ‘Schwangerschaft befördernd’ (Hp.), κυήτωρ ‘Erzeuger’ (Kyran.; von einem Vogel); κυηρόν· ἔγκυον, ἁπαλόν, βλαστόν H. Kompp., z.B. κυο-φορέω ‘eine Leibesfrucht tragen, schwanger sein’ mit -φορία, -ησις (LXX, Med. usw.), -φόρος (Pap., EM); ἔγ-κυος ‘schwanger’ (ion., Arist.); κύ-ουρα f. N. einer Pflanze, die als Abortmittel benutzt wurde (Stob.; Strömberg Pflanzennamen 95). — Zu κῦμα (ἐγ-κύμων), κύριος (κῦρος) s. bes. mit durchgeführtem Paradigma: κυήσω (Hdt. usw.), κυῆσαι (ion. att.), κεκύηκα (hell. u. sp.), κυηθῆναι, -θήσεσθαι (sp.); älterer Aorist κύσασθαι (ep. seit Il.) mit kausalem Aktiv κῦσαι (A.), jüngeres Präsens κύω (sicher seit Arist. u. LXX); auch κυί̄σκομαι, -ω (ion. att.); ‘schwanger sein od. werden’ (τινά, τί ‘mit einem Jungen’). zuweilen mit Präfix, z.B. ἐπι-, ἀπο-, συγ-κυέομαι, -κυίσκομαι (-ίσκω), ὑπο-κυσαμένη (ep. seit Il.), — Mit κυέω kann aind. śváyati ‘groß, stark, mächtig sein od. werden, erstarken, zunehmen’ unmittelbar gleichgesetzt werden: idg. *ḱuu̯-éi̯e-(ti), (Schulze KZ 27, 605 = Kl. Schr. 363). Neben dieser sekundären Präsensbildung steht in sehr alter Zeit der primäre mediale Aorist κύσασθαι (aind. dafür der themat. Wurzelaor. á-śv-a-t [wäre gr. *ἔ-κυ-ε; dazu als Neubildung κύω?]). — Aus dem sehr reichen Formenbestand, der vor allem erstarrte und isolierte Verbalnomina umfaßt, seien noch erwähnt das Präs. Ptz. aw. si-sp-imna-’sich auftürmend’ (von einer Flußwelle; vgl. κῦμα), kymr. cyw m. ‘Tierjunges’ (idg. *ḱuu̯o- m.; vgl. ἔγ-κυος, κυο-φορέω, κύος n.), lat. inciēns ‘trächtig’ (wohl aus ἔγκυος entlehnt, s. Ernout-Meillet; anders W.-Hofmann); dazu noch die Belege s. κύριος (wo auch über den Ablaut); vgl. noch κύαμος, πᾶς, πέπαμαι. Uber vermutete Beziehung zu Wörtern für ‘hohl, leer’ s. κύαρ. — WP. 1, 365ff., Pok. 592ff., W.-Hofmann s. inciēns und cavus mit weiteren Formen und Lit. — Heth. šuwa- ‘anschwellen o. ä.’ (?), von Götze Lang. 30, 404 zögernd hierher gestellt, muß wegen des Anlauts fernbleiben. II-42-43
Κυθέρεια f. Beiname der Aphrodite (Od.); von der Insel (τὰ) Κύθηρα mit Kürzung des η wegen des Verses (v. Wilamowitz Glaube 1, 95 A. 9) nach εὐπατέρεια u. a. — Nicht mit Güntert Kalypso 187 f. nach antiken Grammatikern zu κεύθω. II-43
κυθνόν · τὸ ἄκυον φάρμακον. καὶ πολύκυθνα πολύσπερμα. κυθνὸν γὰρ τὸ σπέρμα H. — Wegen ἀκυητήριον· φάρμακον πρὸς τὸ μὴ κυεῖν γυναικεῖον H. scheint eine Änderung in <ἄ>κυθνον (LSJ u. A.) geboten zu sein. Sie ist aber nicht notwendig; es handelt sich vielmehr um eine euphemistische Ellipse, vgl. κύ-ουρα (s. κυέω), auch ὠκυ-τόκιον N. eines Abortmittels neben ώκυ-τόκος, Bein. der σελήνη, d. h. der Artemis als Geburtshelferin (Tim. Fr. 28). II-43
κῠκάω, κυκῆσαι, -ηθῆν ‘(ein-) rühren, mischen, aufrühren, verwirren’ (seit Il.). αι, auch mit ἀνα-, δια-, συν- u. a., Davon κυκεών, -ῶνος (nachhom.; poet. Akk. seit Λ 624, 641 auch -ε(ι)ῶ; nach den Kompar. auf -ω, Schwyzer 569 m. Lit.; nach Risch 147 und Chantraine Gramm. hom. 1, 212 alter σ-Stamm, nach Shipp Studies 33 Attizismus), dor. κυκᾶν, -ᾶνος m. ‘Mischtrank, Rührtrank’ (Epid.); bemerkenswerte Primärbildung (vgl. Schwyzer 521, Chantraine Formation 164); Nom. instrumenti κύκηθρον ‘Rührlöffel’, übertr. ‘rührige Person, Aufrührer’ (Ar. u. a.); Nom. actionis κύκ-ησις (Pl., Epikur.), -ησμός (S.), -ηθμός (Max. Tyr.) ‘Mischung, Auf- rührung’; auch κύκημα· τάραχος, κυκήθραν· ταραχήν H. — Intensivbildung auf -άω (Schwyzer 719) ohne Etymologie. Allerhand Vorschläge (lit. šáukštas ‘Löffel’, aind. khájati ‘um- rühren’, got. hugis ‘Sinn, Verstand’) bei Bq, WP. 1, 377, Pok. 597, W.-Hofmann s. 1. cinnus. — Lat. LW cocētum ‘ds.’ — Vgl. κυρκανάω. II-43-44
κύκλος auch τὰ κύκλα (eig. kollektivisch; Schwyzer 581, Schw.-Debrunner 37) m., pl. ‘Kreis, Umkreis, Rad’, auch übertr. auf kreis- od. radförmige Gegenstände, z.B. ‘kreisrunde’ Platz, Ringmauer’ (seit Il.). Viele Kompp., z.B. κυκλο-τερής ‘rund gedrechselt od. gearbeitet, rund’ (seit Il.; vgl. zu τείρω), εὔ-κυκλος ‘einen schönen Kreis bildend, schön gerundet’ (poet. seit Il.); auch in Hypostasen, z.B. ἐγ-κύκλ-ιος ‘im Kreise herumgehend, kreisförmig, die Reihe umgehend, allgemein’ (att. hell.; zur Bed. Koller Glotta 34, 174ff.); zu Κύκλωψ s. bes. Ableitungen: A. Substantiva: 1. Deminutiva κυκλ-ίσκος (Mediz., Ptol.), -ίσκιον (Dsk.). 2. -ίστρια f. ‘kyklische Chortänzerin’ (att. Inschr.; nach κιθαρίστρια u. a.). 3. κυκλά-μινος f., m. Pflanzenname, ‘Cyclamen graecum, Lonicera periclymenum’ (Thphr., Dsk.), auch -αμίς (Orph.), nach der kreisrunden Wurzelknolle (Strömberg Pflanzennamen 36; Bildung nach σησάμινος u. a.). 4. Κυκλειών, -ῶνος m. Monatsname (Keos, IVa; nach dem Fest τὰ Κύκλ(ε)ια). 5. Κυκλεύς PN (Ael.; Boßhardt Die Nom. auf -ευς 130). — B. Adjektiva. 1. κυκλάς f. ‘einen Kreis bildend’, auch Κυκλάδες pl. als ON ‘Ringinseln’ (ion. att.), lat. LW cyclas N. eines Rundkleides; κυκλιάς f. Beiw. von τυρός (AP). — 2. κύκλ-ιος ‘kreisförmig’ (att. usw.). 3. -ικός ‘kreisförmig, zum Kreis gehörig’ (Arist. usw.), 4. -όεις (S. in lyr., AP), 5. -ώδης (Hp.) ‘ds.’; 6. κυκλ- ιαῖος ‘sich im Kreise drehend’ (att. Inschr.), 7. -ιακός, τὰ κυκλιακά Titel einer Abhandlung über den Zirkel (sp.); 8. κυκλατός ‘mit Hufeisen beschlagen’ (Pap. VIp). — C. Verba. 1. κυκλέω ‘(sich) im Kreise drehen, umzingeln’ (seit H 332) mit κύκλησις ‘Umwälzung’ (Pl.). 2. κυκλόω ‘kreisförmig machen, rund biegen, umzingeln, umschlingen’ (ion. att.) mit -ωμα ‘Rundung, runder Gegenstand, Rad usw.’ (E. u. a.; vgl. Chantraine Formation 184), -ωσις ‘das Umringen, Einschließen’ (Th., X. usw.). 3. κυκλεύω ‘umwickeln, umzingeln, im Kreise drehen’, z.B. ein Wasserschöpfrad, ‘bewässern’ (Hp., Str., Pap. u. a.) mit κύκλ-ευμα ‘Wasserschöpfrad’ , -ευτήριον ‘ds.’, -ευτής ‘Wärter eines Wasserschöpfrades’ (Pap. 4. κυκλίζω ‘umdrehen’ (Agatharch. u. a.) mit -ισμός (Arist.-Komm.). 5. κυκλάζει· κύκλῳ περιέρχεται. 6. κυκλαίνει· στρογγυλοῖ H. — Alte Benennung des Rades, in mehreren Sprachen erhalten: aind. cakrá- m. n., aw. čaxra- m., germ., z.B. ags. hwēol n. (hweowol, hweogol) > nengl. wheel, idg. *qʷe-qʷl-o- (mit intensiver Reduplikation); daneben mit ufarbiger Schwächung des Reduplikationsvokals (wegen des Labiovelars, Schwyzer 296 u. 423) κύκλος und toch. A kukāl (B kokale) ‘Wagen’; hinzu kommt das im einzelnen unklare phryg. κίκλην· τὴν ἄρκτον τὸ ἄστρον H., eig. ‘Wagen’ (vgl. Porzig Gliederung 183; nicht wahrscheinlich Scherer Gestirnnamen 139). Eine gleichfalls uralte, unreduplizierte und hochstufige Bildung ist durch awno. huĕl (neben hjōl = ags. hwēol), apreuß. kelan vertreten, idg. *qʷélo-m n. (wie ἔργον); mit ο -Vokal (aus dem kollektiven Plural kola?; Lidén GHÅ 39: 2, 47 A. 1) aksl. kolo, Gen. -ese ‘Rad, Wagen’. — Zugrunde liegt ein Verb ‘drehen’, s. πέλομαι, wo auch Lit. Angesichts der sonst durchgehenden Bedeutung ‘Rad’ (> ‘Wagen’) ist zu erwägen, ob nicht bei κύκλος die Bed. ‘Kreis’ gegenüber ‘Rad’ sekundär ist. Eine ursprüngliche Bed. ‘Drehung, Dreher’ ist in dem baltischen Wort für ‘Hals’, z.B. lit. kãklas vermutet worden (s. Fraenkel Wb. s. v. m. Lit.); das Wort weicht indessen nicht nur semantisch, sondern auch formal (idg. *qʷo-qʷl-o- ?) von den Radbezeichnungen ab. II-44-45
Κύκλωψ, -ωπος m. ‘der Kyklop’ (= Πολύφημος, Od.), pl. ‘die Kyklopen’, mythisches einäugiges Riesenvolk (seit Od.); davon Κυκλώπ(ε)ιος "kyklopisch" = ‘von den Kyklopen gebaut usw.’ (Pi., Trag. u. a.), f. -πίς (E.). — Seit Hes. Th. 144 als "die Rundäugigen" erklärt (vgl. Sommer Nominalkomp. 1 A. 2 und Schwyzer 426 A. 4), sachlich nicht ganz befriedigend. Kühne Hypothese von Thieme KZ 69, 177 f.: aus *Πκύ-κλωψ, eig. "Viehdieb", mit schwundstufigem *πεκυ-’Vieh’ (aus dem Indoiranischen bekannt); der Akzent aus dem Vokativ. — Lat. LW Cocles "der Einäugige" (durch etrusk. Vermittlung); s. W.-Hofmann s.v., dazu Leumann Glotta 29, 171f. II-45
κύκνος m. ‘Schwan’ (seit Il.), auch Ben. eines Schiffs, wohl nach dem Vorderteil (Nikostr. Kom.), und einer Augensalbe, nach der Farbe (Gal.; dazu κυκνάριον ‘ds.’, Aët., Gal.); auch PN (Pi. u. a.). Davon κύκνειος ‘zu Kyknos od. zum Schwan gehörig’ (Pi., S., hell.), f. -ῖτις (S., Redard Les noms grecs en -της 112); κυκνίας m. N. eines weißen Adlers (Paus.; vgl. κορακίας u.a., Chantraine Formation 94) — Ausführlich über κύκνος Thompson Birds s. v.; daselbst auch Zweifel über κυκνίας. Seit Wood AmJPh 21, 179 als "der Weiße" (vgl. zu ἀλφός) mit aind. śócati ‘leuchten, glänzen’, śuk-rá- ‘licht, hell, weiß’ verbunden. (W.-)Hofmann s. cicōnia neigt eher (mit Berneker und H. Petersson) zu onomatopoetischem Ursprung (vgl. russ. kykъ ‘Schwanengeschrei’). In κύδνος· κύκνος H., nach Specht Ursprung 121, 204, 229 alter Wechsel k : d, steckt vielmehr eine hyperkorrekte Schreibung nach lat. cycnus, cygnus (C-) = κύκνος, aber auch für Κύδνος (Schulze Kl. Schr. 700; vgl. Schwyzer 208). — Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Ling. Posn. 6, 13ff. II-45-46
κυκύιζα · γλυκεῖα κολόκυντα und κύκυον· τὸν σικυόν H., s. σίκυος. II-46
κύλα n. pl. ‘Höhlungen, Flecke unter den Augen’ (Hp., Sor.), vgl. H. κύλα· τὰ ὑποκάτω τῶν βλεφάρων κοιλώματα. τὰ ὑπὸ τοὺς ὀφθαλμοὺς μῆλα. τὰ ὑπώπια. Als Vorderglied in κυλ-οιδ-ιάω ‘eine Schwellung unter den Augen haben’ (Ar., Theok. u. a.), Zusammenbildung aus κύλα und οἰδέω (οἶδος) nach den Krankheitsverben auf -ιάω; κυλοιάζειν· τὸ τοὺς ὀφθαλμοὺς ἐπικλίνειν χλευάζοντα (Theognost. Kan. 21). Deminutiva κυλίδες, -άδες (Poll., Eust.); dazu, wohl als Hypostase, ἐπι-κυλ-ίδες ‘die oberen Augenlider’ (Poll.). PN Κύλων (Argos), Κύλασος (Larisa), Κύλαhος (Argos), s. Solmsen Wortforsch. 88f.; zu Κυλωΐδας, -ϊάδας (Delph.) Bechtel Namenstud. 31 ff. — Zur Sippe von κύαρ, s. d. Über die wahrscheinlich irrige Anknüpfung an lat. super-cilium ‘Augenbraue’ s. W.-Hofmann s. cilium m. Lit. II-46
κυλίνδω, -ομαι (vorw. poet. seit Il.), -έω, -έομαι (att.), Fut. κυλί̄σω (att.), κυλινδήσω (sp.), Aor. κυλῖσαι (Pi., ion. att.), Pass. -ισθῆναι (seit Il.; -ινδηθῆναι Str.), Perf. Med. κεκύλισμαι (Luk., Nonn.); aus κυλῖσαι ( < -ίνδ-σαι) Präs. κυλί̄ω (seit Ar.); ‘rollen, wälzen’. oft mit Präfix, z.B. προ-, ἐκ-, ἐν-, ἀμφι-, Davon 1. κύλινδρος m. ‘Walze, Rolle, Zylinder usw.’ (Demokr. 155, hell. u. sp.) mit κυλίνδρ-ιον, -ίσκος, -ικός, -όω (hell.). 2. κύλῑσις ‘das Rollen, Wälzen’ (Arist. usw.), -ισμός ‘ds.’ (Thd. u. a.), -ισμα ‘Rolle usw.’ (Sm. u. a.), -ίστρα ‘Wälzplatz für Pferde’ (X., Poll. u. a.), -ιστός m. ‘gerolltes Paket’ (Pap.); τρι-κύλιστος (Epikur. Fr. 125), zur unklaren Bed. De Witt ClassPhil. 35, 183. 3. κυλίνδησις ‘das Rollen’ (Pl., Plu.). — Enthält dasselbe dunkle νδ-Element wie die synonymen ἀλίνδω, -έω, καλινδέομαι (s. dd.); auch im übrigen unklar. Gewöhnlich mit κυλλός ‘gekrümmt, verkrüppelt’ (s. d.) zu einer allumfassenden Wurzel (s)qel- ‘biegen, krumm’ (s. κῶλον, σκέλος) gezogen. II-46
κύλιξ, -ικος f. (m.) ‘Trinkschale, Becher’ (nachhom.). Einzelne Kornpp., z.B. κυλικ-ήρυτος ‘mit einem Becher geschöpft’ (Kall.), εὐ-κύλικος ‘von schönen Bechern begleitet’ (AP). Mehrere Deminutiva: κυλίκιον (Thphr. u. a.), κυλίσκη (D. H., Poll., < -ικ-ίσκη Schwyzer 542), -ίσκιον (Poll.); -ίχνη (Alk., Ar.; Chantraine Formation 195); lat. LW culigna (vgl. W.-Hofmann s. calix m.Lit.); -ίχνιον (Ar., hell.), -ιχνίς (Achae. u.a.); ferner κυλικ-εῖον ‘Becherständer’ (Komp., Pap.), -ειος ‘zum Becher gehörig’ (Poll.), -ώδης ’κ.-ahnlich’ (Sch.). — Stimmt bis auf den Stammvokal zu lat. calix ‘tiefe Schale, Becher’ (> nhd. Kelch usw.); dazu noch, im Ausgang abweichend, aind. kaláśa- m. ‘Topf, Krug, Schüssel’; mit a-Vokal ebenfalls κάλυξ ‘Fruchtkapsel, Blumenkelch’. Anlautendes skin umbr. skalçe-ta ‘ex patera’, vgl. dazu σκαλλίον· κυλίκιον μικρόν, σκαλίς· σκαφεῖον H. Wie bei so vielen Bechernamen ist mit Entlehnung zu rechnen; nach WP. 1, 442, Pok. 550 f., W.-Hofmann s. calix (auch Ernout-Meillet) am ehesten idg. Die Anreihung an idg. (s)qel- ‘spalten’ (W.-Hofmann nach Reichelt) besagt (trotz nhd. Schale u. a.) wenig. — Uber -υ- in κύλιξ Schwyzer 351. II-46-47
κύλλα · σκύλαξ. ’Ηλεῖοι H., s. σκύλαξ. II-47
κυλλός ‘verkrüppelt, verstümmelt an Hand und Fuß usw.’ (ion. att.); — Wohl mit κελλόν· στρεβλόν, πλάγιον H. (s. κελλάς) irgendwie zusammenhängend; das -υ- auch in κυλίνδω. Die zur Erklärung davon herangezogenen aind. kuṇi- ‘lahm am Arm’ und noch mehr kuṇḍá- n. ‘Krug’ sind unzuverlässige Zeugen, s. Mayrhofer Wb. s. v. Über die angenommene weitere Beziehung zu (s)qel- ‘biegen, krumm’ s. WP. 2, 597 f., Pok. 928, W.-Hofmann s. colubra; vgl. noch zu κυρτός. als Vorderglied in κυλλο-ποδίων (Vok. -ον) Beiw. des Hephaistos ‘mit verkrüppeltem Fuß, Hinker’ (Il.), aus κυλλό-πους ‘ds.’ (hell.) nach den Nomina auf -ίων erweitert (Schwyzer 487). κυλλόομαι, -όω ‘verkrüppeln’ (Hp., Gal.) mit -ωσις, -ωμα; κυλλαίνω intr. ‘ds.’ (S., Ph.). — Auch κύλλαιος· βόστρυχος H.? (Grošelj Živa Ant. 3, 202). II-47
κῦμα, -ατος n. 1. ‘Welle, Woge, Brandung’, auch übertr. (seit Il.); 2. = κύημα ‘Leibesfrucht, Fötus’ (A., E., AP), ‘Embryo, Sproß’ (Thphr., Gal.; Strömberg Theophrastea 79). Kompp., z.B. κυματωγή < *κυματο-ϝαγή ‘das Brechen der Wellen, Meeresstrand’ (Hdt. u. a.); ἀ-κύμων ‘ohne Wellen’ (Pi., Trag. u. a.), auch ‘ohne Fötus’ (E. u. a.; Gegensatz ἐγ-κύμων att.); auch ἄ-κυμος (E., Arist. u. a.), ἀκύματος (Trag. Adesp.) ‘ohne Wellen’. Ableitungen. Deminutivum κυμάτιον ‘wellenartiger Teil des ionischen Säulenkapitells’ (Inschr. u.a.); κυματ-ίης, -ίας m. ‘Wellen schlagend, erregend’ (ion. poet.), -ώδης (Arist. u. a.), -όεις (Arist., Opp.), -ηρός (Gloss.) ‘voll Wogen’. Denominativa. 1. κυμαίνω, auch mit ἐκ- usw., ‘wallen, wogen’ (seit Il.) mit κύμανσις (Arist.); auch ‘schwanger werden’ (γαστέρα usw.; sp. Epik.); 2. κυματόομαι, -όω ‘sich in Wogen auftürmen, überfluten’ (Th., Luk., Plu. u.a.) mit -ωσις (Str. usw.); 3. κυματίζομαι ‘auf den Wogen rollen, mit den Wogen treiben’ (Arist. u. a.). — Hierher noch Κυμώ f. N. einer Nereide (Hes.); auch Κύμη? (Kretschmer Glotta 24, 277ff.). — Im Sinn von ‘Fötus’ fungiert κῦμα als Verbalnomen von κυέω. Die geläufige und alte Bed. ‘Welle, Woge’ muß jedenfalls auf eine anschauliche Auffassung zurückgehen; das damit verwandte lat. cŭm-ulus ‘Haufe’ läßt (wie für κύριος) auf vorgriechische Entstehung schließen. Das betreffende Verb (s. κυέω) hat entweder schon in idg. Zeit von ‘schwanger sein’ aus einen allgemeinen Inhalt ‘zunehmen, schwellen’ angenommen oder umgekehrt die (relativ) ursprüngliche Bed. ‘schwellen’ auf die Schwangerschaft beschränkt (vgl. Porzig Satzinhalte 242). — An Stammwechsel (m : p) mit aksl. kupъ ’σωρός’ (Specht KZ 68, 123) ist nicht zu denken. Abzulehnen Machek Stud. in hon. Acad. d. Dečev (Sofia 1958) 50: κῦμα ‘Fötus’ zu čech. kmen ‘Baumstamm, -stumpf’. II-47-48
κύμβαχος 1. Adj. ‘kopfüber fallend’ (Ε 586; danach Kall., Lyk. u.a.); 2. Subst. etwa ‘Helmspitze, Helmkugel’ (Ο 536). — Da die Bedd. sich sachlich nicht vereinigen lassen, will sie Leumann Hom. Wörter 231 ff. auf verschiedene Interpretationen und Umdichtungen einer vorhomerischen Darstellung zurückführen; wie Bechtel Lex. neigt er dazu, die substantivische, technische Funktion als die primäre anzusehen. Auch die Bildung spricht am ehesten dafür; vgl. besonders οὐρίαχος ‘Speerende’, στόμαχος eig. "Mundende", ‘Kehle’; Grundwort somit κύμβη ‘Trinkgefäß, Becken’ (s.d.)? — Nach anderen (Hofmann Et. Wb., Kuiper Μνήμης χάριν 1, 213f.) nasalierte Form von κύβη, κυβιστάω (s. d.). II-48
κύμβη 1. κύμβος m. (n.) ‘Hohlgefäß, Schale’ (Nik., H.); gewöhnlicher κυμβίον (-εῖ-) n. ‘kleiner Becher’ (att., hell.), ‘kleiner Kahn’ (H., Suid.). f. ‘Trinkgefäß, Becken, Schale’ (Nik., Ath.), ‘Kahn’ (S. Fr. 127); Davon κύμβαλον n., gew. pl. -α ‘Becken, Zymbal’ (Pi., A., X. usw.; vgl. κρόταλον) mit dem Demin. κυμβάλιον (Hero) und dem Denom. κυμβαλίζω ‘die Zymbalen schlagen’ (hell.); davon -ισμός, -ιστής, -ίστρια (sp.). Hierher wohl noch ἀν-εκυμβαλίαζον (δίφροι Π 379) ‘sie prallten wie κύμβαλα aufeinander’ (anders Kuiper Μνήμης χάριν 1, 214 A. 11). — Schon von Curtius 158 mit aind. kumbhá-, aw. xumba- m. ‘Topf’ verbunden; dazu (mit Fick, Pedersen) kelt. Gefäßnamen wie mir. comm, cummal; weitere, semantisch abweichende Wörter bei Bq, WP. 1, 375f., P. 592, W.-Hofmann s. cubō; daselbst auch reiche Lit. Weitere Kombinationen bei Sayce ClRev. 42, 161. — Wegen der Lautfolge *qumb(h)- (für *qu̯m̥b(h)-) kann es sich ja um kein uraltes idg. Erbstück handeln; vielmehr liegt ein Wanderwort vor. — Aus κύμβη lat. cymba, cumba ‘Nachen’ (nach Plin. H N 7, 208 phönikisch). — Vgl. κύπη. II-48
κύμβη 2. nur EM 545, 27, = κύβη, ’κεφαλή’; dazu κυμβητιάω ‘kopfüber stürzen’ (ebd.); vgl. κυβητίζω usw. s. κυβιστάω. — Unklar; vielleicht mit 1. κύμβη ‘Schale’ identisch; vgl. lat. testa > frz.tête usw. II-49
κύμβη 3. f. N. eines unbekannten Vogels (Emp. 20, 7 πτεροβά-μοσι κύμβαις, H.); κυμβατευταί· ὀρνιθευταί H. — Dunkel; vgl. κόμβα· κορώνη. Πολυρρήνιοι H. und Thompson Birds s. v. II-49
κύμινδις (κύβ-), -ιος, -ιδος f. m. N. eines unbekannten Vogels (Ξ 291, Ar. Av. 1181, Arist. u. a.), schon im Altertum (Sch. Av. 291) mit κικυμωΐς (Kall.; κίκυμος, -υβος H.) verglichen und deshalb als ‘Eule’ verstanden. — Offenbar Fremdwort, wegen des νδ-Suffixes wohl kleinasiatischen Ursprungs. Ausfuhrliche Behandlung mit reicher Lit. von Heubeck Würzb. Jb. 1949—50, H. 2, 206ff. II-49
κύμῑνον myk. ku-mi-no; n. ‘Kümmel’ (Hp., Sophr., Kom.), als Vorderglied z.B. in κυμινο-πρίστης "Kümmelsäger", d.h. ‘Geizhals’ (Arist., Korn.). Davon κυμιν-ώδης ‘k. -ähnlich’ (Thphr.), -ινος ‘aus K.’, -ᾶς ‘K.-verkäufer’ (Inschr. Jaffa), -εύω ‘mit K. bestreuen’ (Orac. ap. Luk.). — Sem. LW; vgl. hebr. kammōn, akkad. kamūnu usw. (Lewy Fremdw. 38 nach Lagarde), die indessen nach Kretschmer KZ 29, 440 vielmehr in den Pflanzennamen κάμων (Nik.) und σκαμ(μ)ωνία, -ώνιον (Kom., Nik. usw.) ‘Art Winde’ wiederzufinden sind. Vielleicht ist mit Lewy eine zwiefache Entlehnung anzunehmen. Vgl. noch Grimme Glotta 14, 19. — Lat. LW cumīnum; daraus die neueurop. Formen (Schrader-Nehring Reallex. 1, 655). II-49
κυνάμυια (Il. u. a.), später (mit anal. -ο-) κυνό-μυια (LXX, AP usw.) f. ‘Hundsfliege’, gew. als Schimpfwort. — Für *κυά-μυια aus idg. *ḱuu̯n̥- (> aind. śuva-) mit -ν- aus κυνός usw.; vgl. lit. šun-musė̃ ‘ds.’. Näheres zur Bed. Risch IF 59, 59. II-49
κύνδαλος m., pl. auch -α ‘hölzerner Nagel’ (Poll., H.) mit κυνδαλο-παίκτης (Poll.), -παίστης (H.) ’κ.-Spieler’. Davon κυνδαλισμός ‘der κ. -Spiel’ (Poll.), auch κυνδάλη genannt (H.). — Bildung wie das synonyme πάσσαλος, sonst dunkel. Eine ganz unwahrscheinliche Vermutung von Bugge (zu ahd. (h)was ‘scharf’ usw.) wird bei Bq und WP. 1, 513 referiert; weitere Kombinationen derselben Art bei W.-Hofmann s. triquetrus. II-49
κυνέω, Aor. κύσ(σ)αι (seit Hom.), Fut. κυνήσομαι (E.), κύσσω (Babr.) ‘küssen’, fast nur poet. (Prosa dafür φιλέω); προσ-κυνέω, Aor. προσ-κυνῆσαι (ion. att.), -κύσαι (S., Ar.), Fut. -κυνήσω (Hippon., Pl.), -κεκύνηκα (LXX usw.) ‘sich niederwerfend den Boden usw. küssen, fußfällig verehren’, auch ‘Kußhände werfen’ (Marti Lang. 12, 272ff..), mit προσκύνη-σις (Pl., Arist. usw.), -μα (hell. u. sp.) ‘Fußfall, Verehrung’, -τής ‘Anbeter, Verehrer’ (orient. Inschr., NT usw.), -τήρ ‘Betschemel’ (Mon.Ant.); vom Simplex nur κυνη-τίνδα (παίζειν Krates Kom.). — Zum Aorist κύ(σ)-σαι scheint das Präsens κυ-νέ-(σ)-ω (für athem. *κυ-νέ-σ-μι?) mit Nasalinfix gebildet zu sein (Schwyzer 692 m. Lit.). — Große Ähnlichkeit zeigt heth. kuu̯aš-zi, -anzi ‘küssen’; ebenso das germ. Wort für ‘Kuß, küssen’, z.B. ahd. kus, kussen, das sich als Schallwort der Lautverschiebung entzog. Elementar verwandt ist aind. cumbati. Mayrhofer Wb. s. v., WP. 1, 465, Pok. 626, Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. 315 (mit reicher Lit.); dazu noch Schrader-Nehring Reallex. 1, 668ff. II-49-50
κυπάρισσος, att. -ιττος f. ‘Zypresse’ (seit ε 64). Davon das Demin. -ίττιον (Alkiphr.); ferner -ίσσινος, -ίττινος ‘von Zypressenholz’ (seit ρ 340), -ισσίας ‘Euphorbia aleppica’ (Dsk. u.a.; Strömberg Pflanzennamen 35), -ισσών, -ῶνος m. ‘Zypressenhain’ (Str.); myk. ku-pa-ri-se-ja (pl. n.)? Stadtnamen Κυπάρισσος (Phokis, Β 519), -ισσοῦς, -ισσία, -ισσιαί, -ισσήεις (Elis, Β593; Leumann Hom. Wörter 301); vgl. Solmsen Wortforsch. 85; dazu Κυπαρίσσιος Bein. des Apollon (Kos), -ισσία B. der Artemis (Lakon.; Κυφ-), -ισσίτας Bein. des Pan (Kreta; Κυφ-). — Mittelmeerwort unbekannten Ursprungs. Aus derselben Quelle oder eher aus dem Griechischen (durch etrusk. Vermittlung?) lat. cupressus (W.-Hofmann s. v. mit Nachtr., Blumenthal Gnomon 15, 166, Leumann IF 57, 156 f., Ernout Aspects du vocab. latin 31); hierher noch hebr. gōfer. Über andere Namen der Zypresse Schrader-Nehring Reallex. 1, 671. II-50
κύπασσις, -εως (-ιδες pl. Alk.) m. Ben. eines (kurzen) Leibrocks, der auch von Frauen getragen wurde (Alk. Z 34, 7 [vgl. Hamm Grammatik 53], Hekat., Ion Trag., A P u.a.); Demin. -ίσκος (Hippon. 18). — Kleinasiatisches LW, in den Quellen mit Lydern und Persern verknüpft (vgl. Gow ClassRev. 69, 238 f.). Eine schlagende Ähnlichkeit zeigt heth. kupaḫi- (v. Blumenthal Hesychst. 2 7 ff.), das aber eher eine Art Kopfbedeckung zu bezeichnen scheint, s. Friedrich Wb. (auch Erg.heft) m. Lit. II-50
κύπειρον -ος m. (h. Merc. 107, Kom., Thphr., Theok.), κύπερος m. (ion., Dsk., Plu. u. a.), κύπαιρος (Alkm. 16) n. (Φ 351, δ 603, Thphr.) N. einer Wiesenpflanze mit aromatischer Wurzel, ‘Zypergras, Cyperus longus, rotundus’ (vgl. Strömberg Theophrastea 79 f.); κύπερα· τὰ σχοινία ἐκ κυπείρου πεπλεγμένα H.; myk. ku-pa-ro? Davon κυπαιρίσκος (Alkm. 38) und κυπε-ρίζω ‘dem Zypergras ähnlich sein’ (Dsk.). — Fremdwort unbekannterHerkunft; die schwankende Form hängt mit der Entlehnung zusammen (vgl. Schwyzer 471 f.). Vgl. zu 1. κύπρος. II-50-51
κῠ́πελλον myk. [ku-]pe-ra? n. ‘bauchiges Trinkgefäß, Becher, Pokal’ (ep. seit Il.); Einzelne Kompp., namentlich ἀμφι-κύπελλον n. Attr. von δέπας (Hom.), wörtlich "mit Bechern an beiden Seiten (od. ringsum)", d.h. ‘Doppelbecher’, d.h. ‘zwei mit der Basis aneinander gefügte Becher’ (?); nach Aristarch (EM 90, 43; vgl. Ath.11,783b) ‘doppelhenklig’; vgl. Kretschmer Glotta 20, 248 m. Lit., Brommer Herm. 77, 358f., 366. — Nach einem Gewährsmann bei Ath. 11, 483a war κύπελλον sowohl den Kypriern wie den Kretern bekannt; vgl. Bowra JournofHellStud. 54, 73. — Bei Abtrennung des mutmaßlich suffixalen ελλο -Elements, das eine Kombination von λ- und ιο- Suffixen zu enthalten scheint (vgl. Chantraine Formation 253, auch Schwyzer 483), ergibt sich ein an sich ziemlich gleichgültiger Anschluß an κύπη· τρώγλη H. mit genauen Entsprechungen in lat. cūpa ‘Kufe, Tonne’, aind. kū́pa- m. ‘Grube, Höhle, Brunnen’ u.a.m., s. die ausführliche Behandlung bei W.-Hofmann s. 2. cūpa, dazu noch Mayrhofer s. kū́paḥ. — Vgl. auch κυφός. II-51
κυπρῖνος m. ‘Karpfen’ (Arist., Opp.). — Bildung wie ἀτταγῖνος und andere Fischnamen (s. zu ἀτταγᾶς m. Lit. und Strömberg Fischnamen 41) von κύπρος ‘Hennastrauch’ (s. d.) nach der Farbe; vgl. Strömberg 20ff., auch WP. 1, 457. — Die anderen Benennungen des Karpfens, aind. śaphara- m. = lit. šãpalas, ahd. karp(f)o usw. (s. Bq und W.-Hofmann s. carpa m. Lit.) sind fernzuhalten. II-51
κύπρος 1. f. ‘Hennastrauch, Kuperblume, Lawsonia inermis, Salbe daraus’ (Thphr., LXX, Pap., Dsk. u. a.). Davon κύπρινον (μύρον, ἔλαιον, Dsk. Aret. u.a.); κύπριον· τὸ ἀρνόγλωσσον H. (= Plantago usw.). Denominatives Verb κυπρίζω ‘blühen’ mit κυπρισμός ‘Blühen, Blüte’ (des Öl- od. Weinbaums, LXX, Eust.). Zu κυπρῖνος s. bes. — Aus dem Semitischen; vgl. hebr. kōfer (Lewy Fremdw. 40 f. m. Lit.). Ob auch κύπειρον, -ος mit Lewy hierher gehört, ist unsicher; vgl. Schrader-Nehring Reallex. 1, 671. II-51
κύπρος 2. m. Getreidemaß (Alk., Inschr.); ἡμί-κυπρον (Hippon.), nach H. = ἥμισυ μεδίμνου. — Persson Beitr. 1, 104 A. 4 vergleicht κύπελλον, κύπη; wohlbegründeter Zweifel bei WP. 1, 373; eher LW. — Lewy Fremdw. 263 A. 1 erinnert an hebr. kepōr ‘Becher’ ( ?). II-51
Κύπρος f. ‘Cypern’ (seit Il.) mit Κύπρις, -ιδος, -ιδα, -ιν f. N. der Aphrodite (seit Il.; zum Akzent Schwyzer 385), Κύπριος ‘cyprisch’ (ion. att.) u. a. — Herkunft unbekannt; lat. LW cuprum, älter (aes) cyprium ‘Kupfer’. Die Ähnlichkeit mit sumer. zabar ‘Kupfer’ (eig. "glänzender Stein"), woraus assyr. siparru > elam. čupar ‘ds.’, ist zufällig, s. Ipsen IF 39, 232 ff. gegen Pokorny KZ 49, 127, der für kaukasischen Ursprung eintritt. — Neuer Versuch von Deroy Mél. Isidore Levy 87 ff. (vgl. Krahe Beitr. z. Namenforsch. 7, 103). II-52
κύπτω (ion. att.), Aor. κύψαι (seit Il.), Fut. κύψομαι, -ω (att., hell. u. sp.), Perf. κέκῡφα (ion. att.), ‘sich ducken, sich vorwärts beugen’. oft mit Präfix, z.B. ἀνα-, κατα-, ἐπι-, παρα-, ὑπο-, ὑπερ-, Einzelne Verbalnomina : ἐπί-, κατά-, παρά-, πρό-κυψις ‘das Ducken, Vorwärtsbeugen’ (Mediz., hell. u. sp.); συγκύπ-ται pl. ‘Schrägbalken’ (Ath. Mech.), παρακυπτ-ικός ‘hineinschauend, neugierig beschauend’ (Cod. Iust.). Adv. κύβ-δα ‘vornüber gebeugt’ (Archil., Kom.). Erweitertes Präsens κυπτάζω ‘gebückt gehen, herumstöbern’ (Kom. u. a.). — Daneben κῡφός ‘gebückt, vornübergebogen, buckelig’ (seit β 16) mit mehreren Ablegern: κύφων, -ωνος m. ‘Krummholz am Pfluge, Halseisen, (mit Halseisen versehener) Bube, Schrägbalken usw.’ (Thgn., Archil., Kom. usw.) mit κυφώνιον Art Salbe (Alex. Trall.), -ισμός ‘das Belegen mit Halseisen’ (Sch.); κυφότης ‘Buckligkeit’ (Hld.), κῦφος n. ‘Buckel, Höcker’ (Hdn. u.a.; Schwyzer 512). Denominativum κυφόομαι ‘gebückt, buckelig sein’ mit κύφωσις ‘Buckligkeit’, -ωμα ‘Buckel, Höcker’ (Mediz.); daneben als Rückbildung (zu κυφός od. κέκυφα?) κύφω in κύφοντα ὀφθαλμοῖς ‘mit gesenkten Augen’ (LXX). — Mit faktitiver Bedeutung κυπόω ‘umstürzen, umwerfen’, nur (ἀνα-) κυπώσας (Lyk., Nik.); etwa nach τύπτω (: τύπος) : τυπόω o. ä.? — Da κῡφός im Griechischen bildungsmäßig isoliert steht, dürfte es gegenüber dem regelmäßigen κύπτω (mit altem Perfekt κέκῡφα?) die Priorität beanspruchen können. Dem Sinne nach deckt sich κυφός gut mit den anders gebildeten aind. kubhrá- m. ‘höckeriger Stier’, kubjá- ‘bucklig, krumm’, für die neuerdings protomundäischer Ursprung (mit Recht?) erwogen worden ist, s. Mayrhofer Wb. s. vv.; eine reduplizierte Bildung liegt übrigens in aind. kakúbh- f. ‘Spitze, Gipfel, Höcker’ vor. Der direkte Vergleich von κῦφος n. mit aw. kaōfa- m. ‘Berg, Kamelbuckel’ (Brandenstein Μνήμης χάριν 1, 53) ist trügerisch, da κῦφος im Griechischen zu κυφός gebildet wurde; entfernte Verwandtschaft ist selbstverständlich möglich. Von Wörtern mit auslautendem -p- seien erwähnt lit. kuprà, ahd. hovar ‘Buckel, Höcker’. Unsicher bleibt die Beziehung zu allerhand Glossen wie κύφερον ἢ κυφήν· κεφαλήν. Κρῆτες H. (vgl. Bechtel Dial. 2, 789), ebenso das Verhältnis zu Wörtern für ‘Topf, Krug’ wie aind. kumbhá-, aw. xumba- m. (Laryngaloperationen bei Sturtevant Lang. 17, 10). Vgl. noch zu κύπελλον, 1. κύμβη, κύβος, κυψέλη m. Lit. II-52-53
Κύρβαντες, -άντων pl. m. (Pherekyd. 48, S., hell. Dicht.). — Nebenform von κορύβαντες (s. d.); vgl. noch κύρβεις. II-53
κυρβασία f. N. einer spitzen persischen Mütze (Hdt., Hp., Ar.), nach H. = ὀρθὴ τιάρα. — Grošelj Živa Ant. 4, 172 vergleicht ansprechend heth. (hurrit.) kurpiši- ‘Teil des Helmes (?), Helm(?)’. II-53
κύρβεις (-ιες), -εων pl., selten sg. κύρβις, f. u. m. Ben. drehbarer Pfeiler od. Säulen, in Form einer dreiseitigen Pyramide, auf denen in Athen die Gesetze des Solon aufgezeichnet waren, auch auf andere Inschrifttafeln übertr. (att., Arist. usw.). — Schon als technischer Ausdruck der Entlehnung stark verdächtig. Nach v. Windekens Μνήμης χάριν 2, 216ff. mit lat. corbis ‘Korb’ aus dem Pelasgischen. Gewöhnlich (Zupitza, Prellwitz usw., s. WP. 1, 472 f.) mit καρπός ‘Handwurzel’ (s. d.) verbunden; von dem abweichenden -β- abgesehen, ist ja eine idg. Lautfolge *kurp-, *kurb- (für *ku̯r̥p-, *ku̯r̥b-) schwerlich denkbar. — Hierher auch Κύρβαντες (s. d.) mit Beziehung auf die wirbelnden Tänze (Fick BB 29, 239, Kretschmer Sprache 2, 68) ? II-53
κυρήβια, -ίων n. pl. ‘Spreu, Kleie’ mit κυρηβιο-πώλης m. ‘Kleienverkäufer’ (Hp., Ar., Epikur.). Κυρηβίων, -ίωνος m. Spitzname (D., Ath.). — Bildung und Herkunft gleich dunkel. —Zu κυρηβάζω usw. s. κυρίττω. II-53
κύριος f. κυρία ‘Herrin, Herrscherin’ (hell. u. sp.). m. ‘Herr, Herrscher, Besitzer’, Adj. (m. f. n.) ‘herrschend, entscheidend, gültig, bestimmt’ (nachhom.), Ableitungen: κυρία (aus κυρι-ία; vgl. κυρεία von κυριεύω unten) f. ‘Herrschaft, Besitz’ (Arist., hell. u. sp.), κυριότης f. ‘Herrentum, Herrschergewalt’ (christl. Lit. usw.); κυριακός ‘zum Herrn (= Christus), zum Kaiser gehörig’ (Kaiserz.); κυριεύω ‘Herr sein od. werden, besitzen, sich bemächtigen’ (X., Arist. usw.) mit κυριεία, κυρεία (Schwyzer 194) ‘Besitz, Besitzrecht’ (hell. u. sp.), κυριευτικός, Adv. -κῶς ‘das Besitzrecht betreffend’ (Pap.). — κυρωθῆναι, Akt. κυρῶσαι, κυρόω ‘rechtskräftig werden, bzw. machen’ (ion. att.) mit κύρωσις ‘Bekräftigung, Ratifikation’ (Th., Pl. u. a.), κυρωτής ‘Ratifizierer’ (att. Inschr.); Rückbildung κῦρος n. ‘Rechtskraft, Bekräftigung’ (ion. att.) — ἄκῡρος ‘ohne Rechtskraft, ungültig’ (att.) mit ἀκυρόω ‘ungültig machen’ (Din., hell. u. sp.), wovon ἀκύρωσις, -ωτος mit -ωσία (sp.). — Wie z.B. ἄν-υδρ-ος ‘ohne Wasser’ von ὕδωρ ausgeht, setzt ἄ-κῡρ-ος ‘ohne Rechtskraft’ einen entsprechenden r-Stamm voraus, der auch in κύρ-ιος erhalten ist. Neben κύρ-ιος hat es vielleicht eine ο-Ableitung *κῦρ-ος gegeben, die zu aind. śū́ra-, aw. sūra- ‘Held’ genau stimmen würde; vgl. die aind. Wörter für ‘Sonne’, sū́r-ya- und sū́r-a- von súvar- n. (alter l-Stamm, s. zu ἥλιος). Somit ἄ-κῡρ-ος : aind. śū́r-a- (= *κῦρ-ος) wie ἄν-υδρ-ος : ὕδρ-ος (vgl. Schwyzer 727 A. 2 m. Lit.; etwas abweichend Wackernagel Syntax 2, 61 A. 1). Von *κῦρος m. vielleicht auch κυρωθῆναι, κυρόω; an sich hindert jedoch nichts, auch κυρ-ωθῆναι direkt vom r-Stamm ausgehen zu lassen (ἀνδρ-ωθῆναι : ἀνήρ). Eine Spur dieses r-Stammes zeigt ἔγ-κυαρ ‘trächtig’ (Milet, VIa), von *κύαρ ‘Fötus’ (Kretschmer Glotta 8, 250). Andere Ausläufer: aind. śávīra- ‘stark, kräftig’ (mit unklarem ī), kelt., z.B. gall. Καυαρος, kymr. cawr ‘Riese’; auch Κυάρη· ἡ ’Αθηνᾶ H. ? — Über weitere Verwandte s. zu κυέω m. Lit. II-53-54
κυρίττω, Fut. κυρίξω ‘mit den Hörnern stoßen’ (A., Pl., Arist. u.a.); Mit Präfix: ἀγκυρίττει· μεταμέλεται. Κρῆτες H.; vgl. Bechtel Dial. 2, 777. davon κύριξις (Ael.), κυρίττιλος· κορύπτης, πλήκτης H. Auch κυρίζω (EM); vgl. κυρίζεσθε· τρίβεσθε H. — Die Verbindung mit κορύπτω, κέρας (z.B. Bq, WP. 1, 406) erklärt die Bildung nicht. Eher (trotz Bq s. κύρω) mit Curtius 158 und Prellwitz zu κύρω, -έω ‘treffen, stoßen’. — Eine dunkle Nebenform ist κυρηβάζω, -ομαι, -άσασθαι (Ar., Kratin.) mit κυρήβασις, -σία (Sch.); auch übertr. = λοιδορεῖσθαι; κυρηβάτης καὶ κύρηβος· ὁ ἀσελγὴς ἐν τῷ λοιδορεῖν H. Zu κυρήβια (s. d.) scheint (trotz frz. cosser : cosse) kein Weg zu führen. II-54
κυρκανάω, ‘rühren, mischen, anstiften’ (Hp., Ar., Epin., EM) auch mit συν-, mit der Rückbildung κυρκάνη = ταραχή (EM, Hdn. Gr.); auch κυρκαίη (Suid. s. Ὅμηρος) für κυρβαίη Beiw. von μάζα (Hom. Epigr. 15, 6). — Expressive Erweiterung von κυκάω (vgl. Schwyzer 700) mit eingeschobenem ρ von einem sinnverwandten Wort, z.B. τύρβη (Hofmann Wb.) oder φύρω. II-54
κύρνοι · οἱ νόθοι H.; nach Phot. makedonisch. Auch als PN; vgl. Solmsen Wortforsch. 104. — Unerklärt. Verfehlte Kombination bei Bq und WP. 1, 467; nicht besser mit Barič (s. Mayer Glotta 32, 81) zu aind. kr̥ṣṇá- ‘schwarz’. II-54
κῦρος n. ‘Rechtskraft’ s. κύριος. II-54
κυρσάνιος ‘Jüngling’, κυρσίον· μειράκιον H., — lakon. für σκυρθάλιος, s. d. II-55
κυρτός ‘gewölbt, gerundet, bauchig, buckelig’ (ep. ion. poet. seit Il., hell. u. sp.). Davon κυρτότης ‘Wölbung, Rundung, Buckligkeit’ (Arist., Str., Plu. u. a.). Denominative Verba: κυρτόομαι, -όω ‘(sich) wölben, (sich) ausbauchen usw.’ (ep. ion. poet. seit λ 244, auch X., sp.) mit κύρτωμα (Hp. usw.), -ωσις (Mediz., Vett. Val. u. a.) ‘Wölbung, Ausbauchung usw.’, κυρτωτός ‘buckelig’ (Vett. Val.); κυρταίνω ‘sich wölben, eine Rundung bilden’ (PMag., Suid.). — Erbwort, aber ohne unmittelbare Entsprechung. Nur im Suffix weicht ab lat. curvus ‘gewölbt, bauchig, krumm’, wie κυρτός mit ufarbiger Schwachstufe (zu -u̯o- neben -to- vgl. Specht Ursprung 196); eine Ableitung der in κυρτός enthaltenen to -Bildung ist in lat. cortīna ‘rundes Gefäß, Kessel’ vermutet worden, s. W.-Hofmann s. v., wo auch andere Auffassungen. — Weitere Kombinationen von sehr wechselndem Wert bei WP. 2, 568ff. (Wz. (s)qer- ‘drehen, biegen’), Pok. 935 ff., W.-Hofmann s. curvus. Vgl. auch zu κορώνη. II-55
κύρτος κύρτη f. ‘Vogelkäfig’ (Archil.), ‘Fischreuse’ (Hdt., D. S.), ‘Durchschlag’ (Nik.). m. ‘Fischreuse’ (Sapph., Pl., Arist., Pap. u. a.), auch ‘Vogelkäfig’ (AP); Komp. κυρτο-βόλος ‘Reusenfischer’ (Smyrna). Ableitungen: Deminutiva κυρτίς ‘Sieb, Durchschlag, Fischreuse’ (Nik., Dsk., Opp. u. a.), -ίδιον ‘Sieb’ (Dsk.); auch κυρτίον Ben. eines unbek. Wagenteils (Poll. 1, 143). Ferner κυρτία ‘geflochtenes Schild’ (D. S.), κυρτεύς ‘Reusenfischer’ (Herod., Opp.) mit κυρτευτής ‘ds.’ (AP) und κυρτεία ‘Reusenfischerei’ (Ael.) von *κυρτεύω oder analogisch nach ἁλι-ευτής, -εία; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 68. Hierher noch κυρσερίδες· τὰ τῶν μελισσῶν ἀγγεῖα, κυψελίδες H., von *κυρσέρα, nach κρησέρα ‘feines Sieb’; Grošelj Živa Ant. 3, 202. — Wie κάρταλλος kann auch κύρτος ein schwundstufiges idg. *qr̥t-o- repräsentieren (Schwyzer 351), das auch von aind. káṭa- m. ‘Geflecht, Matte’ (wohl mind. aus *kŕ̥ta-) vertreten wird. Hinzu kommt ein westlicher Ausdruck für ‘Flechtwerk, Hürde’ in germ., z.B. ahd. hurt, pl. hurdi, zunächst aus idg. *qr̥t-i-, und lat. crātis, welch letzteres eine lange Liquida sonans bzw. eine zweisilbige Schwachstufe widerzuspiegeln scheint, die auch mit ahd. hurt u. Verw. vereinbar ist (vgl. grānum : Korn), aber sonst keinen Anhalt hat. Das zugrunde liegende primäre Verb wird in dem nasalinfigierten Präsens kr̥-ṇá-t-ti ‘spinnen’ mit kart-tar- m. ‘Spinner’ gesucht. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 421 f., W.-Hofmann s. crātis, Feist Et. Wb. d. got. Spr. s. haúrds, Pok. 584f. — Ganz anders Müller-Graupa Glotta 31, 132: κύρτος eig. ‘Gewundenes, Flechtwerk’, aus κυρτός substantiviert. Diese durch ihre Einfachheit ansprechende Deutung setzt voraus, daß κυρτός eig. ‘gewunden, geflochten’ sei (nach M. -G. ‘krumm, gebogen’), was zu den Tatsachen schlecht stimmt, oder daß κύρτος eig. ‘Gewölbtes, Bauchiges’ hieße. II-55-56
κύρω, Aor. κύρσαι (seit Il.), Fut. κύρσω (Demokr., S. in lyr.); κυρέω (A., S.),κυρῆσαι (seit Hes.), κυρήσω (Hdt., A.), κεκύρηκα (D. S. u. a.), ‘treffen, auf jmdn. od. etw. stoßen, erreichen, eintreffen’ (vorw. ep. ion. poet. seit Il.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 118); zur Flexion Chantraine BSL 28, 26f. u. 38. auch mit Präfix, z.B. ἐν-, ἐπι-, προσ-, συν- , Wenige Ableitungen: κύρμα ‘Fund, Beute’ (Hom.); συγ-, προσ-, ἐγ-κύρησις, συγ-κύρημα ‘das Zusammentreffen’ usw. (hell. u. sp.), συγ-κυρία ‘Zufall’ (Hp., Ev. Luk.). — Ohne Etymologie. Nicht mit Machek Ling. Posn. 5, 64 ff. zu lit. kuriù, kùrti ‘schnell laufen’, slav. kuriti ‘rauchen’, lat. currō ‘laufen’; vgl. Fraenkel Wb. s. kùrti 3. ‘mit den Hörnern stoßen’ (A., Pl., Arist. u.a.); davon κύριξις (Ael.), κυρίττιλος· κορύπτης, πλήκτης H. Auch κυρίζω (EM); vgl. κυρίζεσθε· τρίβεσθε H. II-56
κύσθος κυσός· ἡ πυγή. ἢ γυναικεῖον αἰδοῖον H., auch = κύστις (Herod., Kall. u. a.; s. d.), Kompp. z.B. κυσο-λαμπίς. ἡ περιλαμπομένη ταῖς νυξὶ κανθαρίς H.; vgl. Strömberg Wortstudien 13 f.; dazu κύσσαρος ‘ānus’ (Hp., Gal., Erot.); zur Bildung Chantraine Formation 226; vgl. auch κύτταρος. m. ‘weibliche Scham’ (Eup., Ar.), κυσθο-κορώνη = νύμφη (Kom. Adesp.); — Zum dunklen κύσθος (χύστος) PHolm. 22, 42; 23, 2 s. Lagercrantz z. St. — Mehrdeutige familiäre Wörter; die Erklärungsversuche sind deshalb alle hypothetisch und ohne größeres Interesse: aus *qudh-to- od. *qudh-dho- zu κεύθω; aus *quz-dho- zu lat. custōs; κυσός aus *κυθ-σο-, *κυθ-ι̯ο-, *κυτ-σο-, *κυτ-ι̯ο-? — Weitere Anknüpfungen mit überreicher Lit. bei Bq, WP. 2, 549ff., Pok. 952f., W.-Hofmann s. cunnus und custōs. II-56
κύστις, -εως, -ιος, -ιδος auch κύστιγξ (Hp. ap. Gal. 19, 116), nach φῦσιγξ u.a. (Chantraine Formation 400, Schwyzer 498). f. ‘Blase, Harnblase, Schlauch, Säckchen’ (seit Il.), Daneben κύστη· ἄρτος σπογγίτης H. und κύστιον· τὸ ἁλικάκκαβον H. (Pflanzenname, nach der Form der Frucht). — Bildung mit τι-Sufflx von einem Verb ‘blasen’, aind. śvas-iti, Ptz. Akk. śuṣ-ántam (Wackernagel Unt. 227). Weitere Verwandte bei WP. 1,474f., Pok. 631 f., W.-Hofmann s. queror. — κύσθος, κυσός usw. sind fernzuhalten. II-56
κύτινος m. ‘die Blüte, eig. der Blumenkelch des Granatbaums’ (Thphr., Dsk., Gal. u. a.) auch ‘Cytinus hypocisthis’ (Dsk. 1, 97; wegen der Ähnlichkeit mit der Granatblüte); κυτινώδης ’κ. -ähnlich’ (Thphr.). — Die Annahme einer Entlehnung liegt ja nahe (vgl. Schwyzer 491 ), aber Beziehung zu κύτος ‘Höhlung, Gefäß’ wegen des Kelches (wie ἄνθινος : ἄνθος u.a.m.) scheint nicht ganz ausgeschlossen. II-56-57
κύτισος m. (f.) ‘Cytisus, Medicago arborea’ (ion. att.). — Wie κέρασος (s. d.) u. a. wahrscheinlich Fremdwort. Nach Brugmann Sächs. Ber. 1899, 185 zu κυτίς, κύτος. II-57
κυτμίς, -ίδος f. ‘lindernde Salbe aus Ziegenfett bereitet’ (Luk. Alex. 22, 53). — Deminutivbildung; Herkunft unbekannt. II-57
κύτος n. ‘Rundung, Wölbung eines Schildes, eines Harnisches, eines Gefäßes usw., Gefäß, Rumpf, Leib’ (Trag., Kom., Pl. Ti. u. Lg., Arist., Plb. usw.); ἐγ-κυτί(ς) ‘bis auf den Leib, die Haut’ (s. d.). — Unsicher κυτίς ‘Kästchen, Büchse’ (Sch. Ar. Pax 665); wohl für κοιτίς. Seit alters mit σκῦτος, lat. cutis ‘Haut’, germ., z.B. ahd. hūt ’Haut’ u.a.m. verbunden; dabei wurde (z.B. von Curtius) κύτος in zwei Wörter zerlegt: 1. ‘Haut’, 2. ‘Höhlung’ (zu κυέω usw.). Für einheitlichen Ursprung Walde LEW2 s. cunnus mit Ansetzung einer Bed. ‘bedecken, verhüllen’ = ‘um etw. herumhüllen, (um)wölben’ (zustimmend Bq); von WP. 2, 546 abgelehnt, wo (S. 549) ‘Gefäß, Urne, Höhlung’ wenig überzeugend aus ‘Hülle’ hergeleitet zu werden scheint. Eine Bed. ‘Hülle, Haut’ läßt sich für κύτος eigentlich nicht erhärten und ist auch nicht für ἐγ-κυτί (s. oben) direkt erforderlich, wenn auch sehr naheliegend. Anknüpfung an die Sippe von κυέω läßt sich dagegen unschwer begründen; zur Vokalkürze (gegenüber κῦ-μα u. a.) vgl. lat. cŭ-mŭlus und W.-Hofmann s. v.; Bildung wie ἔν-τος. II-57
κύτταρος — Daneben κύσσαρος ‘ānus’ (s. zu κυσός). m. ‘Bienenzelle, Höhlung im Blumenboden der Seerose (Nelumbium speciosum), der Kelch, in dem die Eichel sitzt, der männliche Blütenzapfen an der Fichte’ (Ar., Arist., Thphr.). Deminutivum κυττάριον ‘Bienenzelle’ (Arist.). — Nicht sicher erklärt. Wenn κύσσαρος die echt ionische Form von κύτταρος und nicht eine Umbildung von (od. nach) κυσός ist, ergibt sich eine ganz unbefriedigende Grundform *κυτϝαρος, die zusammen mit κύτος, κυσός, κύσθος, κύστις in einen Topf geworfen wird; s. die Lit. zu den genannten Wörtern. Auch ein urspr. *κυκ-ι̯αρος od. ähnl. hilft nicht weiter. II-57
κῠ́φελλα pl. n. ‘Ohrhöhlen (Lyk.), ‘Wolken’ (Lyk., Kall.). — Alexandrinisches Wort; vgl. κύπελλα. Gegen die Verbindung mit κῡφός (z.B. Bq) mit Recht WP. 1, 375. Die Bed. ‘Wolken’ sucht Persson Beitr. 1, 195 durch einen Verweis auf lat. cava nubes, umbra zu erläutern. II-57-58
κύχραμος (vv. ll. κέ-, κί-) m. N. eines unbekannten Zugvogels, der die Wachtel begleitet (Arist.); über die Identifizierungsversuche Thompson Birds s. v. — Unerklärt; onomatopoetisch ? II-58
κυψέλη (Pap. -άλη; vgl. Mayser Pap. 1 : 3, 22) f. ‘Kasten, Kiste, Bienenkorb’ (Hdt., Ar., Plu. u. a.), ‘Ohrenschmalz’ (Kom.), ‘Ohrhöhle’ (Poll., H.). Davon κυψέλιον ‘Bienenkorb’, -ελίς ‘Vogelnest’ (Arist.), ‘Ohrenschmalz’ (Ruf., Aret. u. a.) mit κυψελίτης ῥ’ύπος (EM; Redard Les noms grecs en -της 112); Rückbildung κύψελος m. N. eines schwalbenähnlichen Vogels (Arist., H.; zur Begriffsbestimmung Thompson Birds s.v.). — Wenn Erbwort, l-Ableitung eines s-Stamms (vgl. Schwyzer 517); letzten Endes zu κύπη u. Verw.; s. κύπελλον. — Oder vom Aor. κύψαι? II-58
κύων, κυνός, κύνα usw. m. f. ‘Hund, Hündin’ (seit Il.). Zahlreiche Kompp., z.B. κυν-ηγέτης, dor. -ᾱγέτας, -ᾱγός "Hundeführer", ‘Jäger’ (seit ι 120; myk. ku-na-ke-ta); Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 83ff.; ἀπό-κυνον "Hundstod", Pflanzenname, ‘Marsdenia erecta’ (Dsk., Gal.); Strömberg Pflanzennamen 65; vgl. S. 143; zu κυνάμυια s. bes. Ableitungen: Deminutiva κυν-ίσκος (Hdt.), -ίσκη (Ar.), -ίδιον, -άριον (att. usw.); κυνώ f. ‘Hündin’, auch als PN (Hdt. u.a.); κυνέη ‘Hundsfell’ (Anaxandr.), ‘Mütze, Kappe, Helm’, urspr. aus Hundsfell, dann aus verschiedenen Stoffen (αἰγείη, χαλκέη usw.; Schwyzer 37, Trümpy Fachausdrücke 40 ff.); κυνάς f. ‘zum Hunde gehörig, Hundshaar usw.’ (Theok. u.a.); κύνειος, -εος ‘zum Hund gehörig’ (Ar. u. a.), ‘unverschämt’ (ep. seit Il.), κυνικός ‘hündisch, zynisch’ (X., Men. u. a.), κυνώδης ‘hund-ähnlich’ (Arist. u. a.); Komp. u. Sup. κύντερος, -ον, -τατος ‘schamloser, frecher’ (Schwyzer 536, Schw.-Debrunner 176); Adv. κυνηδόν ‘nach Hundeart’ (S., Ar. u.a.); κυνίζω "den Hund spielen", d.h. ‘wie ein Kyniker leben’ mit κυνισμός (Stoic.). — Alte Benennung eines alten Haustieres, die in den meisten idg. Sprachen, teilweise mit noch erhaltener ursprüngl. Flexion, vorhanden ist, z.B. κύων = aind. śuvā́, lit. šuõ, κυνός = śúnas, šuñs usw. (griech. Akzente alt), idg. *ḱúu̯ō(n), *ḱun-ós (-és) usw. Zu bemerken noch arm. šun < *ḱu̯ō̆n; unklar lat. canis. Weitere Formen aus verschiedenen Sprachen mit reicher Lit. bei Bq, WP. 1, 465f., Pok. 632f" W.-Hofmann s. canis; zur Flexion auch Schwyzer 568, Wackernagel Ai. Gramm. 3, 278 f. Hierher noch hier. heth. śuwana- ‘Hund(?)’? — Vgl. auch Κανδαύλης. II-58-59
κῶα · ἐνέχυρα H. — s. zu κοῖον; dazu noch Grošelj Razprave 2, 13. II-59
κῶας (κῶς Nikoch. 12) pl. κώεα, -εσι n. ‘weiches, zottiges Fell, Vlies’ (ep. ion. poet. seit Il.) mit den Demin. κῴδ-ιον (att. usw.), -άριον (Kom.); κωδᾶς, -ᾶτος m. ‘Vlieshändler’ (Pap.). — Ohne sichere Etymologie. Nach Bq aus dehnstufigem *κῶϝας, idg. *qōuəs- (wie γῆρας; Schwyzer 349) zu der s. κύτος erörterten Sippe ‘bedecken, verhüllen’, idg. (s)qeu-; Zweifel bei WP. 2, 547 und Pok. 951. Nicht (mit Curtius und Prellwitz) zu κεῖμαι. — Über eine Hypothese von Merlingen ("pelasgisch" zu βοῦς usw.) s. Chantraine Rev. de phil. 30, 285. II-59
κῶβαξ · ὁ μέγας τέττιξ H. — Nach Gil Emerita 25, 321 f. mit β für ϝ zu καύαξ usw. ( ?). II-59
κωβιός (-ίος) m. N. eines Fisches, ‘Gründling’ (ion. att.) mit -ίδιον (Kom., Arist.); auch als Pflanzenname, ‘τιθύμαλλος, Euphorbia’ (Dsk., Plin.); κωβῖτις ‘Art ἀφύη’ (Arist. u.a.; Redard Les noms grecs en -της 83), κωβιώδης ‘κ. -ähnlich’ (Plu.). — Wohl aus einer Mittelmeersprache entlehnt. Lat. LW gōbius (c-), gōbiō (c-), vgl. W.-Hofmann s.v. m. Lit., Kretschmer Glotta 16, 166. II-59
κώδεια (Ξ 499, Nik. u. a.), κώδεα, -υια, -ύᾱ, -ία (Delos, att. Inschr., Arist., Thphr. u. a.) f. ‘Kopf des Mohns’, auch auf andere Pflanzen und ähnl. Gegenstände übertr., κώδυον ‘Kopf der Träubelhyazinthe’ (Thphr.; wie κάρυον : καρύη). — Unerklärt. Nach Scheftelowitz BB 28, 148 zu κῶος ‘Höhle, Gefängnis’; dagegen Kalén Quaest. gramm. graecae 24, wo auch ausführlich zu den verschiedenen Formen (κώδυια älteste Form). Zu lit. kuõdas ‘Schopf, Federbusch’ (von Prellwitz fälschlich mit κώδεια verglichen) s. Fraenkel Wb. s. kuodẽlis. — Vgl. κώδων. II-59
κώδων, -ωνος m. f. ‘Glocke, Schelle, Schalloch der Trompete, diese selbst’ (ion. att.); Kompp. z.B. κωδωνο-φορέω ‘die Schelle (bei Inspektion der Posten) umhertragen usw.’ (Ar. u. a.). Davon κωδώνιον (J. u. a.), κωδωνίζω ‘eine Münze durch den Klang prüfen’ (Ar. u. a.). — Bildung wie ἄμβων, κώθων (Chantraine Formation 162); wahrscheinlich zu κώδεια, -υια wie αἴθων : αἴθυια usw., s. Kalén Quaest. gramm. graecae 26 m. Lit. Allerdings fehlt, wie Kretschmer Glotta 10, 232 bemerkt, das dabei vorauszusetzende Verb. Vgl. noch den PN Κώδαλος (Hippon.); dazu Nehring Sprache 1, 166. II-59
κώθων, -ωνος n. Ben. eines lakonischen Trinkgeschirrs (Archil., Ar., X., Inschr. usw.), ‘Trinkgelage, Fest’ (LXX, Thasos); auch (wie κῶθος) = κωβιός (sizilisch; Nik., Apollod. ap. Ath. 7,309c); außerdem N. des inneren Hafens von Karthago (Str., App.). Kompp., z.B. κωθωνο-πλύται pl. ‘Wäscher des Fisches κώθων ( ? )’ (Sophr.). Deminutivum κωθώνιον (Inschr. Va usw.); sonstige Ableitungen : κωθωνία ‘tiefer Trank’ (Aret.; Scheller Oxytonierung 41); κωθωνίζομαι ‘zechen’ (Arist., hell.) mit κωθων-ισμός, -ιστής, -ιστήριον (Arist. usw.). — Auch κῶθα· ποτήρια H. — Nicht sicher erklärt. Vermutung bei Bq und WP. 1, 366. zu κῶος, κύαθος usw.; eine andere Hypothese s. κηθίς. Vgl. noch Brandenstein Sprache 2, 182. II-60
κωκύω, κωκῦσαι, ‘jammern, wehklagen’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa) auch mit Präfix, z.B. ἀνα-, ἐπι-, mit κωκῡτός m. (ep. poet. seit Il.), κώκῡμα (Trag.) ‘das Jammern, Wehklagen’; Κώκυτος N. eines Flusses der Unterwelt (κ 514 usw.). — Intensive Reduplikationsbildung; vgl. aind. káuti, Intens. kokūyate ‘schreien’, lit. kaũkti ‘heulen’ u. a.; s. καύαξ m. Lit. II-60
κωλακρέται m. pl. Vorsteher der städtischen Hauptkasse in Athen (Inschr., Ar., Arist. u. a.) mit κωλακρετέω ‘κ. sein’ (Inschr.). — Mit Assimilation (Schwyzer 257) für *κωλ-αγρέται eig. ‘Sammler der κῶλα, d.h. der Opferstücke’, alter sakraler Ausdruck; vgl. Laum Arch. f. Religionswiss. 25, 213ff. gegen E.Maaß ebd. 23, 221 f. (dazu Wahrmann Glotta 19,223); zum Hinterglied Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 52 A. 1. II-60
κῶλον n. ‘Glied eines Tieres od. eines Menschen, insbes. Bein’ (ion. att.), auch übertr., z.B. vom Abschnitt einer Periode (Rhet.), oft im Plur., u. a. = ‘Leichnam’ (LXX, NT). Zahlreiche Kompp., z.B. ἰσό-κωλος ‘mit gleichen Gliedern’ (Arist.). Ableitungen: Deminutiva κωλάριον (Ael. u. a.), κωλύφιον (Phryn., Plaut.); κωλέα, -ῆ (att. usw.), κωλήν, -ῆνος f. (ion. att.), κωλεός f. (Epich., Hp.) ‘Hüftknochen mit dem daransitzenden Fleisch, Schinken’ (Solmsen Wortforsch. 124); κώληψ, -ηπος f. ‘Kniekehle’ (Ψ 726, Nik.); eig. Zusammenbildung mit ἅπτω? (Bechtel Lex. s.v. mit Wackernagel), mit Suffixtausch κώληξ ‘ds.’ (Sch.); κωλώτης m. ‘Eidechse’ (Hp., Arist., Babr.; Redard Les noms grecs en -της 8); vgl. lat. lacerta zu lacertus (dazu W.-Hofmann s. v.); auch Lidén KZ 40, 260 f. über aind. pallī ‘kleine Hauseidechse’ (zu pad-’Fuß’; anders Mayrhofer Wb. s. v.) und Holthausen KZ 71, 60 (westfäl. hacke-molle ‘Salamander’ zu hacke ‘Ferse’). Denominativum κωλίζομαι ‘in κῶλα zerlegt werden’ (sp.). — Dehnstufige Bildung ohne genaue außergriech. Entsprechung. Verwandte Wörter finden sich im Slavischen und Baltischen, ohne daß sich ihr Verhältnis zu κῶλον näher feststellen läßt: aksl. u. russ. kolěno ‘Knie, Stamm, Geschlecht’, russ. člen ‘Glied, Körperteil’, lit. kelỹs ‘Knie’; ein hochstufiger Aorist mit o-Abtönung wird von Specht KZ 55, 19 in κόλσασθαι· ἱκετεῦσαι H. vermutet. — Einzelheiten mit buntem Material und reicher Lit. bei WP. 2, 597 ff., Pok. 928. Vasmer und Fraenkel Wb. s. vv. — Vgl. auch σκέλος. II-60-61
κωλύω, κωλῦσαι, ‘hemmen, hindern, verhindern’ (Sapph., Pi., ion. att.). auch mit Präfix, z.B. δια-, κατα-, ἀπο-, Davon κώλυμα ‘Hindernis’ (ion. att.) mit κωλυμάτιον ‘Haken’ (Hero); κωλύμη (Th.; vgl. Chantraine Formation 150), κώλύσις ‘das Verhindern’ (Pl., Arist. usw.); κωλυτήρ (Archyt. u.a.), -τής (ion. att.) ‘der Hemmende’ mit κωλυτήριος (D. H. u. a.), κωλυτικός (X., Arist., hell.) ‘hinderlich’. — Nicht überzeugend erklärt. Hypothese von WP. 2, 591 (nach Meillet) : eig. "anpflöcken", von Tieren, um sie in ihrer Bewegungsfreiheit zu hindern, von *κῶλος ‘Pflock’ ( : lit. kuõlas ‘Pfahl’) mit Ausgang nach λύω. Von anderen (Meillet MSL 16, 244, Fraenkel Mél. Bq 1, 357) zu κολούω ‘verstümmeln’ gezogen. II-61
κῶμα n. ‘tiefer, fester Schlaf’ (ep. poet. seit Il.), ‘Lethargie, Koma’ (Mediz.) mit κωματώδης ‘lethargisch’, κωμαίνω, κω-ματίζομαι ‘in Koma liegen’, κωμόομαι ‘in Koma fallen’ (Mediz.). — Nicht sicher erklärt. Von Brugmann Griech. Gramm. 3 272 (4 317) zu κεῖμαι mit Dehnstufe (idg. *kō[i]-mn̥) gestellt (dagegen WP. 1,387); Persson Beitr. 2, 676 zieht Verbindung mit κάμνω vor. Vgl. Porzig Satzinhalte 281. II-61
κώμη f. ‘Dorf’ im Gegensatz zu der befestigten πόλις, auch ‘Quartier, Viertel einer Stadt’ (seit Hes.). Kompp., z.B. κωμό-πολις ‘Stadt mit der Stellung einer κώμη, Marktflecken’ (Str., ΝΤ); vgl. Schulze Kl. Schr. 523 A. 2. Davon die Deminutiva κώμιον (Str.), κωμάριον (H.), -ύδριον (Porph.); ferner κωμήτης (ion. att.), κωμέτας (Mykenai IIa) ‘Dorf-, Quartierbewohner’ mit κωμητικός ‘zur κώμη (zum κωμήτης) gehörig’ (Pap.); κωμαῖος ‘eine κ. betreffend’ (St.Byz.); κωμηδόν ‘dorfweise’ (Str., D. S., D. H.). — Seit Bezzenberger BB 27, 168 gewöhnlich als dehnstuflge Nebenform von germ., z.B. got. haims ‘Dorf’ (vgl. zu κεῖμαι), balt., z.B. lit. káima(s) ‘ (Bauern) dorf’, kiẽmas ‘(Bauern)-hof, Gehöft, Dorf’ betrachtet. B. stellt hierher noch κῶμος; anders darüber Persson Beitr. 1, 160; s. κῶμος und κώμυς. II-61
κῶμος m. ‘Umzug bezechter Jugend, dionysischer Festzug und Festgesang, Festgelage’ (nachhom.). Kompp., z.B. κωμ-ῳδός ‘Sänger eines κῶμος’ (att.), ‘komischer Schauspieler’ (hell. u. sp.) mit -έω, -ία usw., σύγ-κωμος ‘Genosse eines κ.’ (att.; eher Rückbildung aus συγ-κωμάζω). Davon κωμικός = κωμῳ-δικός ‘zu einer Komödie gehörig’ (Aeschin., Arist., hell. u. sp.); κωμάζω ‘an einem κῶμος teilnehmen, zechen’ (nachhom.) mit κωμασία ‘festlicher Aufzug’, κωμαστής ‘Zecher, Teilnehmer eines Festzugs’ (att., Pap.), κωμαστήριον ‘Versammlungsort der κωμασταί’ (Pap.), κωμαστικός ‘zu einem κωμαστής od. einem κῶμος gehörig’ (D. H., Ph. u. a.). — Da sich die Bedeutungsentwicklung bei κῶμος verschiedentlich auffassen läßt, ist man für die Etymologie auf bloße Vermutungen hingewiesen: mit κώμη, got. haims usw. (s. κώμη) zu einer angeblichen Wz. qōi- ‘sich gesellen, scharen’ (Bezzenberger BB 27, 168); zu κώμυς (Persson Beitr. 1, 160); als ‘Schmaus’ zu lat. cibus usw. (?; Osthoff Etym. parerga 1, 7). II-62
κώμυς, -ῡθος f. ‘Bündel von Heu usw.’ (Kratin., Theok.), ’δάφνη, ἥν ἱστῶσι <πρὸ> τῶν πυλῶν’ H., ‘Stelle, wo das Rohr mit den Wurzeln dicht verwachsen steht’ (Thphr.). — Der Bildung nach eigenartig (vgl. Schwyzer 465, Chantraine Formation 366); ohne sichere Erklärung. Nach Persson Beitr. 1, 159 f. (s. auch 2, 942) zusammen mit κῶμος, κώμη, lit. kamuolỹs ‘Knäuel’ usw. zu idg. qem- ‘zusammendrücken, -pressen’ (WP. 1, 388f., Pok. 555), s. zu κημός. II-62
κώνειον n. ‘Schierling, Conium maculatum, Schierlingstrank, Gifttrank’ (ion. att.); κωνειάζομαι ‘mit Schierling dosiert werden’ (Men., Str.). — Läßt sich von κῶνος (s. d.) schwerlich trennen; die Pflanze kann ihren Namen von den schmalen, spitzgezahnten Abschnitten der fiederschnittigen Blätter bezogen haben (Bq, W.-Hofmann s. cicūta). Über die europäischen Namen des Schierlings s. Schrader-Nehring Reallexikon 2, 294 f.; zu den vielen griechischen Beinamen desselben Strömberg Pflanzennamen 64. II-62
κῶνος m. ‘Pinienzapfen, Kegelt auch (f.) ‘Pinie’; ‘Kreisel’ (Demokr., Arist., Thphr., Theok. usw.). Kompp., z.B. κωνο-φόρος f. ‘Konifere’ (Thphr.), κωνο -κόλουρος ‘abgestumpfter Kegel’ neben κολουρό-κωνος ‘ds.’ (Hero; Risch IF 59, 284, Strömberg Wortstudien 8). Ableitungen: Deminutiva κωνίον, -ιον (Posidon., AP), κωνίς· ὑδρίσκη H.; κωνῖτις πίσσα ‘Pinienharz’ (Rhian.; Redard Les noms grecs en -της 112), κωνίας (οἶνος) ‘geharzter Wein’ (Hp. ap. Gal.; Chantraine Formation 94 f.); κωνάω ‘harzen, verpichen’, auch ‘kreiseln’ (Ar., H.), mit κώνησις ‘das Harzen, Verpichen’ (Arist.), -ητικός ‘zum Verpichen geeignet’ (Pap.); περι-κωνέω ‘mit Harz ringsum bestreichen’ (Ar.). — Seit Bopp als Erbwort mit aind. śāṇa- m. (mind. ṇ für n?) ‘Wetzstein, Probierstein’ identifiziert; alte Primärableitung eines Verbs ‘wetzen, schärfen’ in aind. śí-śā-ti (idg. *ḱi-ḱō-ti); dazu noch lat. cō-s, că-tus u.a.m. (WP. 1, 454f., W.-Hofmann s. catus). Schwyzer 458 erwägt dagegen, nicht ohne Grund, fremde Herkunft. II-62-63
κώνωψ, -ωπος m. ‘Mücke, Schnake’ (A., Hdt. 2, 95. Arist. u.a.); Kompp. z.B. κωνωπο-θήρας· ὄρνις ὁ κώνωπας θηρεύων H. Dazu κωνώπιον, Demin. (Gal.), gew. ‘Bett mit feinmaschigem Mückennetz’ (LXX u.a.); -εών, -ῶνος m. ‘ds.’ (AP 9, 764 tit.). — Die Anknüpfung an κῶνος und ὤψ (ὄψ) mit Prellwitz u. A. leuchtet, trotz Fraenkel Nom. ag. 2, 42 A. 2 und Prellwitz Glotta 16, 152, kaum ein. Nach Spiegelberg KZ 41, 131 aus ägypt. ḫamś ‘Mücke’ mit Angleichung an κῶνος. Auch κωνώπιον ist volksetymologisch umgebildet, u. zw. aus *κανώπιον, von der ägyptischen Stadt Canōpus, s. W.-Hofmann s. cōnōpium m. Lit. — Nicht mit Pisani ZDMG 98, 329 zu aind. mat-kuṇa- ‘Wanzen’. II-63
κῶος gew. pl. κῶοι m. ‘Höhle, Gefängnis’ (Str., St. Byz.). — Dehnstufige Nebenform von κόοι τὰ χάσματα τῆς γῆς H.; s. zu κοῖλος. II-63
κώπη f. ‘Griff, Schwert-, Rudergriff, Ruder’ (vgl. Schwyzer KZ 63, 52f.), ‘Stiel’ (seit Il.). Vereinzelte Kompp., z.B. κωπ-ήρης ‘mit Rudern versehen’ (Trag., Th. usw.). Ableitungen: Deminutivum κωπίον (Ar. u. a.); κωπήεις ‘mit (schönem) Griff versehen’ (Il.; Trümpy Fachausdrücke 62 m. Lit.); κωπεῖς pl. m. ‘Ruderholz, -hölzer’ (ion. att.; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 56), κωπεών, -ῶνος m. ‘Ruderholz’ (Thphr.); κωπητήρ, -ῆρος m. ‘Riemenstropp usw.’ (Bergson Eranos 55, 120ff.); κωπεύω ‘rudern’ (AP), κωπάω (-έω) in κεκώπηται ‘ist mit Rudern versehen’ (att. Inschr., H.). — Zu κωπώ s. bes. — Dehnstufiges Verbalnomen zu κάπτω, s. d. m. Lit.; vgl. bes. lat. capulus ‘Griff’. II-63
κωπώ, -οῦς f. ‘bei den Daphnephorien getragene Stange’ (böot.; Prokl.), auch als EN. — Personifikation auf -ώ (Schwyzer 478) von κώπη. Nicht mit Schönberger Glotta 29, 87ff. und Pisani Ist. Lomb. 77, 558ff. zu κῆπος. II-63
κώρυκος m. ‘Ledersack’ (seit Od.) mit κωρυκίς (Kom., Thphr.), κωρύκιον, -ίδιον (Poll., Suid., H.) und κωρυκώδης ‘sackähnlich’ (Thphr.). Daneben als ON Κώρυκος Vorgebirge in Kilikien (h. Ap. usw.) mit -αῖος; Κωρύκιον ἄντρον auf dem Parnassos, wozu Κωρύκιαι νύμφαι usw. (Hdt., Trag.). — Der Anklang an lat. corium usw. (Prellwitz, WP. 2, 574, Pok. 939) ist gewiß trügerisch; eher (kilikisches?) Fremdwort mit (W.-)Hofmann s. corium nach Wharton, Huber usw., ebenso Bertoldi Zeitschr. f. rom. Phil. 68, 73ff. II-63-64
κωτίλος -άς f. böot. N. der Schwalbe (Stratt.). ‘schwätzend’ (ep. poet. seit Thgn., auch Arist. u. sp. Prosa); Davon κωτίλλω ‘schwätzen’ (ep. poet. seit Hes., D.H.); κωτιλίζω ‘ds.’ (Kall.); κωτιλία ‘Schwätzerei’ (Gloss.). — Bildung wie ποικίλος u. a. (Schwyzer 484 f., Chantraine Formation 248) ohne Etymologie. Vergebliche Versuche sind bei Bq und WP. 1, 384 notiert. II-64
κωφός ‘stumpf, stumm’ (seit Il.), nachhom. auch ‘taub’ (seit h. Merc.). Kompp., z.B. ὑπό-κωφος ‘schwerhörig’ (ion. att.). Davon κωφότης ‘Taubheit’ (ion. att.), κωφεύς ‘tauber Mann’ (Kall.), κωφίας m. Art Schlange, = τυφλίας (Ael., H.); κωφεύω ‘still sein’ (LXX), κωφάομαι, -άω ‘stumpf usw. werden, bzw. machen’ (Klearch., Opp.), κωφῆσαι· κολοῦσαι, κώφησις· κόλουσις H.; κωφόομαι, -όω ‘verstummen, taub werden, machen’ mit κώφωμα, -ωσις (Hp. usw.). — Zu κηφήν, κεκαφηότα; vgl. s. vv. II-64
λα- verstärkendes Präfix, nur in vereinzelten und seltenen Wörtern: λᾱ-καταπύγων (Ar. Ach. 664, λᾱ- rhythm. gedehnt ?), λα-κατάρατος (Phot.; λακκ- cod.), λαπτυήρ· σφοδρῶς πτύων, λάφωνοι· λίαν ἄφωνοι H.; auch λαι- in PN, z. B. Λαι-κλῆς, Λαι-σποδίας (Bechtel Hist. Personennamen 273, Herrn. 50, 317); λαισ- in λαίσπαις· βούπαις. Λευκάδιοι H.; λι- in λιπόνηρος· λίαν πονηρός H.; vgl. zu λίαν. — Verfehlte oder unsichere Kombinationen (λάγνος, λαιψηρός u. a.) bei Prellwitz Glotta 19, 116ff. II-64
λᾶας Gen. usw. λᾱ͂-ος, -ι, -αν (-α Kall.), pl. λᾶ-ες usw. (ep. poet. seit Il.); auch als ο-Stamm λᾶος, -ου usw. (Hes.Fr. 115[?], S., Kyrene, Gortyn; Einzelheiten zur Flexion Schwyzer 578), m. (sp. auch f.), ‘Stein’; als ON (Lakonien) Λᾱ͂ς und Λᾶ (Th., Paus., St.Byz.u.a.; Akk. Λᾰ́ᾱν Β585). Kompp., z. B. λᾱ-τόμος (neben unkontrahiertem bzw. restituiertem λαο-) ‘Steinmetz’ mit λᾱτομ-ίαι ‘Steinbruch’ (= lat. lātomiae neben lautumiae < *λαο-; vgl. W.-Hofmann s. v.), arg., syrakus., hell. (Ruijgh L’élém. ach. 125f.); ebenso λα(ο)-ξό(ο)ς mit λαξεύω usw. (Georgacas Glotta 36, 165 f.), λατύπος; als Hinterglied in κραταί-λεως (< -*ληϝος od. -*λᾱϝος; vgl. unten) ‘hartfelsig’ (A., E.), wohl auch in ὑπο-λαΐς, -ίδος (H. auch -ληΐς) f. N. eines unbekannten Vogels (Arist. u. a.); vgl. Thompson Birds s.v.; s. auch 2. λαιός. Ableitungen : λάϊγγες f. pl. ‘Steinchen’ (Od., A. R.; zur Bildung Chantraine Formation 399; verfehlt Specht Ursprung 127; vgl. auch unten); λάϊνος, -ΐνεος ‘steinern’ (ep. poet. seit Il.); unsicher λαιαί f. pl. (Arist.), λεῖαι (Gal. u. a.), sg. λεία (Hero) ‘die am Webstuhl zur Beschwerung angehängten Steine usw.’; unklar λαίεται· καταλεύεται H. und λαυστήρ· μοχθηρός ... ἢ ὄικου λαύρα, λαύστρανον· τινὲς λύκον, τινὲς φρέατος ἅρπαγα H.; Hypothesen bei Jokl Rev. int. ét. balk. 1,46ff. — Zu λαύρα und λεύω s. bes. — Die einzigartige Stammbildung von λᾶας ist nicht aufgeklärt. Die Form läßt ein altes Neutrum vermuten mit sekundärem Ubergang zum Mask. (Fem.) nach λίθος, πέτρος (Brugmann IF 11, 100 ff. m. Lit.). Die weitere Beurteilung ist ganz unsicher. Nach Brugmann urspr. Nom.-Akk. *λῆϝας (< idg. *lēu̯əs-; zur Hochstufe vgl. λεύω und λεῖαι), Gen., Dat. usw. *λᾰ́ϝᾰσ-ος, -ι (idg. *ləu̯əs-os, -i) > λᾶ-ος, -ι, wozu analogisch Nom. λᾶ-ας. Die einfachere Annahme, nur die Vokallänge in λᾶας (für älteres *λᾰ́ϝας) wäre aus λᾶ-ος usw. geholt, wird von B. abgelehnt. Metrische Bedenken gegen eine Kontraktion λᾰ́ϝᾰσ-ος, -ι zu λᾶ-ος, -ι bei Ruijgh a.a.O.; er zieht deshalb vor, mit Chantraine Gramm. hom. 1, 211 in λᾶ-ος, -ι usw. einen unerweiterten Konsonantstamm λᾱϝ- zu sehen. Wer diese, nicht durchschlagenden, Bedenken teilt aber auch nicht zur Heteroklisie greifen will, könnte geneigt sein, dafür einen hochstufigen einsilbigen obliquen Stamm *λᾱϝσ- (neben *λᾰϝᾰσ-) anzunehmen. Die Auflösung der alten σ-Flexion stand jedenfalls im Zusammenhang mit dem Genuswechsel. — Ganz anders Pedersen Cinq. decl. lat. 44ff. (mit de Saussure Rec. 587 f.): λᾶας alter mask. ablautender ā-Stamm: *λᾱϝᾱ- : λᾱϝ(ᾰ)- < idg. *lāu̯ā- : *lāu̯(ə)-; die angebliche Hochstufe -ā- ist aber ganz hypothetisch. — Das Wort λᾶας war dem Ion. -Attischen offenbar fremd (Wackernagel Hell. 9 f., Chantraine Gramm. hom. 1,22; Zweifel bei Björck Alpha impurum 69 und 76 A. 1); ion. att. Lautform zeigt dagegen κραταί-λεως (oder nur dichterische Analogieschöpfung nach λαός : Μενέ-λεως u.a.?); ebenso das freistehende λεύω (s. d.). Außergriechische Entsprechungen zu λᾶας sind selten und nicht ganz einwandfrei. Zunächst alb. lerë, -a ‘Gestein, Steinhaufe, steinige Ebene, Felssturz’ aus idg. *lā̆uerā (Jokl Rev. int. et. balk. 1,46ff.; dazu λαύρα?, s.d.); illyr. PN Lavo f. eig. "die zum Fels (Stein) gehört" (von *lava ‘Stein’; Krahe ZNF 19, 72; Spr. d. Illyr. 1,69 f.). In Betracht kommt noch das aus dem Kelt. entlehnte lat. lausiae f. ‘kleine, durch Hauen entstandene Steinstücke im Bergwerksbetrieb’, s. W.-Hofmann s. v. Die suffixale Ähnlichkeit zwischen λάϊγγες und air. līe, Gen. līac (< kelt. *līu̯ank-; vgl. Pok. 683 gegen Loth Rev. celt. 44, 293; auch Lewy Festschr. Dornseiff 226 f.) ist gewiß zufällig. Weitere unsichere Kombinationen bei Bq, WP. 2, 405 ff., W.-Hofmann s. lausiae; daselbst auch ältere Lit. — Für ägäischen Ursprung (von Brugmann a.a.O. abgelehnt) neuerdings Chantraine Formation 421, Güntert Labyrinth 5,9. II-64-66
λαβά · σταγών H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 18 f. makedonisch für λοιβά. II-66
λαβάβηρ · λακανίσκη H. — Lewy KZ 59, 187 f. erwägt, darin eine sonst unbekannte Entlehnung der palästinischen Juden aus lat. lavābrum ‘Badewanne’ zu sehen. II-66
λάβδα später (mit sekundärem Nasal) λάμβδα (Ar. u. Arist. als v. l. usw.). n. indekl. der elfte Buchstabe des gr. Alphabets (att. usw.); Davon λαβδακισμός m. ‘besondere Verwendung od. Aussprache des λ’ (Quint. u. a.); vgl. zu ἰωτακισμός s. ἰῶτα. — Aus dem Semit.; vgl. hebr. lāmedh. Gr. λαβδ- entspricht sem. lamb-; Schwyzer 140 A. 2 m. Lit., 826; Schulze Kl. Schr. 283 f. Zweifel bei Kretschmer Glotta 6, 307. II-66
λάβρος ‘ungestüm, heftig, reißend, gefräßig’ (ep. ion. poet., sp. Prosa). Einige Kompp., z. B. λαβρ-αγόρης ‘ungestümer Schwätzer’ (Ψ 479; Fraenkel Nom. ag. 2,94f.), κατά-λαβρος ‘sehr heftig’ (Eup. 293; nach κατα-λαβεῖν?). Ableitungen. Zwei Fischnamen : λάβρᾱξ, -ᾱκος m. ‘Meerwolf, Labrax lupus’ (Alk., Kom.; Chantraine Formation 381, Björck Alpha impurum 262, Strömberg Fischnamen 34 f.; ausführlich Thompson Fishes s. v.) mit λαβράκιον (Kom.); λάβριχος (Böot., IIa); s. Lacroix Mél. Boisacq 2, 51. Abstrakta: λαβροσύνη ‘Heftigkeit, heftiges Reden’ (AP, Opp. u. a.; Wyss -συνη 71), λαβρότης ‘ds.’ (Ath. u. a.) mit λαβροσιάων· χορτασμοῦ ἀκόσμου H. Denominative Verba: 1. λαβρεύομαι ‘heftig reden’ (Ψ 474 u. 478), wohl nach ἀγορεύω (Risch 282 f. u. a.; nach Debrunner Mus. Helv.2,199 eher nach μωμεύω, ἐπι-λωβεύω); 2. λαβρόομαι ‘heftig stürmen’ (Lyk.); 3. λαβράζω = λαβρεύομαι u. λαβρόομαι (Nik., Lyk.) mit λαβράκτης = λαβραγόρης (Pratin. Lyr.5); 4. λαβρύσσει· λαβρεύει, δειλαίνει (?) H.; vgl. λαφύσσω u.a. (Debrunner IF 21, 244). — Seit alters zu λαβεῖν, λάζομαι gestellt. Andere Vermutung bei Schulze KZ 42, 233 (= Kl. Schr. 372): zu lat. rabies mit uralter Dissimilation (Schwyzer 258) wie ἄκρος : aciēs, μακρός, macer : maciēs u. a. m. Die Dissimilation müßte dann älter sein als der vor ρ- eintretende Vokalvorschlag; vgl. Bq s. v. II-66-67
λαβρώνιον -ιος m. (Men., Diph., H.), -ία f. (Eust.) n., N. eines Trinkgefäßes mit Henkel. — Nach Ath. 11, 484 c ἐκπώματος Περσικοῦ εἶδος ἀπὸ τῆς ἐν τῷ πίνειν λαβρότητος ώνομασμένον; somit volksetymologisch zurechtgelegtes Fremdwort? II-67
λάβυζος f. N. einer wohlriechenden Pflanze, die vom Perserkönig gebraucht wurde (Dinon Hist. [IVa] ap. Ath. 12, 514 a, H. s. κίδαρις). — Hypothese von H. Petersson KZ 46, 146f.; als persisch zu aind. líbujā ‘Liane, Schlinggewächs’, wozu noch (als genetisch verwandt) slav., z. B. klruss. labúz ‘gröberes Unkraut, Gestrüpp usw.’; von WP. 2, 3 84 f. mit Recht abgelehnt. Nach Charpentier MondOr. 13, 32 ff. vielmehr ind. LW, zu pāli labuja- Pflanzenname, mit verschiedenen Kombinationen; vgl. Vasmer Russ. et. Wb. s. labáz. II-67
λαβύρινθος m. ‘Labyrinth’, großes Gebäude mit vielfachen Gängen und Windungen, aus Ägypten (Hdt., Str.), Kreta (Kall., D. S.), Kleinasien (Inschr. Miletos) usw. bekannt; übertr. von verwickelten Gedankengängen (Pl. usw.); λαβυρινθώδης ‘L. -ähnlich, verwickelt’ (Arist. u. a.). — Vorgriechisches Wort auf -ινθος, schon längst (M. Mayer Jb. d. deut. arch. Inst. 7 [1892], 191) mit λάβρυς, nach Plu. 2,302a lydisch für πέλεκυς, verbunden und als "Haus der Doppelaxt" (als Königsinsignie) gedeutet; dazu noch der karische Gott Δαβραυνδος. So namentlich Kretschmer Einleitung 404 und öfters, z. B. Glotta 28, 244 ff.; s. noch v. Wilamowitz Glaube 1, 121, Nilsson Gr. Rel. 1,276f. (m. Lit.). Güntert Labyrinth 1ff. zieht noch heran λαύρα, angebl. ‘steinige, gepflasterte Straße o. ä.’ (s. d.) zu *λᾶϝας ‘Stein’ (λάβρυς eig. *"Steinaxt"), wozu noch λέπας, lat. lapis u. a. m., was alles von Kretschmer Glotta 22, 252 f. und Specht KZ 66, 33 f. schon aus lautlichen Gründen mit Recht abgelehnt wird. Für Verbindung mit λαύρα, λᾶας auch Brandenstein Sprache 2, 72 ff., v. Windekens Le Pélasgique 118ff. (dagegen Messing Lang. 30, 107), Deroy Glotta 35, 173ff. (mit reicher Bibliographie) u. a. Nach Kretschmer Sprache 2, 152 ff. könnte es sich bei λαβύρινθος im Sinn von ‘Treppengebäude’ (Apollotempel in Didyma) um eine Kontamination mit λαύρα handeln (?). — Neue Theorie bei Gallavotti Par. del Pass. 12, 161 ff.: wegen myk. da-pu2-ri-to = λαβύρινθος (?) aus *δαβύρινθος als protoidg. zu θάπτω; dazu immerhin λαύρα usw.; lautlich und begrifflich abzulehnen. II-67
λαγαίω. Aor. λαγάσαι (Kreta), ‘freilassen’, λαγάσ-σαι· ἀφεῖναι H.; auch mit ἀπο-, davon ἀπολάγαξις ‘Freilassung’ (Kreta; zur Bildung Chantraine Form. 281, Bechtel Dial. 2, 746). —Hinzu kommen zahlreiche Nomina, die vom Verb nicht direkt abhängen: 1.λαγαρός ‘schlaff, schmächtig, dünn’ (ion. att.) mit λαγαρότης ‘Schlaffheit usw.’, λαγαρόομαι ‘schlaff werden’ (AP) mit λαγάρωσις (Eust.; von στίχοι λαγαροί). λαγαρίζομαι Bed. unklar (Kom.); 2. λάγανον ‘dünner Kuchen, Plinse’ (hell. u. sp.) mit λαγάνιον (sp.) und λαγανίζω (?; Hp. Morb. Sacr. 13; vgl. Kind Herm. 72, 368); 1. u. 2. zunächst von einem Nomen *λαγαρ / ν-? (vgl. Benveniste Origines 18; zu den zahlreichen Nom. auf -ανον Chantraine Form. 198 f.). Ein ν- Suffix auch in dem semantisch abweichenden 3. λάγνος (-νης; zum barytonen Akz. Schwyzer 489) ‘geil, wollüstig’ mit λαγνεύω ‘geil sein, Unzucht treiben’, λαγνεία ‘Unzucht usw.’ (ion. att.). 4. *λαγος (*λάξ) ‘schlaff, dünn’ in λαγόνες pl. f. (m..), selten -ών sg. ‘die Weichen, die Dünnen; hohle Seite, Flanke’ (ion. att.), ebenso in λαγώς ‘Hase’ (s. bes.). — Eine direkte Entsprechung zu *λαγος, falls aus *σλαγος (s. zu λήγω) bietet ein germ. Adj. für ‘schlaff’ : nord. slakr asächs. slac, ags. slæc usw.; dazu mit anlaut. l- (= idg.) mnd. lak ‘ds.’, ebenso air. lacc ‘ds.’ (mit expressivem gg). Die formale Identität von λαγών und wno. lake ‘Lappen, Faltmagen usw.’. von λάγανον und asächs. lakan, ahd. lahhan ‘Tuch, Laken’ beruht auf parallelen einzelsprachlichen Neubildungen. —Mit λαγαρός läßt sich toch. A slākkär ‘traurig’ direkt gleichsetzen. Daneben mit s-Suffix lat. laxus ‘schlaff, weich usw.’; auch aind. ślakṣṇá- ‘schlüpfrig, schmächtig, dünn’ (aus *slakṣ assim., Hendriksen IF 56, 27 f.)? — Das zweisilbige λαγά-σαι ( : λαγαρός) hat ein Vorbild in dem synonymen χαλά-σαι ( : χαλαρός); λαγαίω ist Neubildung wie κεραίω, ἀγαίομαι u. a. (s. κεράννυμι und ἀγα-; anders Specht Ursprung 325); daneben ngr. (kret.) λαγάζω, s. Schulze Kl. Schr. 354 A. 1. Vgl. noch zu κλαδαρός. — Mit anderem Ablaut gehören hierher λήγω, λωγάνιον, λωγάς, s. bes. II-68
λαγγάζω ‘nachlassen, erschlaffen’ (Antiph., Phot., AB [=ἐν- δίδωμι]); λαγγάζει· ὀκνεῖ, οἱ δὲ λαγγεῖ; λαγγάσαι· περιφυγεῖν I.l. Daneben andere Bildungen bei H.: λαγγεύει· φεύγει, λαγγανώ-μενος περιϊστάμενος, στραγγευόμενος (vgl. Schwyzer 700γ). λαγγαρεῖ ἀποδιδράσκει (richtig?). — λαγγών (λάγγων?)· ὁ εὐθὺς λανθάνων τοῦ ἀγῶνος καὶ τοῦ φόβου EM 554, 15 (vgl. Chantraine Form. 160). — Auch mit -ο- : λογγάζω, λογγάσαι. s.d. — Expressiv -volkstümliche Wörter, die formal und begrifflich zu lat. langueō, -ēre ‘matt, schlaff, abgespannt sein’ (mit sekund. -u-) stimmen und wie dies sich als nasalisierte Präsensbildungen zu λαγά-σαι (λαγαίω) verstehen lassen; vgl. Kretschmer Glotta 11, 235 (zu Bogiatzides ’Αρχ. ’Εφ. 27, 115ff.); teilweise abweichend. Fern bleiben dagegen mehrere baltische Wörter der Bed. ‘(sich) wiegen, schaukeln, wanken’, z. B. lit. langóti, lingúoti (WP. 2, 436); s. Fraenkel Wb. 331 (s. láigyti); ebenfalls germ., z. B. ahd. slinc ’link’, schwed. usw. linka, lanka, lunka ‘hinken, langsam gehen usw.’, s. WP. 2, 713, Pok. 959f., W.-Hofmann s. langueō; daselbst auch reiche Lit. II-68-69
λάγιον n. Art Becher oder Gefäß (Delos IIa). — Unerklärt; vgl. λάγυνος. II-69
λαγκρύζεσθαι · λοιδορεῖσθαι Phot. — Nasalierte Nebenform zu λακερύζεσθαι ‘ds.’, s. λακέρυζα. Grošelj Živa Ant. 3, 202. II-69
λάγῡνος (-ῠ-) m. f. ‘Flasche mit engem Hals und mit weitem Bauch’, auch als Maß (Arist. Fr. 499, hell. u. sp.); τρι-λάγυνος ‘drei λ. enthaltend’ (Stesich. 7, Pap.), λαγυνο-φόρια n. pl. N. eines alexandrinischen Festes (Eratosth.). Demin. λαγύνιον, -υνίς (hell. u. sp.); λαγυνάριος ‘Flaschenfabrikant, -händler’ (Korykos), Λαγυνίων m. Parasitenname (Ath.). — Herkunft unbekannt; wie viele andere Gefäßnamen wahrscheinlich LW. Nicht zu λαγόνες (L. Meyer, Prellwitz), auch nicht mit Grošelj Živa Ant. 2,211 zu λάγανον. — Aus λάγυνος lat. lagūna, -ōna; auch lagēna, wonach λάγηνος (Gal. u. a.). Einzelheiten bei W.-Hofmann s. v. Unsicher dagegen russ. lagún ‘Trog, Eimer, Faß’, s. Vasmer Wb. s. v. Vgl. λάγιον. II-69
λαγχάνω (seit Od.), Aor. λαχεῖν (seit Il.), kausat. λελαχεῖν (Il.), Perf. λέλογχα (ep. ion. poet. seit λ 304, sp. Prosa), λέλᾰχα (Emp. u. a.), εἴληχα (A., att.), Fut. λάξομαι (Hdt.), λήξομαι (Pl.), Pass. Perf. εἴληγμαι, Aor. ληχθῆναι (att.), ‘durchs Los erlangen (u. a. Amt, Klage), teilhaft werden’ (zur Bed. Debrunner Mus. Helv. 1, 36ff.). auch mit Präfix, z. B. ἀπο-, δια-, ἀντι-, συν-, Ableitungen: 1. Mit alter ofarbiger Hochstufe: λόγχη f. ‘Anteil’ (ion.; zum Akz. vgl. Schwyzer 459 b 1); davon εὔ-λογχος = εὔ-μοιρος (Demokr.) mit εὐλογ<χ>εῖν· εὐμοι-ρεῖν H. 2. Mit Schwundstufe: λάξις ‘Los, Ackerlos’ (Hdt., Miletos), ’Απόλαξις (Eretria); Λάχεσις f. N. einer der Moiren, auch appellat. ‘Los, Schicksal’ (Hes., Pi. usw.; nach γένεσις? Holt Les noms d’action en -σις 93, Porzig Satzinhalte 336f.; vgl. bes. Νέμεσις und Fraenkel Nom. ag. 1, 51 A. 1); jüngere Bildungen λάχος n. ‘Los, Anteil’ (poet. seit Thgn., Pi., A.; auch ark.) und λάχη (λαχή?) f. ‘ds.’ (A. Th. 914 [lyr.], H.); vgl. zu λαχαίνω; PN Λάχης, -ητος m. (Th.u.a.); λαχμός = λάχος ‘Los, Anteil’ (Sch., Eust.). 3. Mit sekundärer Hochstufe (vgl. unten) : λῆξις (σύν-, διά-, ἀντί-) ‘Auslosung, Los, ausgeloste Abteilung, Auslosung, d. h. Anhängigmachen einer Klage’ (att.). Zu den alten λέλογχα, λόγχη und λαχεῖν, λάξις entstanden nach εἴληφα, λήψομαι, λῆψις (λαγχάνω: λαμβάνω, λαχεῖν : λαβεῖν) als Neubildungen εἴληχα, λήξομαι, λῆξις usw. — Ohne sichere Entsprechung. Ganz fragliche Hypothese von Mayrhofer ZDMG 105, 181 A. 2 (S. 182; nach Thieme): zu aind. lakṣá- ‘Einsatz’ (: λάχος wie vatsá-: ϝέτος; aber λάχος ist Neubildung). Uber frühere Versuche s. Bq und WP. 2, 436. — Eine bemerkenswerte Ubereinstimmung mit Λάχεσις zeigt messap. Logetibas (Dat.pl.), wozu Λάγεσις· θεός. Σικελοί H.; es muß sich um eine alte Entlehnung handeln; vgl. Krahe Arch. f. Religionswiss. 30, 393ff., Kretschmer Glotta 12, 278ff.; zum o-Vokal auch Krahe Glotta 17, 102 A. 2. II-69-70
λαγών, pl. -όνες ‘die Weichen’, s. λαγαίω. II-70
λαγώς (-ῶς) Gen. λαγώ (-ῶ), Akk. λαγών, analog. -ώ(-ῶ) usw. (att.); ep., Arist. u. a. λαγωός, ion. dor., poet. λαγός m. (vgl. zum Genus Schwyzer-Debrunner 31m. A. 4), ‘Hase’; auch übertr. als N. eines Vogels (Thompson Birds s. v.; vgl. λαγωΐς u. a. unten), verschiedener Seetiere (Thompson Fishes s. v., Strömberg Fischnamen 111), eines Sternbildes (Scherer Gestirnnamen 189, 192), eines Verbands (Mediz.) Als Vorderglied z. B. in λαγο-δαίτᾱς m. ‘Hasenverzehrer’ (A. in lyr.), λαγω(ο)-βόλον n. ‘der Hasenwerfer’ (Theok., A P u. a.). Ableitungen. Zahlreiche Deminutiva: λαγῴδιον (Ar., Pap.), λαγωδάριον (Ph.); λάγιον (X.), λαγίδιον (M. Ant., Poll.), λαγιδεύς (Str. usw.; Boßhardt 72). Adjektiva: λαγῷος ‘zum Hasen gehörig’, τὰ λαγῷα ‘Hasenfleisch, Leckerbissen’ (Hp., Kom.), λαγώειος ‘ds.’ (Opp.), λαγώνεια· λαγοῦ κρέα H. (: ταών(ε)ιος von ταώς. -ῶς); λάγειος (von κρέας, Hp. u. a.), λάγινος ‘zum Hasen ge hörig, Hasen-’ (A. in lyr.). — Vogelnamen: λαγωΐς f. (Hor. Sat. 2, 2, 22; leporini coloris Porph.; vgl. W.-Hofmann s. v.). λαγωΐνης· ὄρνις ποιός H. (vgl. κεγχρίνης, ἐλαφίνης u. a.), λαγω-δίας = ὦτος (Eulenart; Alex. Mynd. ap. Ath. 9, 390f; vgl. καχρυ-δ-ίας und Chantraine Form. 203). — Aus *λαγ(ο)-ω[υσ]-ός ‘mit schlaffen Ohren’, adjekt. Bahuvrihi von *λαγος (*λάξ; s. zu λαγαιω) und οὖς (Schwyzer KZ 37, 146f.); vgl. osset. tärqūs ‘Hase’, eig. "Langohr", npers. xargōš ‘ds.’, eig. "Eselsohr" (Schulze KZ 48, 101 = Kl. Schr 372), berber. bu tmezgīn "das Tier mit den langen Ohren" (Benveniste Sprache 1, 119); Tabuwort der Jägersprache (z.B. Schwyzer 38, Havers Sprachtabu 51 f.). Durch Kontraktion und Analogie entstanden λαγώς, λαγός (Schwyzer 557 m. A. 1). Zur Stammbildung noch Sommer Nominalkomp. 18 f.; die daselbst befürwortete substantivische Deutung ("Schlappohr") wie nhd. Langohr ‘Esel, Hase’ ist weder morphologisch noch lautlich haltbar. II-70-71
λαδρέω (ā̆) ‘rinnen, fließen’, von den μυκτῆρες (Sophr. 135). — Unerklärt; sehr unsicher. v. Wilamowitz will dafür πλαδαρέοντι lesen. II-71
λάζομαι (ep. ion. seit Il.), λάζυμαι (ep. ion. poet. seit h. Merc. 316, auch megar., thess. [λάδδουσθη, οὑπο-λάδδουνθη]), beide nur Präsensstamm, ‘nehmen, fassen, ergreifen’. auch mit ἀντι-, ἀνα-, προσ- u. a., — Das jüngere λάζυμαι ist wohl nach αἴνυμαι umgebildet (Schwyzer 698, Fraenkel IF 60, 132; ältere Lit. bei Bq und WP. 2, 707). Als Jotpräsens kann λάζομαι für *λάγ-ι̯ομαι (oder *λάγγ-ι̯ομαι; Brugmann-Thumb 336, 339) stehen; die davon schwerlich zu trennenden λαβεῖν, ἔ-λλαβε (s. λαμβάνω) und λάβρος erfordern einen Labiovelar, idg. *(s)lagʷ-i̯-. Anschluß an das isolierte ags. læccan ‘fassen, ergreifen’, nengl. latch, ist möglich. WP. a.a.O. nach Fick, Pok. 958. II-71
λάθαργοι (λᾰ-) m. pl. ‘Lederstreifen, -schnitze’ (Nik. Th. 423); nach H. τὰ ξυόμενα ἀπὸ τῆς βύρσης ὑπὸ τῶν ἀρβήλων; auch = σκώληκες und λαίθαργοι (s. d.). — Berufssprachlicher Ausdruck ohne Etymologie. II-71
λαθικηδής, λάθρα usw. s. λανθάνω. II-71
λάθυρος (λᾰ-) pl. auch -α m., N. einer Hülsenfrucht, ‘Lathyrus sativus’ (hell. u. sp.); λαθυρίς f. N. einer purgierenden Pflanze, ‘Euphorbia Lathyris’ (Dsk., Gal.); daraus lat. (Gloss.) latridus f. (André Lesét. class. 24, 41 f.). — Ohne sichere Anknüpfung. Die nur entfernte Ähnlichkeit mit den Namen der Linse, lat. lens, slav., z.B. aksl. lęšta, russ. ljača, spricht nicht für Urverwandtschaft und macht auch Entlehnung aus einer gemeinsamen Quelle sehr fraglich. Lit. bei W.-Hofmann und Vasmer Wb. s. vv. II-71
λαιαί f. pl. ‘Webersteine’ s. λᾶας. II-71
λαίγματα · πέμματα, οἱ δέ σπέρματα, ἱερὰ ἀπάργματα H., λαῖγμα· τὸ ἱερόν (Theognost. Kan. 9); daneben λάγματα (Kyr., Phot.), λαῖτμα· θῦμα H. (cod. λαιτμάθημα), auch als v.l. (cod. Ven.) Ar. Av. 1563 neben λαῖμα in dunkler Bedeutung; ebenso Suid. mit einer Fülle von Erklärungen (αἷμα, λαιμός u. a. m.). — Ohne Etymologie. II-71
λαιδρός ‘dreist, verwegen, schamlos’ (hell. Dicht.: Kall., Nik., Max.). — Stammvokal und Sufflx wie in φαιδρός, αἰσχρός; zum αι-Diphthong vgl. noch λαιός, σκαιός u. a. — Krahe Corolla ling. 129ff. verknüpft damit messap. -illyr. PN, z. B. Ledrus, Laidius, Σκερδι-λαΐδας, ebenso wie die semantisch unklaren laidehiabas (Beiwort zu Logetibas, s. zu λαγχάνω), Po-laidehias; dazu, sehr ansprechend, lit. pa-láidas ‘los(e), frei’, pa-láida ‘Zügellosigkeit’; λαιδρός somit eig. ‘los(e), ausgelassen’. Anderer Ablaut in lit. léidziu, léisti ‘(los)lassen’; über die weitverzweigte baltische Wortsippe s. Fraenkel Wb. s. v. — Anders Solmsen KZ 44, 171 (WP. 2, 393); vgl. zu λαιμός. II-72
λαίθαργος etwa ‘heimtückisch, hinterlistig, falsch’, von einem Hunde (S. Fr. 885, Orac. ap. Ar. Eq. 1068); auch λαιθάργῳ ποδί (Trag. Adesp. 227), von H. mit λαθραίῳ erklärt. — Kann offenbar von λήθαργος ‘schlummerähnlicher Zustand, Lethargie’ (s. d.) nicht getrennt werden und ist wahrscheinlich eine Umbildung davon nach den expressiv-volkstümlichen Wörtern auf λαι- (λαιδρός, λαίμαργος u. a.). An alten idg. Ablaut lā[i]dh- : ləidh- (Fick BB 28, 101 f.) ist gewiß nicht zu denken. II-72
λαικάζω, Fut. λαικάσομαι ‘huren’ (Kom.). Davon λαικάστρια f. ‘Hure’ (Kom.), auch λαικαστής m. (Ar. Ach. 79); als Rückbildung λαικάς f. (Aristaenet. 2,16; nicht ganz sicher); außerdem λαικαλέος (Luk. Lex. 12, parodierend; Debrunner IF 23, 24 u. 37). — Anklingend ληκάω (s. d.), wozu λαικάω wohl nur eine Variante darstellt; vgl. zu λαίθαργος. Daß bei einem Worte dieser Bedeutung sich kein bestimmtes Vorbild der Entgleisung nachweisen läßt, ist nicht verwunderlich. Von altem Ablaut (Bq) kann keine Rede sein, vgl. WP. 2 396 mit wohlbegründeter Kritik früherer Vorschläge. II-72
λαῖλαψ, -απος f. ‘Regensturm, Orkan’ (ep. poet. seit Il., hell. u. sp. Prosa); λαιλαφέτης m. ‘Sender der Stürme’ (PMag. Leid. W. 8, 21; Haplologie). — Davon λαιλαπώδης ‘stürmisch’ (Hp.), λαιλαπετός = λαῖλαψ (Sch. A. zu L 495), nach ὑετός u.a. Denom. λαιλαπίζω ‘durch Stürme erschüttern’ (Aq.). — Intensive Reduplikationsbildung (Schwyzer 423, Chantraine Form. 1); sonst isoliert. Hypothese von Prellwitz bei Bq, WP. 2, 429, Hofmann Et. Wb. s. v. II-72
λαιμός m. ‘Kehle, Gurgel, Schlund’ (vorw. ep. poet. seit Il.). Als Vorderglied u. a. in λαιμο-τόμος ‘kehlabschneidend’ (E. in lyr. u. a.); zu λαίμαργος unten. Denominativa : 1. λαι-μάσσω, -ττω ‘gefräßig sein’ (Ar. in lyr., Herod.; Schwyzer 733) mit λαίμαστρον ‘gefräßiges Tier, Schlemmer’, als Scheltwort (Herod.; vgl. zu ζύγαστρον); 2. λαιμώσσω ‘ds’. (Nik. Al. 352 als v.l.); 3. λαιμάω ‘ds’. (Hippon.); 4. λαιμάζουσιν· ἐσθίουσιν ἀμέτρως H.; λαιμίζω ‘die Kehle abschneiden, schlachten’ (Lyk.). — Nomina: λαιμά n. pl. = λαμυρά ‘gefräßig, lüstern’ (H.; Men. 106, codd. λαῖμα, λῆμα), wahrscheinlich Rückbildung zu λαιμάω, -άζω, -άσσω; λαιμώρη· ἡ λαμυρίς (Theognost. Kan. 9, Suid.); vgl. besonders πληθώρη (zum Akz. Wackernagel — Debrunner Phil. 95, 181 f.). — Ein verdunkeltes Komp. ist λαίμαργος ‘gefräßig, Schlemmer’ (Arist., Thphr.) aus *λαιμό-μαργος (vgl. bes. γαστρί-μαργος), wenn nicht aus λαίμαργος; s. Georgacas Glotta 36, 165. — Zu λαιμός gehört λαῖτμα (s.d.); sonst keine brauchbare Anknüpfung. — Mehrere Vorschläge: zu λαμυρός (s. d.), λάμια, *λαμός (WP. 2, 434 mit Prellwitz); zu λαίειν, λαήμεναι φθέγγεσθαι H. (Bq; dagegen WP. 2, 377); zu λαιός (Huisman KZ 71, 104; vgl. s. v.). Verschiedene Hypothesen über das schlecht bezeugte Adj. λαιμός (s. λαιμά oben) bei WP. a.aa.Oo., darunter Solmsen KZ 44, 171 zu λαιδρός (s. d.). II-72-73
λαινόχειρ · σκληρόχειρ H. — Das Vorderglied ist λάϊνος ‘steinern’, s. λᾶας. Nicht mit Fick 1, 538 und Bechtel Lex. s. λειριόεις (WP. 2, 388) zu lit. lainas ‘dünn, schwach’. II-73
λαῖον Akk. sg. Ben. eines Teils des Pfluges, wahrscheinlich ‘Pflugschar’ (A. R. 3, 1335). — Von Bugge KZ 20, 10 mit einem german. Wort für ‘Sichel’ verglichen, awno. lē, mnd. lē, lehe m., das indessen eine Grundform mit ĕ, urg. *leu̯an-, idg. *leu̯on- voraussetzt; hinzu kommen mit mehrdeutigem Vokal aind. laví- m. (Uṇ. 4, 138), laví-tra- n. (Pāṇ. 3, 2, 184) ‘Sichel’, zunächst von einem Verb ‘schneiden’ (Präs. lunā́ti, s. λύω). Zweifel bei Niedermann Essais d’étym. 18 f. II-73
λαιός 1. ἡ λαιά ‘die Linke’ (poet. seit Tyrt., A., sp. Prosa); ‘link’, Deminutivum (aus unbekanntem Zusammenhang) λαίδιον· ἀριστερόν, εὐώνυμον H. — Altes Wort für ‘link’, mit lat. laevus, slav., z. B. aksl. levъ, russ. lévyj identisch; idg. *lai̯u̯os; zum Lautlichen Schwyzer 266 u. 314, zum u̯o- Suffix ebd. 472 und Chantraine Form. 122f. Eine Substantivierung ist λαίβα (= λαίϝα)· ἀσπίς, πέλτη H.; eig. "die in der Linken getragene". Hierher noch illyr. PN wie Laevicus, Levo (Krahe Spr. d. Illyr. 1, 55). — Vermutungen über eine Grundbedeutung ‘gekrümmt’ und weitere Anknüpfungsversuche, alle ganz hypothetisch oder willkürlich, bei WP. 2, 378 f., W.-Hofmann s. laevus; dazu noch Huisman KZ 71, 104 (zu λαιμός, λαῖτμα; idg. lei- ‘nach unten, schief’). Über Verbreitung und Gebrauch von λαιός, σκαιός, ἀριστερός Chantraine Μνήμης χάριν 1, 61 ff. II-73
λαιός 2. m. N. einer Drosselart, ‘Petrocichla (cyanus, saxatilis)’. — Wohl von λᾶας ‘Stein’, vgl. ngr. πετρο-κόσσυφος ‘Drossel’; dazu Thompson Birds s. v. II-74
λαισήϊα n. pl. eine Art Schilde, aus rohen Tierhäuten gemacht ( Ε 453 = Μ 426 λαισήϊά τε πτερόεντα, Hdt. 7, 91 ὠμοβοέης πεποιημένα, von den Kilikiern gebraucht). — Ausgang wie die Gerätenamen auf -ήϊον, -εῖον, an λάσιος erinnernd, aber sonst dunkel, wohl Fremdwort (z. B. Chantraine Form. 55, Schwyzer 61). Wegen der Hdt. -stelle vermutet Hermann Glotta 13, 152 kleinasiatische (kilikische) Herkunft. Näheres bei Trümpy Fachausdrücke 38 f. — Dazu λαισάς· ἡ παχεῖα ἐξωμίς (H.)? II-74
λαῖτμα n. ‘Meerestiefe’ (ep. seit Τ 267). — Als "Schlund" neben λαιμός (s. d.) mit suffixalem -τ-μα (ἄε-τ-μα; Chantraine Form. 180, Schwyzer 523); sonst isoliert. II-74
λαιφάσσω ‘verschlucken’ (Nik. Th. 477); λαιφάσσοντες· ψηλα-φοῦντες H. — Kreuzung von λαιμάσσω und λαφύσσω; λαιφάσ-σοντες (wenn richtig) nach ἁφάσσοντες. — λαιφαί· ἀναιδεῖς. θρασεῖς, στυγναί, τολμηραί H. (Schmidt dafür λαιδραί), von Debrunner IF 21, 225 und Schwyzer 733 herangezogen. weicht in der Bed. ab; das ebenfalls unsichere λαιφύς· δάπανος ἢ βορός H. sieht wie eine Rückbildung aus (nach P. Maas ByzZ 37, 380 falsch für λάφυξ). II-74
λαῖφος λαίφη f. ‘ds.’ (Kall.). n. ‘zerlumptes Kleid, schlechtes Gewand’ (Od., h. Hom.); ‘Tuch, Segeltuch, Segel’ (poet. seit Alk. Z 2, 7, h. Ap. 406); — Unerklärt. Schon die Bed. läßt auf volkstümlichen Ursprung schließen; zur Form Chantraine Form. 417. II-74
λαιψηρός ‘schnell, hurtig usw.’ (ep. poet. seit Il.), λαιψηρά Adv. (E. u. a.; schon X 24?, Leumann Hom. Wörter 165f.). — Expressive Umbildung von αἰψηρός, wohl nach λάβρος ‘ungestüm heftig’, vgl. Ζέφυρος ... λάβρος Β 148 neben ἀνέμων λαιψηρὰ κέλευθα Ξ 17. — Gewöhnlich (z. B. Bq) aus verstärkendem λα- (s. d.) und αἰψηρός erklärt. II-74
λακάζω, λακεῖν, λακέρυζα usw. s. λάσκω. II-74
λακάρα, -η (vv. ll. λευκάρα, λακάθη) f. Baumname, wahrsch. ‘Vogelkirsche, Prunus avium’ (Thphr.); λακάρτη <ἢ> λακάρη δένδρον τι H. — Unerklärt. II-74
Λακεδαίμων, -ονος f. Stadt und Landschaft am Eurotas (seit Il.); Λακεδαιμόνιος m. ‘Bewohner von L.’ (Hdt. usw.), auch Adj. (f. fast nur Λάκαινα, s. Λάκων); λακεδαιμονίζω = λακωνίζω (Ar. Fr. 95). — Appellativische Bed. unbekannt, mithin ohne Etymologie. Mehrere Deutungsvorschläge: zu λακεδάμα· ὕδωρ ἁλμυρὸν ἁλσὶ πεποιημένον, ὅ πίνουσιν οἱ τῶν Μακεδόνων ἀγροῖκοι H. (Curtius; vgl. auch v. Blumenthal Hesychst. 17 mit fragwürdigen Kombinationen); Hinterglied = δαίμων im Sinn von ‘Teil’ (Bechtel Dial. 2, 370); aus *Λακεν-αίμων dissimiliert, zu Λάκων (s. d.) und einem anderen VN Αἵμων (Szemerenyi Glotta 38, 14 ff. mit ausführlicher Diskussion). Nach Fick Vorgr. O N 90 vielmehr Hellenisierung eines vorgr. Wortes. Vgl. Bölte in P.-W. II: 3, 1268 m. weiteren Einzelheiten. II-74-75
λακίς, -ίδος oft pl. λακίδες f., ‘Riß, Fetzen, Lumpen’ (poet. seit Alk., A.; sp. Prosa ). Dazu, wohl als Denominativum, λακίζω, auch mit περι-, ‘zerfetzen’ (Lyk., AP, sp. Prosa) mit λακίσματα ‘Fetzen’ (E.), λακιστός ‘zerfetzt’ (Antiph. u. a.); auch λακιδ-όομαι ‘zerfetzt werden’ (Dsk.). — Daneben λάκη· ῥάκη. Κρῆτες H. und λάκημα ‘Riß, Bruchstück’ (Pap. u. a.), vgl. zu λάσκω. — Der Plur. λάκη kann, wenn nicht junge Reimbildung zu ῥάκη, zu dem in lat. lacerāre ‘zerfetzen’ zu vermutenden s-Stamm *lacus (vulnerāre : vulnus u. a.) stimmen; das später belegte lacer, -era, -erum ‘zerfetzt’ wäre dann (mit Ernout-Meillet; anders Hofmann mit Leumann) eine Rückbildung. Für λακίς läßt sich sowohl nominale (*λάκος?) wie verbale Grundlage denken (Chantraine Form. 338, Schwyzer 465), ebenso für λάκημα (vgl. Chantraine 178). Die einzige Spur eines alten primären Verbs (das von λακίζω ersetzt wurde) ist ἀπέληκα· ἀπέρρωγα. Κύπριοι H. (dehnstufiger Aorist, Bechtel Dial. 1, 433); auch das Latein hat es zugunsten des denominativen lacerāre geopfert. — Aus dem Latein gehört hierher noch der n-Stamm lacin-ia f. ‘Zipfel usw.’ (von Specht Ursprung 158 mit λακί-ς zusammengekoppelt; schwerlich mit Recht); ein n-Stamm wird noch in npers. raxna ‘Riß, Spalte’ vermutet (Benveniste Origines 15; von W.-Hofmann s. lacer in Zweifel gezogen). Weitere Formen (u. a. alb. lakúr ‘nackt’) m. Lit. bei W. -Hofmann a.a.O., WP. 2, 419f. (Pok. 674). Zweifelhaftes aus dem Slavischen bei Vasmer Russ. et. Wb. 2, 20 s. lachój ‘Lappen, Fetzen’. II-75
λάκκος 1. m. ‘Wasserloch, Zisterne, Teich, Grube’ (ion. att.). Als Vorderglied z. B. in λακκό-πλουτος m. ‘der seinen Reichtum in einer Zisterne verbirgt’, Bein. des Kallias usw. (Plu. u. a.); als Hinterglied in den Hypostasen προ-λάκκ-ιον (Arist.), προσ-λάκκ-ιον (Gal.) ‘Vor-, Nebenzisterne’; vgl. προ-άστ-ιον u. a. Davon λακκ-αῖος ‘aus einem λ. stammend’ (hell.), -ώδης ‘voll von λ’. (Gp.), -άριος ‘Wächter eines λ.’ (Gloss.), -ίζω ‘einen λ. graben’ (Suid.). Λακκίον N. des kleinen Hafens in Syrakus (D. S.). — Gegenüber dem o-Stamm λάκκος steht in einer Reihe westlicher und nördlicher Sprachen ein u-Stamm: lat. lacus ‘See, Teich, Grube usw.’, kelt., z. B. air. loch ‘See, Teich’, germ., z. B. asächs. lagu ‘See, Wasser’, slav., z. B. aksl. loky ’λάκκος’; mithin steht λάκκος für *λάκϝ-ος (zum Lautlichen usw. Schwyzer 317 u. 472). Einzelheiten mit Lit. bei WP. 2, 380f., Pok. 653, W.-Hofmann s. lacus, Vasmer Wb. 2,55. Eine Spur des u-Stamms auf griechischem Boden will Grošelj Razprave 2, 44 in λάκυρος· στεμφυλίας οἶνος H. sehen (?). Zum Stammvokal (nicht überzeugend) Kuhn KZ 71, 150. — Über neugr. Formen λάκκος, λάκκα ‘Schlucht’ (λάκ<κ>ας· φάραγγας H.), λαγκάδι (< λακκάδιον) ‘ds.’ Georgacas ByzZ 41, 367, Kretschmer Glotta 12, 202 (m. Lit.). II-75-76
λάκκος 2. m. ‘Lackfarbe, Lack’ (Peripl. M. Rubr. 6) mit λακκόω ‘lackieren’ (PLond. 2, 191, 10 [IIp]. σκούτλια ξύλινα λελακκωμένα). — Aus prākr. lakkha (< aind. lākṣā) ‘Lack’. II-76
λακπατέω, λακτίζω s. λάξ. II-76
λακχά f. Pflanzenname, = ἄγχουσα (Ps.-Demokr.) mit λακχάϊνος (Edict. Diocl.). — Fremdwort, wohl aus ind. (präkr.) lakkha ‘Lackfarbe’ (s. 2. λάκκος); vgl. die Erklärung von lat. LW lacca(r) bei Plin. Val. 2, 17: herba quaedam unde vermiculatae pelles tinguntur. Vgl. W.-Hofmann s. 2. lacca. — Anders Carnoy REGr. 69, 287. II-76
Λάκων. -ωνος f. Λάκαινα m., ‘Lakonier, Lakedaimonier, -in’, N. der Bewohner Lakoniens (Lakedaimons), auch als Adj. (f. auch Λακωνίς) ‘lakonisch, lakedaimonisch’ (seit Thgn., Pi.). Einzelne Kompp. wie λακωνο-μανέω ‘in lakonischer Weise verrückt sein’, μισο-λάκων ‘Lakonierhasser, Spartafeind’ (Ar.). Davon Λακωνικός ‘lakonisch’ (ion. att.), Λα-κώνιον N. eines weiblichen Kleidungsstücks (Pap.); λακωνίζω ‘wie ein L. auftreten, gesinnt sein, sprechen usw.’ (att.; Schwyzer 736) mit Λακων-ισταί m. pl. ‘Parteigänger der L.’ (Fraenkel Nom. ag. 2, 71), -ισμός ‘L.-freundliches Benehmen’ (X. u. a.). — Nach Dittenberger Herm. 41, 196 hypokoristisch für das offizielle Λακεδαιμόνιος, weshalb f. Λάκαινα (für Λακεδαιμονία) fast alleinherrschend ist; vgl. Chantraine Études 108m. A. 2. Krahe IF 57, 119 zieht den Namen als mutmaßlich illyrisch zu Lacinium Vorgebirge in Süditalien, Iuno Lacinia. II-76
λαλέω. Aor. λαλῆσαι, ‘plaudern, schwatzen’ (att. usw.), ‘sprechen, reden’ (Arist., hell u. sp.), ngr. auch ‘treiben’ von Vieh, eig. ‘zum Gehen überreden’. auch mit Präfix, z. B. δια-, κατα-, περι-, συν-, ἐκ-, Davon als Rückbildungen: 1. λάλος ‘geschwätzig’ (att. usw.) mit λαλίσ-τερος, -τατος (Leumann Mus. Helv. 2, 11), auch κατάλαλος u. a. von κατα-λαλέω; poet. Umbildungen λαλιός, λαλοεις ‘ds.’ (AP); 2. λάλη f. ‘Geschwätz’ (Kom. Adesp., Luk.). — Weitere Ableitungen: 1. λαλιά (auch mit κατα-, συν- u. a. von κατα-λαλέω) ‘Geschwätz, Gespräch’ (att., hell. u. sp.), auch auf λάλος beziehbar (vgl. Scheller Oxytonierung 80f., Schwyzer 469). 2.λάλημα, λάλησις ‘ds.’ (att.). 3. λαλητός ‘mit Sprachvermögen ausgerüstet’ (LXX), περιλάλη- τος ‘vielbesprochen’ (Agath.); λαλητικός ‘geschwätzig’ (Ar.). 4. λαλητρίς f. ‘Schwätzerin’ (AP), λάληθρος ‘schwatzsüchtig’ (Lyk., AP; vgl. στωμύληθρος und Chantraine Form. 372f.). — 5. Mit γ-Suffix (vgl. σμαραγέω, οἰμώζω, -ωγή usw.; Schwyzer 496, Chantraine 401): λαλαγέω von unartikulierten Lauten ‘plappern, zwitschern, knirschen’ (Pi., Theok., AP), auch λαλάζω, -άξαι ‘ds.’ (Anakr., H.); dazu λαλαγ-ή, -ημα, -ητής (Opp., AP, H.); λάλαγες· χλωροὶ βάτραχοι ... οἱ δὲ ὀρνέου εἶδός φασι H. — Außerdem mit Geminata: λάλλαι pl. f. ‘Kieselsteine’ (Theok., H., EM; vom Gerassel). — Ausgang wie in σμαραγέω, κελαδέω, βομβέω und anderen Schallverben (vgl. Schwyzer 726 A. 5). — Onomatopoetische Elementarschöpfung wie z. B. lat. lallāre, lit. lalúoti ’lallen’; WP. 2, 376, Pok. 650, W.-Hofmann s. lallō, Fraenkel Lit. et. Wb. s. lalė́ti m. Lit. und weiteren Einzelheiten. II-76-77
λαμβάνω (nachhom.); Aor. λαβεῖν (seit Il.), redupl. Med. λελα-βέσθαι (δ 388), Pass. λαφθῆναι (ion.), ληφθῆναι (att.), λημφθῆναι (hell. u. sp.); Fut. λάψομαι (ion.), λά[μ]ψεται (Alk., Hamm Grammatik 145), λαψῇ 2. sg. (dor.), λήψομαι (att.), λήμψομαι (hell. u. sp.); Perf. εἴληφα (att.), εἴλαφα (dor.), λελάβηκα (ion. dor. ark., auch att.), Med. εἴλημμαι (att.), λέλημμαι (Trag.), λέλαμμαι, λελάφθαι (ion.), ‘nehmen, ergreifen’ (vgl. Lit. zu ἀγρέω). sehr oft rnit Präfix in verschiedenen Bedd., ἀνα-, κατα-, ἐπι-, παρα-, περι-, συν-, ὑπο- usw., Sehr zahlreiche Ableitungen, in weitem Umfang technische Wörter mit spezieller Bed. : A. Von λαβεῖν: 1. λαβή ‘Griff, Angriffspunkt usw.’ (Alk. [λάβα], ion. att.), von den Kompp. z. B. συλλαβή ‘Griff, Silbe usw.’ (A., att.); dazu als Ableitungen, z. T. wohl direkt von λαβεῖν: λαβίς f. ‘Griff, Krampe, Pinzette’ (hell.) mit λαβίδιον (Dsk., Gal.), ἀντι-, κατα-, περι-λαβεύς ‘Handgriff eines Schildes, Pfiock usw.’ (H., Mediz.; vgl. Boßhardt 81), λάβιον ‘Griff’ (Str.), ἀπολάβειον ‘Krampe’ (Ph. Bel.). 2. -λάβος in Zusammenbildungen wie ἐργο-λάβ-ος m. ‘Unternehmer’ mit -έω, -ία (att., hell.). 3. -λαβής z.B. εὐ-λαβ-ής ( : εὑ λαβεῖν) ‘vorsichtig’ mit -έομαι, -εια (ion. att.; Lit. s. θρησκεύω, auch Kerényi Byz.-Neugr. Jbb. 8, 306ff.). 4. ΛhαβΕτος PN (att. Epigr.). — B. Von hochstufigen Formen (λήψομαι, ληφθῆναι): 1. λῆμμα (ἀνά- ~ usw.) ‘Ein-, Annahme’ (att. usw.). 2. λῆψις (ἀνά- ~ usw.), hell. u. sp. λῆμψις ‘Ergreifung, Gefangennahme, Anfall einer Krankheit’ (Hp., att.), ἀπό-, διά-λαμψις = ἀπό-, διά-ληψις (Mytil., Kyme u. a.). 3. -λη(μ)πτωρ, z. B. συλ-λήπ-τωρ mit συλλήπτρ-ια ‘Teilnehmer(in), Beistand’ (att.). 4. ἀνα-, κατα-ληπ-τήρ ‘Schöpfgefäß’ bzw. ‘Mauerkappe’ (hell.), ἀνα- ληπτρ-ίς f. ‘stützender Verband’ (Gal.). 5. παρα- λή(μ)π-της ‘Steuereinnehmer’ (hell. u. sp.), προσωπο-λήπ-της ‘der auf die Person Rücksicht Nehmende’ (NT). 6. ληπτικός ‘empfänglich’ (Arist.), sonst fast nur in Komp., z. B. ἐπιληπτικός ‘epileptisch’ (: ἐπίληψις, Hp.). 7. συλ-λήβ-δην Adv. ‘zusammengenommen’ (Thgn., A. usw.). — Zu λάβρος s. bes.; zu ἀμφι-λαφής s. λάφυρον. — Aus ägin. λhαβών, att.ΛhαβΕτος und εἴληφα (wozu noch hom. ἔ-λλαβον) ergibt sich idg. sl-; das hom. Präsens λάζομαι, für das λαμβάνω als Neubildung eintrat (Schwyzer 699 f.; metr. unbequem? Kuiper Nasalpräs. 156) läßt auf idg. gʷ schließen; Grundform somit idg. slagʷ-. Die Aspirata in εἴληφα kann sekundär sein (vgl. Schwyzer 772); möglich ist, daß dabei ein anderes Verb für ‘greifen’ (s. λάφυρον) beteiligt war; auch einige der übrigen Formen können davon beeinflußt sein. Weiteres s. λάζομαι und λάφυρον. II-77-78
λάμπη (A. Eu. 387 [lyr.], Dsk., Plu. u. a.), λάπη (Hp., Diph. u. a.) f. ‘Schaum, z. B. auf der Oberfläche des Weins, Schleim, Rotz’; übertr. vom Moder der Unterwelt (A. a.a.O.). Davon λα(μ)πώδης ‘mit Schaum bedeckt’ (Hp., Erot., Gal.), λαμπηρός ‘ds.’ (Hp. ap. Gal.). — Die Anknüpfung an λάμπω (Schulze Kl. Schr. 114 mit L.Meyer) erklärt die nasallosen Formen nicht; es kann sich deshalb höchstens nur um. eine sekundäre Angleichung an λάμπω handeln. Sonst unerklärt; vgl. zu λέμφος. Nach Grošelj Živa Ant. 2, 212 zu λέπω (λάμπη und λαμπήνη emphatische Nasalierung [?]). II-78
λαμπήνη f. Ben. eines bedeckten Wagens (S. Fr. 441, hell. Kom., LXX; nach Polem. Hist. tegeatisch, nach anderen thessal.) mit λαμπηνικαὶ ἅμαξαι (LXX). — Ausgang wie ἀπήνη, καπά̄νᾱ; Verbindung mit λάμπω, die offenbar vorliegt bei Ptol. Tetr. 51 ἐν ἰδίαις λαμπήναις (von der Stellung der Planeten), bleibt noch zu begründen. II-78
λάμπω (seit Il.), Aor. λάμψαι, Fut. λάμψω (ion. att.), Perf. 3. sg. λέλαμπε mit Präs.-bed. (E. in lyr.; Wackernagel Synt. 1, 167, Schwyzer 772), Aor. Pass. λαμφθῆναι (J.), ‘leuchten, glänzen’, Akt. auch ‘leuchten lassen’. oft mit Präfix, z. B. ἀπο-, ἐκ-, ἐν-, ἐπι-, ὑπο-, Ableitungen. 1. λαμπάς, -άδος f. ‘Fackel, Fackellauf’ (ion. att.), auch poet. Adj. ‘von Fackeln erleuchtet’ (S. in lyr.); davon viele Ableger. λαμπάδιον ‘kleine Fackel usw.’ (att.); λαμπαδ-ίας m. N. eines Kometen und des Sternbildes Aldebaran (Chrysipp. u. a.; Scherer Gestirnnamen 121 f.) -ίτης ‘Fackelläufer’ (Pergamon IIIa; Redard 242); λαμπάδ-ιος ‘zum Fackel gehörig’ (Pap. u. a.), -ιεῖος ‘ds.’ (Delos IIIa; Schwyzer 468, Chantraine Form. 93), -ικός ‘ds.’ (Sch.); λαμπαδεῖον ‘Fackelhalter’ (Eleusis IVa; wie λυχνεῖον). Denominativa : a. λαμπαδίζω ‘an einem Fackellauf od. einer Fackelprozession teilnehmen’ mit λαμπαδισταί pl. ‘Teilnehmer an einem Fackellauf’ (Delphi II a u. a..; Fraenkel Nom. ag. 2, 71 f.); b. λαμπαδεύομαι, -εύω ‘ds., wie eine λαμπάς behandeln usw.’ (D. S., Ph. u. a.) mit λαμπαδεία ‘Fackelprozession’ (Priene III-IIa). — 2. λαμπτήρ, -ῆρος m. ‘Leuchter, Fackel, Laterne’ (vorw. poet. seit Od.), mit λαμπτήρια n. pl. N. eines Festes (Pap.). 3. λάμψις f. ‘das Leuchten’ (LXX, Ph.), vorw. zu den Kompp. wie διάλαμψις (Arist.) usw.; λαμψάνη (Dsk., Gal.; Pap. auch λαψ-, λεψ-) Art Kohl, ‘Brassica arvensis’; nach Strömberg Pflanzennamen 24 wegen der glänzenden Farbe. 4. λαμπηδών, -όνος f. ‘Lüster, Glanz’ (Epikur., D. S. usw.). 5. λαμπυρίς f. ‘Glühwürmchen’ (Arist.) mit λαμπυρίζω ‘wie ein Glühwürmchen leuchten’, auch ‘erleuchten’ (Thphr., Pap. u. a.), wohl aus *λαμπ-υλίς dissimiliert (Leumann Glotta 32, 223 A. 2). — 6. λαμπρός ‘leuchtend, glänzend’ mit λαμπρό- της, λαμπρύνω ‘erleuchten’, Med. ‘prunken’ (ion. att.), wozu λαμπρυν-τής u.a. (sp.); als Vorderglied m. Dissim. in Λάμπουρος N. eines Hundes (Theok.), -ουρις f. ‘Fuchs’ (A. Fr. 433, Lyk.). — 7. ὑπο-, περι-λαμπ-ής ‘unten bzw. ringsum leuchtend’ (Hes. Sc., Ph., Pln. u. a.). — 8. Erweiterte Verbalformen: Ptz. λαμπετάων (-όων) ‘leuchtend’ (ep. seit Λ 104); Erklärung umstritten, s. Schwyzer 705, Leumann Hom. Wörter 181 f., Chantraine Gramm. hom. 1, 358; λαμπάζω = λάμπω (Man.). — 9. Zahlreiche PN: Λάμπος, Λαμπετίδης, Λαμπετίη, Λάμπιτος, -τώ, Λαμπαδ-ίων, -ίσκος, Λαμπ(τ)ρεύς; s. Bechtel Histor. PN 621, Fraenkel Nom. ag. 1, 236, Schwyzer 337. — Die obigen Formen, sowohl die verbalen wie die nominalen, gehen alle auf das Nasalpräsens λάμπω (Schwyzer 692 m. Lit.) zurück. — Eine nasallose Entsprechung liegt in heth. lap-zi ‘glühen’, lap-nu-zi ‘in Glut versetzen, anfachen’ vor (Mudge Lang. 7, 252, Benveniste BSL 33, 140). Hinzu kommen, mit langem Vokal, idg. lāp- od. lōp-, einige balt. Wörter für ‘Fackel, Flamme’ : lit. lópė, lett. lāpa, apreuß. lopis; mit kurzem ă-Vokal, aber im Auslaut abweichend, kelt., air. lassaim ‘flammen’, kymr. llachar ‘glänzen’, die sich auf laps- zurückführen lassen. — Weitere Kombinationen bei Bq und WP. 2, 383 m. Lit.; dazu noch Fraenkel Wb. s. lópė. Vgl. auch λοφνίς. II-79-80
λαμυρός ‘gefräßig, gierig, lüstern, gefallsüchtig’ (X., Kom., hell. u. sp.) mit λαμυρία ‘Lüsternheit, Gefallsucht’ (Plu.), λαμυρίς f. ‘Wamme’ (Sch. Luk. Lex. 3), λαμυρῶσαι H. s. λαιθαρύζειν. — Daneben λάμια f. N. einer menschenfressenden Unholdin (Ar. u. a.), eines Haifisches (Arist. u. a.); in dieser Bed. auch λάμνᾰ od. -νη (Opp.); (τὰ) λάμια = χάσματα (EM. H. u. a.; vgl. λαμυρὰ θάλασσα EM 555, 57). — Heroenname Λάμος (κ 81). Lyk. ON Λάμυρα (Λίμυρα), Flußn. Λάμυρος; aus Λά-μυρα (zu Σμύρναusw.) nach Heubeck Beitr. z. Namenforsch. 1, 281. — Zu λαμυρός vgl. γλαφυρός, βδελυρός u. a.; λάμ-ιᾰ mit erhaltenem -ιᾰ wie πότνια (Schwyzer 473, Chantraine Form. 98). Mit λαμυρός vergleicht Walde LEW2 420 lat. lemurēs ‘herumschweifende Geister derer, die zur Unzeit od. eines gewaltsamen Todes gestorben sind’; Prellwitz zieht noch heran lit. lemoti ‘lechzen’, lett. lamât ‘schimpfen, schelten’ (vgl. dazu Fraenkel Wb. s. v.); aus dem Keltischen nach Pok. 675 noch kymr. lleff ‘Stimme’, bret. leñv ‘Geschrei, Klage’. Gr. λᾰμ- wäre dann Schwach- od. Schwundstufe; vgl. auch den ᾰ-Vokal in λάπτω, κάπτω u. a. Aus λάμια lat. lamia f. ‘Vampyr’; daneben lamium n. ‘Taubnessel’ aus *λάμιον ? Das aus Sch. Hor. Ep. 1, 13, 10 angeführte λαμός ‘Schlund’ existiert nicht; dafür λαιμός (lat. lemus). — Einzelheiten mit weiterer Lit. WP. 2, 434, W.-Hofmann s. lemurēs, la-mium. Hierher auch λαιμός (s.d.)? II-80
λανθάνω, λήθω (ληθάνω η 221), Aor. λαθεῖν, λελαθεῖν, -έσθαι (ἐπι-λῆσαι υ 85), Fut. λήσω (alles seit Il.), Perf. λέληθα (ion. att.), Med. λέλασμαι (Hom.), λέλησμαι (att.), sp. Aor. λήσασθαι, λησθῆναι, dor. äol. λά̄θω, λά̄σω, λᾶσαι, λέλᾱθα, ‘jmdn. in Unkenntnis einer Sache halten, der Aufmerksamkeit jmds. entgehen, unbekannt, unbemerkt sein; jmdn. einer Sache vergessen machen’, Med. ‘vergessen, uneingedenk sein’ (Einzelheiten über den Gebrauch der Formen bei Schwyzer 699 u. 748). auch mit Präfix. bes. ἐπι-, — Als Grundlage des griech. Formsystems dient im ganzen das hochstufige Präsens λήθω, λά̄θω; an dessen Seite stehen indessen seit Beginn der Überlieferung die thematischen schwundstufigen Aoriste λᾰθεῖν und λελᾰθεῖν, -έσθαι mit dem Perf. Med. λέλασμαι und vereinzelten nominalen Ablegern, vor allem. dem Paar λάθ-ρᾱ : λαθ-ι- (Schwyzer 447 f.); auch das Nasalpräsens λα-ν-θ-άνω (neben dem bei Hom. stärker belegten λήθω) ist vielleicht dazu neugebildet (nach μαθεῖν: μανθάνω?; Kuiper Nasalpräs. 156). —Wie in πύθω (:πύος), βρίθω ( : βριαρός u. a.) kann auch in λήθω das -θ- als ein hinzugetretenes (präsentisches) Element abgetrennt werden; eine dentallose Form scheint tatsächlich in λῇτο· ἐπελάθετο (neben λήιτο· ἐπε<λά>θετο) H. vorzuliegen (zu -ι- vgl. unten). Dadurch wird Anknüpfung glaubhaft an das synonyme lat. lă-t-eō ‘verborgen, versteckt sein’ (vgl. zur Bildung das Oppositum păt-eō; s. noch zu δατέομαι). — Übrige Kombinationen sind u. a. wegen der Bed. als sehr unsicher oder verfehlt zu betrachten: toch. A lä(n)t-, B lät-, lant- ‘hinausgehen’ (Pedersen Tocharisch 173), slav.: aksl. lajati ’ἐνεδρεύειν’ , čech. lákati ‘verfolgen’ (von den gleichlautenden Verba im Sinn von ’ὑλακτεῖν’ bzw. ‘verlangen’ schwerlich zu trennen); germ. Nomina wie awno. lōmr ‘Verrat, Betrug’, ahd. luog ‘Höhle, Lager’. — Für einen ursprünglichen Langdiphthong lāi- sind sowohl λαίθαργος (s. d.) wie λῇτο ganz unzuverlässige Zeugen; bei dem medialen λῇτο erweckt überhaupt die anzunehmende Hochstufe (trotz εὖκτο, στεῦτο) ernste Bedenken. — Zu Λητώ s. bes. —Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 377f., Pok. 651, W.-Hofmann s. lateō. Ableitungen. A. Von λαθεῖν. -έσθαι: 1. λάθρη, -ᾱ Adv. ‘heimlich, insgeheim’ (seit Il.; λάθρᾰ h. Cer. 240) mit λαθραῖος ‘geheim, heimlich’ (ion. att.). λάθριος (S. Ichn. 66 [lyr.], hell.), -ίδιος, -ιμαῖος (sp.) ‘ds.’; Adv. λαθρᾰ́-δᾱν (Korinn.; wie κρυφᾰ́-δᾱν), λαθρη-δόν, -δά, -δίς (sp.); als Vorderglied λαθρο-, z.B. λαθρό-νυμφος ‘heimlich verheiratet’ (Lyk.), für die ältere Wechselform λᾰθι-, z. B. λαθι-κηδής (ep. poet seit X 83), wohl eig. "wobei die Sorgen verborgen (vergessen) bleiben" aber auch mit dem Verb direkt assoziiert: ‘die Sorgen vergessen machend’ (s. Schwyzer 447, Bechtel Lex. s. v.); vgl. λᾱθι- s. C. — 2. λαθητικός ‘sich der Aufmerksamkeit entziehend’ (Arist.; λάθησις Sch. Gen. A 36); 3. λάθος n. ‘Vergessenheit’ (sp. u. ngr. für *λῆθος, λᾶθος s. B.). — B. Von λήθειν: 1. λήθη, dor. λάθα ‘Vergessenheit, Vergeß-lichkeit’ (seit Β 33; vgl. Porzig Satzinhalte 233) mit ληθαῖος ‘vergessen machend, vergeßlich’ (Kall., Lyk. u. a.), auch ληθήμων, ληθώδης, λήθιος (H.). 2. λᾶθος n. = λήθη (Theok.); λαθοσύνα f. ‘ds.’ (E. IT 1279 [lyr.], nicht sicher, vgl. Wyss -συνη 42). 3. ληθεδών, -όνος f. ‘ds.’ (AP, APl.) mit ληθεδανός = ληθαῖος (Luk.); Chantraine Form. 361 f. 4. ἔκ-λη-σις (ω 485), ἐπί-λᾱ-σις (Pi. P. 1, 46) ‘das Vergessen’, von ἐκ-, ἐπι-λήθειν; daneben vom Simplex das typologisch ältere λῆσ-τις ‘ds.’ (S., E. u. a.); Schwyzer 504, Chantraine 276, Holt Les noms d’action en -σις 36 f., Porzig Satzinhalte 196. — 5. λήσ-μων ‘vergessend, vergeßlich’ (Them.) mit λησμοσύνη (Hes. Th. 55; nach μνημοσύνη; auch S. Ant. 151 [lyr.]); ἐπιλήσ-μων ‘ds.’ (att.) mit ἐπιλησμον-ή, -μοσύνη (Krat., LXX usw.), ἐπιλησμον-έω (sp.), λησμον-έω (m.- u. ngr.); Einzelheiten bei Georgacas Glotta 36, 167f. (nicht immer zutreffend). — C. Als Vorderglied in verbalen Rektionskompp. : 1. λησί-μβροτος ‘die Menschen heimlich beschleichend, Betrüger’ (h. Merc.; Zumbach Neuerungen 24); 2. λᾱθί-πονος ‘das Leid vergessend, vergessen machend’ (S. in lyr. u. hex.; Kreuzung mit λᾰθι-; Schwyzer 444); 3. λᾱθ-άνεμος ‘dem Winde entgehend’ (Simon.). — Zu ἀληθής, λήθαργος s. bes.; vgl. auch ἄλαστος. II-80-82
λάξ Adv. ‘mit der Ferse, dem Fuß’ (ep. poet. seit Il., auch sp. Prosa); als Vorderglied in λακ-πατέω (für λαξ-π.; Schwyzer 324) ‘(mit dem Fuß) treten, zertreten’ (Pherekr. 136, S. Ant. 1275 als v. l.; vgl. λεω-πάτητος s. λεῖος); ganz vereinzelt (als sekundäre Rückbildung) Subst. = λάκτισμα (H.), ‘Fuss- sohle’ (Sch. A. R. 2, 106), s. Thierfelder SächsAbh. 43 : 2, 42 A.3. Davon λάγ-δην = λάξ (S. Fr. 683, 3). Denominative Verba. 1. λακτίζω, auch mit Präfix, z. B. ἀντι-, ἐκ-, ‘mit der Ferse, dem Fuß, dem Huf schlagen, stoßen, ausschlagen’ (seit Od.); eher nach den Verba auf -τίζω als mit Schwyzer 620 von *λακτι; davon λάκτισμα (A., S. usw.; λάκτιμα Pap., H.; Schwyzer 217, Arbenz 105), (ἐκ-)λακτισμός (H.) ‘das Treten, Stoßen usw.’; -ιστής ‘der mit dem Fuß ausschlägt’ (X. u. a.), -ιστική, sc. τέχνη (im Ringkampf; sp.). 2. λάξας = λακτίσας (Lyk. 137; λάζειν· ἐξυβρίζειν H.) mit λαχμός = λακτισμός (Antim.); λάκτις f. ‘Mörserkeule’ (Kall., Nik.; oder Rückbildung aus λακτίζω?; zur Bildung noch Schwyzer 270). — Wie πύξ, γνύξ, ὀδάξ u. a. gebildet (Schwyzer 620, Chantraine Gramm. hom. 1, 250); nicht sicher erklärt. Semantisch zutreffend ist die Zusammenstellung mit lat. calx ‘Ferse’ (seit Pott), wobei λάξ aus *κλάξ dissimiliert sein muß (Schulze BerlSb. 1921, 295 = Kl. Schr. 259; auch Speeht Glotta 31, 128 A. 1). — Anders Bezzenberger BB 4, 318f.: zu lit. lakstùs ‘flüchtig, stürmisch’, lekiù, lė̃kti ‘fliegen, laufen, rennen’, wozu noch (Fick 1, 539, Bechtel Lex. s. λακτίζω) ληκᾶν· τὸ πρὸς ᾠδὴν ὀρχεῖσθαι H.; des weiteren ληκῆσαι, λακῆσαι· πατάξαι H. und mehrere Ausdrücke für ‘Gliedmaßen usw.’, z. B. lat. lacertus ‘Oberarm’ (Bq, WP. 2, 420f., Pokorny 673, Fraenkel Wb. s. lė̃kti, Vasmer Russ. et. Wb. s. letétъ; überall m. reicher Lit.). Die letztgenannte Gruppe ist jedenfalls schon wegen der Bed. fernzuhalten; auch die lit. Wörter und ληκᾶν weichen semantisch stark ab. Übrig bleiben ληκῆσαι, λακῆσαι; das Interpretamentum πατάξαι läßt mehrere Auffassungen zu. — Das Wort für ‘Lachs’, ahd. lahs usw., von Paul WuS N. F. 2, 40 hierhergestellt ("der Schneller, der Springer"), enthält palatales ḱ (russ. losósъ) und läßt sich somit nicht mit lit. lakstùs u. Verw. verbinden. II-82-83
λαός (ep. poet. seit Il., dor., hell u. sp.), ion. ληός (selten), ion. att. λεώς (altertümlich u. selten) m. ‘(das gemeine) Volk, Volksmenge, Kriegsvolk, Völkerschaft’, im NT bes. ‘das Judenvolk’, pl. ‘( Kriegs )leute, Mannen, Untertanen, Hörige’, auch ‘die Laien’ (LXX usw.); dazu im Sing. ‘Gefolgsmann’ (Hekat. 23J.); über Gebrauch und Verbreitung ausführlich Björck Alpha impurum 318ff. m. Lit. Zahlreiche alte Kompp.: Λαϝο-πτόλεμος, Fιό-λαϝος (kor.), λαγέτας m. ‘Volksführer’ (Pi.) aus λᾱϝ-ᾱγετᾱς = myk. ra-wa-ke-ta (vgl. Chantraine Études 88m. A. 1), Λα-έρ-της (vgl. zu ἐρέθω und Schwyzer 740 A. 7), λαο-σσόος ‘die Mannen antreibend’ (Hom.; s. σεύω), λαο-, λεω-φόρος ‘die Leute tragend, öffentlich’, von Fahrstraßen, als Subst. ‘Landstraße’ (seit Il.), Μενέλαος (seit Il.), -λεως att. (Björck 104 ff.), u.a.m.; zu den verschiedenen Kompositionsformen Fick-Bechtel PN 184ff., auch Björck a.a.O. Wenige Ableitungen (z. T. wegen der Konkurrenz des synonymen δῆμος, z. T. wegen des homonymen Zusammenfalls mit Bildungen von λᾱ͂ας): 1. λαϊκός ‘zum Volk gehörig, gemein’ (hell. u. sp.). 2. λαώδης ‘volkstümlich’ (Ph., Plu.). 3. Λήϊτος PN (Il.), λήϊτον n. (zum sehr seltenen ιτο-Suffix Schwyzer 504) ‘Gemeindehaus, Stadthaus’ bei d. Achäern (Hdt., Plu. mit ion. att. Form für) λάϊτον· τὸ ἀρχεῖον, λαΐτων· τῶν δημοσίων τόπων H.; daneben u.a. λῇτον (cod. λῃτόν)· δημόσιον, ληΐτη, οἱ δὲ λῄτη (cod. λῃτή)· ἱέρεια, λειτόν· βλάσφημον H. (richtig?). Abl. ληιτιαί· ἡγεμονίαι, στρα-τιαί H. (Scheller Oxytonierung 91). — Als adj. Vorderglied in λῃτουργέω (λειτ-) ‘ein öffentliches Amt auf eigene Kosten verwalten, einen (öffentlichen, kirchlichen) Dienst versehen’ mit λῃτουργ-ία (λειτ-) ‘Staats-, Dienstleistung, Liturgie’ (att. usw.), -ός, -ημα usw. (hell. u. sp.), Zusammenbildung *ληϊτο-ϝεργ-έω zu *λήϊτα ἔργα, vgl. δημιουργέω, -ός (s.d.); auch λῄτ-αρχος m. ‘öffentlicher Priester’ (Lyk. 991). — Vgl. auch λείτωρ. — Wie das germ. Wort für ‘Volk’, ahd. liut, ags. lēod, war λᾱ(ϝ)ός urspr. ein (abstraktes) Kollektivum; dazu trat der Plur. λᾱ(ϝ)οί wie liuti, lēode ’Leute’, wozu wiederum der Sing. ληός ‘Gefolgsmann’ wie liut ‘Mensch’, vgl. Schwyzer-Debrunner 42 A. 3, Wackernagel Synt. 1,92 f. — Im Gegensatz zu den synonymen δῆμος und στρατός hat λᾱ(ϝ)ός, das im Ion. -Att. nie recht heimisch war, keine idg. Etymologie, aber war wohl trotzdem altererbt. Die Erklärungen sind alle unbefriedigend: zu λᾶας als "Steinleute", bzw. "der zum Stein gehörige" (Güntert Labyrinth 39 f., Specht KZ 68, 200 nach antikem Vorbild); zu λεία ‘Beute’ (s.d.) als "die Beute machenden Mannen" (Prellwitz); zu heth. laḫḫa- ‘Feldzug’ (Juret Rev. ét. anc. 42, 199); zu idg. lē(i)- ‘gewinnen’ (vgl. zu λάτρον) als "Soldaten" (Carnoy REGr. 69, 282). — Im maked.-epir. PN Δρεβελαου will v. Blumenthal IF 49, 181ff. ein illyr. Gegenstück zu gr. Τρεφέλεως (dazu noch ein PN Lava) wiederflnden. II-83-84
λάπαθον 1. -ος m. od. f., -η f. n., ‘Sauerampfer, Rumex acetosa’ (Epich., Thphr. u. a.), auch in artunterscheidenden Kompp., z. B. ὀξυ-, ἱππο-, βου-λάπαθον (Dsk. u. a.); s. Strömberg Pflanzennamen 19. — Wegen der Bildung (vgl. ἄνηθον usw., Chantraine Form. 368, Schwyzer 510) fremden Ursprungs verdächtig. Sonst läßt die "βοτάνη κενωτική" (Sch. Theok., danach λάπαθα pl. ‘faeces’ Sch. Gen. Ε 166) allenfalls an λά-παθος, -ον ‘Fallgrube’ (eig. "Aushöhlung"?) denken (Bq, Bechtel Lex. 28); das Appellativum wäre somit unverändert als Pflanzenname gebraucht (?). — Über die Anknüpfung an lat. lappa ‘Klette’ (Walde LEW2) s. W. -Hofmann s. v.; so auch (als Substratwort) Alessio Studi etr. 15, 218ff. II-84
λάπαθος 2. -ον n. (H., Phot., Suid.) m. (Demokr. 122, pl.), ‘Fallgrube für wilde Tiere’. — Die oft volkstümlichen Wörter auf -θος (Chantraine Form. 366 ff., Schwyzer 510 f.), obwohl großenteils unzweifelhaft altererbt, lassen sich nur selten morphologisch glatt einordnen. Wenn eigentlich "Aushöhlung", reiht sich λάπαθος an die anders gebildeten λαπαρός, λαπάσσω usw.; die nähere Analyse bleibt offen. II-84
λαπαρός ‘weich, schlaff, eingefallen’ (Hp., Arist. u. a.) mit λαπαρότης ‘Weichheit’ (Hp.); λαπάρη f. ‘die weiche Flanke’, pl. ‘die Weichen’ (ion. seit Il.). — Daneben λαπἁσσω, -ττω, (-ζω Ath., H.), Aor. λαπάξαι, Fut. λαπάξω ‘erweichen, einfallen machen, ausleeren’ (Hp. u. a.), auch ‘verwüsten, zerstören’ (A.); davon λάπαξις ‘Ausleerung’ (Arist., Mediz.), λαπαγμῶν· ἐκκενώσεων H., λαπακτικός ‘ausleerend’ (Mediz.). —Zu λάπαθον ‘Fallgrube’ s. bes. — Zu λαπαρός vgl. die bzgl. des Suffixes und des Stammvokals gleichgebildeten und sinnverwandten λαγαρός, χαλαρός, πλαδαρός u. a. m. (Chantraine Form. 227); ein zugrundeliegendes primäres Verb kann in ἔλαψα· διέφθειρα. Κύπριοι H. erhalten sein. Daraus erweitert (nach μαλάττω? vgl. λαπάττων· μαλάττων, λαγαρὸν ποιῶν H.) λαπάσσω, -ττω; die gewöhnliche Bed. ‘ausleeren’ entstand in der Sprache der Mediziner aus ‘erweichen, einfallen machen’, auf den Magen und das Ge- därm bezogen. Im Sinn von ‘verwüsten’ stimmen λαπάξειν, -ξαι zu ἀλαπάζω, dessen Verhältnis zu λαπάσσω, -ζω nicht aufgeklärt ist; vielleicht liegt Kreuzung mit einem anderen Wort vor (Ruijgh L’élém. achéen 74f.; Laryngalhypothese bei Austin Lang. 17, 91). — Sichere auswärtige Verwandte fehlen; vgl. W.-Hofmann s. lepidus (vgl. zu λέπω, λεπτός); alb. laps ‘müde, überdrüssig sein’? (Jokl WienAkSb. 168 : 1, 48; ablehnend WP. 1, 92, Pok. 33). II-84-85
λάπη ‘Schaum’ s. λάμπη. II-85
λαπίζω ‘großsprechen, prahlen, flunkern’ (S. Fr. 1062, Cic. Att. 9, 13, 4, AB, Phot., H.) mit λάπισμα ‘Ruhmredigkeit’ (Cic. a. a. O.), λαπιστής ‘Prahler, Aufschneider’ (LXX, H.), -ίστρια, -ικτής (Phot., H.). — Volkstümliches Schallwort, mit aind. lápati ‘schwatzen’, slav., z. B. russ. lepetátь ‘stammeln, lallen’ u. a. m. (WP. 2, 429, Pok. 677f.) elementarverwandt. Anders v. Windekens Ling. Posn. 8,35; zu λαπάσσω usw. II-85
λάπτω (Arist. usw.), Fut. λάψω (Π 161, Ar.), -ομαι (Ar.), Aor. λάψαι, -ασθαι (Ar., Pherekr., LXX u. a.), Perf. λέλᾰφα (Ar. Fr. 598), ‘schlürfen, gierig trinken’, bes. von Hunden u. dgl. auch mit ἀπο-, ἐκ-, περι-, Davon λάπτας· τοὺς ῥοφοῦντας H.; von Latte Glotta 34, 197 auch in λατταμυῖα· Πολυρ<ρ>ήνιοι H. vermutet, nach ihm als λάττα<ς> (kret. für λάπτας)· μυῖα zu lesen; — λάψις ‘das Schlürfen’ (Arist.). — Onomatopoetisches Wort; damit genetisch od. elementar verwandt: alb. lap ‘schlürfen’, von Hunden, Katzen u. dgl., slav., z. B. russ. lópatь ‘platzen, fressen’, lit. lapènti ‘gierig herunterschlingen’ (von Schweinen), germ., z. B. ags. lapian, mhd. leffen ‘schlürfen, trinken’ (kann auch wie lat. lambō idg. b enthalten), nhd. (mit Geminata) lappen, frz. laper ‘ds.’ (WP. 2, 383f., Pok. 651, W.-Hofmann s. lambō, Vasmer und Fraenkel Wb. s. v., Sturtevant Lang. 17, 6). — Weil λάπτω, λέλαφα gegenüber λάψω, λάψαι sekundär sind bzw. sein können, erinnert Schulze KZ 52, 105 (= Kl. Schr. 372) an balt. und slav. Synonyme mit k, z. B. lit. làkti, russ. lokátь ’λάπτειν’, zu denen λάψω, λάψαι (falls mit idg. qʷ) an und für sich stimmen könnten. — Vgl. λαφύσσω. II-85
λάρδος m. ‘gepökeltes Schweinefleisch’ (Pap. IVp u. a.) mit λαρδηγός ‘Speckhändler’ (Abydos, V-VIp). — Aus lat. lardum ‘ds.’; Genus nach τάριχος (m. u. n.)? Vgl. λᾱρῑνός. II-85
λᾱρῑνός ‘gemästet, fett’ (Xenoph., Ar., Eratosth.) mit λαρινεύομαι ‘gemästet werden’ (Sophr.) — Erinnert (mit auffallender Ultimabetonung bzw. ī -Länge) stark an lat. lāridum (> lardum, s. λάρδος) ‘Speck, gepökeltes Schweinefleisch’ Ein Nomen *lār(o)- ‘Speck o. ä.’ steht isoliert; Osthoff PB- Beitr. 13, 401 ff. setzt einen s-Stamm *lai̯os- n. ‘Speck’ an, wovon *lai̯es-r-īnos > λᾱρῑνός, bzw. *lai̯es-idom > lāridum mit sehr fraglichen weiteren Kombinationen (s. W.-Hofmann s. v., auch WP. 2, 379, Pok. 652). II-85-86
λαρινός m. N. eines unbekannten Seefisches (Opp. H. 3, 399, H.) mit λαρινευτής· ἁλιεύς, λαριναῖον κύρτον· οἱ ἁλιεῖς τὸν ἐκ λε<υ>κέας, ἢ μέγαν H. — Gegen Anknüpfung an λάρος ‘Möwe’ (Strömberg Fischnamen 120) spricht die Länge des ᾱ. II-86
λάρκος m. ‘Kohlenkorb’ (Ar. u. a.) λαρκ-αγωγός (E.Fr.283 [troch.]), λαρκο-φορέω (D. C.). mit λαρκίον (Poll.) und -ίδιον (Ar.); — Nicht sicher erklärt. Wegen ναρκίον· ἀσκόν H. aus *νάρκος durch Einfluß von λάρναξ hergeleitet (Legerlotz KZ 8, 399, Fick 1,503 u. a.; WP. 2, 699, Pok. 976); von Persson Beitr. 2, 817 bezweifelt, von Bq abgelehnt. —Zu ναρκίον vgl. νάρκη. II-86
λάρναξ, -ᾰκος f. ‘Kasten, Truhe, Lade, Sarg, Mulde’ (vorw. ep. ion. poet. seit Il., sp. Prosa) λαρνακοφθόρος ‘in einer λ. tötend’ (Lky.). mit λαρνάκιον (Sm. u. a.), — Suffix wie in πίναξ, κάμαξ, κλῖμαξ, δίφραξ u. anderen Gerätenamen. Seit Legerlotz KZ 8, 399 mit Dissimilation auf νάρναξ· κιβωτός H. zurückgeführt (über andere Spuren des Wortes Bechtel Lex s. λάρναξ und Schulze KZ 33, 226 A. 3 = Kl. Schr. 297 A. 6); weitere Analyse ganz unsicher. Von Prellwitz u.a. zu lit. nérti ‘einfädeln’ u. Verw. (WP. 2, 699f., Pok. 975ff., Fraenkel Wb. s. nérti 2) gezogen, wobei die Bildung unerklärt belassen wurde; man muß entweder ein primäres n-Suffix oder eine gebrochene Reduplikation annehmen. — Ablehnend Bq; ebenso, unter Annahme fremder Herkunft, Schwyzer 497 und Nehring Glotta 14, 185, der an Λάρνασσος, nach EM 655, 5 u. a. alter Name des Πάρνασσος, erinnert. II-86
λάρος m. N. eines gefräßigen Seevogels, viell. ‘Möwe’ (Thompson Birds s. v.), oft übertr. von Demagogen u. a. (ε 51, Ar., Arist. usw.), mit λαρίς f. ‘ds.’ (AP); auch in σισίλαρος· πέρδιξ. Περγαῖοι H. ? — Gewöhnlich als onomatopoetisch ("Schreier" betrachtet (Bq, WP. 2, 376, Pok. 650, W.-Hofmann s. lāmentum [m. Lit.], auch Chantraine Form. 7); vgl. bes. arm. lor ‘Wachtel’ (im Vokal abweichend). Nicht mit Prellwitz als "Schlinger" zu λάρυγξ (s. d.). Schwyzer 61 erwägt vorgr Herkunft. — Vgl. λῆρος. II-86
λᾱρός ‘lecker, wohlschmeckend, genußreich’ (ep. poet. seit Il.). — Der Superlativ λαρώτατος (β 350) mit ω läßt auf einen Positiv mit ursprünglich kurzer Stammsilbe schließen; da außerdem die erste Silbe in λᾱρός überall in zwei Kürzen aufgelöst werden kann (Chantraine Gramm. hom. 1, 33), erfolgt eine Grundform *λα(ϝ)αρός od. *λα(ϝ)ερός mit weiterer Anknüpfung an ἀπο-λαύω (Jurmann KZ 11, 399; weiterer Lit. bei Bq, WP. 2, 379f., Pok. 655 u. a.). — Nicht mit Kretschmer KZ 31, 295 aus *λασερός zu λιλαίομαι; wieder anders Ehrlich KZ 41, 301 A. 2 (zu lit. lasùs ‘gefräßig’ usw.). II-86-87
λάρυγξ, -υγγος m. ‘Schlund, Kehlkopf, Kehle’ (Hp., Kom., Arist., Gal. usw.). Davon das Demin. λαρύγγιον (Gal.), -ικός ‘gefräßig’ (Pherekr.) und einige Denominativa : 1. λαρυγγ-ίζω ‘mit vollem Halse schreien’ (Ar., D. usw.); 2. -ιάω ‘ds.’ (A P); 3. λαρύζει· βοᾷ· ἀπὸ τοῦ λάρυγγος H.; auch 4. λαρύνει, von der Taube (Stud. itfilcl. 1, 95; 3,496); zu -ύνω neben Gutturalstämmen Fraenkel Denom. 294. Rückbildung λαρυγ-γός· ματαιολόγος H. — Wahrscheinlich durch Kreuzung von den früher belegten φάρυγξ und λαιμός entstanden, s. Strömberg Wortstudien 5 9 ff., wo auch ausführlich über die Bedeutung. — Früher mit lat. lurco(r) ‘schlemmen’, germ., z. B. mhd. slurc ‘Schlund’ verbunden (WP. 2, 716, Pok. 965 f., W.-Hofmann s. v.). Sollte diese Deutung wirklich zutreffen, ist λάρυγξ jedenfalls nach φάρυγξ umgebildet worden (Güntert Reimwortbildungen 119). II-87
λάσανα selten sg. -ον, n. pl., ‘Dreifuß als Unterlage eines Topfes’, gew. ‘Nachtstuhl’ (Hp., Kom. u. a.) mit λασανο-φόρος m. N. eines Sklaven (Plu.); λασανίτης δίφρος (Pap.; Redard 116), Bed. unklar, vgl. Preisigke Wb. s.v.; λάανα· ἐπίστατον H. — Gerätename auf -ανον (Chantraine Form. 199); sonst dunkel. Unhaltbare Vermutung von Lagercrantz (Lautgeschichte 13 f.) bei Bq und WP. 2, 439. Lat. LW lasanum — Ganz fraglich ist die Zugehörigkeit von λάσα· τράπεζα πληρεστάτη H. II-87
λάσαρον, auch -αρ, n. ‘ὀπὸς σιλφίου, asafoetida’ (Aët., Alex. Trall., H.)., -άριον (Aët.). — Unerklärtes Fremdwort. II-87
λάσθη f. ‘Lästerung, Spott’ (Hdt. 6, 67, AP 7, 345, H.) mit λασθαίνειν· κακολογεῖν H. Dazu noch mehrere Hesychglossen : λάσθω und λασάσθω· χλευαζέτω, λάσθαι· παίζειν, ὀλιγωρεῖν, λοιδορεῖν, λάσθων· κακολογῶν, λάσθον· αἰσχρόν, λάσθας· συμ-φοράς. — Morphologisch mehrdeutig und ohne sichere Etymologie. Gewöhnliche als λάσ-θη mit lat. las-cīvus ‘üppig, ausgelassen’, aind. lā-las-a- ‘begierig’ usw. verbunden (Bq s. λιλαίομαι, WP. 2, 386, Pok. 654, W.-Hofmann s.v.); semantisch wenig zutreffend. Anders Fick, 1, 532: aus *λαξστᾱ zu germ., z. B. ahd. lastar ‘Schmähung, Tadel’ (ahd. lahan usw. ‘schmähen’); lautlich unmöglich; Schulze KZ 28, 270 A. 1 (Kl. Schr. 438 A. 1): λά-σθη zu got. laí-lo ‘schmähte’; Pisani Ist. Lomb. 73, 528ff. : aus *λαθ-τᾱ zu λαθεῖν; trotz λάσθη· ... λήθη H. semantisch zweifelhaft. II-87-88
λάσιος ‘dicht behaart, zottig, wollig, dichtbewachsen’ (seit Il.). Kompp., z. B. λασι-αύχην ‘mit dichtbehaartem Nacken’ (h. Merc. u. a.). Davon λασιών, -ῶνος m. ‘Dickicht’ (Nik.). auch ON; λασιῶτις, Beiw. von ὕλη (Epic. Alex. Adesp.), vgl. δενδρῶτις (E.) u. a. — Wenn aus *ϝλατ-ι̯ος, kann sich λάσιος einigen Wörtern für ‘Haar o. dgl.’ anschließen (Fick 2, 263): kelt., z. B. air. folt ‘Haar’ (idg. *u̯olto-), balt., apr. wolti ‘Ähre’, lit váltis ‘Haferrispe’, slav., z. B. russ. u. klruss. vólotь ‘Faser, Ähre; Rispe’. serb. vlât ‘Ähre’ (idg. *u̯olti-); dazu (Solmsen KZ 42, 214 A. 4) germ., z. B. nhd. Wald (idg. *u̯óltu-; anders Fick 2, 277); von den genannten Wörtern würde sich λάσιος aus idg. *u̯l̥ti̯os immerhin ablautlich unterscheiden. Weitere Formen m. Lit. und weitgehenden Kombinationen bei Bq, WP. 1, 297, Pok. 1139 f.; s. auch λῆνος und λάχνη. — Abweichend über λάσιος Lidén PBBeitr. 15, 521 f. (s. Bq). II-88
λάσκω (A., E., Ar.), erweitert λασκάζει· φλυαρεῖ, θωπεύει H., ἐπι-ληκέω (θ 379), (δια-)λᾱκέω (Ar. Nu. 410, Theok., Act. Ap. 1, 18 u. a.), λᾰκάζω (A.), auch λάω in (ὀξὺ) λάων? (vgl. s.v.), Aor. λᾰκεῖν (Il., Trag.), λελᾰκέσθαι (h. Merc.), λᾰκῆσαι (Ar. Pax 382), -λᾱκῆσαι (Ar. Nu. 410), Fut. λακήσομαι (Ar. Pax 381,384), Perf. λέληκα (poet. seit X 141, auch Arist. HA 618b. 31), λέλᾱκα (A. in lyr., E., Ar. [parod.]) ‘krachen’ (nur λᾰκεῖν), ‘klatschen’ (-ληκέω), ‘platzen’ (λᾱκέω), ‘kreischen, schreien, laut sprechen, verkünden’; ausführlich über Bedeutung und Verbreitung Björck Alpha impurum 280 ff. Ableitungen: 1. Von λακεῖν: λάκος· ἦχος, ψόφος; λακερόν· ἠχαῖον (cod. εἰκαῖον) H., λακέρυζα ‘krächzend’ (κορώνη Hes. u. a.; auch κύων, sekund. -ζος; Schwyzer 473 472 A. 3) mit λακερύζω, -ομαι (EM, H., Phot., Suid.); λακέτᾱς (λᾱκ-?) ‘Art Zikade’ (Ael.; vgl. Gil Emer.25,318); λάκημα ‘Riß’ (vgl. Björck 282; wenigstens teilweise zu λακίς, s. d.). 2. Von ληκέω, λᾱκέω : Λακητήρ Landspitze der Insel Kos (Fraenkel Nom. ag. 1, 162); dazu Ληκήτρια f. N. einer Göttin (Lyk. 1391) nach Schwyzer RhMus. 75, 448 (codd. Ληκτηρ-); ληκητής ‘Schreier’ und λᾱκεδόνες f. pl. ‘Geschrei’ (Timo). Zu dem alten Formpaar λᾰκεῖν : λέλᾱκα, -ηκα (vgl. κρᾰγεῖν· κέκρᾱγα u. a.) wurden die übrigen Formen nach und nach hinzugeschaffen: zu λᾰκεῖν : λάσκω (aus *λάκ-σκω; vgl. unten), λᾰκάζω, λᾰκῆσαι, λελᾰκέσθαι (alt?); zu λέλᾱκα, -ηκα: λᾱκέω, ληκέω, λᾱκῆσαι, vielleicht auch λάω (s.d.); λακήσομαι läßt wegen der unsicheren Quantität beide Deutungen zu. — Ohne sichere außergriech. Entsprechung. Jokl Untersuchungen 205 vergleicht alb. laikatis ‘schmeicheln, beschwatzen’. Bei Abtrennung des κ (λάσκω = λά-σκω fragend W. P. Schmid IF 62, 238 A. 68; wenig glaubhaft) ergibt sich Anschluß an die s. λῆρος besprochenen Schallwörter. WP. 2, 376 f., Pok. 658 f., auch W.-Hofmann s. loquor. — Wurzelbetrachtung bei Ammer Sprache 2, 210. II-88-89
λάσται · πόρναι H.; Daneben λάσταυρος ‘κίναιδος’ (Theopomp., AP u. a.), ἡμι-λάσταυρος (Men.), wohl nach κένταυρος, vgl. H.: κένταυροι· ... καὶ οἱ παιδερασταί; Kurzform λάστρις (EM 159,30). s. λιλαίομαι. II-89
λᾰ́ταξ 1., -αγος, gew.pl. -αγες, sg. auch -άγη f. ‘Weintropfen, Weinrest, Neige Wein beim Kottabosspiel’ (Alk., Kom. usw.). Davon λαταγέω (Luk. Lex. 3), λατάσσω (dor. Vaseninschr.) ‘die Neige schleudern’, λαταγεῖον ‘Gefäß, in welches die λ. fallen’ (Suid.). — Bildung auf -αξ (Chantraine Form. 397, Schwyzer 496) von einem unbekannten Grundwort. Ganz hypothetisch ist der Vergleich mit einem kelt.-germ. Wort für ‘Sumpf, Lehm usw.’, z. B. mir. laith (< *lati-) ‘Bier, Sumpf’ ( : gall. Are-late Stadt "östlich des Sumpfes"), lathach ‘Schlamm’ (< *latākā; von λάταξ jedenfalls unabhängig), awno. leþja (< urg. *laþjōn-) ‘Lehm, Schmutz’, nhd. Letten (Persson Stud. 111 A. 2, 171 u. a.); dazu noch balt. Flußnamen wie lett. Late (Mühlenbach-Endzelin 2, 425). — Lat. LW latex, -icis ‘Flüssigkeit’ mit Umbildung nach den Nom. auf -ex. Das -σσ- in λατάσσω kann analogisch sein und braucht nicht mit einem an sich möglichen γ : κ -Wechsel (Schwyzer 496 m. Lit.) zusammenzuhängen. Weitere Formen m. Lit. bei W.-Hofmann s. 1. latex, auch Bq, WP. 2, 381 f., Pok. 654 f. II-89
λάταξ 2., -αγος f. N. eines im Wasser lebenden Vierfüßlers, vl. ‘Biber’ (Arist. HA). — Unerklärt, wohl irgendwie mit 1. λάταξ zusammenhängend, vgl. Keller Antike Tierwelt 1, 186. II-89
λατμενεία · δουλεία H. — Wenn richtig, aus ἀτμενία und λατρεία kontaminiert. Fraenkel Glotta 32, 24. II-89
λάτρον n. ‘Bezahlung, Vergütung’ (A. Supp. 1011), = μισθός (Suid., EM). Daneben, wohl als Ableitung (Schwyzer 462 A. 3), λάτρις, -ιος m. f. ‘Lohnarbeiter(in), Dienstmädchen’ (Thgn., S., E. usw); λάτριος ‘zum Lohnarbeiter od. zur Bezahlung gehörig usw.’ (Pi., Man.); λατρεύω, el. -είω ‘(um Lohn) dienen, einem Gott (mit Gebet u. Opfer) dienen’ (Sol., Olympia VIa, Trag., Isok., X. usw.) mit λατρεία (Trag., Pl., LXX, Ep. Rom. u. a.), λατρεύματα pl. (S., E.) ‘Dienst, Gottesdienst’, λατρευ-τός (LXX), -τικός (Ptol.) ‘zum Diener ge- hörig, dienstwillig’; λατρεύς ‘Lohndiener’ (Lyk.; von λατρεύω od. λάτρον, Boßhardt 66), λατρώδης ‘dienstwillig’ (Vett. Val.). — Als (nord) westgriechisches Wort war λάτρον u. Verw. nicht nur den Aeolern und Ioniern, sondern urspr. auch in Athen fremd (v. Wilamowitz Eur. Her. 389, Bechtel Dial. 1, 207, E. Kretschmer Glotta 17, 79). Eine überzeugende idg. Anknüpfung fehlt. Gewöhnlich wird λά-τρον (zur Bildung Chantraine Form. 331) als schwundstufiges Seitenstück zu einigen im Germ., Balt.-Slav., Indo-Iran. vorkommenden Wörtern betrachtet, die alle auf ein hochstufiges idg. lē(i)-’gewähren, Besitz’, Med. ‘erwerben, gewinnen’, urspr. ‘(über-)- lassen’ zurückgehen sollen (WP. 2, 394, Pok. 665, W. -Hofmann s. latrō nach Fick, Persson u.a.): germ., z.B. got. *leþ n. ‘Grundbesitz’ (= awno. lāð n. ‘ds.’) in un-lēþs ‘arm’; slav., z. B. aksl. lětь, russ. letь ‘es ist erlaubt, steht frei’, balt. z. B. lit. líeta ‘Nutzen, Vorteil, Ding, Angelegenheit’, aind. rātí-, aw. rāiti- ‘willig zu geben’, f. ‘Freigebigkeit, Gabe usw.’. Von diesen Wörtern scheidet lit. líeta unmittelbar aus (s. Fraenkel Wb. s. v. m. Lit.); slav. lětь gehört wohl zunächst zu lit. lė̃tas ‘langsam, ruhig, zurückhaltend usw.’ (Vasmer s. letь, Fraenkel s. lė́nas), das sich zwar mit ‘gelassen’ vertragen läßt, aber von der Bed. ‘gewähren, erwerben’ weit entfernt ist; die indoir. Wörter sind wegen des r- überhaupt mehrdeutig; die ganze Kombination ruht somit auf einer gebrechlichen Grundlage. — Aus hell. *λάτρων lat. latrō ‘Mietsoldat, Söldner’ (Leumann Sprache 1, 207). II-89-90
λατύσσομαι ‘mit den Flügeln schlagen, flattern’ (Opp.). — Expressive Bildung auf -ύσσω (αἰθύσσω, πτερύσσομαι u. a.; Debrunner IF 21, 243), sonst unklar; λατάσσω (s. 1. λάταξ) liegt begrifflich fern. II-90
λαυκανίη f. ‘Kehle’ (Il., hell. u. sp. Epik, wo gewöhnlich λευ-; vgl. unten). — Bildung wie ἀρτηρία (s. d.) u. a. von einem unbelegten *λαύκ-ανον (-ανος, -άνη); vgl. Scheller Oxytonierung 62. Eine aspirierte Nebenform scheint in λαυχάνη· γλῶσσα H. zu stecken (vgl. Specht Ursprung 252). Ohne sichere Entsprechung. Gegen die verlockende Zusammenstellung mit lit. pa-laũkis ‘Wamme beim Hornvieh’ (Fick BB 1, 332) Fraenkel Wb. s. liaukà : richtige Form pa-liaũkis, zu liaukà ‘(Hals)drüse’ (von liaũkti ‘rinnen, fließen’). Ist volksetymo- logische Angleichung an liauka ausgeschlossen, wie im Griech. (seit v. l. b. Hom.) sekundär λευκ-, wohl nach λευκός (zu αυ : ευ noch Schwyzer 198)? — Zu slav. (wruss., poln.) ɫkać ‘schlukken, schluchzen’ s. λύζω. II-90-91
λαύρα, ion. -ρη f. ‘enge Straße, schmaler Gang, Gasse, Gosse, Stadtviertel’ (seit Il.; zur Bed. in Hom. Wace JournofHell Stud. 71, 209); διάλαυρος· οἰκία μεγάλη πανταχόθεν λαύραις διειλημμένη H. Davon viell. (nach den Grubengängen?) Λαύρειον (-εον, -ιον) n. Berg in Attika mit berühmten Silbergruben (Hdt., Th. u. a.); bei H. auch λαῦρον· μέταλλον ἀργύρου παρὰ ’Αθηναίοις (richtig?). Adj. Λαυρε(ι)ωτικός ‘zu Λ. gehörig’ (Ar. u. a.). — Als angebl. "in Fels gehauener Weg, Felsenstraße, steiniger Hohlweg, gepflasterte Straße" (?) gewöhnlich zu λᾶας ‘Stein’ gezogen und mit alb. lerë, -a ‘Gestein usw.’ verbunden; s. λᾶας m. Lit. Zweifel bei Schwyzer 481 u. 578 A. 1. II-91
Λαφρία f. N. einer nord- und zentralgriech. Göttin, die gewöhnlich mit Artemis identifiziert wurde (Paus., Str. u. a.), auch von Athena (Lyk.); dazu trat Λάφριος, von Apollon (Kalydon), auch von Hermes (Lyk. 835). Λάφρια, -ίεια n. pl. Fest in Delphi usw.; dazu die Monatsnamen Λάφριος, -ιαῖος (Phokis u.a.); Λαφριάδαι· φρατρία ἐν Δελφοῖς H. — Unerklärt. Von Usener Götternamen 190 als *Λαφορία ( : λαοφόρος ‘Landstraße’; vgl. ’Αγυιεύς) erklärt; Kretschmer Glotta 11, 96 erwägt (mit Paus.) Zusammenhang mit ἐλαφρός; ablehnend v. Wilamowitz Glaube 1, 381 ff, wo ausführliche Behandlung. S. auch Nilsson Gr. Rel. 1, 484 m. Lit. II-91
λάφῡρα auch sg. -ον, n. pl., ‘Beutestücke, Siegesbeute’ (ion. att.), als Vorderglied z. B. λαφυρο-πώλης m. ‘Beuteverkäufer’ (X.); davon λαφυρεύω (LXX), -έω (Aq.) ‘plündern’. — Bildung mit ρ-Suffix (ev. λ-Suff. mit Dissim.), zunächst von einem υ-Stamm, neben dem in ἀμφι-λαφής (ion. att.; *λάφος) ein σ-Stamm (wenn nicht direkt von einem Verb) steht. Das entsprechende primäre Verb liegt in aind. lábhate ‘erfassen, ergreifen’ vor; hinzu kommen aus dem Baltischen mehrere Nomina, z. B. lit. lõbis ‘großer Besitz, Schatz, Reichtum’ (idg. lābh-), lãbas ‘gut’, Subst. ‘Gut’ (Fraenkel Wb. s. v.). Formen dieses Verbs mögen auch in dem Thema von λαμβάνω enthalten sein, s. d. II-91
λαφύσσω Aor. λαφύξαι ‘einschlürfen, gierig verschlucken’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa). Davon λαφυγμός (Kom., AP), λάφυξις (Ath.), λαφύγματα pl. (Epigramm) ‘Verschlucken, Schlemmerei’; λαφύκτης ‘Schlemmer’ (Arist.); auch λαφύστιος ‘verschluckend, verschluckt’ (Lyk.), im Anschluß an Ζεὺς Λαφύστιος (Hdt. 7, 197; von Λαφύστιον ὄρος in Böotien), bei dessen Kult Menschenopfer vorkamen. — Expressives Verb auf -ύσσω (Schwyzer 733, Chantraine Gramm. hom. 1, 335), vgl. λάψαι, λάπτω. Das aspirierte λαφ- hat ein Gegenstück in arm. lap’em ‘lecken’; an direkten Zusammenhang mit aksl. lobъzati, russ. lobzátь ‘küssen’ (idg. -uĝ-) ist nicht zu denken. Weiteres s. λάπτω. II-91-92
λαχαίνω, Aor. λαχῆναι, ‘graben’ (ep. seit ω 242). auch mit ἀμφι-, ἐκ-, δια-, Daneben λάχανον, gew. pl. -α, n. ‘Gartenkraut, Gemüse’ (ion. att.); oft als Vorderglied, z.B. λαχανο-πώλης ‘Gemüsehändler’ (Kritias, Pap. u. a.). Zahlreiche Ableitungen : 1. Deminutiva λαχάνιον (D. L., Pap.), -ίδιον (H.). 2. λαχανική, -όν ‘Gemüsesteuer’ (Inscr. Magn., Sammelb.), λαχανάριον· herbarium (Gloss.). 3. λαχαν-ᾶς (Hdn. Gr.), -εύς (Prokl.) ‘Gemüsehändler’. 4. λαχαν-ώδης (Arist., Thphr. usw.), -ηρός (Thphr.), -ιος (Jul., Ostr.) ‘zum Gemüse gehörig’. 5. λαχανεύω ‘Gemüse pflanzen, bauen, ernten’ (Pap., Str., App. u. a.) mit λαχανεία ‘Gemüsebau, -ernte’ (LXX, Pap., J.), daneben λαχαν-ιά ‘Gemüsebeet’ (H., Sch., auch Pap.?; von Scheller Oxytonierung 68 f. angezweifelt); λαχάνευ-μα ‘Gemüsebau’ (Prokl.), -τής ‘Gemüsebauer’ (Pap.). 6. λαχανίζομαι, -ω ‘Gemüse ernten, grasen’ (EM, Hippiatr. u. a.) mit -ισμός (Th., Pap., Hippiatr.). — Ganz fraglich λαχή in A. Th. 914 (lyr.) τάφων πατρῴων λαχαί (’das Graben’ Sch.); eher λάχαι zu λαγχάνω, s. d. — Die semantische Schwierigkeit, λαχαίνω und λάχανον mit einander zu verbinden (vgl. Schwyzer 725), ist vielleicht mit Debrunner IF 21, 43 (nach Fraenkel Denom. 8) so zu lösen, daß das erst spät auftretende denominative Simplex λαχαίνω aus den Kompp., namentlich ἀμφι-λαχαίνω (ω 242), eine Rückbildung ist. — Sonst dunkel. Bei der obigen Deutung entfällt die auch ohnedies zweifelhafte Anknüpfung (nach Fick 2, 238) an einige keltische Wörter für ‘Spaten’ o. dgl., mir. lāige m. ‘Spaten’, lāigen f. ‘Lanze’, s. O’Rahilly Ériu 13, 152 f. II-92
λάχεια Beiw. von νῆσος (ι 116), ἀκτή (κ 509), v.l. ἐλάχεια (s. ἐλαχύς, wo auch über den Akz.; dazu Schwyzer 474 A. 1, Chantraine Gramm. hom. 1, 191), Bed. unsicher, von H. mit εὔσκαφος καὶ εὔγειος erklärt, "παρὰ τὸ λαχαίνεσθαι, ὅ ἐστι σκάπτεσθαι πυκνῶς". — Moderne Erklärer verstehen es als ‘niedrig, flach’, was gut zu νῆσος, aber schlechter zu ἀκτή paßt (vgl. Leumann Hom. Wörter 54); dadurch wird Anknüpfung an ein germ. Adj. für ‘niedrig, flach’ möglich: awno. lāgr, mhd. lǣge, idg. lēgh- (Fick 1, 531), wozu noch lett. lę̂zns, idg. lēĝh- (Prellwitz); über andere balt. u. slav. Wörter, die in diesem Zusammenhang erörtert worden sind, s. Fraenkel Wb. s. lė̃kšnas und Vasmer Wb. s. laz; dazu noch WP. 2, 425 f., Pok. 660. — Nach Ribezzo RIGI 16, 6ff. dagegen (mit EM, H. u. a.) zu λαχαίνω (λάχεια ἀκτή = σκαπτὴ ἀκτή). II-92-93
λάχνη f. ‘krauses, wolliges Haar, Pelzhaar’ (ep. poet. seit Il.), übertr. vom Laubwerk (Nik., Opp.); daneben vereinzelt λάχνῳ (Dat. sg.) von der Wolle des Widders (ι 445). — Davon λαχνό-γυιος ‘mit zottigen Gliedern’ (E.); λαχν-ήεις, -ά̄εις (Il., Pi.), -ώδης (E.), -αῖος (AP) ‘haarig, wollig, zottig’; λαχνόομαι ‘haarig, zottig werden’ (Sol., AP) mit λάχνωσις (Hp.). — Zunächst aus *λακ-σν-ᾱ (Schwyzer 327, Chantraine Form. 192, Benveniste Origines 101), was über *ϝλακ-σν-ᾱ, idg. *u̯l̥ḱ-sn-ā, zu einem iran. und slav. Wort für ‘Haar’ den Weg zeigt: aw. varəsa- m. n., npers. gurs, aksl. vlasъ, russ. vólos, idg. *u̯olḱ-o-. Wegen der Bed. weniger glaubhaft ist die Verbindung mit aksl. vlaknó, russ. voloknó ‘Faser, Faden’, aind. valká- m. ‘Bast, Splint’, idg. *u̯olq-. Weitere Lit. mit Wurzelanalyse bei Bq (wo auch ältere, überholte Deutungen), WP. 1, 297, Pok. 11 39, Vasmer s. vólos, voloknó und volócha; vgl. auch λάσιος. II-93
λάω nur Ptz. λάων (τ 229 κύων, h. Merc. 360 αἰετός), Ipf. λάε (τ 230 κύων), Bed. unklar, vgl. λάε· ἐψόφησεν, οἱ δὲ ἐφθέγγετο, λαήμενάι und λαίειν· φθέγγεσθαι, aber λάετε· σκοπεῖτε, βλέπετε H. — Die alten Erklärer von τ 229 f. schwanken u. a. zwischen ‘blicken’ und ‘bellen’ (βλέπων bzw. ὑλάων), in neuerer Zeit wurde von Lobeck ‘packen’ vorgeschlagen und zwei verschiedene Verba angesetzt: 1. ‘packen’ (τ 229 f., ganz isoliert), 2. ‘sehen’ (h. Merc. 360), welch letzteres auch in ἀλαός (d. s.) und in aind. lasati (ep. klass.) ‘glänzen’ vorliegen soll (Bechtel, s. Lex. s. ἀλαός, Fick 1, 120). — Beachtenswerter Vorschlag von Leumann Hom. Wörter 233 ff.: ὀξὺ λάων (h. Merc.) ‘hell schreiend’ Neubildung nach ὀξὺ λεληκώς (κίρκος X 141; in λε-λη-κώς fälschlich zerlegt; s. λάσκω), dann teils als ‘scharf blickend’ umgedeutet, teils auf einen bellenden Hund übertragen. II-93
λεβηρίς 1., -ίδος f. ‘abgezogene Schlangenhaut’ (Hp., J.), nach H. auch = τὸ λέπος τοῦ κυάμου; sprichwörtlich von leeren od. dünnen Gegenständen (Kom. u. a.), vgl. H. τινὲς δὲ ἄνδρα λέβηριν γενέσθαι πτωχόν. — Bildung wie τρι-ετ-ηρίς u. a. (s. ἔτος), somit einen σ-Stamm *λέβος neben λοβός (s. d.) voraussetzend. s. Schwyzer Glotta 5, 196f. — Hierher noch (durch Kreuzung) λέβινθοι (cod. -ίνθιοι)· ἐρέβινθοι H. (unhaltbar v. Windekens Beitr. z. Namenforsch. 6, 115ff.); s. auch λεβίας und λέβης. — Über den Inselnamen Λέβινθος Heubeck Beitr. z. Namenforsch. 1, 271 A 4; auch (wenig überzeugend) Carnoy Ant. class. 24, 19. II-93-94
λεβηρίς 2. f. ‘Kaninchen’ (Str. 3, 2, 6); nach Polemarch. ap. Erot. massaliotisch. — Wie lat. lepus und laurex iberischer Herkunft, s.W. -Hofmann s. vv. m. Lit. Nach Carnoy Rev. belge 33, 597ff. protoidg. II-94
λέβης, -ητος m. ‘Kessel, Becken’ (seit Il.; zur Bed. Brommer Herm. 77, 359 u. 366 f.), auch als Münzeinheit (Kreta; Leumann Hom. Wörter 282ff., Ruijgh L’élém. ach. 107); ἰπνολέβης ‘Kessel’ (Luk., Ath.). Davon die Demin. λεβήτ-ιον, -ίσκος (seit IVa), -άριον (Poll.); λεβητ-ώδης ‘kesselförmig’ (Ath.); -ίζω ‘in einem Kessel kochen’ (Lyk.). — Ableitung auf -ητ- von *λέβος in 1. λεβηρίς (Fick BB 6, 214, Prellwitz) liegt formal nahe (vgl. Schwyzer 499, Chantraine 267) und ist semantisch nicht ausgeschlossen, vgl. λοπός ‘Schale, Rinde’, λοπάς ‘Schale, Schüssel’. Fremde Herkunft (oder Anpassung eines Fremdworts) ist natürlich auch zu erwägen; vgl. κελέβη. II-94
λεβίας, -ου m. N. eines unbekannten Süßwasserfisches (hell. Kom.); nach H. auch = τὰ λεπίδας ἔχοντα ταρίχη. — Bildung wie ἀκανθίας u. a. (Chantraine Form. 94), sonst dunkel. Thompson Fishes s. v. erinnert an den ägypt. Fisch ἀλ(λ)άβης (Str., Ath. u. a.). II-94
λέγνον (-νη f.) n. ‘bunter Besatz, Saum eines Kleides’ (Poll., H., Sch.), auch von der Kante der Gebärmutter (Hp.), mit λεγνωτός ‘m. λ. versehen’ (Kall., Nik.), λεγνώδεις· ποικίλας, λεγνῶσαι· ποικῖλαι H. — Keine überzeugende Etymologie. Die Zusammenstellung mit aind. lagati, lagna- (ep.) ‘anhaften, sich anhängen’ (Prellwitz) wird von WP. 2, 714 unter Verweis auf lat. limbus ‘Besatz am Kleide’ neben aind. lámbate ‘herabhängen, sich anhängen’ gestützt. II-94
λέγαι Beiwort von γυναῖκες (Archil. 179) s. ἐλεγαίνειν. II-94
λέγω, -ομαι, Aor. λέξαι, -ασθαι (ep. ἐλέγμην, λέκτο), Pass. λεχθῆναι, Fut. λέξω, -ομαι, Perf. λέλεγμαι, δι-είλεγμαι, συν-είλοχα (ει analog.), Ableitungen: 1. λόγος m. ‘das Berechnen, Rechenschaft, Berechnung, Ansehen, Grund, Vernunft; das Sprechen, Rede, Wort, Erzählung, Schrift’ (seit O 393, α 56); s. Fournier 217ff., Boeder Arch. f. Begriffsgeschichte 4, 82 ff.; auch von den Präfixkompp., z.B. διά-, κατά-, ἐπί-, σύλ-λογος ( : διαλέγομαι usw.), daneben in Hypostasen, ἀνά-, παρά-λογος (:ἀνὰ, παρὰ λόγον); zahlreiche Ableitungen: a. Deminutiva: λογ-ίδιον, -άριον (att.), -αρίδιον (Pap.). b. Adj. λογάς m. f. ‘ausgelesen’, Subst. ‘ausgelesener Soldat usw.’ (ion. att.; semantisch eher zu λέγω, vgl. Chantraine Form. 351); λόγιος ‘in der Rede usw. bewandert, gelehrt’ (Pi. usw.), τὸ λόγιον ‘(Orakel)spruch’ (ion. att.); zur Bed. entwickl. usw. E. Orth, Logios (Leipzig 1926); λόγιμος ‘der Rede wert, namhaft, angesehen’ (Hdt., Pap.), gew. ἐλλόγιμος (: ἐν λόγῳ; Arbenz 38, 42 f.); λογικός ‘die Rede, die Vernunft betreffend usw., logisch’ (Philol., hell. u. sp.; Chantraine Études 131); λογαῖος ‘gewählt’ (Str. 1, 3, 18; nach Ibyk. 22; viell. zu λογή, s. 2). c. Adv. λογάδην ‘durch zufällige Auslese’ (Th.u.a.; vgl. λογάς). d. Subst. λογεύς m. ‘Redner, Prosaschreiber’ (Kritias, Plu., Sch.) mit λογεῖον ‘Redeplatz, Szene’ (Delos IIIa); κατα-, ἐκ-, συλ-λογεύς von κατάλογος, ἐκλογή usw. (Boßhardt 59 f.). e. Verba. λογίζομαι ‘rechnen, berechnen, erwägen’, oft mit Präfix, ἀνα- u. a., (ion. att.) mit λογ-ισμός, -ισμα, -ιστής, -ιστεύω, -ιστικός u.a.; λογεύω ‘Steuern einziehen’, auch mit ἐπι-, ἐκ-, (Pap., Inschr.) mit λογεία, λόγ-ευμα, -ευτής, -ευτήριον. — 2. λογή f. ‘Berücksichtigung, Art’ (= ngr.; nur sp.Pap.); aus den Kompp. ἐκ-, κατα-, συν-, δια -usw. (ion. att. usw.) ausgelöst? (Georgacas Glotta 36, 168; s. auch Debrunner IF 51, 206). — 3. λέξις f. ‘Rede, Redeweise, Stil, (besonderes) Wort’, auch mit δια-, ἐκ-, κατα-, (att. usw.; Holt Les noms d’action en -σις 57 usw.); davon λεξίδιον (-εί-; Schwyzer 471 A. 4; Arr., Gal. u. a.), lat. lexīdium; Leumann Sprache 1, 205; λεξικόν (sc. βιβλίον) ’λέ- ξεις enthaltend, Lexikon’ (AB, Phot.). — 4. λέγμα· τὸ εἰπεῖν H., ἐπίλεγμα ‘Auszug’ (Pap.), κατά-λεγμα ‘Trauergesang’ (Sm., Al.; vgl. καταλέγεσθαι· ὀδύρεσθαι τὸν τεθνεῶτα H.). —5. διάλεκτος ( : δια-λέγομαι) ‘Unterredung, Sprache, Dialekt’ (ion. att.) mit (δια-, ἐκ-)λεκτικός ‘zum Reden usw. geschickt’ (att. usw. : λέξις, λέγω). — Das thematische Wurzelpräsens λέγω, von dem alle übrigen Themaformen und nominale Ableitungen ausgehen, ist mit lat. legō ‘auf-, auslesen, lesen’ uridentisch; hinzu kommt alb. mb-leth ‘(ver)sammeln, ernten’, das palatales ĝ erweist. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 422, Pok. 658, W.-Hofmann s. legō. Ein synonymes Verb ist im Germanischen, Baltischen und Hethitischen vertreten, z. B. nhd. lesen, got. lisan ‘auflesen, ernten’, lit. lesù, lèsti ‘picken, pickend fressen’ (mit lasýti ‘auslesen, auswählen’), heth. lišāizzi ‘sammeln, auflesen’; vgl. Porzig Gliederung 191f. u. 211. — S. auch λώγη. ‘auflesen, sammeln’ (ep. poet. seit Il.; att. Prosa nur mit Präfix), ‘zählen, auf-, erzählen’ (vorw. ep. poet. seit Il.), ‘reden, sprechen’ (nachhom.); zu Gebrauch, Bedeutung und Flexion Fournier Les verbes "dire" 53ff., 100ff., Chantraine BSL 41, 39ff., Wackernagel Unt. 220ff.; daneben die synonymen und suppletiven ἀγορεύω, φημί, εἰπεῖν, ἐρῶ, εἴρηκα (zuletzt Seiler Glotta 32, 154 f.) sehr oft mit Präfix, δια-, ἐκ-, ἐπι-, κατα-, συν- u.a., II-94-96
λεία (att.), ion. ληΐη, dor. (Pi. O. 10, 44) λᾴα f.; daneben ληΐς (dor. λαΐς), -ίδος f. (ep. poet. seit Il.) ‘Beute, bes. von geraubtem Vieh, Kriegs-, Jagdbeute’, auch ‘Vieh, Herde’ (vgl. Edgerton AmJPh 46, 177f.). Kompp., z. B. λε-ηλατέω ‘Beute, bes. Vieh wegtreiben, plündern’ (Hdt., S., E., X. u. a.; nach βο-, ἱππ-ηλατέω usw. von βο-, ἱππ-ηλά-της) mit λεηλασ-ία, -ίη (X., A. R. u. a.), -άτησις (Aen. Tact.); ἀγε-λείη f. Bein. der Athena ‘Beutezuführerin, -spenderin’ (Il. usw.). Ableitungen: ληϊάς f. ‘die Erbeutete, Gefangene’ (Υ 193, A. R.); ληῗτις f. ’ἀγελείη’ (Κ 460; nach den Nom. auf-ῖτις), ’ληϊάς’ (A. R., Lyk.); ληΐδιος ‘zur Beute gehörig, gefangen’ (AP, APl.). Denominatives Verb ληΐζομαι, λεΐζομαι ‘Beute machen, plündern, rauben’ (seit Il.) mit mehreren Nomina: 1. ληϊστός, λεϊστός ‘einzufangen’ (I 406, 408; Ammann Μνήμης χάριν 1, 14); 2. ληϊστύς f. ‘das Beutemachen, Räuberei ‘(Hdt. 5, 6; Porzig Satzinhalte 182); 3. *ληισμός in λῃ(ι)σμαδία· αἰχμάλωτος, λεληισμένη H. — 4. ληϊστήρ, λῃστήρ m. ‘Plünderer, (See)-räuber’, f. λῄστειρα (Ael.), λῃστρίς (D., Herod. u. a.), mit λῃστρικός ‘räuberisch’ (ion. att.; vgl. λῃστ-ικός unten), λῃστή-ριον, dor. λᾳσ- ‘Räuberbande, -nest, Räuberei’ (att., kret.), λᾳστήριοι pl. ‘Seeräuber’ (hell. Dicht.); 5. ληΐστωρ, λῄσ- ‘ds.’ (ο 427 u.a.); 6. ληϊστής, λῃσ-, λᾳσ- ‘ds.’ (ion. att.) mit λῃστικός (oft mit λῃστρικός verwechselt), λῃστεύω ‘rauben, plündern’ mit λῃστεία ‘Räuberei’ (att.). Versuch, ληΐστωρ von ληϊστήρ, λῃστεία von ληϊστύς semantisch zu unterscheiden bei Benveniste Noms d’agent 30, 37, 69. — Die Abstraktbildung λεία, ληΐη aus *λᾱϝ-ία und die daneben stehende ιδ-Ableitung ληΐς aus *λᾱϝ-ίδ- (nicht mit Bechtel Lex. 215 nach Fraenkel alter ī-Stamm wegen ληῗτις, s. d.) können entweder auf ein Nomen *λᾱϝ(-ο)- o. ä. oder direkt auf ein Verb zurückgehen, das mit Schwundstufe in ἀπο-λαύω vermutet wird; s. d. m. Lit., dazu Pok. 655. S. noch λᾱρός und λήϊον. II-96
λείβω, Aor. λεῖψαι, ‘träufeln, gießen, Trankopfer ausgießen’ (vorw. poet. seit Il.). auch mit Präfix, z. B. κατα-, ἐπι-, Ableitungen. A. λειβῆνος· ὁ Διόνυσος H., λείβηθρον (λίβ-) n. ‘Traufe, Stelle wo das Wasser träufelt’ (Eup. 428), λείβδην ‘tropfenweise’ (EM). — B. Mit Ablaut: λοιβή f. ‘Trankopfer, Spende’ (vorw. poet. seit Il.) mit λοιβ-εῖον (Plu.), -ίς (Antim., Inschr.), -άσιον (Epich.) ‘Gefäß zum Spenden’, -αῖος ‘zur Spende gehörig’ (Ath.); λοιβᾶται· σπένδει, θύει H. (vgl. unten). — C. Daneben mit Schwundstufe: 1. *λιψ f., nur Gen. λιβός, Akk. λίβα ‘Trankopfer, Tropfen’ (A., A. R.) mit λιβηρός ‘feucht’ (Hp. ap. Gal.); 2. λίψ, λιβός m. "der Träufler", N. des regenbringenden Südwest-, (West)windes, auch als Ben. der Himmelsgegend ‘Südwest, West’ (Hdt., Arist. usw.) mit λιβικός ‘(süd)westlich’ (Pap.). Zu λίψ· ... πέτρα, ἀφ’ ἧς ὕδωρ στάζει H. vgl. αἰγίλιψ. 3. Von λίψ : λιβάς, -άδος f. ‘Erguß, Quellstrom usw.’ (Trag. usw.) mit dem Demin. λιβάδιον (Str., Plu. u. a.), auch ’χωρίον βοτανῶδες’, d. h. ‘feuchte Wiese’ (H., EM), λιβάζω, -άζομαι ‘(sich) ergießen’ (AP, Poll. u. a.), ἀπο- ~ übertr. ‘wegwerfen, sich entfernen’ (Kom.). 4. λίβος n. = λιβάς (A. Ch. 448 [lyr.], Gal.). — Zu λιβρός s. bes. — Das regelmäßige hochstufige thematische λείβω (mit λεῖψαι) und das schwundstufige primäre Nomen λίψ stehen im Griech. unvermittelt nebeneinander (vgl. νείφει : νίφ-α; ganz unsicher λίβει· σπένδει, ἐκχύνει H.); ob dem Verb oder dem Nomen die Priorität zukommt, bleibt offen. — Zu λοιβᾶται (von λοιβή, s. oben) kann lat. lībāre ‘ausgießen, spenden’ eine direkte Entsprechung sein (vgl. Porzig Satzinhalte 254, 322); es läßt sich auch als ein davon unabhängiges iteratives Deverbativum auffassen (so sicher dēlĭbūtus, wenn mit ū nach imbūtus); ganz fraglich ist λαβά· σταγών H., nach v. Blumenthal Hesychst. 18 f. maked. od. messap. für λοιβά. Wenn man das -b- abstreift, lassen sich auch andere Wörter für ‘gießen’ einbeziehen, z. B. aksl. lьjǫ, lějǫ, liti, lit. líeju, líeti, s. Bq, WP. 2, 392f., W.-Hofmann s. lībō, Vasmer Wb. s. litь, Fraenkel Wb. s. líeti; überall m. Lit. und weiteren Anknüpfungen. — Die Messung ὄφρᾱ λείψαντε (Ω 285 = ο 149) braucht nicht auf λλ- < idg. sl- zu weisen; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 176. Ein Reimwort ist εἴβω, s. d. II-96-97
λείμαξ, -ακος ‘nackte Schnecke’, nur H. s. λείμακες (vgl. zu λειμών): ἕστι δὲ καὶ ζῶον ὅμοιον κοχλίᾳ, ὅ καλοῦσι λείμακα. — Mit lat. līmāx (seit Plaut.) ‘ds.’ (wohl griech. LW), aber auch mit slav., z. B. russ. slimák ‘Schnecke’ identisch, somit eine idg. āq-Ableitung von dem m-Stamm in germ. (ahd. ags. awno.) slīm ‘Schleim’; weitere Anknüpfungen, für das Griechische belanglos, bei Bq, WP. 2, 390, Pok. 663, W. -Hofmann s. līmāx, Vasmer s. slimák. II-97
λειμών, -ῶνος m. ‘feuchter, grasreicher Ort, Au, feuchte Wiese’ (seit Il.), übertr. von geblümten Oberflächen und Gegenständen (Ach. Tat., Philostr. u. a. ); Kompp., z.B. βαθυλείμων (Pi.), -λειμος (Il., mit Übergang in die ο-Stämme) ‘mit grasreichen Auen’. Davon λειμώνιος ‘zur Wiese gehörig’ (A., Arist. usw.), f. -ιάς (S., A. R.), -ίς (D. P.), -ιον n. Pflanzenname, ‘Statice limonium’ (Dsk., Plin.); λειμων-ιάτης λίθος N. eines grasgrünen Steins (Plin.). Daneben mit Suffixtausch (nach πῖδαξ, βῶλαξ usw.) λεῖμαξ, -ακος f. ‘Wiese’ (E. in lyr. u. a.), ‘Garten’ (Pherekr.) mit -ακώδης ‘wiesenähnlich, grasreich’ (Hp.), -ακίδες νύμφαι (Orph. A. 646; unsicher; codd. λιμνακίδων). — Mit anderem Ablaut: λιμήν, -ένος m. ‘Hafen, geschützte Meeresbucht’, auch übertr. ‘Zufluchtsort’ (seit Il.), ‘Versammlungs-, Marktplatz’ (thess.; nach H. auch kypr.; vgl. Bechtel Dial. 1,450f.); Kompp., z.B. ἀ-λίμενος ‘ohne Hafen, ohne Zuflucht’ (att.; Sommer Nominalkomp. 77 f.). Davon das Demin. λιμένιον (Str. u. a.; ngr. λιμάνι aus osm. liman; Maidhof Glotta 10, 14); λιμένιος ‘zum Hafen gehörig’ (Paus. u. a.), λιμενίτης, f. -ῖτις ‘Hafenbewohner’ (Korykos), von Priapos bzw. Artemis als Hafengott, -göttin (AP; Redard 23), λιμεν-ητικὰ χρήματα ‘Hafengebühren’ (Cod. Just., mit analog. -ητικά, wenn nicht itazistisch für -ιτικά), λιμεν-ίζω ‘einen Hafen bilden’ (Polyaen.). — Dazu mit Erweiterung nach den ᾱ-Stämmen und schwundstufigem Suffix (Schwyzer 524, Chantraine Form. 2 15): λί-μν-η f. ‘stehendes Wasser, Teich, See, Sumpf’ (seit Il.), Λίμναι pl. Platz in Athen, in Sparta usw. (att. u. a.); Kompp., z. B. εὔ-λιμνος ‘mit vielen Seen’ (Arist.). Zahlreiche Ableitungen: 1. Deminutivum λιμνίον n. (Arist.). 2. λιμναῖος ‘in Seen usw. lebend, zum See, zu den Λίμναι gehörig’ (ion. att.); 3. λιμνάς f. ‘ds.’ (Theok., Paus. u. a.). 4. λιμνήτης, -τις (-ῖτις) ‘ds.’ (Theok., Paus., Inschr. u. a.), λιμνιτικά n. pl. N. eines Steuers (Pap.). 5. λιμνώδης ‘see-, sumpfartig’ (ion. att.). 6. Pflanzennamen : λιμν-ήσιον, -ησία, -ηστις, -ηστρον, -ηστρίς (Dsk., Gal. u. a.). 7. Denominative Verba: λιμνάζω ‘eine λ. bilden (lassen), stagnieren, unter Wasser setzen’ (Arist. usw.) mit λιμνασμός ‘Überschwemmung, Bewässerung’, -αστής ‘Bewässerungsvorsteher’, -αστεία ‘Bewässerungswerk’ (Pap.), -ασία ‘sumpflger Boden’ (Arist.); λιμνόομαι ‘eine λ. bilden’ (Thphr., Str.). — Die primären Bildungen λει-μών und λι-μήν (mit λί-μν-η), die sowohl im Stamm wie im Suffix einen alten Ablaut zeigen (Schwyzer 521 f., Chantraine Form. 170), stehen im Griechischen isoliert und haben auch außerhalb des Griechischen kein unmittelbares Gegenstück; für die Etymologie ist man somit auf Vermutungen hingewiesen. Von der Vorstellung ‘Feuchtigkeit, stillstehende Wasserfläche o. ä.’ ausgehend (so auch Benveniste Origines 123) sucht Bq mit J. Schmidt Zur Gesch. d. idg. Vocalismus 2, 259 f. Anschluß an lat. līmus ‘Bodenschlamm’, wozu noch, mit anlaut. sl-, die unter λείμαξ genannten Wörter; auch die unter λείβω erwähnten Ausdrücke für ‘gießen’, z. B. aksl. lьjǫ (wozu allenfalls lat. lītus als "Flutgegend") könnten dann ebensowohl in Frage kommen. — Ganz anders WP. 1, 158 und Pok. 309 (mit Fick 1, 123, 538, Prellwitz u.a.): eig. *’Niederung, Vertiefung, Einbuchtung’ (vgl. z. B. nhd. Anger zu ἀγκ- in ἀγκ-ύλος usw.) zu lat. līmus ‘schief’, līmen ‘Schwelle’ (*’Querbalken’), ohne m-Suffix z. B. lett. leja ‘Tal, Niederung’; auch λιάζομαι ‘ausweichen’ (*’ausbiegen’) ist einbezogen worden (Solmsen Wortforsch. 21 7 A. 1). II-97-99
λεῖος Adv. λείως, auch λέως (nach τελέως, ἡδέως u. a., vgl. auch λε(ι)αίνω unten) ‘glatt’, auch übertr. ‘vollständig, ganz und gar’ (ion. att.; vgl. lat. plānē, nhd. glatt). ‘eben’, vom Boden u. a., ‘glatt’, von Flächen usw. (seit Il.), auch ‘feingesiebt, zerrieben’ (Delos, Pap., Dsk.; vgl. λε(ι)αίνω, -όω unten); Oft als Vorderglied, z. B. λειό-φλοιος ‘mit glatter Rinde’ (Thphr.), auch mit adverbieller Geltung (mit -ω- nach λε(ί)-ως), z. B. λειώλης = πανώλης (Rhodos VIa), λεω-κόνιτος, -κόρητος ‘in feinen Staub verwandelt’ bzw. ‘glattgefegt’, d. i. ‘gänzlich zerstört’ (Theognost., H., Phot.), λεω-πάτητος ‘ganz- lich zertreten’ (S. Ant. 1275 mit v. l. λακ-πάτητος, s.λάξ); dazu noch λεωργός = πανοῦργος, κακοῦργος (Archil. 88, 3, A. Pr. 5, X. u a.), s. Chantraine Glotta 33, 25 ff. m. ausführlicher Behandlung und zahlreichen Einzelheiten; z. λεῖος usw. auch Fraenkel Nom. ag. 1, 89 A. 1. Ableitungen: λειότης f. ‘Glätte’ (att. usw.), λείαξ ‘bartloser Knabe’ (EM, H.); zwei Denominativa : λε(ι)αίνω (zum Lautlichen Schwyzer 236, Lejeune Traité de phon. 216), auch mit ἐκ-, συν-, ἀπο-usw., ‘glätten, zerreiben’ (seit Il.) mit λε(ί)αν-σις, -τήρ, -τικός, ἐκλεα-σμός u.a. (Arist., hell.u.sp.); λειόω, auch συν-, ἀπο-u. a., ‘ds.’ (Arist. usw.) mit λείω-μα ‘Pulver’ (Thphr.); -σις ‘Zerreibung’ (Gal. u. a.). — Neben dem o-Stamm in *λεῖϝος steht in lat. lēvis ‘glatt’ ein i-Stamm, der wie in lĕvis, brevis u. a. einen älteren u-Stamm (wenn nicht einen älteren o -Stamm mit Leumann Lat. Gramm. 234) abgelöst haben kann; auch *λεῖϝος somit zunächst für *lei-u̯-os? Der Stammvokal ist mehrdeutig; neben lei- kommt auch lēi- in Frage, vgl. πλε(ί)ων < *πληΐων und 1Schulze KZ 28, 266 A. 1 = Kl. Schr. 434 A 1; auch W. -Hofmann s. 2. lēvis. Weiterer Anschluß an die s. λείμαξ genannten Wörter ist wahrscheinlich; s. auch 2. λίς und λιτός. II-99
λείπω (seit Il.), λιμπάνω (Sapph., Hp., Th. u. a., v. l. Λ 604), Fut. λείψω, Aor. 2 λιπεῖν, Perf. λέλοιπα (alles seit Il.), Med. λέλειμμαι (seit Il.), Aor. Pass. λειφθῆναι (seit h. Merc., Pi.), Aor. 1 λεῖψαι (Ar., hell. u. sp.), ‘lassen, verlassen, zurücklassen’, intr. ‘ausgehen, schwinden’, Med. ‘zurückbleiben’. oft mit Präfix, z. B. ἀπο-, ἐκ-, ἐν-, κατα-, ὑπο-. Als Vorderglied in mehreren Rektionskompp., z. T. mit privativer Bedeutung, z. B. λιπό-τεκνος ‘kinderlos’ (Pi.), s. Schwyzer 442; zur Stammbildung auch Sommer Nominalkomp. 124 f.; auch mit Umstellung der Glieder wie σαρκο-λιπής (AP) für λιπό-σαρκος (Hp. u. a.). Daneben λειψ(ι)- in λειψ-υδρ-ία ‘Mangel an Wasser’ (Thphr. u. a.) usw. Ableitungen. Subst.: 1. λεῖμμα (ὑπό-, κατά-, ἔλ- ~ usw.) ‘Rest’ (ion. att., Arist. usw.). 2. λεῖψις (ἔκ-, ἀπό- ~ usw.) ‘das Verlassen, Ausbleiben’ (ion. att.). 3. λείψανον, meist pl. -α ‘Überbleibsel, Überreste’ (E., Ar., Pl. u. a.; Suffixkombination, s. Schwyzer 517). 4. ἐκλειπ-ία ‘Mangel’ (J.; vgl. ἐκλιπ-ής unten). — Adj.: 5. λοιπός (auch ὑπό-, κατά- ~ u. a. von ὑπο-λείπω usw.) ‘zurückbleibend, übrig’ (nachhom.) mit (ὑπο)λοιπ-άς f. ‘Rest’ (Pap.), ἀπολοιπ-ασία ‘ds.’ (Hero, Pap.; *ἀπολοιπ-άζω : ἀπόλοιπ-ος; Chantraine Form. 85, Schwyzer 469). 6. ἐκ-, ἐν-, ὑπο-λιπ-ής usw. (v. l. -λειπής) ‘ausbleibend, fehlend, übrigbleibend usw.’ (att. usw.). 7. ἐκ-, ἐν-, παρα-, ὑπο-λειπτικός ‘auf die ἔκλειψις usw. bezüglich’ (hell. u. sp.). — Für sich steht λίσσωμεν· ἐάσωμεν H.; die Erklärung ist strittig, vgl. Schwyzer 692. — Der thematische Wurzelaorist ἔ-λιπ-ε hat genaue Seitenstücke in arm. e-lik‘, aind. á-ric-a-t, idg. *é-liqʷ-e-t ‘er verließ’. Zu λέ-λοιπ-α stimmt bis auf Akzent und Reduplikationsvokal aind. ri-réc-a; dazu ohne Reduplikation germ., z.B. got. laiƕ, lat. līqu-ī, idg. *-loiqʷ-(a). Dem Nasalpräsens λι-μ-π-άν-ω kommt am nächsten arm. lk’-an-em (idg. *liqʷ-); Nasalpräsentia verschiedener Ausformung begegnen mehrfach auch sonst, z. B. aind. (3. sg.) ri-ṇá-k-ti, lat. li-n-qu-ó. Dem thematischen Wurzelpräsens λείπω entsprechen germ., z. B. got. leiƕan, ahd. līhan ‘leihen’ (urg. *līhu̯-) und lit. liekù ‘lassen’; letzteres steht aber für älteres athemat. liek-mì, das seinerseits vielleicht ein ehemaliges Nasalpräsens *link-mi ersetzt hat. Auch das germ. Präsens ist auf eine nasalierte Grundform *liŋhu̯- zurückführbar und würde dann mit lat. linquō zusammenfallen. Zu bemerken noch λοιπός gegenüber den Subst. aind. ati-reka- m., lit. ãt-laikas, aksl. otъ-lěkъ ‘Überbleibsel’ (idg. *-loiqʷ-o-); vgl. Porzig Satz- inhalte 304, Gliederung 167. Toch. AB lip- ‘übrig bleiben’ (für *lik-) muß aus lautlichen Gründen wegbleiben. — Weitere Einzelheiten m. reicher Lit. WP. 2, 396f., Pok. 669f., W.-Hofmann s. linquō, Fraenkel s. lìkti. II-99-100
λείριον n. ‘Lilie, Lilium candidum’ (h. Cer. 427, Hp., A. R., Thphr., Dsk.; λείριον ἄνθεμον Pi.), auch ‘Narzisse’ (Thphr., Dsk.). Als Hinterglied im PN Ποδα-λείριος (seit Il.). Davon λείρινος ‘aus Lilien bereitet’ (Dsk., Gal.), auch ‘lilienähnlich’ (ἄνθος, Thphr. HP 3, 18, 11; nicht ganz sicher), λειρι-ώδης ‘lilienähnlich’ (Thphr.), -όεις ‘zur Lilie gehörig’ (Nik. Al. 406). — Daneben λειριόεις von der Haut (Ν 830), von der Stimme oder dem Gesang der Zikaden (Γ 152), vom Gesang der Musen (Hes. Th. 41, Q. S. 2, 418); λείριος von der Stimme (A. R., Orph.), auch von den Augen (B. 17, 95), λειρός, n. pl. λειρά vom Gesang der Zikaden (IG 14, 1934 f6, Versinschr.). — Wie lat. līlium stammt auch λείριον aus einer östlichen Mittelmeersprache; eine entsprechende Benennung der Lilie findet sich im Koptischen, hrêri, hlêli (ägypt. ḥrr-t). Hinzu kommen mehrere Wörter für ‘Blume’, hamit. ilili, alili, alb. lule, heth. alil, alēl; s. W.-Hofmann s. līlium m. Lit., Benveniste BSL 50, 43. — Auch das poetische λειριόεις und die später belegten, wohl als Rückbildungen daraus zu erklärenden λείριος und λειρός als Beiwörter der Haut und der Stimme dürften als Ableitungen von λείριον verständlich sein (’lilienweiß, -zart’), s. Wærn Eranos 50, 19 f. Leumann Hom. Wörter 27 f. (der für Ποδα-λείριος an das Gegenstück Μελάμ-πους erinnert), bezeichnet wegen des Fehlens nicht rekonstruierbarer Zwischenstufen das Problem als unlösbar. — Ganz anders Bechtel (s. Lex. s. λειριόεις), Fick 1, 538, Fraenkel Wb. 330: zu λειρός (cod.-ώς)· ὁ ἰσχνὸς καὶ ὠχρός H.; durch Dissimilation aus *λειλός zu lit. leĩlas ‘dünn, schlank’. II-100-101
λειτουργέω (ληϊτ-), -ία, -ός s. λαός. II-101
λείτωρ, -ορος m. ‘Priester’ (nachklass. att. Inschr.), ὁμο-λείτωρ = συλ-λειτουργός (att. Inschr. IIp), λείτορες· ἱέρειαι H.; λητῆρες· ἱεροὶ στεφανηφόροι. ’Αθαμᾶνες H., f. λήτειραι· ἱέρειαι τῶν σεμνῶν θεῶν H. (Kall. Fr. 123), λείτειρη· ἱέρειαι H. (böot.); unsicher λετορο<ς> (IG 5 : 2, 405, ark.). Denominativum λειτορεύω ’λείτωρ sein’ (thess. seit IIa; auch ägypt.?, s. Wilhelm Arch. f. Pap. 9, 214ff.). Einzelheiten über Verbreitung usw. s. E. Kretschmer Glotta 18, 83 f., auch Fraenkel Nom. ag. 1, 145, Bechtel Dial. 1, 207f., Benveniste Noms d’ag. 47 A. — Wegen der den nordwestlichen Athamanen zugeschriebenen Form λητῆρες und (wenn richtig erklärt) ark. λετορο<ς> scheint thess. -böot. λει- für urgr. λη- zu stehen (att. λείτωρ somit böot. Entlehnung?). Aus demselben Grund bietet die semantisch sehr ansprechende Anknüpfung an λήϊ-τος, ληΐτη und λῄτη ’ἱέρεια’, λειτουργός (s. λαός) Schwierigkeiten; als Sekundärsuffix fällt überdies -τωρ, -τηρ (für -της) auf. Andere Hypothesen: zu λάτρον (L.Meyer, Prellwitz); zu λίσσομαι, λιταί (Hoffmann Dial. 2, 328). II-101
λειχήν, -ῆνος m. ‘Flechte’ s. λείχω. II-102
λείχω, Aor. λεῖξαι, Fut. λείξω, auch mit περι-, δια-, ἀνα-, ἐκ- u.a., ‘lecken’ (ion. att.). Als Vorderglied in Λειχ-ήνωρ u. anderen parodierenden PN (Batr.). Davon λειχήν, -ῆνος m. "der Lecker", ‘Flechte, Ausschlag, Moos’ (A., Hp., Thphr. u. a.; zur Bildung Schwyzer 487, Chantraine Form. 167) mit λειχήν-η Pflanzenname = μυρτάκανθος (Dsk.), -ώδης, -ικός ‘flechtenartig’ bzw. ‘zur Flechte gehörig’ (Mediz.), -ιάω ‘die Mooskrankheit haben’ (Thphr.). — ἔκλειγ-μα (:ἐκ-λείχω) ‘Tablette, Bonbon’, ἐκλεικ-τόν ‘ds.’ (Mediz.). — Daneben, im Ablaut abweichend: 1. λιχανός (δάκτυλος) m. ‘der Leck-, d.i. Zeigefinger’ (Hp., Pap. u. a.), mit oppositivem Akzent (Schwyzer 380) λίχανος m. ‘die vom Zeigefinger angeschlagene Saite’ (Aristox., Arist. u. a.); λιχάς, -άδος f. ‘der Abstand zwischen dem Zeigefinger und dem Daumen’ (Hero, Poll.), nach διχάς, πεντάς u. a. (s. Chantraine 358) für erwartetes *λιχανάς. 2. λιχμάομαι, -άω, auch mit ἀπο-, περι- u. a., ‘lecken, züngeln’ (seit F 123; λελιχμότες Hes. Th. 826 wohl analogische Neubildung mit Leumann Hom. Wörter 218; kaum für *λελοιχότες zu λείχω mit Fraenkel Mél. Boisacq 1, 378) mit λιχμ-ήμων, -ήρης ‘leckend, züngelnd’ (Nik.), λιχμάς· θρῖναξ. καὶ ἁπαλὴ πόα καὶ χαμαιπετής, ἥν τὰ ἐρπετὰ ἐπιλείχουσι H.; erweiterte Formen λιχμάζω (Hes. Sc. 235, Nik. u. a.), -αινω (Opp.) ‘ds.’ 3. λίχνος ‘naschhaft, lüstern, gefräßig, lecker’ (att., hell. u. sp.) mit λιχνώδης ‘ds.’ (Ael.), λιχνότης ‘Lüsternheit’ (Sch.); denom. Verb λιχνεύω, -ομαι, auch mit ἐπι-, περι-, ‘lüstern sein, schwelgen’ (D. H., Ph., Plu. u. a.) mit λίχνευμα ‘Leckerbissen’ (Sophr.), λιχνεία ‘Leckerei, Gefräßigkeit’ (Pl., X. usw.). — Dem thematischen Wurzelpräsens λείχω, von dem alle übrigen Themaformen ausgehen, stehen in den verwandten Sprachen verschiedene Bildungen gegenüber: hochstufiges Jotpräsens in lit. liežiù, aksl. ližǫ; Nasalpräsens in lat. lingō; Iterativbildungen in got. bi-laigon, lit. laižýti (idg. loiĝh-); mehrere hochstufige Bildungen in arm. liz-um, -em, -anem; schwundstufige Form in air. ligim, mit expressiver Gemination in ahd. lecchōn ’lecken’ u. a. m. Ein athematisches Präsens mit alter Abstufung ist in aind. léh-mi, 1. pl. lih-más (idg. *léiĝh-mi, *liĝh-més) erhalten; daß auch das Griechische einmal schwundstufige Verbalformen besessen hat, zeigen die Nomina λιχανός (:πιθανός u.a.; Chantraine Form. 197), λίχνος (mit auffallender Barytonese, Schwyzer 489) und das denominative λιχμάομαι, das einen μ-Stamm λιχ-μ- voraussetzt (Schwyzer 725 A. 9). — Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 2, 400f., Pok. 668, W.-Hofmann s. lingō, Fraenkel s. liẽžti, Vasmer s. lizátь. II-102
λεκάνη, hell. λακάνη (mit regressiver Assimilation, -ίσκη H.) f. ‘Mulde, Schüssel’ (Ar., Inschr., Pap.) mit λεκάν-ιον (Ar. u. a.), -ίδιον (Poll. ,Eust.), -ίς f. (Ar., Plu., Luk.), -ίσκη f. (Kom.). —Daneben λέκος n. ‘ds.’ (Hippon. u. a.) mit λεκάριον (hell. u. sp.), λεκίς f. (Epich. u. a.), -ίσκος m. (Hp.) ‘ds.’; -ίσκιον als Maßbenennung (Hp.). — Zu λεκάνη vgl. πατάνη, οὐράνη u. andere Gerätenamen auf -άνη, -ανον bei Chantraine Form. 197ff., Schwyzer 489f.; daneben λέκος wie ἄγγος; λέκος : λεκάνη wie στέφος : στεφάνη, ἕρκος : ἑρκάνη (spät; s. zu ἕρκος). — Auswärtige Beziehungen sind unsicher; gewöhnlich werden λέκος, λεκάνη mitsamt lat. lanx ‘Schüssel, Schale’ als *Vertiefung, Einbiegung’ zu einer großen Gruppe Wörter für ‘biegen’ (idg. (e)leq-) gestellt, wozu u.a. auch λοξός und λέχριος (s. dd.) gehören sollen; s. WP. 1, 157f., Pok. 308, W.-Hofmann s. lanx. Für mittelmeerländischen Ursprung Ernout-Meillet s. lanx. — Aus λεκάνη arab. leken, osm. lejen > ngr. τὸ λεγένι ‘Becken, Schale’, aruss. legin ‘Art Gefäß’; Maidhof Glotta 10,13, Vasmer Wb. s. v. (vgl. auch zu lochánь). II-103
λέκιθος m. ‘Brei aus Hülsenfrüchten oder aus Getreide’ (Hp., Gal., Kom.), f. ‘Eidotter’ (Hp., Arist. u. a.) mit λεκίθιον n. (PHolm. 19, 41), λεκιθ-ώδης ‘eidotterfarben’ (Hp., Thphr. u. a.), -ίτης ἄρτος ‘aus Hülsenfrüchten gebackenes Brot’ (Ath.; Redard 90). — Wegen des Suffixes (Schwyzer 510, Chantraine Form. 368) fremder Herkunft verdächtig; Ch. erinnerten den ON Λεκίθη. Für Anschluß an λέκος, λεκάνη Grošelj Živa Ant. 2, 212 u. 4, 172. II-103
λέκτρον ‘Lager’ s. λέχος. II-103
Λέλεγες, -ων m. pl. alter Volksstamm an den Küsten Griechenlands und Kleinasiens wie auf den Inseln (seit Il.). — Reduplizierte Bildung wie Βάρβαροι; wegen der fremden Sprache vielleicht als "die Plapperer, Plauderer" benannt, zu λαλα-γέω, λαλέω (vgl. Schwyzer 59 A. 2). Unter Verweis auf den bei späten Grammatikern (Arkad., Theognost. u. a.) überlieferten Sing. Λέξ will Brandenstein P. -W. Suppl. 6, 169 f. u. a. in Λέ-λεγ-ες ein protohattisches Pluralpräfix λε- finden; zustimmend Kretschmer Glotta 28, 249 und 32, 162ff. (wo ausführliche Behandlung) mit weiteren ganz hypothetischen Kombinationen nach Trubetzkoy Mél. van Ginneken 171 ff. —Theander Eranos 15, 151 ff. sucht Anschluß an ἔλεγος, ἐλελεῦ usw. II-103
λελιημένος (Il., Emp., A. R. u.a.), späte finite Formen λελίη-το (A. R.), -σαι (Theok., Orph.) ‘begehrend, sich sehnend’. — Isolierte Perfektbildung (vgl. Wackernagel Syntax 1, 169 und Schwyzer 770), seit alters zu λιλαίομαι gezogen, wobei λε-λιη-μένος als Analogiebildung nach τε-τιη-μένος verständlich wäre (Pedersen Litteris [Lund 1928] 5, 115 A. 1); andere Analyse bei Meillet BSL 27, 230f. (s. W.-Hofmann s. lascīvus). — Nach Bechtel Lex. s. v. dagegen zu λῆν ‘wollen’, wozu nach WP. 2, 393 mit Solmsen KZ 44, 171 auch λιλαίομαι. II-103-104
λέμβος m. (zum Genus vgl. Schwyzer-Debrunner 34 A. 2) ‘kleines schnellsegelndes Fahrzeug, Schaluppe’ (D., Anaxandr., hell.); λεμβῶδες πλοῖον (Arist.). — Fremdwort (vgl. Chantraine Étrennes Benveniste 3), viell. illyrischen Ursprungs (s. Lit. bei W.-Hofmann s. lembus). Ebenso Krahe Gymnasium 59, 79, u. zw. aus idg. *lengʷho-s (zu ἐλαφρός usw.). — Veraltete idg. Etymologien werden bei Bq und WP. 2, 435 abgelehnt. Lat. LW lembus. II-104
λέμφος m. (n.) ‘κόρυζα, μύξα, Rotz, Nasenschleim’ (Lib., Moer., H., Tz.); pl. auch ‘verwesende Leichname’ (Phot., Eust.), meton. ‘einfältiger Mensch’ (Men.); λεμφώδης ‘rotzig’ (Sch.). — Nicht sicher erklärt; nach Prellwitz zu mhd. slam m., nhd. Schlamm, das für urg. *slamba- (= idg. *slombho-) stehen kann. II-104
λέξις f. ‘Rede’ s. λέγω. II-104
λεόπαρδος (Gal., Edict. Diocl., Kirchenschriftsteller u. a.), auch λεοπάρδαλις (s. Wessely Glotta, 6, 29 f.) m. ‘Leopard’. — Mischungskomp. aus λέων und πάρδος (vgl. Risch IF 59, 56f., Strömberg Wortstudien 12), welch letzteres indessen nur Ael. NA 1, 31 (v. l. πάρδαλος) belegt ist; dafür seit Il. πάρδαλις. Somit wohl von lat. pardus, leopardus formal beeinflußt; vgl. s. πάρδαλις. Vereinzelt ist λεο- als Vorderglied für λεοντο-, s. Schwyzer 439; doch auch λεο-δράκων ‘Löwenschlange’ als N. eines mythischen Wesens (Kreta IVa). II-104
λέπαδνον, meist pl. -να; auch λέπαμνα (Apollon. Lex.; δν > μν, Schwyzer 208); λεπαδν-ιστήρ m. ‘Ende des λ.’ (Poll,; wie βραχιον-ιστήρ, κορυφ-ιστήρ u. a.). n. ‘breite Riemen oder Gurte, womit das Joch unter dem Halse der Zugtiere befestigt wurde’ (Il., A., Ar., AP, Pap.); — Bildung wie ὀπιδ-νός, παιδ-νός, γοε-δνός, μακεδν-ός u. a. (Schwyzer 489, Chantraine Form. 194); sonst unerklärt. Morphologisch empflehlt sich die Zerlegung λέπαδ-νο-ν; sonnt von λεπάς, -άδος ‘Napfschnecke’, weil sich die λέπαδνα wie Schnecken an den Hals eng anschmiegen (vgl. Ar. V. 105 [von Φιλοκλέων]: ὥσπερ λεπὰς προσεχόμενος τῷ κίονι)?? Eine Übertragung von der Meerfauna auf das hippologische Gebiet wäre indessen sehr seltsam. II-104-105
λέπας n. (nur Nom.-Akk. sg.) ‘kahler Fels, Berg’ (Simon., A., E., Th.). Davon: λεπαῖος ‘felsig’ (E.); λεπάς, -άδος f. ‘Napfschnecke, -muschel’ (Alk. Z 36, 2 [nicht sicher], Epich., Kom., Arist.), weil sich das Tier mit dem Fuß an dem Fels festhält (vgl. H. λεπάδες· τὰ πρὸς ταῖς πέτραις κεκολλημένα κογχύλια); nach WP. 2, 429 und W.-Hofmann s. lepidus dagegen von λέπος, λεπίς ‘Schale, Schuppe’. — Von λεπάς: λεπαστή (-άστη) f. ‘napfschneckenförmiges Trinkgefäß’ (Kom.) mit λεπαστίς, -ίδος ‘ds.’ (Vaseninschr., H.); zur Bildung Schwyzer 503; lat. LW lepista, -esta; λέπαστρον· σκεῦός τι ἁλιευτικόν H. (vgl. δέπαστρον u.a.; Chantraine Form. 333 f.); λεπαδεύομαι ’λ. einsammeln’ (H., Phot.). — Die große Ähnlichkeit zwischen λέπας und lat. lapis, -idis m. (f.) ‘Stein’ zeugt von gemeinsamem Ursprung (dagegen Ernout-Meillet s. v.); der lat. a-Vokal wird als Ablaut (s. W.-Hofmann s. v.), auch als Entgleisung (nach capis ‘Henkelschale’; Petersen Lang. 14, 49[?]) erklärt. WP. 2, 431 erwägt (zögernd) Entlehnung aus einer Mittelmeersprache; ebenso Hubschmid 3me Congrès int. de toponymie et d’anthroponymie II 189 (zu iberorom. lapa ‘Steinplatte, Höhle’ mit weiteren sehr hypothetischen Kombinationen). Abzulehen Alessio Onomastica 2, 189; s. Belardi Doxa 3, 212. — Die alte Verbindung mit λέπω ‘abschälen’ (λέπας ‘kahler Fels’) kommt (trotz Bq) immer in Betracht. II-105
λέπω, Aor. λέψαι, Fut. λέψω (alles seit Il.), Perf. Med. ἀπο-λέλεμμαι (Epich.), Aor. Pass. ἀπελέπη· ἀπελεπίσθη H.; auch mit Ablaut λέλαμμαι (att. Inschr. um 330a), ἐκ-λαπῆναι (Ar. Fr. 164), ‘schälen, abschälen’. vereinzelt mit ἀπο-, ἐκ- (s. oben), περι-, ἐπι-, Sehr zahlreiche Ableitungen. A. Mit ε-Stufe (vom Präsens): 1. λεπτός (vgl. στρεπ-τός u.a. bei Ammann Μνήμης χάριν 1,17) ‘geschält’ = ‘enthülst’ (Υ 497), ‘dünn, mager, schwach, zart, fein, feinsinnig’ (seit Il., myk. re-po-to), oft als Vorderglied. Davon die poet. Erweiterungen λεπτ-αλέος ‘schwach, fein’ (ep. poet. seit Il.; Chantraine Form. 255), λεπτ-ακινός’ds.’ (AP; von *λέπταξ ?, Bechtel Lex. s. φυζακινός); außerdem λεπτίον ‘Krug’ (Pap.) von λεπτόν (sc. κεράμιον) ‘dünne Tonware’ (Pap.), λεπτάγιον Gefäßbezeichnung? (PHib. 1, 47, 13; IIIa; nach den Hgbb. viell. = λεπτόγειον ‘barren land’), λεπτάριον Ben. eines mediz. Instruments (Herm. 38, 282); λεπτίτιδες κριθαί Art Gerste (Gp.; Redard Les noms grecs en -της 113); λεπτότης f. ‘Dünnheit, Magerkeit usw.’ (ion. att.), λεπτοσύνη ‘ds.’ (AP); λεπτύνω, -ομαι ‘dünn usw. machen bzw. werden’ (Hp., X., Arist. usw.) mit λεπτυσμός, λέπτυνσις (Hp. u. a.), -υντικός (Dsk., Gal. u. a.). — 2. λεπρός ‘schuppig, aussätzig, uneben, rauh’ (Hp., Hippon., hell.), f. λεπράς (Theok., Opp.); λέπρα, ion. -ρη ‘Aussatz, Lepra’ (ion., Arist., hell.), beide wohl zunächst von einem ρ-Stamm (vgl. Schwyzer 481). Davon λεπρώδης ‘voll Unebenheiten, lepraartig’ (Ael., Dsk., Mediz.), λεπρικός ‘den Aussatz betreffend’ (Dsk., Pap.); denominative Verba λεπράω ‘schuppig, aussätzig werden’ (ion. usw.), auch λεπρ-ιάω (Dsk. u.a.; nach den Krankheitsverba auf -ιάω); λεπρόομαι ‘aussätzig werden’ (LXX, Pap.) mit λέπρωσις = λέπρα (Tz.), λεπρύνομαι ‘schup- pig, uneben werden’ (Nik.). — 3. λέπος n. (Alex., Nik., Luk. u. a.) mit λέπιον (Hp.), gewöhnlicher λεπίς, -ίδος f. (ion. hell.) ‘Schuppe, Schale, Hülse, Metallplatte’ mit den Demin. λεπίδιον (Hero), auch als Pflanzenname ‘Pfefferwurz’ (Dsk., Gal., Ath.; als Heilmittel gegen Aussatz), λεπιδίσκη ‘ds.’ (Imbros IIa); ferner λεπιδ-ωτός ‘schuppig’ (Hdt., Arist. u. a.), wozu λεπιδόομαι ‘schuppig werden’ (Hp. u. a.); andere Denommativa : λεπίζω ( : λέπος oder λεπίς) ‘die Schuppe usw. entfernen, abschälen’ (hell. u. sp.) mit λέπισμα ‘Schale’ (LXX, Dsk., Gal.); ἐλέπουν· οἷον ἐλέπιζον .. H. (:λεπόω, -έω); zu bemerken noch λέπασμα ‘Hülle, Häutchen’ (Sch. Nik. Th. 184); eher Erweiterung von λέπος als von *λεπάζω. — 4. Zu λεπάς, λέπας s. bes. — 5. λέπῡρον ‘Schale, Hülse’ (LXX, Batr. u. a.) mit λεπυρώδης ‘schalenähnlich’ (Thphr.); λεπύρ-ιον ‘ds.’ (Hp., Arist., Theok.), -ιώδης ‘schalenähnlich, aus Schalen bestehend’ (Arist., Thphr.), λεπυρίζομαι ‘von einer Schale umschlossen sein’ (Sch.), λεπυριῶσαι· ἐξαχυριῶσαι H.; daneben λεπῠρός ‘in einer Schale befindlich’ (Nik.); zum υ-Stamm neben λέπρ-α, λέπος vgl. z. B. zu αἶσχος. Für sich steht λεπύχανον ‘Zwiebeldecke, Fruchtschale’ (Theopomp. Kom., Plu., Dsk. u. a.), wohl volkstümliche Kreuzung mit λάχανον, s. Strömberg Wortstudien 52. — B. Mit ο-Abtönung. 6. λοπός m. ‘Schale, Rinde, Schuppe’ (τ 233, Hp.) mit λόπιμος ‘leicht abzuschälen’, auf λέπω bezogen (Nik., Gal. u. a.), λόπιμα· κάστανα ... H.; Arbenz Adj. auf -ιμος 101; davon die Demin. λοπάς f. ‘Schale, Schüssel’, auch N. eines Schaltiers und einer Pflanzenkrankheit (Kom., Thphr., Luk. u.a.), mit λοπάδ-ιον (Kom., Pap.), -ίσκος (Sch.); λοπίς ‘Schuppe, Schüssel usw.’ (Ar., Inschr. u. a.) mit λοπίδιον (Delos); Denominativa λοπάω ‘sich abschuppen, abrinden’ (Thphr.) mit λοπητός m. ‘Ab- rindungszeit’ (Thphr.), λοπίζω ‘abrinden’ (Thphr., Pap.). —7. Zu ἔλλοψ s. bes. — C. Mit Dehnstufe. 8. λώπη ‘Hülle, Mantel, Gewand’ (Od., Theok., A. R.), λῶπος m. ‘ds.’ (Alk. [?], Hippon., Anakr., Herod.u.a.); als Vorderglied in der Zusammenbildung λωπο-δύ-της m. "wer in (fremde) Kleider fährt", ‘Kleiderdieb’ mit λωποδυτ-έω usw. (att.); suffixlose Form λώψ·χλαμύς H.; vgl. Schwyzer 515, Chantraine Form. 424. Demin. λώπιον (Arist., Inschr.); Denominativum ἀπο-, περι-λωπίζω ‘entkleiden, ausziehen’ (S., Hyp.). — Das primäre thematische Präsens λέπω, von dem alle übrigen Verbalformen ausgehen (λέλαμμαι, -λαπῆναι Neubildungen nach ἔστραμμαι, στραφῆναι u. dgl.), hat kein unmittelbares außergriechisches Seitenstück. Dagegen gibt es einige nominale Bildungen, die zu den griechischen formal stimmen: lit. lãpas ‘Blatt’, alb. lapë ‘Lappen, Blatt, Bauchfell’ (: λοπός), lit. lõpas ‘Flick, Lappen’ (: λῶπος; auch ags. lōf m. ‘Stirnband, Kopfbinde’??, Holthausen IF 32, 340), wozu russ. lápotь ‘Bastschuh’ (lapotók ‘Fetzen, Lappen’); ganz fraglich ags. leber, læfer f. ‘Binse, Ried, Metallplatte’ (: λέπρα?; Holthausen IF 48, 255). Zu λέπος vgl. noch den lat. s-Stamm lepōs ‘Feinheit, Anmut’ und die slav. Weiterbildung in russ. lépest ‘Lappen, Stück, Blumenblatt’. Bei der Produktivität der betreffenden Bildungen und den wechselnden Bedeutungen kann es sich selbstredend um parallele Schöpfungen handeln. — Weitere, z. T. sehr fragliche und umstrittene Formen bei WP. 2, 429f., Pok. 678, W.-Hofmann s. lepidus, Fraenkel Lit. et. Wb. s. lãpas, lõpas, auch lèpti ‘verzärtelt werden’, Vasmer Russ. et. Wb. s. lépest, lápotь, lópotõk; daselbst auch reiche Lit. II-105-107
λέσχη, dor. -ᾱ f. ‘Raum od. Gebäude zu müßigem Aufenthalt’ (σ 329, Hes. Op. 493, 501), ‘Ruhestätte, Grab’ (Rhodos), ‘öffentliche Halle, Gemeindehalle zur geselligen Unterhaltung’ (dor. att.), ‘Unterhaltung, Gespräch, Plauderei’ (ion. poet.); zu.r Bed. usw. H. Bolkestein MAWNied. 84B : 3 (1937) 18ff. Als Hinterglied in ἔλ-λεσχος ‘dem Gerede ausgesetzt’ (Hdt. 1, 153; Hypostase aus ἐν λέσχῃ), πρό-λεσχος ‘sprechbegierig, redselig’ (A. Supp. 200; wie πρό-χειρος u.a.; s. Strömberg Prefix Studies 134), ἀδο-λέσχης (mit Übergang in die σ- Stämme) ‘Schwätzer, Plauderer’ (s. bes.) u. a. Ableitungen : 1. λεσχήν, -ῆνος m. ‘Schwätzer, Plauderer’ (Timo 46) mit λεσχην-εύομαι (auch περι-, συν-, προ-) ‘sich unterhalten’ (ion.), -εύω ‘beschwatzen’ (App.), -ευτής ‘Schwätzer’ (Ath.), -εία ‘Geplauder’ ([Pl.] Ax. 369 d); auch λεσχην-εῖ· ὁμιλεῖ, μυθολογεῖ H., -ίτης ‘Schwätzer’ (Suid.; Redard 31), -ώτης ‘Schüler’ (Thales u. Anaximen. ap. D. L.) — 2. λεσχώδης ‘klatschhaft’ (Vett. Val.), λεσχαῖος· ἐξηγητής, ὁμιλητής H., λεσχάραι· οἷον αἱ σχολαί ... (EM561, 17), λεσχ-άζω (Thgn.), -αίνω (Kall.) ‘schwatzen’; zur ganzen Sippe Solmsen Wortforsch. 124 f. —3. Zwei Monatsnamen unklarer Bildung : Λεσχανάσιος (Tegea), Λεσχανόριος (Thessal., Gortyn), letzterer von einem gleichnamigen Feste, der dem ’Απόλλων Λεσχηνόριος galt (Kleanth., Plu. u. a.), nach den Alten von den λέσχαι, die unter seinem Schutze standen. — Aus *λέχσκᾱ, u. zw. eher zu einem σκ-Prasens *λέχ-σκ-εται. (> *λέσχεται) als mit κ-Suffix von einem schwundstufigen λεχσ- (zu λέχος); vgl. zu δίσκος. Dieselbe Bildung wird vermutet in ahd. lëscan ’löschen’ und kelt., z. B. altir. lesc ‘piger’ —Bq und Bechtel Lex. s.v., Dial. 2, 654, Schwyzer 541; weitere Lit. s. λέχεται. II-107-108
λευγαλέος ‘elend, unglücklich, kläglich, unheilvoll usw.’ (ep. seit Il.). Daneben λυγρός ‘ds.’ (ep. poet. seit Il.). — Zu λευγ-αλέος : λυγ-ρός bilden ἐρευθ-αλέος (spät) : ἐρυθ-ρός ein genaues Gegenstück; das dem isolierten und altertümlichen λευγαλέος zugrundeliegende Nomen läßt sich nicht mit Bestimmtheit rekonstruieren (*λεῦγος wie ἔρευθος?; vgl. ἀργ-αλέος : ἄλγος, θαρσ-αλέος : θάρσος u. a. m., Schwyzer 484 m. Lit.; oder alter l-Stamm?); das ebenfalls isolierte λυγρός scheint einen damit alternierenden r-Stamm zu enthalten (wenn nicht direkt von einem primären Verb, s. unten). —Die griech. Adj. haben in den übrigen Sprachen keine direkte Entsprechung aber mehrere Verwandte, von denen lat. lūgeō ‘trauern’ semantisch am nächsten kommt; es läßt sich als eine iterativ-intensive Sekundärbildung oder allenfalls als ein Denominativum ( : *lūgus < idg. *lougo-s m. neben *λεῦγος < idg. *leugos- n.; auch in lūgubris enthalten?) verstehen.—Hinter den seelischen Vorstellungen der Trauer und des Unglücks in lūgeō, λευγαλέος, λυγρός liegen gewiß Ausdrücke der äußeren Kundgebungen der betreffenden Gemutszustände (vgl. Ernout-Meillet s. lūgeō); man erhält somit Anschluß an einige primäre Verba für ‘brechen u. ä.’ : aind. rujáti ‘zerbrechen, peinigen’, lit. lū́ž-ti ‘entzweigehen, brechen’ (intr.; širdìs lúžta ‘das Herz bricht’), ahd. liohhan ‘raufen, ziehen’ (aber arm. lucanem ‘loslösen’ eher mit Meillet BSL 26. 4 zu λύω, s. d.). — Weitere Formen (für das Griech. ohne Belang) mit reicher Lit. bei WP. 2, 412f., Pok. 686, W.-Hofmann s. lūgeō, Fraenkel Wb. s. láužti. — Zu ἀλυκτοπέδη s. bes. II-108
λευκανίη ‘Kehle’ s. λαυκανίη. II-108
λευκός ‘hell, klar, weiß’ (seit Il.); sehr zahlreiche Kompp., u. a. mit Präfix, z. B. διά-, παρά-, ἐπί-, ὑπό-λευκος (Strömberg Prefix Studies 161). Ableitungen: 1. Substantivierungen mit oppositivem Akzent (Schwyzer 380 u. 420) : λεύκη f. ‘der weiße Ausschlag’ (ion. att.), ‘Weißpappel’ (att., hell.) mit λεύκινος ‘aus Weißpappel’ (Arist., hell. Inschr. ),Λευκαῖος Bein. d. Zeus (Paus.), λευκαία (-έα) ‘Weißpappel usw.’ (Pap. u. a.); λεῦκος m. N. eines unbek. Fisches (Theok.) mit λευκίσκος m. ‘weißer Mullus’ (Hikes. ap. Ath., Gal.), s. Strömberg Fischnamen 22 f., Thompson Fishes s. vv. 2. f. λευκάς ‘weiß’ (Nik.), als Subst. Felsen- und Inselname (ω 11 usw.), auch Pflanzenname ‘Lamium’ (Dsk.). 3. Weitere Subst.: λευκότης f. ‘das Weiß, die weiße Farbe’ (ion. att.), λευκίτας m. Ben. eines Schafbocks (Theok. 5, 147; Redard Les noms grecs en -της 113), λεύκηθρον Pflanzenname (Dsk. 3, 96; v. l. λάκηθρον; Strömberg Pfl.-namen 147); Λεύκαρος (< -αλος?), -αρίων EN (Epich., Inschr.; Schulze Kl. Schr. 115 A. 3, v. Wilamowitz Glaube 1,65A.1; Leumann Glotta 32, 223 A. 2; auch Δευκαλίων mit anderer Dissimilation?, s. Schulze a.a.O.); nach Krahe IF 58, 132 illyr. (neben ON Λευκάριστος), s. auch Mayer Glotta 32, 82. — 4. Verba: a. λευκαίνω ‘weiß machen, ~ färben’ (seit μ 172; vgl. Treu Von Homer zur Lyrik 219) mit λεύκανσις (Arist. u.a.), λευκασία (PHolm., Kyran.; zur Bildung Schwyzer 469) ‘das Bleichen, Weißmachen usw.’; auch als Flußn. in Messenien neben Λευκάσιον ark. ON (Krahe Beitr. z. Namenforsch. 2, 237; 5, 106 u. 217); λευκαντής, -τικός ‘Weißfärber’ bzw. ‘weißfärbend’ (Gloss., Sch.). b. λευκόομαι, -όω ‘weiß werden, ~ machen’ (Pi., att. usw.) mit λεύκωμα ‘weiß angestrichene Tafel’ (att. usw.), ‘das Weiß, weißer Fleck im Auge’ (Arist., Pap.) mit -ωματικός, -ωματώδης, -ωματίζομαι (Mediz., Sch.); λεύκωσις = λευκασία (PHolm. 3, 6 [vgl. Lagercrantz z. St.] u. a.), -ωτής (-ωτός?; att. Inschr., Bed. unbekannt). c. λευκαθέω nur Ptz. Gen. pl. λευκαθεόντων ‘weißglänzend’ (Hes. Sc. 146), metr. Umbildung am Versende für λευκαθόντων von λευκάθω (Wackernagel Glotta 14, 44 ff. = Kl. Schr. 2, 852 ff.), dazu Λευκαθέα, mit sekundärem o-Vokal Λευκοθέα (Od., Pi.) N. einer Göttin, mit τὰ Λευκάθεα Fest auf Teos, -θεών Monatsname (ion.); erweiterte Form λευκαθίζω ‘weiß glänzen’ (Hdt., LXX), auch -ανθίζω (nach ἄνθος; Kaiserzeit), s. Wackernagel a.a.O. — Zu λεύσσω ‘sehen’ s. bes. — Als ursprüngliches Verbalnomen mit aind. rocá- ‘leuchtend’ identisch, zu rócatē ‘leuchten’ (wäre gr. *λεύκεται). Ein altes damit abtönendes Verbalnomen ist lat. lūcus ‘Hain, Wald’, eig. ‘Lichtung’ (mit Jūnō Lūcīna; s. zuletzt Leumann Sprache 6, 156ff.), lit. laũkas ‘Feld’, germ., z. B. ahd. lōh ‘bewachsene Lichtung’, aind. loká- m. ‘freier Raum, Welt’, idg. *louqo-s m. Zu dieser großen Wortsippe gehören aus dem Griechischen u. a. noch λεύσσω, λύχνος, λοῦσσον, s. dd. Ww. II-108-109
λευρός ‘offen (vom Gelände), ausgebreitet, eben, glatt’ (ep. poet. seit η 123). — Unerklärt. Allerhand Hypothesen bei Bq, W.-Hofmann s. lūra, WP. 2, 408, Fraenkel Nom. ag. 1, 90 und Gnomon 22, 237 (zu λεῖος; ebenso Benveniste Origines 112). II-109-110
λεύσσω (auch λεύσω), nur Präsensstamm bis auf vereinzelte und späte Aoristformen (λεύσσατε, λεύσσειε(ν)); ‘(klar) sehen, schauen, betrachten’ (ep. poet. seit Il., auch ark.; vgl. Ruijgh L’élém. achéen 132, dazu Risch Gnomon 30, 92), zur Schreibung Debrunner IF 21, 254, Kretschmer Glotta 22, 223f., zur Bedeutung und Konstruktion Treu Von Homer zur Lyrik 64. vereinzelt mit ἐπι-, εἰσ-, προσ-, προ-, — Neben dem hochstuflgen Jotpräsens λεύσ(σ)ω aus *λευκ-ι̯ω steht im Aind. ein hochstufiges thematisches Wurzelpräsens lokate (locate, mit locanam ‘Auge’) ‘erblicken, gewahr werden’, das sich nur bezüglich der Lautentwicklung von rócate ‘leuchten’ (s. λευκός) unterscheidet. Ein athematisches Präsens ist in heth. luk-zi ‘hell werden, tagen’ (Stammvokal mehrdeutig) erhalten; hinzu kommt das iterativintensive bzw. kausative lat. lūceō ‘leuchten (lassen)’ = aind. rocáyati ‘leuchten lassen’ (idg. *louqéiō, -eti); noch anders toch. A. lk-ā-m ‘ich sehe’ (Schwundstufe mit toch. ā-Erweiterung), B lkā-sk-au ‘ds.’ (sk-Präsens; vgl. lat. lūcēscit) neben primärem hochstufigem lyuketrä ‘er leuchtet’. Die Bedeutung ‘(klar) sehen’ ist aus ‘leuchten’ erwachsen; s. Bechtel Lex. s. αὐγάζομαι, Lommel KZ 50, 262 ff., Fraenkel Wb. s. láukti, Frisk GHÅ 56 : 3, 11 f. — Vgl. λευκός, λύχνος, λοῦσσον. II-110
λεύω, Aor. λεῦσαι, Pass. λευσθῆναι, Fut. λεύσω, ‘steinigen’ (ion. att.). auch mit κατα-, Davon λευστήρ m. ‘Steiniger, steini- gend’ (Orac. ap. Hdt. 5, 67, Trag.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 212, Benveniste Noms d’agent 40), λευσμός m. ‘Steinigung’ (A., E.), (κατα-)λεύσιμος ‘mit Steinigung verbunden, die Steinigung betreffend’ (nach θανάσιμος; Arbenz Adj. auf -ιμος 79), λευστά· ... λιθοβόλητα H. — Allgemein als Denominativum von λᾶας ‘Stein’ (< *ληυσ-ι̯ω) betrachtet; anders Pedersen Cinq. décl. lat. 45 f. (mit Jessen): zu awno. ljósta, Prät. laust ‘schlagen’, idg. *leus-t-ō. II-110
λέχεται Perf. Ptz. λελο[γ]χυῖα· λεχὼ γενομένη H. (auch Antim. in PMilan. 17 II 10), καλέχες· κατάκεισο. Πάφιοι H. (Schwyzer-Debrunner 473 A. 5), dazu ep. Aorist- und Futurformen: λέκτο, λέξο, -λέχθαι, -λέγμενος (< *λεχσ-το, -σο, -σθαι, -μενος? Schwyzer 751; nach Chantraine Gramm. hom. 1, 296 eher athem. Präsens), λέξασθαι, λέξομαι, auch mit παρα-, κατα-, προσ-, ‘liegen, sich legen’; Akt. Aor. λέξον, ἔλεξα (Il.) ‘hinlegen, einschläfern’. · κοιμᾶται H.; Ableitungen. 1. λέχος n. ‘Lager, Bett’, bes. ‘Ehebett’, auch ‘Totenbett’ (ep. poet. seit Il.; nach ἕδος? Porzig Satzinhalte 263); als Vorderglied in λεχε-ποίης ‘das Gras zum Bett habend, in Gras eingebettet’ (IL u. a.; Bechtel Lex. s. v.; zum Hinterglied Fraenkel Nom. ag. 2, 141), als Hinterglied z. B. ὀρει-λεχής ‘sein Lager in den Borgen habend’ (Emp.). Davon λεχαῖος ‘zum Lager gehörig’ (A. Th. 292 [Konj.], A. R.), λεχήρης ‘bettlägerig’ (E. in lyr.), λεχώ f. ‘Kindbetterin’ (E., Ar., Kyrene u. a.), auch λεκχώ (Delphi; expressive Gemination, Schwyzer 478 A. 3 und Fraenkel Glotta 32, 18m. Lit.), mit λεχώϊος ‘zur Kindbetterin gehörig’, λεχωϊς = λεχώ (-ίς erweiternd, Schwyzer 465; A. R., Kall. u. a.). — 2. λόχος m. ‘das Lagern, Kindbett’, gew. ‘Hinterhalt, (die im Hinterhalt liegende) Schar’, milit. ‘Abteilung Fußvolk, Rotte’ (seit Il.), oft als Hinterglied, z. B. ἄ-λοχος f. ‘Lagergenossin, Gattin’ (ep. poet. seit Il.; Clark ClassPhil. 35, 188ff.), als Vorderglied z. B. in λοχ-ᾱγός ‘Anführer eines λόχος’ (dor.; S., Th., X. u.a.; Chantraine Études 90). Davon mehrere Ableitungen: λόχιος ‘zur Geburt gehörig’ (E., Ar. u. a.), ἡ Λοχία Bein. der Artemis (E., Inschr.), τὰ λόχια ‘Nachgeburt’ (Hp., Arist.); λοχεῖος (E. in lyr., Plu. u. a.), λοχαῖος (Arat., AP u. a.) ‘ds.’; λοχίτης m. ‘zu einem und denselben λ. gehörig, Kriegskamerad’ (A., S., X. u.a.; Redard 42); λοχώ (-ώς, -ός) = λεχώ (LXX, Dsk. u. a.). Umbildung λοχεός ‘Hinterhalt’ (Hes. Th. 178; nach φωλεός u. a.); λοχή = λόχμη (sp. Epigr.). Denominative Verba: a. λοχάω, -ομαι ‘im Hinterhalt liegen’ (ep. ion., hell.; nach κοιμάω, -ομαι Risch ̨ 112b; s. auch Leumann Hom. Wörter 185 ff. [dazu Risch Gnomon 23, 370]; kaum iterativintensiv zu λέχεται mit Schwyzer 718); dazu λόχησις, -ητικός (spät). b. λοχεύω, -ομαι ‘gebären, entbinden’, Pass. ‘entbunden, geboren werden’ (h. Merc., Trag. usw.) mit λόχευμα ‘die Geburt, das Geborene’ (A., E. u. a.), λοχεία ‘das Gebären, die Geburt’ (Pl., E. u. a.), λοχεύτρια f. ‘Kindbetterin’ (Sch. u. a.). c. λοχίζω ‘in einen Hinterhalt legen, in Rotten einteilen’ (Hdt., Th. u. a.) mit λοχισμός ‘das Legen von Hinterhalten’ (Plu.). — 3. λέκτρον, oft pl. -α ‘Lager, (Ehe)bett’ (ep. poet. seit Il.); Kompp. z. B. κοινό-λεκτρος ‘gemeinsames Lager habend, ehelich, Bettgenosse, -in’ (A.); λεκτρίτῃ θρόνῳ· ἀνάκλισιν ἔχοντι H.; vgl. Redard 113. — 4. λόχμη f. ‘Wildlager, Dickicht, Gebüsch’ (ep. poet. seit τ 439, Arist. usw.; nach κώμη?, Porzig Satzinhalte 289; vgl. noch *κοίμη in κοιμάω) mit λοχμαῖος ‘im Gebüsch hausend’ (Ar. in lyr.), -ιος ‘ds.’ (A P), -ώδης ‘mit Gebüsch bewachsen usw.’ (Th., Thphr. u. a.), λοχμάζω ‘ein Dickicht bilden’ (Pisand. Ep.). — Zu der ganzen Wortgruppe, die im Ionisch -Attischen eine sehr beschränkte und spezialisierte Verwendung gefunden hat (dafür κεῖμαι, (κατα)-κλίνομαι), s. auch Ruijgh L’élém. ach. 153f. — Zu dem primären thematischen Präsens λέχεται stimmt genau got. ligan ‘liegen’, das indessen wie sitan ‘sitzen’ als Neubildung für das sonst im Germ. herrschende und auch im Slavischen (aksl. ležǫ) vorkommende Jotpräsens verdächtig ist (Brugmann Grundr.2 II : 3, 190 u. 192); nach Specht KZ 62, 45 f. war das Verb ursprünglich auf den Aorist beschränkt. Ein primäres Präsens, urspr. wahrscheinlich ebenfalls Jotpräsens, ist auch im Keltischen, mir. laigid ‘legt sich’ (mit a aus e wie in saidid ‘sitzt’; Thurneysen KZ 59, 9 f.) zu belegen. Auch das Italische hat einst dies Verb gekannt, wie aus falisk. lecet ‘iacet’ (Bildung?) hervorgeht, s. Porzig Indogermanica 176 m. Lit. — Auch zu den griech. Verbalnomina bieten die übrigen Sprachen viele direkt vergleichbare Formen: awno. lag n. ‘Lage, Stellung’, pl. lǫg ‘Gesetz’, russ. lóg ‘Tal, Schlucht, Brachfeld’, skr. lŏg ‘Liegen’, poln. od-ɫog ‘Brachfeld’ (> lit. at-lagaĩ ‘ds.’; vgl. Porzig Satzinhalte 311f. mit unsicherer Vermutung über die Bed.-entwicklung), alb. lagje ‘Schar, Partei, Gruppe’, alles aus idg. *logho- (formal = λόχος); aksl. lože ’κλίνη, κοίτη’, bulg. lóže ‘Bett, Gebärmutter, Nachgeburt’ = λόχιον, τὰ λόχια (vgl. oben); ahd. lehtar ‘Gebärmutter, Nachgeburt’ = λέκτρον; in slav., z. B. aksl. ložes-no, pl. -na ’μήτρα, uterus’ steckt wahrscheinlich der s-Stamm in λέχος (o aus lože). Zu ἄ-λοχος vgl. serb.-ksl. su-logъ ’σύγ-κοιτος, Gemahlin’ (russ.-ksl. su-ložь). Toch. B leke, A lake ‘Lager’ sind sowohl mit λέχος wie mit λόχος vergleichbar. Eine Erweiterung von λεχώ ist in messap.-venet. lahona (< *λεχώνα?) vermutet worden (Vetter Glotta 20, 68ff.). — Weitere Formen mit reicher Lit. bei WP. 2, 424f., Pok. 658f., W.-Hofmann s. lectus, Ernout-Meillet s. lectus (wichtige Einzelheiten), Vasmer Wb. s. ležátь, lóže, ljágu. II-110-112
λέχριος ‘schräg, quer, schief’ (S., E., X. usw.), Adv. λέχρις ‘ds.’ (Antim., A. R.; nach ἄχρις, μέχρις u. a., Schwyzer 620); auch λικριφίς ‘quer, seitwärts, mit einem Seitensprung’ (λ. ἀΐξας Ξ 463, τ 451), wohl trotz λεκροί, λικροί (s.u.) aus *λεχρι-φίς mit Hauchdissimilation und Vokalassimilation (Schwyzer 256 mit Brugmann IF 27, 265; nach 351 Vokalschwächung; für Vokalassimilation auch Petersen Lang. 14, 56); zur Oxytonierung Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 26f. (= Kl. Schr. 2, 1128f.); Einzelheiten bei Bechtel Lex. s.v. — Als nächste Grundlage von λέχριος dient ein ρ(ο) -Stamm *λεχρ(ο)- unbekannter Bedeutung; die Heranziehung von λεκροί und λικροί· οἱ ὄζοι τῶν ἐλαφείων κεράτων, wozu noch λί(γ)ξ πλάγιος H., und von λοξός ‘schräg’ erheischt ein urspr. *λεκ-σ-ρ- (vgl. Schwyzer 327); weiteres s. λοξός, wo auch Lit. Vgl. noch zu λεκάνη, λέκος. II-112
λέων, -οντος Kompp., z.B. λεοντό-πους ‘löwenfüßig’ (E., Inschr.) mit λεοντο-πόδιον Pflanzenname (Dsk.; vgl. Strömberg Pflanzennamen 42), χαμαι-λέων Eidechsenart ‘Chamäleon’ (Arist. usw.; Risch IF 59, 256), auch als Pflanzenn. (Thphr., Dsk. u.a.; wegen der wechselnden Farbe, Strömberg 110); zu -λέων, -λέωνος in PN (sekund.) Bechtel Hist. Personenn. 277. Vgl. noch zu λεό-παρδος. Ableitungen. 1. Deminutivbildungen : λεόντ-ιον (Theognost. Kan., Med.), -άριον (Inschr., Pap.), auch als f. PN (Epikur), -ίς ‘löwen-ähnliches Ornament’ (Lydien), -ιδεύς ‘junger Löwe’ (Ael., Boßhardt 126). 2. λεοντέη, -τῆ f. ‘Löwenhaut’ (ion. att.). — 3. Adj. λεόντ-ειος ‘vom Löwen, löwenähnlich’ (A., Theok., AP u.a.), myk. re-wo-te-jo; -ώδης ‘löwenartig’ (Pl., Arist. u. a.), -ικός ‘vom Löwen’ (Porph.), -ιανός ‘unter dem Zeichen des Löwen geboren’ (Cat. Cod. Astr.). 4. Adv. λεοντ-ηδόν ‘nach Löwenart’ (LXX; Schwyzer 626). — 5. λεοντ-ιάω mit -ίασις N. einer Krankheit (Mediz.; nach ἐλεφαντ-ιάω, -ίασις). — 6. PN Λεοντ-εύς, -ίας usw., s. Boßhardt 72, Bechtel Hist. Personennamen 276 f., Namenst. 36. — Fem. λέαινα ‘Löwin’ (Hdt., A., Ar. u. a.). Nach λέαινα zu schließen war λέων wie δράκων u. a. urspr. ein n-Stamm (anders Specht KZ 63, 221: sekundärer Dentalschwund in λέαινα). Dat. pl. auch λείουσι (Il.; metr. Dehnung, vgl. Schwyzer 571, Chantraine Gramm. hom. 1, 102), myk. Instr. re-wo-pi. m. ‘Löwe’ (seit Il.), — LW aus unbekannter Quelle; hebr. lābī’, assyr. labbu, ägypt. labu weichen lautlich stark ab. Aus λέων lat. leō, -ōnis (n-Stamm lat. Neuerung); daraus direkt oder indirekt die weiteren europ. Formen wie air. leon (Gen. pl.), ags. lēo, ahd. lewo (daher slav., z.B. russ. lev, mit lit. lė̃vas), sekund. louwo (> lett. laũva), Löwe. Einzelheiten bei W.-Hofrnann s. leō, Vasmer Wb. s. lev, Schrader-Nehring Reallex. 2, 18 f. m. weiterer Lit. — Für sich steht λῖς (λίς; zum Akz. Berger Münch. Stud. 3, 6 f.), Akk. λῖν m. ‘Löwe’ (ep. poet. seit Il.; Schwyzer 570f.), schon von Pott und Benfey mit den anklingenden hebr. lajiš ‘Löwe’ verglichen. II-113
λεωργός λέως (λείως) ‘vollständig, ganz und gar’ ‘frevelhaft, Frevler’, s. λεῖος. II-113
λήγω, Aor. λῆξαι, Fut. λήξω, ‘aufhören, zu Ende gehen, ablassen’ (seit Il.), vereinzelt trans. ‘aufhören lassen, stillen’ (ep.); zur Bed. Porzig Satzinhalte 48ff. auch mit Präfix, bes. κατα-, ἀπο-, Wenige Ableitungen: λῆξις (ἀπό-, κατά- ~ u. a.) ‘das Aufhören’ (A., A. R., Ph. u. a.), als gramm. Terminus ‘Endung usw.’ (Demetr. Eloc., A. D. u. a.); als Vorderglied in verbalen Rektionskompp. wie ληξι-πύρετος ‘das Fieber stillend’ (Mediz.); ἀπόληγ-μα ‘Rand eines Kleides’ (Aq.); ἄ-(λ)ληκτος ‘unauf- hörlich’ (ep. poet. u. sp.); ληκτικός ‘endigend’, κατα- ~ ‘(vorzeitig) aufhörend, unvollständig’, vom Vers (Gramm. u. Metr.). — Wegen ἄ-λληκτος, κατα-λλήξειαν (μ 224) u. a. m. ist ein urspr. *σλήγ-ω wahrscheinlich (Schwyzer 310, 414, Chantraine Gramm. hom. 1, 176); zu diesem thematischen Wz.-Präsens, von dem alle oben angeführten Formen ausgehen, gibt es nirgendwo eine direkte Entsprechung. Ein schwachstufiges Nasalpräsens wird dagegen in λαγγάζω ‘nachlassen’ und lat. langueō ‘schlaff sein’ vermutet. Hinzu kommen der primäre, ebenfalls schwachstufige Aorist λαγά-σαι mit dem Präsens λαγαίω ‘loslassen’ und mehrere Nomina, z.B. λαγαρός. Eine hochstufige ō-Abtönung ist im Nordgerm. erhalten, z.B. awno. slōkr, schwed. slōk ‘Herumschlenderer, heruntergekommener Mensch’, mit schwed. slōka ‘herumschlendern’, gewöhnlich ‘schlaff herabhängen (lassen)’; in der letztgenannten Bed. deverbativ? — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 712ff., Pok. 959ff., s. auch λαγαίω, λαγαρός, λαγγάζω, λωγάνιον, λωγάς. II-113-114
Λήδα (A. Ag. 914 usw.), Λήδη (ep.) f. Mutter der Dioskuren und der Helena. — Zu lyk. lada ‘Frau, Gattin’; s. Λητώ m. Lit. II-114
λήδανον, auch λά̄δανον n. N. eines harzähnlichen Stoffes, der aus dem κίσθος benannten Strauche gewonnen wurde (Hdt., Mediz., Pap. u. a.). Davon als Rückbildung λῆδον n. = κίσθος (Dsk.). — LW, zunächst aus dem Semitischen, vgl. arab. lādan > npers. lādän, assyr. ladunu (λήδανον, τὸ καλέουσι ’Αράβιοι λάδανον Hdt. 3, 112). Lat. LW lēdanum, lādanum (mit den Rückbildd. lēda, lāda ‘Cistus cyprius’), slav., z.B. russ. ládan ‘wohlriechendes Harz, Weihrauch’. Weitere Formen und Einzelheiten (z.T. abweichend) bei W.-Hofmann s. lēda m. Lit. S. auch λωτός. II-114
ληδεῖν · κοπιᾶν, κεκμηκέναι, ληδήσας· κεκμηκώς, κοπιάσας H. — Bildung wie κηλέω, ἠθέω (s. dd.), zu alb. loth ‘müde machen’, lodhem ‘müde werden’ (idg. lēd-) stimmend; die zugehörige Schwundstufe wird in lat. lassus ‘matt, müde’ (idg. *ləd-to-s) vermutet. Auch germ., z.B. got. lētan (idg. lēd-) ’lassen’, lats ’lass, träge’ werden hierhergezogen. Weitere Formen m. Lit. und hypothetischen Kombinationen (u. a. lit. léidžiu ‘lassen’; s. zu λαιδρός) bei WP. 2, 395, Pok. 666, W.-Hofmann s. lassus; dazu noch Porzig Gliederung 104. — Wegen ἀηδῆσαι· κοπιάσαι, καμεῖν, ἀηδέομεν· κοπιῶμεν, ἀηδής· κοπιώδης, ὀκνηρός ist indessen die Richtigkeit von ληδεῖν, ληδήσας schon längst in Zweifel gezogen worden (vgl. P. Maas ByzZ 37, 380). II-114
ληδιον od. ληδίον (att. Inschr. IVa), λῃδ-, ληιδ- (Men. u. a.) N. eines leichten Kleides, = τριβώνιον od. ἱμάτιον εὐτελές H. Demin. ληδάριον, v. l. λῃδ- (Ar. Av. 715, 915). Adj. ληιδιώδεις τριβωνιώδεις (cod. -ίδες) H. — Grundwort λῆδος (H.), dor. λᾶδος (Alkm.; λαι- H.) ’τριβώνιον’ (vgl. z.B. τειχίον : τεῖχος). -Unerklärt; voreilige Hypothesen von Prellwitz werden bei Bq abgelehnt. II-114-115
λήθαργος m., f., auch pl. ‘schlummerähnlicher Zustand, Lethargie, lethargisches Fieber’ (Hp., Arist., Chrysipp. Stoik. usw.), auch als Adj. ‘vergeßlich’ (Men., AP u. a.). Davon ληθαργ-ικός ‘von Lethargie betroffen, lethargisch’ (Mediz., AP), -ώδης ‘ds.’. (Dsk., Gal.), -ία ‘Lethargie’ (Kom. Adesp.), -έω ‘ver- geßlich sein’ (Pap., Inschr.). Unklar ἀλήθαργος POxy. 1381, 100 (liter. Text IIp). — Wohl als eig. Adjektiv (scil. νόσος, πυρετός) in λήθ-αργος zu zerlegen, das zunächst als "durch Vergeßlichkeit untätig od. träge" zu verstehen wäre, was für die Krankheit nicht ganz einleuchtet. Ein ursprüngl. *λήθ-αλγος "an Vergeßlichkeit leidend’ oder "das Leiden vergessen machend’ ist ebensowenig unmittelbar verständlich. — Vgl. λαίθαργος. II-115
ληθη, λήθω usw. s. λανθάνω. II-115
ληϊζομαι, ληϊη, ληϊς s. λεία. II-115
λήϊον (ep. ion. poet. seit Il., Arist. u. sp. Prosa), dor. λάϊον, λᾷον (Sophr., Theok.) ‘die auf dem Felde stehende Frucht, Feldfrucht, die grüne Saat, Saatfeld’. Kompp., z.B. λᾷο-τομέω ‘die Saat abmähen’ (Theok.), πολυ-λήϊος ‘saatenreich’ (Ε 613 usw.; vgl. Bechtel Lex. s. ἀλήϊος). — Wenn λάϊον eine echte dorische Form ist, kann λήϊον mit Bq aus *λά̄ϝ-ιον als *’Gewinn, Ertrag’ zn ἀπο-λαύω (s. d.) gehören; zur Bildung vgl. λεία (s. d.) aus *λᾱϝ-ία. Die Anknüpfung an die Sippe von λύω (Benfey u.a., s. Bq; vgl. auch λαῖον) scheint urgr. *ληϝ- zu erfordern. II-115
λήϊτον ‘Gemeindehaus’ s. λαός. II-115
ληκάω, Aor. ληκῆσαι, ‘βινεῖν, futuere’ (Kom., H.), nach H. auch = ’τὸ πρὸς ᾠδὴν ὀρχεῖσθααι’. auch mit ὑπο-, Davon ληκήματα pl. (Epikur. Fr. 414); ληκώ τὸ μόριον H.; auch ληκίνδα παίζειν ‘den Takt schlagen, mit den Fingern trommeln’ (Luk., A.D.). — Iterativ-intensive Bildung wie πηδάω u. a. (Schwyzer 719) und als solches mit lett. lę̃kâju, lę̃kât ‘fliegen, springen, hüpfen’ identisch; die Bed. ‘βινεῖν’ ist selbstverständlich euphemistisch und sekundär. Das primäre Verb liegt in ht. lekiù, lė̃kti ‘fliegen, laufen’, lett. lèkt ‘ds.’ vor Weitere Formen mit Lit. bei WP. 2, 420f., Pok. 673, Fraenkel Wb. s. lė̃kti, W.-Hofmann s. lacertus und lōcusta. S. auch zu λάξ und λαικάζω. II-115
λήκυθος, epid. λάκυθος (IVa) f. (zum Genus Schwyzer-Debrunner 34 A. 2) ‘gehenkelte Öl-, Parfümflasche’ (seit Od.), auch übertr. ‘Rednerschmuck’ (Cic., Plin.; = lat. ampulla). Vereinzelte Kompp., z.B. αὐτο-λήκυθος ‘der (aus Armut) selbst seine Ölflasche trägt’ = ‘armer Mensch, Bettler’ (att.). Ableitungen: Deminutivum ληκύθιον (att.), ληκυθιάδες· ἐνώτια ποιά (H.), ληκυτίαι pl. = λήκυθοι (Pap.). — Denominatives Verb ληκυθίζω ‘einen dumpfen, hohlen Laut (wie aus einer enghalsigen Flasche) von sich geben, tief in der Kehle sprechen’ (Kall., Str., Phryn., Poll.) mit ληκυθ-ιστής ‘der mit hohler Stimme deklamiert, κοιλόφωνος’(S. Fr. 1063, H.), -ισμός ‘hohles, dumpfes Reden’ (Plu.); auch als Rückbildung λήκυθος· τὸ μεταξὺ τοῦ λαυκανίου καὶ αὐχένος ἠχῶδες (Klearch.); vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 35 A. 12, Bill ClassPhil. 36, 46ff.; ausführlich Quincey Class Quart. 43, 32ff. mit abweichender Auffassung und ausführlicher Diskussion. Kulturwort unbekannten Ursprungs (vgl. Schwyzer 61, Hermann Glotta 13, 152 u. a.); auch ON Λήκυθος (Makedonien). Verfehlte idg. Etymologien bei Bq und v. Blumenthal Gnomon 10, 526; abzulehnen ebenfalls Carnoy Ant. class. 24, 19 (pelasgisch). Beziehung zu aksl. lakъtь, russ. lákotь ‘Topf’ ist fraglich, s. Vasmer Wb. s. v. (dazu noch Machek Studia in hon. Acad. d. Dečev 50). — Zu λήκυθος im allg. L. J. Elferink, Lekythos. Archäologische, sprachliche und religionsgeschichtliche Untersuchungen. Amsterdam 1934 (im Sprachlichen sehr anfechtbar). II-116
λήμη f. ‘Augenbutter’, auch übertr. (Hp., Ar., Plu. u. a.). Deminutiva λημίον (Hp.), λημύδριον (Gal.); sonstige Ableitungen: λημ-αλέος (Luk.), -ηρός (Heliod.), -ώδης (Alex. Trall.) ‘voll Augenbutter, triefäugig’; λημ-ότης (Sch.), -ωσις (mediz. Pap.; vgl. ἴλλωσις, κνίδωσις); λημ-άω ‘Triefaugen haben’ (Hp., Ar. u. a.). — Eine dor. Form scheint in λάμας· μύξας H. (cod. λαμάς· μῦς) zu stecken. — Unerklärt. Abzulehnende Hypothesen bei Bq und Hofmann Et. Wb.; nach Mann Lang. 28, 36 f. zu alb. llom ‘Bodensatz’ (lautlich unbefriedigend), lat. lāma ‘Lache, Morast, Sumpf’, lit. lõmas ‘Grube, Höhle, Vertiefung’ (begrifflich wenig überzeugend). II-116
λημνίσκος m. ‘wollenes Band, Verband, Kompresse’ (hell. u. sp.), nach Varro bei Plin. urspr. aus Lindenbast. — Gerätname auf -ίσκος (vgl. Chantraine Form. 408), nach H. syrakusanisch. Beziehung zum Inselnamen Λῆμνος liegt nahe; eine lose Vermutung darüber unter Annahme etruskischer Herkunft hei Müller Phil. 78, 264f. II-116
λῆν ‘wollen’, λῆμα ‘Wille’ usw. s. λῶ. II-117
λῆναι f. pl. ‘Bakchanten’ (Heraklit., Str. u. a.), nach H. (wo ληναί) arkad.; sg. Λήνα als PN (Ambrakia, Aitolien); ληνίς ‘Bakchantin’ (Eust., Suid.). — Daneben Ληναια n. pl. N. eines Festes in Athen und anderswo mit ληναιών, -ῶνος m. Monatsname in Ionien (Hes. Op. 504 [dazu Wackernagel Unt. 179 und v. Wilamowitz Glaube 2, 61], Inschr.), Λήναιον n. N. eines dem Dionysos geweihten Bezirks in Athen (Ar., Pl. a. u.), ληναϊκός ‘zu den Lenäen gehörig’ (hell. u. sp.), ληναΐτης ‘ds.’ (Ar.; Redard 113); ληναΐζω ‘die Lenäen feiern’ (Heraklit.); PN Ληναῖος, Ληναΐς. — Ληνεύς (Mykonos) und Ληναῖος (D.S.) Beinamen des Dionysos, ληνεύουσι· βακχεύουσιν H. — Wenn λῆναι bei H. und als Überschrift zu Theok. 26 echte Dialektformen sind, kann das Wort nicht zu ληνός ‘Kelter’ gehören, was sonst ohne Zweifel das nächstliegende ist. Eine bessere Erklärung ist indessen nicht gefunden; v. Wilamowitz Glaube 2, 63 vermutet lydischen Ursprung. Die idg. Erklärung von Jacobsohn KZ 42, 264 A. 1 (aus *λασ-ν-, zu λάστη, λιλαίομαι), an sich wenig wahrscheinlich, ist mit ark. dor. λῆναι nicht vereinbar. Für Λήναια mit Ableitungen kommt unter allen Urnständen Anschluß an ληνός ernstlich in Betracht. —Zu λῆναι usw. s. noch Nilsson Gr. Rel. 1, 575 f. II-117
ληνός, dor. λανός f. (zum Genus Schwyzer-Debrunner 34 A. 2) ‘Trog (zum Keltern), Kelter, Sarg, Standloch des Mastes usw.’ (seit h. Merc. 104; Zumbach Neuerungen 11). Vereinzelte Kompp., z.B. ληνο-βάτης ‘Keltertreter’ (sp.), ἄ-ληνος ‘nicht gekeltert’ (vom Mandelöl; Aet.). Davon die Deminutiva ληνίς, ληνίδιον (Pap.); ferner λην(ε)ών, -ῶνος m. ‘Kelterplatz’ (Pap., Gp.), ληνᾶς, -ᾶδος m. (sp. Inschr.; Kleinasien), wahrscheinlich = ληνοβάτης, s. Schulze Kl. Schr. 300. — Zu Λήναια, Ληναιών s. zu λῆναι. — Unerklärt. Verfehlte idg. Etymologien werden von Bq abgewiesen. Nicht besser Grošelj Živa Ant. 4, 172: zu got. *lōna f. ‘Lache’ (angeblich im provenzal. lona ‘ds.’ erhalten; abzulehnen), wozu auch anord. lōn n. ‘ds.’. II-117
λῆνος, -ους n. ‘Wolle, Wollfaser, Wollflocke’ (A. Eu. 44, A. R. 4, 173, 177 u. a.). — Bis auf den Ausgang (nach εἶρος, πέκος?, s. Walde Stand u. Aufgaben 156) altererbtes Wort für ‘Wolle’, das in mehreren Sprachen erhalten ist: lat. lāna, balt., z.B. lit. vìlna, slav., z.B. russ. vólna, germ., z.B. got. wulla, aw. varənā, aind. ū́rṇā, alles Formen, die auf idg. *u̯l̥̄nā zurückgehen können (zum Lautlichen Schwyzer 360 f.); abweichend nur keltische Formen wie kymr. gwlan (idg. *u̯lənā). Das Wort gehört wahrscheinlich als Verbalnomen auf -nā ("das Ausrupfen, die Ausgerupfte, Raufwolle") zu einem Verb für ‘reißen, rupfen’, das u. a. in lat. vellō ‘rupfen’ erhalten ist (s. auch ἁλίσκομαι); hierher auch lat. vellus n. ‘abgeschorene Wolle’ (idg. *u̯él-nos), arm. geɫmn ‘ds.’ (idg. *u̯él-mn̥). In Betracht kommt noch, wenn richtig erschlossen, heth. -ḫulana-, luw. *ḫulani- ‘Wolle’ mit unsicherer Grundform. — Einzelheiten m. Lit. bei WP. 1, 296f., Pok. 1139, W.-Hofmann s. lāna und vellus, Vasmer Wb. s. vólna. II-117-118
λῆρος 1. m. ‘leere Possen, Tand, albernes Geschwätz, unbedeutende Kleinigkeiten’ (att., Hp.). Davon ληρ-ώδης ‘läppisch, albern’ (Pl., Arist. u. a.) mit -ωδία (Hdn.), -ωδέω (Phot.), -ώδημα (Suid.). — Daneben, wohl als Denominativum, ληρέω, -ῆσαι, auch mit Präfix wie παρα-, ἀπο-, κατα-, ‘Possen treiben, schwatzen, faseln’ (att., Hp.) mit (παρα- )λήρ-ημα (Pl. u. a.), -ησις (Hp., Plu. u.a.); Rückbildung παρά-ληρος ‘faselhaft, Faselei’ (Hp., Ph.). Auch ληρ-αίνω ‘ds.’ (Ph., H.; nach ἀφραίνω u. a., Debrunner IF 21, 57), ληρεία = λήρησις (Phld.; wie von *ληρεύω). — Nicht sicher erklärt. Eine Zerlegung λῆ-ρος ermöglicht Anknüpfung an eine weitverbreitete Schallwortgruppe in lit. ló-ju, ló-ti, aksl. la-jǫ, -jati ‘bellen, schelten’, arm. la-m ‘weinen’, lat. lā-mentum ‘Wehklage’, alles idg. lā-; daneben mit kurzem Vokal λάρος, λάσκω (s. dd.); auch λαίειν, λαήμεναι· φθέγγεσθαι H. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 377 f., Pok. 650, W.-Hofmann s. lāmentum, Fraenkel Wb. s. lóti. II-118
λῆρος 2. od. ληρός, böot. λειρος (IG 7, 2421) m. ‘goldener Schmuck am Frauengewand’ (Delos IIa, AP, Luk., Poll., H.). — Vielleicht handelt es sich nur um einen Sondergebrauch von 1. λῆρος ‘Tand’. Nach Grošelj Živa Ant. 4, 173 zu λῶμα, εὔληρα, s. dd. II-118
λῃτουργέω, -ία, -ός s. λαός. II-118
Λητώ, dor. Λατώ, -όος, -οῦς f. Leto, Mutter des Apollon u. der Artemis (seit Il.). Als Vorderglied in Λητο-γενής (Λατο-), f. -γένεια ‘Sohn bzw. Tochter der Leto’ (A. u. E. in lyr., AP). Davon Λητοΐδης, Λατοΐδας ‘Sohn der L.’ (poet. seit h. Merc. 253; zur Bildung Debrunner ’Αντίδωρον 37); Λητῷος (Λατ-) (A., S.), f. -ῴα, -ωΐς, -ωΐάς (hell. u. sp. Dicht.) ‘von L. geboren’; τὸ Λητῷον ‘Tempel der L.’ (Arist.), τὰ Λ-α ‘L.-Fest’ (Delos IIIa). — Herkunft unsicher. Schon längst mit Λήδα aus lyd. lada ‘Frau, Gattin’ hergeleitet; so u. a. Kretschmer Glotta 14, 307 f., 30, 91 m. A. 2 (zustimmend v. Wilamowitz Glaube 1, 324, Schwyzer 60; Zweifel bei Nilsson Gr. Rel. 1,562). Kretschmer a. aa. Oo. vermutet protoindog. Ursprung; dagegen schreibt er Glotta 32, 187 u. 196f. das Wort der "vorgriechischen und vorpelasgischen Urbevölkerung" zu unter Vergleich mit kaukas. (awar.) ladi; für vorgriech. Herkunft auch Bethe ’Αντίδωρον 20 f. und Chantraine Ant. class. 22, 68. — Nach den Alten eig. Benennung der Nacht; auf dieser Deutung fußen sowohl die semit. Etymologie von Lewy Fremdw. 230ff. wie die idg. (zu lat. lateō) von Osthoff IF 5, 369 (WP. 2, 377); beide unbefriedigend. Weitere Lit. bei Wehrli P.-W. 5, Suppl. Bd. Sp. 571 f. — Lat. Entlehnung Lātōna, s. W.-Hofmann s.v. II-118-119
λιάζομαι, Aor. λιασθῆναι; vereinzelte u. späte akt. Formen (vgl. Wackernagel Unt. 131) λιάζω (Lyk., H.), λιάσαι (H.), λίασσε v. l. Ψ 879 für λίασθεν; Nasalpräsens λίναμαι· τρέπομαι H. (vgl. unten), Verbaladj. ἀλίαστος ‘unentrinnbar, unbeugsam, hartnäckig, unaufhörlich’ (Il., Hes. u. a.; zur Bed. Erbse Glotta 32, 236ff.). ‘hinsinken, (seitlich) ausbiegen, aus- weichen, entweichen, weggehen’ (vorw. ep. seit Il.) — Zu dem zweisilbigen Passivaorist λια-σ-θῆναι (mit anal. -σ-) gehörte von Anfang an ein nasalinflgiertes Präsens λί-ν-α-μαι; dazu traten als Neubildungen sowohl das einmalige λίασσε wie vor allem das Präsens λιάζομαι (vgl. Schwyzer 761, 693 und 734). — Die wenig prägnante Bedeutung, die sich vielleicht außerdem durch literarische Umdeutung verändert hat (s. Leumann Hom. Wörter 208 f. m. Lit.), läßt der etymologischen Spekulation einen weiten Spielraum, erschwert aber zugleich eine sichere Deutung. Dem Präsens λίναμαι (dessen allg. Bedeutung = τρέπομαι schon an sich Verdacht erregen könnte; Wackernagel Unt. 206 A. 1 dafür <ἐκ>τρέπομαι) entsprechen formal aind. lināti (Gramm.) ‘sich anschmiegen, anliegen’, auch ‘sich verstecken, verschwinden’, und kelt., air. lenaid ‘folgen’ (Wackernagel a.a.O.); die Bed. liegt aber weit ab. Semantisch besser dazu stimmt germ., z.B. got. af-linnan ’ἀποχωρεῖν’, ahd. bi-linnan ‘weichen, aufhören, nachlassen’ mit -nn- aus -nu̯- (Osthoff MU 4, 46). Alle die genannten Verba einschließlich lat. linō ‘beschmieren’ werden von W.-Hofmann s. v., wenig überzeugend, in einer Gruppe zusammengehalten. Für weitere Anknüpfungen, die noch fraglicher sind und hier nichts von Interesse bieten, sei auf Bq und auf WP. 2, 387 f., Pok. 661 f. verwiesen; daselbst auch weitere Lit. Vgl. auch ἐλινύω und λιμός. II-119
λίᾱν, ep. ion. λίην (ῑ̆) Adv. ‘gar sehr, allzu sehr’ (seit Il.); davon λιάζειν ‘über das gerechte Maß hinausgehen’ (A. D., Phot.). — Wie δήν, πλήν u. a. (Schwyzer 621) ein erstarrter Akk. mit unbekannter Grundbedeutung. Eine Form λῖ wird aus Epich. 223 (Str. 8, 364) zitiert, ebenso als Vorderglied in λι-πόνηρος· λίαν πονηρός H.; dazu λήν· λίαν H. Die Zugehörigkeit vom verstärkenden λα- (s. d. m. Lit.), λαι- steht dahin. Etymologisch dunkel; die Anknüpfung an dor. λῆν ‘wollen’ (Prellwitz) wird von Bq und WP. 2, 393 mit Recht angezweifelt. Chantraine Glotta 33, 28 erwägt entfernte Beziehung zu λεῖος. — Hierher auch λίηφος· δεινός H.? (Chantraine Form. 263; zur Bildung noch Specht Ursprung 264). II-119-120
λιαρός ‘lau, mild’ (ep. seit Il.). — Die große lautliche Ähnlichkeit mit dem synonymen χλιαρός ist gewiß nicht zufällig, vgl. Güntert Reimwortbildungen 147; andere semantisch nahestehende Bildungen auf -αρός bei Chantraine Form. 227. Sonst unerklärt; allerhand Hypothesen bei Bq, u. a. (mit Kluge und Osthoff MU 6, 324) zu ahd. līso ‘leise’ und lit. lýsti ‘mager werden’. II-120
λίβανος f. m. ‘Weihrauch’ (Sapph., Pi., E. u.), ‘Weihrauchbaum’ (Hdt., Melanipp., Thphr. usw.); Einige Kompp., z.B. λιβανοφόρος (Herakleid. Kom. u. a.), λιβανωτο-φόρος (Hdt. u. a.) ‘Weihrauch tragend’. λιβανωτός m. (f.) ‘Weihrauch’ (Sapph., ion. att.). — Ableitungen. 1. Von λίβανος: Demin. λιβανίδιον (Men.); Adj. λιβαν-ώδης ‘weihrauchähnlich’ (Philostr.), -ινος ‘weihrauchfarben, aus W. gemacht’ (Pap., Gloss.); λιβανᾶς m. ‘Weihrauchhändler’ (Pap.), λιβανῖτις f. Bein. der Aphrodite (Luk.; weil sie mit Weihrauch verehrt wurde, Schrader-Nehring Reallex. 2, 641r); Verba λιβανόομαι ‘mit W. gemischt werden’ (LXX), λιβανίζω ‘wie W. riechen’ (Dsk., Gal.). — 2. Von λιβανωτός: λιβανωτίς f. ‘Rosmarinus’ (Thphr., Nik., Dsk. usw.; nach dem Geruch, Strömberg Pflanzennamen 62), auch ‘Räucherfaß’ (Delos, hell.) wie λιβανωτίδιον (Delos IIa) und λιβανωτρίς (Kleinasien, Kaiserzeit; nach den Gerätenamen auf -τρίς, Chantraine Form. 340 f.), λιβαν-ωτικός ‘aus W. bestehend’ (hell. Inschr. u. Pap.), -ώτινος ‘mit W. bereitet’ (Mediz.); λιβανωτίζω ‘räuchern, wie W. riechen’ (Str., Dsk.). — Semitisches LW; vgl. einerseits hebr. lebōnā ‘Weihrauch’, anderseits phönik. lebōnat usw. ‘ds.’ (von lāban ‘weiß sein’, wohl nach der weißen Farbe des Saftes des Weihrauchbaumes). Vielleicht hat der Gebirgsname Λίβανος ( = Lebānōn) auf die griechische Vokalisation eingewirkt. Die Bed. ‘Weihrauchbaum’ ist gegenüber ‘Weihrauch’ sekundär. — Einzelheiten m. Lit. bei Lewy Fremdw. 44f. und Schrader-Nehring a.a.O. II-120
λιβρός Daneben mit Nasal λιμβρός (EM564, 52; Suid.). Beiwort von ὀλός (’trübe Flüssigkeit’ AP 15, 25, 1), von νύξ (EM 564, 49 : ‘finster’ od. ‘feucht’), von σέλας (Trag. Adesp. 232); von Erot. mit σκοτεινὸς καὶ μέλας erklärt (zu Hp. Aër. 15, wo codd. διερῷ und θολερῷ, von ἠήρ?). — Die herkömmliche Anknüpfung an λείβω setzt eine bei diesem poetischen und seltenen Worte leicht verständliche Bedeutungsverschiebung voraus. II-120-121
λίγδην ‘oberflächlich berührend, streifend’ (χ 278), ἐπιλίγδην ‘ds.’ (P 599), vgl. Haas Μνήμης χάριν 1, 141. Daneben λίγδος m. ‘Mörser’ (Nik., auch S. Fr. 35?), ‘tönerne Form, Trichter, Schmelztiegel o. ä.’ (Poll., Ael. Dion., H.), ‘Lauge’ (Eust.), λίγδα· ἡ ἀκόνη, καὶ ἡ κονία H. — Denominatives Verb λιγδεύει· ἀπηθεῖ H. — Zu λίγδα vgl. ἄρδᾰ, ἔπιβδᾰ und Solmsen Wortforsch. 269. Die suffixale Übereinstimmung zwischen dem Adv. λίγ-δην und den Subst. λίγ-δος, -δα ist nicht zufällig (vgl. Chantraine Form. 360); dabei kommt die Priorität dem Adverb zu. Zu beachten noch die lautliche Ähnlichkeit zwischen λίγδος, dessen semantische Verbindung mit λίγδην nicht unmittelbar verständlich ist ("Reibstein" Prellwitz), und dem synonymen ἴγδις, s. d. — Als Grundwort wird von Eust. 1926, 37 ein sonst unbelegtes Verb λίζω (ad hoc gebildet? ("ὡς ἀπὸ τοῦ λίζειν, λέξεως ὠνοματοπεποιημένης") angesetzt; aus dem Keltischen und Germanischen wird ein Verb der urspr. Bed. ‘bestreichen, gleiten usw.’ angeführt : air. (fo-)sligim ‘beschmieren’, auch ‘schlagen’ (aus *’streichen’), ahd. slīhhan ’schleichen’ (= ‘gleitend gehen’); dazu mehrere Nomina, z.B. air. slige ‘Kamm’, awno. slīkr ‘glatt’, slīkisteinn ‘Schleifstein’; auch aus dem Slavischen, z.B. russ. slízkij ‘schlüpfrig, schleimig’. — Weitere Formen mit Wurzelanalyse und reicher Lit. bei WP. 2, 390f., Pok. 663f., W.-Hofmann s. līma, Vasmer Wb. 2, 661. Vgl. λισσός. II-121
λιγνύς, -ύος f. ‘dicker rußiger Rauch, Qualm, qualmendes Feuer’ (A., S., Ar., Arist. usw.). Davon λιγνυώδης (Hp., Gal. u. a.), λιγνυόεις (A. R.) ‘rauchig, qualmig’. — Bildung auf -νυ- (Schwyzer 495, Chantraine Form. 119); sonst unerklärt. Verfehlte Kombinationen bei Bq, WP. 2, 399, W.-Hofmann s. lignum; nicht besser mit Güntert Idg. Ablautprobl. 40 zu λῡγαῖος ‘dunkel’ (mit Dissimilation) oder mit Grošelj Živa Ant. 3, 204 zu λίγδα, λίγδην. II-121
λιγύς, λίγεια (zum Akz. Schwyzer 474 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 191), λιγύ ‘hell-, lauttönend, hellklingend, -schwirrend’, oft als Vorderglied, z.B. λιγύ-φωνος ‘mit heller Stimme’; Adv. λίγα, λιγέως (ep. poet. seit Il.). Mit Suffix-Erweiterung λιγυ-ρός (wohl aus -υ-λός dissimiliert; Leumann Glotta 32, 223 A. 1 = Kl. Schr. 249 A. 1) ‘ds.’ (vorw. ep. poet. seit Il.). Denominatives Verb λιγαίνω ‘hell schreien, tönen, (be)singen’ (ep. poet. seit Il.; Fraenkel Denom. 22) mit λιγάνταρ (= λιγαντήρ)· εἶδος τέττιγος. Λάκωνες H. (Strömberg Wortstud. 18). Eine alte (expressive) Nasalbildung ist der Aor. λίγξε ‘schwirrte’ (βιός Δ 125; Schwyzer 692); dazu λίγγω· ἠχῶ (Theognost. Kan. 16). — Unerklärt. Unhaltbare oder ganz fragwürdige Hypothesen notieren Bq, Prellwitz und WP. 2, 399. Nach v. Windekens Glotta 35, 208ff. (mit Referat älterer Deutungen) pelasgisch zu lat. levis. II-121-122
λίθος m. f. (zum Genus Schwyzer-Debrunner 37 m. A. 6, Shipp Studies 76) ‘Stein, Steinblock, Gestein, Edelstein’ (seit Il.). Kompp., z.B. λιθο-βόλος m. ‘Steinwerfer’ (att. usw.), μονό-λιθος ‘aus einem Stein bestehend’ (Hdt. u. a.). Zahlreiche Ableitungen. 1. Deminutiva: λιθ-ίδιον (Pl., Arist. usw.), -άριον (Thphr., hell. Inschr. u. a.), -αρίδιον (Alex. Trall.). 2. Kollektiva: λιθάς, -άδος f. ‘Steinregen, -wurf’ (Od., A., Nik.; Chantraine Form. 352), λιθία ‘Gestein’ (hell. u. sp.; vgl. Chantraine 81). 3. Sonstige Subst.: λίθαξ f. ‘Stein’ (ε 415 [attributivisch], hell. u. sp. Dichtung), λιθακός ‘ds.’ (Stesich.; Chantraine 384), λιθίς = λιθίασις (s. u.; Hp.). — 4. Adjektiva: λίθεος (Hom.), λίθιος (Thess.), -ειος (Sch.) ‘von Stein’; λίθινος ‘ds.’ (Pi., ion. att.), λιθικός ‘zum Stein gehörig’ (hell u. sp.). λιθώδης ‘steinähnlich, steinig’ (ion. att.) mit λιθωδία (Eust.). — 5. Verba: λιθάζω ‘mit Steinen werfen, steinigen’ (Arist., Anaxandr. usw.) mit λιθασ-μός, -τής, -τικός (A. D., Sch.); λιθόομαι ‘in Stein verwandelt werden’ (Arist. usw.) mit λίθωσις (Aristeas, Plu.); λιθιάω (-θάω) ‘von Stein leiden’ (Hp. usw.; nach den Krankheitsverba auf -ιάω, Schwyzer 732) mit λιθίασις (Hp., Gal.). — Unerklärt. Verfehlte oder ganz unwahrscheinliche Hypothesen sind bei Bq, WP. 2, 379 und W.-Hofmann s. laedō notiert. Nach Grošelj Živa Ant. 5, 111 f. zu λεῖος, λιτός usw. mit θ-Suffix; ähnlich Scheftelowitz Festgabe H. Jacobi (Bonn 1926) 28: zu lit. slidùs ‘glatt’. Pelasgische Erklärung hei v. Windekens Le Pelasgique 120f. (zu λιτός, λισσός ‘glatt’ mit θ aus idg. t). II-122
λικερτίζειν · πηδᾱ͂ν H. — Oft zu λάξ, λακτίζω (s. d.) gezogen; anders Persson Beitr. 1, 151 f. und Kalén Quaest. gramm. gr. 89 (m. Lit.); dagegen mit Recht WP. 2, 420 und W.-Hofmann s. lacertus (wo auch Lit.). II-122
λικμάω, Aor. λικμῆσαι ‘Getreide schwingen, worfeln’, übertr. ‘zerstreuen’ (Ε 500, B., X., LXX, Pap. u. a.). Davon λικμητήρ m. ‘Getreideschwinger, Worfler’ (Ν 590), f. λικμητρίς (Pap.. -τηρίς Poll.) ‘Getreideschwinge’, auch λικμήτωρ (LXX) und λικμητής (Pap., Aq., Sm. u.a.); -ητήριον ‘Getreideschwinge. Worfschaufel’ (Sm., Thd.); -ητός m. ‘das Worfeln, Zerstreuen’ (AP u.a.; vgl. ἀλοητός, ἄμητος u.a.), -ητικός ‘zum Worfeln gehörig’ (Eust.). Auch, wohl Rückbildung, λικμός m. ‘Ge- treideschwinge’ (LXX, Sammelb. u. a.) mit λικμαία f. Beiname der Demeter (AP); λικμίζει· ἀλοᾷ H. — Daneben λίκνον n. ‘Getreideschwinge’ (Arist.), ‘heiliger Korb mit Erstlingsfruchten im Demeterkultus usw.’ (S., AP; vgl. Nilsson Gr. Rel. 1, 128; λικνο-φόρος D., Kall.), auch ‘Wiege’ (h. Merc., Kall. u. a.), mit dem Demin. λικνάριον (Gloss.), λικνίτης Bein. des Dionysos (Orph., Plu.; Redard 210, v. Wilamowitz Glaube 2, 376f.), -ῖτις (τροφή S. Ichn. 269), λικνίζω = λικμάω (Pap.). — ν(ε)ίκλον· τὸ λίκνον H. — ἰκμᾶν· λικμᾶν, σῖτον καθαίρειν. ἰκμῶντο· ἐσείοντο, ἐπνέοντο H., ἀνικμώμενα (Pl. Ti. 53 a; vv.ll. ἀναλικνώμενα, ἀναλικμώμενα), ἀπ-ικμῆσαι, δι-ικμῶνται (Thphr.). — Dazu noch aus H. : εὑ<νί>κμητο<ν>· εὐλί<κ>μητον, ἀνικλώμενον· ἀνακαθαιρόμενον (vgl. zu ἀνικμώμενα oben) und die suffixlosen νικᾷ· λικμᾷ, νίκειν (für -κᾶν?)· λικμᾶν, νείκεσεν· ἔκρινεν, εὐνικές· εὐκρινές, νεικητήρ· λικμητήρ. Μεγαρεῖς. — Volkstümliches Wort mit dadurch veranlaßten Schwankungen der äußeren Form. Wenn man von *νίκνον, *νικνᾶν ausgehen darf, lassen sich λίκνον und νίκλον, wohl auch νικμᾶν (in εὐνίκμητον) als dissimilatorische Formen verstehen; dazu vielleicht noch λικμᾶν (zur Bildung Schwyzer 731) aus νικμᾶν und, mit Schwund des Anlauts, ἰκμᾶν, s. Bechtel Lex. s. λικμάω nach Legerlotz KZ 8, 123f. und Schulze KZ 42. 380f. (= Kl. Schr. 58f.). Anders über den Wechsel μ:ν Schwyzer 338 (nach J. Schmidt u. a.), über ἰκμᾶν J. Schmidt Kritik 108 A. 1 (aus ἀνικμᾶν, haplologisch für *ἀνα-νικμᾶν, falsch erschlossen, wozu ἀπ-, δι-ικμᾶν). Vgl. noch Danielsson Eranos 14, 1ff. zum dunklen ἀπολεικαι (Inschr. Miletos). —Bei Ansetzung von *νίκ-νον erhält man eine ansprechende Anknüpfung an das hochstufige und abgeleitete lit. niekóju, -óti ‘(Getreide) schwingen, worfeln’, lett. niẽkât ‘Grütze in einer Mulde schwingen’ (Bugge Curt. Stud. 4, 335 f.); vgl. die suffixlosen griech. Formen oben. Auch keltische Formen sind zum Vergleich herangezogen worden, z.B. kymr. nithio, bret. niza ‘worfeln’. Lit. liekúoti ‘(Getreide) worfeln’ und lett. lìekša ‘(Worf)schaufel’ haben mit λικμάω nichts zu tun sondern sind volksetymologische Umbildungen nach lìkti ‘zurück- bleiben’. — WP. 2, 321, Pok. 761, Fraenkel Wb. s. niekóti m. weiterer Lit. II-122-123
λιλαίομαι nur Präsensstamm, dazu das Perf. λελιημένος, s. bes. ‘heftig begehren, verlangen’ (ep. seit Il.), — Jotpräsens mit intensiver Reduplikation (vgl. Schwyzer 717) mit einem nahen Verwandten in aind. laṣati ‘begehren, verlangen’ (themat. Wurzelpräs. mit sekund. ṣ für s oder aus *la-ls-ati mit reduplizierter Schwundstufe?, s. Wackernagel Aind. Gr. I 238 m. Lit.). Hierher gehören mehrere Verbalnomina : λάσ-ται· πόρναι H. mit λάσταυρος (s. λάσται), s. auch λάσθη und λῆναι; aus anderen Sprachen z.B. lat. lascīvus ‘üppig, mutwillig’ (von *las-kos; vgl. slav., z.B. russ. láska ‘Liebkosung, Wohlwollen’), aind. lā-las-a- ‘begierig’ u. a. m. Fern bleibt dagegen wegen des abweichenden Vokals germ., z.B. got. lustus ’Lust’. — WP. 2, 386 f. , Pok. 654, W.-Hofmann s. lascīvus (mit einer Fülle weiterer Kombinationen von sehr wechselndem Wert und mit reicher Lit.), Vasmer Wb. s. láska I. II-123-124
λίμβος (λιμβός) ‘λίχνος, lüstern, naschhaft’ (Arist.-Komm., H. ). Davon λιμβεύω ’λιχνεύω, lüstern usw. sein’ mit λιμβεία = λιχνεία (Hdn. Epim., H.). — Unerklärt wie so viele andere volkstümliche Wörter auf -βος (Chantraine Form. 261 f.). Die Verbindung mit lat. lībāre im Sinn von ‘kosten, nippen’ (Prellwitz, WP. 2, 391) ist hinfällig, da sich diese Bed. aus ‘(ein wenig) ausgießen’ entwickelt hat, s. W.-Hofmann s. v. Auch die weitere Zusammenstellung mit ὀλιβρός ‘schlüpfrig, glatt’, wozu germ., z.B. mhd. slīpen, ahd. slīfan ‘schleifen, gleiten’ (Bq, WP. a.a.O., Hofmann Et. Wb.) ist wenig überzeugend. II-124
λιμήν m. ‘Hafen’ s. λειμών. II-124
λίμινθες · ἕλμινθες. Πάφιοι H. — Umbildung von ἕλμινθες, wahrscheinlich nach λιμός ‘Hunger’; über die engen Beziehungen der Wörter für ‘Eingeweidewurm’ und für ‘Hunger’ s. Georgacas ’Αφιέρωμα Τριανταφυλλίδη (Athens 1960) 475ff. — Nicht mit Grošelj Živa Ant. 4, 173 zu λείμαξ u. Verw. II-124
λῑμός m., auch f. (Schwyzer-Debrunner 37 m.. A. 3, Solmsen Wortforsch. 109) ‘Hunger, Hungersnot’ (seit Il.). Kompp., z.B. λιμ-αγχ-έομαι ‘von Hunger erdrosselt werden’ (Hp. u.a.) von *λίμ-αγχ-ος (: ἄγχω; vgl. Schwyzer 726); zu βού-λιμος s. zu βουλιμία; zu πούλιμος ‘Heißhunger’ (böot.) Schulze K.Z. 33, 243 f. = Kl. Schr. 399 f. Davon λιμ-ώδης ‘hungrig’ (Hp., spät), -ηρός ‘hungrig, mit Hunger verbunden’ (Theok., AP u. a.), -αλέος = ’ῥυσός, λεπτός’ (H.; nach αὐαλέος u. a.). Verba: λιμαίνω, λιμῆναι ‘hungern’ (Hdt.), λιμώττω, -ώσσω ‘ds.’ (Str., J. usw.) mit λίμωξις (sp.); zu ngr. λιμάζω, -άσσω vgl. Georgacas Glotta 36, 168; zur ganzen Gruppe dens. ’Αφιέρωμα Τριανταφυλλίδη 513ff. — Ohne außergriechische Entsprechung bis auf das entlehnte osk. limu ‘famem’. Eine mit λῑ-μός ablautende primäre Bildung wird in λοιμός ‘Pest’ (s.d.) vermutet; über weitere hypothetische Anknüpfungen, z.B. an lit. líesas ‘mager, hager, schmächtig’, leĩnas ‘dünn, schwach, biegsam’, got. af-linnan ‘ἀποχωρεῖν’, ahd. bi-linnan ‘weichen, aufhören, nachlassen’ u. a. m. s. WP. 2, 387f., Pok. 661 f., Fraenkel Wb. s. láibas, auch W.-Hofmann s. lētum. Anders Wackernagel KZ 30, 295 ( = Kl. Schr. 1, 658) : aus *λῑπ-μός zu λίψ· ἐπιθυμία, λίπτω (s. d.); s. auch λιρός. —Zu λειρός s. λείριον. II-124-125
λιμπάνω λιμφός· συκοφάντης. ἢ μηνυτὴς παρανόμων H. mit λιμφεύειν· ἀπατᾶν H. — Unerklärt. Ganz fragwürdige Hypothesen (u.a. zu ἀλείφω, λίπος) werden von Bq (s. auch WP. 2, 403) abgelehnt. s. λείπω. II-125
λίνδος m. N. einer aromatischen Pflanze (Mnesim. Kom. 4, 63 ap. Ath. 9, 403d, Eust. 315, 18). — Ob nach der Stadt Λίνδος auf Rhodos? Vgl. den Pflanzennamen θάψος nach der gleichnamigen Landzunge und Stadt und andere Fälle bei Strömberg Pflanzennamen 121 ff. II-125
λινεύς m. Fischname = κεστρεύς, ‘Seebarbe’ (Kall. Kom. 3 ap. Ath. 7, 286b, Phot., H.). — Wohl zu λίνον ‘Fischernetz’, und zwar als Rückbildung aus λινεύω ‘mit dem λ. Fische fangen’ (Boßhardt 50), nach der Fangweise; vgl. die Beschreibung bei Thompson Fishes 109 (s. κεστρεύς). Schwerlich mit Prellwitz, Bq u.a. (s. auch WP. 2, 389f., Pok. 663, Schrader-Nehring Reallex. 2, 320) als altererbt zum balt.-slavischen Namen der Schleie, lit. lýnas, russ. linь usw. (s. Fraenkel und Vasmer s. vv.). II-125
λίνον n. ‘Lein, -pflanze, Flachs, Leinwand, Linnen, leinenes Bettlaken, (leinener) Faden, Angelschnur, Netz’ (seit Il.), myk. ri-no. Zahlreiche Kompp., z.B. λινο-θώρηξ ‘mit Linnenpanzer’ (Il., AP), λινό-ζωστις f. ‘Bingelkraut, Mercurialis’ (Hp., Dsk. u. a.; f. von einer Zusammenbildung *λινο-ζώσ-της; vgl. Strömberg Pflanzennamen 148), λευκό-λινον n. ‘Weißflachs’ (Hdt., sp.). Ableitungen. Deminutiva: λινάριον ‘Faden, Netz’ (Delos IIa. D. Chr. u. a.), λινούδιον ‘leinenes Gewand’ (Pap.), wohl von τὸ λινοῦν (ἱμάτιον); auch λινούτιον (Pap.; vgl. unten). Adjektiva: λίνεος, -οῦς, -ός (ion. att.; λινέα, -αία f. ‘Seil, Strick’ hell. u. sp.), λίνινος (Tanagra IIIa) ‘linnen’, λιναῖος ‘ds., zum Lein gehörig’ (Hp., Pap.), λινική f. ‘Flachssteuer’ (Pap.). Verba: λινεύω ‘mit Netz fangen’ (Peripl. M. Rubr.); dazu späte Hypostasen: δια-, ἐκ-, ἐπι-λινάω ‘durch das Netz schlüpfen, aus dem Netz entkommen, das Netz besichtigen’ (Phryn., Eust., H.), ἐκ-λινίζω ‘aus dem Netz entkommen’ (byz.). Zu λινεύς = κεστρεύς s. bes. — Ausführlich über Kompp. und Ableitungen (auch aus dem Mittel- und Neugr.) Georgacas Dumbarton Oaks Papers 13, 253ff., bes. über λινούδιον, -ούτιον (S. 260ff.). — Zum kurzvokalischen λίνον stimmen die baltoslavischen Formen, z.B. lit. linaĩ pl. ‘Flachs, Lein’, russ. lën, Gen. lьná ‘ds.’. Demgegenüber steht das langsilbische lat. līnum, woraus als Entlehnungen kelt., z.B. air. līn ‘Netz’ und alb. li-ri, lį-ni ‘Lein’. Auch die germ. Wörter, got. lein, ano. ags. ahd. līn stimmen genau zu lat. līnum und sind somit zunächst als daraus entlehnt zu betrachten. Urverwandtschaft ist indessen an sich möglich, da der Flachsbau in Mitteleuropa sehr alt ist. Es liegt jedoch am nächsten, λίνον und līnum als Ableger eines Mittelmeerwortes zu betrachten, das als Benennung einer neuen Art, evtl. zusammen mit neuen Bereitungsmethoden, bei seiner Verbreitung über Nord- und Osteuropa einheimische Arten und deren Namen (z.B. ano. hǫrr = ahd. haro, ags. fleax = ahd. flahs, russ. polotnó = ksl. platьno) verdrängte. Dem Indoiranischen ist das Wort (aber nicht der Begriff) fremd. Einzelheiten mit reicher Lit. bei WP. 2, 440f., Pok. 691, W.-Hofmann s. līnum, Schrader-Nehring Reallex. 1, 323ff.— Neue idg. Etymologie von Carnoy REGr. 71, 95: zu (s)lī- ‘bläulich’ in lat. līveō ‘bleifarbig, bläulich sein’ u. a. (WP. 2, 715f., Pok. 965). S. auch zu λῖτα (s. 2. λίς). II-125-126
λίνος m. Ben. eines Gesangs (Σ 570, Hdt. 2, 79, Pi. Fr. 139, 5), auch personifiziert als N. eines mythischen Sängers (Hes. Fr. 192, Theok. 24, 105, Apollod. 1, 3, 2); vgl. v. Wilamowitz Eur. Her. 293ff. — Fremdwort aus unbekannter orientalischer Quelle. Anders Diehl RhM 89, 89 u. 106ff.: im Sinn von ‘Gesang’ mit dem. Wort für ‘Lein’, λίνον, identisch; als PN ägyptischen Ursprungs. Vgl. αἴλινος, das nach Güntert Götter und Geister 64 die Quelle des PN Λίνος ist. Nach Eißfeldt Mél. syriens off. à R. Dussaud (Paris 1939) 1,161ff. stammt αἴλινον (woraus evtl. λίνος als PN im Gegensatz zu λίνος ‘Gesang’ = λίνον ‘Lein’) aus phöniz. ’ij Alijan Klageruf um den Vegetationsgott Alijan. II-126
λίπα bei Hom. nur elidiert (ἀλείψασθαι) λίπ’ ἐλαίῳ u. ä., unelidiertes λίπα bei Hp., Th. (vgl. Leumann Hom. Wörter 309f.), wohl Adv. ‘fett, glänzend’. Dazu, wohl als direkte Ableger, mit ρ : ν-Wechsel : λιπαρός ‘fett, (von Öl oder Salbe) glänzend, fruchtbar’ (seit Il.) mit λιπαρία ‘Fettigkeit’ (Dsk.) und λιπαίνω ‘fett machen, einölen, -salben’ (ion. att.) mit λίπανσις ‘Einölung’ (Mediz.), λιπαντικός ‘zum Einölen geeignet’ (Sch.), λιπασμός ‘das Einölen’ (Dsk. u.a.), λίπασμα ‘fette Substanz’ (Hp., hell. u. sp.). Weitere Verba sind: λιπάω ‘von Salben fett glänzen’ (τ 72, hell. u. sp.), ‘einölen’ (Nik.), λιπάζω trans. ‘ds.’ (Nik.). Neugebildeter σ-Stamm (Schwyzer 512): λίπος n. ‘Fett’ (A., S., Arist. usw.) mit λιπώδης ‘fettig, ölig’ (Thphr.); auch λίπας n. ‘ds.’ (Aret.; wohl nach κρέας). — Eine formale Entsprechung zu λίπ-α als Ableger eines Wurzelnomens (vgl. Schwyzer 622) bietet aind. rip- f. "Anschmierung", ‘Verunreinigung, Betrug’. Nahe Übereinstimmung zeigen λιπαρός und aind. rip-rá- n. ‘Unreinigkeit, Schmutz’, ebenso λίπος und aind. répas- n.’ Fleck, Schmutz’ (wäre gr. *λεῖπος); wenigstens im letzteren Falle handelt es sich um unabhängige Parallelbildungen. Strittig ist alb. laparós ‘beschmutze’ (Lit. bei Fraenkel Wb.; s. unten). —Neben dem schwundstufigen λίπ-α, wovon alle obengenannten Wörter ausgehen können, steht, mit sekundärer Aspiration (infolge analogischer Entgleisung) und unklarer Vokalprothese, das hochstufige primäre ἀλείφω ‘einölen, -salben’, das seinerseits zu einer Reihe von Ableitungen Anlaß gegeben hat (siehe s. v.). Die übrigen Sprachen geben Proben von verschiedenen Bildungen: schwundstufiges Präsens mit Nasalinfix in aind. li-m-p-áti ‘beschmieren’ (Aor. 3. pl. Med. a-lip-s-ata; vgl. ἀλείψασθαι), lit. li-m-p-ù, Inf. lìp-ti ‘kleben, klebrig sein’; Jotpräsens in aksl. pri-lьp-l’ǫ, Inf. pri-lьp-ěti ‘anhaften, ankleben’; Nasalsuffigierung in pri-lь(p)-nǫ-ti, ‘ds.’. Hinzu kommt mit stark veränderter Bedeutung das hochstufige primäre germ., z.B. ahd. bi-līban ‘bleiben’. Wegen der Bedeutung dagegen ganz fraglich heth. lip(p)ānzi (3. pl. Präs.), nach Friedrich Wb. ‘zerdrücken (?), zerbröckeln (?)’. — Weitere Formen m. Lit. bei Bq, WP. 2, 403f., Pok. 670f., W.-Hofmann s. lippus, Fraenkel Wb. s. lìpti 2. Vgl. λίπτω. II-126-127
λιπαρέω ‘beharren’ s. λίπτω. II-127
λιπερνης, Bed. unsicher, etwa ‘arm, verlassen, verwaist’. -ῆτις (Archil. 50 [πολῖται], BCH 11, 161 [Karien], Gloss.), -ήτης (AP 9, 649, EM), f. -ῆτις (Kall. Fr. 66e, Epik. Oxy. 1794, 17, Suid. [= πτωχή]) mit λιπερνοῦντας· πενιχρούς (Suid.); auch λιφερνοῦντας (J. AJ 2, 5, 5: στάχυας, parallel zu ἀσθενεῖς, Gegensatz καρηβαροῦντας); — Hypothese bei Suid. und EM 566, 50: παρὰ τὸ λείπεσθαι ἐρνέων, ὅ ἐστι φυτῶν; somit eig. ein Ausdruck der Landwirtschaft ? Wenn richtig, ist der τ-Stamm sekundär; die Aspiration findet sich auch in ἕρνος neben ἔρνος, s.d. und Schwyzer 442 A. 4. II-127
λίπος n. ‘Fett’ s. λίπα. II-127
λίπτω Perf. Med. λελιμμένος ‘verlangend’ (A. Th. 355, 380). ‘begehren’ (A. R., Lyk., Nik.), Daneben λίψ· ἐπιθυμία H.; außerdem noch λῑπαρέω ‘beharren, beharrlich od. dringend bitten, wiederholt fragen’ (ion. att.) mit λιπαρίη ‘Beharrlichkeit, Ausdauer’ (Hdt. u. a.) und λιπαρής ‘beharrlich, zudringlich, eifrig’ (S., Ar., Pl. u. a.); über λιπαρ-έω, -ίη, -ής Scheller Oxytonierung 36, Frisk Eranos 40, 85; vgl. auch Schwyzer 513. — Zu λιψουρία s. bes. Seit Bezzenberger GGA 1874, 1246 wird λίπτω mit lit. liepiù, liẽpti ‘befehlen, gebieten, anordnen’, apreuß. pallaips ‘Gebot’ u. a. m. (s. Fraenkel Wb. s. v.) zusammengestellt. Dagegen nach Machek Studia in hon. Acad. d. Dečev 50f. zu slovak. lipiet’, lipnút’ ‘heftig begehren’, die wohl indessen trotz Machek mit den gleichlautenden Verba für ‘ankleben, anhaften’ genetisch identisch sind. Somit könnten vielleicht auch λίπτω, λιπαρέω letzten Endes zu λίπα, λιπαρός gehören. Eine ernste Schwierigkeit ist aber die Länge des ῑ; nach WP. 2, 403 und Čop KZ 74, 229 wäre es rhythmisch gedehnt. —Verfehlt Prellwitz Glotta 19, 89 f.: λῑ-παρής nach antikem Vorbild (H. u. a.) "ἀπὸ τοῦ λίαν παρεῖναι". II-127-128
λῑρός ‘frech, lüstern’ (Kall. Fr. 229, Alex. Aet. 3, 30) mit λιρ-όφθαλμος ‘mit lüsternen Augen’ (Suid.), Λιρο-κλῆς PN (ion. Inschr.). Davon λιραίνει· ἀναιδεύεται H. — Nicht sicher erklärt. Oft mit λαιμός verbunden, allerdings mit verschiedenen weiteren Anknüpfungen, s. Bq und WP. 2, 377 (vgl. zu λαιμός). Formal näher, begrifflich nicht ferner, läge Anschluß an das ebenfalls dunkle λιμός ‘Hunger’. — Abzulehnen Hoffmann Dial. 3, 372 (zu λελιημένος) und Prellwitz (aind. līlā ‘Spiel’). II-128
λῖς 1. (λίς) m. ‘Löwe’ s. λέων. II-128
λίς 2. Beiwort von πέτρη (μ 64, 79), von σινδών (SGDI 5702, 19; Samos IVa) ‘glatt’. Daneben 1. Akk. sg. (auch als pl. aufgefaßt) λῖτ—α, Dat. λιτ-ί ‘glatte (schlichte, einfache) Leinwand’ (Hom.). 2. λῑτός ‘schlicht, einfach’ (seit IVa), myk. ri-ta (pa-we-a = φάρϝεα), λίτως (Alk. F 7, 2; Zusammenhang unbekannt) mit λιτότης f. ‘Schlichtheit, Einfachheit’ (Demokr. 274, Thphr. u. a.). — 3. λισσός (Kreta IIIa, auch ON), f. λισσή (ep. seit Od.), λισσάς, böot. λιττάς (Korinn., A., E., Theok., A. R. u. a.) ‘glatt, kahl’, auch übertr. ‘entblößt, zahlungsunfähig’ (Kreta); davon λισσόομαι in [λισ]σωθέντων Ptz. ‘zahlungsunfähig werdend’ (Kreta IIIa) und in λίσσωμα ‘kahler Fleck auf dem Scheitel’, λίσσωσις ‘das Kahlwerden, die Kahlköpflgkeit’ (Arist.); vgl. λισσούς· δεομένους. καὶ τοὺς ἡσυχῆ φαλακρούς H. — Zu λισσάνιος s. bes. — Die obigen Wörter sind nach Fraenkel Nom. ag. 1, 88ff. folgendermaßen zu erklären. Als gemeinsame Grundlage dient der einsilbige τ-Stamm λι-τ- in λί-ς und in den substantivierten λῖτ-α, λιτ-ί. Durch thematische Erweiterung entstand λιτ-ό-ς; daneben eine ια-Ableitung im Fem. *λῖσσα (aus *λῖτ-ι̯α), wozu (über den urspr. ablautenden Gen. λισσῆς) ein neuer Nom. λισσή mit dem Mask. λισσός. Zu λίς: λῖσσα vgl. z.B. θής : θῆσσα, Κρής : Κρῆσσα. — Von λίς kann λεῖος schwerlich getrennt werden; λῑ-τ- somit Schwundstufe zu einem dehnstufigen lēi- (Fraenkel a.a.O.) oder wegen der Einsilbigkeit aus *λῐ-τ- zu lei- gedehnt (vgl. Schwyzer 350 m. Lit.)? —Ein besonderes Wort λῖτ-α, λιτ-ί ‘Linnen’ (zu lat. līnum usw.) anzusetzen (s. Bq s. λίνον), liegt kein Grund vor; s. außer Fraenkel a.a.O. auch Bechtel Lex. s. λίς, λισσός. II-128-129
λίσγος nur im Demin. λισγάριον ‘Grabscheit, Hacke zum Ebnen des Bodens’ (Sch. Theok. 4, 10, Suid. s. σκαφείδιον), ngr. λισγάρι. — Nicht sicher erklärt. Verschiedene Hypothesen: aus *λίγ-σκος zu lat. ligō ‘Hacke’ (Prellwitz1 u.a.); aus *λίδ-σκος (Prellwitz2) oder *λίδ-γος (Specht KZ 66, 220) zu λίστρον (s. d.). II-129
λίσπος etwa ‘glatt, abgerieben, abgenutzt, flach’ (Ar. Ra. 826, γλῶσσα); αἱ λίσπαι als Ben. der Würfel(hälfte), die von zwei Gastfreunden als Erkennungszeichen aufbewahrt wurden (Pl. Smp. 193 a), auch οἱ λίσποι (Suid.); aspirierte Form λίσφος (nach Moer. und Tz. attisch), λίσφοι = τὰ ἰσχία (EM 567, 20). Kompp. λισπό-πυγος (-πυξ) ‘mit glatten (flachen) Hinterbacken’ (Phryn., Poll., Sch.), ὑπό-λισπος (-φος) ‘unten od. ein wenig glatt, abgenutzt, flach’, bes. von den Hinterbacken und Hüften (Ar. Eq. 1368, Philostr., Poll. u. a.). Denominativum λισφώσασθαι· ἐλαττώσασθαι H. — Volkstümliches Wort, der Form und dem Sinn nach an λισσός erinnernd und wahrscheinlich daraus durch Kreuzung mit einem anderen Wort entstanden; vgl. WP. 2, 390, W.-Hofmann s. līma. Eine idg. Grundform *sliq-sqʷ(h)o-s (Bq) ist nicht glaubhaft. II-129
λισσάνιος nur in ὦ λισσάνιε (Ar. Lys. 1171; v. l. λυσσ-), Anrede unbestimmter Bed., von H. und Phot. mit ἀγαθός (vgl. ὦ ’γαθέ) erklärt. — Wegen der unklaren Bed. ohne sichere Etymologie. Nach Bechtel Dial. 2, 376 f. Hypostase aus λισσὸς ἀνιᾶν, "der keine ἀνία bringt" = ‘harmlos’, aber das Hinterglied gehört wohl eher zu ἡνία ‘Zügel’. Auch das Vorderglied ist indessen mehrdeutig; wenn wir von der v. l. λυσσάνιε des Cod. Ravennas absehen (wohl Verschlimmbesserung nach λύσσα; vgl. μαινόμενε Sch.), ist Anknüpfung möglich nicht nur an λισσός ("mit glatten Zügeln", d.h. ‘lenksam’??), sondern auch an λίσσομαι ("der um Zügel fleht" = "der gelenkt werden will" = ‘gehorsam’?); vgl. πειθ-, φιλ-ήνιος. II-129-130
λίσσομαι (aus *λιτ-ι̯ομαι), Aor. λιτέσθαι, λίσασθαι (alles vorw. ep. poet. seit Il.), neues Präs. λίτομαι (h. Hom. 16, 5, Ar. in lyr.. AP u. a.) ‘bitten, flehen’. Ableitungen: 1. λιταί f. pl., selten λιτή sg., ‘die Bitten, das Gebet’ (ep. poet. seit Il., auch Hdt. u. sp. Prosa; zur Bildung Porzig Satzinhalte 231 f.) mit λιταῖος Bein. des Zeus (Bithynien Ip), λιτήσιος ‘bittend’ (Nonn.; nach ἱκετήσιος. Chantraine Formation 42), λιτάζομαι ‘bitten, flehen’ (sp.). 2. Mit ν-Sufflx: λιτανός ‘bittend’ (A. in lyr.) mit λιταίνω ‘bitten’ (E. in lyr.), λιτανεύω ‘ds.’ (vorw. ep. poet. seit Il.); davon λιτανεία f. ‘Bittgebet’ (LXX, Pap., D. H. u. a.), -ευτικός ‘zum Gebet gehörig’ (Sch.). 3. λιτῆρα θαλλόν· τὸν ἱκέσιον H. 4. Vbaladj. -λιστος in Zusammenbildungen : τρί-, πολύ-, ἄ-λλιστος ‘dreifach, viel-, nicht erfleht’ (ep. seit Il.; zu -λλ-, auch in ἐ-λλίσσετο u. a., Chantraine Gramm. hom. 1, 176). — Ein Adj. *λιτός ‘flehend’ existiert nicht, s. Chantraine Rev. de phil. 79, 16ff. — Unerklärt. Ganz unsichere Hypothese bei WP. 2, 391 und W.-Hofmann s. litō (nach Prellwitz, Wood KZ 45, 65, v. d. Osten-Sacken IF 33, 228 f.): λίσσομαι eig. *"streichelnd berühren" zu balt. Wörtern für ‘berühren, antasten’, z.B. lit. liẽsti, lytė́ti (dazu Fraenkel Wb. s. laĩtas), mit weiterem Anschluß an die Sippe von ἀλίνω. — Lat. LW lĭtāre ‘unter günstigen Vorzeichen opfern’ aus *litā < λιτή ?; zur abweichenden Bed. s. W.-Hofmann s. v. II-130
λισσός ‘glatt’ s. 2. λίς. II-130
λίστρον n. (-ος m.) ‘Eisen zum Schürfen, Ebnen, Graben usw.’ (χ 455, Lyk., Mosch. u. a.). Davon λίστριον n. ‘platte Kelle, Schürfeisen’ (Ar. Fr. 809, Inschr. Lebadea), λιστρωτός ‘geebnet’ (Nik.) mit λιστρόω (Eust.), λιστρεύω etwa ‘umgraben’ (ω 227), λιστραίνω ‘ds.’ (Suid.). — Gerätebezeichnung auf -τρον ohne sichere Erklärung. Kann als *λίτ-τρον zu λίς, λιτ-ός ‘glatt, eben’ gehören (Curtius 367). Gegen Verbindung mit lett. lîdu, lîst, lit. lýdyti ‘roden, glätten’ (Bezzenberger-Fick BB 6, 240; zuletzt Specht KZ 66, 220) Fraenkel Wb. s.v.; gegen Anknüpfung an lat. līra ‘Furche’ (Niedermann IF 18 Anz. 80) Bq, WP. 2, 379, W.-Hofmann s. v. II-130
λῖτα, λιτί λιτός ‘schlicht, einfach’ ‘glatte Leinwand’, s. 2. λίς. II-130
λιταί f. pl. ‘die Bitten’ s. λίσσομαι. II-130
λῑ̆ταργίζω, Fut. -ιῶ, ‘davonlaufen, ausreißen’ (Ar. Pax 562, Nu 1253, beide Male Fut.); λιταργίζειν· τροχάζειν, ἀπολιταργίσαι· ταχέως ἀποδραμεῖν H.; auch mit ἀπο-, davon λιταργισμός (Sch. Ar. Nu. 1255) und, als (erfundene?) Rückbildung, λίταργος ‘schnell laufend’ (An. Ox. 2, 236, EM 567, 38). — Unerklärt. Ein volkstümliches Wort dieser Bedeutung kann den unvorgesehensten Ursprung haben. Der Ausgang erinnert zwar an ἀργός ‘schnell’, aber mit dem Vorstück (λιτός ‘schlicht’?) läßt sich nichts anfangen. II-130-131
λίτρα f. ‘Pfund’, als Gewicht und Münze, als sizil. Silbergeld = eine halbe Mine od. 50 Drachmen (Epich., Sophr., [Simon.] 141, hell. u.sp.). Kompp., z.B. δεκά-λιτρος ‘zehn Pf. wert’ (Epich., Sophr. u. a.), λιτρο-σκόπος ‘Geldwechsler’ (S. Fr. 1065). Davon λιτραῖος (AP, Gal.), auch λιτρ-ιαῖος (Gal.; vgl. Chantraine Form. 49) ‘ein Pfund wert od. enthaltend’; λιτρίζω ‘abwiegen, verabfolgen nach Gewicht’ mit λιτρισμός (Pap.); auch λιτρασμός ‘libratio’ (Gloss.). — Mittelmeerwort, aus Sizilien stammend und mit lat. lībra ‘Waage, Pfund’ identisch. Als gemeinsame Grundform ist ein spirantisches *līþrā anzusetzen; zum Lautlichen usw. Schulze KZ 33, 223f. (= Kl. Schr. 276f.), Schwyzer 206, Pariente Emer. 20, 389ff. Die alternative Kürze des ι in λίτρα, die nach Hdn. Gr. 2, 546, 12 dorisch sein soll, ist nicht aufgeklärt. Weitere Einzelheiten m. Lit. bei W.-Hofmann s. lībra. II-131
Λιτυέρσης, -ου, dor. -ας, -ω m. Sohn des Midas (Ath., Suid.), auch (urspr.?) Ben. eines phrygischen Schnitterlieds (Men., Theok., Ath.); Näheres bei Maas P.-W. 13, 806 f. — Hypothese von Kretschmer Glotta 14, 33ff. : als phrygisches Wort eig. "Regentau", zu lit. lytùs ‘Regen’ und ἕρση ‘Tau’. II-131
λιχανός, λιχμάομαι, λίχνος s. λείχω. II-131
λίψ, λιβός s. λείβω. II-131
λιψουρία f. ‘Verlangen zu pissen’ (A. Ch. 756). — Abstraktbildung auf -ία von einem vorschwebenden *λιψ-ουρέω od. *λίψ-ουρος, Rektionskompositum aus *λῖψαι ‘begehren’ (zu λίπτω, s. d.) und οὖρον (vgl. Schwyzer 444: 2b, 468: 4). Daraus erschlossen λίψ· ἐπιθυμία H.? II-131
λοβός m. ‘Lappen, Läppchen, Lobe’ als Ben. verschiedener lappen- od. zipfelähnlicher Körper- und Pflanzenteile, bes. ‘Ohrläppchen’ (seit Ξ 182), auch ‘Leberlappen’ (Hp., A., E., Pl. u. a.), ‘Lungenlappen’ (Mediz.) usw.; ‘Blattlappen, Blättchen des Fliederblattes’ (Thphr.), ‘Samenlappen, (herabhängende) Schote der Siliquosae- und Leguminosaepflanzen’ auch diese selbst, ‘Hülse, Samenkapsel, Fruchtschale im allg.’ (Thphr., Dsk., Gal. u. a.). Einzelheiten bei Strömberg Eranos 40, 90ff.; er will die Bed. ‘Schote, Hülse’ durch volkstümliche Assoziation mit λοπός ‘Schale, Rinde, Schuppe’ erklären, was sich bei der oben angenommenen Bed.-Entwicklung erübrigt. Demin. λόβιον (Gal., Dsk.). Oft als Hinterglied, z.B. πρό-λοβος m. ‘Kropf der Vögel, Adamsapfel’ (Arist., LXX u. a.), aber προ-λόβιον ‘der vordere Teil des Ohrläppchens’ (Poll., H.); ἔλ-λοβος ‘in der Hülse befindlich, mit Hülse versehen’ (Thphr.; erweitert ἐλλοβ-ώδης ‘ds.’; vgl. Strömberg Theophrastea 164), aber ἐλ-λόβιον ‘Ohrring’ (Luk., S.E. u.a.); ἀντι-λόβιον, -βίς ‘Teil des Ohrläppchens gegenüber dem προλόβιον’ (Mediz.); ἐπιλοβίς· μέρος τοῦ ἥπατος H.; als Adj. in ἡ ἐπιλοβὶς γλῶσσα ‘Leberzeichen’ (der Wahrsager, PAmh. 2, 14, 21; III—IVp); als Ausdruck des Bauwesens καταλοβεύς m. ‘Obergesims, Querbalken’ (Epid., Hierapytna); ὀξυλοβ-έω ’τὸ ταχέως ἀκούω’ (Suid.), von *ὀξύ-λοβος, s. Strömberg a.a.O. — Etymologie umstritten. Semantisch sehr ansprechend ist die Anknüpfung an nhd. Lappen u. Verw., z.B. ags. læppa m. ‘Zipfel, Lappen’, ēar-læppa ‘Ohrläppchen’, vereinzelt ohne expressive Gemination wie wno. lapa ‘schlaff herabhängen’, mnd. ōr-lepel ‘Ohrläppchen’. Dazu mit abweichendem ă-Vokal lat. lăbāre ‘wanken, schwanken’ neben Vokallänge in lābor, lābī ‘gleiten’; mit anl. sl- z.B. mnd. slap ’schlaff’, lit. slãbnas, aksl. slabъ ‘schlaff’; ausführlich darüber WP. 2, 431 f., W.- Hofmann s. labō; dazu noch Pok. 655 f.; Fraenkel Wb. s. slãbnas, Vasmer Wb. s. slábyj. Das dabei anzusetzende idg. b mag, wie die schwankende Vokalisation, mit dem volkstümlichexpressiven Charakter der betr. Wörter zusammenhängen. — Die Heranziehung von lat. legūmen ‘Hülsenfrucht usw.’ (Fick, Prellwitz u. a.) wurde idg. legʷ- voraussetzen, was unzweifelhaft ansprechender wäre; das lat. Wort ist aber auch anders gedeutet worden, s. W.-Hofmann s. v. — Neben λοβός scheint ein *λέβος bestanden zu haben, s. 1. λεβηρίς. II-131-132
λογάδες pl. f. (sg. Poll. 2, 70) ‘Augäpfel, τὰ λευκὰ τῶν ὀφθαλμῶν’ (Sophr. 49, Kall. Fr. 132, Nik. Th. 292), auch = ‘Augen’ (AP 5, 269). — Metaphorische Verwendung von λογάδες (λίθοι) ‘aufgelesene’, d.h. ‘unbehauene Steine, Rollsteine’ im Gegensatz zu ‘Quadersteine’ (Paus. 7, 22, 5); vgl. noch λογάδην ‘durch zufällige Auslese’, von Steinen (Th. u. a.), λιθο-λόγος (-έω, -ία) ‘der mit unbehauenen Rollsteinen arbeitet’ (Gegensatz λιθο-τόμος, -ουργός); zu bemerken auch die alternative Erklärung von λογάδας als ‘ψήφους λευκάς’ bei H. Ebenso schwed. ögon-sten ‘Augapfel’, eig. "Augenstein". — Abzulehnen EM572, 42 (zu λοξόομαι, λοξός), Zupitza German. Gutt. 215 (zu ags. lōcian ‘look’ usw.; WP. 2, 381), Bechtel Dial. 2, 284 (zu λέγνον ‘Saum’; s. d.). Weiteres s. λέγω; vgl. auch zu λωγάλιοι. II-132-133
λογγάζω, Aor. λογγάσαι ‘zögern, zaudern, verweilen’ (A. Fr. 112, Ar. Fr. 811) mit λογγάσια n. pl. (H. auch sg. f. -σίη) eig. "(Stelle zum) Verweilen", ‘Steine zum Befestigen der Schiffstaue’ (H., Phot. s. λογγάζειν), — Bildung wie γυμνάσιον, -σία zu γυμνάζομαι usw. (Schwyzer 469f.); auch λογγῶνες m. pl. ‘ds.’, nach EM 569, 42 syrak., abgekürzte Form nach den Standortbezeichnungen auf -(ε)ών. — Kann von dem synonymen λαγγάζω (s. d.) nicht getrennt werden; der ο-Vokal bleibt dunkel. Vgl. Bechtel Dial. 2, 285. II-133
λόγος, λόγιος usw. — Zu λόγιος noch Pfligensdorffer WienStud. 61—62, 5ff. (vor allem ion. u. koine); zu Λογίνα (Λόγος καὶ Λογίνα Tit. von Epich.) Hoenigswald Lang. 17, 247ff., der darin eine scherzhafte Nachahmung von lat. (ital.) -īna (gallīna usw.) sieht. Bedenken bei Risch Glotta 35, 67; s. auch Kaibel z. St. s. λέγω. II-133
λόγχη f. ‘Speer-, Lanzenspitze, Wurfspieß, Lanze’ (vorw. ion. poet. seit Pi.). Kompp., z.B. λογχο-φόρος ‘Lanzenträger, Leichtbewaffneter’ (E., Ar., X., Plb. u. a.), δί-λογχος ‘doppellanzig’ (A.). Ableitungen. Deminutiva: λογχ-ίον (hell. u. sp. Inschr.), -άριον (Posidon., Luk. u. a.), -ίς (hell. [?] Lyr.), -ίδια (H. s. ζιβύννια). Adj.: λόγχιμος ‘zur Lanze gehörig’ (A. in lyr.; wohl nach μάχιμος, Arbenz 79); λογχωτός ‘mit Lanze versehen’ (B., E., hell. Inschr. u. a.; zur Bildung Schwyzer 503 : 4) mit λογχόομαι, s. unten; λογχήρης ‘ds.’ (E. in lyr.), λογχαῖος· μετὰ τῆς λόγχης (Suid.). Subst.: λογχίτης m. ‘Lanzenträger’ (Hdn.; Redard 41), λογχῖτις f. Pflanzenname (Dsk., Gal. u. a.; nach der Form des Samens, Strömberg Pflanzennamen 55). Verba: λογχόομαι ‘mit Lanze versehen’ (Arist., Str. u.a.; wohl Rückbildung aus λογχωτός) und die ganz vereinzelt belegten λογχεύω ‘mit einer Lanze durchbohren’ (AP 9, 300 in tit.), λογχάζει H. als Erkl. von δοράζει. — Aus λόγχη ngr. λόχη ‘Flamme’ mit λοχεύω vom Stechen der Biene, übertr. von der Fieberhitze, s. Hatzidakis bei Kretschmer Glotta 5, 293. — Unerklärt. Mehrere unbefriedigende Hypothesen. Zu λαγ-χάνω als "die Erreichende" (Solmsen Unt. 83 m. A. 1 zögernd mit Prellwitz); eig. "die Lange" von *λογχος = lat. longus (Prellwitz Wb.2, Walde LEW2 s. longus), evtl. durch Kreuzung mit einem zu λαχαίνω gehörigen *λάχη mit weiterer Anknüpfung an kelt., z.B. mir. lāigen ‘Lanze’ (Walde LEW2 s. lancea; dagegen s. λαχαίνω), wobei auch lat. lancea als indirekte Entlehnung aus λόγχη einbezogen worden ist, s. W.-Hofmann s. v. mit Lit. u. weiteren Einzelheiten. II-133-134
λοιγός m. ‘Verderben, Unheil, Tod’ (poet. seit Il.), sekund. Adj. = λοίγιος (Nik., AP; vgl. λοιγήεις, -ής unten). Als Hinterglied in βροτο-λοιγός ‘Menschen verderbend’ (von Ares u. a., ep. poet. seit Il.), auch in ἀθηρη-λοιγός "Achelverderber" (?), ‘Worfschaufel’ (Od.). Davon λοίγιος ‘verderblich, unheil- bringend, tödlich’ (ep. seit Il.), auch λοιγήεις, -ής ‘ds.’ (Nik.; poet. Umbildungen, vgl. Schwyzer 527: 2 und 513: β); λοιγίστρια· ὀλοθρεύτρια H. — Eig. Nomen agentis "der Verderber" (vgl. Porzig Satzinhalte 307) von einem im Lit. erhaltenen primären Verb líegti ‘schwer krank sein, siechen’ (idg. leig-), wozu noch das schwundstufige Nom. actionis ligà, lett. liga ‘Krankheit, Seuche’; in Betracht kommt noch alb. lig ‘böse, mager’ und (mit idg. q) air. līach ‘elend, unglücklich’. Anklingend mit prothet. Vokal ὀλίγος ‘gering, klein’ und arm. aɫk‘-at ‘arm, dürftig’ (aus *oliqo-); Laryngalhypothesen bei Austin Lang. 17, 87. — WP. 2, 398 (m. reicher Lit.), Pok. 667, Fraenkel Wb. s. ligà (m. Lit.). Altere Lit. auch bei Bq. Sehr weittragende und unsichere Kombinationen von Krogmann IF 53, 44ff., Jegers Balt. Etymologien (Comment. Balt. IV—V: 3, Bonn 1958) 20ff., Specht Ursprung 125, 218, 226. II-134
λοιδορέω, Aor. λοιδορῆσαι, ‘schmähen, schimpfen, schelten, lästern’ (Pi., ion. att.). vereinzelt mit Präfix wie ἀπο-, συν-, προσ-, Davon λοιδορία ‘Schmähung, Lästerung’ (att.); auch λοιδόρ-ησις (Pl., LXX), -ησμός (Ar.), -ημα (Arist., Plu.), -ημάτιον (Ar.); -ητικός ‘schimpfend’ (Arist. u.a.), -ιστής II. als Erklärung von κόβειρος (*λοιδορίζω; nach ἀγωνιστής u. a.); dazu als Rückbildung λοίδορος ‘schimpfend, der Lästerer’ (E. Kyk. 534, Arist., hell. u. sp.); vgl. Frisk Eranos 41, 55ff. — Bildung wie πολι-ορκέω, δειρο-τομέω, οἰνο-χοέω usw., aber sonst dunkel. Ganz fragliche Deutungsversuche bei Frisk a.a.O.: zu δέρω ‘schinden’ und einem mit λύω (s.d.) verwandten Vorderglied?; oder von *λοῖδος = lat. lūdus ‘Spiel’, λίζει· παίζει H. (mit Fick 1, 533), und zwar über *λοιδόλης (wie μαινόλης u.a.) mit Dissimilation λ—λ > λ—ρ? —Ausführliche Lit. bei Bq, WP. 2, 402, (Pok. 666), W.-Hofmann s. lūdus. II-134
λοιμός m. ‘Pest, tödliche Seuche’ (seit Α 61), übertr. ‘verderblicher Mensch’ (seit D.), auch in adj. Funktion (LXX, christl. Lit.); zur Bed. Pfister PhW 60, 222ff.; λοίμη H. wohl für λύμη. Davon λοιμώδης ‘pestartig’ (Hp., Th. usw.), λοιμικός ‘zur Pest gehörig’ (Hp., hell. u. sp.; Chantraine Études 121), λοίμιος Bein. des Apollon in Lindos (Makr.); λοιμότης ‘pest- artiger Zustand’ (LXX); λοιμεύομαι ‘mit der Pest behaftet sein’ (LXX), λοιμώσσω, -ώττω ‘an der Pest leiden’ (Gal., Luk. u. a.). — Gewöhnlich als eine mit λῑμός (s. d.) ablautende aber im Suffix übereinstimmende Bildung betrachtet. Auch λοιγός ist als wurzelverwandt damit verknüpft worden, wobei eine dritte suffixale Variante in λοιτός· λοιμός H. gesucht wurde (Persson Stud. 15, Specht Ursprung 218, 226). In λοιμός läßt sich auch eine rein griechische Kreuzung von λιμός und λοιγός vermuten; λοιτός wird von Schmidt s.v. mit guten Gründen als Verschreibung für λοιγός ausgemerzt (anderer Vorschlag bei WP. 2, 402). — Abweichend über λοιμός (zu λείβω?) Wackernagel KZ 30, 295 (= Kl. Schr. 1, 658); wieder anders Prellwitz s. v. (s. WP. 2, 388). II-134-135
λοιπός ‘übrig’ s. λείπω. II-135
λοῖσθος 1. (vereinzelt ep. poet. seit Ψ 536), λοίσθιος (Pi., Trag., Theok., A. R.), (τὸ) λοίσθιον Adv. ‘zuletzt’. ‘der äußerste, der hinterste, der letzte’, Davon λοισθήϊος ‘auf den letzten bezüglich’, (τὰ) λοισθήϊα ‘der letzte Preis’ (Ψ 785, 751; wie ἀριστήϊον, -ϊα; vgl. Risch ̨ 46); λοίσθημα· τέλος, πέρας H. (zur nominalen Ableitung Chantraine Form. 178). Unklar λοίσθωνας· τοὺς ἀκρατεῖς περὶ τὰ ἀφροδίσια H. und λοισθώνη· ἡ θρασεῖα Suid. — Einzelheiten bei Seiler Steigerungsformen 121; zu λοῖσθος: -ιος auch Chantraine 37. — Ohne Etymologie. Die wiederholten Erklärungsversuche sind alle erfolglos geblieben: aus *λοιhισ-θϝ-ος "der im Lauf schwächste" zu θέω und germ. *laisiz ‘weniger, minder’ in nengl. less u. a. (Osthoff MU 6, 314ff. m. Lit. u. ausführl. Behandlung); aus *λοιhισ-τος (WP. 2, 388; ablehnend Schwyzer 537 A. 7); zu lit. léidžiu, léisti ‘lassen’, lat. lūdus ‘Spiel’ usw. (Danielsson Altital. Stud. 4, 171ff.; Person Beitr. 2, 711 A. 1 u. 962, Brugmann IF 18, 433ff.; im einzelnen voneinander abweichend); aus *λοhισ-τος zu got. las-iws ‘schwach, kraftlos’ usw. (Solmsen IF 13, 140ff.). Noch anders Scheftelowitz KZ 56, 179 (mit Kritik früherer Vorschläge): aus *sloidh-to- zu aksl. po-slědьńь ’ἔσχατος, äußerster, letzter’ (von slědъ ‘Spur’), lit. slýsti, slýdau ‘gleiten’, ὀλισθάνω usw.; idg. (s)leidh-’schlüpfrig, gleiten’ (WP. 2, 707f., Pok. 970f.). II-135
λοισθος 2. m. etwa ‘Balken’ (IG 22, 1673, 17; IVa), auch als Attribut von δόρυ, etwa ‘Deckbalken’ (E. Hel. 1597). — Ngr. λοστός ‘Hebebaum, -eisen’ scheint ein urspr. λοϊσθός vorauszusetzen, s. Georgacas Glotta 36, 168. Sonst dunkel; improvisierte Vermutung von Persson Beitr. 2, 962 (zu S. 711 A. 1): zu lett. laides ‘Bretter am oberen Rand eines Kahnes’ (nach Mühlenbach-Endzelin als "Eingelassenes, Ausgebreitetes" von laĩst ‘lassen’). II-135-136
λοίτη · τάφος, λοιτεύειν· θάπτειν H. — Wohl mit Persson Beitr. 1, 222 (WP. 2, 402) zu einem Verb für ‘gehen, weggehen. vergehen’ in germ., z.B. got. (af)-leiþan, awno. līđa, ahd. līdan (> nhd. leiden) mit dem Kausativum awno. leiđa ‘führen, geleiten, begraben’, ahd. leiten ’leiten, führen usw.’; dazu die Nomina awno. leiđi n. ‘Grabstätte’, ahd. leitī f. ‘Führung, exequiae’. Auch im Iranischen hat sich das Verb als euphemistischer Ausdruck des Dahinscheidens, des Ster bens erhalten (aw. raēϑ-, Präs. iriϑyeiti). II-136
λοιτος Beiw. von νόος (= ἁγνός?, Supp. Epigr. 8, 716, 14 [Balbilla]). — Unerklärt. II-136
Λοκροί m. pl. N. eines hellen. Volksstammes (seit Il.), sekund. Adj. ‘lokrisch’ (Lyk.). Davon Λοκρίς (γῆ) f. N. der betr. Landschaft (Pi., Ar. u. a.), Λοκρικός ‘lokrisch’ (Poll.), Λοκριστί Adv. ‘auflokrische Weise’ (Ath.). — Ganz fragliche Vermutung von Kretschmer Glotta 4, 343 f. (vom Verf. selbst als eine sehr unsichere Hypothese bezeichnet) : eig. "Bogenkämpfer" als Abkürzung von *Λοκρό-μαχοι (vgl. Δωριεῖς: Δωρίμαχος s. Δωριεῖς) zu λεκροί und λικροί· οἱ ὄζοι τῶν ἐλαφείων κεράτων H. Abenteuerliche Kombinationen bei Kannengießer Klio 11, 45 (als vorgriech. zu Lucretius und anderen etrusk. Namen). II-136
λοξός ‘seitwärts gebogen, schief, schräg’, übertr. ‘zweideutig’ (ion. att.). Späte Kompp., z.B. λοξο-κέλευθος ‘mit schrägen Pfaden’ (Nonn.), παρά-λοξος ‘schief, schräg’ (Sor.; vgl. παρα-λοξαίνομαι unten). Ableitungen : Λοξίας, ion. -ίης m. Bein. des Apollon als weissagender Gottheit (B., Hdt., Trag. usw.), auch auf die Schiefe der Ekliptik übertragen (Astr.; vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 256), Λοξώ f. Tochter des Boreas (Kall., Nonn., EM 641, 57). — λοξικὸς κύκλος ‘die Ekliptik’ (Astr.), λοξότης ‘Schiefheit, Zweideutigkeit’ (Str., Plu. u. a.). — Denominative Verba: λοξόομαι, -όω, auch mit ἐπι-, ὑπο-, ‘schief sein, machen, scheel ansehen’ (Sophr., Hp., Herod. u.a.) mit λόξωσις ‘Neigung, Schiefe (der Ekliptik)’ (Epikur., Str.u.a.); (δια-)λοξεύω ‘schief, zweideutig machen’ (Lib.) mit λοξεύματα pl. ‘Schiefheiten’ (Man.); παρα-λοξαίνομαι ‘schief angebracht werden’ (Hp.), — Es gibt mehrere sinn- od. stilverwandte Adj. mit σο-Suffix: γαυσός, καμψός, φοξός, ῥυσός usw. (Schwyzer 516, Chantraine Form. 434, Specht Ursprung 199ff.). Beziehung zu λέχριος, auch zu λεκροί (s. Λοκροί) scheint sicher od. wenigstens sehr wahrscheinlich, aber wie bei so vielen dieser Adj. läßt sich die Bildung nicht genau feststellen; der o -Vokal spricht für ein nominales Grundwort. Die weiteren Beziehungen sind im ganzen wenig greifbar, so namentlich die angebliche Verwandtschaft mit λέκος, λεκάνη ‘Mulde, Schüssel’, lat. lanx (Bed.!). Semantisch näher kommt lat. licinus ‘aufwärts gekrümmt’; ganz hypothetisch dagegen der gall. VN Lexovii, Lixovii; aus dem Keltischen wird noch herangezogen kymr. llechwedd ‘Abhang, Neige’. Es kommen hinzu Ausdrücke für Ellenbogen, Arm und andere (gekrümmte) Körperteile mit anlautendem Vokal, z.B. lit. alkúnė ‘Ellenbogen’, russ. lókotь ‘Elle(nbogen)’ (urslav. *olkъt-), arm. olok‘ ‘Schienbein’. —Bei Abtrennung von k und wahlfreier Hinzufügung von ei (idg. el-ei-, l-ei- ‘biegen’) verliert man sich rettungslos in dem etymologischen Sumpf, s. WP. 1, 156ff., Pok. 307ff., W.-Hofmann s. lacertus, lanx, valgus m. reicher Lit. II-136-137
λοπός m. ‘Schale, Rinde, Schuppe’ mit λοπάς, -ίς usw. s. λέπω. II-137
λορδός ‘mit dem Oberkörper rückwärts gekrümmt, mit einwärts gebogenem Rücken’, auch sens. obsc., Gegensatz κυφός (Hp., Arist.). Davon Λόρδων, -ωνος m. N. eines Dämons (Pl. Kom. 174, 17, neben Κύβδασος von κύβδα); λορδόομαι, -όω ‘(sich) einwärts biegen, den Rücken einziehen’ (Hp., Kom. u. a.) mit λόρδ-ωσις, -ωμα ‘Verkrümmung des Oberkörpers nach einwärts’ (Hp., Gal.), Gegensatz κύφ-ωσις, -ωμα; auch λορδαίνω = -όω (Hp.). — Zu diesem im Griech. isolierten Adj. lassen sich Verwandte nicht nur in dem nahverwandten Armenischen, sondern auch im Westen, im Keltischen und Germanischen, vermuten. Eine auffallende semantische Ähnlichkeit zeigt besonders arm. lorc̣-k‘ pl. (i-St.) = ὀπισθότονοι (Pl. Ti. 84e), d.h. ‘krampfhafte Verkrümmung des Oberkörpers nach einwärts’ (vgl. λόρδωσις, -ωμα oben); dabei muß jedoch lorc̣-k‘ auf idg. *lor(d)-sk-(i)-zurückgeführt werden. Eine dazu stimmende Bildung kann auch in kelt. (gäl.) loirc f. ‘mißgestalteter Fuß’ vorliegen, das ebenfalls eine idg. Grundform *lor(d)-sk-ā zuläßt. Hinzu kommen, ohne sk- Suffix und im Ablaut abweichend, mhd. lerz, lurz ‘link’ (wohl eig. ‘krumm’, vgl. lürzen ‘täuschen, betrügen’ = mengl. bi-lurten ‘ds.’), idg. *lerd-, *lr̥d-. — Bq s. v., WP. 2, 439, Pok. 679 (nach Fick 1, 538 u. 3, 364, Lidén Armen. Stud. 46f.). II-137
λούματα pl. ‘Spreu’ s. λούω. II-137
λοῦσσον n. ‘weißer Kern im Tannenholz’ (Thphr. HP 3, 9, 7); zur Begriffsbestimmung usw. Strömberg Theophrastea 126, 128, 166. — Kann für *λουκ-ιον stehen als Ableitung eines in lat. lūx ‘Licht’, wenn aus idg. *louq-s, vorliegenden sog. Wurzelnomens; somit eig. "das Licht Ausstrahlende, das Leuchtende"; daneben mit i̯ā-Suffix aksl. luča f. ‘Strahl’. Eine nahverwandte o-Ableitung, idg. *louq-o-s, ist lat. lūcus ‘Hain, Wald’ usw.; hinzu kommen u. a. das Verbaladj. λευκός und das Jotpräsens λεύσσω; s. dd., auch λύχνος. II-137-138
λούω, -ομαι (seit Il., vgl. unten), auch λοέω (Ipf. λόεον δ 252). λόω (Ipf. λό’ [κ 361], λόον [h. Ap. 120], Inf. λόεσθαι [Hes. Op. 749] u. a.); daneben λοῦσθαι (seit ζ 216), λοῦνται (Hdt.), λούμενος (Ar.) usw.; dor. (Kall. Lav. Pall. 72f.) λῶντο, λώοντο; Aor. λοῦσαι, -σασθαι (seit Il.), ep. auch λοέσ(σ)αι, -έσσασθαι, dor. λωσάμενος (Kyrene), Pass. λουθῆναι (Hp.), -σθῆναι (LXX, Pap.); Fut. λούσω, -ομαι (ion. att.), λοέσσομαι (ζ 221), Ptz. Perf. λελουμένος (Ε 6), ‘baden, (den Körper) waschen’. auch mit Präfix, bes. ἀπο-, ἐκ-, Ableitungen. 1. λουτρόν, Hom. λοετρόν, dor. λωτρόν (H.), gew. (bei Hom. immer) im Plur. ‘das Bad, der Badeort’ (seit Il.); als Vorderglied z.B. in λοετρο-χόος ‘Badewasser eingießend, Badediener(in)’ (Hom. usw.; myk. re-wo-to-ro-ko-wo?; s. unten); davon λούτριον n. ‘Badewasser’ (Ar., Luk.), ἀπολούτριος ‘zum Abwaschen gebraucht’, vorn Wasser (Ael.), λουτρών, -ῶνος m. ‘Badezimmer, Badehaus’ (X., hell. u. sp.) mit -ωνικός ‘zu den Badeanstalten gehörig’ (Cod. Just.), λουτρίς f. ‘zum Bad gehörig’ (Theopomp. Kom., H., Phot.), λουτρικός H. s. ξυστρολήκυθον, λουτρόομαι ‘baden’ (Euböa); unklar myk. re-wo-te-re-jo. — 2. λούτρα f. ‘Sarg’ (Korykos; zur Bed. vgl. μάκρα [aus μάκτρα] ‘Badewanne, Sarg’). — 3. λουτήρ m. ‘Badewanne’ (LXX, Inschr. u.a.), -ήριον n. ‘ds.’ (Antiph., Inschr. u. a.; λωτ. Tab. Heracl.) mit den Demin. -ηρίδιον (Hero, Pap. usw.), -ηρίσκος (Gloss.); ἐκλουτήριος ‘zum Abwaschen’ (Aegina); ἐγλουστρίς f. ‘Badehose?’ (hell. Pap.). — 4. λούστης m. "Badender", ‘der das Baden liebt’ (Arist., M. Ant.). — 5. λοῦσις ‘das Baden, das Waschen’ (sp. Pap. u. Inschr.), ἀπόλουσις ‘das Abwaschen’ (Pl. u. a.). — 6. λοῦμα n. ‘Strom’ (Sardes); wohl auch λούματα (cod. ἀούματα)· τὰ τῶν πτισσομένων κριθῶν ἄχυρα Κύπριοι H.; vgl. ἀπόλουμα = ἀποκάθαρμα (Sch., Eust.); oder weil die Spreu vor der Fütterung im Wasser aufgeweicht wird?; anders Bechtel Dial. 1, 451 (mit Hoffmann Dial. 1, 121). —7. λουτιάω ‘baden wollen’ (Luk. Lex. 2; nach ἐμετ-ιάω : ἐμέω u. a.). — Der Aorist λο(ϝ)έ-σαι stimmt zu κορέ-σαι, στορέ-σαι; das seltene Präsens λο(ϝ)έ-ω läßt sich als Neubildung dazu erklären (vgl. Specht KZ 59, 61). Aus λο(ϝ)έσαι konnte durch Kontraktion λοῦσαι entstehen; dazu wiederum λούω. Bei Hom. lassen sich unkontrahierte Formen oft einsetzen, z.B. λόεσεν usw. für λοῦσεν usw., auch λοέεσθαι für λούεσθαι (Ζ 508 = Ο 265). Sowohl λοῦσαι usw. wie die vereinzelten λό’, λόον, λόεσθαι sind indessen auch als Ableger eines (thematischen) λό(ϝ)-ω verständlich; die letztgenannten Formen können aber auch auf Hyphärese (vgl. Schwyzer 252 f.) beruhen. Auch λοῦσθαι, λοῦνται, λούμενος erlauben Grundformen wie *λόϝ-εσθαι *λόϝ-ονται, *λοϝ-όμενος; sie sind aber gleichzeitig aus λο(ϝ)έεσ-θαι. λο(ϝ)έονται, λο(ϝ)εόμενος erklärbar. Weitere Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer 682, Chantraine Gramm. hom. 1, 34, 347, 374, Risch ̨ 117. Ein unmittelbares Gegenstück zum einsilbigen thematischen λό(ϝ)ω scheint in lat. lav-ō, lav-ere (aus *lov-; vgl. Szemerényi KZ 70, 57 f.) vorzuliegen; dem zweisilbigen λο(ϝ)έ-σαι kann gleichzeitig das zweisilbige lavā-re (wenn Länge sekundär) entsprechen (idg. *lou̯ə-). Ob auch arm. loganam, Aor. logac̣ay ‘sich baden’ eine zweisilbige Wurzel enthält, bleibt bei der starken Produktivität der arm. Verba auf -anam ganz fraglich. Gegen den durchgehenden o-Vokal verstoßen myk. re-wo-to-ro-ko-wo und re-wo-te-re-jo; ihre Verbindung mit λοετρόν u. Verw. muß offen bleiben. Auch die im Keltischen und Germanischen erhaltenen Nominalableitungen zeigen dieselbe Vokalisation, z.B. gall. lautro ‘balneo’, air. lōathar ‘Becken’, awno. lauđr n. ‘Lauge, (Seifen )schaum’, ags. lēaþor ‘Seifenschaum’, die sich alle auf idg. *lou̯ə-tro- zurückführen lassen und also mit λο(ϝ)ετρόν identisch sein können. — Heth. laḫ(ḫ)uu̯āi-’gießen’, seit Sturtevant mit λούω verknüpft (s. Friedrich Wb.), weicht formal und begrifflich ab. — Weitere Formen mit reicher Lit. bei Bq, WP. 2, 441, Pok. 692, W.-Hofmann s. lavō. II-138-139
λοφνίς, -ίδος f. ‘Fackel’ (Lyk., AP, Kleitarch. Gloss. ap. Ath. 15, 701 a [cod. λοφίδα]) mit λοφνίδια· λαμπάδια H.; auch λοφνία f. ‘ds.’ (Anon. ap. Ath. 15, 699 d; Kaibel λοφνίδα); vgl. Scheller Oxytonierung 56. — Bildung auf -ίς bzw. -ία von *λόφνος, -νη. Wegen der Beschreibung bei Ath. τὴν ἐκ τοῦ φλοιοῦ (τῆς ἀμπέλου) λαμπάδα wohl mit Bq u. a. aus *λοπ-σν-ο-, -ᾱ zu λέπω ‘schälen’, λοπός ‘Schale, Rinde’; das σν-Suffix auch in dem sinnverwandten λύχνος (vgl. Schwyzer 327). — Nach Osthoff MU 6, 64 zu λάμπω (mit lit. lópė ‘Fackel, Licht’ u. a.), s. d.; von WP. 2, 383 abgelehnt. II-139
λόφος m. ‘Nacken von Zugtieren und Menschen, Helmbusch, Hügel’ (vorw. ep. poet. seit Il.), auch ‘Federbusch, Hahnenkamm, Haube der Vögel’ (Simon., Hdt., Ar., Arist. usw.). Oft als Hinterglied, z.B. γή-, γεώ-λοφος ‘Erdhügel’ (Pl., X. usw.) mit verdeutlichendem Vorderglied (Risch IF 59, 268); selten als Vorderglied, z.B. (τὰ) λόφουρα ‘mit buschartigem Schwanz’, Ben. von Zug- und Lasttieren (Pferden, Eseln, Mauleseln, τὰ ὑποζύγια) im Gegensatz zu den Wiederkäuern (Arist., Thphr., hell. Inschr.). — Nebenform λόφη f. ‘Kamm’ (D.S.; nach κόμη?). Ableitungen. 1. Deminutiva: λόφιον ‘kleiner Helmbusch’ (Sch.), λοφίδιον ‘Hügelchen’ (Ael.). Sonstige Substantiva: 2. λοφιά, ion. -ιή f. ‘Mähne, Haar-, Borstenkamm, Rückenflosse usw.’ (poet. seit τ 446, auch Hdt., Arist. u.a.; vgl. Scheller Oxytonierung 72 f.); 3. λοφεῖον ‘Helmbuschfutteral’ (Ar.), auch λοφίς· περικεφαλαίας θήκη H. 4. λο-φίας m. ‘mit Rückenflossen versehener Fisch’, Ben. des φάγρος (Numen. ap. Ath.; wie ἀκανθίας u.a., Chantraine Formation 94), auch der erste Wirbelknochen’ (Poll.); in der letztgenannten Bed. auch λοφαδίας (Poll.; *λοφάς, -άδιος); λοφιήτης m. ‘Hügelbewohner’ (AP, von Pan, nach πολιήτης). 5. λόφωσις m. ‘Hauben schmuck’ (Ar. Av. 291; vgl. ἀέτωσις [s. αἰετός] m. Lit.). — 6. Adjektiva: λοφώδης ‘kammähnlich, hügelig’ (Arist. u. a.), λοφόεις ‘mit Federbusch versehen, hügelig’ (Tryph., Nonn.). — 7. Verba: λοφάω ‘eine Haube tragen’ (Babr., Ar., H.; nach κομάω, Leumann Hom. Wörter 307 A. 77); λοφίζω ‘den λ. in die Höhe heben’ (Zonar.); λοφόομαι ‘sich erheben, einen Hügel bilden’ (Eust.). — 8. Hypostase: καταλοφάδεια Adv. ‘vom Nacken herabhängend’ (κ 169 mit metrisch bedingtem -εια, vgl. κατωμάδιος, κατωμαδόν; Chantraine Form. 39, Gramm. hom. 1, 101 u. 176). — Weil sowohl Alk. (Z 65) wie Hdt. (1, 171) den Helmbusch als eine karische Erfindung betrachten, will Schulze Q. 257, 4 in λόφος im Sinn von ‘Helmbusch’ ein karisches LW sehen, das er, gewiß mit Unrecht, von λόφος ‘Nacken’ zu trennen vorschlägt. — Eine annehmbare Anknüpfung bietet toch. A lap ‘Kopf’ (Schulze Kl. Schr. 252); ksl. aruss. lъbъ ‘Schädel’ mit aksl. lъbьnъ ‘zum Schädel gehörig’ (wozu u. a. russ. lob ‘Stirn’, ukr. ɫob ‘Stirn, Kopf’) macht wegen des Vokals große Schwierigkeiten. Unsicher illyr. PN Otto-(Atto-)lobus (Mayer Glotta 32, 83). — Lit. bei Vasmer Wb. s. lob, Sadik-Aitzetmüller Hwb. zu den aksl. Texten 264 (No. 486), v. Windekens Lex. étym. s. lap. Verfehlte idg. Etymologien werden von Bq abgelehnt. II-139-140
λόχμη f. ‘Wildlager’, λόχος m. ‘Hinterhalt, Kindbett’ usw. s. λέχεται. II-140
λόγαῖος ‘dunkel’ s. ἠλύγη. II-140
λύγδος f. ‘(weißer) Marmor’ (D. S., Peripl. M. Rubr., AP) mit λύγδ-ινος ‘aus Marmor, marmorweiß’ (Babr., Philostr., AP, Kyrene), -ίνεος ‘ds.’ (AP). Dazu λύγδη· τὸ δένδρον ἡ λεύκη H. — Ausgang wie in μόλυβδος, κίβδος u. a. und wie diese ohne Etymologie. Die Anknüpfung an λευκός u. Verw. (Bq u. a.) ist morphologisch schwer zu begründen, da -δος, von Schallwörtern wie κέλαδος (s. d.) abgesehen, kein lebendiges Suffix ist. II-140-141
λύγος f. (m.) ‘biegsamer, zum Flechten geeigneter Zweig, Rute’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa); einzelne Kompp., z.B. Λυγο-δέσμα f. "mit Fesseln aus Ruten", lakon. Beiname der Artemis (Paus.). Davon λύγιον ‘Gerte’ (Sch.), λυγέα ‘Weide’ (Eust.), λύγινος ‘aus Weide, weiden’ (Heph. ap. Ath.), λυγώδης ‘weidenähnlich’ (Dsk., Eust.), λυγόω ‘winden, beugen’ (AP, APl.). — Daneben λυγίζομαι, -ω ‘(sich) drehen, winden, beugen’ (Hp., att., Theok., AP u. a.) mit λυγισμός ‘Drehung, Windung, Beugung’, von Ringkämpfern, Tänzern usw. (Ar., Luk. u. a.), λύγισμα ‘Verrenkung’ (Dsk.), -ιστικός ‘gelenkig, geschmeidig’ (Poll.). — Als Verbalnomen interpretiert läßt sich λύγος mit zerstreuten Bildungen in anderen Sprachen zusammenstellen : lit. Verbaladj. lùg-nas ‘biegsam, gelenkig, geschmeidig’, wozu das denominative Jotpräsens awno. lykna (aus urg. *lukn-jan) ‘die Knie beugen’; lat. Verbaladj. wahrscheinlich luxus (aus *lug-s-os) ‘verrenkt’ (vgl. λύγισμα). Hierher noch das lat. Frequentativum lucto(r), luctāre, -rī ‘ringen’ (mit der Rückbildung lucta f. ‘Ringkampf’), eig. *"sich winden, drehen"; vgl. λυγισμός. Weitere, mehr od. weniger hypothetische Anknüpfungen bei Bq, WP. 2, 413f. (nach Persson Beitr. 1, 203ff. u.a.), Pok. 685 f., Fraenkel Wb. s. lùgnas; dazu noch (sehr hypothetisch) Jēgers Comment. Balt. IV—V:3, 24ff. — Die ursprüngliche Bedeutung von λύγος wäre somit "Windung, Biegung"; möglich ist, daß in dem weiter verbreiteten (aber später belegten) λυγίζομαι etwas von der abstrakten Bedeutung des Grundwortes erhalten blieb. II-141
λύγξ 1. f. ‘Schlucken’ s. λύζω. II-141
λύγξ 2., λυγκός (-γγός) m. f. ‘Luchs’ (h. Hom. 19, 24, E., Arist., Thphr., Ael. usw.). Als Vorderglied in λυκό-λυγξ ‘Wolfluchs’ (Pap. in Sb. Heidelb. 1923: 2, 14, 13); λυγγούριον (λυγκ-, λιγκ- u. a.) n. Art Bernstein (Thphr., Delos IIIa, Str. usw.), subst. Bahuvrihi von λύγξ und οὖρον, weil der betr. Stein als aus dem Urin des Luchses entstanden galt. Davon λυγκίον Demin. (Kallix.), λύγγιος ‘vom Luchs’ (Edict. Diocl.). Zum mehrdeutigen PN Λυγκεύς (Hdt., Pi. u. a.) s. Boßhardt 130f.; davon λυγκεύς als Ben. einer Augensalbe (Mediz.). — Alter Name des Luchses, der auch im Armenischen, Germanischen und Baltoslavischen erhalten ist. Bis auf den Nasal hat λύγξ ein Seitenstück im lit. Konsonantstamm lūš-ų (Gen. pl.), wozu als Neubildung der i-Stamm lū́š-is. Dieselbe Umbildung zeigen die slav. Wörter, die aber durch Beeinflussung eines anderen Wortes (*rysъ ‘scheckig, rot’?) ein anlaut. r- erhielten: russ. rýsь usw. Auch sonst sind Umbildungen eingetreten: mit thematischem Vokal in schwed. lō ‘Luchs’ (urg. *luh-a-, idg. *luḱ-o-); mit s-Sufflx im Westgermanischen: ahd. luhs, ags. lox (vgl. dt. Fuchs, ags. fox); mit n-Suffix in arm. lus-an-un-k‘ (ἅπ. εἰρ.) pl., das außerdem alte Hochstufe (idg. *leuḱ- od. louḱ-) voraussetzt. Die arm. n-Bildung dürfte mit dem griech. Nasalinfix, das übrigens auch in lit. dial. (zem.) lųnšis erscheint, irgendwie zusammenhängen. — Einzelheiten m. Lit. und weiteren Anknüpfungversuchen bei Bq, WP. 2, 411 f., Pok. 690, Fraenkel Wb. s. lū́šis, Vasmer Wb. s. rýsь. II-141-142
λυγρός ‘elend, unglücklich’ s. λευγαλέος. II-142
λύζω, Aor. λύγξαι (Gal.), ‘das Schlucken haben, schluchzen’ (Hp., Ar., Arist. u. a.). vereinzelt mit ἀνα-, ἐπι-, ὑπο-, Davon λυγμός ‘das Schlucken’ (Hp., Arist., Nik. u. a.), auch = ὀλολυγμός H. (verfehlt darüber v. Blumenthal Hesychst. 42), mit λυγμώδης ‘vom Schlucken begleitet’ (Hp.); λύγδην Adv. ‘schluchzend’ (S., AP). Auch λύγξ, λυγγός f. ‘ds.’ (Hp., Pl., Th. u. a.) mit λυγγώδης = λυγμώδης (Hp.), λυγγανόμενον· λύζοντα ἐν τῷ κλαίειν H., λυγκαίνω ‘schluchzen’ (Suid.). — Zu λύζω : λύγξ vgl. ἰύζω : ἴυγξ, κλάζω : κλαγγ-ί, auch βήσσω : βήξ (s. dd.). Ob die Priorität dem Verb oder dem Nomen zukommt, ist bei einem derartigen Schallwort nicht leicht zu entscheiden. Morphologisch läßt sich λύγξ ebensogut als Rückbildung aus λύζω (< *λυγ(γ)-ι̯ω; vgl. Schwyzer 692) wie als dessen Grundwort aufzufassen; auch semantisch und funktionell scheint beides möglich. — Verwandte liegen im Keltischen und Germanischen vor, z.B. air. slucim ‘schlucken’ (aus *slu-n-k-), kymr. llyncu ‘ds.’; mnd. slūken ‘schlucken’ (idg. slūg-), mhd. slūchen (schw. Vb.) ‘ds.’; mit expressivem kk mhd. slucken ‘schlingen, schlucken, schluchzen’, dazu das Iterativ mhd. sluckzen ’schluchzen’; gr. λ- steht somit für σλ-(Schwyzer 310). Hinzu kommen indessen ohne s- (idg. lŭq-) wruss. ɫkac ‘schlucken’, poln. ɫkac ‘schluchzen’. — WP. 2, 711 f., Pok. 964. Ältere Lit. auch bei Bq. II-142
λύθρος, -ον ‘geronnenes, dickes Blut’ s. λῦμα. II-142
λυκάβας, -αντος (Akk. auch -βαν) m. (τ 306 = ξ 161, A. R. 1. 198, Bion Fr. 15, 15, Grabepigramme der Kaiserzeit aus Arkadien und Ionien) Zeitangabe unsicherer Bed., gewöhnlich als ‘Jahr’ erklärt und von den Späteren, die alle auf τ 306 zurückzugehen scheinen, in diesem Sinn gebraucht; nach Leumann Hom. Wörter 212 A. 4 eher ‘Neumondstag’ (dagegen Ruijgh L’élém. ach. 147). Die angebliche arkadische Herkunft (AB) bezieht sich wahrscheinlich auf die späten arkad. Inschriften, s. Leumann 273. Davon λυκαβαντίδες ὧραι (AP). — Etymologisch ganz dunkel (zur Bildung Chantraine Form. 269, Schwyzer 526). Die Erklärungsversuche sind wenig überzeugend: eig. "Lichtkreislauf", von *λύκ- ‘Licht’ (s. zu λύχνος) und ἄβα· τροχός H. (Fick GGA 1894, 240, Bechtel Lex. s. v., v. Blumenthal ZONF 13, 157); eig. "Lykierkönig (-priester, -gott)", d.h. Apollon, elliptisch für ‘Fest des Apollon’, lydisches Wort wie βασιλεύς (Fraser Streitberg-Festgabe 93ff.); eig. "Wolfslauf" (E. Maaß IF 43, 259ff.); eig. "Gottesdienst" (Theander Symb. Danielsson 349ff.); pelasgische Erklärungen von v. Windekens Beitr. z. Namenforsch. 5, 31 ff. und Carnoy Ant. class. 24, 19 f. Vgl. die kritischen Bemerkungen von Kretschmer Glotta 15, 198f.; 17, 214; 22, 262. — Auffallend und längst beobachtet ist die Ähnlichkeit mit dem Bergnamen Λυκαβηττός. II-142-143
Λυκηγενής Bein. des Apollon (Δ 101, 119). — Wie fur Λύκειος (A. usw.) sind für Λυκη-γενής Anknüpfungen an den Wolf (die Wölfin), an die Lykier, früher auch an das Licht (vgl. zu λύχνος) versucht worden. Über die verschiedenen Erklärung gen orientiert ausführlich Nilsson Gr. Rel. 1, 536ff. (m. Lit.); er zieht seinesteils die Deutung als ‘Wolfsgott’ ( = λυκο-κτόνος, als Schützer der Herden) vor und möchte Λυκηγενής ‘der in Lykien geborene’ auf eine Umdeutung von Λύκειος als Λύκιος ‘der Lykier’ zurückführen. — Pelasgische Deutung abenteuerlichster Art bei v. Windekens Minoica 446ff. II-143
λύκιον n. ‘Färberwegdorn, Rharnnus petiolaris’, auch Dekokt davon (Peripl. M Rubr., Dsk., Gal. u. a.). — Wohl eig. "die Lykische (Pflanze)" nach dem Standort: Dsk. 1, 100 φύεται δὲ πλεῖστον ἐν Καππαδοκίᾳ καὶ Λυκίᾳ, allerdings mit dem Zusatz: καὶ ἐν ἄλλοις δὲ τόποις πολλοῖς. Vgl. Strömberg Pflanzennamen 122. II-143
λύκος m. ‘Wolf’ (seit Il.); oft übertr., u. a. als N. einer Art Dohle (Arist.; v. l. λύκιος, vgl. Thompson Birds s. v.), eines Fisches (Hikes. ap. Ath.; Strömberg Fischnamen 105), = ‘Haken, Angel’ (Plu., Poll.) usw. Kompp., z.B. Λυκό-(ϝ)οργος > Λυκοῦργος eig. "die Wölfe abhaltend" (εἴργω), Λυκοσ-ούρα Stadt in Arkadien, nach der Zusammenrückung Κυνοσ-ούρα (Risch IF 59, 266 m. A. 1); λυκ-αψός (λύκ-) m., auch -ψίς f., N. einer giftigen Pflanze, ‘Echium italicum’ (Nik., Dsk., Gal. u. a.), eig. "Wölfe angreifend" (vgl. Strömberg Wortstudien 100f. über χορδαψός), wegen der Giftigkeit wie λυκο-κτόνον u. a. (Strömberg Pflanzennamen 66 u. 70 f.). Ableitungen. Feminina: λύκαινα ‘Wölfin’ (Arist. u.a.; nach λέαινα usw.) mit -αίνιον (Poll.; von einer Frau); λυκώ Bein. des Mondes (PMag. Par.); Deminutiva: λυκιδεύς m. ‘junger Wolf’ (Sol. ap. Plu., Theok.; Boßhardt 65), λυκίσκος· ἡ μὴ ἔχουσα ἀξονίσκον τροχαλία, τρῆμα δὲ μόνον H.; auch PN (Schwyzer 542). Sonstiges: λυκέη, -ῆ ‘Wolfshaut’ (Κ 459 u.a.), λύκειος δορά ‘ds.’ (E. Rh. 208), substantiviert λυκεία f. (Plb. 6, 22, 3); λυκώδης ‘wolfsähnlich’ (Arist.), λυκηδόν ‘nach Wolfsart’ (A.), λυκηθμός ‘Wolfsgeheul’ (Anon. ap. Suid.; nach μυκηθμός); λυκόομαι ‘von Wölfen zerrissen werden’ (X.). Zu λύσσα s. bes. Vgl. noch zu Λυκηγενής. — Zu λύκος stimmt formal genau der nordgerm. Name des Luchses, schwed. lō (urg. *luha- aus idg. *luko-; s. 2. λύγξ). Aber selbstverständlich will man eher bei dem weitverbreiteten Namen des Wolfes Anschluß suchen, der u. a. in aind. vŕ̥ka-, lit. vil̃kas, aksl. vlьkъ, got. wulfs, alb. ulk erhalten ist. Mit dem daraus sich ergebenden idg. *u̯l̥qʷos ist auch λύκος vereinbar unter der Bedingung, daß der Labiovelar den vorangehenden Sonanten gefärbt hat unter gleichzeitigem Verlust der eigenen Labialisation, vgl. Schwyzer 298 und 352; s. auch zu κύκλος. Ein ähnliches Problem bietet lat. lupus. Fern bleibt dagegen unter allen Umständen arm. gayl (eher zu ir. gāel ‘Wolf’ mit Fick 2, 259 u. a.). Bekanntlich haben bei der Namengebung des Wolfs Tabuvorstellungen eine große Rolle gespielt (Havers Sprachtabu 37ff. m. Lit.) und auch lautliche Entgleisungen herbeiführen können. Auch für idg. *u̯l̥qʷos ist ein derartiger Ursprung möglich; die Deutung als ‘Zerreißer’ (zu u̯el(q)- ‘zerreißen’ ungeachtet des Labiovelars; zuletzt Specht KZ 66, 26f.) bleibt hypothetisch. — Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 1, 316f., Pok. 1178f., W.-Hofmann s. lupus, Vasmer s. volk; dazu Benveniste BSL 44, 53. II-143-144
λῦμα, -ατος meist pl. -ατα, n., ‘Schmutz, Abfall, Kehricht, Unrat’, übertr. ‘Besudelung, Schmach o. ä.’ (ep. poet. seit Α 314 u. Ξ 371, auch Hdt. u. sp. Prosa); zur Bed. Sinclair Festschr. Dornseiff 330ff. (mit falscher Anknüpfung an λύω). —λύμη f., oft pl. -αι, ‘Mißhandlung (z.B. Verstümmelung, Geißelung), Schädigung, Schändung, Beschimpfung’ (vorw. ion. poet., auch hell. u. sp.). Ableitungen. 1. Von λῦμα: λύμακες· πέτραι H. (an alphab. unrichtiger Stelle); vgl. βῶλαξ, λίθαξ u.a. (Chantraine Form. 379); davon κατα-λυμακόομαι ‘von λύμακες ‘(d.h. ‘Unrat, Schutt’) überdeckt werden’ (Tab. Heracl. 1, 56); auch Λύμᾱξ, -κος m. arkad. Flußname (vgl. ῥύᾱξ, σύρφᾱξ u.a.; Chantraine 381 f.), nach Paus. 8, 41, 2 wegen der in den Fluß geworfenen Nachgeburt (λύματα) der Rhea, in der Tat wohl wegen der Schlammbildung (vgl. Schulze Kl. Schr. 663, auch Schwyzer RhM 77, 225ff. und Bechtel Dial. 1, 393; im einzelnen abweichend). 2. Von λύμη: λυμεών, -ῶνος m. ‘Zerstörer, Verderber’ (S., E., Tim. Pers., anch X., Isok. u.a., wie ἀπατεών; Chantraine 163) mit λυμεων-εύομαι ‘Unheil stiften’ (Plb.); λυμάχη (-χή?)· ἡ εἰς διαφθορὰν λύπη H. (nach ταραχή? στοναχή?). Umbildung von λῦμα, λύμη : λῦμαρ (Max. Astrol.; vgl. Schwyzer 519). — Denominativum λυμαί-νομαι, Aor. λυμήνασθαι (vereinzelt u. sp. λυμῆναι, -ᾶναι) 1. von λῦμα ‘(von Schmutz) reinigen’ (Hp.), gewöhnlicher ἀπο-λυμαίνομαι ‘sich abwaschen, reinigen’ (A 313f., A. R., Agath., Paus.) mit ἀπολυμαν-τήρ (Tafelsäuberer’ (ρ 220, 377); 2. weit häufiger von λύμη ‘körperlich mißhandeln, schädigen, verwüsten, schänden’, auch mit δια-, κατα- u. a. (ion. att. ark.; zur Bed. Schulze Kl. Schr. 169 m. A. 8, Fraenkel Denom. 49); davon λυμαντήρ ‘Zerstörer, Schänder’ (X.), λυμάντωρ (Timo, Epigr. Kyrene), -τής (S.) ‘ds.’ (vgl. Fraenkel Nom. sg. 2, 55) mit λυμαν-τήριος (A.), -τικός (Ph., Arr. u. a.) ‘zerstörend, schändend’. — λύθρος m. (nach βρότος, βόρβορος, πηλός u. a. ?), auch -ον n. ‘geronnenes, dickes Blut’ (Hom. [nur Dat. -ρῳ], Hp. Ep., spät) mit λυθρώδης ‘blutbefieckt’ (LXX, AP). — Zu λῦμα : λύμη vgl. γνῶμα : γνώμη, χάρμα : -μη, βρῶμα : -μη u. a. m. — Zu λῦμα, -μη stimmt alb. lum ‘Schlamm’ (idg. lum-); ein Seitenstück zu λύθρος kann in dem illyr. ON Ludrum (mit idg. dh od. d) vorliegen; nahe kommt auch alb. ler ‘Schlamm’ (idg. leu-d(h)r-). Die genannten Nomina gehen auf ein im Griechischen verschwundenes (und von λυμαίνομαι ersetztes?) Verb der Bed. ‘verunreinigen, besudeln o. ä.’ zurück, das noch in lat. pol-luō (aus *por-luō) lebt und u. a. noch zum Verbalnomen lat. lutum = air. loth ‘Dreck, Kot, Schmntz’ Anlaß gegeben hat. Andere Ableger sind lat. lustrum ‘Pfütze, Morast’ und deutsche Flußnamen wie Lune und Lienz (aus *Luantia); vgl. Λύμαξ. — WP. 2, 406, Pok. 681, W.-Hofmann s. 1. lutum. Fraenkel Wb. s. laũrė. Zu den ON bes. Krahe Beitr. z. Namenforsch. 6, 106ff. u. 242ff., Eisenstuck ebd. 7. 53ff. — Abzulehnen Specht KZ 68, 124. λύ-μη zu λύ-πη mit altem Wechsel μ : π. II-144-145
λύ̄πη f. ‘Kummer, Trauer, Schmerz’ (ion. att.); als Vorderglied in λυπο-τόκος ‘schmerzerregend’ (Halikar.). Davon λυπηρός ‘kummervoll, traurig, schmerzlich’ (ion. att.); daneben λυπρός ‘ds.’ (Trag.), oft vom Erdboden, Gegensatz εὑρεῖα (ν 243), πεδιάς (Hdt. 9, 122), auch ὀρεινή (Arist. HA 556 a.4), etwa ‘unfruchtbar, karg’; Kompp. παρά-λυπρος (Str.), λυπρόγεως, -χωρος, βιος (Str., Ph., App.); λυπρότης ‘Kargheit’, vom Boden (Str.). Denominatives Verb λυπέω, -έομαι (nach ἀλγέω; Debrunner Wortbildung ? 194) ‘in Trauer versetzen, betrüben, schmerzen; trauern, sich betrüben’ (Hes., Sapph., ion. att.) mit λύπ-ημα ‘Schmerz’ (Antipho Soph. u. a.), -ητικός ‘Schmerz empfindend’ (Arist., Plu.). — Nicht sicher erklärt. Wie λευγαλέος (s. d.) u. Verw. mit aind. rujáti ‘zerbrechen’ verbunden wird, könnte λύπη als Verbalnomen zum synonymen lu-m-páti, lupyáte ‘zerbrechen, zerreißen’ gehören, wenn es nicht näher läge, lup- als dialelktisch für rup- in aind. rúpyati, lat. ru-m-p-ō u. a. m. zu betrachten. Die übrigen auf idg. lup- zurückgehenden Wörter bedeuten vielmehr ‘abschälen, entrinden’ u. dgl., z.B. lit. lùpti ‘schälen, abhäuten, schinden’, russ. lupítь ‘schälen, enthülsen’, germ. z.B. ahd. louft, loft ‘Baumrinde, Bast’ (auch idg. lubh- möglich); WP. 2, 417f., Pok. 690f., W.-Hofmann s. rumpō, Fraenkel s. lùpti, Vasmer s. lupítь mit weiteren Formen und reicher Lit. — In dem semantisch etwas abseits liegenden λυπρός kann eine von λύπη unabhängige alte Primärbildung erhalten sein. II-145-146
λυπτά · ἑταίρα, πόρνη H. (an alphab. unrichtiger Stelle). — Von Hoffmann BB 21, 139 mit aind. lubdha- ‘gierig, begierig, lüstern’ (wozu noch lat. lubet, libet, nhd. lieb u. a. m.) gleichgesetzt. Die Glosse ist schon wegen der unrichtigen Einreihung verdächtig. II-146
λῠ́ρα, ion. λύρη f. ‘Lyra, Leier’, vier(sieben)saitiges Instrument, der Kithara ähnlich (seit h. Merc. 423; Zumbach Neuerungen 11); Kompp., z.B. λυροποιός ‘Leierfabrikant’ (Pl. u. a.), ἀντί-λυρος ‘der Lyra ähnlich’ (S.). Davon die Deminutiva λύριον (Ar.), λυρίς (Hdn. Gr.); ferner λυρικός ‘zur Leier gehörig, Leierspieler’ (Phld., Plu. u.a.); λυρίζω ‘Leier spielen’ (Chrysipp. u.a.; vgl. Schwyzer 736; dafür gewöhnlich κιθαρίζω, s.v. Wilamowitz Glaube 1, 167 A. 1) mit λυριστής ‘Leierspieler’ (Plin. u. a.), -ίστρια f. (Sch.), -ισμός ‘das Leierspielen’ (Sch.). Technisches LW aus dem Mittelmeergebiet; vgl. zu κιθάρα. Idg. Etymologien von Bezzenberger bei Fick 2, 237 (s. Bq und WP. 2, 406) und von Grošelj Živa Ant. 5, 329 (zu lat. lūra ‘Öffnung eines Schlauches, Schlauch’ usw.). Nach G. hierher auch λυρτός, epeirotisches Wort für σκύφος (Seleuk. ap. Ath. 11, 500b); kaum überzeugend. — Lat. LW lyra; ahd. līra > Leier usw. II-146
λυσιτελής ‘vorteilhaft, nützlich, preiswert’ mit λυσιτελέω ‘vorteilhaft sein, nützen’ (ion. att.), -τέλεια ‘Vorteil, Nutzen, Ertrag’. — Eig. "die Kosten einlösend, einbringend, tilgend", verbales Rektionskomp. von λύειν τὰ τέλη. Vgl. v. Straub Philol. 70, 157ff. II-146-147
λύσσα, att. λύττα f. ‘Wut, Raserei, Tollheit’ (vorw. ep. poet. seit Il.), ‘Hundswut’ (X., Arist. u. a.). Einige Kompp., z.B. λυσσο-μανής ‘toll aus Wut’ (AP), ἄ-λυσσος ’λυσσα heilend’ (Paus.), ἄ-λυσσον n. N. einer Pflanze, deren Same als Mittel gegen die Hundswut gebraucht wurde (Strömberg Pflanzennamen 91). Davon λυσσάς f. ‘wütend, rasend’ (E. in lyr. u.a.), λυσσ-ώδης (Ν 53 u.a.), -αλέος (A. R., Man.), -ήρης (Orph., Man.), -ήεις (H.) ‘ds.’; λυσσηδόν Adv. (Opp.). Denominative Verba: 1. λυσσάω, -ττάω ‘wüten, rasen, toll sein’ (Hdt., Ar., S., Pl. usw.) mit λυσσητήρ Beiw. von κύων (Θ 299; ähnlich AP 5, 265; zur Bed. Benveniste Noms d’agent 37), und λυσσητής, dor. -ατάς (Anth.) ‘Wüterich, Rasender’, λυσσ-ητικός ‘wütend, toll’ (Ael.), -ήματα pl. ‘Wutanfälle’ (E.); 2. λυσσαίνω ‘wüten, rasen’ (S.); 3. λυσσόομαι ‘wütend werden’ (Ps.-Phok.). — Bildung wie ὄσσα, γλῶσσα, αἶσα u. a., somit zunächst ein moviertes Fern., obwohl auch verbale Beziehung möglich ist (Schwyzer 474, Chantraine Form. 99); im übrigen nicht sicher erklärt. Seit F. Hartmann KZ 54, 287ff. gewöhnlich als "die Wölfin" erklärt und mit aind. vr̥kī́ḥ, awno. ylgr ‘ds.’ gleichgesetzt; vgl. noch Porzig Satzinhalte 349 f. ("die Dämonin, die den Hund zum Wolfe macht, ist selbst eine Wölfin"), Ernout Rev. de phil. 75, 154ff.; etwas zurückhaltend Risch ̨ 50b und Schwyzer a.a.O.; nach Wackernagel-Debrunner 3, 171 eher Abstrakt wie φύζα. Ablehnend Specht Ursprung 344 (u. 387), der an aind. rúc- f. ‘Licht’ anknüpft (die Wut sei nach den funkelnden Augen benannt) und wie Lagercrantz Lautgesch. 88 f. an den Ausdruck λευκαῖς φρασίν (Pi. P. 4, 194), λευκαὶ φρένες· μαινόμεναι H. (ganz anders F. Hartmann KZ 60, 223) erinnert; zustimmend Havers Sprache 4, 32, Pok. 687; zu λευκός u. Verw. auch Lasso de la Vega Emer. 20, 32ff. — Eine veraltete Deutung (Fick, Hoffmann) wird von Bq (und WP. 2, 415) abgewiesen. II-147
λύττος = ὑψηλός (St. Byz. s. Λύκτος, H.). — Nach St. Byz. auch N. einer Stadt auf Kreta "διὰ τὸ κεῖσθαι ἐν μετεώρῳ τόπῳ", = Λύκτος; somit wohl auch appellativisch mit kretischer Assimilation κτ > ττ (Schwyzer 316) — Isoliert. Nach Guntert IF 45, 345 zu got. liudan ‘wachsen’; ablehnend Kretschmer Glotta 18, 236 f. II-147
λύχνος pl. auch τὰ λύχνα, wozu sg. λύχνον (vgl. Schwyzer-Debrunner 37, Sommer Nominalkomp. 88) m., ‘(tragbare) Leuchte, Lampe’ (seit τ 34), auch als Fischname (Str., H., wie lat. lucerna; nach den Leuchtorganen, allenfalls nach der äußeren Form, Strömberg Fischnamen 55f.). Zahlreiche Kompp., z.B. λυχνοῦχος m. ‘Lampenständer, Leuchter’ (Kom.), auch als Hinterglied wie in θερμό-λυχνον = λυχν-έλαιον ‘Lampenöl’ (att. Inschr.). Viele Ableitungen. 1. Deminutiva: λυχνάριον (Pap.), λυχνίσκος Fischname (Luk.; vgl. oben). 2. Ben. des Leuchters: λυχνεῖον (Kom., Arist., hell. Inschr. u.a.) mit λυχνείδιον (-ί̄διον), λυχνίον, -ιον (Antiph., Theok., Luk. usw.), auch ‘Lampe’ (Pap.), λυχνία, -έα, -εία (hell. u. sp.; Scheller Oxytonierung 44 f.). 3. Namen des Rubins od. des Granats (wegen des roten Scheins) : λυχνίας λίθος (Pl. Kom.), λυχνίτης (Str. u. a.), auch Ben. des parischen Marmors, weil Lampen daraus gemacht wurden (Varro ap. Plin.; s. Redard 56 u. 244 A. 13), λυχνεύς (Kallix., H.), auch ‘Leuchter’ (Ath.; Boßhardt 63), λύχνις m. (D. P., Orph. L.), λυχνίς f. (Luk..; vgl. 4). 4. Pflanzennamen: λυχνίς f. ‘Himmelsröschen, Lychnis coronaria u. a.’ (Thphr., Dsk. u. a.; wegen der purpurroten Farbe, Strömberg Pflanzennamen 49), λυχνῖτις f. ‘Wollkraut, Verbascum’ (Plin., Pap., Dsk.), weil die Blätter als Dochte gebraucht wurden (Strömberg 106, Redard 73; vgl. s. θρύον). 5. Sonstige Substantiva: λυχνεών, -ῶνος m. ‘Lampenwohnung’ (Luk. VH 1, 29), λύχνωμα ‘Scharpie’ (Sch. Ar. Ach. 1175, = λαμπάδιον), mit nominalem Grundwort (Chantraine Formation 187). 6. Adjektiva: λυχν-αῖος (Prokl.), auch -ιαῖος (S. E., Gal. u.a.) ‘zur Lampe gehörig’, -ώδης ‘lampenähnlich’ (Heph. Astr.). 7. Verb: λυχνεύω ‘jemdm. leuchten’ (Areth. in Apok.). — Neben λύχνος aus *λύκ-σν-ος stehen mit durchgehender Hochstufe aw. raox-šn-a- ‘licht, glänzend’, altpreuß. lauxnos pl. ‘Sternen’, lat. lūna = praen. Losna, aksl. luna ‘Mond’, mir. luan ‘Licht, Mond’, idg. *louq-sn- oder *leuq-sn-; die abweichende Tiefstufe in λύχνος dürfte mit dem Zurückweichen des ου- Diphthongs im Griechischen zusammenhängen (vgl. Schwyzer 347). Die genannten Wörter sind alle erweiternde Umbildungen eines alten Nomens mit suffixalem -sn- vom Verb für ‘leuchten, glänzen’, das im Griech. durch λεύσσω vertreten ist; s. d. m. weiteren Verwandten (heth. luk-zi u.a.). Als Zwischenglied hat wahrscheinlich ein s-Stamm (aw. raočahn. ‘Licht’ aus idg. *leuqos-, lat. lūmen aus *leuqs-men- usw.) gedient. Ganz unsicher ist λουνόν· λαμπρόν H.; Hypothesen bei v. Blumenthal Hesychst. 34 und Specht Ursprung 187. Zum sn- Suffix vgl. bes. das synonyme aind. jyót-sn-ā f. ‘Mondlicht’. — Ein schwundstufiges Nomen *λυκ- (= aind. rúc- f. ‘Licht’) erscheint in der Hypostase ἀμφι-λύκ-η Beiwort der Nacht H 433 ‘morgengrauend’, auch als Subst. ‘Zwielicht, Morgendämmerung’ (A. R., Opp. u. a.; Bechtel Lex. s. v., auch Leumann Hom. Wörter 53); danach auch in λυκ-αυγής ‘morgengrauend’ (Luk. u. a.), λυκ-ό-φως, -ωτος n. ‘Zwielicht, Dämmerung’ (Ael., H. s. λυκοειδέος, Sch.); s. noch λυκάβας, Λυκηγενής, auch λύσσα. — Schwyzer 489 (zur Bildung), WP. 2, 408ff., Pok. 687ff., W.-Hofmann s. lūna, Vasmer s. luná I; überall mit weiteren Formen u. reicher Lit. II-147-149
λύω, Aor. λῦσαι, Fut. λύσω, Perf. Med. λέλῠμαι, Aor. Pass. λῠθῆναι (alles seit Il.), Aor. Med. auch λύμην, λύ(ν)το (Hom.), Perf. Akt. λέλῡκα, ‘lösen, befreien, auflösen, vernichten, bezahlen’. sehr oft mit Präfix, z.B. ἀνα, ἀπο-, δια-, ἐκ-, κατα-, παρα-. Als Vorderglied λῦσ(ι)- in verbalen Rektionskompp., z.B. λυσί-πονος, λυσιτελής (s. bes.), PN wie Λυσί-μαχος, Kurzname Λυσίας u. a.; als Hinterglied in der Zusammenbildung βου-λῡ-τός (s. bes.). Ableitungen: 1. λύσις ‘Lösung, Befreiung’ (seit Ω 655 u. ι 421; vgl. Krarup Class. et Med. 10, 4f.. Benveniste Noms d’agent 77, Holt Les noms d’action en -σις 71ff., Porzig Satzinhalte 196), von den Präfixkompp. ἀπό-, ἀνά-, διά-, κατά-, ἔκ-λυσις usw. (Thgn., Sol., ion. att.; vgl. Holt [s. Index]); davon (κατα-, ἀπο-)λύσιμος ‘zur Lösung geeignet usw.’ (Trag., Pl., Arist. u. a.; Arbenz 66 u. 68); auch λύσιος ‘Lösung bringend’, Bein. der Götter, bes. des Dionysos (Pl., Plu. u. a.). 2. λύματα pl. = ἐνέχυρα (Suid.); aber κατάλῠ-μα n. ‘Herberge’ (hell. u. sp.) mit -μάτιον (hell. Pap.) von κατα-λύω ‘einkehren’. 3. äol. dor. λύα f. (Alk., Pi.), λύη (Hdn. Gr.) ‘Auflösung, Entzweiung, στάσις’; davon, in der Bed. allerdings abweichend, Λυαῖος, -αία Bein. des Dionysos bzw. der Großen Göttin (Anakreont., IG 5: 2, 287 [I—IIp]; Tim. Pers. 132), vgl. Danielsson Eranos 5, 52 und Sandsjoe Adj. auf -αιος 11 m. A. 1, lat. LW Lyaeus. — 4. (ἀνα-, κατα- )λυτήρ, -ῆρος m. ‘Befreier, Auflöser, Schiedsrichter’ (A. u. E. in lyr., hell. Inschr.) mit (ἐκ-)λυτήριος ‘erlösend, befreiend’ (Hp., Trag. u. a.); λυτήριον = λύτρον (Pi., A. R.), aber καταλυτήριον = κατάλυμα (Poll., s. oben). Fem. λύτειρα (Orph.; Fraenkel Nom. ag. 1, 128), auch λυτηριάς (Orph.). 5. δια-, κατα-, ἀνα-, συν-λύτης ‘Auflöser, bzw. Logiergast, Erlöser, Versöhner’ (Th., bzw. Plb. usw.); dazu im Anschluß an λύσις, λύω (ἀνα-, κατα-, ἐκ-, παρα- usw.) λυτικός ‘zur Lösung geeignet usw.’ (Pl., Arist. usw.). — 6. λύτρον ‘Lösegeld’ (gew. pl.), ‘Ersatz, Vergeltung’ (Pi., ion. att.; Fraenkel Nom. ag. 1, 203 f., Chantraine Formation 332) mit (ἀπο-, παρα-, ἐκ-)λυτρόω, -όομαι ‘gegen Lösegeld freigeben usw.’ (att. usw.), wovon (-)λύτρωσις, λυτρώσι-μος, λυτρωτής, ἀπολυτρωτικός (hell. u. sp.). — Das regelmäßige griechische Formensystem ist offenbar das Resultat einer weitgehenden Ausgleichung. Alt war der athematische Aorist λύ-μην, λύ-το (Schwyzer 740, Chantraine Gramm. hom. 1, 382), neu dagegen allem Anschein nach das themat. Präsens λύω mit ursprünglich kurzem (Hom.), dann auch langem (att.; vereinzelt auch Hom.) υ, wohl nach λῦσαι usw. (vgl. Schwyzer 686, Chantraine 1, 372; auch Schulze Q. 387 f., Bonfante Emerita 1, 117). Sonst stimmt zu λῠ́ω lat. luō ‘büßen, bezahlen’, wozu solvō (aus *sĕ-luō) ‘auflösen’; die Vokallänge in so-lū-tus und in aind. lū-na- ‘abgeschnitten’ hat auch eine Entsprechung in βου-λῡ-τός (gegenüber λύ-το, λύ-σις usw.). Das aind. Verb weicht im übrigen sowohl formal wie auch semantisch (’abschneiden, teilen, vernichten usw.’) erheblich ab mit den Nasalpräsentia lu-nā́-ti, lu-no-ti; die übrigen finiten Formen (die von den griechischen jedenfalls ganz abweichen) sind entweder erst in der klass. Sprache oder bei den Grammatikern belegt; über hochstufige Verbalnomina (z.B. laví-, lavítra-) s. zu λαῖον (auch in λοιδορέω??; s. d.). — Aus anderen Sprachen kommen isolierte Verbalnomina oder abseits liegende Verbformen in Betracht, die aber für das Griechische belanglos sind, z.B. got. lun Akk. sg. ’λύτρον, Lösegeld’; mit n-Suffix noch alb. laj ‘eine Schuld zahlen’ (aus idg. *ləu̯n-i̯ō?). Daneben mit s-Erweiterung germ. z.B. got. fra-liusan ‘verlieren’ (idg. *leus-) mit fralusts ‘Ver-lust’ (idg. *lus-ti-), fra-lus-nan ‘verlorengehen’. Ganz unsicher mit Dentalerweiterung toch. AB lut- ‘entfernen, vertreiben’ (Kronasser Studies Whatmough 128), wahrscheinlicher mit g-Erweiterung arm. lucanem ‘lösen’. — Weitere Formen (teilweise von problematischer Zugehörigkeit) bei WP. 2, 407 f., Pok. 681 f., W.-Hofmann s. 2. luō; daselbst auch reiche Lit. II-149-150
λῶ, λῇς, λῇ, λῶμες usw., el. Opt. λΕοιταν, kret. Opt. λΕ(ι)οι, λΕιοιεν, Konj. λΕιωντι, Ptz. λΕιοντος, -α usw., Inf. (coni. Ahrens Th. 5, 77) λῆν, (dor. u. el. Inschr., Epich., Ar., Theok. usw.) ‘wollen, wünschen’. Davon 1. λῆμα n. ‘Wille, Entschlossenheit, Mut, Verwegenheit’ (vorw. poet., auch Hdt.; Aly Glotta 15, 116) mit λημάτια· φρονήματα, βουλεύματα H., ληματίας m. ‘Wagehals’ (Ar. Ra. 494; Chantraine Form. 93; v. l. ληματιᾷς wie von *ληματιάω), ληματόομαι in λελημάτωμαι· λῆμα ἔχω εἰς τὸ ἔργον H.; 2. λῆσις (auch λῆϊς dor.)· βούλησις, αἵρεσις H. — Unerklärt. Wegen Formen wie λΕιοι, λΕιωντι usw. ist ein urspr. Langdiphthong lēi- vermutet worden, wozu angeblich λαιδρός, λιλαίομαι (WP. 2, 393 mit Solmsen KZ 44, 171); anders darüber s. vv.; auch λίαν ist mit Unrecht herangezogen worden. Gegen Ansetzung eines urspr. ϝλη- (aus *u̯lēi-?) zu lat. vel-le, wollen usw. s. WP. a.a.O., wo auch andere, entschieden falsche Deutungen abgelehnt werden (ebenfalls bei Bq). Weitere Lit. auch bei Schwyzer 676 m. A. 2. —Vgl. λωΐων. II-150
λώβη f. ‘Schimpf, Schmach, Schaden, Mißhandlung’ (seit Il.), ‘Art Aussatz’ (Gal.); ἐπί-λωβος ‘schadenbringend’ (Vett. Val.), -ής ‘ds.’ (Nik.). Davon λωβητός ‘mit λώβη beladen’ (Ω 531, Hes. Sc. 366, S.; Ammann Μνήμης χάριν 1, 21), λωβή-εις (A. R. u. a.), -μων (Nik. Al. 536; v. l. -τωρ) ‘schimpflich, verderblich’. Denominatives Verb (oder deverbativ wie πωτά-ομαι, νωμάω?) λωβάομαι (-άω), vereinzelt mit Präfix, z.B. ἀπο-. ἐκ-, δια-, ‘schimpfen, schädigen, mißhandeln’ (seit Il.); davon λωβητήρ ‘Beschimpfer, Lästerer, Verderber’ (ep. poet. seit Il.; zur Bed. Benveniste Noms d’agent 38 u. 42), f. -ήτειρα (AP); auch -ήτωρ (Opp., AP), -ητής (Ar.); λώβησις = λώβη (Ptol., Sch.). Selten λωβεύω ‘schimpfen, höhnen, verspotten’ (Od.; wie ἀγορεύω, Chantraine Gramm. hom. 1, 368; auch Shipp Studies 120: zur Vermeidung kontrahierter Formen). Dehnstufige Bildung wie κώπη, λώπη, λώγη (Schwyzer 459 f.); der Funktion nach dient λώβη auch als Rückbildung von λωβάομαι. — Mehrere Hypothesen von wechselndem Wert. Nach Scheftelowitz IF 33, 152 u. 166 und Prellwitz KZ 47, 303 f. mit einem baltischen Wort für ‘Beschwerung, Beschwerde, Last, Plage, Schaden’ identisch, lit. slogà, lett. slāga (idg. *slōgʷā), Verbalnomen zu lit. slė́gti ‘(be)drücken, pressen, beschweren’, lett. slêgt ‘schließen, zumachen’. Andere Vorschlage: zu lit. liuobà ‘Pfiege, Fütterung des Viehs’ und (dem davon zu trennenden) lat. labor ‘Mühe, Last, Arbeit’ (Trautmann bei Walde LEW2 s. labor); zu lat. lābēs ‘Fleck, Schmach’ (Curtius 369 mit Pott und Benfey); zu air. lobur ‘schwach’, lobaim ‘putresco’ (Pedersen Vergl. Gramm. 1, 116f.); ablehnende Kritik bei WP. 2, 714 u. W.-Hofmann s. labor. II-151
λωγάλιοι · ἀστράγαλοι ἢ πόρνοι H. — Kann in der ersten Bedeutung zu λέγω als "die Aufgelesenen" gehören mit Dehnstufe wie in λώγη; vgl. auch λογάδες (λίθοι) ‘Rollsteine’ (s. λογάδες); λ-Suffix (wovon ιο-Abl.) wie in ἀστράγαλος, κροκάλη u. a. — Im Sinn von πόρνοι zu λωγάς, s. d. II-151
λωγάνιον auch λωγάλιον (H.; vgl. Specht Ursprung 351 A. 1) und λογάνιον (Suid.). n. ‘Wamme’ (Luk. Lex. 3, Sch.), — Letzten Endes als "die schlaff herabhängende (Haut)" zur Sippe von λαγαίω, λαγαρός (s. dd.); ebensowenig wie bei λωγάλιοι lassen sich die Zwischenglieder (*λώγανον, *λώγη) bestimmt feststellen. Hierher (und zu λάγνος ‘geil’) auch λωγάς· πόρνη H.; überzeugende Begründung von Persson Beitr. 1, 134 u. 2, 939; zu λωγάνιον ebd. 1, 131. Abzulehnen W.-Hofmann s. 2. lego (nach v. Blumenthal Hesychst. 25) : zu λέγω ‘sammeln’, weil urspr. *"Bettlerin". —Wie λώγασος· ταυρεία μάστιξ H. zu beurteilen ist, bleibt unklar. II-151
λώγη · καλάμη. καὶ συναγωγὴ σίτου H. — In der letztgenannten Bed. offenbar zu λέγω (zur Bildung Schwyzer 345; Dehnstufe auch in ἐλώγη· ἔλεγεν H. mit dor. Kontraktion vom Deverbativum λωγάω); auch das Interpretamentum καλάμη läßt sich als Kollektiv aufgefaßt (’Stroh’) damit unschwer vereinigen. Ob λώεσσαν, λώλεσσαν (für λώγ-?)· τὴν ἅμαξαν als *’Erntewagen’ hierher gehört (v. Blumenthal Hesychst. 25), ist mehr als ungewiß. II-152
λωΐων (Semon. 7, 30), att. λῴων; ntr. λώϊον (ep. seit Il.), att. λῷον, wozu der Plur. λώϊα, λῷα (Thgn., Theok.) m. dem Gen. τῶν λῴων (Chalkis IIp), auch Sing. m. λῷος (Hdn. Gr.); dazu λωΐτερον (Od.), -ερος (A. R.), -έρη (Kall., AP), Superl. λῷστος (Thgn., Trag.), ᾦ λῷστε (Pl. u.a.); Einzelheiten bei v. Wilamowitz Eur. Her. v. 196, Seiler Steigerungsformen 88ff. ‘vorzüglich(er), zuträglich(er), erwünscht, besser’; — Das zuerst belegte Ntr. λῴϊον läßt sich sowohl als ο-Stamm wie als ν-Stamm auffassen; eindeutig liegt der ο-Stamm vor nur in den vereinzelt od. spät belegten λώϊα, λῷα, λῴων, λῷος. Der ν-Stamm ist durch λωΐων und durch λῴονος, -ι (S.) gesichert; der damit regelmäßig alternierende σ-Stamm erscheint in λῴω Akk. sg. f. (S., Pl.) und λῴους Akk. pl. f. (S.). Aus diesem Sachverhalt hat Leumann Mus. Helv. 2, 7ff. (= Kl. Schr. 220 f.) den Schluß gezogen, daß die ο-Formen als Analogiebildungen zu dem als ο-Stamm falsch aufgefaßten λῴϊον entstanden sind und daß λώϊον wie λωΐων usw. ein alter ν-Stamm ist (zum sog. absoluten Gebrauch Benveniste Noms d’agent 121ff.). Gewöhnlich läßt man mit Güntert IF 27, 69ff. λωΐων usw. aus einem angebl. Positiv λώϊον, λῷος umgestaltet sein (Bq, Brugmann-Thumb 247, Fraenkel Glotta 4, 44 A. 1 u. IF 59, 159f., WP. 2, 393, Risch ̨ 33c, Schwyzer 539). — Die alte Zusammenstellung mit λῆν ‘wollen, wünschen’ ist von Güntert a.a.O. näher begründet worden; als Primärbildungen können λωΐων, λῷστος ebensowohl auf ein Verb wie auf ein Nomen zurückgehen; vgl. Leumann a.a.O. und Seiler Steigerungsformen a.a.O. Nach Curtius 363 u. a. (s. Bq) dagegen zu ἀπολαύω, λεία, λᾱρός (s. dd.), wozu allenfalls arm. law ‘gut, besser’ (ablehnend Güntert a.a.O.). Ältere Versuche bei Güntert und Bq, auch bei W.-Hofmann s. salvus. II-152
λῶμα n. ‘Saum, Vorstoß, Borde des Kleides’ (LXXEx.) mit λωμά-τιον (AP); nachEM = τὸ γυναικεῖον, δ ὑπὸ ’Αττικῶν ὄχθοβος λέγε-ται ... καὶ τὸ εἰς τὸ κατώτερον τοῦ ἱματίου ἐπίβλημα; nach H. auch = ῥαφή, χλωσμός. — Daneben ἀσύλλωτοι, von ὦμοι ‘Schultern’ (Kall. Dian. 213), eig. ‘nicht zusammengeknüpft, -gewunden’, d.h. ‘unbedeckt’; εὔλωστοι· εὐυφεῖς, λωστοί· ἐρραμμένοι, ἄλωστοι· ἄρραφοι, λωισμόν· λῶμα H.; s. Danielsson IF 4, 162ff. — Von Bezzenberger BB 5, 315 wird λῶμα mit εὔληρα, αὔληρα ‘Zügel’, lat. lōrum ‘ds.’ zusammengestellt, wozu noch arm. lar ’Strick, Seil’; zum Suffixwechsel λῶ-μα : lōrum vgl. z.B. γνῶ-μα: γνώ-ρ-ιμος, κλῆ-μα: κλῆ-ρος. Die genannten Wörter gehören wohl alle zur großen Sippe u̯el- ‘drehen, winden, wälzen’, die im Griech. u. a. noch durch εἰλέω vertreten ist; s. d. m. weiterer Lit., dazu noch Frisk Eranos 40, 87ff.; λῶμα: ἴλλω wie πτῶμα: πίπτω. — Anders über λῶμα Scheftelowitz KZ 53, 268 (zu aind. lūná- ‘abgeschnitten’), Specht KZ 68, 126 (zu λώπη mit Wechsel π : μ), Machek Studia in hon. Acad. d. Děcev 51 (zu čech. lem ‘Franse’); alles wenig empfehlenswert. Vgl. λωτις, λωστυς. Nicht verwandt ist λώδιξ ‘gewebte Decke’ (aus lat. lōdīx; s. W.-Hofmann s. v.). II-152-153
λώπη f. ‘Hülle, Mantel, Gewand’ s. λέπω. II-153
λωστυς nur Gen. sg. λωστυος (’Αρχ. ’Εφ. 1923, N0 123, 39 u. 68; Oropos IVa) f. — Bed. und Etymologie unbekannt; vgl. Kretschmer Glotta 16, 169. II-153
λωτις f. (SIG 145, 26; Delphi IVa), Bed. unbekannt; nach Danielsson IF 4, 164ff. Gewandname, zu λῶμα, ἀ-σύλ-λωτος usw. (s. λῶμα), ‘Kleid mit angewobenem und angenähtem Besatz und Schmuck’. — Unsicher ist die Lesung λ]ωτι SIG 243 D 15; vgl. Dittenberger z. St. Hierher auch λωστυς? II-153
λωτός m. ‘Lotus’, Ben. verschiedener Futterpflanzen, ‘Trifolium, Melilotus, Trigonella u. a.’ (seit Il.), auch von der ägypt. Wasserlilie, ‘Nymphaea’ (Hdt. usw.), vom libyschen Lotusbaum, ‘Celtis australis’ (seit ι 93 f.), ‘daraus gemachte Flöte’ (E. u.a.); zur Begriffsbestimmung Strömberg Theophrastea 184, Carnoy REGr. 71, 95 f., Economos ClassJourn. 30, 424ff. Kompp., z.B. Λωτο-φάγοι pl. VN (Od. usw.), μελί-λωτος m. (-ον n.) ‘Melilotus’ (Sapph. usw.). Davon λωτόεις ‘lotusreich’, wahrscheinlich in λωτεῦντα, -οῦντα für -όεντα (πεδία, Μ 283), s. Schwyzer 527 A. 2; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 35 u. 351, REGr. 63, 283; λώτινος ‘aus L. bestehend, gemacht’ (Sapph., Anakr. usw.); λωτάριον ‘Lotosblümchen’ (Mediz.), λῶταξ ’αὐλητής’ (Zonar., Eust.). Denominative Verba: 1. λωτίζομαι (-ω H.) ‘sich die Blüte, d.h. das Beste nehmen’ (A. Supp. 963), ἀπο-λωτίζω ‘jemdm. die Blüte berauben’ (E.), mit λώτισμα ‘die Blüte, das Beste von etwas’ (A. Fr. 99, 18, E. Hel. 1593); vgl. v. Wilamowitz Eur. Her. v. 476. — 2. λωτέω ‘Flöte spielen’ (Zonar.); kaum in λωτεῦντα (M283), s. λωτόεις. — Mittelmeerwort unsicheren Ursprungs; nach Lewy Fremdw. 46 mit Muss-Arnolt aus hebr. lōṭ ’στακτή’ (LXX Ge. 37, 25; 43, 11); dazu noch arab. lādan > λάδανον, λήδανον, s. d. II-153
λωφάω (Pl. Phdr. 251 c), -έω (hell. u. sp. Epik); Aor. λωφῆσαι (seit ι 459), Fut. λωφήσω (Φ 292 usw.), Perf. λελώφηκα (Th., Pl.), ‘sich erholen, ausruhen, nachlassen’, auch trans. (poet.) ‘erquicken, befreien’, zur Bed. Fowler AmJPh 78, 176 u. 179. vereinzelt mit Präfix, z.B. κατα-, Davon λώφησις ‘das Nachlassen’ (Th. u. a.), λῶφαρ· λώφημα H., λωφήϊος ‘er- quickend, sühnend’ (A. R. 2, 485). Zur Form vgl. πωτάομαι, νωμάω, στρωφάω usw., somit wohl Deverbativum (Schwyzer 719). — Nicht sicher erklärt. Die Anknüpfung an die Sippe von ἐλαφρός, ἐλαχύς (Bq nach Wharton, Osthoff u. a.), die semantisch gewiß möglich ist, hat von der ĕ-Stufe in lat. levis auszugehen; man vermißt außerdem die erwünschte Grundlage eines primären Verbs. In dieser Hinsicht vorzuziehen ist der Vergleich mit germ., z.B. ahd. labōn ’laben, erquicken’ (Bezzenberger BB 5, 318), für das aber Entlehnung aus lat. lavāre ‘waschen’ zu erwägen ist (WP. 2, 442 f., W.-Hofmann s. lavō). Noch anders Schwyzer 719 A. 4: zu idg. sleubh- ‘schlaff herabhängen(d)’ mit Ver- tretern im Germanischen und Baltischen (WP. 2, 710f., Pok. 964 f.). II-154
μά Beteuerungspartikel ‘wahrlich’ (ion. att. seit Il.), adversative Part. = δέ ‘aber’ (thess.). — Kann mit aind. sma enklit. hervorhebend ‘wahrlich, wirklich’ und mit heth. -ma enklit. ‘aber’ gleichgesetzt werden; anlaut. sm- hat indessen im Griech. keine Spur hinterlassen. Schwyzer-Debrunner 569 f. m. Lit. und Einzelheiten, Hahn Lang. 29, 242ff. — Vgl. 1. μήν. II-154
μᾶ in μᾶ γᾶ Vok. = μῆτερ γῆ (A. Supp. 890, 899 [lyr.]), auch als Ausruf von Frauen gebraucht (Herod., Theok.). — Elementares Lallwort wie aind. mā ‘Mutter’ (Lex.); ähnlich πᾶς = πατήρ (s. d.). — Vgl. μαῖα, μήτηρ und μάμμη. II-154
μάγαδις, -ιδος, -ιν f. Saiteninstrument, das den Lydern, aber auch den Thrakern zugeschrieben wurde (Alkm., Anakr. u.a.), auch Ben. einer lydischen Flöte (Ion. Trag., Anaxandr. u.a.); davon μαγαδίζω ’μάγαδις spielen, eine μ. nachahmen, d.h. in Oktavengängen singen’ (Theophil. Kom., Arist.), vgl. Schwyzer 736 m. Lit. Daneben μαγάς, -άδος f. ‘der Steg auf einem Saiteninstrument’ (Ptol., Philostr., H.) mit μαγάδιον (Pap. Ia, Ptol.). — Fremdwort aus unbekannter, wohl lydischer Quelle. Semitische Hypothese bei Lewy Fremdw. 162 f. II-154
μαγαρίς · μικρὰ σπάθη H. — Lewy KZ 59, 192 vergleicht mit zweifelhaftem Recht hebr. megērā ‘Säge’, gārar ‘ziehen, zerren, sägen’. II-154
μάγγανον n. ‘Achse oder Kloben im Flaschenzug’ (Hero Bel., Pap. IIIp), ‘eiserner Pflock, Bolzen’ (Sch.), ‘Schleudermaschine, ballista, tormentum’ (Gloss., H.), ‘Zauber-, Trugmittel’ (Herakl. All., H.). Davon μαγγανάριος ‘Zauberer’ (Pap. IIIp), ‘Mechaniker’ (Papp.). Denominatives Verb μαγγανεύω ‘durch künstliche Mittel betrügen, verzaubern, einen Possen spielen’ mit μαγγαν-εία ‘Betrügerei’ (Pl. Lg., Ph. u. a.), -εύματα pl. ‘Betrügereien, Quacksalbermittel’ (Pl., Plu. u. a.), -ευτής ‘Betrüger, Quacksalber’ (Suid., Phot.), -ευτικὴ τέχνη ‘Zauberkunst’ (Poll.), -εύτριαι pl. H. s. βαμβακεύ-τριαι, -ευτήριον ‘Aufenthalt für Betrüger’ (Them.). — In der Bedeutungsentwicklung an μηχανή erinnernd, war μάγγανον ursprünglich allem Anschein nach ein technisches Wort; aus der technischen Verwendung entstand, zunächst wohl in den Ableitungen, die allg. Bed. ‘Zauber-, Trugmittel’. — Das Wort hat durch Entlehnung eine weite Verbreitung erhalten: lat. manganum ‘Maschine’ (zu rom., z.B. ital. mangano ‘Schleuder’) mit der unklaren Nebenform mangō ‘ein Händler, der seine Ware durch künstliche Mittel aufputzt’ (aus hell. *μάγγων?), wovon mangōnium ‘das Aufputzen der Ware’ u. a., alb. mangë ‘Hanfbreche’, mengji ‘Heilmittel’, mhd. mnd. mange ‘Wurfmaschine’, nhd. Mange(l) ‘Glättrolle für Wäsche’ (wovon balt., z.B. lit. mañgalis ‘Mangel’). Wenn wir von diesen Entlehnungen absehen, bleiben immerhin einige Wörter aus dem äußersten Osten und dem äußersten Westen, die als urverwandt mit μάγγανον verbunden worden sind: aind. mañju-, mañjula- ‘schön, lieblich, reizend’, maṅgalan. ‘Glück, Heil, gutes Omen’ (alles ep. klass.), osset. mäng ‘Betrug’; kelt., mir. meng ‘Trug, Fertigkeit, List’ (dagegen toch. A maṅk ‘Schuld, Fehler, Sünde’, von Schneider hierher gezogen, zusammen mit B meṅki ‘ds.’, auch ‘kleiner, geringer’, zu μανός, μάνυ). Zu dieser ziemlich buntscheckigen Sammlung gesellt sich weiterhin die Sippe von μάσσω ‘kneten’, wodurch den mannigfachsten Kombinationen Tür und Tor geöffnet werden. — Lit. bei Bq, WP. 2, 233, Pok. 731, W.-Hofmann s. mangō; insbes. Meringer IF 19, 436f. u. 21, 282, dessen Versuche, die Geschichte der betreffenden Wörter zu konkretisieren, im Prinzip zweifelsohne richtig sind, auch wenn sie der Bestätigung entbehren müssen oder im Einzelnen sogar irre gehen. II-155
μαγδαλιά spät für ἀπομαγδαλιά s. μάσσω. II-155
μάγδωλος (-ῶλος?), auch μαγδώλ, -ῶλος m. ‘Wachtturm’; als ägypt. Stadtname Μάγδωλος (Hekat. 317 J. u. a.), Μαγδῶλα (Pap.). μαγδωλο-φύλαξ ‘Turmwächter’ (Pap., H.) — Aus dem Semit.; vgl. hebr. migdal ‘Turm’ (auch als ON). II-155
μάγειρος (att. hell. u. sp.), μάγῑρος (dor.; auch ion. äol.) m. ‘Metzger, Fleischer, Koch’; als Hinterglied z.B. in ἀρχι-μάγειρος ‘Oberkoch’ (LXX, J., Plu. u. a.). Davon die ganz seltenen Fem. μαγείραινα (Pherekr. 84; Augenblicksbildung, Fraenkel Nom. ag. 2, 109 A. 3, Chantraine Form. 108, da Costa Ramalho Emer. 18, 38), μαγείρισσα (LXX; da Costa Ramalho ebd. 42). Demin. μαγειρίσκος m. (Ath.) mit magiriscium ‘kleine Metzgerfigur’ (Plin.). Adj. μαγειρικός ‘zum Koch od. Metzger gehörig’ (Ar., Pl., Arist. usw.) mit -ικόν, -ική ‘Kochkunst, Fleischersteuer usw.’; μαγειρώδης ‘fleischer-ähnlich’ (Eun.). Denom. Verb μαγειρεύω ‘Koch od. Fleischer sein’ (hell. u. sp.) mit μαγειρ-εῖον ‘Metzgerei, Garküche ‘(Arist., hell. u. sp.), -εία f. ‘gekochte Speise’ (Cato, Hdn. Epim.), -ηΐα f. ‘Fleischersteuer?’ (Eresos), -ευμα = -εία (H., Eust.), -ευτικός (sp.). — Hierher wohl auch ’Απόλλων Μαγίριος (Kypros). — Die Berufsbezeichnung μάγειρος scheint vom Dorischen als ein Element der höheren kulinarischen Kultur (vgl. Metzger, Koch aus dem Lat.-Rom.) ins Attische eingedrungen zu sein (für älteres δαιτρός?); die Schreibung ει gibt einen geschlossenen ē-Laut bzw. einen offenen ī-Laut wieder (Schwyzer 275 mit Wackernagel IF 25, 326f., Kretschmer Glotta 3, 320, Fraenkel Nom. ag. 1, 190). Die frühere Geschichte des Wortes ist unbekannt. Pisani Rev. int. ét. balk. 1, 255ff. vermutet makedonischen Ursprung mit Anknüpfung an μάχαιρα ("erwägenswert" Kretschmer Glotta 26, 38 f.); Schwyzer 471 A. 12 denkt fragend an lat. mactare; vgl. noch Chantraine Form. 234. Jedenfalls nicht wegen der abweichenden Bed. mit den Früheren (Bq, WP. 2, 226, Pok. 696 f.; auch fragend Schwyzer a.a.O.) zu μάσσω ‘kneten’. II-156
μάγος m. Mitglied der medischen Priesterkaste, ‘Magier’, appellativisch ‘Traumdeuter, Zauberer, Betrüger’ (Hdt., Heraklit., S., E. usw. [Μᾶγος A. Pers. 318]), auch Adj. ‘magisch, zauberisch’ (Philostr., AP); ἀρχι-μάγος ‘Obermagier’ (Epigr. Hypaipa; vgl. S. Wikander Feuerpriester in Kleinasien und Iran [Lund 1946] 49 f.). Davon μαγικός ‘dem Magier gehörig, magisch’ (LXX, Plu. u. a.), μαγιανός ‘magisch, bezaubert’ (Pap. Ia; nach ’Ασιανός u. a.), μαγέταν αὐλόν· τὸν μαγεύοντα τοὺς ἀκροωμένους H.; μαγεύω ‘als Magier auftreten, (be)zaubern’ (E., hell. u. sp.) mit μαγεία (-ία) ‘Lehre der Magier, Magie, Zauberei’ (Pl. Alk., Thphr., Act. Ap. u. a.), μαγ-εύματα pl. ‘ds.’ (E. u. a.), -ευτής = μάγος (D. C.), -ευτικός ‘die Magier, die Magie betreffend’ (Pl. u. a.; Chantraine Études 135, 137, 140). — Aus dem Iranischen; vgl. apers. Maguš (aw. moγu-) N. eines medischen Volksstammes mit priesterlichen Obliegenheiten; appellativische Bed. unbekannt, mithin ohne Etymologie. II-156-157
μαγύ̄δαρις f. ‘Blütenstand, Same und Wurzel und der daraus bereitete Saft der σίλφιον benannten und einer damit verwandten Pflanze’ (Thphr., Dsk., H.). — Fremdwort unbekannter (libyscher oder syrischer?) Quelle; vgl. die Lit. bei W.-Hofmann s. magūdaris (seit Plaut.). II-157
μαδάω, Aor. μαδῆσαι ‘von Nässe triefen, zerfließen’ (Thphr.; bzgl. einer Krankheit des Feigenbaums), gew. ‘ausfallen, ausgehen’ von.. Haar (auch mit ἀπο-), ‘die Haare verlieren’ (Hp., Ar., Arist., LXX usw.). Davon μάδησις ‘das Ausfallen der Haare’ (Hp.), μαδαῖος ‘von Nässe triefend’ (Poet. de herb.; nach ἰκμαῖος?). — Dazu als Faktitivum μαδίζω, auch mit ἀπο-, ‘die Haare entfernen, ausrupfen, sengen’ (Mediz. u. a.) mit μαδιστήριον ‘Enthaarungsmittel, Senggrube’ = εὕστρα (Halikarn. Ia, Sch.) ὁλο-μάδιστος ‘ganz kahlköpfig’ (Kyran.), wohl auch μάδισος (s. u.); als Iterativum μαδάσκομαι ‘triefen, feucht werden’ (Mediz. VIIp). — Expressive Erweiterung μα[γ]δάλλει· τίλλει, ἐσθίει; μα[γ]δάλλοντες· τίλλοντες, ἐσθίοντες H., vgl. κναδάλλεται· κνήθεται H. und Debrunner IF 21, 91. —Daneben μαδαρός ‘von Nässe triefend, wässerig’ (Hp., Arist.), ‘kahlköpfig’ (Luk.) mit μαδαρότης ‘Kahlköpfigkeit, das Aus- fallen der Haare und der Augenwimpern’ (Hp., Gal.), μαδαρόω ‘die Haare entfernen’ (LXX Ne. 13, 25, v. l., Kreta IIa), μαδάρωσις = -ότης (Gal., Vett. Val. u.a.; wohl direkt von μαδαρός, vgl. Chantraine Form. 279); μαδαρ-ιάω ‘vom Haar- ausfall leiden’ (Kleopatra ap. Gal. 12, 405). Neben μαδαρός steht μαδι-γένειος ‘mit kahlem Kinn’ (Arist.); vgl. χαλαρός: χαλί-φρων. — Zu bemerken noch (als Rückbildung?) μάδος (-ον) als Pflanzenname, = ἄμπελος λευκή (Dsk. u. a.), weil die Wurzel als Enthaarungsmittel verwendet wurde; von H. mit ψίλωθρον wiedergegeben, das indessen auch dieselbe Pflanze bezeichnen kann. Daneben μαδωνάϊς = νυμφαία, ‘Seerose’ (böot. nach Thphr. HP 9, 13; wegen des feuchten Standorts?); vgl. Bechtel Dial. 1, 307, der nach mehreren Vorgängern in μαδωνία ändert (vgl. Chantraine Form. 208). — Außerdem μάδισος· δίκελλα. οἱ δὲ μαδιβός H., wohl von μαδίζω, s. oben u. Chantraine 435; vgl. τάμισος (von ταμεῖν). — Zur Bedeutungsentwicklung ‘zerfließen’ > ‘ausfallen’ vgl. ἐκρέω ‘herausfließen, ausfallen’ und lat. dēfluō ‘herabfließen’, auch ‘ausfallen, ausgehen’ von Haaren. — Zu μαδάω : μαδαρός vgl. χαλάω : χαλαρός und das synonyme Reimwortpaar πλαδάω : πλαδαρός; aber Aor. μαδῆσαι Neubildung gegenüber χαλάσαι (wie λαγαρός : λαγάσαι u. a.); die morphologische Beurteilung bleibt im übrigen ungewiß, vgl. Schwyzer 682 f. — Nur bildungsgemäß weichen davon ab : lat. madeō ‘naß sein, triefen, trunken sein’ (nach den Intransitiven auf -ēre), air. maidim ‘zerbrechen’ (intr.), ‘in Stücke gehen’ (aus *’zerfließen’ o.ä.; kann mit madeō formal identisch sein), aind. mádati (themat. Wz.-präs.), ma-mát-ti (redupl.) u. a. ‘trunken sein, sich berauschen, in etw. schwelgen, fröhlich sein’; weitere Anknüpfungen, teilweise unsicherer Art, bei Bq, WP. 2, 230ff., Pok. 694f., W.-Hofmann s. madeō; ebd. auch reiche Lit. Versuch μαδαρός mit lat. madidus (< -iro-s?) gleichzusetzen, bei Bloch Sprachgesch. u. Wortbed. 24. — Vgl. μαστός und μήδεα. II-157-158
μάδρυα n. pl. = κοκκύμηλα, βράβυλα, ‘Pflaumen, Schlehen’ (Seleuk. ap. Ath. 2,50 a). Daneben ἁμάδρυα· κοκκύμηλα. Σικυώνιοι H.; auch ἄδρυα (Ath. 3, 83a), nach H. sizilisch für μῆλα (att. ἀκρόδρυα). — Nicht sicher erklärt; wohl Fremdwort. Nach Strömberg Wortstudien 43ff. aus ἁμάδρυα durch Elision des anlaut. ἁ-, wozu mehrere beachtenswerte Parallelen angeführt werden. Die von S. angenommene Bed. "was mit dem Baum zusammengehört" befriedigt indessen nicht; eher ist ἁμάδρυα eine volksetymologische Zurechtlegung des schwerverständlichen μάδρυα; durch eine andere Umbildung auch ἄδρυα ? Zu der ganz unwahrscheinlichen Verbindung mit slav. modrъ ‘blau’ u. a. s. WP. 2, 305. Über die Namen der Pflaume Schrader-Nehring Reallex. 2, 181 f. II-158
μᾶζα (Hdn. Gr. 2, 937, nach Moer. att.), μάζα (hell. nach Moer.), megar. μᾶδδα (Ar. Ach. 732, 835) f. ‘Gerstenteig, Gerstenbrot’ (ion. att.), ‘(Metall-)Klumpen’ (LXX, J., Pap. u.a.). Kompp., z.B. μαζο-νόμος (Pap. IIIp), -νόμον (hell. Inschr. u. a.), -νόμιον (Kallix. 2), -νομεῖον (Kom.) ‘Schneidebrett’; ὁλό-μαζος ‘mit seiner ganzen Masse, vollständig’ (Hero Stereom.). Ableitungen: Deminutiva μαζ-ίσκη (Ar.), -ίον (Phryn. Kom. u.a.). Adj. μαζ-ηρός ‘zur μᾶζα gehörig’ (Poll.; wie σιτηρός u.a.), μαζεινὸς (für μάζινος?) βοῦς· ὁ ἐξ ἀλφίτων H. Denomin. μαζάω ‘einen Gerstenteig kneten’ (Pap., H.), ὑπερ-μαζάω ‘(mit Gerstenbrot) überfüttert werden’ (Ath., Luk. u.a.; auch μαζάω [Suid.]; vgl. κριθάω). — Unklar μαζύγιον n. (neben μαζύς f.) ‘Amalgam’ (Zos. Alch.). — Von μαγ-ῆναι, Präs. μάσσω (s. d.) mit ι̯α-Suffix (Chantraine Form. 99, Schwyzer 474); vgl. μᾶζα μεμαγμένη (Archil. u. a.). Die unklare Länge des α muß sekundär sein, vgl. Leumann Mél. Marouzeau (1948) 380f. (= Kl. Schr. 163f.); weitere Lit. bei Björck Alpha impurum 44. Aus μάζα lat. massa ‘Klumpen, Masse’ (seit Plaut.); s. W.-Hofmann s.v., auch Leumann Sprache 1, 206 (= Kl. Schr. 172f.). — Nicht mit Assmann Phil. 67, 199 semit. LW (zu hebr. maṣṣāh ‘ungesäuertes Brot’; dies vielmehr aus dem Griech.?, s. Gordon Antiquity 30, 22ff.). II-158-159
μαζός m. ‘Brustwarze, Mutterbrust’ s. μαστός. II-159
μαθαλίς, -ίδος f. N. eines Trinkgeschirrs, das als Maß verwendet wurde (Blaes. 2, H.). — Bildung wie ἀγκ-αλ-ίς, φυσ-αλίς, τρυφ-αλίς u. a. (Chantraine Form. 252). Sonst dunkel; Beziehung zu μάθυιαι, μασάομαι (s. d.) scheint ausgeschlossen. II-159
μάθη, μάθησις, μαθητής usw. s. μανθάνω. II-159
μαῖα f. ‘Mutter’, vorw. als Anrede an alte Frauen (Od. u. a.), ‘Amme, Hebamme’ (att.), ‘Großmutter’ (dor.), Ben. einer großen Krabbe (Arist.; volkstümlichscherzhaft, Strömberg Fischnamen 95), einer Pflanze, = λεπίδιον (Orib.; vgl. γέρων und Synonyme in Pflanzenn. bei Strömberg Pfl.-namen 56 u. 159 A. 1). Als PN Mutter des Hermes (h. Merc. u. a.). Davon μαιήϊος und μαιάς = μαιευτικός, -κή (Nonn.), Μαιάς = Μαῖα (ξ 435 u. a.). Denom. 1. μαιεύομαι ‘Hebamme sein, entbinden’ (att. usw.) mit μαιεία f. ‘Hebammenkunst’ (Pl. u. a.), μαίευ-μα ‘Produkt der Entbindung’, -σις ‘Entbindung’, -τικός ‘zum Entbinden gehörig, fähig’ (Pl. u.a.), μαιεύτρια ‘Hebamme’ (S. u.a.); 2. μαιόομαι ‘ds.’ (hell. u. sp.) mit μαίω-σις ‘Entbindung’, -τικός (Plu.), μαίωτρα pl. ‘Hebammenlohn’ (Luk.). — Grammatische Erweiterung eines Lallworts (vgl. μᾶ) durch das ι̯α-Suffix wie in γραῖα ( : γραῦς) u. a., s. außer Schwyzer 473, Schwyzer-Debrunner 31, Chantraine Form. 98 auch die Lit. bei W.-Hofmann s. 1. Maia und mamma; dazu noch Chantraine REGr. 59—60, 241f. — Lat. LW maia ‘Hebamme’; mit Μαῖα wurde die altrömische Göttin Maia nachträglich identifiziert (W.-Hofmann a. O. m. Lit.). II-159
μαιμάω (μαιμά̄ει, μαιμώωσι usw.), Aor. μαιμῆσαι (Ε 670), erweiterte Form μαιμάσσω (LXX, AP), auch μαιμώσσω (Nik.) und μαιμάζω (Ph.). ‘heftig verlangen, toben, stürmen’ (ep. poet. seit Il., auch sp. Prosa), auch mit ἀνα-, περι-, ἐπι-, — Zu μαι-μά-ω zieht man teils das kurzvokalische Jotpräsens μάιομαι ‘streben’, teils das langvokalische μῶμαι, μῶ-σθαι; s. dd. mit weiteren Anknüpfungen. — Hierher noch das semantisch unklare ἀμαιμάκετος (mit pleonastischem Privativ wie ἀβέλ-τερος) ?; vgl. s. v. Davon μαῖμαξ· ταραχώδης H., μαιμάκτης, -ου m. "der Tobende", von Zeus als Gott des Windes in Athen (Plu., Harp., H.; Gegensatz μειλίχιος), auch Μαιμακτήρ N. eines Monats (Phokaia), mit Μαιμακτηριών, -ῶνος m. ‘ds.’ (att.; wohl zunächst von *Μαιμακτήρια pl. Festname, s. v. Wilamowitz Glaube 1, 227 m. A. 2, Nilsson Gr. Rel. 1,111 m. A. 5, 396 m. A. 4); μαιμάχης· ὑβριστής (Zonar.). Redupliziertes Intensivum μαι-μά-ω mit analogischem Aor. μαιμῆσαι. Die urspr. Quantität der Mittelsilbe ist nicht mit Sicherheit festzustellen, vgl. die Lit. bei Chantraine Gramm. hom. 1, 361 A. 2 und Bechtel Lex. s. v. Das späte μαιμάσσω kann ein rein erweiterndes -(α)σσω enthalten (Schwyzer 733) aber auch mit der Gutturalbildung in μαι-μά-κ-της usw. in Verbindung stehen (Debrunner IF 21, 217). II-159-160
μαίνη sonst μαινίς, -ίδος f. (Kom., Arist. usw.) mit μαινίδιον (Kom., Arist.) f. (AP 9, 412), N. eines kleinen heringähnlichen Fisches, ‘Maena vulgaris’. Weitere Formen μαινομένη (Sch. Luk.) mit μαινομένιον (Alex. Trall.), ngr. μαίνουλα, μανάλι usw.; Einzelheiten bei Thompson Fishes s.v. — Keine überzeugende Etymologie. Ganz fraglich ist die Zusammenstellung mit slav., z.B. russ. menь m. ‘Quappe, Aalraupe’, lit. ménkė ‘Dorsch’ (von meñkas ‘klein’, Fraenkel Wb. s. v.), aind. mīna- m. Fischname u. a. m. (Solmsen KZ 37, 584ff., Wortforsch. 122 A. 2, Charpentier KZ 47, 181 f.; WP. 2, 267f., Pok. 731. Vasmer s. menь). Zögernder Versuch, μαίνη als "den wild herumtummelnden, rasenden Fisch" an μαίνομαι anzuschlie-ßen, bei Strömberg Fischnamen 53ff. — Lat. LW maena. II-160
μαίνομαι (seit Il.), Aor. μανῆναι (ion. att.), Fut. μανέεται (Hdt.), Perf. (mit Präs.-bed.) μέμηνα (A., S.), ‘rasen, toben, wüten, von Sinnen, verzückt sein’; selten Akt. ἐκ-μαίνω ‘in Wut versetzen’ (E., Ar.; μαίνω Orph.), Aor. μῆναι (S., E., Ar., X.) mit intr. Med. μήνασθαι (Z 160, Theok. u. a.). auch mit Präfix, z.B. ἐκ-, περι-, ὑπο-, ἐν-, Ableitungen. 1. Vom Präsens: μαινάς, -άδος f. ‘die Rasende, Bacchantin, Mänade’ (poet. seit Il.; Schwyzer 508, Sommer Münch. Stud. 4, 4); μαινόλης, äol. dor. -λας, f. -λις ‘rasend, verzückt’ (Sapph., A. in lyr. u. a.; Schwyzer 408 und Mus. Helv. 3, 49ff., Chantraine Form. 237). 2. Von der Wurzel: μανία, -ίη ‘Raserei, Wahnsinn’ (ion. att.); auf das Jotpräsens μαίνομαι morphologisch zu beziehen? (Scheller Oxytonierung 39 m. Lit.); davon μανικός, μανιώδης ‘rasend, wütend’ (ion. att.), f. auch μανιάς ‘ds.’ (nach λύσσα: -άς, Schwyzer 508). Verbaladj. wie ἐμ-μανής ‘rasend’ (ion. att.), wohl Hypostase (zu μανία) nach ἐμ-φανής u.a. (ἐμ-μαίνομαι erst Act. Ap., J.). — Zu μάντις usw. s. bes. — Zum schwundstufigen Jotpräsens μαίνομαι aus *μαν-ι̯ο-μαι stimmen formal mehrere Formen aus verschiedenen Sprachen: aind. mányate = aw. mainyeite ‘denken’, kelt., air. do-moiniur ‘glauben, meinen’, slav., z.B. aksl. mьnjǫ ‘meinen, halten für’, lit. miniù ‘gedenken, sich erinnern’ (Neubildung für älteres menù?; s. Fraenkel Wb. m. Lit.), idg. *mn̥-i̯o / e-. Mit μανῆ-ναι decken sich formal auch die baltoslav. Inf. lit. minė́-ti, aksl. mьně-ti ebenso wie got. 3. sg. munai-þ ’μέλλει, gedenkt (zu tun)’; genetischer Zusammenhang ist aber fraglich, da got. munaiþ auch zu aind. manāy-ati ‘eifrig sein’ stimmen kann und für das nachhom. μανῆναι (wie für μανέεται) auch analogischer Ursprung (φαίνομαι : φανῆναι; J. Schmidt KZ 37, 44) in Betracht kommt; zu lit. minė́ti usw. s. noch Fraenkel a.a.O. und Lexis 2, 196. Auch μήνασθαι (analogisch oder aus *μαν-σ-, Chantraine Gramm. hom. 1, 412) und μέμηνα (nach τακῆναι : τέτηκα u. a.) sind griechische Bildungen. Mit der formalen Neuordnung geht die semantische Emanzipation Hand in Hand; die Verbindung mit der weitverzweigten Sippe μένος, μέμονα, μιμνήσκω (s. dd. m. Lit.) schimmert noch durch z.B. in Ζ 100 f.: ἀλλ’ ὅδε λίην | μαίνεται· οὐδέ τίς οἱ δύναται μένος ἰσοφαρίζειν (vgl. Porzig Satzinhalte 34). — Nicht mit J. Schmidt a.a.O. und Specht KZ 62, 79 (vgl. noch Schwyzer 694 A. 3) zu μαιμάω. II-160-161
μαίομαι, äol. auch μάομαι (Sapph. 36?), Fut. μάσσομαι, Aor. -μάσσασθαι, ‘tasten, berühren, untersuchen, aussuchen’, im Präsensstamm auch ‘zu erreichen suchen, nachstreben’ (ep. poet. seit Il.). gewöhnlich mit ἐπι-, im Aor. auch mit εἰσ-, ἐκ-, ἀμφι-, μετα-μαίομαι (Pi. Ν. 3, 81) Verbaladj.: ἀ-προτί-μαστος ‘unangetastet’ (Τ 263), ἐπί-μαστος Beiwort von ἀλήτης (υ 377), Bed. unklar, vgl. Bechtel Lex. s. v. — Nom. actionis: μάσμα n. ‘das Suchen’ (Kratin. 424, Pl. Kra. 421 b), μαστύς, -ύος f. ‘ds.’ (Kall. Fr. 277; Benveniste Noms d’agent 73). — Nom. agentis: μαστήρ m. (auch f., Schwyzer 530) ‘Sucher, Späher’ (Trag.), auch N. eines athen. Beamten (Hyp. u.a.), vgl. Benveniste 40, Fraenkel Nom. ag. 2, 4; mit μάστειρα f. (A.), μαστήριος ‘Ερμῆς ‘Gott der Spurfolge’ (A.; Schulze Kl. Schr. 168 A. 3); Μάστωρ ep. PN (Benveniste 54, Fraenkel 1, 14; 2, 11); μαστρός m. N. eines Finanzbeamten (Pellene, Rhodos, Delphi) mit μαστρικός (Delphi IIa), μα-στρ(ε)ία, el. μαστράα = εὔθυνα (Messen. Ip, H.), vgl. Schwyzer 532 m. A. 2, Einzelheiten bei Fraenkel 1, 163 A. 2; als Vorderglied in μαστρ-οπός m. f. ‘Kuppler(in)’ mit -οπικός, -οπεύω, -οπεία (att. usw.); hypokor. μάστρυς f. (Phot.). — Denominativum auf -(τ)εύω (Schwyzer 732): μαστεύω ‘(auf)suchen’ (poet. seit Pi., A.; auch Heilinschr. aus Epid., X. u. sp. Prosa) mit μάστ-ευσις (Epid. IVa, Archim. u. a.), -ευτής (X., Fraenkel 2, 62), -εία (VIp); vgl. ματεύω. — Hierher wohl noch PN wie Εὔ-μαιος, Οἰνό-μαος, Μαίων (ep.). — Zu μάστιξ, μάσθλης s. bes. — Die sigmatischen Formen, z.B. Aor. -μάσσασθαι und ἀ-προτί-μαστος, machen für μαίομαι eine Grundform *μασ-ι̯ο-μαι möglich; die σ-Formen können aber auch zu ματέω, ματεύω gehören, s. d. — Gewöhnlich werden μαίομαι ‘tasten, berühren’ und μαίομαι ‘streben, trachten’ (letzteres mit Gen.) als zwei verschiedene Verba betrachtet (Bechtel Lex. s. v., WP. 2, 220 u. 238f., Pok. 693 u. 704f., Schwyzer-Debrunner 105); die Bed. ‘zu erreichen suchen, (nachstreben’ erklärt sich aber unschwer aus dem konativen Aspekt des Präsensstamms. — Ohne überzeugende Entsprechung. Im Sinn von ‘tasten, berühren’ zu einigen Wörtern für ‘mit der Hand winken usw.’ gezogen, z.B. aksl. na-ma-jǫ, -jati ‘zuwinken’, lit. mó-ju, -ti ‘winken’, mos-úoti ‘schwenken, schwingen’, wozu noch μηνύω (s.d.); als ‘streben, trachten’ dagegen zu μαιμάω, μῶμαι (s. dd.). — Nach Belardi Maia 2, 277ff. (s. auch Doxa 3, 213) als ‘tasten, berühren’ zu μάρη u. Verw. II-161-162
μαῖρα f. ‘Hundstern’ s. μαρμαίρω. II-162
μαίσων, -ωνος m. ‘eingeborener Koch’ in Athen (Ath. 14, 659a); μαισωνικὰ σκώμματα (ebd.). — Zur Bildung Schwyzer 517, sonst dunkel. Nach Ar. Byz. (ebd.) eig. Ben. der komischen Maske eines Koches od. Dieners, nach einem gleichnamigen Schauspieler. Jedenfalls nicht mit Chrysipp. (ebd.) zu μασᾶσθαι ‘kauen’. II-162
μάκαρ, auch μάκᾱρ (Archil. Supp. 3, 5, Sol. 14, Diph. 126, 6), μάκαρς (Alkm. 10, 11) m. (seit Il.), auch f. (E., Ar. u.a. in lyr. usw.) neben μάκαιρα (seit h. Ap. 14; Zumbach Neuerungen 8), auch n. (in cas. obl.; AP, Nonn.), Beiwort von Göttern und von Menschen, etwa ‘glückselig, selig’. — Als Adj. auf -αρ (-ᾱρ) steht μάκαρ ganz isoliert da. Die Annahme Brugmanns (z.B. IF 18, 434; zustimmend u.a. Benveniste Origines 18, Schwyzer 519), μάκαρ wäre urspr. ein Neutr. *’Glückseligkeit’, wovon okkasionelles μάκᾱρ (und f. μάκαιρα), liegt formal sehr nahe, hat aber in den Texten keinen Anhalt. — Ohne Etymologie; von Curtius, Fick, Prellwitz (s. Bq) mit μακρός verbunden. Abzulehnen ebenfalls Krappe Rev. de phil. 66, 245 f. (aus dem Ägyptischen entlehnt). Davon der Sup. μακάρτατος (Od., A., S.); μακάριος ‘glückselig, glücklich’ (seit Pi.); oft in Anreden (Pl., Ar. u. a.; vgl. δαιμόνιε [s. δαίμων] m. Lit.), mit μακαριότης ‘Glückseligkeit’ (Pl. Lg., Arist. usw.); μακαρία f. ‘Seligkeit, seliges Glück’ (Ar., Pl. Hp. Ma. 293a usw.); μακαρίτης, dor. -τᾱς, f. -τις "Mitglied der Gesellschaft der Seligen", ‘der, die Selige’ (A. in lyr., Ar., Men., Theok. usw.; Redard 30, Bloch Mus. Helv. 12, 59). Denominatives Verb μακαρίζω ‘(selig) preisen’ (seit Od.) mit μακαριστός (ion. att.), auch proparoxyton μακάριστος (Seiler Steigerungsformen 104), μακαρισμός m. ‘das Seligpreisen’ (Pl. R., Arist. usw.), μακαριστής m. (J.). — Auch μακαρτός ‘glücklich gepriesen’ (AP 7, 740, 5; Versende), wie von *μακαίρω. —Dunkel μακαρίνη· ἀνδράχνη H. (wie βολβίνη u. a.; Chantraine Form. 204). II-162-163
μακεδνός ‘hochgewachsen, schlank’, von Bäumen usw. (η 106, Nik., Lyk.), auch als N. eines mit den Doriern verwandten Volkes (Hdt.). Daneben als VN Μακεδόνες pl. m. ‘Make- donier’, sg. -ών (ion. att.) mit Μακεδον-ία, -ίη, -ικός ‘Makedonien, -nisch’ (ion. att.), auch ἡ Μακεδον-ίς (Hdt.), -ῖτις (Ael.), scil. γῆ, -ισσα ‘Makedonierin’ (Stratt.); μακεδονίζω ‘makedonisch gesinnt sein’ (Plb., Plu. u. a.). Mit langem Zwischenvokal Μακηδών (Hes. Fr. 5, 2, Kall.), -δονία, -ίη (hell. Dicht.). — Gegenüber Μακε-δόν-ες repräsentiert μακε-δν-ός mit altertümlichem Ablaut eine schwundstufige Suffixform, die (ohne nebenstehendem -δόν-) auch in γοε-δν-ός u. a. vorkommt (Solmsen Wortforsch. 46). Ein suffixales, vorw. primäres -δόν- ist in Tiernamen, sonstigen Appellativen ebenso wie in Nom. actionis u. a. zu Hause (Chantraine Form. 360ff., Schwyzer 529 f.). Als Grundlage dürfte eine mit μακ-ρός, μῆκ-ος parallel gehende nominale Bildung gedient haben; vgl. Specht Ursprung 199 u. 345 m. Lit. Eine Nebenform ist Μακέτης (Gell. u. a.), f. -τις (Str., AP) und -τη (AP), -τᾰ (Pap.; Mayser 1: 3, 24); vgl. οἰκέτης usw.; dazu Schwyzer 498 A. 13, Krahe ZONF 11, 90. — Nach Fick BB 26, 242 wären Μακεδόνες eig. s. v. a. "Hochländer" (neben Μακέτα *’Hochland’). Neue, sehr kühne und hypothetische Deutung von Pisani Arch. glottol. it. 33, 72 : aus *Μακι-κεδόνες "deren Erde hoch ist", von μακ-ι- (: μακ-ρός) und einer maked. Entsprechung von χθών (s.d.); das angebliche Hinterglied ist mehr als fraglich. Zweifel über den griech. Ursprung von Μακεδόνες bei Krahe Glotta 17, 159. — Vgl. μηκεδανός zu μῆκος. II-163
μακέλη μάκελλα f. (Φ 259, Luk. Hes. 7), f. (Hes. Op. 470, Theok., A. R.), von der "Hacke" als zerstörendem Geräte des Zeus (A., S., Ar.). — Zur Bildung vgl. ἀγέλη, θύελλα u.a. Die Ähnlichkeit mit δίκελλα (s. d.) kann natürlich nicht zufällig sein, aber eine überzeugende Erklärung steht noch aus. Güntert Reimwortbildungen 122 f. vermutet Kreuzung von δίκελλα und einem dem lat. mateola ‘Werkzeug zum Einschlagen in die Erde’ entsprechenden *ματέλη. Eine auffallende Ähnlichkeit zeigt arm. markeɫ ‘Hacke’; Entlehnung aus gemeinsamer Quelle (Vogt NTS 9, 334)? Abzulehnen Scheftelowitz ZII 6, 111 (zu lit. makãras ‘großer Stab’, arm. mač ‘Pflugsterz’ [ir. LW]). — Zu μάκελλα, -έλη gehören noch μάσκη· δίκελλα, βάσκα· μακέλη und μάκκορ (lakon. für μάσκος)· 11* ἐργαλεῖον γεωργικόν, ὡς δίκελλα H.; s. Bechtel Lex. s. μάκελλα m. Lit. Anders über μάσκη Specht KZ 66, 220 A. 5: aus *μάτ-κη zu lat. mateola usw. — Ältere Lit. bei Bq s. v. II-163-164
μάκελλον n. ‘Gehege, Gitter’ (Epid. IVa), -ος m. ‘ds.’ (Sch. Ar. Es. 137); -ος m. und -ον n. ‘Fleischmarkt, Lebensmittelhalle’ (Mantinea Ia, Sparta, 1 Ep. Cor. 10, 25, D.C.); μάκελ(λ)α· φράγματα, δρύφακτοι; μάκελος· δρύφακτος H. Davon μακελ-λωταὶ θύραι ‘Gittertüren’ (Delos IIa), lat. LW macellōtae ‘ds.’ (Varro); μακελλεῖον· laniatorium (’Schlachthaus’), μακελλίτης· corporicida (cod. corpodicina) Gloss.; Einzelheiten bei Redard 117. — Auch μακελᾶς m. als "Gitterwächter" (AP 7, 709)?; s. Masson Arch. Or. 18: 4, 7ff. — Wohl semit. LW, vgl. hebr. miklā ‘Hürde, Umzäunung’ (Stowasser bei Lewy Fremdw. 111 f.); aus dem Griech. lat. macellum ‘Marktplatz usw.’, wovon macellārius > μακελλάριος ‘laniator’, -ιον n. ‘Speisemarkt’ (Pap. VIp). Aber μακελλωταί nicht aus dem hebr. Plur. miklā’ōt, sondern von μάκελλον wie z.B. θυσανωτός von θύσανος. — Hierher noch Μάκελλα f. Stadt im Westen Siziliens (hell. u. sp.). II-164
μακκοάω ‘stumpfsinnig, von Sinnen sein’ (Ar. Eq. 62, 396, Kom. Adesp. 1210, Luk. Lex. 19), Μακκώ f. N. einer stumpfsinnigen Frau (Suid.). — Volkstümliche Bildung mit expressiver Gemination; im übrigen dunkel. Hierher lat. (osk.) maccus ‘Person der Atellana, Narr, Hanswurst’, worüber Einzelheiten mit verschiedenen Erklärungsversuchen bei W.-Hofmann s. v. II-164
μακκούρᾳ · χειρὶ σιδηρᾷ, ἧ χρῶνται πρὸς τοὺς ἵππους H. — Unwahrscheinliche semit. Etymologie von Lewy KZ 55, 24ff. II-164
μακρός ‘lang, groß, hoch’ auch ‘tief’, ‘schlank, fern, lange dauernd’ (seit Il.). Wenige Ableitungen. Steigerungsformen: μακρό-τερος (seit θ 20 = σ 195), -τατος (Ξ 288 u. 373); daneben die primären μάσσων, μήκιστος, s. zu μῆκος. Nominalabstrakta : μάκρος n. ‘Länge’ (Ar. Av. 1131; wohl Zufallsbildung, vgl. Chantraine Form. 417); μακρότης f. ‘ds.’ (hell. usw.). Denominativum μακρύνω ‘verlängern, (sich) entfernen’ (LXX, Hero u. a.) mit μακρυσμός ‘langer Zwischenraum’, μάκρυμμα n. ‘weggeworfenes Ding’ (LXX; v.l. μάκρυνσις). Viele Kompp., z.B. μακρό-βιος ‘mit langem Leben’ (Hdt., Hp. usw.), ἐπί-, ὑπό-, πρό-μακρος ‘länglich’ (Hp. u. a.; Strömberg Prefix Studies 100). — Altererbtes Adj., das auch im Latein und German. erhalten ist: lat. macer ‘mager, dünn’, germ., z.B. ahd. magar, awno. magr ’mager’, idg. *məḱrós. Eine parallele l-Bildung ist in heth. mak-l-ant- ‘mager’ eingebaut; vgl. noch zu μακεδνός. Im Sinn von ‘lang, hoch’ hat μακρός das ebenfalls altererbte δολιχός verdrängt; vgl. Porzig Gliederung 111. — Weiteres s. μῆκος. II-164-165
μάκτρα f. ‘Backtrog, Badewanne’ u. Verw. s. μάσσω. II-165
μάλα Komp. μᾶλλον ‘mehr, lieber’, Sup. μάλιστα ‘am meisten, ganz besonders’ (seit Il.). Adv. ‘sehr, ganz, gar, durchaus’, — Bildung wie ἅμα, τάχα, πάρα usw. (Schwyzer 622) und wie diese mit schwundstufiger Stammsilbe gegenüber hochstufigem lat. mel-ius ‘besser’ neben mul-tus ‘viel’ (wohl aus ml̥-tós; vgl. W.-Hofmann s. v. m. Lit.); Schwundstufe auch im lett. milns ‘sehr viel’. Das sekundär gedehnte μᾶλλον (nach θᾶσσον) steht für urspr. hochstufiges *μέλλον (: melius). Eine Neubildung ist μάλιον· μᾶλλον H. (danach auch bei Tyrt. 12, 6 einzusetzen) mit μαλιωτέρα· προσφιλεστέρα H. — WP. 2, 292, Pok. 720, W.-Hofmann s. melior (m. reicher Lit.), Schwyzer 342 u. 538, Seiler Steigerungsformen 67 f. Vgl. μαλερός und μέλω. II-165
μαλάβαθρον n. N. eines orientalischen Gewürzes, wahrsch. Art Zimt (Peripl. M. Rubr., Dsk., Gal., Plin.) mit -ινος ‘aus μ.’ (Dsk. u. a.). — Aus aind. tamāla-pattra- n. ‘Blatt des Tamālabaums’, das als τὰ μαλάβαθρα aufgefaßt wurde; s. Schrader-Nehring Reallex. 2, 35[|r] f. und Schwyzer 413. Lat. LW mālobat(h)rum (nach mālum), -inus, -ātus. II-165
μαλακός ‘weich, sanft, zart, weichlich, schlaff’ (seit Il.; zur Bed. Treu Von Homer zur Lyrik 183, 187 f.). Kompp., z.B. μαλακογνώμων ‘weichen Sinnes’ (A.), μαλακο-κρανεύς "Weichschädel", Vogelname, ‘Neuntöter, Würger’ (Arist.; Boßhardt 62, (Chantraine Form. 130). Ableitungen: μαλακία, -ίη (ion. att.), μαλακότης (Pl., Arist., Herod. u. a.) ‘Weichheit, Weichlichkeit’. — μαλακίων m. in Anrede ‘Liebchen’ (Ar. Ek. 1058; Chantraine 165); τὰ μαλάκια ‘Weichtiere, Mollusken’ (Arist.); μαλακώδης ‘weichartig’ (St. Byz.). — Denominative Verba: 1. μαλάσσω, -ττω ‘erweichen, besänftigen’ (Pi., ion. att.) mit μάλαγμα n. ‘Erweichungsmittel, linderndes Pflaster, Polsterungsmaterial’ (Pl., Thphr., Ph. Bel. usw.) mit μαλαγμα-τώδης (Mediz.), -τίζω (Zos.Alch.); μάλαξις ‘Erweichung’ (Thphr., Plu.); μαλακ-τήρ "Erweicher", ~ ἐλέφαντος ‘Elfenbeinarbeiter’ (Plu.); -τικός ‘mildernd’ (Hp., Plu. u. a.). 2. μαλακίζομαι ‘verweichlicht usw. sein’ (att. usw.). 3. μαλακύνω ‘erweichen’ (X., hell. usw.) mit μαλάκυνσις ‘Erweichung’ (Alex. Aphr.). — Als nächster Verwandter von μαλακός scheint sich das einsilbige und langvokalische βλά̄ξ zu melden (s. d. und Schwyzer 360); es muß sich dann um eine primäre κ-Ableitung handeln. Wenn man μαλακός von βλά̄ξ trennt, ist als Zwischenglied auch ein n-Stamm möglich (Schwyzer 496 f., Chantraine Form. 384). Als Grundlage ist das weitverzweigte Verb ‘zerreiben, mahlen’ anzunehmen, s. μύλη; auch μέλδομαι, ἀμαλδύνω, ἀμαλός. Vgl. noch μαλθακός. II-165-166
μαλάχη (seit Hes.), auch μολόχη (Epich. u. Antiph. ap. Ath. 2, 58d, SIG 1172,8 u.a.), μολάχη (Vaseninschr., Neapel) f. ‘Malve’; unsichere Hypothese über die Vokalisation (Assimilation?) bei Solmsen KZ 37, 16 f. Davon μαλάχιον (Ar. Fr. 320, 10), μολόχιον (Clem. Al.) ‘weiblicher Halsschmuck’ (auch μάλακιον [Poll., H.] nach μαλακός); μαλάχιος· ἰχθῦς ποιός H.; nach der Farbe (Strömberg Fischnamen 25); μολοχίτης (v.l. -τις) ‘malvenfarbiger Stein’ (Plin., Isid.; Redard 57); μολόχινος ‘aus Malvenfasern gemacht, malvenfarbig’ (Peripl. M. Rubr. u. a.), μολόχινα n. pl. ‘Malvenkleider’ (ebd.) > lat. molochina f. — Kret. ON ἐμ Μολοχᾶντι (Nom. *Μολοχᾶς; Schwyzer 528). — Samt lat. malva (woraus Malve usw.) aus einer Mittelmeersprache entlehnt; schon lange mit hebr. mallūaḥ Ben. eines salatähnlichen Gewächses verglichen; hierher noch georg. balba? Weitere, noch unsicherere Anknüpfungen bei W. -Hofmann s.v., wo auch reiche Lit.; dazu noch Cocco Arch. glottol. it. 40, 16ff. — Das einmalige μάλβαξ (Luk. Alex. 25 μάλβακα Akk.), das von Solmsen KZ 38, 447 beanstandet wurde, dessen Ähnlichkeit mit malva (und mallūaḥ) indessen auffällt, will v. Windekens Ling. Posn. 7, 51 aus dem Pelasgischen herleiten. Abzulehnen Carnoy REGr. 69, 287. II-166
μαλερός poet. Adj. unsicherer Bed., vom Feuer (Il., Hes. Sc.18, A. Ch. 325 [lyr.]), von Löwen (A. Ag. 141 [lyr.]), von Sängern (Pi. O. 9, 22), auch von πόθος, Ἄρης usw.; gewöhnlich als ‘heftig, stark’ (od. ‘verzehrend’) erklärt, nach Bechtel Lex. s. v. (mit v. Wilamowitz) vielmehr ‘zermalmend’. — Bildung wie θαλερός, φανερός u.a. (Chantraine Form. 228 f., Schwyzer 482); wegen der unbestimmten Bed. ohne überzeugende Etymologie. Als ‘heftig usw.’ seit Osthoff ZGdP 450 zu μάλα gezogen; nach Bechtel dagegen zu μάλευρον, μύλη (s. dd.). II-166
μάλευρον n. ‘Mehl’ (Achae. 51, Theok. 15, 116). — Umbildung von ἄλευρον nach μύλη (Bq). Anders Persson Beitr. 1, 212, Bechtel Dial. 1, 122, Specht KZ 59, 231 f. und Ursprung 141: altes Wort, mit ahd. melo aus *mel-u̯a- ‘Mehl’ usw. stammverwandt; e auch in myk. me-re-u-ro? — Kret. PN Μάλευρος (SGDI 5028 A 4). II-166
μάλη f. ‘die Achsel, Achselhöhle’, fast nur in dem stehenden Ausdruck ὑπὸ μάλης ‘unter der Achsel, heimlich’ (att.), da- nach auch ὑπὸ (τὴν) μάλην (Plb., Luk.), παρὰ τὴν μ. (Hippiatr.). — Mit μασχάλη gleichbedeutend und wohl daraus durch volkstümliche Kürzung entstanden; zur flexivischen Defektivität Schwyzer 584. II-167
μαλθακός, äol. μόλθακος (Alk.) ‘weich, verweichlicht, zart, mild’ (vorw. poet. seit Ρ 588, auch Hp. und Pl.). Ableitungen: μαλθακία ‘Weichheit’ (Pl. R. 590 b); μαλθακώδης ‘erweichend’ (Hp., Gal.), μαλθάκινος = μαλθακός (AP). Denominative Verba: 1. μαλθάσσω = μαλάσσω (Hp., Trag.) mit μαλθακ-τήριον -τικός, -ξις (Mediz.). 2. μαλθακίζομαι ‘weich sein, werden’ (A., E., Pl., Gal.). 3. μαλθακύνω = μαλακύνω (Sch.). 4. Auch μαλθάζω (Aret.), -αίνω (Stob.) = μαλθάσσω, beide wohl durch Suffixtausch und nicht zu μάλθη, μάλθων (s. u.) mit Debrunner IF 21, 20f. und Solmsen Wortforsch. 56 A. 1. — Daneben μάλθη (Kratin. 204), auch μάλθᾰ (Ar. Fr. 157), μάλθης, -θῃ (Hippon., S., D.; zum Wechsel -η : -ᾰ Solmsen Wortforsch. 265) ‘Mischung von Wachs und Pech’; lat. LW malt(h)a; nach H. auch = τρυφερή (Adj.; richtig?), auch N. eines großen Seetieres (Ael., Opp.; nach dem weichen od. wachsähnlichen Fleisch?, Strömberg Fischnamen 32); davon μαλθώδης = μαλακτικὸς ἢ κηρώδης (Hp. ap. Gal.), μάλθων m. ‘Weichling’ (Sokr. ap. Stob.), Μάλθιον Frauenname (Paros); μαλθώσω· μαλακώσω H. Hierher noch ἐπίμαλθα· ἀγαθά, προσηνῆ. ἢ μαλακά, ἢ ἀσθενῆ λίαν H. — Bildung wie μαλακός; die beiden synonymen Adj. unterliegen dem Verdacht, sich einander gegenseitig beeinflußt zu haben. Wenn μαλακός zunächst mit βλά̄ξ zu verbinden ist, muß μαλθακός eine Neubildung sein. In μάλθη will Solmsen Wortforsch. 55 das Fem. eines urspr. Adj. *μαλθός ‘weich’ finden, das auch in μάλθων (wozu μαλθακός aus -n̥-qo-) usw. Spuren hinterlassen hätte. — Außerhalb des Griech. bietet sich als denkbarer Verwandter das germ. Wort für ‘mild’, z.B. ahd.milti, got. unmildjai ’ἄστοργοι’; auch aind. márdhati ‘nachlassen, vernachlässigen’, idg. meldh-; WP. 2, 289, Pok. 719, ält. Lit. auch bei Bq. Anders über μαλθακός (idg. -th-) Specht Ursprung 256. — Vgl. ἀμαλθύνω. II-167
μαλιάω ‘von Druse, Rotzkrankheit leiden’ mit μαλίασις usw. s. 1. μῆλον. II-167
μάλκη f. ‘das Erstarren vor Kälte, Erfrieren (an Händen und Füssen)’, pl. ‘Frostbeulen’ (Nik.); μάλκην· τὸ ἐπικόπανον. Πάριοι H. Davon μάλκιον ntr. (Komp. wie ῥίγιον?): φάρμα-κον ἀσθενές τε καὶ μάλκιον (Anon. ap. Suid.), Sup. μαλκίστατον ἦμαρ (Kall. Fr. anon. 45). Denom. Verb μαλκίω (nach ἰδίω; s. d.) ‘vor Kälte erstarren, erfrieren’ (A. Fr. 332 [652 Mette], X., D., Ael. usw.; oft μαλακίω geschr. nach μαλακός), μαλκιό-ωντι Ptz. Dat. sg. (Arat. 294, metri c.), μαλκιῆν· ὑπὸ κρύους κατεσκληκέναι καὶ δυσκίνητος εἶναι (Phot.). Hierher auch μαλκόν· μαλακόν H.? (nach Specht KZ 59, 97 "Schwächung von μαλακόν"). — Ohne überzeugende Erklärung. Persson BB 19, 262 sucht Anschluß an lit. mùlkis ‘Dummkopf’, aksl. mlьčati ‘schweigen, stumm sein’ u. a. Wörter, die schon für sich betrachtet von fraglicher Zusammengehörigkeit sind, s. Fraenkel und Vasmer Wb. s. vv.; Einzelheiten mit weiteren abzulehnenden Kombinationen bei Bq s. v., auch W.-Hofmann s. flaccus m. Lit. — Die Anknüpfung an μαλακός (Persson u. a.; so auch Bechtel Dial. 3, 315 für μάλκη = ἐπικόπανον unter Berufung auf Sch. Nik. Th. 381) befriedigt semantisch nicht; vgl. WP. 2, 290, Pok. 719. II-167-168
μαλλός m. ‘Zotte, Flocke von Wolle’ (Hes. Op. 234, Miletos VIa, A., S., Herod. u.a.); Davon μαλλωτός ‘mit Woll- flocken versehen, gefüttert’ (Pl. Kom., Str. u. a.) mit μαλλωτάριον ‘Schaffell’ (Pap. V—VIp); μάλλωσις ‘das Füttern mit Wolle’ (Sch.; zur nomin. Abl. Chantraine Form. 279, Holt Les noms d’action en -σις 152). Dazu μάλλυκες· τρίχες H. (nach ἄμπυκες, κάλυκες o. ä.); mit Vereinfachung des λ: μάλιον ‘Löckchen’ (AP 11, 157, Herm. Trism.). Kompp., z.B. πηγεσί-μαλλος ‘mit dichten Wollflocken’ (Γ 197). — Unerklärt. Von Fick KZ 20, 176 zu lit. mìlas ‘grober, selbstgewebter Wollstoff’ gezogen; zweifelnd oder ablehnend Bq, WP. 2, 294, Pok. 721; s. auch W.-Hofmann s. floccus und mollestrās, wo weitere überholte Hypothesen. II-168
μᾱλός Beiwort von τράγος (Theok. Ep. 1, 5), seit alters (H.) als ‘weiß’ erklärt. — Wohl aus μαλο-πάραυος eig. ‘apfelwangig’ (Theok. 26, 1), nach H. = λευκο-πάρειος, ausgelöst; dazu μάλ-ουρος (-ρις) = λεύκ-ουρος, λευκό-κερκος H. — S. 1. μῆλον. II-168
μάματα · ποιήματα (πέμματα Meineke), βρώματα H.; μάμματα· βρώ-ματα (Sch. Pl. Alk. 1, 118e). — Nach v. Blumenthal Hesychst. 21 f. dial. (dor.-makedon.) für μάγματα (zu μάσσω ‘kneten’). II-168
μάμμη f. ‘Mutter’ (Pherekr., Men., Epikur., AP), ‘Mutterbrust’ (Arr.), ‘Großmutter’ (LXX, Pap. Ia, Ph., Plu. u. a.). Kompp. wie μαμμό-θρεπτος ‘von der Großmutter erzogen’ (Phryg., Poll. u. a.), auch Μαμμά̄κυθος m. ‘Muttersöhnchen’ (Ar. Ra. 990, eig. "der sich bei der Mutter verbirgt" [: κεύθω], ᾱ metr. Dehn.). Hypokoristische (deminutive) Ableitungen: μαμμία (Ar.), -ίον (Phryn.)- -ίδιον (Plu., Hdt.). Adj. μαμμῷος, μαμμικός (Pap.). Vgl. παππία usw. s. πάππα. Denom. Verb μαμμάω ‘an der Mutter(brust) saugen’ (Ar. Nu. 383). Wort der Kinder- und Ammensprache, aus dem reduplizierten Vok. μάμμᾰ (Ar. Byz.) erwachsen, vgl. Solmsen Wortforsch. 286. — Lallwort mit mehreren Verwandten, z.B. lat. mamma ‘Mutter, Amme, Großmutter, Mutterbrust’, nhd. alem. mamme, lit. mamà, russ. máma. Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 2, 221 f., Pok. 694, ebenso wie bei W.-Hofmann, Fraenkel und Vasmer; dazu noch Chantraine REGr. 59—60, 243, Risch Mus. Helv. 1, 119. Zur Geminata Schwyzer 315, zum α-Vokal ebd. 339. — Vgl. μᾶ, μαῖα, μήτηρ, μαστός. II-168-169
μανδάκης n.. ‘δεσμὸς χόρτου, Garbe, Bündel’ mit μανδάκιον n. (Pap.); μανδακηδόν ‘garbenweise’ (Hippiatr.). — Bildung wie γαυνάκης (s. d.). Nach alter Annahme (Lagarde, Kretschmer Einl. 236, Vendryes BSL 41, 138) als thrakisches LW zu air. banda-ka- ‘Bande, Fessel’ mit thrak. Übergang von b zu m. Anders Pisani Acme 1, 292: zu lat. manus und phryg. δακετ, gr. θήκ-η; noch anders ders. RhM 100, 389ff.: aus *mant-akā zu nhd. Mandel ‘Garbe’ usw. Vgl. zu μάνδρα. II-169
μάνδαλος m. ‘Türriegel’ (Med. ap. Erot., Artem.) mit μανδαλώσας ‘verriegelnd’ (H. s. τυλαρώσας), μανδαλωτός ‘verriegelt’ (Kom., Phot.). — Technisches Wort auf -αλον (Chantraine Form. 245 f.) ohne Etymologie; vgl. zu μάνδρα. Wie ἀμάνδαλον = ἀφανές (Alk. Z 81), ἀμανδαλοῖ· ἀφανίζει, βλάπτει H. semantisch damit zu verbinden sind, bleibt dunkel (vgl. s. v.); Vorschlag bei Lewy Fremdw. 114. II-169
μάνδρα f. ‘Pferch, Hürde, Stall’ (S. Fr. 659, Kall., Theok., Peripl. M. Rubr., Plu. usw.), auch ‘Kloster’ in ἀρχι-μανδρίτης ‘Vorsteher eines Klosters, Abt, Archimandrit’ (Just.; Redard 46 f.). Formale Erweiterung (nach den Nom. auf -ευμα) μάνδρευμα (D. H.). — Seit Fick (s. Bq) mit aind. mandirá- n. ‘Wohnsitz, Haus’, mandurā́ f. ‘Stall’ verglichen; es muß sich wohl dann um ein LW aus gemeinsamer (kleinasiatischer?) Quelle handeln (vgl. Chantraine Form. 371, Schwyzer 481 A. 12 m. Lit.). Krahe Festgabe Bulle 205 f. erinnert an illyrischen Namen, z.B. Mandarium, -ia (Kalabrien), von illyr. mand- ‘kleines Pferd’. — Die Vereinigung von μάνδρα, μάνδαλος, μανδάκης unter einen Hauptnenner mand- ‘einfriedigen’ bzw. ‘Rutenverflechtung als Hürde’ (Bq mit Fick und Prellwitz, WP. 2, 234, auch [fragend] Pok. 699) ruht auf einer sehr schwachen Unterlage. Semit. Etymologie bei Lewy KZ 58, 59 (abzulehnen). II-169
μανδραγόρας m. ‘Alraun’ (att., Thphr. usw.). Davon μαν-δραγορ-ίτης οἶνος (Dsk.; Redard 97), -ῖτις· ’Αφροδίτη H. (weil die Pflanze als Aphrodisiakon galt); -ικός ‘aus μ.’ (Alex. Trall.); -ιζομένη ‘mit μ. betäubt’ (N. einer Kom. des Alexis). — Unerklärt. E. Fraenkel Satura Berolinensis 23f. vermutet, daß die Pflanze nach einer Person (Arzt) benannt wäre. Schrader-Nehring Reallex. 1, 42 erinnert zögernd (nach Lagarde) an den persischen Namen der Pflanze merdum gijā "Menschenpflanze"; die Mandragora-Wurzel wird von einem unbekannten Gewährsmann als ἀνθρωπόμορφος, von Columella als semihomo bezeichnet. Nach Bq ev. volksetymologische Zurechtlegung eines Fremdworts. Phantasievolle Deutung aus dem Thrakischen bei v. Windekens Ling. Balk. 1, 62f. —Aus μανδραγόρας engl. mandrake, arm. manragor u. a. — Zum Sachlichen Schrader-Nehring a.a.O. II-170
μανδύα, -η -ας, -ης m. f., N. eines wollenen Gewandes (A. Fr. 364 = 711 Mette, LXX usw.). — Unerklärtes Fremdwort. Nach Ael. Dion. Fr. 252 und H. persisch; A. (a.a.O.) und St. Byz. 415, 7 sprechen von Λιβυρνικὴ μανδύη. II-170
μά̄νης, Akk. sg. -ην, pl. -ας, Nom. pl. -ητες (phrygischer) Sklavenname, auch appellat. ‘Sklave’ (Kom.), Ben. eines unglücklichen Würfelwurfs (Eub. 59); Art Topf od. Becher mit dem Demin. μανίον (hell. Inschr., Pap.); Gegenstand (Becher?, Scheibe?, Metallmännchen?) beim Kottabosspiel (Kom.). — Als Sklavenname aus dem Phrygischen (vgl. Φρύξ, auch = ‘Sklave’ im allg.; zur Etymologie vgl. W.-Hofmann s. mānēs m. Lit.), sekundär auf das Würfelspiel übertragen. Auf welchen Wegen das Wort zum weiteren appellativischen Gebrauch gelangte, ist nicht klargelegt. Im Sinn von ‘Scheibe beim Kottabosspiel’ will Mazzarino Rend. Acc. Linc. 6: 15, 366f. das Wort als sikulisch (italisch) mit lat. mānāre ‘fließen, strömen’ verbinden (?). Vgl. auch Bq s. v. II-170
μανθάνω (Pi. usw.), Aor. μαθεῖν (seit Il.), Fut. μαθήσομαι (Thgn., Parm. usw.), Perf. μεμάθηκα (Anakr., Xenoph., Emp. usw.), ‘(kennen-)lernen, erfahren’. auch mit Präfix, z.B. κατα-, ἐκ-, προ-, μετα-, Ableitungen. Nom. actionis: 1. μάθη f. ‘das Lernen, die Erkenntnis’ (Emp., H.). 2. μάθος n. ‘das Ge- lernte, Brauch, Gewohnheit’ (Alk.,Hp.,A.inlyr.u.a.).3.μάθησις = μάθη (Alkrn., ion. att.; Holt Les noms d’action en -σις 99 m. A. 1 u. Lit.). 4. μάθημα ‘das Gelernte, Kenntnis’, pl. ‘(mathematische) Wissenschaften’ (ion. att., hell.) mit μαθη-ματ-ικός ‘lernbegierig, wissenschaftlich, mathematisch’ (Pl., Arist. u. a.; Chantraine Études 131 f.), -ικεύομαι ‘mathematisch argumentieren’ (Dam.). 5. μαθημοσύνη ‘das Lernen’ (Phryg., Kaiserzeit; Wyss -συνη 64). Nom. agentis: μαθη-τής ‘Schüler’ (ion. att.), wovon -τικός ‘schülerhaft, gelehrig’ (Pl., Arist.) mit -τικεύομαι (Dem.), -τεύω ‘Schüler sein, zum Schüler machen’ (NT, Plu.) mit -τεία ‘Unterricht’ (Timo, D. Chr.), -τιάω ‘Schüler werden wollen, lernbegierig sein’ (Ar. u.a.); f. -τρίς (Ph.), -τρια (D.S., Act.Ap. u.a.); μαθετής ‘ds.’ (Knossos IIa; nach εὑρετής? Fraenkel Nom. ag. 1, 186). — Zur Bed.geschichte s. B. Snell Ausdrücke 74f., H. Dörrie, Leid und Erfahrung. Die Wort- und Sinnverbindung παθεῖν —μαθεῖν im griech. Denken. Mainz 1956. — Die griech. Formen gehen alle auf den schwundstufigen Aorist μαθεῖν zurück; denkbare Hochstufen sind entweder in μενθ-ήρη ’φροντίς, μέριμνα’ (H., EM) oder in προ-μηθ-ής ‘vorbedacht, vorsichtig’ vertreten. Letzteres steht isoliert (vgl. s. v.); zum hochstufigen μενθ- stimmt ahd.mendī ‘Freude’ mit menden ‘sich freuen’, woneben Schwundstufe z.B. im got. mundon sis ‘einen besehen, σκοπεῖν’, awno. munda ‘zielen (mit einer Waffe), einem Ziele zusteuern’. Die Wortsippe hat mehr oder weniger wahrscheinliche Vertreter auch in anderen Sprachen: alb. mund ‘kann, siege’ (idg. mn̥dh-); kelt., z.B. kymr. mynnu ‘wollen’, lit. mañdras ‘munter, lebhaft’, aksl. mǫdrъ ’φρόνιμος, σοφός’, alles hochstufig (mendh- od. mondh-). Zu den unsicheren aind. medhā́ ‘Weisheit, Einsicht’, aw. mazdā ‘Gedächtnis, Erinnerung’ s. Mayrhofer Bibliotheca Orientalis (Leiden) 13 (1956), 112 Sp.2, wo mit Duchesne-Guillemin eine Grundform *mn̥zdhā (zu mánas = μένος) erwogen wird. — Lit. u. weitere Formen bei WP. 2, 270 f. (mendh- ‘seinen Sinn worauf richten, angeregt, lebhaft sein’), Pok. 730, Fraenkel Wb. s. mañdras, Vasmer Wb. s. múdryj; daselbst auch über die weitere Zerlegung in men-dh- (zu μένος). II-170-171
μανιάκης, -ου (-η f.) m. ‘goldenes Halsband, von Persern und Gallern getragen’ (Plb., LXX, Pln. u. a.), Demin. -ιάκιον (Sch. Theok. 11, 41), auch μανάκιν (Pap.). Daneben μάννος μόννος m. ‘Halsband’ (Poll.), μαννο-φόρος (Theok. 11, 41; v. l. für ἀμνο-). — Bildung wie μανδάκης, γαυνάκης (s. dd.). Gallisches Wort (vgl. z.B. air. muin-torc ‘Halskette’, akymr. minci ‘Halsring für Pferde’ u. a. m.) mit Verwandten in lat. monīle ‘Halsband’, ahd. menni ‘Halsgeschmeide’ usw.; WP. 2, 305, Pok. 747 f., W.-Hofmann s. monīle m. Lit. und weiteren Formen. Vgl. μόναπος. II-171
μᾱνός (Emp. 75, 1), μᾰνός (Telekl. 61) ‘dünn, locker, spärlich, selten’ (ion. att.). Davon μανότης ‘Dünnheit, Seltenheit’ (Pl., Arist., Thphr.), μανία ‘ds.’ (An. Ox.); μανώδης ‘dünn’ (Arist.); μανάκις ‘selten’ (Pl. Kom., H.: πολλάκις); μανόω ‘lockern’ (Thphr. u.a.) mit μάνωσις (Arist. u. a.). — Durch Dissimilation βανόν· λεπτόν H. Kompp., z.B. μᾰνό-στημος ‘mit lockerer Kette, dünn, fein’ (A. Fr. 297 = 688 Mette). — Neben ion. μᾱνός, att. μᾰνός aus *μανϝός steht μάνυ· μικρόν (cod. πικρόν). ’Αθαμᾶνες H.; zu u : ŭo Chantraine Form. 122, Schwyzer 472. Der u-Stamm ist noch in arm. manr, Gen. manu ‘klein, dünn, fein’, manu-k ‘Kind, Knabe, Diener’ ebenso wie in μάνυ-ζα· μονοκέφαλον σκόροδον H. (vgl. κόνυ-, μώλυ-ζα) zu belegen. Nach Brugmann RhM 62, 634f. hierher auch μαναύεται· παρέλκεται H. (eig. ‘isoliert sich’?; ablehnend Hahn Lang. 18, 88) und, ganz unsicher, βάναυσος (s. d.). Albanische Kombination bei Mann Lang. 17,21: zu mêj, Aor. mêna (< *mn̥i̯ō) ‘I lessen, cease, stop’. Zur ganzen Gruppe noch Mezger Word 2, 237. — Weiteres s. μόνος. II-171-172
μαντία f. ‘Brombeere’ (Dsk.) s. βάτος. II-172
μάντις, -εως, ion. -ιος m., auch f., ‘Seher, Wahrsager, Weissager, Prophet’ (seit Il.), auch als N. einer Pflanze (Nik.), einer Heuschrecke, ‘Fangheuschrecke’ (Theok., Dsk.), eines Frosches (H.); als Wetterverkünder, vgl. Strömberg Pflanzennamen 79. Selten als Vorderglied, z.B. μαντι-πόλος ‘weissagend’ (E. in anap., Orac. ap. Luk., Man.), -έω ‘weissagen’ (A. in lyr.); formale Nachbildung nach οἰωνο-πόλος, -έω ‘Vogelschauer, Vogelschau anstellen’ u. a. (Wackernagel KZ 29, 143 = Kl. Schr. 1, 646; vgl. unten); oft als Hinterglied in der Tragikersprache, z.B. ἰατρό-μαντις ‘Wahrsager, der zugleich Arzt ist’ (A.), vgl. Risch IF 59, 272f. m. Lit. Ableitungen: 1. μαντεῖος, -ήϊος ‘den Wahrsager betreffend, prophetisch’ (P., Trag.; nach βασιλεῖος usw.), μαντεῖον, -ήϊον n. ‘Orakelspruch, -statte’ (seit μ 272). 2. μαντικός ‘ds.’, μαντική (τέχνη) ‘Seherkunst’ (ion. att.; Chantraine Études 130 u. 143). 3. μαντῷος ‘ds.’ (AP; nach ἡρῷος u. a.). 4. μαντοσύνη ‘Sehergabe’ (Il., Pi., Emp.; nach ἱππο-σύνη usw., Wyss -συνη 24f., Porzig Satzinhalte 226), -συνος ‘zum Seher, Orakel gehörig’ (Korinna, E. in lyr.; Wyss -συνη 42). 5. μαντεύομαι, spät auch -εύω, ‘weissagen, voraussagen, ein Orakel befragen’ (seit Il., analog nach βασιλεύειν usw.; vgl. Schwyzer 732) mit μαντεία, -είη, η-ΐη ‘das Weissagen, die Sehergabe, Orakelspruch’ (seit h. Merc.; Zumbach Neuerungen 9), μάντευμα ‘Orakelspruch’ (Pi., Trag. u. a.), μαντευτής = μάντις (Hdt.), -εύτρια (Sch.). — PN Μάντιος (Od.). — Als mask. Konkretum, zumal als Nom. agentis auf -τι-, steht μάντις ziemlich vereinzelt da; ähnlich nur μάρπτις ‘Räuber’ (A. Supp. 826 f.; Text defekt), πόρτις ‘Kalb’; ganz unsicher der VN Σίντιες (Lemnos; σίνομαι?, s. Fraenkel Nom. ag. 1, 76). Der Gedanke, darin wie in φάτις ein urspr. abstraktes Fem. zu sehen (Brugmann; z.B. 4239), liegt nahe; zur ganzen Frage Holt Les noms d’action en -σις 40f., G. Liebert Das Nominalsuffix -ti- im Aind. (Lund 1949) 142ff. m. Lit. Nach Benveniste Origines 83 wäre vielmehr auf ein altes Neutrum *τὸ μάντι ‘divination’ zurückzuschließen; das von B. dafür angeführte μαντι-πόλος läßt sich indessen unschwer anders erklären, s. oben. Jedenfalls gehört μάντις zu μαίνομαι, μανῆναι (ὑπὸ τοῦ θεοῦ μαίνεται Hdt. 4, 79; ablehnend v. Wilamowitz Glaube 1, 40); semantisch stimmt dazu das auch formal verwandte aber anders gebildete aind. múni- m. ‘Begeisterter, Seher’; im Westen dafür ein anderes Wort (lat. vātēs usw.; Porzig Gliederung 127). Die ti-Ableitung in lat. mens usw. steht dagegen begrifflich fern. Weiteres s. μέμονα und μένος. II-172-173
μαπέειν Aor.; mit redupliziertem Opt. μεμάποιεν (ebd. 252; v.l. μεμάρποιεν). ‘packen, fest greifen’ (Hes. Sc. 231, 304) Daneben *ἐμ-μαπεῖν in ἐμμαπέως ‘sofort, rasch’ (s. d.). — Semantisch mit μάρπτω zusammenfallend (μέμαρπεν, -ώς ebd. 245, Op. 204) läßt es sich formal damit schwer vereinigen (Kreuzung mit ἐμμαπέως, μάψ? Schwyzer 747 A. 7; anders Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 113 A. 1 = Kl. Schr. 2, 1170). Über andere Versuche (zu μάρη, ἐμπάζομαι) s. Bq. II-173
μάραγδος s. σμάραγδος. II-173
μάραγνα H. auch σμάραγνα (vgl. zu σμάραγδος). f. ‘Geißel, Peitsche’ (A., E., Pl. Kom., Poll.); — Stimmt zu syr. māraɣnā ‘flagelli genus’ und ist wie dies nach Hubschmann KZ 36, 175 f. aus apers. *māra-gna- "Schlangentöter" entlehnt. II-173
μάραθον -ος m. f. (Hermipp. u. a.), auch (ohne dissim. Wegfall des ρ) μάραθρον (Alex., hell. Pap., Dsk. u. a.) n. (Epich., D., Thphr. u.a.), ‘Fenchel, Foeniculum vulgare’. Kompp. εὐ-μάραθος ‘fenchelreich’ (AP), ἱππο-μάραθ(ρ)ον’Prangos ferulacea’ (Diokl. Med., Thphr., Dsk. u. a.; διὰ τὸ μέγεθος, Strömberg Pflanzennamen 30). Davon μαραθίς, -ίδος f. = ἱππομ. (Ps.-Dsk.), μαραθᾶς m. ‘Fenchelhändler’ (Robert Rev. de phil. 70, 52 f.), μαραθίτης οἶνος (Dsk., Gp.; Redard 97), Μαραθών, -ῶνος m. f. (seit η 80) u. andere ON (Tovar Emer. 12, 320). — Als Pflanzenname fremder Herkunft verdächtig (Schwyzer 61). Scharfsinniger und umsichtiger Deutungsversuch aus dem Idg. von Hesselman Symb. Danielsson 94ff. : zu nschwed. mjärd(r)e, aschw. miærdher m. n. ‘Fischreuse bzw. trichter-ähnlicher Eingang derselben’, urg. *merdra-, idg. *mer(ə)-dhro- (vgl. βέρεθρον : βάραθρον); weitere Anknüpfungen bei WP. 2, 272, Pok. 733. Die Pflanze wäre somit nach dem reusenähnlichen Blütenstand benannt; vgl. noch Strömberg Pflanzenn. 50. Zweifel bei Debrunner IF 51, 209. II-173
μαραίνω (seit Il.), Aor. μαρᾶναι (seit h. Merc.; Zumbach Neuerungen 57), Pass. μαρανθῆναι (seit Il.), Perf. Med. μεμάρα(σ)μαι und Fut. μαρανῶ (spät), ‘auslöschen, vernichten, aufreiben’, Med.-Pass. ‘erlöschen, dahinschwinden, abzehren’. auch mit ἀπο-, κατα-, προ-, ἐκ-, Davon μάρανσις ‘das Auslöschen, Dahinschwinden’ (Arist. usw.; Holt Les noms d’action en -σις 136 A. 1 m. Lit.), μαρασμός ‘das Hinschwinden’ mit μαρασμώδης (Mediz.); μαραντικός ‘dahinschwindend, abgezehrt’ (Phryn., Sch.). — Die obigen Formen, einschließlich die nominalen Ableitungen, bilden ein durch Analogie ausgebautes System, das eine ältere Reihe primärer Bildungen abgelöst hat. Als Muster dienten sinnverwandte Denominativa wie κηραίνω ‘beschädigen, verderben’ oder ein Oppositum wie ἰαίνω, ἰᾶναι ‘erquicken’, hinter dem ein altes primäres Nasalpräsens vermutet werden kann (vgl. s. v.). Auch für μαραίνω kommt als Vorgänger ein Nasalpräsens in Betracht; s. μάρναμαι mit weiteren Anknüpfungen; dazu Schwyzer 693 und Fraenkel Denom. 23. — Ein ngr. Ausläufer ist μαραγγιάζω ‘verblühen, vergehen’ (Hatzidakis ’Αθ. 43, 186f.). II-174
μαραυγέω ‘sich vor einem Licht zusammenziehen, geblendet werden, blinzeln’, von den Pupillen einer Katze (Plu.) mit μαραυγ-ία ‘das Blinzeln, Geblendetwerden’ (Archyt. ap. Stch. 3, 1), auch (-γεια) als Fischname (Xenokr.); wegen des Blickes (Strömberg Fischnamen 42 f.). — Expressives Kompositum mit Hinterglied wie in χρυσ-, σκι-, βολ-αυγέω und mit adj. oder verbalem Vorderglied, somit entweder zu μαρμάρεος (μαρμάρεαι αὐγαί Ar. Nu. 187 [lyr.]) oder zu μαρμαίρω (s. d.) wie z.B. εἰλυσπάομαι, δνοπαλίζω (s. dd. m. Lit.). II-174
μαργαρίτης f. -ῖτις (λίθος) ‘ds.’ (Ath., Isid. Char.), m. ‘Perle’ (Thphr., Str., Ael., Arr., NT usw.), Demin. -ιτάριον (PHolm.). — Daneben, wahrscheinlich als Rückbildung (vgl. unten), μάργαρον ‘ds.’ (Anakreont., PHolm.), -ος m. f. ‘ds.’ (Tz.), auch ‘indische Perlmuschel’ (Ael.), -ίς (λίθος) ‘Perle’ (Philostr.,Hld.), pl. -ίδες als Ben. einer perlenförmigen Art Palmendatteln (Plin.); -ίδης m. (Praxag.). — Orientalisches LW, nach Schiffer Rev. de phil. 63, 45ff. zunächst aus dem Iranischen, mpers. marvārīt, npers. marvā-rīδ ‘Perle’; Einzelheiten m. weiterer Lit. Redard 56 f. Nach älterer Ansicht (s. Bq und Schrader-Nehring Reallex. 2, 159) aus aind. mañjarī ‘Blütenknöpfchen’ (ep. klass.), ‘Perle’ (Lex.), wobei -ίτης nach den zahlreichen gleichgebildeten Steinbenennungen hinzugefügt wurde. Die Nebenform. mañjara- n. würde im Ausgang an sich gut zu μάργαρον stimmen, aber das späte und seltene Vorkommen sowohl der aind. wie der griech. Form ist einer unmittelbaren Gleichsetzung sehr ungünstig. — Aus μαργαρίτης lat. margarita usw., s. W.-Hofmann s. v. II-174-175
μάργος ‘verrückt, rasend, lüstern, gierig’ (poet. seit Od.; zur Bed. v. Wilamowitz Eur. Her. v. 1082); als Vorderglied z.B. in γαστρί-μαργος ‘gefräßig’ (Pi., Arist., Ph. u. a.) mit γαστρι-μαργ-ία (Hp., Pl. u. a.), -έω (Ph.). Daneben (äolisch) μόργος· ἄπληστος, μοργίας· γαστριμαργίας, καὶ ἀκρασίας H. — Ableitungen: Μαργίτης m. N. der Hauptperson eines satirischen ep. Gedichts (Arist., Plb. usw.; Redard 229 m. den kritischen Bemerkungen von Bloch Mus. Helv. 12, 59), -ιτεία f. ‘Wut, Verrücktheit’ (Phld.); μαργότης f. ‘Verrücktheit, Gefräßigkeit, Lüsternheit’ (Pl., Trag.), -οσύνη ‘ds.’ (Anakr., Thgn. u.a.; Wyss -συνη 33, Porzig Satzinhalte 225); μαργηέντων· λυσσώντων H. Verba: 1. μαργαίνω ‘rasen, wüten’, nur Präs. (Ε 882, Demokr.); 2. μαργάω, nur Ptz. Präs. μαργῶν, -ῶσα ‘wütend, lüstern’ (Trag., Kall.); 3. μαργόομαι, nur Ptz. μαργούμενος, μεμαργωμένος ‘ds.’ (Pi., A. in lyr.). — Mit unklarem e-Vokal: μέργιζε· ἀθρόως ἔσθιε H. — Unerklärt. Abzulehnen Prellwitz s. v. und Carnoy Ant. class. 24, 20. II-175
μάρη f. ‘Hand’ (Pi. Fr. 310). Davon εὐμαρής mit εὐμάρεια, s. bes.; ganz unsicher μάρις, -εως m. N. eines Flüssigkeitsmaßes, = 6 κοτύλαι (Arist., Poll.), = 10 χόες (Polyaen.), mit dem Demin. μάριον (Pap.). — Gr. μάρη und lat. manus können als Ausläufer eines heteroklitischen r-n- Stamms erklärt werden. Erweiterungen des n-Stamms liegen vor in germ., z.B. awno. mund f. ‘Hand’ (idg. *mn̥-t-) und in kelt., korn. manal (< *manatlo-) ‘Garbe’; in Betracht kommt auch das heth. Denominativ manii̯aḫḫ- ‘einhändigen, übergeben, verwalten usw.’ (Pedersen Hittitisch ̨ 83 m. Lit.). Ein Ableger des r-Stammes ist in alb. marr (< *marnō) ‘halten, fassen’ vermutet worden. Griech. und Alban. gehen also gegenüber den westlichen Sprachen (einschließlich dem Hethitischen) zusammen, vgl. Porzig Gliederung 178. Weitere Lit. mit zahlreichen Einzelheiten bei W.-Hofmann s. manus; auch WP. 2, 272, Pok. 710f. — Vgl. zu χείρ. II-175
μαριεύς, -έως auch μαριθήν (Nom.) ohne Bed.angabe bei Hdn. 1, 16, 7. m. ‘Stein, der bei Berührung mit Wasser brennt’ (Arist. Mir. 833 a 27; v.l. μαριθάν [Akk.]); bei H. μαριζεύς· λίθος τις, ὅς ἐπισταζομένου ὕδατος καίεται; — Richtige Form unsicher, aber wohl jedenfalls letzten Endes mit μαρμαίρω (s.d.) verwandt; dann eig. "der Funkler, Strahler". II-175
μαρίλη (Arist. auch σμ-) f. ‘glühende Asche’, im Gegensatz zu ἄνθραξ ‘Glutkohle’ und σποδός, -ιά ‘Asche’ (ion. att.); μαριλο-καύτης ‘Kohlenbrenner’ (S.; Fraenkel Nom. ag. 1, 13). Deminutivum μαρύλλια pl. (P.Leid. Χ. 56; nach den Demin. auf -ύλλιον); μαριλ-εύω ‘in glühende Asche verwandeln, Kohlen verbrennen’ mit -ευτής (Poll.). — Bildung wie μυστίλη, ζωμ-ίλη, στροβ-ίλη (-ῑλος) usw. (Chantraine Form. 249); das ī kann zum Stammgehören, s. zu μαρμαίρω. II-175-176
μαρῖνος m. N. eines unbekannten Fisches, Barbenart? (Arist., H.; vgl. Thompson Fishes s.v.). — Bildung wie ἀτταγ-ῖνος usw. (s. zu ἀτταγᾶς); sonst ohne Anknüpfung. II-176
μαρίσκος m. ‘Sumpfbinse, Cladium mariscus’ (Plin. HN 21, 112). — Bildung wie ἰβίσκος, ἀλθίσκος u. andere Pflanzennamen (Chantraine Form. 407); sonst dunkel. Nach Carnoy REGr. 71, 96 Demin. von μάρη ‘Hand’ ("les épis de ce roseau ont l’aspect de petites mains"). II-176
μαρμαίρω, nur Präsensstamm, ‘glänzen, schimmern, funkeln’ (poet. seit Il., auch sp. Prosa). vereinzelt mit ἀνα-, παρα-, περι-, ὑπο-, Daneben μαρμάρεος ‘glänzend, flimmernd, funkelnd’ (poet. seit Il.) mit μαρμαρίζω = μαρμαίρω (Pi., D. S.); πυρι-, περι-μάρμαρος ‘(von Feuer) funkelnd’ (Man., Hymn. Is. u. a.); μαρμαρυγή f. ‘das Geflimmer, das Gefunkel’, u. a. bei raschen Bewegungen (vgl. zu 1. ἀργός; ion. att. seit θ 265), nach ἀμαρυγή (Debrunner IF 21, 243 f., Porzig Satzinhalte 229) mit μαρμαρυγώδης ‘flimmerartig’ (Hp.), μαρμαρύσσω (: ἀμαρύσσω) = μαρμαίρω (Them., Jul. u. a.); davon μαρμάρυγμα (Cael. Aur.). — Zu μάρμαρος s. bes. — Das reduplizierte intensive Jotpräsens μαρμαίρω (aus *μαρ-μαρ-ι̯ω) steht neben μαρμάρεος wie δαιδάλλω neben δαιδάλεος (vgl. Schulze Kl. Schr. 118 A. 3; zu -εος Schmid -εος u. -ειος 34). Als Simplex liegt μαρ- vor in Μαῖρα f. "die Funkelnde", N. des Hundsterns (Kall., Eratosth. u. a., als PN bei Hom.; Scherer Gestirnnamen 114f.); in μαρ-αυγέω, ἀ-μαρ-ύσσω, wohl auch in μαρίλη und μαριεύς (s. dd.); in Betracht kommt noch der PN ’Αμφί-μαρος, Sohn des Poseidon (Paus. 9, 29, 6; Lesky RhM 93, 54ff.; < *’Αμφι-μάρ-μαρος?). — Einen sicheren außergriech. Verwandten bietet das Aind. in márīci- f. (m.) ‘Lichtstrahl, Luftspiegelung’ (: μαρί̄-λη, *μαρι̯α > μαῖρα?). Über weitere Vermutungen (lat. merus ‘unvermischt, lauter’, auch mare ‘Meer’ ?, ags. ā-merian ‘läutern, prüfen’, russ. mar ‘Sonnenglut’ usw.) s. WP. 2, 273f., Pok. 733, W.-Hofmann s. merus, Vasmer s. mar m. reicher Lit. II-176
μάρμαρος auch μάρμαρον n. ‘ds.’ (Kall., sp. Inschr.), auch ‘Schwiele am Fuß von Eseln’ (Hippiatr.). m. ‘Stein, Felsblock’ (Μ 380, ι 499, wohl auch E. Ph. 663 [lyr.] und Ar. Ach. 1172 [lyr.]), auch appositiv (attributivisch) zu πέτρος (Π 735, E. Ph. 1401); ‘weißer Stein, Marmor, Marmorwerk’ (Hp., Thphr., Theok. usw.); Einige Kompp., z.B. μαρμαρο-φεγγής ‘marmorglänzend’ (Tim. Pers.). Davon μαρμάρ-ινος (Theok., Inschr.), -εος (Inschr., Pap., AP) ‘aus Marmor’; -όεις ‘marmorglänzend’ (S. in lyr.), -ώδης ‘marmorartig’ (Et. Gud.); unsicher μαρμαρικός (ἄσβεστος, PHolm. 25, 19); wohl eher zu Μαρμαρική. Des weiteren μαρμαρῖτις (πέτρα) ‘marmorähnlich’ (Ph. Byz.); auch Pflanzenname, ‘Erdrauch, Fumaria’ (Ps.-Dsk.; wegen der blaugrauen Farbe; Strömberg Pfl.namen 26), auch ‘Pfingstrose’ (Plin., der den Namen aus dem Standort erklärt; vgl. Redard 57 u. 74). μαρμαρ-άριος ‘Marmorarbeiter’ (Inschr.; = lat. marmorārius). Denom. Verb μαρμαρόομαι, -όω ‘in Marmor verwandelt werden, mit Marmor überziehen’ (Lyk., Hero u. a.), wozu formal μαρμάρωσις ‘Schwielenbildung’ (Hippiatr.); am ehesten direkt aus μάρμαρον, vgl. über ἀέτωσις zu αἰετός. — μαρμαρωσσός ‘mit Schwielen behaftet’ (Hippiatr.) aus lat. marmorōsus ‘ds.’. — Im ursprünglichen Sinn von ‘Stein, Felsblock’ wohl mit Prellwitz zu μάρναμαι (vgl. lat. rumpō : rūpēs); die Bedeutung ‘Marmor’ erfolgte aus der volksetymologischen Anknüpfung an μαρμαίρω, μαρμάρεος. Wie alt die veterinärmedizinische Bed. ‘Schwiele’ ist, läßt sich nicht sagen; sie repräsentiert jedenfalls keine unabhängige Entwicklung aus einer angeblichen "Grundbedeutung" (*’Verhärtung’ o.ä.), sondern ist vielmehr aus ‘Stein’ od. ‘Marmor’ übertragen. Derselbe Vorgang liegt bei dem lat. LW marmor vor. Aus dem Latein stammen die westeurop. und westslavischen Formen; ksl. russ. mrámor daneben auch von μάρμαρος beeinflußt ? Reiche Lit. bei W.-Hofmann s. marmor. — Weiteres s. μάρναμαι. II-176-177
μάρναμαι, nur Präsensstamm, durch Dissimilation das Ptz. βαρνάμενος (s. d.). ‘kämpfen, sich bekämpfen’ (ep. lyr. seit Il.); vereinzelt mit ἐπι, περι-, Ohne nominale Ableitungen (dafür μάχη, πόλεμος, Porzig Satzinhalte 79). — Das schwundstuflge Nasalpräsens μάρ-να-μαι (Schwyzer 693) hat eine genaue formale Entsprechung im aind. Ipv. mr̥-ṇī-hí, wozu das thematische Aktivum mr̥ṇáti ‘zermalmen’ (anders darüber Thieme KZ 66, 233 A. 1 : eig. ‘packen, greifen, rauben’; μάρναμαι urspr. vom Ringkampf). Wenn die Etymologie überhaupt zutrifft (ablehnend Pedersen IF 2, 294), muß μάρναμαι ursprünglich ‘sich zermalmen, zerschlagen’ bedeutet haben; ein Ableger wird in μάρμαρος (s.d.) vermutet. Semantisch besser stimmt arm. mart ‘Kampf’ (d-Erweiterung); die übrigen herangezogenen Wörter wie germ., z.B. awno. meria ‘(zer)stoßen’, lat. mortārium, auch morbus (W.-Hofmann s. vv., WP. 2, 278f., Pok. 735f.) lehren für das Griech. nichts. — Als Neubildung neben μάρναμαι trat μαραίνω, s.d. II-177-178
μάρπτω, Aor. μάρψαι (seit Il.), Perf. μέμαρπεν usw. (Hes.,A.R.), ‘packen, fassen, ergreifen, einholen’ (ep. poet. seit Il.; vgl. Ruijgh L’élém. ach. 166 m. Lit.). auch mit κατα-, συν- u. a., Davon μάρπτις m. ‘Räuber’ (A. Supp. 826 [lyr.]; Schwyzer 271, 504 m. A. 3); κάμμαρψις· μέτρον σιτικόν, τὸ ἡμιμέδιμνον. Αἰολεῖς H. — Analogisch ausgeglichene Formenreihe ohne außergriechische Entsprechung. Zu bemerken sind die H.-glossen βράψαι· συλλαβεῖν, ἀναλῶσαι, κρύψαι, θηρεῦσαι und βράπτειν· ἐσθίειν, κρύπτειν, ἀφανίζειν, τῷ στόματι ἕλκειν, ἢ στενάζειν (mit βρ- < mr-); daneben mit abweichendem Auslaut βρακεῖν· συνιέναι, βράξαι· συλλαβεῖν, δακεῖν, καταπιεῖν, die mit aind. mr̥śáti ‘berühren, anfassen’ verglichen worden sind (vgl. s. v.). Der Wechsel κ : π ist indessen unerklärt; über eine unwahrscheinliche Assimilationstheorie (μ — κ > μ — π) s. Schwyzer 302 und zu βρακεῖν. Mit der Ansetzung wechselnder Wz.erweiterungen mer-ḱ- : mer-qʷ- (s. WP. 2, 283) ist nicht viel gewonnen. — Ältere Lit. bei Bq. Vgl. μαπέειν. II-178
μάρσιππος (codd. auch -ιπος, -υπ(π)ος) m. ‘Geldsack, Börse’ (X., LXX, hell. Pap. u.a.); Demin. μαρσίππιον (-ίπιον, -ύπ(π)ιον; Hp., LXX, hell. Pap.). — Fremdwort unbekannter Herkunft. Lat. LW marsup(p)ium, -sip(p)-; s. W.-Hofmann s. v., wo auch Lit. II-178
μαρτιχόρας m. nach Ktes. (bei Arist., Paus. u. a.) indische Ben. eines fabelhaften Tieres, nach Paus. 9, 21, 4 (wo μαρτιόρα) der Tiger, = ἀνδροφάγος. — Aus dem Iranischen; zu apers. martiya- m. ‘Mensch’ und aw. xvar- ‘verzehren’, np. mard-xvār ‘Menschenfresser’. Zur Schreibung vgl. Schulze Kl. Schr. 272 A. 1. II-178
μάρτυς, äol. (Hdn. Gr.) u. dor. μάρτυρ, kret. epid. μαῖτυς (-ρς), -ρος, Akk. auch μάρτυν (Simon. u. a.), Dat. pl. μάρτυσι (-ρσι Hippon.?); ep., auch nwgr. μάρτυρος m. f. ‘Zeuge’ (seit Il., zur Verbreitung usw. E. Kretschmer Glotta 18, 92 f., zum Gebrauch bei Homer Nenci Par. del Pass. 13, 221ff.) ‘Blutzeuge, Märtyrer’ (christl. Lit.; s. Bauer Gr.-dt. Wb. s.v.). Kompp., z.B. μαρτυρο-ποιέομαι ‘zum Zeugen anrufen’ (Inschr., Pap.), ψευδό-μαρτυς ‘falscher Zeuge’ (Pl. usw.; Risch IF 59, 257 f.), ἐπί-μαρτυς ‘Zeuge’ (Ar. in lyr., Kall., A. R. u.a.), wohl Rückbildung aus ἐπι-μαρτύρομαι, -ρέω; über das angebliche ἐπιμάρτυρος (für ἔπι μάρτυρος) zuletzt Leumann Hom. Wörter 71. Ableitungen: μαρτυρία (seit λ 325; vgl. unten zu μαρτυρέω), μαρτύριον (ion. att.) ‘Zeugnis, Beweis’. Denominativa: 1. μαρτύρομαι, auch mit Präfix, z.B. δια-, ἐπι-, ‘zum Zeugen anrufen’ (ion. att.); 2. μαρτυρέω, oft m. Präfix, z.B. ἀντι-, ἐκ-, ἐπι-, δια-, κατα-, συν-, ‘Zeugnis ablegen, bezeugen’ (Alk., Pi., ion. att.) mit μαρτύρημα (E.), (ἀντι-, κατα-)-μαρτύρησις (Epikur., Pap. u. a.) ‘Zeugnis’, auch (δια-, ἐκ-, ἐπι-, συμ-) μαρτυρία ‘ds.’ (vgl. oben und Scheller Oxytonierung 34f. m. A. 4). — Auszugehen ist von einem Verbalnomen *μάρ-τυ- ‘Zeugnis’, das noch in μάρ-τυς, -τυν, -τυσι vorliegen kann; vgl. indessen unten. Der anzunehmende Übergang vom Abstraktum ‘Zeugnis’ zum appellativischen ‘Zeuge’ läßt sich mehrfach belegen, z.B. frz. témoin < lat. testimonium, nengl. witness urspr. ‘Zeugnis’, dann ‘Zeuge’. Durch Hinzufügung des ρο-Suffixes entstand das von Anfang an persönliche, wohl eig. adjektivische μάρτυ-ρος. Ein Kompromiß mit μάρτυς ergab vielleicht den auffallenden Konsonantstamm μάρτυρ-; zu beachten dabei besonders der Gen. pl. μαρτύρων (ἐναντίον μαρτύρων usw.), der sich sowohl auf den o-Stamm wie auf den Konsonantstamm beziehen ließ; Näheres bei Egli Heteroklisie 117ff. Dissimilation fand statt in μαῖτυ(ρ)ς (< *μάρτυρ-ς); auch μάρτυσι und μάρτυς lassen sich so erklären (Schwyzer 260; vgl. oben). —Als schwundstufige τυ-Ableitung kann μάρτυς zu einem Verb für ‘sich erinnern’ gehören, das u. a. in aind. smárati vorliegt und im Griech. auch andere Ableger hinterlassen hat, z.B. μέριμνα (s. d.); eig. Bed. dann *’Erinnerung’. — Abzulehnen Thieme Studien 55 (mit Kritik der herkömmlichen Auffassung): aus *mr̥t-tur eig. ‘den Tod ergreifend’ (?), vgl. Leumann Gnomon 25, 191. II-178-179
μασάομαι, Aor. μασήσασθαι, ‘kauen, beißen’ (Hp., Kom., Arist. usw. ). auch mit Präfix, z.B. δια-, κατα-, Davon (δια-)μάσημα ‘Bissen’ (Hp., Antiph., Thphr. u. a.), (δια-)μάσησις ‘das Kauen’ (Thphr., Dsk. u. a.), μασητήρ "Kauer", ‘Muskel am Unterkiefer’ (Hp. u.a.), παρα-μασήτης "Mitkauer", ’παράσιτος, Parasit’ (mittl. Kom.). Daneben παραμασύντης ‘ds.’ (mittl. Kom.; μασύντης H.), Μασυντίας PN (Ar.) von *μασύνω; vgl. μοσσύνειν· μασᾶσθαι βραδέως H. und Fraenkel Nom. ag. 2, 61 m. Lit. — Schon die Bed. von μασάομαι läßt auf ein iterativ -intensives Deverbativum schließen, das zunächst von einem primären Jotpräsens ausging (vgl.φῡράω zu φύ̄ρω aus *φῠρ-ι̯ω, Schwyzer 719). Daneben *μασύνω als Neubildung (nach ἁπαλύνω u.a.; andere Auffassung s. ματτύη). Aus μάθυιαι· γνάθοι H. (vgl. αἴθυια : αἴθω u. a.) ergibt sich ein Stamm μαθ-, zu dem ein το-Suffix trat in μάσταξ (< μαθ-τ-) u. a.; s. d. — Eine auffallende formale Ähnlichkeit zeigt das synonyme lat. mandō, -ere ‘kauen’, das ein nasaliertes idg. madh- (= μαθ-) repräsentieren kann (vgl. Leumann Lat. Gr. 313). Wenn germ., z.B. ahd. mindel, awno. mēl n. ‘Gebiß am Zaum’ (idg. ment-), got. munþs ‘Mund’ (idg. mn̥t-) hierhergehörten, würde μαθ- die Schwundstufe davon (mit Aspiration der Tenuis) darstellen können; sie sind aber eher mit kymr. mant ‘Kinnlade, Mund’, lat. mentum ‘Kinn’ zu verbinden. Fraglich ist die Wiedergabe von aind. math- (gew. ‘quirlen, rühren, reiben’) durch ‘zerreißen, fressen’ in AV 5, 8, 4 u. a. (Specht Ursprung 254 nach Oertel), s.Narten Indoir. Journ. 4, 121 f., wo ein math-’entreißen, rauben’ angesetzt wird. Ein idg. menth- ‘kauen, Gebiß, Mund’ (WP. 2, 270 m. Lit., Pok. 732f.) ist also keineswegs gesichert. — Ganz anders über μασάομαι Sommer IF 11. 266 (aus idg. *mad-si̯ā- zu got.mats ‘Speise’ usw.; morphologisch bedenklich). Albanesische Kombinationen bei Mann Lang. 17, 20. II-179-180
μάσθλης, äol. μάσλης (mit Schwund des θ), -ητος m. (μάσθλη f. S. Fr. 571, H.) ‘Leder’, Ben. lederner Gegenstände (vgl. διφθέρα) wie ‘lederner Schuh, Riemen’ (Sapph., Hp., S.). auch übertr. von einem biegsamen und einschmeichelnden Menschen (Ar.); -ήτινος ‘lederähnlich’ (Kratin., Eup.). Daneben μασθλήματα pl. n. ‘Lederwaren’ (Ktes.). — Bildung wie τάπης, λέβης u.a. (vgl. Schwyzer 499); Erklärung sonst strittig. Gegen die herkömmliche Herleitung aus ἱμάσθλη mit Schwund des Anlauts nach μάστιξ (Bq, Chantraine Form. 375, Strömberg Wortstudien 44; vgl. Curtius 394 und zu ἱμάς) spricht einigermaßen die etwas abweichende Bedeutung, insofern diese nicht mit der τ-Erweiterung zusammenhängt. Umgekehrter Vorschlag bei Schwyzer 533 und 725 A. 3 (s. auch Belardi Doxa 3, 213 m. Lit.): μάσθλης zu μάστιξ, μαίομαι; daraus ἱμάσθλη mit sekundärer Anlehnung an ἱμάς. — Ausführlich über μάσθλης Hamm Glotta 32, 43ff. II-180
μασθός ‘Brust’ s. μαστός. II-180
μάσσω, att. μάττω, -ομαι, Aor. μάξαι, -σθαι, Pass. μαγῆναι, μαχθῆναι, Perf. Med. μέμαγμαι, Akt. μέμαχα (Ar.), ‘(einen Teig) kneten, eine plastische Materie in eine Form einpressen, abstreichen, abwischen, abdrücken, abbilden’ (seit τ 92). oft mit Präfix wie ἀπο-, ἐκ-, ἀνα-, Viele Ableitungen. 1. ἐκμαγεῖον (μαγεῖον Longin.) ‘Masse, in die Abdrücke gemacht werden, Abdruck, Abbild, Handtuch, Serviette’ (ion. att.). 2. μαγίς, -ίδος f. ‘geknetete Masse, Kuchen, Knettrog, Anrichttisch’ (Hp., Kom" S. usw.). 3. μάγμα n. ‘geknetete Masse, dicke Salbe, Schmiere’ (Pap., Plin. u. a.), ἔκ-, ἀπό-μαγμα ‘Abdruck, Wischlappen, abgewischter Schmutz’ (Hp., S., Thphr.), μαγμόν· τὸ καθάρσιον H. 4. ἔκ-, ἀνά-μαξις ‘das Abwischen’ (Arist. u. a.). — 5. μαγεύς m. ‘Kneter, Bäcker, Abreiber’ (Poll., AP, H.), wohl direkt vom Verb (nach Boßhardt 81 von *μαγή). 6. μακτήρ· ἡ κάρδοπος, ἡ πυελίς. καὶ διφθέρα. καὶ ὀρχήσεως σχῆμα H. (zum Tanznamen Lawler AmJPh 71, 70ff.); (ἀπο-, κατα-)μάκτης ‘Kneter, Abwischer’ (Kom. Adesp., H. u. a.), f., ἀπομάκτρια (Poll.). 7. μάκτρα f. ‘Backtrog’ (Kom., X.), ‘Trog, Badewanne, Sarkophag’ (hell. u. sp.; geschr. μάκρα, Schwyzer 337 m. Lit.); (ἔκ-, ἀπό-)-μάκτρον ‘Abdruck, Handtuch usw.’ (E., Ar. u. a.). 8. μακτήριον = μάκτρα (Plu.). 9. μακτρισμός N. eines Tanzes (Ath.; nach κορδακισμός; vgl. zu μακτήρ oben) mit -ίστρια N. einer Tänzerin (ebd.). — 10. ἀπομαγδαλιά (Ar., Plu., Gal. u. a.), μαγδαλιά (Gal. u.a.; -έα Hippiatr.) ‘Brotkrume zum Händeabwischen’; wie ἁρμαλιά, φυταλιά u. a. (Scheller Oxytonierung 90), aber mit unerklärtem δ (nach *ἀπομάγδην?). — 11. Mit auslaut. κ: μακαρία· βρῶμα ἐκ ζωμοῦ καὶ ἀλφίτων H. — Zu μᾶζα s. bes. — Zum Vergleich bieten sich einerseits Wörter mit auslautendem g, idg. maĝ-, bes. im Germanischen und Baltoslavischen, z.B. nhd. machen, asächs. makōn ‘machen, errichten, bauen’, wenn eig. ‘kneten, formen’, aksl. mažǫ, mazati ‘bestreichen, beschmieren, salben’; außerdem kelt., z.B. bret. meza ‘kneten’; unsicher arm. macanim, macnum ‘anhaften, gerinnen’. Anderseits wird ein auslautendes k mit gleichzeitigem Nasal, idg. menq-, verbürgt durch lit. mìnkau, mánkau, -yti ‘eine weiche Masse kneten’, aksl. mǫka, russ. muká ‘Mehl’ und viele andere baltoslavische Wörter; aus dem Germ. kommen in Betracht nhd. mengen, ags. mengan u. a. m., wenn eig. ‘durcheinanderkneten’; aus dem Altind. macate ‘zermalmen usw.’ (Dhātup.). Hinzu kommen ein paar langvokalische Wörter ohne Nasal: lett. màcu, màkt ‘drängen, drücken, plagen, quälen’ und lat. māceria ‘(aus Lehm geknetete?) Mauer’. — Von den griech. Wörtern enthält nur das einmalige μακαρία eine eindeutige Tenuis, da μάσσω (zunächst aus *μακ-ι̯ω) sich als Entgleisung erklären läßt. Da aber auch μαγῆναι einschließlich die nominalen γ-Formen als Entgleisung verständlich ist (vgl. Schwyzer 760), kommt man für das Griech. allenfalls mit idg. menq durch. Ein Suppletivsystem menq (: μακαρία, μάσσω) : maĝ- (: μαγῆναι) ist gewiß auch denkbar, — WP. 2, 224, 226f., 268, Pok. 696f., 698, 730f., W.-Hofmann s. māceria, Fraenkel s. mìnkyti u. mė́šlas, Vasmer s. mázatь, muká, mjágkij; überall m. reicher Lit. ältere Lit. auch bei Bq. II-180-181
μάσσων ‘länger’ s. μῆκος. II-182
μάσταξ, -ακος f. ‘Mund, Mundvoll, Atzung’ (ep. poet. seit I 324), auch übertr. ‘Heuschrecke’ (S. Fr. 716, Nik.; nach Klitarch. ap. EM 216, 9 ambrakiotisch), wegen der Gefräßigkeit (vgl. Strömberg Wortstudien 17 f.). Daneben μαστάζω ‘kauen’ (Nik. Th. 918), συμ ~ (Hippiatr.), mit expressiven Nebenformen: 1. μασταρύζω (v. l. -ίζω) ‘eifrig kauen, ohne ein Wort hervorpressen zu können’ (von einem Greis, Ar. Ach. 689); vgl. μασταρίζειν· μαστιχᾶσθαι. καὶ τρέμειν. ἢ σφοδρῶς ἢ κακῶς μασᾶσθαι H., μαστηρύζειν· τὸ κακῶς μασᾶσθαι Phot.; Bildung wie κελαρύζω, βατταρίζω u. a. 2. μαστιχάω, nur Ptz. Dat. sg. μαστιχόωντι (Hes. Sc. 389, Versende) ‘vor Wut heftig kauen’ = ‘mit den Zähnen knirschen, schäumen’ (von einem Eber), μαστιχᾶσθαι H. s. μασταρίζειν (s. oben; Vorbild ?); Rückbildung μαστίχη f. ‘das Harz des Mastixbaumes’ (Kom. Adesp., Thphr. u. a.) mit μαστίχ-ινος (Dsk. u. a.), -ηρά f. ‘Pflaster aus Harz’ (Aet.; nach ἐλαιηρός u.a.; Chantraine Form. 232 f.). — Sowohl μάσταξ wie μαστάζω, die nicht unmittelbar miteinander zusammenzuhängen brauchen, gehen auf eine dem Jotpräsens μασάομαι (aus *μαθ-ι̯-) nebenher laufende τ-Erweiterung μασ-τ- (aus *μαθ-τ-) zurück, deren Funktion indessen unbekannt bleibt. Zu μαστάζω vgl. βαστάζω, κλαστάζω (: κλά[σ]-ω) u. a. (Schwyzer 706); zu dem volkstümlichen μάσταξ z.B. πόρταξ ( : πόρτις), μύλαξ ( : μύλος); dazu Chantraine Form. 377ff. Das im Vokal abweichende μέστακα·τὴν μεμασημένην τροφήν H. enthält gewiß keine alte Hochstufe *menth-to- (seit Froehde BB 7, 330), sondern ist lediglich nach μεστός (’Mundvoll’) volksetymologisch umgebildet. — Weiteres s. μασάομαι. II-182
μαστεύω ‘(auf)suchen’ s. μαίομαι und ματεύω. II-182
μάστιξ, -ῑγος, Dat. Akk. auch μάστῑ, -ῐν (Ψ 500, ο 182, AP), f. ‘Peitsche, Geißel’, übertr. ‘Plage’ (seit Il.). Einige Kompp., z.B. μαστιγο-φόρος ‘Geißelträger’, auch N. eines Polizeibeamten (Th., Pap. u. a.). Ableitungen: Demin. μαστίγιον (M. Ant.); μαστιγ-ίας m. ‘Züchtling’ (att. usw.; Chantraine Form. 93), -ία N. einer magischen Pflanze (PMag. Par.). Denominative Verba: 1. μαστίω, nur Präsensstamm, ‘geißeln, peitschen, prügeln’ (vereinzelt ep. seit Il.). 2. μαστίζω (nachhom.), -ίσδω (Theok.), Aor. μαστίξαι (ep. seit Il.; auch hell. u. sp. Prosa) ‘ds.’, entweder von μάστιξ oder aus μαστίω erweitert (vgl. Schwyzer 735 A. 4, Schulze Kl. Schr. 354 A. 1, Ruijgh L’élém. ach. 88), mit μαστίκ-τωρ ‘Geißler, Züchtiger’ (A. Eu. 159 [lyr.]), -τήρ ‘ds.’ (coni. A. Supp. 466; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 22f.). 3. μαστιγ-ῶσαι, -όω (-έω Hdt. 1, 114) ‘ds.’ (ion. att.) mit μαστίγωσις ‘Geißelung’ (Ath.), -ώσιμος ‘der Geißelung wert’ (Luk.; nach λεύσιμος, Arbenz 99). — Zu μάστιξ, -ίζω noch Delebecque Cheval 186ff. — Nom. instr. auf -τις (ἄρυσ-τις, κνῆσ-τις u. a.; Holt Les noms d’action en -σις 32, 42; Chantraine Form. 275 f.), mit γ-Erweiterung (Schwyzer 496, Chantraine 397) μασ-τῑ-γ-, von μάσ-σασθαι, μαίομαι ‘antasten, berühren’ (s. d.). — Die formale Ähnlichkeit zwischen μάστιξ, μαστιγόω und lit. màstieguoti, mostigóti ‘schwenken, schwingen, herumfuchteln’ ist rein zufällig (Fraenkel Wb. s. màkaluoti gegen Prellwitz BB 24, 106). II-182-183
μαστιχάω, μαστίχη s. μάσταξ. II-183
μαστός (nachhom.), ep. ion. poet. μαζός, dor. (Theok.) μασδός, hell. u. sp. auch μασθός m. ‘Brustwarze, Mutterbrust, Brust’, übertr. ‘Hügel, Anhöhe’, auch Ben. eines Bechers (Apollod. Kyren. ap. Ath. 11, 487b, Oropos, Delos); vgl. Jaeger RhM 102, 337ff. (zum Gebrauch bei Clem. Al. und Ph.). Kompp., z.B. φιλό-μαστος ‘brustliebend’ (A. in lyr.), γυναικό-μαστος (-θος) ‘mit weiblichen Brüsten’ (Mediz.), δεκά-μαζος ‘mit zehn Brü-sten’ (Epigr. Gr.); μαστό-δε-τον n. ‘Brustband’ (AP); vgl. z.B. ἀκμό-θε-τον. Deminutiva: μαστίον ‘kleiner Becher’ (Oropos), μαστάριον ‘ds.’ (Delos), auch ‘Brüstchen’ (Alkiphr.). — Der Versuch, μαζός, μαστός, μασθός auf drei ebenbürtige Urformen, idg. *mad-dos, *mad-tos, *mad-dhos, zurückzuführen (Schrader KZ 30, 476; ähnlich [idg. th > θ] Specht Ursprung 224 f., 231), trägt dem familiären Charakter des Wortes nicht Rechnung. Das erst spät belegte μασθός erklärt sich unschwer als Umbildung nach sinnverwandten oder damit assoziierten Wörtern wie στῆθος (WP. 2, 231), κύσθος, βρόχθος (s. d. unter βρόξαι m. Lit.). Die älteren μαζός und μαστός lassen sich mit i̯o- (do-?) bzw. to-Suffix an die Sippe von μαδάω anschließen, aber semantisch bleibt leider diese Zusammenstellung ziemlich nichtssagend, was auch für den Vergleich mit ahd. mast ‘Mästung, Eichelmast, Futter’ gilt. Das bei WP. 2, 232 angesetzte nasalierte mand- ‘säugen, Brust’ (alb. mënt ‘säugen, saugen’) ist ganz hypothetisch; vgl. W.-Hofmann s. mannus m. Lit. Entfernte Beziehung zum Lallwort mā (s. μάμμη) ist ebensogut denkbar. II-183
μαστροπός m. f. ‘Kuppler(in)’ s. μαίομαι. II-183
μασχάλη f. ‘Achselhöhle’ (seit h. Merc.; Zumbach Neuerungen 11), übertr. ‘Ast-, Blattwinkel, Ast’ (Thphr., Strömberg Theophrastea 47), ‘Meeresbucht’ (Str.) usw. Kompp., z.B. ἀμφι-μάσχαλος ‘beide Achselhöhlen umschließend’ (χιτών, Kom.). Davon μασχαλίς f. ‘Ast(winkel)’ (Thphr. u. a.), μασχάλι(ν)ον, -εον (-έον cod.) f. ‘Korb aus Palmenzweigen’ (H., Sch.), -ιαῖος ‘zur Achselhöhle usw. gehörig’ (Inschr., Mediz.); μασχαλιστήρ ‘in den Achselhöhlen laufender Gürtel’ (Hdt., A. u.a.; wie βραχιονιστήρ u.a., Chantraine Form. 328), formal von dem Denominativum μασχαλίζομαι, wohl eig. "in den Achselhöhlen umgegürtet werden", euphemistischer (ironischer) Ausdruck für ‘verstümmeln’, wobei nach antiken Gewährsmännern die Extremitäten einschließlich Nase und Ohren abgeschnitten und auf eine in den Achselhöhlen laufende Schnur aufgereiht wurden; davon μασχαλισμός ‘Verstümmelung’, μασχαλίσματα pl. ‘abgeschnittene Glieder’ (A., S., Lex.; vgl. Nilsson Gr. Rel. 1, 99 m. A. 2 u. Lit.). Die Richtigkeit dieser alten Deutung wird u. a. von Boehm P.-W. 14, 2060ff. in Zweifel gezogen. — Zur Bildung vgl. bes. ἀγκάλη ‘der gekrümmte Arm’; sonst dunkel. Abzulehnen Prellwitz BB 26, 309 und Wb. s. v. (s. Bq), H. Lewy KZ 59, 185ff. (semitisch; vgl. Kretschmer Glotta 22, 262). — Vgl. μάλη. II-183-184
ματεύω, ματέω in μάτης (Theok. 29, 15; äol. *μάτημι), ματεῖ· ζητεῖ, ματῆσαι· μαστεῦσαι, ζητῆσαι, μάσσαι· ζητῆσαι H., ματεῖσθαι· ζητεῖσθαι (Hp. ap. Erot. ); ‘suchen, aufsuchen, erstreben’ (ep. poet. seit Ξ110); auch mit Präflx ἐσ- ματέομαι, -μάσασθαι (Hp.), ἐμ-, κατ-εμ-ματέω (Nik.) ‘hineinfühlen, (die Hand, den Stachel) hineinstecken’. Davon μάτος n. ‘Untersuchung’ (Hp. ap. Gal.), ματήρ· ἐπίσκοπος, ἐπιζητῶν, ἐρευνητής mit ματηρεύειν· μα<σ>τεύειν, ζητεῖν H. — Zu ματέω, woraus wahrscheinlich sekundär ματεύω (vgl. Schwyzer 732), stimmen bildungsmäßig δατέομαι, πατέομαι; mithin ist wahrscheinlich von einem nominalen τ-Stamm auszugehen (darüber Schwyzer 705 f.; vgl. auch Bechtel Lex. s. ματεύω). Die Verbalnomina ἄ-δασ-τος, ἄ-πασ-τος haben ein Gegenstück in ἀ-προτί-μαστος; den Aoristen δάσ(σ)ασθαι, πάσ(σ)ασθαι entspricht -μάσ(σ)ασθαι, μάσσαι. Somit lassen sich die verbalen σ-Formen ebenso wie die nominalen μαστύς, μαστήρ, μάστιξ usw., auch μάσμα, mit ματέω verbinden. Von diesen σ-haltigen Formen scheint auch μαστεύω sein σ bezogen zu haben. An δατέομαι : δαίομαι schließen sich ματέω: μαίομαι. Während wir aber für die Beurteilung von δαίομαι an sichere außergriechische Anhaltspunkte anknüpfen, entzieht sich μαίομαι einer sicheren Analyse; vgl. s. v. II-184
ματέω im Ptz. pl. f. μάτεισαι (äol., Incert. 16, 3; *μάτη-μι), ματεῖ· πατεῖ H. ‘treten’ — Bildung wie ματέω ‘suchen’ (s. ματεύω), wenn nicht einfach Reimwort zu πατέω; zu einem primären Verb ‘treten’ usw. im Baltoslav., z.B. lit. minù, mìnti ‘(nieder-) treten, Flachs brechen’, aksl. mьnǫ, męti ‘zusammendrücken’, -russ. mnu, mjatь ‘kneten, treten (Lehm), brechen (Flachs)’; dazu nominale Ableitungen im Kelt., z.B. kymr. mathr ‘proculcatio’ (< *mn̥-tro-); weitere Formen m. Lit. WP. 2, 263. Pok. 726, Vasmer s. mnu, Fraenkel s. mìnti 1. Nicht hierher aind. carma-mná- m. ‘Gerber’, s. Mayrhofer s. v. —Vgl. μνίον. II-184-185
μάτη auch ματίη ‘ds.’ (κ 79, A. R.), metr. bequeme Umbildung (Porzig Satzinhalte 204 u. 70, Scheller Oxytonierung 39 m. A. 1). —μάτην Adv. ‘vergeblich, umsonst, ohne Grund’ (seit h. Cer.). f. etwa ‘Unbesonnenheit, Torheit’ (Stesich., A., S.), Davon (oder von μάτη): 1. μάταιος ‘eitel, nichtig, töricht, frevelhaft’ (ion. att.) mit ματαιό-της (hell. u. sp.), -σύνη (Polem. Phgn.) ‘Eitelkeit usw.’ und den Denominativa : a) (ἀπο-) ματαΐζω (Hdt., J.), ματᾴζω (A., S.; zum Lautlichen usw. Schwyzer 265 u. 736) ‘Unsinn schwatzen, töricht handeln’, auch -αιάζω ‘ds.’ (hell. u. sp.); b) ματαιόομαι, -όω ‘der Nichtigkeit preisgegeben werden (preisgeben), töricht handeln’ (LXX, NT) mit ματαίωμα (Hermas). — 2. ματάω, Aor. ματῆσαι ‘vergeblich tun, verfehlen, untätig sein’ (ep. poet. seit Il.). — Die Schwierigkeit, das Verbalnomen μά-τη (über dessen Bildung Fraenkel Nom. sg. 2, 115) und den daraus hervorgegangenen erstarrten Akk. μάτην (Schwyzer 621) auf die ursprüngliche Bedeutung hin genau zu bestimmen, macht die Suche nach einer überzeugenden Etymologie zu einem ziemlich aussichtslosen Unternehmen. Die Zusammenstellung mit einigen slavischen Wörtern, z.B. poln. mat-am, mat-ać ‘schwindeln, drehen, lügen, betrügen’, sbkr. mat-am, -ati ‘allicere, attrahere’ (Bq, WP. 2, 219f., Pok. 693 mit Prellwitz und Zubatý) hat offenbar einen minimalen Wert; vgl. Vasmer Wb. s. matošítь, wo die slav. Wörter anders beurteilt werden. S. auch zu μηνύω. Andere Vorschläge bei Bq. II-185
ματίς · μέγας. τινὲς ἐπὶ τοῦ βασιλέως H. — Von Fick 2, 199 zögernd mit keltischen Wörtern für ‘gut’, z.B. air. maith (urkelt. *măti-) verglichen; dazu WP. 2, 221. Ob das Wort überhaupt griechisch ist, bleibt ja fraglich. II-185
μάτταβος · ὁ μωρός. ματτάβης· ἀπορῶν. ματταβεῖ· περιβλέπει, ἀδημονεῖ. ματταβο<ύ>μενος· μέλλων καὶ ἀποκνῶν H. — Volkstümliches Wort mit herabsetzendem β-Suffix (Chantraine Form. 261 f., Specht Ursprung 264); nach Ch. zu μάτη mit expressiver Gemination. II-185
ματτύη (-α), auch -ης m. f. N. eines leckeren Gerichtes, das aus allerhand Ingredienzen wie gehacktem Fleisch, Geflügel, aromatischen Kräutern bereitet und den Thessalern, auch den Makedonen zugeschrieben wurde (mittl. u. neue Kom.). Als Vorderglied in ματτυο-κόπης m. Spitzname (Amm. Marc.), viell. auch in ματτυο-λοιχός (Ar. Nu. 451 u. Hdn. Gr. 1, 231 nach Bentley; codd. ματιο-). Davon ματτυάζω ‘eine μ. zubereiten’ (Alex.). — Wohl aus *ματτύς erweitert (ἰχθύη : ἰχθύς, δελφύα : δελφύς usw.), das mit Assimilation für *μακ-τύς stehen kann (vgl. Schwyzer 316); mithin eine τυ-Ableitung von μάσσω (< *μακ-ι̯ω) ‘kneten’; s. Kalén Quaest. gramm. gr. 91ff. (wo ausführliche Behandlung) mit Ath. 14, 663 b. Weit weniger wahrscheinlich ist die von K. zur Wahl gebotene Erklärung als Rückbildung aus *ματτύω, *ματτύνω, *μασ(σ)ύνω von *μάσ(σ)υνος, haplologisch für *μασ(σ)ό-συνος aus *μαθι̯οσυνος, zu μασάομαι ‘kauen’; vgl. die Bedenken bei Kretschmer Glotta 11, 247f. Abzulehnen Ehrlich KZ 41, 288f. (s. Bq und Kalén a.a.O.). Auch nicht mit Machek Ling. Posn. 5, 66 zu slovak.. metyja ‘bouillie de millet’. — Lat. LW mattea; s. W.-Hofmann s. v. m. Lit. II-185-186
μαῦλις 1. · μάχαιρα. καὶ ἡ μισθωτὸν ποιοῦσα H. Davon μαυλίζω = μαστροπεύω (H., Sch.) mit μαυλιστής m. (Cat. Cod. Astr., Phot., Suid.), f. μαυλίστρια (Suid., Sch., EM); μαυλιστήριον· παῤ ‘Ιππώνακτι, λύδιον νόμισμα (λέμισμα cod.) λεπτόν τι H. — Hypothesenkette von Jongkees Acta Or. 16, 146ff.: von lyd. *mav-lis, Adj. von *Mavś, lydischer Name der Muttergöttin Magna mater (in kleinas. EN wie Μαυα, Μαυ-εννα, Μαυ-σσ-ωλλος u. a.), also eig. ‘der Mavś gehörig’, woher 1. = μάχαιρα, weil die Magna mater als Schutzgöttin der Metallwaffen betrachtet wurde; 2. ‘der M. geweihte Frau’, die sich für Geld prostituiert; 3. ‘Münze der M.’ (mit hinzugefügtem -τήριον). II-186
μαῦλις 2., -ιδος, -ιος f. ‘Messer’ (Kall., Nik., AP, H., Suid., Sch.). — S. zum μαῦλις 1. II-186
μαῦρος, μαυρός s. ἀμαυρός. II-186
μαφρόρτης, -ου μαφόρ(τ)ιον n. m., ‘kurzer Mantel mit Kapuze für Frauen und Mönche’; δελματικο-μαφόρτης, -τιον ’μ., der wie ein dalmatischer Mantel (δελ-, δαλματική, lat. Del-, Dalmatica) zugeschnitten ist’ (Pap. d. Kaiserz. u. a.). — Aus dem Semit.; vgl. hebr. măaforet, aram. măaforā, -foretā ‘Art Mantel mit Kapuze’. Lewy KZ 59, 192 m. Lit. Lat. LW, wohl aus dem Griech., mafortium, maforte, auch mafortis, -fors, s. W.-Hofmann s. v. Aus dem Lat. σουβρικο-μαφόρτιον (Pap. d. Kaiserz.). — Über die schwankende Form noch Bazzero Stud. d. scuola papirologica (Accad. di Milano) 2, 95ff. II-186
μάχαιρα f. ‘großes Messer, Schlachtmesser’ (seit Il.); nachhom. auch ‘kurzes Schwert, Dolch’. Kompp., z.B. μαχαιρο-φόρος ‘schwerttragend’, m. ‘Schwertträger’ (ion. att.), ἀ-μάχαιρος ‘ohne Messer’ (Pherekr.). Davon die Deminutiva μαχαίρ-ιον (Hp., X., Arist. usw.), -ίς f. (Kom., Str. u.a.), -ίδιον (Ph.,Luk.); ferner μαχαιρᾶς m. ‘Schwertfeger’ (Pap., Inschr.; Schwyzer 461 m. Lit.), μαχαιρωτός ‘mit Schwert ausgerüstet’ (Gal., Paul. Aeg.; Chantraine Form. 305); μαχαιρίων, -ίωνος m. Pflanzenname = ξιφίον (Dsk. 4, 20, v. l. -ώνιον; nach der Form der Blätter, Strömberg Pflanzenn. 44), auch als PN (Paus.); Μαχαιρεύς m. PN (Str., Sch. Pi., Boßhardt 120). Wie γέραιρα, χίμαιρα, πίειρα u. a. ι̯α-Ableitung eines r-Stamms, der mit einem n-Stamm (πίων) alternieren kann (Schwyzer 475, Chantraine Form. 234). — Seit alters zu μάχομαι gestellt; s. d. Semitische Etymologie mit allem Vorbehalt bei Lewy Fremdw. 177 (zu hebr. mekērā ‘Schwert’; dies vielmehr aus dem Griech. nach Gordon Antiquity 30,22ff. ); dazu Kretschmer Glotta 19, 160. Lat. LW machaera. Vgl. auch μάγειρος. II-186-187
μάχλος ‘geil, wollüstig’ (von Frauen), ‘üppig, wild’ (Hes., A. u. a.), μάχλης· ἀκρατής, πόρνος H.; f. auch μαχλάς, -άδος (Man., AP, Ph. u. a.), μαχλίς· ἑταίρα, πόρνη H. Davon μαχλο-σύνη ‘Geilheit, Wollust’ (Ω 30, Hes., Hdt. u. a.; vgl. Porzig Satzinhalte 225, Wyss -συνη 25), -της ‘ds.’ (EM, Sch.); μαχλικός ‘einer geilen Frau ähnlich’ (Man.); μαχλεύομαι ‘geil sein’ in μεμαχλευμένον ἦτορ (Man.), μαχλῶντες· πορνεύοντες H. — Barytonon mit λο-Suffix wie κτίλος, φαῦλος, ἕωλος; sonst isoliert. Von Prellwitz s.v. (nach Uhlenbeck) mit aind. (ved.) makhá- Beiwort der Götter unbestimmter Bed. verglichen. II-187
μάχομαι (seit Il.), ep. auch μαχέομαι (μαχειόμενος, μαχεούμενον metr. Dehnung), Aor. μαχέσ(σ)ασθαι (seit Il.), μαχήσασθαι (D. S., Paus.), μαχεσθῆναι (Plu., Paus.), Fut. μαχήσομαι (ep. ion.), μαχέσ(σ)ομαι (ion. u. sp.), μαχέομαι (Β 366), μαχοῦμαι (att.; μαχεῖται Υ 26), Perf. μεμάχημαι (att.), ‘kämpfen’. oft mit Präfix, z.B. δια-, συν-, ἀπο- (zu ἀμφι ~ Bolling AmJPh 81, 77ff.). Als Hinterglied in synthetischen Paroxytona wie μονο-μάχ-ος ‘allein kämpfend’ (A., E.), m. ‘Gladiator’ (Str. usw.), mit μονομαχ-έω, -ία usw., ναυ-μάχ-ος ‘zur See kämpfend’ (AP; aber ναύ-μαχος von μάχη, s. unten). Davon μάχη ‘Kampf’ (seit Il.; zur Bed. usw. Porzig Satzinhalte 233, Trümpy Fachausdrücke 135 f.); als Hinterglied z.B. in ἄ-, πρό-, σύμ-, ναύ-, ἱππό-μαχος mit Ableitungen wie προμαχ-ίζω, συμμαχ-έω, ναυμαχ-έω, -ία. Ableitungen 1. μαχη-τής m. ‘Kämpfer’ (Hom., LXX), dor. μαχατάς (P.; H. μαχάταρ· ἀντίπαλος), äol. μαχαίτας (Alk. Z 27, 5; hyperäol.?), auch auf μάχομαι beziehbar; Trümpy 128 m. Lit. 2. μάχ-ιμος ‘streitbar, m. Soldat ägyptischen Stammes’ (ion. att.; nach ἄλκιμος, Arbenz 42) mit μαχιμικός ‘nach Art der μάχιμοι’ (Pap.). 3. Μαχάων m. PN (äol. ep.), ion. -έων, mit dor. Μαχαν-ίδας (Fraenkel Nom. ag. 1, 207f., v. Wilamowitz Glaube 2, 228). — Von μάχομαι noch μαχ-ήμων ‘streitbar’ (Μ 247, AP) und μαχ-ητός ‘bezwingbar’ (μ 119; Ammann Μνήμης χάριν 1, 14), ἀ-, περι-μάχ-ητος (att.), μαχ-ητικός ‘zum Kämpfen bereit’ (Pl., Arist.; Chantraine Études 137); vgl. μαχ-ήσομαι, με-μάχ-ημαι und Fraenkel 2, 79. — Sowohl auf Nomen wie auf Verb heziehbar ist -μάχᾱς, z.B. ἀπειρο-μάχᾱς ‘unerfahren im Kampf’ (Pi.), λεοντο-μάχᾱς ‘mit einem Löwen kämpfend’ (Theok.); vgl. Schwyzer 451. — Neben dem thematischen Wurzelpräsens μάχομαι steht vereinzelt die Nebenform μαχέομαι, wohl eher nach μαχήσομαι (vgl. unten) als denominativ von μάχη (vgl. Schwyzer 721 und Chantraine Gramm. hom. 1, 351). An μαχήσομαι : ἐμαχό-μην erinnern Fälle wie ἀπ-εχθήσομαι : ἀπ-εχθόμην, μαθήσομαι : ἔμαθον, γενήσομαι : ἐγενόμην (Schwyzer 782). Man ist deshalb geneigt, in ἐμαχόμην (wozu dann μάχομαι) einen ursprünglichen Aorist zu sehen, wozu auch stimmen würde, daß der Aorist bei Hom. "auffallend selten gebraucht ist" (Trümpy Fachausdrücke 260 A. 333). Bei der Umdeutung von μαχεσθαι als Präsens wäre als neuer Aorist (nach κοτέσσασθαι u. a.) μαχέσ-(σ)ασθαι eingetreten. Nach dem Typus τελέσ(σ)αι: Fut. τελῶ entstand zu μαχέσ(σ)ασθαι das neue Fut. μαχοῦμαι. — Auf dem Gebiet des Kämpfens und Streitens sind altererbte Ausdrücke kaum zu erwarten. Die Zusammenstellung mit einem angeblichen iran. VN *ha-mazan- eig. *"Krieger" in ’Αμαζών (s. d.), wozu noch ἁμαζακάραν· πολεμεῖν. Πέρσαι, ἁμαζανίδες· αἱ μηλέαι H. ist ebenso geistreich wie unsicher. Innerhalb des Griechischen liegt es formal nahe, μάχομαι an μάχαιρα und weiterhin an μῆχαρ, μηχανή anzuknüpfen (Fick BB 26, 230); vgl. bes. χειρο-μάχα f. (scil. ἑταιρεία) Ben. der Arbeiterpartei in Miletos nach Plu. 2, 298 c; neuer Versuch, die Zusammenstellung semantisch zu begründen bei Trümpy 127 f. Andere Vorschläge bei Bq und W.-Hofmann s. mactus, mactō. II-187-188
μάψ Adv. ‘blindlings, umsonst, vergebens’ (Hom.); als Vorderglied z.B. in μαψι-λόγος ‘umsonst redend’ (h. Merc., Zumbach Neuerungen 22; nach anderen Vordergliedern auf -ι), μαψ-υλάκᾱς ‘vergeblich bellend’ (Pi., Sapph.; Fraenkel Nom. ag. 2, 95 A. 3). Davon μαψ-ίδιος ‘eitel, vergeblich’ (E., Theok. u. a.), -ιδίως Adv. (Hom.). — Adv. auf -ς (Schwyzer 620; immer vor Vokal, Risch 114); ohne sichere Erklärung, viell. zu μα-πέειν, eig. *"zugreifend" (Prellwitz). — Nicht zu lat. mox ‘bald’ usw. (s. W.-Hofmann s. v. m. Lit.). II-188
μεγαίρω, Aor. μεγῆραι ‘mißgönnen, beneiden, verwehren’, gew. mit Negation; privatives Verbaladj. ἀ-μέγαρ-τος ‘nicht beneidenswert, leidig, unglücklich’ (ep. poet. seit Il.). Nach Sch. zu Ν 563 und Eust. aus Salamis (vgl. Ruijgh L’élém. ach. 162). — Bildung wie ἐχθαίρω, γεραίρω u. a. (Schwyzer 725) und bis auf die Jotableitung mit arm. mecarem ‘hochschätzen’ (von mec ‘groß’, s. μέγας) formal identisch. Zunächst von einem r-Stamm *μέγαρ ‘Größe’, *μεγαρός ‘groß’; urspr. Bedeutung also ‘etw. für jmdn als (zu) groß einschätzen’ (vgl. Brugmann Grundr. 22: 1, 365)? Dazu Μέγαιρα f. N. einer der Erinyen, eig. euphemistisch "die Erhabene" (vgl. Εὐμενίδες), wie γέραιρα, γεραρός? — Weiteres s. μέγας. II-188-189
μέγαρα 1. (μάγ- Men.) n. pl. ‘Gruben, in die man an den Thesmophorien lebende Schweine warf’ (Paus. u.a.); — wohl aus dem Semitischen, vgl. hebr. me’ārā ‘Höhle’; s. die Lit. bei Lewy Fremdw. 94, der indessen eher das Wort mit μέγαρον ‘Gemach’ identifizieren will. II-189
μέγαρον 2. n. ‘Halle, Saal, Gemach, der innere Raum eines Tempels’, pl. (Gen. -έων Sophr.; vgl. Egli Heteroklisie 17) ‘Haus, Palast’ (ep. ion. seit Il.; zur Bed. z.B. Wace Journ of HellStud. 71, 203f.). — Ohne Zweifel technisches LW, vielleicht an μέγα angepaßt; vgl. den ON Μέγαρα. Unwahrscheinliche idg. Etymologie von Brugmann IF 13, 147 (m. älterer Lit.); s. Bq und WP. 1, 590. Neuer Versuch von Deroy Rev. belge de phil. 26, 525ff. II-189
μέγας, μεγάλη, μέγα; Komp. μέζων, att. μείζων (nach κρείττων, ἀμείνων u. a.; vgl. Schwyzer 538), myk. me-zo, Sup. μέγιστος (seit Il.); vgl. Seiler Steigerungsformen 63. ‘groß’, Kompp., z.B. μεγά-θυμος ‘mit großem Geist’ (Hom. u. a.), μεγαλ-ήτωρ ‘großherzig’ (ep. poet. seit Il.; Sommer Nominalkomp. 135), μεγαλό-φρων ‘großgesinnt’ (att.; Hom. μέγα φρονέων, vgl. Leumann Hom. Wörter 119f.), μεγιστό-τιμος ‘mit der höchsten Ehre’ (A. in lyr.). Ableitungen: 1. Von μεγα-: μέγεθος (vgl. πλῆ-θος u. a.; -ε- Vokalassim. ? Schwyzer 255), Hdt. μέγαθος, n. ‘Größe, Erhabenheit’ (seit Il.) mit μεγεθ-ικός ‘quantitativ’ (Arist.-Komm.), -ύνω ‘vergrößern’, Pass. ‘erhaben werden’ (nach μεγαλύνω, sp.), -όομαι = μεγαλύνομαι (Mediz., S. E.); PN Μέγης mit Patron. Μεγάδης (Il.). 2. Von μεγαλο- : μεγαλ-εῖος ‘großartig, anmaßend’ (Pl., X., Plb. u. a.; nach ἀνδρεῖος u. a. erweitert) mit -ειότης ‘Hoheit, Majestät’ (LXX usw.); μεγάλ-ωμα n. ‘Größe, Macht’ (LXX; direkt von μεγαλο-, vgl. Chantraine Form. 187; anders Georgacas Glotta 36, 169), -ωσύνη ‘ds.’ (LXX, Aristeas; -ω- analog., Schwyzer 529), -ωστί Adv. ‘gewaltig’ (Schwyzer 624, Chantraine Gramm. hom. 1, 250). 3. Von μέγιστος : μεγιστᾶνες m. pl. (selten -άν sg.) ‘große Herren, Magnaten’ (Men., LXX, NT usw.; nach den VN auf -ᾶνες, Björck Alpha impurum 55, 278ff. m. Lit.; anders Schaeder bei Schwyzer 521 A. 5), PN Μεγιστ-ώ f. (Emp. [Personifikation], Pap.), -ίας, -εύς (Boßhardt 92); μεγιστεύω ‘sehr groß sein od. werden’ (App.). — Zu μεγαίρω s. bes. — Zu μέγα, μέγας stimmt arm. mec ‘groß’, Instr. meca-w, (a-Stamm); auch aind. máhi n. ‘groß’ (mit unklarem h; vgl. unten) läßt sich damit gleichsetzen unter der Annahme von idg. *méĝə. Auf germanischem Boden lebt das Wort weiter in awno. mjǫk ‘sehr’, urg. *meḱu, mit sekundärem -u nach *felu, got. filu ‘viel’ (s. πολύς). Eine Umbildung nach den i-Stämmen zeigt heth. me-ik-ki n. ‘sehr’, -iš ‘groß’. Hierher noch der illyr. PN Mag-aplinus (Krahe IF 57, 117 f.). — Das auslautende -α aus -ə ist als Schwundstufe zu -ā in aind. mahā- ‘groß’ (als Vorderglied), mahā-nt- ‘ds.’ zu verstehen; als Auswirkung eines konsonantischen ə̯ gilt nach den Laryngaltheorien aind. h (zuletzt Hamp Word 9, 136ff.). Als Neubildungen zu μέγα sind μέγας, -αν unmittelbar verständlich; die übrigen Formen zeigen eine die Flexion erleichternde l-Erweiterung, die sich auch im Germanischen, z.B. got. mikils ‘groß’ (urg. *mekilaz) findet und in dem synonymen lit. dìdelis ‘groß’ (von dìdis ‘ds.’) ein direktes Gegenstück hat; es handelt sich wahrscheinlich nicht um ein augmentatives (Schulze Kl. Schr. 75 ff.), sondern um ein deminutives l-Suffix, s. Sieberer Sprache 2, 113f. Gegen die naheliegende Annahme eines gemeinsamen Ursprungs (Brugmann, Osthoff, Schulze u. a.) Walde(-P.) 2, 257, der unabhängige Neubildungen (nach χθαμαλός bzw. aus *mikins; wohl eher dann mit Thurneysen KZ 48, 61 nach leitils ‘klein’) anzunehmen vorzieht. — Weitere Formen, für das Griechische belanglos, mit reicher Lit. bei WP. 2, 257ff., Pok. 708f., W.-Hofmann s. magnus. Vgl. ἀγα-. II-189-190
μεδέων, -έουσα ‘Herrscher, -in’ s. μέδω. II-190
μέδιμνος (älter -ίμνος), mit Dissim. ϝεδιμνος (Gortyn) m. Getreidemaß, "Scheffel", = 48 χοίνικες, d.h. in Athen um 52 1/2 Liter (ion. att. usw.; s. Solmsen Wortforsch. 41 f., 67); als Hinterglied z.B. in ἡμέδιμνον (haplol. für ἡμι-μ.) n. (eig. subst. Adj.), auch -ος m. (Determinativkomp.) ‘Halbscheffel’ (vgl. Risch IF 59, 51 f.). Davon μεδιμν-ιαῖος ‘einen μ. messend’ (Gortyn), -αῖον· μέτρον μοδίου H. — In formaler Hinsicht stimmt μέδιμνος zu μέριμνα, λίμνη, στάμνος u. a. (Schwyzer 524); es wäre somit aus einem μεν-Stamm thematisch erweitert. Sachlich bietet lat. modius "Scheffel" einen sehr verlockenden Vergleich mit weiterem Anschluß an das germ. Wort für ‘messen’, z.B. got. mitan, ags. metan, idg. med- (wozu u.a. noch μέδομαι, -ω; s.d.). Erklärungsbedürftig ist aber immer noch das ι; darüber Solmsen a.a.O. und Thurneysen IF 39, 189ff. (Schwyzer 352). Abzulehnen Winter Lang. 26, 532 (aus *μεδι-μδ-). Wegen der nicht wenigen LW auf -μν- erwägt Chantraine Form. 216 mediterranen Ursprung. II-190-191
μέδω (-έω? Schulze Kl. Schr. 678), nur Präs., Ptz. μέδων ‘Herrscher’ (Hom.; wie ἄρχων), f. -ουσα "die Waltende", N. einer der Gorgonen (Hes. u. a.), auch μεδέων, -έοντος ‘ds.’ (Il., h. Merc. usw.), f. -έουσα (h. Hom., Hes. usw.); PN Μέδων, Λαο-μέδων usw., Stadtn. Μεδεών (Böotien u. a.) "Stätte, in der gewaltet wird, Regierungsstadt"(?); vgl. Solmsen Wortforsch. 41ff., Fraenkel Nom. ag. 1, 67 A. 3, Leumann Hom. Wörter 326, Schwyzer 488. ‘herrschen, walten’ (Emp., Trag.), μέδομαι ‘für etw. sorgen, an etw. denken, auf etw. bedacht sein’ (ep. seit Il.), nur Präs. bis auf μεδήσομαι I 650. — Davon μεδίμῳ· ἥρωι H.; wohl nach κύδιμος, δόκιμος u. a., Schwyzer 494 A. 9 m. Lit. Zu μέδιμνος s. bes. — Im Sinn von ‘an etw. denken, auf etw. bedacht sein’ entspricht μέδομαι ganz dem lat. Frequentativum meditor, -ārī ‘nachdenken, nachsinnen’, dem teils das primäre Verb medeor, -ērī (s. unten), teils das primäre Nomen modus ‘Maß’ mit modius, modestus, moderor an die Seite treten. Das Keltische steuert mehrere Verwandte bei, z.B. air. mess ‘iudicium’ (< *med-tu-), air-med ‘Maß’. Die schon in diesen Wörtern zu verspürende anschauliche Grundbed. ‘messen’ ist im Germ. klar vorhanden: got. mitan (wozu miton ‘ermessen, bedenken, überlegen’), ags. metan, nhd. messen u. a. m. Eine alte Sonderbed. zeigt lat. medeor ‘heilen’ (eig. ‘Maßregeln treffen’ o.ä.?), ebenso aw. vī-mad- ‘Heilkundiger, Arzt’. Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 2, 259 f., Pok. 705 f., W.-Hofmann u. Ernout-Meillet s. meditor und medeor, auch Fraenkel Wb. s. mãtas. — Als dehnstufige Form gilt μήδομαι, s.d. II-191
μέζεα n. pl. ‘männliche Scham’ s. μήδεα. II-191
μέθυ, Gen. -υος (Pl. Epigr., Nik. u. a.) n. ‘Rauschtrank, Wein’ (ep. poet. seit Il.). Als Vorderglied z.B. in μεθυ-πλήξ, -γος ‘vom Wein getroffen, trunken’ (Kall., APl.). Denominative Verba: μεθύ-σκομαι (ion. att.), Aor. μεθυ-σθῆναι (Alk., ion. att.) ‘sich berauschen, trunken sein od. werden’; Akt. μεθύ-σκω, Aor. μεθύ(σ)-σαι, Fut. μεθῠ́σω ‘berauschen’ (Pl., hell. u. sp.); μεθύ-ω nur Präsensstamm = -ύσκομαι, oft übertr. (seit Od.). Davon zahlreiche Verbalnomina : 1. μέθη f. ‘Trunkenheit, Rausch, Rauschtrank’ (ion. att.; Rückbildung aus μεθύω nach πληθύω : πλήθη u. a., Wackernagel Unt. 131 A. 3); 2. μέθυσις ‘Berauschung’ (Thgn.; nach πόσις, Porzig Satzinhalte 190); 3. μέθυσμα ‘Rauschtrank’ (LXX, Ph.). 4. μέθυσος (-ση) m. f. ‘Trunkenbold’ (Hekat., Ar. usw.; zuerst von Frauen; Schwyzer 516, Chantraine Form. 435), auch μεθύσης ‘ds.’ (Ath., Luk.; zur Hervorhebung des Substantivcharakters); 5. μεθυστής ‘ds.’ (Arr.,AP), f. -ύστρια (Theopomp. Kom.), -υστάς (Trag. Adesp.; Fraenkel Nom. ag. 2, 37). 6. μεθυστκός ‘trunksüchtig, berauschend’ (Pl., Arist.); 7. μεθύσιον· εἶδος ἀμπέλου H. (vgl. Strömberg Pflanzennamen 91); 8. μεθυμναῖος Bein. des Dionysos (Plu. u. a.); scherzhafte Umbildung von Μηθυμναῖος (von Μήθυμνα), nach H. Bein. des Dionysos (Wackernagel a.a.O.). — PN, z.B. Μέθων, -υλλος, -ύσκος. —Zu ἀ-μέθυ-στος s. bes. Über ngr. μεθύρα, -ύριον ‘Weinfaß’ Georgacas Μνήμης χάριν 1, 115ff. — Altes Wort für ‘Honig, Met’, das in der Mehrzahl der Sprachen erhalten blieb, z.B. aind. mádhu n. ‘Honig, Met’, aw. maδu n. ‘Beerenwein’, slav., z.B. aksl. medъ ‘Honig’, balt., z.B. lit. medùs ‘ds.’, germ., z.B. awno. mjođr, ahd. metu m. ’Met’, kelt., z.B. air. mid ‘ds.’, toch. B mit ‘Honig’, idg. *médhu n. Die Bed. ‘Honig’ wurde im Griech. auf das ebenfalls altererbte μέλι beschränkt; im übrigen wurde das altertümliche μέθυ, das im Gegensatz zu seinen Ableitungen bald außer Gebrauch kam, auf den Wein übertragen. — Einzelheiten m. Lit. bei WP. 2, 261, Pok. 707, Fraenkel Wb. s. medùs, Vasmer Wb. s. méd. II-191-192
μείγνυμι (-ί-, s. unten; nachhom.), -ύω (X., Arist. u. a.), μίσγω (Hom., ion. att. usw.), ὀνεμείχνυτο (Sapph.), Aor. μεῖξαι, Med. (ep.) μίκτο (σ- od. Wz. aor., Schwyzer 751, Chantraine Gramm. hom. 1, 383), Pass. μιγῆναι mit Fut. -ήσομαι, μ(ε)ιχθῆναι mit -ήσομαι, Fut. μείξω, -ομαι, Perf. Med. μέμ(ε)ιγμαι; Akt. (hell.) μέμιχα, ‘mischen, unter-, durcheinander bringen, verbinden’, Med. ‘sich mischen, verkehren, im Kampfe zusammentreffen’ (seit Il.). sehr oft mit Präfix, z.B. συν-, ἐπι-, κατα-, ἀνα-, Als Vorderglied in verbalen Rektionskompp. μ(ε)ιξ(ο)-, z.B. μιξ-έλληνες pl. ‘Misch-, Halbhellenen’ (Hellanik., hell.), μ(ε)ιξό-θροος ‘das Geschrei mischend, mit gemischtem Geschrei’ (A.); auch μισγ-, namentlich in μισγ-άγκεια f. ‘Stelle, wo sich die Schluchten vermischen, Kesselschlucht’ (Δ 453), von *μισγ-αγκής, s. Schwyzer 442, Sommer Nominalkomp. 174 f. m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 15. Als Hinterglied in παμ-, ἀνα-, συμ-μιγής usw. (ion. att.); daraus μιγής (Nil-.; Schwyzer 426 u. 513), ἀνα-, ἐπι-μίξ Adv. ‘durcheinander’ (seit Il.). Wenige Ableitungen. 1. (σύμ- u. a.) μεῖξις (-ι-) ‘Vermischung usw.’ (ion. att.; Holt Les noms d’action en -σις 100 A. 2); 2. μεῖγμα (-ί-) ‘Mischung’ (Emp., Anaxag., Arist. usw.; μεῖχμ[α] Alk.); 3. ἐπιμ(ε)ιξία, -ίη ‘Vermischung, Ver- kehr’ (ion. att.); von ἐπίμ(ε)ικ-τος. 4. μιγάς, -άδος m. f. ‘gemischt, untereinander’ (att. usw.). 5. Mehrere Adverbia: (σύμ-)μίγα, μιγά-δην, -δις, μίγ-δα, -δην (vorw. ep. poet.). 6. μιγάζομαι ‘sich vermischen, vereinigen’ (θ 271 : μίγα, μιγάς; Schwyzer 734 m. Lit.). — Ob in dem handschriftl. gewöhnlich gebotenen μίγνυμι sich eine ursprüngliche Schwundstufe erhalten hat, ist sehr fraglich. Wahrscheinlich war das nach μεῖξαι, μείξω gebildete μείγνυμι schon früher da (Schwyzer 697 m. A. 5 u. Lit.). Auch für andere, im Prinzip schwundstufige Formen (μίξις, (σύμ) -μικτος, μέμιγμαι) kommt wenigstens als alternative Schreibung die sekundäre Hochstufe μεῖξις usw. in Betracht. Der in μίσγω, wenn aus *μίγ-σκ-ω (anders Wackernagel KZ 33, 39 = Kl. Schr. 1, 718: aus *μι-μσγ-ω zu lat. mergō usw.), μιγῆναι, μίγα erscheinenden Media steht in allen anderen Sprachen die entsprechende Tenuis, idg. m(e)iḱ- gegen-über: aind. miś-rá- = lit. mìš-ras ‘vermischt’, balt., z.B. lit. miešiù, miẽšti ‘mischen, vermengen’, slav. (Kaus.), z.B. aksl. měšǫ, měšiti ‘mischen’. Ein iranisches maēz- (idg. meiĝ-) im Sinn von ‘mischen’, von Smith Lang. 4, 178ff. wegen Y. 44, 20 angenommen, existiert nicht, s. Humbach Münch. Stud. 2, 7, wo die betreffende Form zu maēz- ‘harnen’ gezogen wird. Ein sḱ-Präsens ist auch im Westen stark vertreten: lat. misceō, air. mesc(a)id ‘mischt, taucht ein, verwirrt’, germ., z.B. ahd. miscan, nhd. mischen (wenn nicht lat. LW). Dagegen ist das νυ-Präsens auf das Griech. beschränkt (mithin wohl Neubildung). Das nasalinfigierte g. aw. minaš-, gewöhnlich mit ‘du sollst mischen’ wiedergegeben (Präs. myāsa-), wird von Humbach a.a.O. ebenfalls zu maēz- ‘harnen’ gestellt. Das Indische bietet eine reduplizierte s-Bildung in mí-mikṣ-ati ‘mischen’ (wohl eig. Desiderativ), wozu Perf. mimikṣé, Kaus. mekṣayati. Für sich stehen die hochstufigen Formen aind. Präs. myakṣati = aw. myāsa-; zu der daran anknüpfenden Wurzelanalyse s. Kuiper Nasalpräs. 123. Auch der Aorist μεῖξαι steht isoliert ebenso wie μιγῆναι und die übrigen Formen mit γ, das wahrscheinlich durch Assimilation mit einem folgenden tönenden Konsonanten entstand. — Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 2, 244f., Pok.714, W. -Hofmann und Ernout-Meillet s. misceō, Fraenkel s. miẽšti, Vasmer s. mesítь. II-192-193
μειδιάω, bei Hom. nur Ptz. -ιόων, -ιόωσα, später auch Inf. -ιᾶν (Pl.) und indik. Formen (z.B. μειδιᾷ Theok.); Aor. μειδ-ιᾶσαι (Sapph., Pl., Plb., Plu. u. a.), -ῆσαι (ep. seit Il.), ‘lächeln’. auch mit Präfix wie ἐπι-, ὑπο-, Davon μείδημα n. ‘das Lächeln’ (Hes.), -ίαμα ‘ds.’ (Luk., Plu.), (ἐπι- )μειδίασις (Plu. u. a.), -ίασμα (H.), -ιασμός (Poll., Sch.), τὸ μειδιαστικόν ‘Fröhlichkeit’ (Sch.); μειδ-ά̄μων ‘lächelnd’ (Hymn. Is.). — Außerdem φιλο-(μ)μειδής (aus -σμ-; vgl. unten) ‘mit einem holden Lächeln, hold lächelnd’, bes. von Aphrodite (vorw. ep. seit Il.), wie von μεῖδος· γέλως H., aber vielleicht direkt vom Verb; s. unten. — Das gegenseitige Verhältnis der obigen Formen ist nicht eindeutig. Das Präsens μειδ-ιάω, wozu der Aor. μειδιᾶσαι, ist wahrscheinlich eine epische Umbildung, vielleicht vom Ptz. Präs. aus (Schwyzer 727, Chantraine Gramm. hom. 1, 359); der Aorist μειδ-ῆσαι kann eine η-Erweiterung enthalten. Aus einem Verb könnte auch φιλο-(μ)μειδής hervorgegangen sein (Schwyzer 513) mit μεῖδος als daraus erschlossenem Grundwort. Auch der umgekehrte Weg ist indessen gangbar: von μεῖδος aus teils φιλο-(μ)μειδής, teils als Denominativum μειδῆσαι und (umgebildet) μειδ-ιάω. — Jedenfalls enthalten alle Formen ein δ-Element, das sich bei einem Vergleich mit andersprachlichen Formen als sekundär herausstellt: aind. smáyate, -ti ‘lächeln’, toch. B smi-mane, A smi-māṃ Ptz. Med. ‘lächelnd’, aksl. smějǫ sę, smijati sę ‘lachen’, lett. smeju, smiêt ‘(ver)lachen’ mit dem balt. Iterativum smaidît, wozu smaĩda ‘das Lächeln’ (von μειδ- also unabhängig). Ob griech. δ zuerst in einem Nomen oder in einem Verb Eingang fand, läßt sich, wie schon oben angedeutet, nicht entscheiden (vgl. Schwyzer 508 f. und 702 f.). — Weitere hierhergehörige Formen, z.B. lat.mīrus, engl. smile, m. Lit. bei WP. 2, 686f., Pok. 967, W.-Hofmann s. mīrus, Vasmer s. smejúsь. II-193-194
μείζων ‘größer’ s. μέγας. II-194
μείλια n. pl. (selten sg. -ιον) etwa ‘Sühngaben, Sühnopfer, Vergütung, Buße’ (Ι 147 = 289, A. R., Kall. u. a.). — Nicht sicher erklärt; s. μείλιχος. II-194
μείλιχος, äol. μέλλιχος; auch μειλίχιος ‘ds.’ (ep. poet. seit Il.); Μειλίχιος Bein., bes. des Zeus (ion. att.), att. auch Μιλίχιος (früher Itazismus, Schwyzer 193 m. Lit.), dor. Μηλ-, ark. Μελ-, mit Μειλιχιεῖον ‘Tempel des Zeus M.’ (Halaesa); Einzelheiten bei Nilsson Gr. Rel. 1, 411ff. ‘sanft, mild, freundlich’ (ep. poet. seit Il., auch sp. Prosa); Kompp., z.B. μελλιχό-φωνος (Sapph.), ἀ-μείλιχος ‘unfreundlich, unversöhnlich’ = ἀμείλικτος (ep. poet. seit Il.; vgl. Frisk Adj.priv. 7f.). Von μείλιχος: 1. μειλιχίη f. ‘Sanftheit, Milde’ (O741, Hes., A. R.); 2. μειλιχώδης ‘sanft’ (Kerk.); μειλίχη f. Art Boxhandschuh (Paus. 8, 40, 3; vgl. πυρρίχη); 4. μειλίσσω, Aor. -ίξαι ‘begütigen, beschwichtigen, besänftigen’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa), auch mit ἐκ- (sp. Prosa); davon μείλιγμα (μέλιχμα Miletos VIa; Schulze Kl. Schr. 411 ) n. ‘Beschwichtigungsmittel, Sühngabe, -opfen’ (ep. poet. seit κ 217), (ἐκ-)μείλιξις ‘Beschwichtigung’ (Anon. ap. Suid., Eust.), μειλικ-τήριος ‘beschwichtigend’ (A. Pers. 610), -τικῶς Adv. ‘ds.’ (Sch.); μείλικτρα pl. = μειλίγματα (A. R.). — Volkstümliche Bildung mit χ-Suffix wie νηπίαχος, ὁσσίχος (dor.) u. a. (Chantraine Form. 403f., Schwyzer 498, Locker Glotta 22, 58f.), zunächst zu μείλια (s. d.), aber ohne sichere weitere Anknüpfung. Die verschiedenen Dialektformen μειλ- : μελλ- : μηλ- lassen sich aus μελ-ν- erklären, wobei man teils an lat. mel ‘Honig’, Gen. mellis (falls wirklich aus *mel-n-és), teils an lit. malóne ‘Gnade’ gedacht hat; s. die reiche Lit. bei W.-Hofmann s. mel, melior und mītis; ältere Lit auch bei WP. 2, 244 und bei Bq. — Volksetymologisch wurde μείλιχος gewiß auf μέλι bezogen (Chantraine Mél. Boisacq 1, 169ff.), aber μειλισσέμεν Η 410 nicht mit Schmid BphW 36, 1414ff. für *μελισσέμεν von μέλι, vgl. Kretschmer Glotta 10, 242. Über das Nebeneinander von μειλιχίη und μειλίσσω Scheller Oxytonierung 40; Beobachtungen über μείλιχος : μειλίχιος bei Porzig Satzinhalte 207 f. (μειλιχίη substantiviertes Fem. von μειλίχιος?). II-194-195
μεῖον n. ‘Kleinvieh (Schaf od. Lamm), das an den Apaturien geopfert wurde’ (att. Inschr., Is., Sch.); als Vorderglied in μει-αγωγός ‘der das Kleinvieh auf die Waage bringt’ (Eup. 116) mit μει-αγωγέω (Ar. Ra. 798), -εῖον, -ία (Suid.). — Eig. Ntr. des Komparativs μείων (s. d.) mit Übertritt in die ο-Flexion; darüber Egli Heteroklisie 77. Nicht mit Osthoff MU 6, 310 A. 2 zum idg. Wort für ‘Widder, Schaf usw.’ in aind. meṣá- m. ‘Widder, Schafbock, Fell’, aksl. měchъ ‘Schlauch’ usw. (WP. 2, 303, Pok. 747). II-195
μεῖραξ f. ‘Mädchen’ (Kom.), spät auch m. ‘Knabe’ (Aret., Hld. u. a.); φιλο-μεῖραξ m. f. ‘Knaben liebend’ (Ath., Paus.). Mehrere Deminutiva : 1. μειράκιον n. ‘Jüngling, junger Mann’ (Hp., att.) mit μειρακι-ώδης ‘jugendlich’ (Pl., Arist. u. a.), -όομαι ‘Jüngling werden’ (X., Ph., Ael.), -εύομαι ‘ds., sich jugendlich betragen’ (Arr., Plu., Luk.), auch μειρακ-εύομαι (Alkiphr. 2, 2). 2. μειρακίσκος m., auch -η f. ‘Jüngling, Mädchen’ (att. usw.; Chantraine Form. 409). 3. μειρακύλλιον ‘ds.’ (Kom. u. a.; vgl. Leumann Glotta 32, 215 u. 225 = Kl. Schr. 242 u. 250). — Zum fem. Genus vgl. die ebenfalls fem. δέλφαξ, πόρταξ, σκύλαξ (auch m.). Auszugehen ist von einem Nomen, etwa *μεῖρος (wie λίθαξ : λίθος u. a.), das zu aind. márya- m. ‘Jüngling, Liebhaber’, aw. mairya- (Bed. unklar) stimmt; dazu mit thematischem k-Suffix (von μεῖραξ unabhängig trotz Wackernagel-Debrunner II: 2, 540, Chantraine Études 160 m. A.1?) marya-ká- ‘Männchen’. Die deminutiven Ableitungen haben im Griech. das Grundwort verdrängt. Auch ein fem. *μεῖρα (wie στεῖρα) ist zu erwägen. — Als entferntere Verwandte werden herangezogen u. a. lit. mergà ‘Mädchen’ und, im Vokal abweichend, alb. shemërë f. ‘Nebenfrau’ (aus *sm̥-merī), lit. martì f. ‘Braut, junge Frau’ (vgl. Βριτόμαρτις, s. d.); dazu noch das unklare lat. marītus ‘beweibt, Gatte’, s. W.-Hofmann s. v. m. reicher Lit. Weitere Einzelheiten auch bei WP. 2, 281, Pok. 738f.; Fraenkel Wb. s. martì und mergà. Allerhand Hypothesen über die Stammbildung von Specht Ursprung 124, 148 u. 210. II-195-196
μείρομαι Perf. Akt. 3. sg. ἔμμορε ‘ist teilhaft’ (ep. seit Il.), 3. pl. ἐμμόραντι· τετεύχασι H., später auch ἔμμορες, -ον (A. R., Nik.; vgl. unten), μεμόρηκα (Nik.); Perf. u. Plqupf. 3. sg. εἵμαρται, -το ‘durch das Schicksal ist (war) bestimmt’ (seit Il.), Ptz., bes. im Fem. ειμαρμένη ‘Schicksal’ (ion. att.); äol. ἐμμόρμενον (Alk.), dor. ἔμβραται· εἵμαρται, ἐμβραμένα· εἱμαρμένη H.; auch (durch Neubildung) βεβραμένων· εἱμαρμένων H., μεμόρ-ηται, -ημένος (Man., AP). ‘als Anteil erhalten’ (Ι 616), ‘aufteilen’ (Arat. 1054), auch mit ἀπο- (Hes. Op. 578), ἐπι- (Vett.Val. 346, 6); Mehrere Ableitungen, die aber meistens gegenüber dem absterbenden Verb eine selbständige Stellung einnehmen. 1. μέρος n. ‘Teil, Anteil usw.’, s. bes. — 2. μόρος m. ‘Los, Schicksal, Todeslos, gewaltsamer Tod’ (ep. ion. poet. seit Il.; vgl. Leumann Hom. Wörter 305 m. A. 75), ‘Los, Ackerlos’, auch als Landmaß (Mytilene, Westlokris); als Hinterglied z. B. in κάμ-μορος (κά-σμορος), ἤ-μορος; s. bes. Davon das Deminutivum μόριον n. ‘Teil, Abteilung, Glied des Körpers’ (ion. att.), math. ‘Bruch, Nenner’ mit μοριασμός, -στικός (: *μοριάζω; Ptol., Sch.), ferner die Adj. μόριμος ‘vom Schicksal beschieden’ (Υ 302, Pi., A. in lyr.), μόριος ‘zum Todeslos gehörig’ (AP), wohl auch μορίαι (ἐλαῖαι), s. bes., μορόεις ‘tödlich’ (Nik.). —3. μόρα f. Bez. einer lakon. Truppenabteilung (X. u. a.; zum Akzent Chantraine Form. 20). — 4. μοῖρα f. ‘Teil, Stück, Grundstück, Anteil, Grad, Los, (böses od. gutes) Schicksal, Todeslos’, auch personifiziert ‘Schicksalsgöttin’ (seit Il.); Kompp., z.B. μοιρη-γενής ‘Schicksals-, Glückskind’ (Γ182; s. Bechtel Lex. s. v., v. Wilamowitz Glaube 1, 362; -η- anal.-metr. Dehnung), εὔ-μοιρος ‘beglückt’ (B., Pl. u. a.). Davon μοιρ-άδιος ‘vom Schicksal bestimmt’ (S. OC 228 cod. Laur.), -ίδιος ‘ds.’ (Pi., S. usw.), -αῖος ‘zum Schicksal gehörig’ (Man. u. a.), -ιαῖος ‘einen Grad messend’ (Ptol., Prokl.). -ικός, -ικῶς ‘gradweise’ (Ptol., Vett.Val. u.a.); μοιρίς f. ‘Hälfte’ (Nik.); μοιρ-άομαι, -αω ‘unter sich teilen, sich zuteilen lassen, teilen’ (A. in lyr., A. R., sp. Prosa), -άζω = -άω (Anon. in Rh.). Zu μοῖρα und μόρος im allg. Nilsson Gr. Rel. 1, 361ff. m. reicher Lit. — 5. μορτή, dor. -τά ‘dem Pächter zukommender Anteil des Ertrages’ (Poll., Eust., H.). — 6. μόρσιμος ‘vom Schicksal bestimmt’; s. bes. — Die Perfektformen äol. ἔμμορε (später als Aor. 2 aufgefaßt, woher ἔμμορες, -ον) und ion. εἵμαρται lassen sich auf *sé-smor-e bzw. *sé-smr̥-tai zurückführen (Schwyzer 769, Chantraine Gramm. hom. 1, 174 f., 184); dazu das hochstufige Jotpräsens μείρομαι aus *smér-i̯o-mai (Schw. 715); vgl. z.B. φθείρω : ἔφθορα : ἔφθαρμαι. Anl. sm- schimmert auch sonst mehrfach durch, z.B. ἄ-μμορος, κατὰ μμοῖραν. — Entsprechende Formen liegen nirgends vor. Verwandtschaft kann indessen bestehen mit dem anders gebildeten lat. mereō, -ēre, -eor, -ērī ‘verdienen, erwerben’ (eig. *’Anteil erhalten, sich erwerben’?), das ebenfalls anlaut. sm- enthalten und mit dem Jotpräsens in μείρομαι zusammenhängen kann. Unsicher ist die Bed. von heth. marriya- (’zerstückeln, zerkleinern’?), das neben mark-’(Opfertier) zerlegen, (Speisen od. Getränke) verteilen’ von Benveniste BSL 33, 140 und Kronasser Studies Whatmough 122 hierhergestellt worden ist; es wäre dann eine slose Variante anzunehmen. Hypothetisch ist die Verbindung mit der Sippe von μέριμνα (Solmsen Wortforsch. 40 f. u.a.; eig. *‘jmdn womit bedenken, versorgen’?). WP. 2, 690, Pok. 970, W.-Hofmann s. mereō. — Von den nominalen Ablegern erheischt nur μοῖρα eine besondere Erklärung: man kann sowohl vom ο-Stamm μόρος wie von einem älteren Konsonantstamm *μορ- ausgehen (Schwyzer 474), insofern man nicht mit Specht KZ 66, 212 f., Ursprung 329 eine gemeinsame i̯-Ableitung in μείρομαι und μοῖρα annehmen will. Der o -Vokal könnte auch äolische Schwundstufe sein. II-196-197
μείων, n. μεῖον, auch μειότερος (A. R., Arat. u. a.), Superl. μεῖστος ‘wenigst, mindestens’ (Lokr. Va, Hdn., H.). ‘kleiner’ (ep. poet. seit Il., Hp., X., dor., ark.; vgl. Seiler Steigerungsformen 115f.) Als Vorderglied u. a. in μειον-εκτέω ‘den kürzeren ziehen, im Nachteil sein’ mit -εξία (X. u.a.), Zusammenbildung von μεῖον ἔχειν nach πλεον-έκτης, -εκτέω, -εξία (Fraenkel Nom. ag. 1, 166). Ableitungen (analogisch nach den ο-Stämmen [Schwyzer 731 f. m. Lit.], nicht mit Egli Heteroklisie 77 von einem sekundären ο-Stamm μεῖο-ν): 1. μειότης f. ‘Minderzahl’ (A.D., Vett.Val.); 2. μειόομαι, -όω ‘kleiner werden, nachstehen, verkleinern, verringern’ (Hp., X., Arist. usw.) mit μεί-ωσις ‘Verminderung’ (Hp., Arist. usw.), -ωμα ‘Vermögensverminderung’ = ‘Geldstrafe’ (X. An. 5, 8, 1), -ώτης m. ‘Verkleinerer’ (Paul. Al.), -ωτικός ‘verkleinernd, abnehmend’ (hell. u. sp.). — Primärer Komparativ von einem Verb ‘mindern’ in aind. minā́ti ‘mindern, schädigen’, mī́yate ‘sich mindern, vergehen’; vgl. das Oppositum πλείων, πλέων, πλεῖστος (s. πολύς). Die Beurteilung des überall herrschenden -ει- (aus dehnstuf. mēi- ? Schulze Kl. Schr. 53) ist unsicher. — Myk. me-u-jo, me-wi-jo, angebl. = μείων, ist mit dieser Erklärung nicht vereinbar, könnte aber zur Not in toch. B maiwe ‘klein, jung’ (aus *meiu̯o-, *moiu̯o-; Duchesne-Guillemin BSL 41, 157) eine gewisse Stütze finden; doch gehört das u̯o-Suffix (älter u-Stamm?) nur zum Positiv. — Anders über μείων Osthoff. MU 6, 303ff.: aus *μείνων zu ἀμείνων (s.d.) mit Schwund des -ν- nach πλείων (?). Vgl. μινύθω. II-197-198
μέλαθρον Auch μελάθρα f. (Delos IVa). n. ‘Dachgewölbe, Dachgebälke, Dach’, auch (oft im Plur.) ‘Wohnung, Haus’ (ep. poet. seit Il., auch Inschr. [Delos IIIa, LXX, Pap.). Als Hinterglied z.B. in ὑψι-μέλαθρος ‘mit hohen- Dachgebälke’ (h. Merc.). Davon μελαθρόομαι ‘mit Dachbalken versehen sein’ (LXX). — Etymologisch dunkel. Nach den Alten "ἀπὸ τοῦ μελαίνεσθαι ὑπὸ τοῦ καπνοῦ" (EM 576, 16). Wenn überhaupt Erbwort (vgl. Schwyzer 533, Chantraine Form. 374), vielleicht nur im Ablaut von βλωθρός ‘hochgewachsen’ (aus *μλ-; s. d.) verschieden. Auffallend ist die Ähnlichkeit mit κμέλεθρον ‘Stubendecke, Balken’ (s.d.); Vermutungen darüber bei Güntert Reimwortbildungen 144f. und Pisani KZ 71, 125f. Neuer Versuch von Deroy Rev. belge de phil. 26, 533ff. (abzulehnen). II-198
μέλας (äol. -αις), -αινα, -αν; μελάν-τερος (seit Il.), -τατος (ion. att.), spät μελανώτερος Str.), μελαινοτάτη (Epigr. Gr., AP; Leumann Mus. Helv. 2,9f. = KI.Schr. 223f.). ‘dunkelfarbig, schwarz, finster’ (seit Il.) Überaus oft als Vorderglied, z.B. μελάγ-χροος (pl. -ες), -χροιής, -χρής, -χρως- μελανό-χροος usw. ‘mit dunkler Haut’ (ausführlich Sommer Nominalkomp. 21ff. m. Lit.; auch Treu Von Homer zur Lyrik 52 u. 80); μελαγ-χιμος ‘dunkel, schwarz’ (A., E., X.), mit verblaßtem Hinterglied, vgl. δύσ-χιμος und Sommer 71ff.; μελάν-δετος etwa ‘dunkelgestreift’ od. ‘mit dunklen Streifen’ (O713, A., E.; Trümpy Fachausdrücke 62, Risch 189); μελάν-δρυ-ος ‘aus schwarzem Holz (δόρυ) bestehend, dunkelfarbig’ (A. Fr. 251 u. a.), n. ‘Kernholz, Mark’ (Thphr., Strömberg Theophrastea 128), pl. ‘Stücke aus Thunfisch’, wozu μελάν-δρυς m. ‘Art Thunfisch’ (Pamphil. u.a.; Strömberg Fischnamen 128); μελάμ-πυρον n. (-ος m.) ‘Finkensame, Neslia paniculata’ (Thphr., Gal.); zur Form. vgl. διόσπυρον (s.d.), zur Bed. Carnoy REGr. 71, 96; μελαγ-κάλαμον n. Dvandva ‘Tinte und Feder’ (Pap. Vp, Maas Glotta 35, 299f.). Häufig in PN, wozu als Kurznamen z.B. Μελαινεύς, Μελανεύς, Μελανθεύς, Μέλανθος (Boßhardt 95, 101, 154, Schwyzer 263). Ableitungen: 1. μελαιν-άς f. N. eines dunkelfarbigen Fisches (Kratin. [?]; Strömberg Fischnamen 22); -ίς f. N. einer Meermuschel (Sophr., Herod., Xenokr.), auch Ben. der Aphrodite in Korinth (Ath.). 2. μελάν-ιον n. ‘Tinte’ (Pap., Edict. Diocl.; von μέλαν, Georgacas Glotta 36, 169). 3. μελαν-ία f. ‘Schwärze, schwarzer Schatten, schwarze Farbe’ (X., Arist. usw.), -ότης f. ‘Schwärze’ (Arist.: λευκότης). 4. μελανός = μέλας (Sp.), -όν n. ‘schwarzes Pigment’ (Sammelb. IVp); nach κελαινός, ὀρφνός usw.; μελαιναῖος ‘ds.’ (Orac. Sib.; nach κνεφαῖος u.a.; Chantraine Form. 47); μελανώδης ‘schwärzlich’ (EM). — Denominative Verba: 1. μελαίνομαι, -ω ‘dunkeln, schwarz werden, machen’ (seit Il.); davon μέλανσις f. ‘das Schwärzen’ (Arist. u. a.), μέλασ-μα n. ‘schwarzer Fleck, schwarzes Färbungsmittel’ (Hp. u. a.), -μός m. ‘das Schwärzen, schwarzer Fleck’ (Hp., Plu. u. a.), μελαντηρ-ία f. ‘schwarzes Pigment, Schwärze’ (IG 22, 1672, Arist. usw.), -ιον ‘Fleck, Makel’ (Sch.). 2. μελάνω ‘schwarz werden (machen?)’ (H64; Schwyzer 700, Shipp Studies 37). 3. μελανέω intr. ‘ds.’ (Thphr., A. R., Kall. u. a.). — Zu μέλᾱς aus *μέλᾰν-ς, μέλαινα (< -αν- ι̯α), μέλᾰν bietet τάλᾱς, τάλαινα, τάλαν ein Gegenstück, wobei indessen zu beachten ist, daß τάλας ein urspr. ντ-Stamm zu sein scheint. —Die Gleichsetzung von μέλαινα mit aind. f. malinī (angebl. idg. *melən-i̯ə), wozu ein konsonantisches m. μελαν- neugebildet worden wäre für ein älteres *μέλανος = aind. malina-’schmutzig’ (Schwyzer IF 30, 446ff. nach Brugmann Grundr. 2: 1, 256 A. 1), scheitert daran, daß malinī nur lexikalisch und zwar im Sinn von ‘menstruierende Frau’ belegt ist; mask. malina- ist überdies eine ep.-klass. Ableitung von ved. mála- n. ‘Schmutz’; s. Sommer Nominalkomp. 25 m. Lit., Wackernagel-Debrunner II: 2, 351 f. Von den zahlreichen unter dem farbbezeichnenden mel- angeführten Wörtern bei WP. 2, 293 f., Pok. 720 f. interessieren eigentlich nur einige baltische Bildungen mit n-Suffix, lett. męl̃ns ‘schwarz’ (dazu Fraenkel Gnomon 22, 237), apreuß. melne ‘blauer Fleck’, mīlinan Akk. f. ‘Fleck’ (näheres bei Fraenkel Wb. s. mė́las 2). — Weiteres s. μολύνω, auch μελίνη und μώλωψ. II-198-199
μέλδομαι μέλδω ‘schmelzen machen’ (Kall., Man.); ἀμέλδειν· τήκειν H. (s. u.). ‘schmelzen machen’ (Φ 363), ‘schmelzen’ intr. (Nik. Th. 108), — Hochstufiges thematisches Wz.präsens (vgl. Schwyzer 702) mit einem genauen Gegenstück in germ., ags. meltan ‘sich auflösen, zerfließen, schmelzen’ mit dem Kaus. mieltan ‘auflösen, verdauen’ = awno. melta ‘verdauen, malzen’; daneben mit anlaut. s- ahd. smelzan, nhd. schmelzen; die Verba haben im Germ. viele Ableger, z.B. got. ga-malteins ’ἀνάλυσις, Auflösung’. Weitere Formen z.B. bei WP. 2, 288f., Pok. 718. Ein innergriech. Verwandter ist ἀμαλδύνω (danach ἀ-μέλδειν?), s.d. mit weiteren Anknüpfungen. — Das Verb wurde im Griech. von dem gleichfalls ererbten τήκω verdrängt. II-199-200
μέλε in ὦ μέλε etwa ‘mein Bester, mein Lieber’, att. Vok. (Kom., Pl.) strittigen Ursprungs. — Wahrscheinlich mit Kretschmer Glotta 6, 297 aus ὦ μέλεε abgekürzt; ähnlich (auch begrifflich) ὦ τᾶν aus ὦ τάλαν u. a. (Schwyzer 547). Anders Prellwitz 287: von *μέλος ‘gut, lieb’ zu lat. melior, μέλει μοι usw. II-200
μελεαγρίς, -ίδος f. ‘afrikanisches Perlhuhn, Numida ptilorhyncha, meleagris’ (Soph. ap. Plin., Arist. u. a.), auch μελέαγρος· ἡ κατοικίδιος ὄρνις H.; ausführlich darüber Thompson Birds s.v. — Wohl Fremdwort mit volksetymologischer Anlehnung an Μελέαγρος. Unsichere Vermutung bei Schrader-Nehring Reallex. 2, 159r: zum iran. Wort für ‘Vogel, Huhn’ in aw. mərəɣa- u. a., was sich indessen mit der afrikanischen Heimat nicht gut verträgt. II-200
μελεδαίνω, μελετάω u. Verw. s. μέλω. II-200
μέλεος ‘eitel, vergeblich, nichtig, unglücklich’ (ep. lyr. seit Il.); vereinzelt als Vorderglied, z.B. μελεο-παθής ‘Unglück er- duldend’ (A. in lyr.). — Bezüglich des Akzents zu den sekundären Stoff- und Tieradj. wie χρύσεος, λίθεος, βόεος (Chantraine Form. 50 f.) stimmend, gehört μέλεος begrifflich eher zu den primären Oxytona ἐτεός, κενεός, στερεός; somit ein Fall äolischer Barytonese? —Wie ἐτεός für ἐτεϝός, kann auch μέλεος für *μέλεϝος stehen (Bechtel Lex. s. v.; vgl. zu μῶλος). Sonst dunkel; ganz fragliche Kombinationen bei Prellwitz, Bq, WP. 2, 291, Pok. 719f.; s. auch W.-Hofmann s. 3. malus, Fraenkel Lit. et. Wb. s. mẽlas 1.; vgl. noch zu βλάσφημος. II-200
μέλι, -ιτος myk. me-ri. n. ‘Honig’ (seit Il.), Sehr oft als Vorderglied, z.B. μελί-κρᾱ-τον, ion. -κρη-τον "Honiggemisch", ‘Opfer aus Milch und Honig’ (seit Od.), Zusammenbildung mit κεράν-νυμι (s. d.); auch μελιτο-, z.B. μελιτο-πώλης m. ‘Honighändler’ (Ar. u. a.); als Hinterglied u. a. in οἰνό-μελι ‘Trank aus Wein und Honig’ (Plb.; vgl. Risch IF 59, 58); zu ἀπόμελι s. bes. Ableitungen. A. Mehrere Adj.: μελιτόεις ‘honigsüß’ (Pi.), f. μελιτόεσσα (sc. μᾶζα), att. μελιτοῦττα ‘Honigkuchen’ (Hdt., Ar. u.a.; Schwyzer 528, Chantraine Form. 272), μελιτ-ηρός ‘zum Honig gehörig, honigähnlich’ (Ar.. Thphr. u. a.), -ινος ‘aus H. gemacht’ (Pap. u. a.), -ώδης ‘honigähnlich’ (Thphr. usw.). Wohl auch μελι-χρός ‘honigsüß’ (Alk., Anakr., Hp., Telekl. in lyr., Theok. usw.), vgl. πενι-χρός βδελυ-χ-ρός und Chantraine Form. 225 f., Hamm Grammatik 77 m. A. 118. Nach Sommer Nominalkomp. 26 A. 3 (wo ausführliche Behandlung) dagegen äol. für μελί-χρως ‘honigfarben’, nach Schwyzer 450 für -χροος. — B. Subst. μελίτ(ε)ιον n. ‘Met’ (Plu. u.a.); μελιτόν· κηρίον, ἢ τὸ ἑφθὸν γλεῦκος H.; μελιτίτης (λίθος) ‘Topas’, (οἶνος) ‘Honigwein’ (Dsk. u.a.; Redard 57 u. 97); μελίτεια f. ‘Melissa officinalis’ (Theok.; Strömberg Pflanzennamen 119); μελιτισμός m. ‘Behandlung mit H.’ (Mediz.) wie von *μελιτίζειν. — C. Verb. μελιτόομαι ‘mit H. vermischt, versüßt werden’ (Th., Plu.) mit μελίτωμα ‘Honigkuchen’ (Kom. u. a.), -ωσις ‘Versüßung’ (Gloss.). — Für sich steht μέλισσα, -ττα f. ‘Biene’ (seit Il.), nach Schwyzer Glotta 6, 84ff. (zustimmend u. a. Fraenkel Glotta 32, 21) haplologisch für *μελί-λιχ-ι̯α "Honigleckerin"; dafür spricht aind. madhu-lih- m. "Honiglecker" = ‘Biene’ (Kunstdichtung); nach anderer Auffassung dagegen aus *μέλιτ-ι̯α, z.B. Lohmann Genus und Sexus (Erg. -h. 10 zu KZ) 82 unter Berufung auf arm. meɫu ‘Biene’ von meɫr ‘Honig’ (ebenso Schwyzer 320 u. sonst). Davon mehrere Kompp. und Ableitungen, z.B. μελισσουργός (-ττ-) ‘Imker’ (Pl., Arist. usw.) mit -έω, -ία, -εῖον, μελισσεύς ‘ds.’ (Arist., Pap.; Boßhardt 61), auch (mit anderem Ursprung) als PN (Boßhardt 123f.); μελίσσιον ‘Bienenstock’ (Pap. IIIa; Georgacas Glotta 36, 170), -ία ‘ds.’ (Gp.; Scheller Oxytonierung 45), -ών ‘ds.’ (LXX u. a.) u. a. m. — Zu βλίττω s. bes. — Altes Erbwort für ‘Honig’, mit heth. milit ( = melit) n. unmittelbar identisch; dazu mit thematischer Erweiterung got. miliþ und alb. mjaltë (idg. *meli-t-o-m). Auch kelt., z.B. air. mil, und lat. mel können auf *meli-t zurückgeführt werden; das -t war wohl ursprünglich nur im Nom.-Akk. zu Hause. (Unklar lat. Gen. mellis: aus *mel-n-és?; vgl. zu μείλιχος). Arm. meɫr, Gen. meɫu ist, vermutlich nach dem synonymen *médhu (= μέθυ, s. d.), in die u-Stämme übergetreten. Aus unbekannter Quelle stammt μελίτιον· πόμα τι Σκυθικὸν μέλιτος ἑψομένου σὺν ὕδατι καὶ πόα, τινί H. — Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 2, 296, Pok. 723f., W.-Hofmann s. mel; dazu (über die Verbreitung) Porzig Gliederung 202 f. II-200-201
μελία, ep. -ίη f. ‘Esche, aus Eschenholz verfertigte Lanze’ (ep. poet. seit Il., auch Thphr.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 57). Kompp. μελιη-γενής ‘aus einer Esche geboren’ (A. R.); ἐϋ-μμελίης m. ‘mit einer guten Lanze bewaffnet’ (Hom. u. a.; zur Bildung Schwyzer 451), danach φερε-μμελίης ‘lanzen- tragend’ (Mimn.). Davon μέλ-ινος (ρ 339), sonst mit metr Dehnung (Chantraine Gramm. hom. 1, 100) μείλ-ινος (Il.) ‘eschen, von Eschenholz’; nach δρύ-ϊνος u.a., auch vom Metrum begünstigt; daneben μελί-ϊνος (att. Inschr.), μελέ-ϊνος (att. Inschr., Thphr.), nach πτελέ-ϊνος u. a. (Schwyzer 243 vermutet Dissimilation aus -ι-ι-; Wackernagel IF 25, 337 = Kl. Schr. 2, 1033 nimmt beiderlei an). — Morphologisch und etymologisch isoliert. Von der grauen Farbe des Holzes ausgehend vermutet Prellwitz s. v. Zusammenhang mit lit. (dial.) smėlùs ‘sandfarbig, aschgrau, falb’. wozu anlaut. (μ)μ- an sich stimmen könnte (vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 176). Unbefriedigende Analyse bei Schulze Q. 118: *[σ]μελϝ-ίᾱ, -ινος. II-201-202
μελῐ́νη f. ‘Hirse, Kolbenhirse’ (ion. att.). — Als altes Kulturwort mit dem formal abweichenden lat. milium n. ‘Hirse, Rispenhirse’ verwandt. Unsicher dagegen lit. málnos f. pl. ‘Schwaden, Kolbenhirse’; nach Nieminen KZ 74, 167 f. vielmehr zu bibl.-gr.-lat. manna ‘Himmelsbrot’. Oft als "Mahlfrucht" zu lat.molō ‘mahlen’ usw. gezogen; nach Niedermann Symb. Rozwadowski 1, 113 dagegen zu μέλας (vgl. frz.millet noir, d. Mohrenhirse); zustimmend Porzig Gliederung 178 (Gegensatz ἄλφι zu ἀλφός ‘weiß’). — Über Bed. und Ver. breitung im allg. Schrader-Nehring Reallex. 1, 504 f. II-202
μέλκα (-η) f. (auch n. pl.?) ‘ein aus saurer Milch bereitetes Gericht’ (Gal., Alex. Trall., Gp.). — Zunächst aus lat. melca ‘ds.’, das seinerseits als germ. LW betrachtet worden ist; s. W.-Hofmann s. v., wo auch andere Auffassungen referiert werden. II-202
μέλκιον · κρήνη, νύμφαι, παίγνιον H. — Mit sehr zweifelhaftem Recht zu einigen semantisch fernstehenden slav.-balt. Wörtern gezogen, z.B. russ. molokó ‘Milch’, lit. mal̃kas ‘Schluck’, s. Vasmer und Fraenkel s. vv. m. Lit.; auch WP. 2, 297 u. Pok. 724 (melq- ‘naß, Nässe’ [?]). II-202
μέλλαξ, -ακος m. ‘junger Knabe’ (Inschr. Alexandria, PMag. Par.), μέλακες· νεώτεροι H. Demin. μελλάκιον (Alexandria). — Hypokoristische Kurzform (nach μεῖραξ u. a.) von μελλ-έφηβος (hell. Inschr.), μελλ-είρην (Sparta) od.dgl.; vgl. noch μελλόνυμφος (S. usw.) u. a. — Chantraine Form. 379f. II-202
μέλλω (seit Il.), Aor. μελλῆσαι (Thgn., att. Prosa), Fut. μελλήσω (D. u. a.), ‘bestimmt sein, sollen, müssen; im Begriff sein, gedenken, Bedenken tragen. zögern, zaudern’ (zur Bed.-entw. Treu Von Homer zur Lyrik 131 m. A. 1, zum Augment ἠ- Debrunner Festschr. Zucker 101 f., 108). vereinzelt mit δια-, κατα-, ἀντι-. Als Vorderglied in μελλό-γαμος = μέλλων γαμεῖν (S. u. a.), μελλ-είρην ‘der im Begriff steht, εἰρήν zu sein’ (lakon.) u. a., s. Sommer Nominalkomp. 175 A. 1. — Zu dem hochstufigen Jotpräsens μέλλω (aus *μελ-ι̯ω, Schwyzer 715) wurden erst nachträglich außerpräs. Verbformen und nominale Ableitungen hinzugebildet. — Da der konkrete Begriffskern von μέλλω unbekannt bleibt, sind alle Erklärungsversuche hypothetisch. Alt (seit Froehde BB 3, 307) ist die Zusammenstellung mit lat. prō-mellere ‘litem promovere’ (Paul. Fest.), wozu nach Fick noch air. mall ‘langsam, träge’ (WP. 2, 291 f., Pok. 720, W.-Hofmann s. prōmellere). Nach Gray Lang. 23, 247 Denominativum zu *μέλος ‘concern, interest’ zu μέλω, lat. melior usw. Ganz anders Szemerényi AmJPh 72, 346ff. : zu μολεῖν ‘gehen’, wozu noch μέλος ‘Glied’, lat.mōlior ‘rnit Anstrengung in Bewegung setzen’ u. a. m. [?]. Ableitungen: μέλλησις ‘das Handelnwollen, die (bloße) Absicht, das Zögern, die Verzögerung’ (Th., Pl. Lg., Arist.), μέλλημα ‘Aufschub’ E., Aeschin. u. a., -ησμα PMasp.), μελλώ f. ‘das Zögern’ (A. Ag. 1356), μελλησμός ‘Verzögerung, Unentschlossenheit’ (Epikur., D. H. u. a.), auch ‘das Herannahen’, von einer Krankheit (Aret.); μελλητής m. ‘Zauderer’ (Th. 1, 70, Arist.; Fraenkel Nom. ag. 2, 72 m. A. 6), -τικός ‘zögernd’ (Arist. u.a.), μελλητιᾶν· τὸ μέλλειν H. (wie βινητιᾶν u. a., Schwyzer 732). II-202-203
μέλος n. ‘Glied’, in älterer Lit. nur pl. ‘Gliedmaßen’ (vorw. poet. seit Il.; vgl. Wackernagel Syntax 1, 88), ‘(gegliederte) Weise, Lied, Melodie’ (h. Hom. 19, 16, Thgn., Pi., ion. att.). Kompp., z.B. λυσι-μελής ‘gliederlösend’ (poet. seit Od.), auch mit Anspielung auf die μελεδήματα υ 57; s. Risch Eumusia. Festschr. Howald (1947) 87 f.; μελο-ποιός ‘Liederdichter’ mit -έω, -ία (att.), μελεσί-πτερος ‘mit singenden Flügeln’, von einer Zikade (AP; nach dem Typus ἑλκεσί-πεπλος, Schwyzer 443 f.). Ableitungen. 1. Deminutiva: μελύδριον ‘kleines Lied’ (Ar., Theok. u. a.), pl. -ια ‘arme Gliedmaßen’ (M. Ant.); μελίσκ(ι)ον ‘ds.’ (Alkm., Antiph.), s. Chantrame Form. 73 u. 406. 2. Adj. μελικός ‘melisch, lyrisch’ (D. H., Plu.). 3. Adv. μεληδόν ‘Glied für Glied’ (Poseidon. u.a.); zu μελ(ε)ϊστί s. unten. — 4. Verba : A. μελίζω 1. ‘zergliedern’, auch mit δια-, ἐκ-, ἀπο- (Pherekyd. Hist., LXX u. a.). 2. ‘singen, besingen’, auch mit δια-, ἀντι-(Pi., A. in lyr., Theok. u. a.). Davon μελισμός (δια-) ‘Zergliederung’ (Plu. u. a.), ‘Gesang’ (Str.), μέλισμα ‘Gesang, Melodie’ (Theok., AP); μελικτάς (Theok., Mosch.), -ιστής (Anakreont.) ‘Flötenspieler’; μελιστί ‘gliederweise’ (J.), ältere Form μελεϊστί (Hom. u. a.), wohl von *μελεΐζω, s. Bechtel Lex. s.v., Chantraine Gramm. hom. 1, 250, Risch 310; dazu Schwyzer 440 m. A. 10, 623. — B. μελεάζω ‘ein Lied vortragen’ (Nikom. Harm.). — Zur Doppelbed. ‘Glied’ und ‘Weise, Lied’ vgl. ir. alt ‘Glied’ und ‘Gedicht’ (s. noch Diehl RhM 89, 88 u. 92 f.). Im Sinn von ‘Glied’ ist μέλος durch synonyme Ausdrücke wie κῶλον, ἄρθρον verdrängt worden. — Nach der Struktur zu schließen alt (vgl. ἕδος, ἔπος, γένος u. a.), entbehrt μέλος jedenfalls einer unmittelbaren Entsprechung. Möglich ist indessen (mit Fick. 2, 215) der Vergleich mit einem kelt. Wort für ‘Knöchel’. bret. mell, korn. mal, pl. mellow, wozu noch kymr. cym-mal ‘articulus, iunctura, commissura’, das auf urkelt. *melsā zurückgehen kann und sich dann zu μέλος verhält wie z.B. aind. vats-á- ‘Kalb’ zu ϝέτος ‘Jahr’ (s. d.). Eine gutturale Erweiterung ist in toch. AB mälk- ‘zusammenlegen, zusammenfügen’, auch in heth.malk- ‘verwickeln, zusammenflechten (?)’ vermutet worden (v. Windekens Lex. étym. s.v. und Kronasser Studies Whatmough 121). — Anders, gewiß nicht vorzuziehen, Szemerényi AmJPh 72, 346ff.: zu μολεῖν, μέλλω usw. — Aind. márman- n. ‘weiche (tödliche?) Stelle des Leibes’ und balt., z.B. lit. melmuõ ‘Kreuz des Leibes, Rückgrat’, pl. mélmenys ‘die Nieren umgebende Fleischteile’, die von Fick 1, 109 u. 2, 215 mit μέλος verbunden werden, sind fernzuhalten; s. Porzig IF 42, 254f. und Fraenkel IF 59, 153ff (Wb. s. mélmenys). II-203-204
μέλπω, -ομαι (ep. lyr. seit Il.), nachhom. (ep. lyr.) Aor. μέλψαι, -ασθαι, Fut. μέλψω, -ομαι, ‘mit Gesang und Tanz feiern, singen, tanzen’ (ausführliche Behandlung von Bielohlawek WienStud. 44, 1ff., 125ff.). auch mit ἀνα-, μετα-, ἐπι-, Ableitungen: μέλπηθρα n. pl. ‘Spielzeug’ (Il.), μελπήτωρ, -ορος m. ‘Sänger’; μολπή f. ‘(Spiel mit) Gesang und Tanz’ (ep. lyr. seit Il.) mit μολπαῖος Beiw. von ἀοιδή (Erinn.), μολπηδόν ‘wie eine μ.’ (A. Pers. 389), μολπᾶτις f. (dor.) Apposition zu κερκίς ‘Sängerin’ (AP), μολπάζω ‘besingen’ (Ar. in lyr. u. a.), wovon μολπαστάς m. (dor.) ‘Sänger, Tänzer’ (AP), μολπάστρια = συμπαίκτρια H.; μολποί m. pl. Gilde der Sänger in Miletos mit μολπικοί ‘ds.’ (ab Va). — Ohne Etymologie. Wenn mit μέλος irgendwie zusammenhängend (z.B. Diehl RhM 89, 92 f.), ist jedenfalls von der urspr. Bed. ‘Glied’, nicht von der sekundären ‘Lied’ auszugehen. Weit ausgreifende Spekulationen bei Szemerényi Emer. 22, 169ff. Über die fragliche Zusammenstellung mit einigen kelt. Wörtern, z.B. air. -molor ‘ich lobe, preise’, kymr. mawl ‘Lob’ (Stokes IF 12, 191) s. WP. 2, 292. II-204
μέλω, 3. sg. μέλει μοι, μέλομαι, Fut. μελήσω, -σει, -σομαι (seit Il.), Aor. μελῆσαι, ἐμέλησε (att.), Pass. μεληθῆναι (S.u. a.), Perf. μέμηλα, -ε (ep. lyr. seit Il.), Med. μέμβλεται, -το (ep. seit Il., mit neuem Präsens μέμβλομαι [A. R., Opp.]), μεμέληκε (att.), μεμέλημαι (Theok., Kall. usw.) ‘besorgt sein, Sorge machen, (sich) kümmern, am Herzen liegen’; ἐπι-μέλομαι und -έομαι Schwyzer 721) ‘Sorge tragen, besorgen’, μετα-μέλομαι, μετα-μέλει μοι ‘bereuen, es gereut mich’ (ion. att.). — Neben dem hochstufigen thematischen Wurzelpräsens μέλω (Schwyzer 684) steht mit bemerkenswerter Dehnstufe das Perfekt μέμηλα (altertümlich; s. Specht KZ 62, 67 mit Schulze), wozu mit Schwundstufe und auffallendem thematischem Vokal die medialen μέμβλεται, -το für *με-μλ-ε- (Schwyzer 770 u. 768, Chantraine Gramm. hom. 1, 426 u. 432). Die η-Erweiterung in μελ-ή-σω (Schwyzer 782 f., Chantraine 1, 446) hat mit der Zeit das ganze Verbsystem erobert : μελῆ-σαι, -θῆναι, μεμέλη-κε, -μαι. — Ohne überzeugende Etymologie. Gegen die Verbindung mit μέλλω (z.B. Curtius 330f., Pok. 720, Hofmann Et. Wb.) WP. 2, 292, der die Zusammenstellung mit μάλα ‘sehr’, lat. melior ‘besser’ (Prellwitz, Brugmann Grundr.2 2 : 3, 459, Bq) erwägenswert findet. (W.-)Hofmann s. melior erinnert nach Loth Rev. celt. 41, 211 an kymr. gofal ‘Sorge’, diofal ‘ohne Sorge, ruhig’, dyfal ‘aufmerksam’. —Machek Studia in hon. Acad. d. Dečev 51 f. will μέλει μοι mit čech. mele mne ‘es verdrießt mich’ gleichsetzen. Ableitungen: 1 μέλημα n. ‘Besorgnis, Gegenstand der Sorge, Liebling’ (Sapph., Pi., A. u. a.), μελησμός ‘Sorge’ (EM). 2. μελέτωρ, —ος m. ‘Fürsorger’ = ‘Rächer’ (S. El. 846 [lyr.]); vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 10f., Benveniste Noms d’agent 32. —3. μελετάω ‘Sorge tragen, sorgen, sich bemühen, studieren, Redeübungen halten’ (seit Hes. und h. Merc.) neben μελέτη ‘Sorge, Fürsorge, Übung usw.’ (seit Hes.); wegen des Akzents (: γενετή, τελετή u. a.) wohl wenigstens teilweise Rückbildung wie z.B. ἀγάπη aus ἀγαπάω; anders z.B. Fraenkel Nom. ag. 2, 115 u. 152, Porzig Satzinhalte 246; zu den Deverbativa auf — (ε)τάω Schwyzer 705; davon μελετη-ρός ‘Übungen liebend’ (X. u. a.). Von μελετάω : μελέτ-ημα ‘Übung’ (att.), -ησις ‘ds.’ (AB). -ητικός ‘sorgend’ (LXX u. a.), -ητής m. ‘Redemeister’ (Aristid.), -ητήριον Übungsplatz’ (Plu.). — 4. μελε-δῶνες f. pl. (spät sg.) ‘Sorgen, Bekümmernisse’ (v. l. τ 517, h. Hom., Hes., Tngn.), auch μελη-δόνες, -δών ‘ds.’ (Simon., A. R. u.a.); -εδων- und -ηδον- beide metr. bedingt für -εδον-; μελεδῶναι pl. ‘ds.’ (v.l. τ 517, Sapph., Theok. u.a., sg. -ώνη Hp.); zu -ών : -ώνη Egli Heteroklisie 12; μελεδωνός m. f. ‘Wärter, -in’ (ion.; Fraenkel Nom. ag. 1, 234), -ωνεύς ‘ds.’ (Theok.; Boß- hardt 65). Dazu als Denominativum μελεδαίνω ‘besorgen, sich kümmern’ (ion. seit Archil.; Schwyzer 724; daneben μελε-ταίνω Argos VIa nach μελετάω) rnit μελεδήματα pl. = μελε-δῶνες (ep. poet. seit Ψ 62; nach νοήματα, Porzig Satzinhalte 187; vgl. noch Debrunner IF 21, 34), μελεδήμων ‘sich kümmernd’ (Emp., AP; nach νοήμων u. a., Chantraine Form. 173), μελεδ-ηθμός ‘Übung’ (Orac.); Rückbildung μελέδη f. ‘Fürsorge’ (Hp.; nach μελέτη). — Von ἐπι-μέλομαι: 1. ἐπιμελ-ής ‘Sorge tragend, besorgt, am Herzen liegend’ (ion. att.) mit verbaler Funktion des σ-Stamms (Schwyzer 513); davon ἐπιμέλεια ‘Sorge, Fürsorge, Aufmerksamkeit’ (att.); 2. ἐπιμελη-τής m. ‘Besorger, Verwalter’ u. a. m. Zu μετα-μέλομαι analogisch danach μεταμέλεια ‘Reue, Sinnesänderung’ (att.); auch (Rückbildung) μετάμελος ‘ds.’ (Th. 7, 55 u. a.). II-204-206
μέμβραξ, -ακος m. ‘Art Zikade’ (Ael.). — Bildung wie ἀσπάλαξ, κόραξ, ὕραξ und andere Tiernamen (Chantraine Form. 379). Wahrscheinlich als lautmalend zu βράζειν ‘brummen’ u. a. Andere derartige Bez. der Zikaden und Heuschrecken hei Strömberg Wortstudien 18. Nach Gil Emer. 25, 322 f. vorgriech. Vgl. μεμβράς. II-206
μεμβράς, -άδος f. ‘Art Sprotte’ (Kom., Arist. u. a.) μεμβρ-αφύα f. ‘Art Anchovis’ (Kom.). mit μεμβράδιον (Alex. Trall.); — Nebenform zu βεμβράς und viell. daraus dissimiliert; s. d. m. Lit. II-206
μέμνημαι ‘bin eingedenk’ s. μιμνήσκω. II-206
μέμνων, -ονος m. N. eines schwarzen Vogels (Ael., Q. S., Dionys.Av.); davon μεμνονίδες f. pl. ‘ds.’ (Paus. 10, 31, 6). Dazu μέμνων· ὁ ὄνος, μεμνόν<ε>ια· τὰ ὄνεια κρέα H., nach Poll. 9, 84 auch Ben. des betr. Marktes. — Die betreffenden Vögel wurden von antiken Gewährsmännern auf verschiedene Weise mit dem Grab des Memnon in Verbindung gebracht; s. Thompson Birds s. v. und Hitzig-Blümner zur Paus.-Stelle m. Lit. — Im Sinn von ‘ὄνος’ handelt es sich um eine appellativische Verwendung des PN Μέμνων als "der Standhafte" (s. μένω), wegen der sprichwörtlichen Trägheit des Esels (vgl. Λ 558ff.); dazu Schulze Kl. Schr. 699 m. A. 1. Vgl. zu ἀλέκτωρ (s. ἀλεκτρυών), καλλίας, Κάστωρ; dazu Schrader-Nehring Reallex. 1, 2311 mit weiteren Beispielen desselben Vorgangs. II-206
μέμονα, pl. μέμαμεν ‘im Sinne haben, gedenken, streben’ (ep. lyr. seit Il.). — Altes Zustandsperfekt, bis auf die Personalendung mit lat. meminī ‘sich erinnern’ identisch, idg. *mé-mon-a (-ai); ohne Reduplikation germ., z.B. got.man ‘meinen, glauben’, ga-man ‘sich erinnern’. Daneben mit Schwundstufe μέ-μα-μεν aus *mé-mn̥-me wie got. pl. mun-um; volle Identität kann vorliegen zwischen Ipv. με-μά-τω und lat. me-men-tō, idg. *mé-mn̥-tōd. Anal. Schwundstufe im Ptz. με-μα-ώς, pl. με-μα-ῶτες und (metr. Dehnung) με-μᾱ-ότες; weitere Einzelheiten bei Schwyzer 769, 540 A. 4, 541, Chantraine Gramm. hom. 1, 100; 425, 430 f.; zu μέμονα: man usw. auch Fraenkel Lexis 2, 196 f. — Ein Präsens mit abweichender Bed. ist μαί-νομαι, ein anderes μιμνήσκω; dazu das alte Verbalnomen μένος und die Zusammenbildung αὐτό-μα-τος, s. dd. mit weiteren Anknüpfungen aus verschiedenen Sprachen nebst Lit. — Über das angebliche ἐμμεμαώς (Hom.), wozu ἐμμέμονεν (S. Tr 982, lyr.), s. Leumann Hom. Wörter 52. II-206-207
μεμόριον, auch μημόριον, μνημόριον n. ‘Denkmal, Grabmal’ (Inschr. d. Kaiserz.). — Kreuzungen von μνημεῖον und lat. memoria, woraus wieder lat. memorium. Kretschmer Glotta 11. 97, W.-Hofmann s. memor, memoria m. Lit. II-207
μέμφομαι, Fut. μέμψομαι, Aor. μέμψασθαι, μεμφθῆναι, ‘tadeln, vorwerfen, unzufrieden sein, sich beklagen’ (seit Il.), ‘anklagen’ (Gortyn; Bechtel Dial. 1, 391). auch mit Präfix, bes. ἐπι-, κατα-, Ableitungen: 1. (ἐπί-, κατά-)μέμψις ‘Tadel, Vorwurf, Beschwerden (att. seit A.; Holt Les noms d’action en -σις 125 A. 3); als Vorderglied im verbalen Rektionskomp. μεμψί-μοιρος ‘das Schicksal tadelnd’ (Isok., Arist. usw.). 2. (ἐπι-)μομφή ‘ds.’ (poet. seit Pi., Ep. Kol. 3, 13), μόμφος m. ‘ds.’ (E. Fr. 633, Mantinea Va); ἐπί-, κατά-μομφος ‘dem Tadel ausgesetzt, tadelhaft, tadelnd’ (A., E.), Hypostasen aus ἐπὶ, κατὰ μομφῆς oder Bahuvrihi; auch ἐπιμεμφ-ής ‘tadelhaft’ (Nik., AP), ἰμμεμφ-ής ‘der Klage unterworfen’ (Mantinea Va), von ἐπι-, ἐμ-μέμφομαι mit Anschluß an die σ-Stämme (Schwyzer 513), Gegensatz ἄ-μομφος (A.), ἀ-μεμφής (Pi., A. u.a.) mit ἀμεμφ-ία (A., S., vgl. Schwyzer 469). — 3. μέμφειρα f. = μέμψις Telekl. Kon... 62), wohl personifiziert nach πρέσβειρα, κτεάτειρα u. a. (Schwyzer 474 A. 3). 4. μεμφωλή = μέμψις (H., Suid.). — Eine auffallende Ähnlichkeit zeigt das isolierte got. bi-mampjan ‘verspotten, verhöhnen’ (Ev. Luk. 16, 14) mit abweichendem p (ganz unsicherer Erklärungsversuch bei Specht Ursprung 261 A. 2); herangezogen werden auch (von Stokes, Fick) einige keltische Wörter für ‘Schimpf, Schande’, die indessen den inneren Nasal vermissen lassen, z.B. air. mebul ‘Schande’. Wohlbegründeter Zweifel u.a. bei WP. 2, 261 f. m. Lit., Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. v. (m. Lit.). II-207
μέν hervorheb. Partikel s. 1. μήν. II-207
μενεαίνω, μενοινάω s. μένος. II-207
μενθήρη f. ‘φροντίς, μέριμνα’ (Panyas. 12 [?], H.,EM, Suid.) mit μενθηριῶ· μεριμνήσω, διατάξω H., ἀ-μενθήριστος = ἀφρόντιστος, ἀμέριμνος (Timo 59; codd. ἀπ-). — Vielleicht mit suffixalem -ήρη (vgl. μέρμηραι, -ρίζω) zu μανθάνω; s. d. Vgl. μοῦσα. II-207
μένος n. ‘Geist, Mut, Wut, Kraft, Drang’ (seit Il.; vorw. poet.). Kompp., z.B. δυσ-μενής ‘übelgesinnt, feindselig’ (seit Il.) mit δυσμέν-εια, -ίη, -αίνω u. a.; metr. Erweiterung δυσμενέων, -έοντες (Od.; Leumann Hom Wörter 116 A. 83); ἀ-μενής ‘kraftlos’ (E. in lyr.); dazu die PN ’Αμενέας, ’Αμενίσκος und (mit unerklärtem -νν-) ’Αμεννάμενος? (Bechtel, Namenst. 6 f.); zu ἀμενηνός s. bes.; PN wie Κλεο-μένης; als Vorderglied in μενο-εικής ‘dem Geist angemessen, herzerfreuend, reichlich’ (Hom.). Zu μένος gehören zwei Verba mit eigenartiger Bildung: 1. μενεαίνω, -ῆναι ‘heftig verlangen, wüten’ (ep. seit Il.); wohl mit analog. -αίνω vom unkontrahierten μένε-ος usw. (Fraenkel Nom. ag. 1, 54 A. 2 u. 2, 211, Schwyzer 440; vgl. κτερε-ΐζω, μελε-ϊστί); anders Solmsen Wortforsch. 51 A. 2, Chantraine Mél. Pedersen 205ff. (von *μενέ[σ]-ων; aber δυσ-μενέων ist anders zu erklären, s. oben); vgl. zu βλεμεαίνω. —2. μενοινάω (ep. -ώω), -ῆσαι ‘im Sinne haben, vorhaben, wünschen, begehren’ (vorw. ep. lyr. seit Il.) mit μενοινή f. ‘Vorhaben, Begehren’ (Kall., A. R., AP; wohl Rückbildung); Entstehung dunkel; ganz unsichere Hypothese von Solmsen Wortforsch. 51 f. (von *μενώ f.; vgl. Μενοίτης, -οίτιος, die aber gewiß zu οἶτος ‘Schicksal’ gehören); nicht besser Brugmann IF 29, 237f., 12, 152, Wiedemann BB 28, 51, Specht Ursprung 167. — Als altes Verbalnomen mit aind. mánas- n., aw. manah- n. ‘Geist, Gedanke, Wille, Streben’ identisch, idg. *ménos n.; dazu apers. Haxā-maniš m. PN eig. "der den Sinn eines Freundes hat", ‘freundlich gesinnt’ (gr. ’Αχαιμένης; s. d.). Adj. δυσ-μενής = aw. duš-manah- ‘übelgesinnt’, aind. (ep. klass.) dur-manas- ‘betrübt’; εὐ-μενής : aind. su-mánas- ‘wohlgesinnt’. Aber lit. mẽnas m. ‘Gedächtnis’ ist Neubildung zu menù ‘sich erinnern’ (vgl. Fraenkel s. v.). — Ein zugehöriges Zustandsperfekt ist μέμονα (s.d.), vgl. γένος : γέγονα; dazu mit abweichender Bed. das Präsens μαίνομαι (s. d.). Zu μένος: μαίνομαι vgl. Z 100f. (von Achilleus): ἀλλ’ ὅδε λίην | μαίνεται, οὐδέ τίς οἱ δύναται μένος ἰσοφαρίζειν (Porzig Satzinhalte 34). Mit anderer Bildung z.B. lat. mēns, -tis f. ‘Sinn’ = aind. ma-tí- ‘ds.’ usw.; idg. *mn̥-tí- f.; vgl. gēns neben genus = γένος. — Weiteres s. μιμνήσκω; vgl. auch zu μένω. II-208
μέντοι postposit. Partikel ‘allerdings, jedoch, indessen’ (ion. att.). — Aus μέν (s. 1. μήν) und dem Dat. τοι ‘tibi’ (getrennt noch Hom.). Hellenist. μέντον ‘ds.’ nach ἔνδοι· ἔνδον (s. d.). — Schwyzer-Debrunner 581 f.; auch Fraenkel Phil. 97, 161 m. Lit. II-208
μένω (seit Il.), auch μίμνω (ep. poet. seit Il.), erweitert μιμνάζω (ep. seit Il.), Fut. μενέω (ep. ion.), att. μενῶ, Aor. μεῖναι (seit Il.), Perf. μεμένηκα (att.), ‘bleiben, verbleiben, warten, erwarten, standhalten’. sehr oft m. Präfix, z.B. ἐν-, ἐπι- κατα-, παρα-, ὑπο-. Oft als Vorderglied in Rektionskompp., z.B. μενε-χάρμης ‘im Kampf standhaltend’ (Il.; Trümpy Fachausdrücke 167), auch -ος (Il.; Sommer Nominalkomp. 27); PN Μενέ-λαος, -λεως (seit Il.). Davon (ἐν-, ἐπι-, κατα-, παρα-, ὑπο- usw.) μονή ‘das Bleiben, der Aufenthalt usw.’ (ion. att.) mit (παρ(α)-)μόνιμος ‘bleibend, standhaltend usw.’ (Thgn., Pi., ion. att.; Arbenz 39, 42ff.); μονίη ‘Beständigkeit’ (Emp.), ‘das Standhalten’ (Tyrt.), wohl mit Porzig Satzinhalte 214f. nach καμ-μονίη ‘Ausdauer’ (s.d.); (ἔν-, παρ(ά)-, ἐπί- usw.)-μονος ‘bleibend, ausdauernd’ (Pi., att. usw.; von ἐμ-μένω usw.). — μένημα n. ‘Aufenthaltsort, Raum’ (Pap. VIp). —μενετός ‘zum Warten geneigt’ (Th., Ar.; vgl. Ammann Μνήμης χάριν 1, 22). — Für sich steht Μέμνων (Hom. usw.; sekundär Appellativum, s. d.), als "der Standhafte, Ausharrende" verstanden, aber wohl aus *Μέδ-μων; vgl. zu ’Αγα-μέμνων m. Lit., dazu Schwyzer 208. — Ein iteratives Deverbativum ἐπι-μηνάω ist erhalten in dem Perf. ἐπιμεμηνάκαντι (Del.3 91, 11; Argos IIIa); vgl. unten. — Das themat. Wurzelpräsens μένω, woneben das reduplizierte μί-μν-ω (Schwyzer 690), dient als Grundlage des ganzen griech. Systems (Perf. με-μέν-η-κα ist Neubildung; vgl. unten). Eine genaue Entsprechung außerhalb des Griech. ist nicht anzutreffen. Zum iterativen ἐπι-μηνάω stimmt dagegen arm. mnam ‘bleiben, erwarten’ aus *mēnā- wie lat. cēlāre ( : oc-culere; s. καλύπτω), sēdāre (:sīdere; s. ἕζομαι). Auch *monā- ist als Grundform denkbar wie πωτάομαι neben πέτομαι (Schwyzer 719). Andere Sekundärbildungen sind lat. manēre (mit reduziertem Stammvokal; -ē- nicht mit με-μέν-η-κα gleichzusetzen), iran., z.B. aw. Kaus. mānayeiti ‘er zwingt zum Bleiben’. Sicher hierhergehörige primäre Eildungen bietet nur noch das Aind. in den reduplizierten athematischen ma-man-dhi (Ipv.), ma-man-yāt (Opt.), á-ma-man (Ipf.) ‘warten, still stehen’ (nur RV. 10, 27; 31; 32). — Ganz fraglich ist der Vergleich mit heth. mimmai ‘er weigert sich, weist zurück’ (aus *mi-mnā- zu μίμνω?? Pedersen Hittitisch 121); hypothetisch die Heranziehung von toch. AB mäsk- ‘sich befinden, sein’ (Meillet JournAs. 1911 : 1, 456, Fraenkel IF 50, 221 A. 5). — Ein isoliertes Verbalnomen wird endlich in kelt., z.B. air. ainme ‘Geduld’ (aus *an-men-i̯ā?) vermutet. — Über die Versuche men- ‘bleiben, stillstehen’ und men- ‘denken’ (in μέμονα, μένος usw.) zu identifizieren (eig. ‘sinnend dastehen, verharren’ o. ä.?) s. WP. 2, 267 (Pok. 729) und W.-Hofmann s. maneō m. Lit. Wichtige Einzelheiten auch bei Ernout-Meillet s. maneō. II-208-209
μέριμνα f. ‘Sorge, Besorgnis’ (h. Merc., Hes., Sapph., Emp., Pi., Trag., Ar. usw., selten in der Prosa; urspr. ionisch?, Solmsen [s.u.], v. Wilamowitz BerlAkSb. 1909, 810A. 1, Fraenkel Nom. ag. 2, 36); Kompp., z.B. ἀ-μέριμνος ‘ohne Sorge’ (S., hell. u. sp.) mit ἀμεριμν-ία ‘Sorglosigkeit’ (Plu. u.a.) usw. Daneben μεριμνάω, -ῆσαι ‘Sorge tragen, sorgen, bedacht sein’ (S., Ar., X., D. usw.) mit μεριμν-ήματα, dor. -άματα pl. ‘Sorgen’ (Pi., S.), -ητής m. ‘für etw. sorgend’ (E.), -ητικός (Artem., Sch.). — Der allgemein vertretenen und an sich naheliegenden Ansicht, μέριμνα sei eine Rückbildung von μεριμνάω (vgl. ἐρευνάω: ἔρευνα usw., dazu Solmsen Wortforsch. 39 f., 258), sind weder das Alter noch die Verbreitung der Belege günstig. In formaler Hinsicht kommt am nächsten μέδιμνος (s. d.); als Grundlage scheint ein Nomen *μερ-ί-μων oder *μέρ-ι-μα gedient zu haben; zur unklaren Lautentwicklung Schwyzer 352 u. 283 m. Lit. Verfehlte Analyse von Winter Lang. 26, 533. Das davon vorauszusetzende primäre Verb existiert in aind. smárati, aw. maraiti, paiti-šmaraiti, hi-šmar- ‘sich erinnern, gedenken’. — Verwandte Bildungen sind μέρμερος, μέρμηρα, -ίζω; s. dd., wo auch weitere Anknüpfungen. II-209
μέρμερος ep. poet., bei Hom. (nur Il.) immer n. pl. μέρμερα als Beiwort von ἔργα, auch als Objekt zu ῥέζειν, μητίσασθαι, nachhom. von κακόν, βλάβη usw. (E., Lyk., Nik.), auch von Personen und Tieren (Pl. Hp. Ma., Plu., Opp.); erweit. μερ-μέριος (Them.). — Konventionelles Epithet unklarer Grundbed. (nach H. μέρμερα = χαλεπά, δεινά, φροντίδος ἄξια); offenbar intensive Reduplikationsbildung, wodurch Anknüpfung an μέρ-ιμνα u. Verw. nahe gelegt wird. Eig. Bed. somit ‘Sinnen, Sorgen verursachend’, woraus ‘kummervoll, furchtbar’ od. ä. (?), von Personen ‘(viel) sinnend, sorgend’; auch als PN (Apollod., Paus. u. a.). Daneben μέρμηραι f. pl. ‘Sorgen, Besorgnisse’ (Hes. Th. 55, Thgn. 1325, auch IG 14, 1942 [sp. Versinschr.]), μερμηρίζω, -ίξαι, -ίξω ‘sorgen, sinnen, ersinnen, überlegen, zaudern’ (Hom.; vgl. Ruijgh L’éIém. ach. 87); auch μερμαίρω (Suid., H., Phot. [codd. auch -μέρω]); zu ἀπο-μερμηρίσαι ‘die Sorgen vergessen’ (Ar. V. 5, D. C.) s. Ruijgh ebda. — Die Länge in μέρ-μηρ-αι gegenüber μέρ-μερ-ος dürfte aus μερμηρίζω stammen, wo sie vom Metrum bedingt war; das seltene μέρμηραι ist wohl somit aus dem Verb rückgebildet, das seinerseits für *μερμερίζω eintrat, u. zw. entweder als Denominativum von μέρμερος oder als Erweiterung auf -ίζω von einem primären Intensivum (vgl. Schwyzer 647 u. 735). —Zu μέριμνα wurde auf das primäre thematische Wz.-verb aind. smárati, aw. maraiti ‘sich erinnern’ (mit dem reduplizierten hi-šmar-) hingewiesen; hinzu kommen, mit gebrochener Reduplikation, arm. mormok‘ ‘Bedauern, Mißvergnügen, Kummer, Leid’ und das ebenfalls reduplizierte lat. me-mor ‘eingedenk’, wozu wohl noch mora ‘Verzug’. Weitere, z.T. fragliche Verwandte aus dem. Germ. u. Kelt., für das Griech. ohne Belang, bei WP. 2, 689f., Pok. 969f., W.-Hofmann s. memor (m. reicher Lit.). Hypothetische Heranziehung von den PN Ἴσμαρος und Μάρων bei Kretschmer Glotta 29, 96 f. Fern bleibt lit. merė́ti ‘sorgen’, s. Fraenkel Gnomon 22, 237. — Vgl. noch μάρτυς und μείρομαι. II-210-211
μέρμις, -ῑθος , Dat. pl. -θαις (Agatharch. 47); Akk. sg. -θον (H.), Nom. -θος (Zonar.). f. ‘Band, Schnur’ (κ 23, D. S. 3, 21) — Bildung wie ἕλμις (μέρμινθα v. l. D. S. l. c. wie ἕλμινθος usw.), ὄρνις γέλγις u. a. (Schwyzer 510, Chantraine 366). Weitere Analyse unsicher; ein suffixales -μι- (mit θ-Erweiterung) ist möglich; gebrochene Reduplikation kommt auch in Betracht. Ein primäres Verb mer- ‘fiechten, binden’ (WP. 2, 272 u. Pok. 733) ist nirgends belegt; Ausläufer davon werden sowohl in μηρύω wie in βρόχος und μάραθ(ρ)ον (s. dd.) vermutet. Für fremde (vorgr.) Herkunft Chantraine a.a.O., v. Windekens Le Pélasgique 121 f., Deroy Glotta 35, 191ff. II-211
μέρμνος (-ης H.) m. Falkenart (Kall., Ael.). — Herkunft unbekannt; vgl. indessen die lyd. Dynastie Μερμνάδαι und Neumann Heth. und luw. Sprachgut 70. II-211
μέροπες, -ων, -εσσι pl. Beiwort von ἄνθρωποι (Hom.), βροτοί (Β 285), danach von λαοί (A. Supp. 90 [lyr.]) und, als Subst., = ἄνθρωποι (Trag., hell. u. sp. Dichtung), μεροπήϊος ‘menschlich’ (Man., Opp.), μεροπο-σπόρος ‘Menschen erzeugend’ (Man.); auch = οἱ ἄφρονες ὑπὸ Εὐβοέων (Gloss. Oxy. 1802, 48). Dazu als VN (Pi. u. a.) und als N. eines Vogels (Arist., Plu.); vgl. unten. — Bedeutung, mithin auch Herkunft unbekannt. Zahlreiche Hypothesen, wobei allerhand idg. Anknüpfungen probiert wurden: ‘der ein denkendes Aussehen hat’ (zu μέρμερος u. Verw.; Bechtel Lex. s.v. mit Fick BB 26, 239); ‘der das Aussehen eines Sterblichen hat’ (zu βροτός, morior usw.; Bréal MSL 13, 105); ‘der auf den Tod blickt’ (Runes IF 52, 216f.); ‘mit leuchtendem Antlitz’ (zu μαρμαίρω. lat. merus; Tucker Class Quart. 16, 102, Ribezzo RIGI 11,238); ‘dont les yeux scintillent’ (Carnoy, z.B. Beitr. z. Namenforsch. 7, 121; ebenso im Gestirnnamen Μερόπη, worüber Scherer 123 [Reimbildung neben ’Αστερόπη], und in Μέροψ); ‘der Geifer’ = ‘Räuber’. bzw. ‘der Begreifer’ (zu μάρπτω; Fick KZ 20, 172); ‘artikuliert sprechend’ ("διὰ τὸ μεμερισμενην ἔχειν τὴν ὄπα, ἤγουν τὴν φωνήν" H.). Noch anders Chantraine Mél. Cumont 121ff.: Deckwort für γηγενής ‘erdgeboren’ nach dem Vogel μέροψ ‘Bienenfresser’, der seine Eier in Erdhöhlen legt; dagegen Leumann Hom. Wörter 214A. 8; s. auch BSL p. XIV (Diskussionsreferat). Der Vogel wurde vielmehr nach den in Erdhöhlen wohnenden Μέροπες von Kos benannt. —Zu den Tier- und Völkernamen auf -οψ (-ωψ) wie δρύοψ, Δρύοπες, πάρνοψ, Δόλοπες usw. Schwyzer 426 m. A. 4, Chantraine Form. 259. II-211-212
μέρος n. ‘Teil, Anteil, Abteilung, Reihe, Rang’ (h. Hom., Thgn., Pi., ion. att.); vereinzelt als Vorderglied, z.B. μερ-άρχης m. ‘Verteilungsbeamter’ (att. Inschr.), ‘Befehlshaber eines militärischen Verbands’ (hell. u. sp.), sehr oft als Hinterglied, z.B. πολυ-μερής ‘aus vielen Teilen bestehend’ (Ti. Lokr., Arist. usw.). Davon (s. auch zu μερίζω unten) μερίς, -ίδος f. ‘Teil, Zuteilung, Beitrag, Ackerlos, Distrikt, Partei’ (att., hell. u. sp.; zur Bed. gegenüber μέρος Chantraine Form. 345) mit μερίδ-ιον (Arr. u. a.); als Vorderglied u. a. in μεριδ-άρχης m. ‘Distriktsvorsteher’ (Pap., LXX u. a.). — Von μέρος auch: μερίτης m. ‘Teilnehmer, -haber’ (D., Plb. usw.; Fraenkel Nom. ag. 2, 211, Redard 43) mit μεριτικός ‘zum με-ρίτης gehörig’ (Lyd. u. a.), (συμ-)μεριτεύω, -ομαι ‘(unter sich) verteilen’ (LXX, Pap.), wozu μεριτεία ‘Verteilung von Besitz’ (Pap.); μερικός ‘den Teil betreffend, individuell, speziell’ (Aristipp. ap. D. L. usw.) mit -κεύω ‘als individuell betrachten’ (Steph. in Rh., Eust.); μερόεν· μεριστικόν H.; μέρεια od. -εία in ἐν τᾶι μερείᾱι (Tab. Herakl.; vgl. Schwyzer 469). — Denominativum (zunächst von μέρος, aber auch auf μερίς beziehbar; letzteres z.T. postverbal?): μερίζω, dor. -ίσδω, auch mit Präfix wie ἐπι-, δια-, κατα-, ‘(zu)teilen’, Med. ‘unter sich verteilen, sich teilen, entzweien’ (ion. att., Theok., Bion) mit (ἐπι-, κατα- usw.) μερισμός ‘Verteilung’ (Pl., Arist. usw.), μέρισμα ‘Teil’ (Orph.), κατα-, ἀνα-μέρισις ‘Ver-, Zerteilung’ (Epikur. u. a.), (συμ-)μεριστής ‘Verteiler’ bzw. ‘Miterbe’ (Ev. Luk., Pap.), f. -ίστρια (Sch.). — Verbalnomen zu μείρομαι ‘sein Anteil nehmen’ (s. d.), Perf. ἔμμορε ‘ist teilhaft’; eine Vermutung über νέμος (zu νέμω ‘verteilen’ gezogen) als Vorbild bei Porzig Satzinhalte 264; die neutralen σ-Stämme mit ε-Vokal waren ja überhaupt sehr produktiv (Schwyzer 512). II-212
μέσαβον (-ος? Hes. Op. 469 im Gen. pl. -ων), pl. μεσσαβα (Kall.); μεσάβοιον, v.l. -ό- (Poll. 1, 252) n. ‘Riemen, der den Pflugbaum an die Mitte des Jochs festband’; davon μεσσαβόω ‘anspannen’ (Lyk.). — Hypostase aus (ἐν) μέσῳ βοῶν ‘mitten zwischen den Ochsen befindlich’ mit thematischer Umbildung wie in ἑκατόμ-βη (μεσάβοιον nach ἐννεάβοιον u.a.); allerdings mit unerklärtem -α- für -ο-. Somit μεσα- für μετα- (μετὰ βοῶν)? fragend Schwyzer 438 A. 4; morphologisch einwandfrei. II-212-213
μέσακλον (LXX 1 Ki. 17, 7; vv. ll. -κνον, -άντιον), -κμον (H.), -τμον (Suid.) n. ‘Kettenstab’. — Unerklärt; vgl. Blümner Technologie 1, 149 m. A. 6. II-213
μεσημβρία (att.seit A.), -ίη (Archil., Hekat.), μεσαμβρίη (Hdt.) f. ‘Mittag’, als Himmelsgegend ‘Süden’. Davon μεσημβρινός (att. usw.), dor. (Theok.) μεσαμβρινός ‘mittägig, südlich’ (nach den Zeitadj. auf -ινός; vgl. Risch Mus. Helv. 2, 17); μεσήμβριος ‘südlich’ (Ruf. ap. Orib.), f. μεσημβριάς (Nonn.); auch (nach dor. ἀμέρα) τὸ μεσᾱμέριον ‘am Mittag’ (Theok.). Denominativa: μεσημβρ-ιάζω (Pl. u.a.), -ίζω (Str.), Ptz. -ιάων, -ιόων (AP, A. R.) ‘den Mittag zubringen, die Mittagshöhe passieren’, von Sonne und Sternen. — Abstraktbildung auf -ία von μέσον ἆμαρ oder von einem (vorschwebenden) Adj. urgr. *μέσ-ᾱμ(β)ρ-ος, -ιος ‘zur Mitte des Tages gehörig’ zur Schwundstufe von ἆμαρ ‘Tag’; davon mit urgr. Kürzung μεσ-ᾰμβρ-ία, -ίη (Schwyzer 279) und, mit analogischem η nach ἦμαρ, ἡμέρα, μεσ-ημβρ-ία. II-213
μέσκος · κώδιον, δέρμα. Νίκανδρος (Fr. 119) H. — Orientalisches LW, vgl. aram. meškā, assyr. mašku, apers. maškā, mp. arm. mašk ‘Fell, Haut, weiches Leder’ usw. Lewy Fremdw. 131, Justi IFAnz. 17, 125. Dazu πέσκος (s. d.) durch Kreuzung mit πέκος (Güntert Reimwortbildungen 145 f.)? II-213
μεσόδμη (Od., Hp., Q. S.), μεσόδμᾱ (Delph. IVa), μεσόμνη (att. Inschr.; zum Lautlichen Schwyzer 208) f. ‘Mittelbalken, Querbalken’, von Wand zu Wand eines Gebäudes oder von Bord zu Bord eines Schiffs, in den der Mast eingelassen wurde (Einzelheiten bei Bechtel Lex. s. v.). — Eig. "was zur Mitte des Hauses gehört", Zusammenbildung von μέσος und der schwundstufigen Form des in δεσπότης und δάπεδον (s. dd.; vgl. noch zu δόμος) vorliegenden Wortes für ‘Haus’, δεμ-, δμ-, mittels eines ᾱ-Suffixes: μεσό-δμ-ᾱ wie *ἑκατόμ-βϝ-ᾱ (J.Schmidt Pluralbild. 221f., Schwyzer 425 u. 449). Vom Hausbau wurde der Ausdruck auf den Schiffsbau übertragen. Oft wird das Hinterglied -δμη direkt auf δέμω ‘bauen’ als schwundstufiges Wurzelnomen (vgl. νέο-δμᾱ-τος, δέ-δμη-μαι) bezogen ("Mittelbau"); so Prellwitz BB 17, 172, Persson Beitr. 648, Hermann Gött. Nachr. 1943, 7; vgl. noch Benveniste BSL 51, 18. Sommer Nominalbild. 76 läßt die Frage unentschieden. II-213-214
μέσος, ep. lyr. äol. μέσσος, kret. böot. μέττος. Steigerungsformen: μεσαί-τερος, -τατος (ion. att.; nach παλαίτερος u.a.; Schwyzer 632), μέσ(σ)ατος (Il., Ar. u.a.; nach ἔσχατος usw.), μεσσάτιος (Kall. u. a.; wie ἐσχάτιος), μεσάτιον N. eines Riemens (Poll.; vgl. μέσαβον); μεσσότατος (A. R., Man.). ‘in der Mitte befindlich. mittlerer’, von Raum, Zeit, Größe usw., τὸ μέσον ‘die Mitte’ (seit Il.). Sehr oft als Vorderglied, z.B. μεσόδμη, μεσημβρία, μέσαβον (s. bes.); auch μεσαι-πόλιος ‘halbgrau, ergrauend’ (Ν 361 u. a.; vgl. z.B. μεσό-λευκος) wie μεσαί-τερος, nicht lokativisch, sondern metrisch bedingt (Schwyzer 448 m. Lit.). Ableitungen, auch Adjektiva, teils stilistischformal erweitert, teils von (τὸ) μέσον ausgehend: 1. μεσήεις = μέσος (Μ 269; metrische Erweiterung am Versende (nach τιμήεις, τελήεις?), Risch par. 56e; s. noch Debrunner ’Αντίδωρον 28 f. 2. μεσ(σ)ήρης = μέσος (E. in lyr. u. anap., Eratosth.; nach ποδήρης u. a.). 3. μεσαῖος = μέσος (Antiph.; wie τελευταῖος). 4. μεσάδιος ‘zentral’ (äol. nach Sch. D.T.; nach διχθάδιος u. a., vgl. auch μεσάζω). 5. μεσίδιος ‘in der Mitte befindlich, vermittelnd’ (Arist.); μεσίδιον n. ‘bei einem Mittler hinterlegtes Gut’ mit -ιόω ‘eine Hinterlegung machen’ (Pap. u. Inschr.). — 6. μεσίτης m. ‘Vermittler, Mittler. Schiedsrichter’ (Redard 25 f., 260 A. 1) mit -ιτεύω ’μ. sein, ausgleichen’, auch ‘verpfänden’ (Plb., Pap., NT usw.), -ιτεία ‘Vermittlung, Ausgleichung, Verpfändung’ (J., Pap. u. a.). 7. μέσης m. ‘Wind zwischen ἀπαρκτίας und καικίας’ (Arist.; Schwyzer 461, Chantraine Form. 31), auch μεσεύς = καικίας (Steph. in Hp.). — 8. μεσότης, -ητος f. ‘Mitte, Mittelmaß, Mäßigung’ (Pl., Arist. u. a.). — 9. μεσακόθεν Adv. ‘inmitten, zwischen’ (Arkad. IVa), < -αχόθεν nach πανταχόθεν u. a. (Thurneysen Glotta 12, 146, Schwyzer 630); nicht mit Bechtel Gött. Nachr. 1920, 244 (zögernd) zu got. *midjungain midjun[ga]gards. — Denominative Verba: 1. μεσόω ‘die Mitte bilden, in der Mitte sein’ (ion. att.); 2. μεσεύω ‘die Mitte halten, sich neutral verhalten’ (Pl. Lg., X., Arist.); 3. μεσάζω = μεσόω (LXX, D.S. u. a.). — Zu μεσσηγύς s. bes. — Altes lokales Adj., mit aind. mádhya-, lat. medius, germ., z.B. got. midjis, ahd. mitti u. a. m. formal und begrifflich identisch, idg. *médhi̯os ‘in der Mitte befindlich’. Weitere Formen aus verschiedenen anderen Sprachen mit reicher Lit. bei WP. 2, 261, Pok. 706f., W.-Hofmann s. medius, Mayrhofer s. mádhyaḥ, Feist Vgl. Wb. s. midjis, Fraenkel Lit. et. Wb. s. mẽdis, Vasmer Russ. et. Wb. s. mežá. Vermutung über die Vorgeschichte (Adjektivierung eines Adverbs *médhi?; vgl. μετά) auch bei Schwyzer 461 u. 627. II-214-215
μέσπιλον -ίλη f. (Thphr.) n. (Archil.,Hp.,Amphis, Dsk. usw.), ‘Mispel, -baum. Mespilus germanica’, auch ‘Dorn, Crataegus (orientalis, oxyacantha’, Thphr.). — Fremdwort unbek. Herkunft. vgl. Schrader-Nehring Reallex. 2, 65, Lewy Fremdw. 52. Abzulehnen Carnoy REGr. 71, 9 6 f. Lat. LW mespilum, -a (vgl. W.-Hofmann s. v.), woraus ahd. mespila usw. Aus μέσπιλον, -α osman. mušmula, davon ngr. τὸ μούσμουλο ‘Mispel’ (Maidhof Glotta 10, 15). II-215
μέσσαυλος (-ον) s. μέταυλος. II-215
μεσσηγύ(ς), auch μεσηγύ(ς) Adv. ‘dazwischen, inzwischen’ (ep. poet. seit Il., auch Hp., Eratosth.). — Zum fakultativen -ς Schwyzer 404 u. 620. Die Ähnlichkeit mit ἐγγύς springt in die Augen, ob wegen gemeinsamen Ursprungs oder wegen Analogie (Risch ̨ 126 a), steht dahin. Nach Pisani Ist. Lomb. 73: 2, 47 zu βαίνω als "qui medius it" (?); ebenso über ἐγγύς und πρέσβυς (s. dd.). Auch im übrigen gehen die Erklärungsversuche parallel (s. Bq). Unwahrscheinlicher Versuch, μεσσηγύς und ἐγγύς mit ξύν zu verbinden, von Sánchez Ruipérez Emer. 15, 61 ff. II-215
μεστός ‘voll, angefüllt, gesättigt, satt’ (ion. att.), auch mit ἀνα-, ἐν-, ἐπι- u. a. in verschiedenen Sinnfärbungen, zunächst nach ἀνάπλεος usw., auch Rückbildung von ἀνα-μεστοῦσθαι denkbar (vgl. Strömberg Prefix Studies 91 u. 117). Davon μεστόομαι, -όω, auch mit ἀνα-, δια-, ἐν-, κατα-, ‘angefüllt werden, anfüllen’ (Kom., S., Pl. Lg., Arist.) mit den sp. u. seltenen μέστωσις ‘Anfüllung, Sättigung’, -ωμα ‘Fülle’. Auch μέσμα· μέστωμα H.; alte, von μεστός unabhängige Primärbildung? — Unerklärt. Von Fick 1, 507, Johansson IF 2, 35 u. a. mit μαδάω ‘triefen’, μέζεα, μήδεα ‘männliche Schamteile’ usw. verbunden, wozu ferner nach Fick 2, 215 (zweifelnd) kelt., z.B. mir. mess (< *med-tu-) ‘Eichel’; gegen Anschluß an μαδάω WP. 2, 231. Mindestens ebensogut denkbar ist Anknüpfung an med- ‘messen’ in μέδιμνος u. a. (Curtius 243 zögernd, Osthoff IF Anz. 5, 19 A. 1). II-215
μέσφα Adv. und Präp. — Anfang wie im μέχρι (s. d.; auch μετά ?), danach auch -ι in μέσφι. Auslaut. -φα steht isoliert; τόφρα, von Schwyzer 630 A. 1 fragend als Vorbild vermutet, weicht beträchtlich ab. Zu μέστε stimmt ἔστε (s.d.); μεσποδι (aus *μέσφα od. -μέστε π.?) kann idg. *qʷod- (s. zu ποδαπός) enthalten; μες, nur in μὲς τᾶς πέμπτας, kann haplologisch für μέστε, -τα stehen. Die Einzelheiten bleiben wie gewöhnlich bei diesen formelhaften Wörtern unklar; vgl. Schwyzer 629ff. m. Lit., dazu Fraenkel IF 60, 134 f. ‘bis’ (ep. poet. seit Θ 508), daneben μέσφι (Aret.); μέστα (kret. IIa, kyren.), μεττ’ἐς (Gortyn), μέστε (ark.), μεσποδι, μες (thess.); vgl. Ruijgh L’élém. ach. 137. II-215-216
μέτα, μετά myk. me-ta? Adv. und Präp. (m. Gen., Dat. u. Akk.) ‘inmitten, hinterher; zwischen, mit, nach, hinter’ (seit Il.); — Ohne genaue außergr. Entsprechung. Große Ähnlichkeit zeigt germ., z.B. got. miþ, anord. með, ahd. mit(i) ‘mit, unter’ aus idg. *met(í) oder medhi (zu μέσος?); gr. -(τ)α könnte eine Neuerung nach κατά, ἀνά, διά usw. sein. Ein ähnliches Element ist in illyrischen Namen mehrfach zu belegen: Metu-barbis, Met-apa, Μετ-άπιοι (hellenisiert Μεσσά-πιοι; vgl. Kretschmer Glotta 30, 162ff., 165f.), dazu noch alb. mjet ‘Mittel’ (Porzig Gliederung 151 mit Krahe). Verwandt sind ferner μέχρι (s. d.), wohl auch μέσος. Einzelheiten bei Schwyzer 622 u. 629, Schwyzer-Debrunner 481 ff.; für die Bed.entwicklung bes. wichtig Wackernagel Syntax 2, 241ff. Ganz anders Hahn Lang. 18, 83 ff.: zu idg. *sem- in εἷς usw., wenig überzeugend. — Dazu τὰ μέταζε ‘nachher’ (Hes. Op. 394 nach Hdn. u. a.; τὰ μεταξύ codd.) mit -ζε wie in θύρα-ζε u. a.; gewöhnlich und alt μεταξύ Adv. ‘in der Mitte, dazwischen, inzwischen’ (seit Il.), spät auch ‘nachher’; aus μετα + ξυ(ν)?; Schwyzer 633 fragend, Ruipérez Emer. 20, 197. — Statt und neben μετά gebrauchen einige Dial. (äol., dor., ark.) πεδά (s. d.). II-216
μέταλλον n. ‘Mine, Grube, Bergwerk’ (Hdt., Th., X., att. Inschr. usw.), sp. auch ‘Mineral, Metall’ (Nonn., AP u.a.; aus μεταλλεύω rückgebildet). Als Vorderglied in μεταλλ-ουργός ‘Bergwerksarbeiter’ mit -έω, -εῖον (D.S., Dsk.). Ableitungen. 1. μεταλλεῖα n. pl. ‘Mineralien, Metalle’ (Pl. Lg. 678 d), wohl Substantivierung von *μεταλλεῖος ‘zum Bergwerk gehörig’. 2. μεταλλικός ‘zu Minen gehörig’ (D., Arist. usw.). 3. μεταλλεύς m. ‘Bergmann’ (Lys., Pl. Lg., att. Inschr. u. a.; Boßhardt 60f.); davon, oder von μέταλλον, 4. μεταλλεύω ‘Bergmann sein, im Bergbau tätig sein, aus Gruben heraufholen’ (Pl., LXX, Arist. usw.) mit μεταλλ-εία (Pl., Str. usw.), -ευσις (Ph. Bel.) ‘Bergbau’, -ευτής = μεταλλεύς (Str. u.a.; Fraenkel Nom. ag. 2, 63 f.), -ευτικός ‘zum Bergbau gehörig’ (Pl. Lg., Arist., Pap.). 5. μεταλλίζομαι ‘zu Minenarbeit verurteilt werden’ (Cod. Just.). 6. μεταλλῖτις· γῆ τις H. (Redard 108). — Für sich steht μεταλλάω ‘erforschen, sich erkundigen, ausfragen’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa), vgl. unten. — Technischer Ausdruck des Bergbaus und schon als solcher der Entlehnung stark verdächtig. Der Versuch, μέταλλον aus μεταλλάω als Rückbildung zu erklären (Eichhorn, De graecae linguae nominibus deriv. retrogr. conformatis. Diss. Göttingen 1912, S. 47 f.; ablehnend Kretschmer Glotta 6, 299, aber zustimmend ders. Glotta 32, 1 A. 1), hilft nicht weiter, da für das Verb keine überzeugende Etymologie gefunden ist; die Zurückführung auf μετ’ ἄλλα, eig. "nach anderen (Dingen forschen)", z.B. Buttmann Lexilogus 1, 139 f. (mit Eust.), Kretschmer Glotta 32, 1 A. 1, ist kaum überzeugend. Weit näher liegt, in dem denominativen μεταλλάω einen urspr. Fachausdruck zu sehen, der von ep. Dichtern in übertragener Bedeutung verwendet wurde, aber sonst außer Gebrauch kaum. — Für fremde Herkunft u. a. Debrunner Eberts Reallex. 4: 2,525, Krahe Die Antike 15, 181, Kretschmer Glotta 31, 13, v. Windekens Sprache 4, 135ff. (pelasgisch, mit Georgiev). Vergebliche idg. u. sem. Erklärungsversuche sind bei Bq gebucht. — Lat. LW metallum ‘Bergwerk, Metall’, woraus nhd. Metall usw.; über weitere Ableger in westlichen und östlichen Sprachen Maidhof Glotta 10, 14 f. II-216-217
μεταμώνιος ‘eitel, vergeblich, unnütz’ (Hom., Pi., Theok.; immer -α, n. pl.), später, mit ἄνεμος direkt assoziiert, ‘vom Wind getragen, in die Höhe gehoben’ (Simon., Ar.). — Mit ἀνεμώλιος synonym und wie dies zu ἄνεμος; somit durch Hypostasierung von μετ’ ἀνέμων für *μετ-ανεμ-ώνιος mit Silbendissimilation (Schwyzer 37 u. 263); zu -ώνιος Chantraine Form. 42 f. Daraus falsch erschlossen μωνιή· ὀλιγωρία und μωνιόν· μάταιον, ἀχρεῖον H., s. Bechtel Lex. s. v. — Nicht zu μάτην (Prellwitz, Bq). II-217
μετανάστης, -ου bei Hom. nur in ἀτίμητον μετανάστην (Ι 648 = Ρ 59), m. zur Bed. unten; nachhom. ‘Umsiedler, Auswanderer, Flüchtling’ (Hdt. 7, 161 von den Athenern, Arat., Ph., Pap. u.a.), f. -στις (Ph.) und -στρια (AP; wie ἀγύρτης: ἀγύρτρια usw.); Adj. μετανάστ-ιος ‘umherwandernd’ (AP, Nonn.), Verb μεταναστ-εύω, -εύομαι ‘austreiben, auswandern, flehen’ (LXX, Str., Ph.). — Schon von Hdt. und seinen Zeitgenossen als ‘Umsiedler’ verstanden und als μετ-ανά-στη-ς mit μετ-ανα-στῆ-ναι, μετ-ανάστασις ‘umsiedeln, auswandern’, bzw. ‘Umsiedelung, Auswanderung’ (Hdt., Th., Hp. u. a.) verbunden, eine Auffassung, die J. Schmidt Pluralbild. 346 f. mit Eust. u. a. (s. Schulze KZ 33, 137 = Kl. Schr. 372) unter allgemeiner Zustimmung (Schulze a.a.O., Bechtel Lex. s.v., Fraenkel KZ 42, 262 u. Nom. ag. 1, 129, Schwyzer 424 u. 451) näher ausgeführt hat. Es würde aber dann mit einer metrisch-rhythmisch bedingten Haplologie für *μετανα-στά-της stehen (Fraenkel Glotta 1, 270ff.; vgl. ἐπι-, παρα-, προ-στά-της usw.); ein altes Wurzelnomen μετανά-στη-ς wie aind. ni-ṣṭhā́-s, prati-ṣṭhā́-s u. a. (Schmidt a.a.O.) hat im Griechischen kein unmittelbares Gegenstück. Da aber diese anscheinend sonst überzeugende Deutung mit dem homer. Gebrauch von μετά und ἀνίστασθαι im Widerspruch steht, hat Wackernagel Syntax 2, 246f. mit Funck Curt. Stud. 9, 134 auf die schon in der letzten Ausgabe des Thes. vorgeschlagene Erklärung als μετα-νάσ-της zurückgegriffen, von *μετα-ναίω ‘mitwohnen’ wie μεταναιέ-της (Hes.), -τάω (h. Cer.) ‘Mitwohner, mitwohnen’. Als alte Parallelbildung zu att. μέτ-οικος, arg. πεδά-ϝοικος und zu μετοικέται· κατὰ μέσον οἰκοῦντες H. würde μετανάστης ursprünglich und noch bei Hom. ‘Mitwohner, der unter anderen (als Fremdling) wohnt, Insasse’ (nach W. ‘Hintersasse’) bedeutet haben. Wegen des Verschwindens der Verbalformen mit -νασ- und des allmählichen Vordringens von μετα- ‘um’ gegen μετα- ‘mit’ wurde μετανάστης schon in klass. Zeit mit den lebendigen μεταναστῆναι, μετανά-στασις assoziiert. — Die abweichende Ansicht Leumanns, Hom. Wörter 183 m. A. 30, μετα-νάσ-της wäre eig. ‘Umsiedler, Zugewanderter’, von μετα-ναίω ‘umsiedeln’, unterliegt denselben Bedenken wie die Anknüpfung an μεταναστῆναι. II-217-218
μεταξύ s. μέτα, μετά. II-218
μετάρσιος (ion. poet.), dor. πεδάρσιος (A., Ar.) ‘empor-, in die Höhe gehoben’, att. dafür μετέωρος (Capelle Phil. 71, 449.ff.); davon μεταρσιόω ‘in die Höhe heben’ (ion.). — Bildung wie ἀνάρσιος (: *ἄν-αρτος; Frisk Adj.priv. 7), ἀμβρόσιος (:ἄμ—βροτος) usw., somit von *μετ-άερτος > *μέτ-ᾱρ-τος (Wackernagel KZ 28, 131 = Kl. Schr. 1, 613) zu μετ-αείρω, -αίρω. Vgl. μετέωρος. II-218
μέτασσαι τὰ μέτασσα n. pl. ‘nachher’ (h. Merc. 125; Zumbach Neuerungen 27). f. pl. ‘Lämmer mittleren Alters’, zwischen den πρόγονοι und den ἕρσαι (ι 221); — Zu μέτα wie ἔπισσαι ‘nachgeborene Töchter’ zu ἔπι; somit wohl aus *μετα-τι̯ο-, f. -τι̯ᾰ wie aind. ápa-tya- u. a. (Schulze KZ 40, 414 A. 1 = Kl. Schr. 71 A. 1 [s. auch Kl. Schr. 675] nach Ebel KZ 1, 302 Bechtel Lex. s. v., Specht Ursprung 197). — Anders Giles ClassRev. 3, 3 f. (zustimmend Schwyzer 472 m. A. 2): μετ-ασσαι = μετ-οῦσαι, eig. "dazwischen Seiende", altertümliches schwundstufiges Ptz. f. von μετ-εῖναι. Dann müssen aber sowohl τὰ μέτασσα (für τὰ μετόντα) wie ἔπ-ισσαι als Analogiebildungen erklärt werden. Vgl. περισσός. II-218
μέταυλος (Ar., Lys., Plu.), μέσαυλος (E., Ph. [v. l. -λιος, Vitr.), μέσσαυλος (-ον) ‘Gehöfte, Viehhof’ (Hom.), ‘innerer (schmaler) Hof’ (A. R. 3, 235); μεσαύλη f. ‘Hof innerhalb des Hauses, Lichthof’ (Pap. VIp; Lesung nicht ganz sicher). attributivisch zu θύρα, auch substantiviert f. ‘die aus dem (äußeren) Hof, bzw. aus der Männerwohnung in die hinteren Gemächer führende Tür’ (Gegensatz ἡ αὔλειος θύρα ‘die äussere Tür’), bei Vitr. (6, 7, 5) von einem entsprechenden Gang; — Att. μέταυλος bezeichnet als Hypostase entweder ἡ μετ’ αὐλήν (θύρα), d. h. die hinter dem (äußeren) Hof, oder ἡ μετ’ αὐλῆς (μετ’ αὐλῶν θῦρα), d. h. die inmitten des Hofes (zwischen den beiden Höfen) befindliche Tür; die Bedeutung, die mit der Anlage des Hauses offenbar gewechselt hat, läßt sich ohne genaue Kenntnis des Hausbaus nicht genau feststellen, vgl. die Ausführungen von Wistrand Eranos 37, 16ff.; auch die etymologische Analyse wird dementsprechend unsicher. Über μεσο- für älteres μετα- Wackernagel Syntax 2. 242. — Hom. μέσσαυλος scheint dagegen für τὸ μέσον od. (εν) μέσσῳ αὐλῆς zu stehen und "das zur Mitte des Hofes gehörige" oder "das inmitten des Hofes befindliche", d. h. ‘Hofmitte, Hofinneres’ zu bezeichnen, vgl. Risch IF 59, 19f.; es wäre dann von μέταυλος zu trennen. Bei A. R. 3, 235 kann ep. μέσσαυλος von dem späteren μέσαυλος beeinflußt sein; das späte μεσαύλη hat sich nach dem Simplex gerichtet. II-219
μετέωρος, ep. μετήορος, äol. u. dor. πεδάορος (Alk., A. in lyr.) ‘in die Höhe gehoben, in der Höhe od. der Luft schwebend, überirdisch, auf hoher See, oberflächlich’, übertr. ‘schwankend, unerledigt, in Spannung, aufgeregt, zerstreut’ (seit Il.). Oft als Vorderglied, z.B. μετεωρο-λόγος ‘der von τὰ μετέωρα spricht, Astronom’, mit -έω, -ία u. a. (ion. att.; Capelle Phil. 71, 414ff.). Ableitungen: μετεωρ-ότης f. ‘Erhabenheit’ (Corn.), -ία ‘Zerstreutheit’ (Suet., M. Ant.), -οσύνη ‘ds.’ (Man.); -ίδιον Bed. unsicher (Pap.briefe). Denominativum μετεωρίζω ‘in die Höhe heben, erheben, (mit falschen Hoffnungen) ermutigen usw.’, Med.-Pass. auch ‘hochmütig, stolz werden’ (ion. att.) mit μετεωρ-ισμός (Hp., Arist. usw.), -ισμα (hell.), -ισις (Plu., D.C.) ‘Erhebung, Aufgeregtheit usw.’; -ιστής H. als Erklärung von πεδαοριστής (neben ἵππος φρυ<α>γ-ματίας), -ιστικός ‘aufregend’ (Vett. Val.). — Auch μετεωρέω = μετεωρίζομαι (Ph.). Ableitung von *μετ-αείρω, μετ-αίρω (äol. πεδαίρω) ‘emporheben’ wie συνάορ-ος ‘zusammengekoppelt’ von συν-αείρω (ἔξοχ-ος: ἐξ-έχω usw.; Schwyzer 430 u. 460). Auch Hypostase von μετ’ ἀέρος ‘in der Luft’ (mit anal. -ο-) wäre denkbar, vgl. Kretschmer Glotta 31, 449; Beziehung auf ἀήρ liegt in der Tat nahe, vgl. Ar. Nu. 264 ’Αήρ, ὅς ἔχεις τὴν γῆν μετέωρον. — Vgl. μετάρσιος und Wackernagel Syntax 2, 244, Björck Alpha impurum 112 f. II-219-220
μετόπη (Akz. nicht überliefert) f. ‘Metope’, Feld zwischen den Triglyphen am Friese dorischer Tempel (Vitr.; codd. methope, -a wie triumphus, sephulcrum u. a., vgl. Leumann Lat. Gr. 131); auch μεθόπια n.pl. (Delph. IVa, H.; μ[..]οπια att. Inschr. IVa); zu θ neben τ vgl. ἐφόπτης neben ἐπόπτης u.a. (Schwyzer 220). — Zu μετόπιον stimmen genau andere technische Ausdrücke wie μετακιόνιον, μεταστύλιον ‘Zwischenraum zwischen den Säulen’ (att. u. hell. Inschr.), μεθόριος, -ον ‘was zwischen Grenzen liegt, Grenzgebiet zwischen zwei Ländern’ (Th., X. usw.). Es muß somit einen Zwischenraum zwischen den ὀπαί bezeichnen. Nach Vitr. 4, 2, 4 wären die ὀπαί = tignorum cubicula et asserum, d. h. Aussparungen oder Einschnitte im Gebälk, in denen die Köpfe der Querbalken eingelassen waren; diese Köpfe wurden mit besonderen Brettchen, den sog. Triglyphen verkleidet. Nach einer anderen, von Vitr. abgelehnten Ansicht wären dagegen die ὀπαί urspr. Lichtöffnungen, was unzweifelhaft besser zur Bed. von ὀπή paßt. Dafür mit ausführlicher Begründung Demangel BCH 55, 117ff.; er sieht in den Triglyphen ein Gitter, das nachher den ὀπαί vorgesetzt wurde. — Die offenbar sekundäre Form μετόπη hat sich an das Simplex angelehnt, was damit zusammenhängen mag, daß die Metopen selbst als "Zwischenöffnungen" erscheinen konnten; μετόπη ‘Öffnung zwischen (den Triglyphen)’ wäre somit wie περί-κηπος ‘Garten rings um (das Haus)’ (hell. u. sp. Pap.; Risch IF 59, 252) oder ungefähr wie μεσ-αύλη (s. μέταυλος) aufgefaßt. Vgl. Johnson ClassPhil. 30, 260f. (im einzelnen verfehlt). II-220
μέτρον n. ‘Maß, das rechte, volle Maß, Ziel, Länge, Größe, Silben- od. Versmaß’ (seit Il.). Viele Kompp., z.B. σύμμετρος ‘das gleiche Maß haltend, abgemessen, angemessen, symmetrisch’ mit συμμετρ-ία ‘Ebenmaß, Symmetrie’ u. a. (ion. att.); περί-μετρος ‘über das Maß hinausgehend, übermäßig’ (seit Od.); aber περί-μετρον (Hdt., Arist. usw.), -ος (sc. γραμμή) f. ‘Umkreis, Umfang’ nach περίοδος u. a. mit verbaler Assoziation (περι-μετρέω Luk.), s. Risch IF 59, 252. Ableitungen: Adj. 1. μέτριος ‘mäßig, maßvoll, passend’ (seit Hes.) mit μετρι-ότης ‘Mäßigkeit’ (ion. att.), -οσύνη ‘Armut’ (Pap. VIp), -ακός ‘mäßig’ (Pap. VIp), -άζω ‘mäßig sein’ (att. hell.) mit -ασμός (Suid.); μετριεύεται H. s. λαγαρίτ-τεται. 2. μετρικός ‘metrisch, nach Maß’ (Arist. usw.). 3. Adv. μετρηδόν ‘in metrischer Form’ (Nonn.). 4. Verb: μετρέω, sehr oft mit Präfix, z.B. ἀνα-, δια-, ἐπι-, ἐκ-, ἀπο-, συν-, ‘messen, ausmessen, abschätzen usw.’ (seit Hom.); davon (mehrfach mit Präfix) μέτρ-ησις ‘Messung’ (ion. att.)., -ημα ‘Maß’ (E., hell. u. sp.), -ητής m. "Messer", Ben. eines Maßes, ‘Metretes’ (att. usw.; Fraenkel Nom. ag. 1, 233), -ητίς f. ‘ds.’ (Amorgos IVa), -ητιαῖος ‘einen μ. haltend’ (Karyanda), -ητικός ‘auf das Messer bezüglich’ (Pl. u. a.). Dazu als Hinterglied in mehreren Verbalkornpp., z.B. γεω-μέτρης m. ‘Land-, Feldmesser, Geometer’ (Pl., X. usw.) mit γεωμετρ-ία, ion. -ίη (Hdt., Ar. usw.; auch Zusammenbildung von γῆν μετρεῖν?), -ικός (Demokr., Pl. usw.), -έω (att. usw.), βου-μέτρης "Rinderbesser" =ὁ ἐπι θυσιῶν τεταγμένος παρὰ Αἰτωλοῖς H.; vgl. E. Kretschmer Glotta 18, 86. — Rückbildungen wie διάμετρος (sc. γραμμή) f. ‘Durchmesser, Diagonale usw.’ (Pl., Arist. usw.), ἐπίμετρον ‘Übermaß, Zugabe’ (hell. u. sp.). — Neben μέτρον steht mit demselben Suffix aber im Ablaut abweichend μήτρα f. ‘Ackermaß usw.’ (Kilikien), ἐρεσι-μήτρην· τὴν γεωμετρίαν H. (s. ἔρα), das zu aind. mā́trā f. ‘Maß’ genau stimmt und auf ein athematisches Präsens, aind. mā́-ti ‘mißt’ (aus idg. *mē-ti) zurückgeht. Die Kürze des ε in μέτρον gegenüber aind. mā́tram n. ‘ds.’ hat dagegen keine außergriechische Entsprechung; sie kann entweder einen thematischen Vokal nach schwundstufiger Wurzel μ-έ-τρον (Brugmann, z.B. Grundr.2 II: 1, 342) oder eine Reduktionsstufe von idg. mē- (wie θέ-(σις) von θη-) repräsentieren; im letzteren Falle bietet präkr. mettam n. ‘Maß’ aus aind. *mitram (nach mi-ta- u. a. neugebildet) einen direkten Vergleich. Eine Ableitung idg. *méd-tro-m von med- ‘messen’ (vgl. zu μέδιμνος; de Saussure MSL 6, 246ff.) hätte dagegen *μέστρον gegeben. — Eine andere Ableitung desselben Verbs ist μῆτις, s. d. II-220-221
μέτωπον n. ‘Stirn’, übertr. ‘Vorderseite, Front des Heeres’ (seit Il.); auch Pflanzenname = χαλβάνη (Dsk.). Kompp., z.B. εὐρυ-μέτωπος ‘mit breiter Stirn’ (Hom. u. a.). Davon μετώπιος ‘an der Stirn’ (L 95, P 739; kann auch Subst. = ‘Stirn’ sein; vgl. unten), -ιον n. ‘Vorderseite’ (Priene IVa), ‘Stirnverband usw.’ (Gal.), N. einer aus der Pflanze μ. breiteten Salbe usw. (Dsk., Gal. u.a.); μετωπ-ίδιος ‘zur Stirn gehörig’ (Hp., A P), aber προ-, περιμετωπ-ίδιος ‘vorn an der Stirn befindlich’ (Hdt., X. u. a.), bzw. ‘die Stirn bedeckend’ (Hp.) aus den entsprechenden Präpositionsausdrücken; -ιαῖος ‘ds.’ (Mediz.; Chantraine Form. 49); -ίας m. ‘mit einer charakteristischen Stirn’ (Pap. u. a.); μετωπίς· ἱατρικὸς ἐπίδεσμος H.; μετωπ-ηδόν (Hdt., Th. u.a.), -ᾰδόν (Opp.) ‘eine Front bildend’. — Zum PN Μέτωπος Sommer Nominalkomp. 8 A. 2. — Nach Arist. HA 49 1b 12 eig. = μεταξὺ τῶν ὀμμάτων, ‘Raum zwischen den Augen’, somit Hypostase aus μετά und (ὤψ), ὦπ-α ‘Auge, Gesicht’ mit themat. Vokal. In μετώπ-ιον ‘Stirn (?), Vorderseite’ kann eine parallele Bildung mit ιο-Suffix vorliegen. Der Ausdruck wird besonders verständlich, wenn man vom Kopf des Tieres mit seinen seitlich stehenden Augen ausgeht (Sommer 115 A. 1). II-221-222
μέχρι auch μέχρις (Ω 128, X, hell.; Schwyzer 405 u. 620). Adv. u. Präp. ‘bis’ (seit Il.), — Mit arm. merj ‘nahe, bei’ (wovon merjenam ‘sich nähern’ aus *merji-anam) identisch; idg. *méĝhri. Weitere Kombinationen (μετά, μέσφα?; s. dd.) sind hypothetisch. Nach Adontz Mél. Boisacq 1, 10 f. aus μέ-χρ-ι zu χείρ ‘Hand’ (vgl. ἐγγύς); Grundform dann *méĝhsr-i. Anders, gewiß nicht besser, Hahn Lang. 18, 83ff. (zu idg. *sem- in εἷς usw.; vgl. zu μετά). Ältere Lit. bei Bq. — Vgl. ἄχρι. II-222
μη ‘nicht, daß nicht’ (seit Il.); dazu μηδέ, μηδείς, μηκέτι, μήτε usw., s. οὐ. — Alte prohibitive Negation, mit arm. mi, aind. mā, airan. u. toch. mā identisch; idg. *mē; dazu alb. mo ‘ds.’ aus *mē-s. II-222
μήδεα 1. (φωτός; Od., Androm. ap. Gal., Kall., auch Ant. Lib.). μέζεα (Hes. Op. 512, Lyk.), μέδεα (Archil. 138) n. pl. ‘männlicher Scham’, bei Opp. (K. 4,441) übertr. ‘Harn’; μέζος· αἰδοῖον H.; als Hinterglied in εὐμέζεος (cod. -μάξεως; leg. -μεζέος?)· εὐφυὴς (cod. -εὶς; leg. -οῦς?) τοῖς αἰδοίοις H. — Das Verhältnis von μήδεα : μέζεα : μέδεα ist nicht aufgeklärt. Wackernagel Unt. 227 A. 1 sieht zögernd (nach Nauck) in μήδεα einen euphemistischen Ersatz für das derbe μέζεα, μέδεα; in μέζεα vermutet Schwyzer 208 mit Bechtel und v. Wilamowitz eine spirantische Aussprache des δ. — Wegen der Bed. ist die etymol. Beurteilung sehr heikel. Schwyzer a.a.O. zieht es zu μήδομαι, indem er auf ahd. gimaht f. ‘facultas, genitalia’ hinweist. Es wäre dann als Euphemismus mit μήδεα ‘Ratschläge, Sorgen’ identisch. Ebenso (fragend) Spitzer BSL 40, 47 mit P. Friedländer, allerdings mit lat. mentula (zu mens??) als einer sehr anfechtbaren Parallele. — Nicht mit Curtius 662, Fick 1, 507 u. a. zu μαδάω ‘triefen’; vgl. μεστός. Von WP. 2, 231 (Pok. 706) von μαδάω getrennt und nur mit kelt., z.B. mir. mess (< *med-tu-) ‘Eichel’ zusammengehalten unter Annahme der allumfassenden und erprobten Grundbed. ‘schwellen, Schwellung, kugelig aufgetrieben’. II-222
μήδεα 2. n. pl. ‘Ratschläge, Sorgen’ s. μήδομαι. II-223
μήδιον n. Pflanzenname, ‘Campanula lingulata’ mit ἐπιμήδιον N. einer unbek. Pfl. (Dsk.). — Strömberg Pflanzennamen 122 m. A. 1 vermutet Zusammenhang mit μήδιος· μαλακός H. (aus μήδιος *’medisch’ entstanden?). II-223
μήδομαι, Aor. μήσασθαι (μῆστο· <ἐ>βουλεύσατο H.), Fut. μήσομαι ‘erwägen, ermessen, ersinnen, beschließen’ (ep. poet. seit Il. u. Od., auch sp. Prosa). ganz vereinzelt mit ἐπι- und δια-, als Hinterglied z.B. in θρασυ-μήδης ‘mit kühnen Plänen’ (Pi., B.), auch als PN (Il. usw.). 2. μηδοσύνη ‘Klugheit’ (hell. Dicht.). 3. μήστωρ, -ωρος, -ορος m. ‘Ersinner, Berater’ (ep. seit Il., auch Hp.), auch als PN (seit Il.); als Hinterglied z.B. δορι-μήστωρ m. ‘Speer-, Kriegs- berater’ (E. in lyr.), oft in PN, z.B. Θεο-μήστωρ (Hdt. usw.); f. in Κλυται-μήστρα, -η (s. zu κλύω) u. a.; ausführlich über μήστωρ Fraenkel Nom. ag. 1, 14ff., 66 A. 1; 2, 8 f., dazu Benveniste Noms d’agent 30, Schwyzer 530 A. 4 u. 531. Davon 1. μήδεα n. pl. ‘Ratschläge, (kluge) Pläne’ (ep. poet. seit Il.); — Das primäre thematische μήδομαι, wovon μήσασθαι (neben altem μῆστο?, vgl. Schwyzer 751) und μήσομαι, wird allgemein mit dem synonymen μέδομαι (s. μέδω) zusammengehalten. Die dabei anzunehmende Dehnstufe (-η- auch dor., also alt) fällt aber auf, da die einschlägigen langvokalischen Präsentia (Schwyzer 685) sonst wohl alle Hochstufe enthalten. Es bleibt deshalb zu erwägen, ob nicht μήδομαι von μέδομαι zu trennen und in erster Linie mit dem unter μῆτις und μέτρον besprochenen mē- ‘messen’ (das allerdings mit med- ‘messen’ "urverwandt" sein kann) unter Annahme einer (präsentischen?) δ-Erweiterung zu verbinden ist (vgl. Schwyzer 702 f.). Eine Kreuzung von mē- und med- wäre wohl auch denkbar. Diese muß aber dann alt sein, da das Verbalnomen μήδεα in arm. mit-k‘ pl. ‘ds.’ eine unmittelbare Entsprechung hat. II-223
μηκάομαι (Phryn. PS, Prokop., Sch., H.), μηκάζω (Nik.), Perf. μέμηκα nur im Prät. ἐμέμηκον (ι 439), und im Ptz. μεμηκώς (Κ 362), f. μεμακυῖαι (Δ 435), Aor. Ptz. μακών (Ρ 469, κ163 usw.) ‘meckern, blöken’, von Schafen, auch vom Geschrei eines Hasen und, im formelhaften Vers κὰδ’ δ’ ἔπεσ’ ἐν κονίῃσι μακών, vom Pferd, Hirsch, Eber, auch von einem Menschen. Dazu, nach κεμάς und anderen Tierbezeichnungen (vgl. Risch ̨ 52 b; nicht von dem erst sehr spät belegten μηκάομαι), μηκάς f. ‘meckernd’, bei Hom. nur im Plur. von αἶγες, später (S., E. usw.) auch von ἄρνες und Subst. = αἴξ. Späte Ableger: μηκ-ασμός (Plu., Poll.), -ηθμός (Opp.), -ή (Ael., Sch.) ‘das Geblök’, -ητικός ‘blökend’ (Sch.). — Das Formpaar μέμηκα: μακεῖν (μακών) stimmt zu den sinnverwandten λέληκα : λακεῖν, κέκραγα : κραγεῖν u.a.; zu einem alten intensiven Perfekt und einem ebenfalls alten thematischen Aorist wurden verschiedene Präsentia nach alten Mustern neugeschaffen: μηκάζω, -άομαι, λάσκω, κράζω usw.; vgl. Schwyzer 683, 722 A. 2, 748, 770 u. 777 m. weiteren Einzelheiten, für Hom. Chantraine Gramm. hom. 1, 389; 426; 438, zu μακών noch Leumann Hom. Wörter 235 A. 31. — Onomatopoetische Bildung, von der Lautimitation μη (mē) ausgehend und mit vielen teils genetisch, teils elementar verwandten Entsprechungen, z.B. mhd. meckatzen ’meckern’, mecke ‘Ziegenbock’, lit. mekčióti, mekénti ‘meckern, stammeln’, lat. miccīre ‘meckern’, aind. (Lex.) meka- m. ‘Bock’, arm. mak’i ‘Schaf’. — WP. 2, 256, Pok. 715f., W.-Hofmann u. Fraenkel s. vv. m. weiterer Lit. II-223-224
μῆκος, dor. μᾶκος (Archyt.) n. ‘Länge, Körperlänge’ (seit Od.). Oft als Hinterglied, z.B. περι-μήκης, dor. -μάκης ‘sehr lang, sehr hoch’ (ep. ion. poet. seit Il), mit expressiver Erweiterung περιμήκ-ετος ‘ds.’ (Hom., Arat.), nach πάχετος, ἀριδείκετος, ἀμαιμάκετος u. a. (Schwyzer 501, Seiler Steigerungsformen 75). Im Anschluß an μῆκος der Sup. μήκιστος, dor. μάκιστος ‘längst, höchst, größt’ (vorw. ep. poet. seit Il.) mit Μηκιστεύς PN (Il. u.a.; Boßhardt 93 f.) gegenüber dem Komp. μάσσων, μᾶσσον (θ 203 usw.); zu μακρός (s.d.) nach ἐλάσσων, πάσσων, θάσσων; daneben die sekundären μακρό-τατος, -τερος. — Altes Denominativum μηκύνω, dor. μακύνω, vereinzelt m. Präfix, z.B. ἀπο-, ἐπι-, ‘verlängern, ausdehnen’ (Pi., ion. att.) mit den seltenen u. späten prosodischen Termini μήκ-υνσις (Sch.), -υσμός (Eust.) ‘Verlängerung’, -υντικός ‘der verlängert werden kann’ (A. D.). Sonstige Ableitungen, ebenfalls selten u. sp.: μηκεδανός ‘lang’ (AP, Nonn.), für μακεδνός nach ἠπεδανός u. a. (Risch ̨ 38, Specht Ursprung 199); μηκ-ικός ‘auf die Länge bezüglich’ (Prokl.), -όθεν ‘von ferne’ (Aesop., Paul. Aeg.), -ότης f. ‘Länge’ (Gal.). — Gegenüber μῆκος steht mit Vokalkürze aw. masah- n. ‘Länge, Größe’; ebenso gegenüber μήκιστος aw. masišta-, ap. maϑišta- (wie Komp. masyå, Pos. mas-). Auch sonst herrscht die Kürze, so nicht nur in dem altererbten und mit dem s-Stamm regelrecht alternierenden r-Stamm μακρός (s. bes.), sondern auch in lat. maciēs ‘Magerkeit’, maceō ‘mager sein’ und in heth. mak-l-ant- ‘mager’. Als hochstufige Bildung stimmt aber μῆκος zu der weit überwiegenden Mehrzahl der alten s-Stämme (s. z.B. Schwyzer 511 f.). — WP. 2, 223- Pok. 699- W.-Hofmann s. macer m. Lit.; zu μήκιστος, μάσσων Schwyzer 538, Seiler Steigerungsformen 74ff. u. 21 f. II-224-225
μήκων, dor. ark. μάκων, -ωνος f. ‘Mohn, Papaver somniferum, Mohnkorn, -kopf, -saft’ (seit Θ 306), übertr. von mohnähnlichen Gegenständen, z.B. ‘Tintenblase des Tintenfisches’ (m.. Arist.); μηκωνο-φόρος (sc. γῆ) f. ‘mohntragendes Land’ (Pap.). Ableitungen. 1. Benennungen mohnähnlicher Pflanzen (Euphorbia, wilder Lattich): μηκών-ιον (Hp., Thphr.; auch = ‘Opium’ [Phld.]), -ίς f. (Nik., Inschr., Pap.). -ῖτις (Gal., Redard 74; auch N. eines Steins [Plin.], Redard 57). 2. Adj. μηκών-ειος ‘mit Mohn gewürzt’ (Philostr.), n. ‘Opium’ (S. E., Sch.), f. -ίς (Alkm.), -ικός ‘mohnähnlich’ (Thphr.). 3. Demin. μηκωνάριον (Androm. ap. Gal.). — Bildung wie βλήχων u. a. (Chantraine Form. 162). Hängt offenbar mit dem slav. und germ. Wort für ‘Mohn’ zusammen: slav., z.B. russ. ksl. makъ, russ. mak (alter o-Stamm); germ., z.B. ahd. maho, mhd. mahen, mān; daneben mit gramm. Wechsel ahd. mago, aschw. val-moghi (val- < *u̯alha- ‘Betäubung’) u. a. Zu beachten sind sowohl der gramm. Wechsel wie die Vokalkürze gegenüber gr. -ᾱ-, was beides für Urverwandtschaft spricht. Da nach den Botanikern der Mohn aus dem Mittelmeergebiet stammt, muß es sich um eine schon idg. Entlehnung eines Wanderworts handeln. WP. 2, 225 (mit einer ganz fraglichen Wz.anknüpfung), Pok. 698, Schrader-Nehring Reallex. 2, 68 f., Machek Ling. Posn. 2, 158, Fraenkel Lit. et. Wb. s. aguonà. II-225
μήλη f. ‘chirurgische Sonde’ (Hp., AP); als Hinterglied in πλατυ-μήλη ‘breite Sonde’ (Mediz.) und anderen Determinativa (Risch IF 59, 285), ἀμφί-μηλον n. ‘Sonde mit zwei Enden’ (Mediz.). Davon μηλόω ‘sondieren’ (Hp., Ar. u. a.), Med. auch ‘Wolle färben’ (Eust., H.) mit μήλωσις ‘Sondierung’, μηλω-τή, -τίς, -τρίς, -τρίδιον ‘Sonde’ (Mediz.); μηλ-αφάω ‘sondieren’ (Sophr., H., EM, Eust.; nach ψηλαφάω); μήλωθρον ‘gefärbte Wolle’ (Eust., H.). — Nicht sicher erklärt. Vielleicht mit Prellwitz aus *μασ- λᾱ (oder *μᾱ-λᾱ) zu μαίομαι, μάσ-σασθαι ‘tasten, untersuchen’. II-225
μηλολόνθη auch μηλολάνθη (Poll.), μηλάνθη (Herod.). f. ‘Käfer, Gold-, Mistkäfer’ (Ar. Νυ. 764, Arist. u. a.) mit μηλολόνθιον (Sch. Ar. V. 1332), χρυσο-μηλολόνθιον (Ar. V. 1341); — Aus μῆλον ὀλόνθιον, eig. "Feigenschaf", von μῆλον und ὄλονθος ‘wilde Feige’, wegen der Gewohnheit vieler Käfer, an Feigen und anderen Pflanzen zu schmarotzen; Bildung wie ἱππο-πόταμος (für ἵππος ποτάμιος). Nach ἄνθος volksetymologisch in μηλολάνθη umgebildet; daraus nach οἰνάνθη u. a. μηλάνθη.— Strömberg Wortstudien 5 ff. mit ausführlicher Behandlung und zahlreichen Parallelen aus verschiedenen Sprachen. II-225-226
μῆλον 1. dor. äol. μᾶλον ‘Apfel’ (seit Il.), auch (mit verschiedenen determinierenden Attributen) von anderem Kernobst (Hp.. Dsk. u. a.), oft übertr.: ‘Samenkapsel einer Rose’ (Thpr.), im Plur. ‘Brüste, Wangen, Tonsillen, apfelähnliche Becher’ (Ar., Theok., Mediz., Pap., Inschr. usw.). Als Vorderglied z.B. in μῆλ-οψ ‘apfelfarbig’ = ‘gelb’ (η 104), μαλο-πάραυος ‘mit apfelähnlichen Wangen’ (Theok.), μηλ-άπιον n. N. eines Obstes (Mediz., Plin.). Oft als Hinterglied in Determinativa u.ä., z.B. γλυκύ-μαλον, -μηλον ‘Süßapfel’ (Sapph. [?; Risch IF 59, 10 A. 2], Kall. u.a.), μελί-μηλον ‘Sommerapfel, Pyrus praecox’ (Dsk.), auch ‘Apfelmet’ (Mediz.) für μηλό-μελι (Dsk. u. a.; Strömberg Wortstudien 7); vgl. κοκκύ-μηλον; zu ἐπιμηλίς s. bes. Ableitungen. A. Subst. 1. μηλέη, -α ‘Apfelbaum’ (seit Od.); 2. μηλίς, μαλίς f. = μηλέα (Ibyk., Theok.), ‘gelbes Pigment’ (Plu.), N. einer Eselskrankheit, ‘Rotz’? (Arist.); 3. μηλίτης οἶνος ‘Apfel-, Quittenwein’ (Plu., Dsk.; Redard 98); 4. μηλίσκα n. pl. Ben. von Bechern (Delos IIIa); 5.Μηλ-ιάδες f. pl. ‘Obstbaumnymphen’ (Poll.; wie κρην-ιάδες u.a.); 6. μήλωθρον n. = ἄμπελος λευκή (Thphr., Dsk.; vgl. ψίλωθρον ‘ds.’ von ψιλόω, πύρωθρον = πύρεθρον). — B. Adj. 7. μήλινος, μάλινος ‘aus Äpfeln gemacht, apfelfarbig’ (Sapph., Thphr. usw.); 8. μήλειος ‘zum Apfel gehörig’ (Nik., A. R.); 9. μηλώδης ‘apfelähnlich’ (Gal. u. a.). — C. Verb. 10. μηλίζω ‘einem Apfel (der Farbe nach) ähneln’ (Mediz.). — Hierher noch der Inselname Μῆλος ("Apfelinsel")?; s. Heubeck Glotta 25, 271 m. Lit. — Mittelmeerwort aus unbek. Quelle. — Aus dem Griech. lat. mālum, mēlum, ebenso mālinus ‘apfelfarben’, mēlinus ‘von Quittenäpfeln’ u. a.; s. W.-Hofmann s. 1. mālus m. Lit. II-226
μῆλον 2. (auch dor.) n., meist pl. -α (μηλάτων Lyk. 106 nach προβάτων) ‘Kleinvieh, Schafe und Ziegen’ (ep. poet. seit Il.). Oft als Vorderglied, z.B. μηλο-βότης, dor. -τας ‘Schafhirt’ (Pi., E. in lyr.), auch -βοτήρ (Σ 529, h. Merc. 286) in -βοτῆρας am Versende, nach dem Simplex (Fraenkel Nom. ag. 1, 65, Chantraine Form. 323, Risch ̨ 13d, Shipp Studies 66); μηλάταν· τὸν ποιμένα. Βοιωτοί H., haplologisch für μηλ-ηλάταν oder für μηλόταν nach βοηλάταν (Bechtel Gött. Nachr. 1919, 345, Dial. 1,307); zu μηλολόνθη s. bes. Selten als Hinterglied, u. zw. nur in einigen Bahuvrihis (anders -μηλον ‘Apfel’, s. d.), z.B. πολύ-μηλος ‘mit vielen Schafen’ (Il. usw.); auch in PN, z.B. böot. Πισί-μειλος. Wenige Ableitungen: μήλειος ‘zum Kleinvieh gehörig’ (ion., E.), μηλόται· ποιμένες H. (Fraenkel Nom. ag. 2, 129, Schwyzer 500), μηλωτή f. ‘Schaffell’ (Philem. Kom., hell. u. sp.; wie κηρωτή u.a.) mit Μηλώσιος Bein. des Zeus (Kork., Naxos), eig. "der in ein Schaffell gehüllte" (Nilsson Gr. Rel. 1, 395f.). — Altes Wort für ‘Kleinvieh’, das im Keltischen mehrfach belegt ist, z.B. air. mil n. ‘kleines Tier’, und sich sporadisch auch auf westgerm. Boden wiederfindet in andfränk. māla ‘Kuh’, ndl. maal ‘junge Kuh’ (wozu noch der alte N. des Harz Μηλί-βοκον ὄρος?). — Gegenüber diesen Wörtern, die alle auf idg. *mēlo- zurückgehen können, steht mit a-Vokal arm. mal ‘Schaf’, auch klruss. mal’ f. ‘Kleinvieh, junge Schafe’, russ. (Krim) malíč ‘Art Krimschafe’. Es liegt nahe, die letztgenannten Wörter mit dem gemeinslav. Adj. für ‘klein’ zu verknüpfen, z.B. aksl. malъ, russ. mályj. Ein weiterer Schritt führt zum germ. Wort für ‘klein, schmal’ in got. smals usw., das oft auf kleines Vieh bezogen wird, z.B. awno. smale m. ‘kleines Tier’, ahd. smalaz fihu ’Schmal-vieh, Kleinvieh’. Bei Ansetzung von idg. (s)mēl-, (s)mōl-(aksl. malь usw.), (s)məl- (arm. mal, got. smals usw.) ist es gewiß möglich, alle die genannten Wörter unter einen Hut zu bringen. — Fick 1, 519 denkt dagegen für die μῆλον-Gruppe an mē- ‘blöken’ (s. μηκάομαι). — WP. 2, 296f (mit nicht verhehltem Zweifel), Pok. 724, W.-Hofmann s. 3. malus, Vasmer s. mályj; daselbst auch reiche Lit. II-226-227
μήν 1. dor. äol. μάν. beteuernde und bekräftigende Partikel, ‘ehrlich, gewiß. allerdings’ (seit Il.). — Allgemein mit dem hervorhebenden aind. sma, smā verknüpft; idg. folglich *smā̆. Von μήν kann das funktionsidentische und sinnverwandte μέν ‘wahrlich, zwar’, auch rein korrelativisch (neben δέ), schwerlich getrennt werden. Es muß sich dann wie bei δή-δέ (s. dd.) um eine infolge Funktionsschwächung eingetretene Vokalkürzung handeln, die vom Epos und der ionischen Wissenschaft aus in das Attische und die anderen Dialektgebiete eindrang. Leumann Mus. Helv. 6, 85ff. ( = Kl. Schr. 229ff.); ausführlich über μήν Schwyzer-Debrunner 569f. n.. Lit. Vgl. μά. II-227
μήν 2. ep. ion., auch att. μείς, dor. μής, el. μεύς, Gen. μηνός, äol. μῆννος usw. m. ‘Monat’ (seit Il.), auch ‘Mondsichel (Ar., att. Inschr., Thphr.). Kompp., z.B. μηνο-ειδής ‘mondsichelformig’ (ion. att.), PN Μηνό-δωρος, auch μηνί-αρχος, -άρχης m. ‘monatlicher Befehlshaber’ (Pap. IVa; nach ταξί-αρχος u. a.); ἠλιτό-μηνος ‘den Monat verfehlend’ (T118 u.a.; vgl. s. v.), ἐπι-μήν-ιος ‘einen Monat dauernd, monatlich’ (ion. att.; Hypostase); ausführlich über -μην- als Hinterglied Sommer Nominalkomp. 55ff. Wenige Ableitungen. μήν-η ‘Mond’ (ep. poet. seit Il.; wie σελήνη, vgl. Güntert Reimwortbildungen 220, Risch ̨ 35d), -άς ‘ds.’ (E. in lyr.); μην-ίσκος m. ‘Mondsichel’, bes. Bez. verschiedener mondsichelförmiger Gegenstände (Ar., Arist. usw.); μην-ιαῖος ‘einen Monat alt, monatlich’ (Hp., LXX, Pap. usw.), -ιεῖος ‘monatlich’ (hell. Pap. u.a.; Chantraine Form. 49 u. 53), μην-αῖος ‘zum Mond gehörig’ (Orac. ap. Lyd. Mens.; wohl von μήνη); μηνιαστεία f. ‘monatliche Leistung’ (Pap. IIIp), aber vgl. Μηνιασταί m. pl. ‘Verehrer des Μήν’ (Rhodos); μήνιον n. Pflanzenname, ‘Päonie’ (Ps.-Dsk.), wegen der astrologischen Verwendung, Strömberg Pflanzennamen 133. — Aus den äol. Cas. obl., Gen. μῆνν-ος für *μηνσ-ος usw., ergab sich analogisch ein Nom. *μηνς, woraus mit Vokalkürzung *μενς, durch Schwund des Nasals und Ersatzdehnung μείς, bzw. μής. Zu μην-ός usw. (mit Vereinfachung des νν) entstand μήν, nach Ζηνός : Ζεύς el. μεύς. — Dem obl. Stamm *μηνσ- aus idg. *mēns- stand ursprünglich im Nom. ein zweisilbiges dehnstufiges *mēnōs- oder (mit alternierendem -t-) *mēnōt- gegenüber, woraus lit. mė́nuo ‘Mond, Monat’, germ., z.B. got. menoþs ‘Monat’. Die zweisilbige Form (mit Hochstufe) ist auch in lit. mė́nes-is ‘Monat’ vorhanden. Auf einsilbigem *mēns- fußen sowohl lat. mens-is (Gen. pl. mens-um) wie (mit Schwund des -n-) aind. mās- ‘Mond, Monat’ usw. Die Entwicklung der kalendarischen Bed. ‘Monat’ ging mit Schöpfung neuer Ausdrücke für ‘Mond’ (σελήνη, luna usw.) Hand in Hand. Ursprüngliche Beziehung zu mē-’messen’ (s. μῆτις) wegen der Rolle des Monds als Zeitmesser ist sehr wohl denkbar. — Weitere Formen mit überreicher Lit. WP. 2,271f., Pok. 731f., W.-Hofmann s. mēnsis, Fraenkel s. mė́nuo, Scherer Gestirnnamen 61 ff. usw. Zu den griech. Formen Schwyzer 279f., 286, 515 m. A. 5, 569, Leumann Hom. Wörter 288 A. 41, ebenfalls m. Lit. II-227-228
μῆνιγξ, -ιγγος f. ‘Haut, Häutchen’, bes. ‘Hirnhaut’ (Hp., Arist., Gal. u. a.), auch ‘Häutchen im Auge’ (Emp., Arist.),’Trommelfell im Ohr’ (Arist.); als Vorderglied u. a. in μηνιγγο-φύλαξ m. Bez. eines chirurgischen Instruments (Mediz.). Demin. μηνίγγιον (Gloss.); ngr. μηνιγγῖτις f. ‘Hirnhautentzündung’, frz. méningite (Redard 103 f.). — Wie so viele der technischen und volkstümlichen Bildungen auf-(ι)γγ- etymologisch undurchsichtig. Seit Prellwitz wird μῆν-ιγγξ auf *mē[m]s-n- zurückgeführt, woneben μηρός aus *mē[m]s-r-; die Grundlage soll das Wort für ‘Fleisch’, idg. *mē[m]s- in aind. māṃsá-, mā́s- n. usw. sein (s. μηρός). Zur Bedeutung vgl. einige slav. Wörter für ‘innerster Teil der Haut, innere, zarte Haut usw.’, z.B. skr. mézdra, sloven. mę́zdra, neben russ. myazdrá ‘Fleisch auf der Innenseite des Felles, Fleischseite des Felles’, zu aksl. męso, russ. mjáso ‘Fleisch’ (= aind. māṃsá-; s. Vasmer s.v.). Ähnlich lat. membrana ‘dünne, zarte Haut’ von membrum ‘Körperglied’. Weiteres s. μηρός. II-228-229
μῆνις, dor. μᾶνις, -ιος, -ιδος f. ‘gerechter, heiliger Zorn’, bes. von Göttern, Manen, von Achilleus usw. (vorw. poet. seit Il.). Als Hinterglied in ἔμ-μανις ‘von Zorn erfüllt’ (kret.; zur Bildung Sommer Nominalkomp. 113). Davon μηνίω, dor. μανίω, Aor. -ῖσαι, vereinzelt mit ἀπο-, ἐπι- (ἀντι-, ἐκ-), ‘zürnen’ (ep. poet. seit Il., Hdt., hell. u. sp. Prosa) mit μήνι-μα n. ‘(Anlaß zum) Zürnen’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa), -θμός ‘das Zürnen’ (P 62, 202, 282); auch μηνιάω ‘ds.’ (LXX, D. H. usw.; zur Bildung Schwyzer 732 m. A. 4) mit μηνίαμα (LXX); Erweiterungen -ιάζω (Et. Gud.), -ίζω (An. Ox.) mit -ισμα (Iolkos IIIa). Von μῆνις (μηνίω?) noch μηνίτης (-τής?) m. ‘zornerfüllter Mann’ (Arr. Epikt.). — Etymologie unbekannt. Gegen Gleichsetzung mit lat. mānēs ‘die abgeschiedenen Seelen’ (Ehrlich KZ 41, 294 f. u. a.), wobei ἔμ-μᾱνις = im-mānis ‘ungeheuer(lich), schrecklich’ wäre (Jacobsthal IF 21 Beih. 140f.), W.-Hofmann s. mānēs m. reicher Lit. Die Zurückführung auf *μνᾱ-νις (zu μέμνημαι; Schwyzer RhM 80, 213ff., Gramm. 260) wird von Schwyzer selbst (Gramm. 495 A. 8) angezweifelt; dafür wird Anknüpfung an μαιμάω empfohlen. Die semantisch naheliegende Verbindung mit μένος u. Verw. (und mit μένω?; Curtius, Irmscher Götterzorn 5ff.) verstößt gegen den ᾱ-Vokal; Erklärungsversuch ("aus Gründen der Verschleierung") von Porzig Satzinhalte 352; noch anders Pagliaro (s. Belardi Doxa 3, 213). — Einzelheiten zur Bed. und Bildung Frisk Eranos 44, 28ff. m. Lit.; auch Porzig Satzinhalte 147, 187f., 237; zum Vokalismus Björck Alpha impurum 177 f.; zu μηνίτης noch Radermacher RhM 63, 444ff. II-229
μηνύω, dor. μανύω, Aor. -ῦσαι usw., ‘anzeigen, verraten, kundtun’ (seit h. Merc.; Zumbach Neuerungen 52). auch m. Präfix, z.B. κατα-, ἐκ-, Ableitungen: μήνυμα n. ‘Anzeige’ (Th., Men. usw.), (κατα -)μήνυσις ‘ds.’ (att. usw.); μηνυτής m. ‘Anzeiger, Angeber’ (att.; Fraenkel Nom. ag. 2, 17), auch -τήρ ‘ds.’ (A. Eu. 245, Orph. H.; Fraenkel 2, 13, Benveniste Noms d’agent 42), μανύτωρ ‘ds.’ (AP); μηνυτικός ‘anzeigend, angeberisch’ (Ph., D.C. u.a.); μήνυτρον, gew. pl. -α ‘Lohn für Anzeige’ (seit h. Merc.) mit μηνυτρίζομαι ‘(gegen Anzeigerlohn) angegeben werden’ (hell. Pap.; auch H. als Erklärung von μηνύεσθαι). — In μηνύω kann entweder ein primäres thematisches νυ-Präsens mit analogisch durchgeführtem Präsenssuffix (vgl τανύω : τανύσ(σ)αι und Schwyzer 698 f.) oder ein Denominativum von *μῆνυ-ς bzw. *μηνύ̄-ς (νυ- oder υ-Suffix; vgl. Schwyzer 727) stecken. Das Wort bleibt im übrigen dunkel und ohne Anknüpfung. Unbrauchbare Hypothesen (zu μένος usw.; zu lit mó-ju, mó-ti ‘mit der Hand winken’ usw.) sind bei Bq notiert; s. auch WP. 2, 219f., Pok. 693. II-229-230
μῆον (v. l. μεῖον) n. N. einer Umbellatenart, ‘Bärwurz, Meum. athamanticum’ (Dsk., Plin. u. a.). — Nach Carnoy REGr. 71, 96 zu mei- ‘être rafraîchissant’ (= WP. 8. mei- [2, 244], Pok. 7. mēi- [711]). Überzeugend? II-230
μῆριγξ daneben σμῆριγξ· πόα, καὶ εἶδος ἀκάνθης, σμήριγγες· πλεκταί, σειραί. βόστρυχοι. καὶ τῶν κυνῶν ἐν τοῖς μηροῖς καὶ τοῖς αὐχέσιν ὀρθαὶ τρίχες H.; Bez. einer Haarbekleidung (Lyk. 37, Poll. 2, 22). · ἄκανθα γινομένη ἐν τοῖς ἐρίοις τῶν προβάτων H.; — Im Sinn von ‘πλεκταί. σειραί’ stimmt σμῆριγξ zu μήρινθος (s. d.); die, wie es scheint, gewöhnlichere Bed. ‘Borste o. ä.’ liegt dagegen ziemlich weit davon ab. Es ist somit etwas zweifelhaft, ob die Wörter, wie angenommen wird (Chantraine Mél. Glotz [Paris 1932] 165, Schwyzer 498, v. Windekens Le Pelasgique 121), urspr. mit einander zusammenhängen; die mutmaßlich okkasionelle Bed. ‘Seil, Schnur’ kann durch den Anklang an μήρινθος, μηρύω verursacht sein. Die Bed. ’ἐν τοῖς μηροῖς... τρίχες’ ist ein Versuch, μῆριγξ mit μηρός zu verbinden. — Im übrigen dunkel. II-230
μήρινθος f. ‘Schnur, Faden’ s. μηρύομαι. II-230
μηρός pl. μηροί m. und μῆρα n. m., ‘der obere fleischige Teil des Schenkels, Schenkelbein’ (seit Il.; zur Bed. vgl. die Diskussion bei Meuli Phyllobolia [Festschr. v. d. Mühll 1946] 215ff.; dazu Rez. in AmJPh 71, 89f.). Einzelne Kompp. wie μηρο-τραφής ‘mit fleischigen Schenkeln’ (Str., AP u. a.), σύμ-μηρος ‘mit zusammengehaltenen Schenkeln’ (Hp.). Wenige Ableitungen: μηρία n. pl. (-ίον sg. Posidon.) ‘Schenkelstücke’ (ep. poet. seit Il.); μηρ-ιαῖος ‘zu den Schenkeln gehörig’ (X. u.a.; wie νωτ-ιαῖος usw., Chantraine Form. 49); μηρίζω ‘an den Schenkeln schlagen’ (D. L.; nach γαστρίζω), aber δια-μηρίζω ‘die Schenkel auseinanderhalten’ mit -ισμός (Ar., Zeno), auch κατα- ~ ‘ds.’ (Suid.). — Der alte kollektive Plur. μῆρα (Schwyzer 581, Schw.-Debrunner 37) kann mit lat. membra n. pl. ‘Körperglieder’ gleichgesetzt werden (Bezzenberger BB 1, 340 f.); Grundform dann *mēms-r-ā. Eine nasallose Form *mēs-r- ist aber wie bei air. mīr ‘Stück, Bissen’ auch möglich und lautlich wohl vorzuziehen (vgl. Schwyzer 282). Das anklingende slav. Wort, z.B. russ. myazdrá ‘Fleischseite des Felles’ ist sowohl begrifflich wie lautlich schwierig damit zu vereinigen, s. Vasmer s. v. Zugrunde läge dann ein Wort für ‘Fleisch’, idg. *mēms(-o)- n. in aind. māṃsá-, got. mimz u. a. m.; daneben mit Schwund des Nasals (wie im Wort für ‘Mond’; s. 2. μήν) idg. *mēs- n. in aind. mā́s-. — Eine parallele Ableitung mit n-Suffix ist in μῆνιγξ ‘Hirnhaut’ (s. d.) vermutet worden. — Weitere Formen m. reicher Lit. bei W.-Hofmann s. membrum; auch WP. 2, 262 und Pok. 725. Ältere Lit. auch bei Bq. II-230-231
μηρυκάζω (Arist., Thphr.), -άομαι, ‘wiederkäuen’. auch mit ἀνα-, ἀπο-, (LXX, Ph., Plu. u. a.; μαρ- Ath. 9, 390f, Jul. Gal. 314d), -ίζω (Gal.) Davon μηρυκισμός m. (LXX u. a.), ἀνα-μηρύκη-σις f. (Aristeas) ‘das Wiederkäuen’; Rückbildung μήρυξ m. N. eines angeblich wiederkäuenden Fisches, ‘Scarus cretensis’ (Arist.), s. Strömberg Fischnamen 53. — Die drei Verba μηρυκ-άομαι, -άζω, -ίζω können entweder als Denominativa von einem Nomen mit κ- Suffix ausgehen oder expressive (iterative) Erweiterungen eines primären *μηρύκ-ω sein, das seinerseits ein erweiterndes -κ- (ἐρύ-κ-ω mit ἐρυκ-άνω, -ανάω :ἐρύομαι od. ἐρύω; Schwyyzer 702) enthalten mag. Man kommt dadurch auf *μηρύω, -ύομαι ‘wickeln, winden’ zurück, was sich unschwer mit den windenden und drehenden Maul- und Muschelbewegungen eines Wiederkäuers vereinigen läßt; vgl. Grošelj Razprave 2, 44. — Nicht mit Machek Ling. Posn. 5, 67 f. zu slav. rumigati, lat. rūmi-gāre mit Metathese. II-231
μηρύομαι, dor. μαρ- (Theok., vgl. unten), Aor. μηρύσασθαι, Perf. μεμήρυκα (Hp.), ‘zusammen-, aufwickeln, winden’ (μ 170, Hes., Hp., X., Plb., Hero usw.). auch mit Präfix wie ἐκ-, περι-, συν-, Davon μήρυμα n. ‘das Gewickelte, der Wickel. Fitze, Docke’ (Hero, Ph. Bel., Nik. usw.), -μάτιον (Hero); συμμήρυ-σις f. ‘Zusammenwindung, Verbindung’ (M. Ant.). Daneben μήρινθος f. (zum Genus Schwyzer-Debrunner 34 A. 2) ‘Schnur, Faden’ (seit Il.), σμήρινθος f. (Pl. Lg. 644 e; σ- sekundär; vgl. Schwyzer 311). — Zusammenhang mit μέρμις liegt nahe, aber alle Einzelheiten bleiben dunkel. Die Anknüpfung an das ziemlich vage idg. mer- ‘flechten, binden’ (s. zu μέρμις) setzt übrigens voraus, daß μαρύεται Theok. 1, 22 ein Hyperdorismus ist. — Wegen des Suffixes ist μήρινθος selbstverständlich der Entlehnung verdächtig (Schwyzer 510, Chantraine Form. 371), man hat aber dabei mit Angleichung an das wohl ererbte μηρύομαι zu rechnen. Für pelasgische Herkunft v. Windekens Le Pélasgique 121 f. Nach v. Blumenthal IF48, 50 eig. ‘Bogensehne’ zu ägäisch mēr- ‘Bogen’ in Μηρ-ιόνης. II-231
μήτηρ (dor. μάτηρ), μητρός, μητέρα usw. (Schwyzer 567); myk. ma-te. f. ‘Mutter’ (seit Il.) Zahlreiche Kompp., z.B. μητρο-πάτωρ ‘der Mutter Vater, Großvater von mütterlicher Seite’ (Il. usw.) und andere Verwandtschaftsnamen, μητρό-πολις f. ‘Stadt, welche Mutter ist, Mutterstadt’ (Pi., Simon,. ion. att.), Δημήτηρ (s. bes.), ἀ-μήτωρ ‘mutterlos’ (Hdt. u.a.), poet. auch ‘Nicht-Mutter’ in μήτηρ ἀμήτωρ (S.); zu den Kompp. im allg. Sommer Nominalkomp. 147, 176f. u.a. (s. Index S. 208), Risch IF 59, 17f., 59 u. 261, Wackernagel Glotta 14, 38 (= Kl. Schr. 2, 846). Ableitungen. 1. Deminutiva: ματρύλ(λ)α f. "Mütterchen", ‘Bordellwirtin’ (Phryn., Eust.) mit ματρυλ-εῖον ‘Bordell’ (Din., Men. u.a.); Leumann Glotta 32,224 (= Kl. Schr. 250), Björck Alpha impurum 67 m. Lit.; μητράριον = matercula (Gloss.). — 2. μήτρα, ion. -η f. ‘Gebärmutter, Mutterleib’ (ion. att.), übertr. ‘Kernholz, Mark’ (Thphr.; Strömberg Theophrastea 122 ff.), auch ‘Bienenkönigin’ (Arist.; Wackernagel Festgabe Kaegi 55 [= Kl. Schr. 1, 483] und Sommer Nominalkomp. 147 A. 4 m. weiteren Einzelheiten); μητρίδιος "mit Mutterleib versehen", ‘samenreich’ (Ar. Lys. 549; nach κουρίδιος, νυμφίδιος?). — 3. μητρίς (sc. γῆ) f. ‘das Land der Mutter’ (Pherekr. u.a.; nach πατρίς). — 4. μητρικός ‘auf die M. bezüglich’ (Arist., hell. Inschr., sp. Pap. u.a.; Wackernagel a.O. 5 3 f. [= 481 f.]). — 5. μητρό-θεν (dor. μα-) ‘von der M. her’ (vorw. poet. seit Pi.). — 6. Denominative Verba: μητρ-ιάζω ‘die (große) Mutter verehren’ (Poll.; nach θυσι-άζω u.a., vgl. Schwyzer 735), -ίζω ‘der (großen) Mutter angehören’ (Iamb.), -άζω ‘der Mutter ähneln’ (Gloss.). —7. PN Μητρείς (Schulze Kl. Schr. 419), Μᾶτρυς (Leumann Glotta 32, 220 [= Kl. Schr. 246]). — 8. Zu μήτρως und μητρυιά s. bes. — Über μήτηρ nebst Ableitungen Chantraine REGr. 59—60, 238ff.; über familiäre Ersatzwörter (μαῖα u.a.) ders. Etudes 16. — Altes, auf ein Lallwort mā (s. μᾶ) zurückgehendes Erbwort für ‘Mutter’, das in allen Sprachfamihen außer dem Heth. (wo annaš) erhalten ist, z.B. aind. mātár-, lat. māter, lit. mótė ‘Mutter’ (dial.), meist ‘Frau, Weib, Ehefrau’, germ., z.B. ahd. muoter. Weitere Formen aus den verschiedenen Sprachen mit zugehöriger Lit. bei WP. 2, 229, Pok. 700 und in den einschlägigen Spezialwörterbüchern. II-232
μῆτις, -ιος, -ιδος f. ‘Maßnahme, Anschlag, kluge Maßnahme, Klugheit’ (ep. poet. seit Il.). Als Hinterglied z.B. im πολύ-μητις ‘mit vielen Anschlägen, erfindungsreich’, von Odysseus, auch von Hephaistos (Hom. etc.), ἀγκυλο-μήτης ‘mit krummen Anschlagen, verschlagen’, von Kronos, auch von Prometheus (Hom.etc.); zur Umbiegung in die ᾱ-Stämme Wackernagel Gott. Nachr. 1914, 48 f. (= Kl. Schr. 2, 11 50 f.), Schwyzer 561 m. A. 5. Ableitungen: 1. μητιέτᾰ Nom. u. (urspr.) Vok., Beiwort des Zeus, ‘der μῆτις besitzt’, metr. bedingte Form am Versende für *μητῖτα nach νεφεληγερ-έτα (Ζεύς) u.a.; dazu Akk. μητιέτην (Versinschr. Tegea), Nom.- έτης (Corn.); s. Fraenkel Nom. ag. 2, 186A.1, Risch Sprachgesch. u. Wortbed. 394 m. Lit.; verfehlt Fraenkel Festschr. B. Snell (1956) 186 ff. — 2. μητιόεις ‘von μ. erfüllt’, von Ζεύς, φάρμακα u.a. (δ 227, h. Ap. 344, Hes. u. a.); zur Bildung außer Schwyzer 527 Fraenkel a.a.O. — Denominatives Verb: Aor. μητίσασθαι, Fut. μητίσεσθαι ‘nachdenken, ausdenken, ersinnen’ (Hom., Emp., A. R.; Präs. μητίομαι Pi. P. 2, 92); als Präs. erscheint im Epos aus metr. Rücksichten (nach den Verba auf -ιάω) μητιάω, -άομαι (μητιόων, μητιάασθαι usw.), auch mit ἐπι-, συν-, (Hom., A. R.); Schwyzer 727 u. 732. Verbalnomen μητίματα pl. H. s.v. μήτεα (für μήδεα?). — Als urspr. Verbalnomen *’Messung, Abmessung’ (wenig wahrscheinlich ‘Messer’ als Nom. ag.; vgl. dazu Holt Les noms d’action en -σις 26 u. 37 f., Borgström NTS 16, 145) hat μῆτις genaue Entsprechungen in aind. māti- ‘Maß’ (Lex.) und in dem im Germ. isolierten ags. mǣd f. ‘Maß’; dasselbe Nomen wird auch von lat. mētior ‘(ab)messen’ vorausgesetzt. Das zugrunde liegende primäre Verb ist nur im Indoiran., z.B. aind. mā́-ti, redupl. mí-mā-ti ‘messen’ (wozu u.a. upa-mā- mit úpamā-ti-’Zuteilung, Zumessung’) vorhanden. Eine andere Bildung ist μή-τρα ‘Ackermaß’; damit ablautend μέτρον (s.d.). Auch in den übrigen Sprachen sind mehrere isolierte Verbalnomina mit verschiedenen Bedd. erhalten geblieben, so germ., z.B. got. mēl ‘Zeit’, ahd. māl ‘Zeitpunkt, Mahlzeit, Mahl’. — Das unassibilierte -τι- (für -σι-) hängt mit der isolierten Stellung des altertümlichen μῆτις zusammen, vgl. Schwyzer 505 und Chantraine Form. 277; zu μῆτις im allg. Porzig Satzinhalte 329 u. 336, Benveniste Noms d’agent 77. — Weitere Formen m. Lit. WP. 2, 237f., Pok. 703f., W.-Hofmann s. mētior. II-232-233
μήτρα 1. f. ‘Gebärmutter, Mutterleib, Kernholz, Mark’ s. μήτηρ. II-233
μήτρα 2. f. ‘Ackermaß, κλῆρος’ s. μέτρον. II-233
μήτρως, dor. μάτρως, -ωος u. -ω (weitere Formen bei Schwyzer 480 und in LSJ) m. ‘männlicher Verwandter der Mutter, Oheim, Großvater’ (seit Il.). Davon μητρώϊος, -ῷος (dor. μα-) eig. ‘den μήτρωες, d.h. der mütterlichen Sippe gehörig’ (τ 410), dann mit direkter Beziehung auf μήτηρ ‘was der Mutter gehört, mütterlich’ (A. usw.); τὸ Μητρῷον (sc. ἱερόν) ‘der Tempel der großen Mutter Kybele’, in Athen als Staatsarchiv benutzt (att. usw.); τὰ Μητρῷα (sc. ἱερά) ‘der Tempeldienst der Kybele’ (D. H. u.a.); davon μητρῳακός ‘dem Dienst der Kybele gehörig’ und μητρῴζω ‘die Kybelefeier begehen’ (sp.); μητρωϊκός = μητρικός (Delos IIa). — Nebenform μήτρων (dor. μά-), -ωνος m. (kleinas. Inschr.; aus dem Akk. μήτρων hervorgegangen). — μητρυιά, dor. μα-, ion. -ιή f. ‘Stiefmutter’ (seit Il.) mit μητρυι-ώδης ‘stiefmütterlich’ (Plu.), -άζω ‘als Stiefmutter auftreten’ (Gloss.); dazu als scherzhafte Neubildung μητρυιός m. ‘Stiefvater’ (Theopomp. Kom., Hyp.). — Ableitung von μήτηρ, aber im einzelnen strittig. Eine ō-Ableitung scheint auch im. lat. matrōna eingekapselt zu sein. Wenn man gemäß der communis opinio μητρυιά mit μήτρως zusammenhält, wofür eigentlich kein triftiger Grund vorliegt, ist am ehesten von einem gedehnten ōu- Diphthong (> ō) auszugehen, wozu -υ- in μητρυιά die Schwundstufe wäre (vgl. Schwyzer 479 f. m. Lit.). Zu μητρυιά (wohl für älteres *μήτρυιᾰ, Gen. -υιᾶς; Wackernagel KZ 33, 574 [= Kl. Schr. 2, 1207] A.l, Schwyzer 469 m. A. 8) bietet das nahestehende Armenische in mawru, Gen. mawrui (aus *mātruu̯i-) ‘Stiefmutter, Schwiegermutter’, vielleicht auch das entlegene Westgermanische in z.B. ags. modrige ‘Mutters Schwester’ (urg. *mōdruu̯i̯ōn- aus idg. *mātruu̯i̯ā?) eine direkte Entsprechung; die Bildung muß somit vorgriechisch sein. Eine Vermutung über die Entstehung (nach dem alten Wort für ‘Schwiegermutter’, lat. socrus = gr. *ἑκρύς ?; s. ἑκυρός, -ά) bei Wackernagel Festgabe Kaegi 44 (= Kl. Schr. 1, 472) A. 2. — Vgl. die Lit. zu μήτηρ. II-233-234
μηχανή, dor. μαχανά f. ‘Mittel, Hilfsmittel, Erfindung, Apparat, Maschine, Kunstgriff, List’ (ion. att., dor.). Kompp., z.B. μηχανο-ποιός ‘Maschinenbauer, Ingenieur, Maschinist’ (att.), ἀ-μήχανος (dor. -ά-) ‘ohne Mittel usw., hilflos; dem. mit Mitteln usw. nicht beizukommen ist, unwiderstehlich, unmöglich’ (seit Il.; zum. Teil mit μηχανάομαι assoziiert) mit ἀμηχαν-ία, -ίη (ι 295 u.a.), -έω (ion.). Ableitungen: 1. Ganz unsicher Μαχα-νεύς Bein. des Zeus (Argos, Tanagra, Kos, seit Va; s.v. Wilamowitz Glaube 2, 172), auch N. eines Monats (Korkyra), Μα-χανεῖος N. eines Monats (Chalkedon); Μαχαν-ίς Bein. der Athena (Kos), -ῖτις Bein. der Aphrodite und der Athena (Megalopolis). — 2. μηχανιώτης ‘Erfinder, Ränkeschmied’, von Hermes (h. Merc. 436; nach ἀγγελι-ώτης u.a., Zumbach Neuerungen 7). — 3. μηχανάριος ‘Maschinist’ (Pap.). — 4. μηχαν-όεις ‘voll von Mitteln, erfinderisch’ (S. in lyr.), -ικός ‘ds., zu Maschinen gehörig, mechanisch’, Subst. ‘Maschinenbauer’ (X., Arist. usw.; Chantraine Études 101 u. 141). — 5. μηχάνωμα (dor. μα-) n. ‘Apparat, Kran’ (Thphr., Delphi; aus μηχανή erweitert, Chantraine Form. 187). — 6. Denominativum μηχανάομαι (-άω), Aor. μηχανήσασθαι usw., auch mit Präfix, z.B. ἐπι-, ἀντι-, προσ-, ‘zustandebringen, konstruieren, künstlerisch verfertigen, bewirken, (mit List) ersinnen’ (seit Il.); davon μηχάν-ημα ‘Erfindung, Apparat, listige Einrichtung’ (Hp., D., Trag. usw.), -ησις ‘ds.’ (Hp., Plb. u.a.), -ητής m. ‘Erfinder von Kriegsmaschinen’ (Sch.), -ητικός ‘erfinderisch’ (X.). — Daneben μῆχαρ n. indekl. ‘Mittel, Hilfsmittel’ (A. in lyr., Lyk.), μῆχος (dor. μᾶ-) n. ‘ds.’ (ep. poet. seit Il., auch Hdt.), beide im Gegensatz zu μηχανή absterbende Wörter ohne Kompp. u. Abl. — Aus einer ursprünglichen Heteroklisie urgr. *μᾶχαρ, *μάχαν-ος ist durch Verallgemeinerung des n-Stammes und Hinzufügung eines erweiternden -ā (vgl. Schwyzer 459) das fast alleinherrschende μαχαν-ά, μηχαν-ή hervorgegangen; die Bildung hat sich dabei bzgl. des Akzents nach den Verbalnomina (φυλακ-ή, κομιδ-ή usw.) gerichtet. Neben dem r-n-Stamm stand wie so oft ein s -Stamm, μῆχος. — Als Verwandte werden gewöhnlich mit Osthoff PBBeitr. 15, 211 ff. (nach Bopp, Pott u.a.) einige kurzvokalige Verbalformen nebst zugehörigen Nomina im Germanischen und Slavischen betrachtet: germ., z.B. got. mag ‘kann, vermag, mag’, slav., z.B. aksl. mogǫ, mošti, russ. mogú, močь ‘können, vermögen’ mit got. mahts ‘Kraft, Macht’ usw. = aksl. moštь, russ. močь ‘ds.’. Neben dieser ti-Ableitung steht im Germ. eine n-Bildung in ahd. magan, megin, awno. magn, megin ‘Kraft, Macht’, die mit μηχανή direkt zusammenhängen kann. Hinzu kommt (mit v. Windekens Lex. etym.) toch. A mokats ‘mächtig’ (wie tsop-ats ‘groß’ usw.). — Anders Prellwitz (als Alternative), Fraenkel Lexis2, 170 u. Wb. s.v. : zu lit. móku, mokė́ti ‘können, verstehen, (be)-zahlen’ unter Annahme einer idg. Tenuis asp. qh; dabei werden mag, mogǫ usw. anders eingereiht (zu lit. magù, -ė́ti ‘gefallen, angenehm sein’, mė́gstu, mė́gti ‘lieben, gern haben’ usw.). Die letztgenannten lit. Wörter auch mit μηχανή zu verbinden (W.-Hofmann s. mactus, Vasmer s. mogú), ist, von der Bed. abgesehen, schon wegen des dabei anzunehmenden Ablauts ē : ā bedenklich. — Aus dor. μαχανά lat. māchina, aus μηχανή pashto mēčan ‘Handmühle’ (Morgenstierne Acta Or. 7, 200; 18, 143); zur Bed. vgl. vlat. māchina auch ‘Mühlstein, Handmühle’, alb. (über das Illyrische) mókërë ‘Mühlstein’. — WP. 2, 227, Pok. 695; dazu W.-Hofmann, Vasmer und Fraenkel (s. oben). II-234-235
μία f. ‘eine’ s. εἷς. II-235
μιαίνω, Aor. μιᾶναι, μιῆναι, Pass. μιανθῆναι (alles seit Il.), Fut. μιανῶ (Kyrene, Antipho), Pass. Fut. u. Perf. μιανθήσομαι, μεμίασμαι (att. usw.), Akt. Perf. μεμίαγκα (Plu.), Pass. Aor. Konj. 3. sg. μιᾷ m. Fut. μιασεῖ (Kyrene; Schwyzer 743 m. A. 9 u. 786), ‘beflecken, besudeln, verunreinigen, bes. durch Blutschuld, entweihen’. vereinzelt m. Präfix wie ἐκ-, κατα-, συν- — Komp. μιαι-φόνος ‘einen befleckenden Mord begehend, mordbefleckt’, Beiw. des Ares (in Ε und Φ, B., Hdt., E.; μιη-φόνος Archil.) mit -έω (att. usw.), -ία (D., D. S., Plu.). Davon μίασμα n. ‘Befleckung, Greuel, Greuelfleck’ (ion. att.; zur Bildung usw. Porzig Satzinhalte 241), μιασμός m. ‘Beflekkung’ (LXX, Plu. u. a.), μίανσις f. ‘ds.’ (LXX u. a.); μιάστωρ m. ‘Beflecker, Rachegeist, Rächer’ (Trag. u. sp. Prosa; -σ- wie in μίασμα, vgl. noch ἀλάστωρ und Schwyzer 531; unnötige Bedenken bei Fraenkel Nom. ag. 2, 24); μιάντης m. ‘ds.’ (EM), ἀ-μίαν-τος ‘unbefleckt’ (Thgn., Pi. u.a.), m. Bez. eines Steins (Arist., Plin., Dsk.). — Daneben μιαρός (seit Il.), μιερός (Kall. u.a.) ‘befleckt, besudelt, verunreinigt, bes. durch Blutschuld’ mit μιαρ-ία (att.), -ότης (An. Ox.). — Für sich stehen m. χ-Suffix (Schwyzer 498, Chantraine Form. 403f.) die expressiven μίαχος· μίασμα, μιαχρόν· <οὐ?> καθαρόν H. — Mit dem r-n-Wechsel -αίνω : -αρός folgt μιαίνω : μιαρός (ἰαίνω : ἱερός?; s. Fraenkel Glotta 20, 92 f. mit Debrunner IF 21, 32 u. 43) einem wohlbekannten Schema; eine sichere außergriechische Entsprechung ist indessen nicht gefunden. Unwahrscheinliche oder ganz unsichere Hypothesen : zu aind. mū́tram n. ‘Urin’, aw. mūþra- n. ‘Unreinigkeit’ (Fick GGA 1881, 1427; zustimmend Bechtel Lex. 227; im Vokal abweichend); zu lit. máiva ‘Sumpfboden’, miẽlės ‘Hefe’, germ.,z.B. ahd. meil(a) ‘Fleck, Makel’ (Persson Beitr. 1, 221; letzteres mit Grienberger und Wiedemann), wozu nach H. Petersson Heteroklisie 180 ff. (m. weiteren unsicheren Kombinationen) noch arm. mic, Gen. mc-i ‘Dreck, Kot’ (idg. *miĝ-). — Das Vorderglied in μιαι-φόνος ist wohl wie in ταλαί-πωρος verbal aufzufassen ("ὁ μιαίνων φόνῳ"); daneben μιη-φόνος wie ’Αλθη-neben ’Αλθαι-μένης; eine Silbenlänge war ja sowieso metrisch erforderlich. Einzelheiten m. reicher Lit. bei Schwyzer 448. Ein Subst. *μι(ϝ)ᾱ, zumal mit einem angebl. Lok. μιαι- (Persson Stud. 155, Bechtel Lex. s.v. u. Dial. 3, 118f.) ist nicht glaubhaft. — WP. 2, 243 m. weiteren Formen u. Lit., Pok. 697, Fraenkel Wb. s. máiva. II-235-236
μῑκρός (Ε 801, γ 296, Trag., att. usw.), auch σμικρός (Ρ 757, Hes. Op. 361, ion., Trag., att.), μικκός (dor. böot.),μικός (att. Inschr. IVa, Trag. Adesp. 31, Pap.) ‘klein, kurz, gering’; über Bed. und Gebrauch (neben ὀλίγος) in der Poesie Moorhouse Class. Quart. 41, 31 ff. Sehr oft als Vorderglied, zumal in der wissenschaftlichen und technischen Sprache. Wenige Ableitungen. Deminutiva und Hypokoristika : μικύλος (Mosch. 1, 13); μικύ-θινον· τὸ μικρόν καὶ νήπιον H.; *μικκιχος (vgl. ὁσσίχος u.a.. Chantraine Form. 404) in lak. μικκιχιδδόμενος ‘minderjährig’ (Inschr.; von *μικκιχίζομαι; vgl. Schwyzer 331); vgl. auch die PN unten. Abstraktum: (σ)μικρότης f. ‘Kleinigkeit, Geringfügigkeit’ (Anaxag., Pl. usw.). Denominativa : (σ)μικρύνω, auch mit Präfix, namentlich κατα-, ‘verkleinern, vermindern, herabsetzen’ (Demetr. Eloc., LXX u.a.); κατασμικρίζω ‘ds.’ (Arist., Phld.), σμικρίζεσθαι· διαττᾶσθαι H.; ἀποσμικρόω ‘ds.’ (Tim. Lex.). — PN, z.B. Σμικρίνης m. "Geizhals" (Men. u.a.; wie Αἰσχίνης usw.), Μίκων, Μικίων, Μίκυθος, -ίων, Σμικυθίων (Leumann Hom. Wörter 155 A. 129, Schulze Kl. Schr. 671). — Zu σμικρός (älter) und μικρός mit unerklärtem Anlautwechsel Schwyzer 310f.; das ρ-Suffix kann aus dem. Oppositum μακρός stammen (vgl. Güntert Reimwortbildungen 160); anders Bloomfield Lang. 1, 94: μικ-ρό-ς : μικ-υ-θός alter ro : u-Wechsel. Durch expressive Gemination entstand μικκός, wozu, mit normalsprachlicher Vereinfachung des κ, μικός. — Ohne genaue außergriechische Entsprechung. Zum Vergleich bieten sich zunächst einerseits lat. mīca ‘Krume, Korn, ein Bißchen’ (kann für *smīk-ā stehen), anderseits germ. Wörter für ‘klein’ mit idg. ē-Vokal, z.B. ahd. smāhi ‘klein, gering, niedrig’ mit smāhen ‘verringern’, nhd. schmähen; wer will, kann diese Formen unter idg. smē[i]k- : smīk- ablautmäßig zusammenbringen. Dazu kommen Adj. für ‘zierlich, elegant’ mit idg. g, z.B. ags. smicre ‘elegant, schmuck’, lit. su-smìžęs ‘klein, verkrüppelt’. Die schwankende lautliche Gestalt hat ja bei einem Wort dieser Bed. nichts Befremdendes; über den lautsymbolischen Charakter des i (gegenüber α in μακρός) Sieberer Sprache 2, 118 A. 73 (S. 119).— Die Anknüpfung an den Komparativ μείων. wobei das κ aus dem Oppositum. μακρός geholt wäre (Seiler Steigerungsformen 115), scheitert an dem offenbar älteren σμικρός, das sich mit μείων (zu aind. minā́ti ‘mindern’ usw.) nicht verträgt. — Weiteres Material m. reicher Lit. bringen WP. 2, 685f., Pok. 966f., W.-Hofmann s. mīca. II-236-237
μῖλαξ 1., μῖλος ‘Taxus, Eibe’ s. σμῖλαξ. II-237
μῖλαξ 2. = μέλλαξ (Hermipp. Kom. 33). — Mit 1. μῖλαξ als Metapher identisch? Baunack Phil. 70, 461 vermutet Kreuzung von μεῖραξ (gespr. μῑρ-) und μέλλαξ (?). II-237
μιλλός auch PN Μίλων (Inschr.). · βραδύς, χαῦνος H; dazu ἀργός· μιλός, βραδύς und νωχέλεια· .... μιλότης (-ώτις cod.) H.; — Unerklärt; vgl. Latte Glotta 34, 191 f. II-237
μίλτος f. ‘Rötel, rote Erde, rote Farbe, Zinnober, Mennige’ (Hdt., Kom., att. Inschr. usw.), auch ‘Rost’ bei Pflanzen = ἐρυσίβη (Paus. Gr.), als Tabuwort für ‘Blut’ (PMag.). Kompp., z.B. μιλτο-πάρῃος ‘mit rotgestrichenen Wangen’, von Schiffen (Hom. u.a.), ἔμ-, σύμ-μιλτος ‘mit Rot gestrichen’ (Dsk., Lebadea). Davon μιλτάριον = ‘Blut’ (PMag.), μιλτεῖον ‘Mennigegefäß’ (AP), μίλτ-ειος ‘aus μ.’ (AP), -ώδης ’μ.-farben, -reich’ (Eub. Kom., Str. u.a.), -ίτης m. N. eines roten Steins (Plin.; Redard 57), -όω ‘mit μ. bestreichen’ (Hdt., Ar. usw.). EN Μιλτεύς (Epid.VIa; oder Appellativum), Μιλτ-ιάδης (nach Στρεψι-άδης u.a.), Μιλτώ f. usw. — Technisches Fremdwort unbekannter Herkunft (vgl. Schwyzer 503). Die geläufige Anknüpfung an μέλας usw. (Prellwitz. Bq, WP. 2, 293 usw.) ist lautlich wie morphologisch gleich unmöglich, begrifflich wenig treffend. II-237-238
μίλφοι m. pl. ‘die ausfallenden Wimpern’ (Dsk., Gal.), μίλφωσις f. ‘das Ausfallen der Wimpern’ (Gal.; vgl. ἕλκωσις, ἴλλωσις, κνίδωσις u.a.), Rückbildung μιλφός m. ‘der an μίλφωσις leidet’ (Vett. Val.). — Wie so viele der Nomina auf -φος etymologisch dunkel. II-238
μιμαίκυλον (μεμ-) n. ‘Frucht des Erdbeerbaumes, des κόμαρος’ (Kom., Thphr. u.a.), vgl. Dawkins JournofHellStud. 56, 1. — Unerklärtes Fremdwort; zum Ausgang vgl. das sinnverwandte ἄκυλος. II-238
μίμαρκυς, -υος f. ‘Eingeweide geschlachteter Tiere, bes. Hasen, mit Blut angemacht’ (Kom.). — Scheint eine Reduplikation zu enthalten (Schwyzer 423 m. A. 8). Eine schlagende, wohl kaum zufällige Ähnlichkeit zeigt ein synonymes germ. Wort, ags. mearh ‘Wurst’, norw. mor ‘Fleischwurst aus Kaldaunen’, awno. mǫrr ‘das Fett im Innern eines geschlachteten Tieres’ usw., urg. *márhu-, idg. *márku- od. *mórku- (Lidén IF 18, 407f., KZ 41, 398f., Meijerbergs Arkiv 1 [Göteborg 1939] 76 ff.); es muß sich dann um einen uralten tieranatomischen Ausdruck der Viehzüchter handeln; vgl. ἤνυστρον. Weitere Anknüpfungen wie heth. mark-, z.B. 3. pl. markanzi ‘sie zerschneiden’, lat. murcus ‘verstümmelt’ bei WP. 2, 278, Pok. 737, auch W.-Hofmann s. marceō. Nach Neumann Heth. u. luv. Sprachgut 85 f. wäre μίμαρκυς aus dem Heth. oder aus einer anderen idg. kleinas. Sprache entlehnt. II-238
μιμνήσκω, gew. -ομαι (-ῄσκω, Schwyzer 709f., äol. μιμναισκω [Gramm.], μνήσκεται Anakr.), Fut. μνήσω, -ομαι, Aor. μνῆσαι (dor. μνᾶσαι), -ασθαι, Perf. Med. μέμνημαι (dor. -μνᾱ-, äol. -μναι-) mit Fut. μεμνήσομαι (alles seit Il.), Aor. Pass. μνησθῆναι (seit δ 418, äol. μνασθῆναι) mit Fut. μνησθήσομαι (ion. att.), ‘erinnern; sich erinnern, gedenken, für etw. sorgen, erwähnen’; Präs. auch μνάομαι, μνῶμαι, μνώοντο, μνωόμενος usw. ‘sich erinnern, gedenken, sinnen’ (Il.), ‘um eine Frau werben, freien’ (Od.) ‘um Herrschaft usw. werben’ (Hdt., Pi., auch sp. Prosa), προ-μνάομαι ‘für einen werben’ (S., Pl., X. u.a.); vgl. unten. oft mit Präfix, bes. ὑπο-, ἀνα-, wozu παρ-, προσ-υπομιμνήσκω, ἐπ-, συν-, προ-αναμιμνήσκω, Zahlreiche Ableitungen. 1. μνῆμα, dor. äol. μνᾶμα n. ‘Andenken, Denkmal, Grabmal’ (vorw. ep. poet. seit Il.) mit μνημ-εῖον, ion. -ήϊον, dor. μναμ- ‘ds.’ (dor., ion. att.; vgl. σῆμα : σημεῖον u.a., Chantraine Form. 61, Schwyzer 470), vereinzelt u. spät -άτιον, -άδιον, -άφιον, -όριον (s. μεμόριον); μνηματίτης λόγος ‘Denkrede’ (Choerob., Eust.; Redard 47); ὑπόμνη-μα ‘Erinnerung, Denkschrift, Eingabe’ (att. usw.) mit -ματικός, -ματίζομαι u. a. — 2. μνήμη, dor. μνάμα f. ‘Erinnerung, Gedächtnis, Erwähnung’ (dor., ion. att.; μνή-σ-μη Lykaonien); davon od. von μνῆμα : μνημ-ήϊος ‘zum Andenken, zur Erinnerung’ (Phryg.), -ίσκομαι = μιμνήσκομαι (Pap.). — 3. μνεία f. ‘Erinnerung, Erwähnung’ (att.), Verbalnomen aus * μνᾱ- ΐα wie πεν-ία u.a. (vgl. Chantraine Form. 81), kaum mit Schwyzer 425 nach Sandsjoe Adj. auf -αιος 75f. aus einem Wz.nomen *μνᾱ erweitert. — 4. μνῆστις (μνᾶσ-) f. ‘Erinnerung, Gedanke, Nachruhm’ (ep. poet. seit ν 280) mit -σ- wie in μνη-σ-θῆναι, μνη-σ-τύς usw.; eher danach λῆστις (s. λανθάνω) als mit Porzig Satzinhalte 196 umgekehrt. — 5. ἀνά-, ὑπό-μνη-σις ‘Erinnerung, Ermahnung’ (att.); außerdem μνησι- als verbales Vorderglied z.B. im μνησι-κακέω ‘des (erlittenen) Bösen eingedenk sein’ mit -ία, -ος (ion. att.). — 6. μνηστύς, -ύος f. ‘das Freien, Werben’ (Od.), später durch μνηστ-εία, -ευμα ersetzt (s. μνηστεύω); Versuch einer semantischen Differenzierung bei Benveniste Noms d’agent 68f. — 7. μνηστήρ (μνᾱσ-), -τῆρος m. ‘Freier, Beweber’ (Od. u.a.; zu μνηστήρ : μνηστύς Fraenkel Nom. ag. 1, 32 A. 2), auch N. eines Monats (μναστήρ, Messene; vgl. Γαμη-λιών und Fraenkel 1, 162); adjektivisch ‘eingedenk, in Erinnerung bringend’ (Pi.; Fraenkel 1, 156 f.), f. μνήστειρα ‘Braut’ (AP, ‘in Erinnerung bringend’ (Pi.); μνῆστρον ‘Trauung, Eheschließung’ (Cod. Just.); προμνήστρ-ια (προ-μνάομαι) f. ‘Freiwerberin, Ehestifterin’ (E., Ar., Pl.), -ίς ‘ds.’ (X.). — 8. μνήστωρ ‘eingedenk’ (A. in lyr.); zu μνήσ-τωρ, -τήρ Fraenkel 2, 12, Benveniste Noms d’agent 47. — 9. μνηστή f. ‘gefeit, vermählt, ehelich’ (Hom., A. R.) auch ‘erinnerungswürdig’ (Mumienschild; Sammelb. 6138), πολυ-μνήστη (-ος) ‘vielumworben’ (Od. u.a.), auch ‘wohl eingedenk, in der Erinnerung haftend’ (Emp., A. u.a.); aber Ἄ-μνᾱτος (Gortyn; Schwyzer 503); davon μνηστεύω (μνασ-) ‘sich um eine Frau bewarben’ (seit Od.), auch ‘sich um ein Amt bewerben usw.’ mit μνήστευμα (E.), -εία (hell. u. sp.) ‘das Freien, Werben’. —10. μνήμων (μνά-), -ονος m. f., zunächst von μνῆμα, aber auch mit dem Verb direkt assoziiert, ‘eingedenk’ (seit Od.), oft als Beamtentitel ‘Notar, Registrator o.ä.’ (Halik., Kreta, Arist. u.a.), mit μνημο-σύνη ‘Erinnerung, Gedächtnis’ (ep. poet. seit Θ 181); vgl. Wyss -σύνη 34; auch als N. einer der Musen (h. Merc., Hes. usw.); -συνον n. ‘ds.’ (Hdt., Th., Ar. u.a.); wohl eig. dichterisch (Wyss 50); -ος ‘zur Erinnerung’ (LXX); daneben Μναμόν-α (Ar. Lys. 1248; vgl. zu εὐφρόνη), Μνημ-ώ (Orph.) = Μνημοσύνη. Denominativum μνημον-εύω ‘(sich) erinnern’ (ion. att.) mit μνημόνευ-σις, -μα usw. Adj. μνημον-ικός ‘zur Erinnerung dienend, ein gutes Gedächtnis habend’ (att. usw.). — 11. PN wie Μνησεύς (Pl.; Kurzname von Μνήσ-αρχος, Bosshardt 130), Μνασίλλει (böot.); Μνασέας; wohl urspr. Hellenisierung von sem. Mənašše = Μανασση (Schulze Kl. Schr. 394 f.; vgl. noch Bechtel Dial. 1, 414). — Das obige Paradigma, mitsamt den Nominalbildungen auf einem durchgehenden μνᾱ- aufgebaut, ist eine rein griechische Schöpfung. Ausgangspunkt der durchgeführten Ausgleichung waren selbstverständlich eine oder wenige bestimmte Verbformen; da aber das neue System schon beim Beginn der griech. Überlieferung ausgebildet vorliegt und die verwandten Sprachen eigentlich nichts bieten, was mit den griech. Formen direkt vergleichbar wäre, läßt sich der allmähliche Aushau nicht mehr verfolgen. Ein einsilbiges idg. mnā- liegt indessen auch im. klass. Sanskrit vor, so im Aor. a-mnā-siṣ-uḥ ‘sie erwähnten’, das typologisch an μνῆ-σ-αι erinnert, im Perf. Akt. ma-mnau (Gramm.), wohl Neubildung zum. Med. ma-mn-e (vgl. μέμονα) und nicht (mit Brugmann Grundr.2 II: 3,441) mit μέμνημαι zu verbinden; ferner in -mnā-ta- ‘erwähnt’ und mnā-ya-te ‘wird erwähnt’, womit sich tatsächlich einerseits Ἄ-μνᾱ-τος und — mit sekundärem σ (Schwyzer 503) —μνη-σ-τή, anderseits μνάομαι formal decken. Letzteres ist aber zweifellos nach wohlbekannten Mustern zu μνήσασθαι usw. analogisch neugebildet; auch die Verbaladj. tragen kein altes Gepräge. Die Entwicklung bei μιμνήσκω ist wohl ungefähr dieselbe gewesen wie bei κικλήσκω (wo sich jedoch καλέ-σαι behauptet hat) oder bei βιβρώσκω (s.d.), wo ebenfalls außergriech. Entsprechungen zu βρω- selten oder sogar zweifelhaft sind. Die durchgreifende Neugestaltung hat μιμνήσκω von dem alten μέμονα und noch mehr von μαίνομαι nicht nur formal, sondern auch semantisch isoliert. — Aus μνάομαι ‘in Erinnerung bringen, erwähnen’ hat sich als höfischer Ausdruck die Bed. ‘um eine Frau werben, freien’ entwickelt; s. Benveniste Sprachgesch. u. Wortbed. 13 ff., wo auch gegen die Anknüpfung an γυνή (Schwyzer 726 A. 1 m. Lit.). Gegen Benveniste Ambrosini Rend. Acc. Lincei 8 : 10, 62ff. mit neuem Deutungsvorschlag : zu δάμνημι, ἀδμής; nicht überzeugend. — Weitere reiche Lit. bei WP. 2, 264ff., Pok. 726ff., W. -Hofmann s. meminī, Fraenkel Lit. et. Wb. s. miñti. Vgl. μαίνομαι, μέμονα, μένος. II-238-241
μῖμος m. (f.) Bez. eines Schauspielers, ‘Mime’ (A. Fr. 57, 9, E. Rh. in lyr., D., Plu., Pap. u.a.), Art szenischer Darstellung, vom Syrakusaner Sophron begründet, ‘Mimus’ (Arist. usw.). Kompp., z. B. μιμο-γράφος ‘Mimenverfasser’ (seit hell.), λογό- μιμος m. "Sprechmime", ‘der gesprochene Mimen aufführt od. schreibt’ (Hegesand. Hist.), ἀρχί-μιμος m. ‘Obermime’ (Plur.); als Hinterglied meist verbal zu μιμέομαι, z.B. γυναικό-μιμος ‘Weiber nachahmend’ (Trag.). Ableitungen: μιμάς, -άδος f. ‘mimische Schauspielerin’ (Ael. u.a.), μιμώ f. ‘Affe’ (Suid. s. πίθηκος), μιμ(ε)ία f. ‘Posse’ (Ph.), μιμικός ‘den μῖμος betreffend, mimisch’ (hell. usw.). — Daneben, wohl als Denominativum, μιμέομαι, μιμήσασθαι usw., auch m. Präfix, z.B. ἀπο-, ἐκ-, ‘nachahmen, -äffen, (künstlerisch) nachbilden’ (seit h. Ap. 163) mit Ableitungen: (ἀντι-, ἀπο-, ἐκ-)μίμησις ‘Nachahmung, künstlerische, bes. dramatische Darstellung’ (ion. att.), (ἀπο-) μίμημα ‘Nachahmung, Abbild’ (ion. att.); (συμ-)μιμητής m. ‘Nachahmer, -eiferer, künstlerischer Darsteller’ (ion. att.), μιμήτωρ, -ορος m. ‘ds.’ (Man.); μιμητικός ‘zum Nachahmen geschickt, nachahmend, mimetisch’ (Pl., Arist. usw.); μιμηλός ‘ds.’, auch ‘nachgebildet’ (Luk., Plu. u.a.), an sich auch auf μῖμος beziehbar (Chantraine Form. 242), mit μιμηλάζω (-ίζω?) = μιμέομαι (Ph.). — Im Vergleich zu μιμέομαι ist μῖμος sehr sparsam und spät belegt, muß wohl aber trotzdem als dessen Grundwort angesehen werden. — Die technische Bedeutung von μῖμος legt den Gedanken an Entlehnung nahe (vgl. Schwyzer 423). Die Anknüpfung an aind. māyā f. ‘Zauber(bild), Truggestalt, Betrug’ unter Annahme eines Ablauts māi : mī (Schulze KZ 27, 425 = Kl. Schr. 53) muß deshalb als eine sehr entfernte Möglichkeit gelten. Weitere unsichere Anknüpfungen bei WP. 2, 220; s. auch μοῖτος. — Lat. LW mīmus ‘ds.’ (W.-Hofmann s.v.); messap. LW mimeteos (Gen.) aus μιμητής (Krahe IF 49, 268). II-241
μιν (enkl.) ‘eum, eam, id; se’, anaphor. und reflex. Pronomen der 3. Sg., sp. auch Pl. (ep. ion. seit Il.); daneben νιν ‘ds.’ (anaphor.; dor., Trag. usw., vgl. Björck Alpha impurum 163). — Zu vergleichen zunächst kypr. ἴν ‘ds.’ aus *i-m (lat. is usw.); der anlautende Nasal ist nicht erklärt; s. Schwyzer 608 m. A. 1 und reicher Lit., auch Chantraine Gramm. hom. 1, 265 A. 1 und Specht Ursprung 308. II-241
μίνθη (ion. att.), auch μίνθᾰ (Thphr.; Solmsen Wortforsch. 264), μίνθος f. (Thphr., Plu.) ‘Minze’; zur Bed. Kretschmer Glotta 12, 105 ff. — Wie lat. menta Fremdwort unbek. Ursprungs, s. Lit. bei W.-Hofmann s.v. Pelasgische Etym. von Carnoy Ant. class. 24, 20. Vgl. καλαμίνθη. II-241-242
μίνθος m. ‘Menschenkot’ (Mnesim. Kom.), -όω ‘mit Kot besudeln’ (Ar.), übertr. ‘heftig verabscheuen, verachten’ (hell. Kom. u.a.). — Bildung wie ὄνθος, σπέλεθος u.a. (Chantraine Form. 369), sonst dunkel. Idg. Etymologie (von Persson Stud. 155) bei Bq referiert; s. auch WP. 2, 685. Auch μιαρός, μιαίνω sind herangezogen worden (H. Petersson Heteroklisie 180, Carnoy Ant. class. 24, 20 u.a.). II-242
μινύθω (seit Il.; μινυνθάνω PMich.), Ipf. -ύθεσκον (ἐμινύθει Hp.), Fut. μινυθήσω, Aor. -ῆσαι, Perf. μεμινύθηκα (Hp.), ‘geringer werden, dahinschwinden’, auch trans. ‘vermindern, verkleinern’ (ep. ion. poet.). ganz vereinzelt mit περι-, συν-, ἀπο-, Davon einige medizinische Termini: μινύθ-ησις f. ‘das Dahinschwinden’, -ήματα pl. ‘dahinschwindende, absterbende Körperteile’, -ώθης ‘dahinschwindend, abnehmend’ (Hp.; zur verbalen Ableitung Chantraine Form. 431), -ικός ‘vermindernd’ (Cael. Aur.). — Daneben μίνυνθα Adv. ‘eine kurze Weile, nur kurze Zeit’ mit μινυνθάδιος ‘kurze Zeit dauernd’ (ep. poet. seit Il.) Nach dem synonymen φθινύθω gebildet, u. zw. entweder von einem νυ-Präsens ( : lat. minu-ō, *φθίνϝ-ω) oder von einem Adj. *μινύς (βαρύθω : βαρύς), das als Vorderglied in ein paar allerdings spät und vereinzelt belegten Kompp. erhalten zu sein scheint: μινύ-ωρος, -ώριος ‘kurze Zeit lebend’ (AP u. a.), μινύ-ζηον· ὀλιγό-βιον H. Auch in μίνυνθα hat man dasselbe Adj., u. zw. im Akk. *μινύν (wozu -θα nach dem Oppositum δηθά u.a.) wiederfinden wollen (Osthoff MU 6, 232ff.; leise Bedenken bei Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 106 = Kl. Schr. 2, 1163). — Ein idg. Adj. *minu-s wird auch von lat. minu-ō, wohl auch von minus (sekund. s-Stamm) vorausgesetzt und ist auch auf keltischem und germanischem Boden vermutet worden. Bei Abtrennung eines suffixalen -nu- ergibt sich Anschluß an μείων u. Verw. (s.d.). Über die Möglichkeit einer Verquikkung mit μάνυ, μανός ‘dünn’ s. Wackernagel Festgabe II. Jacobi [1926] 3 (= Kl. Schr. 1, 419); über μινύθω noch Schwyzer 697, Chantraine Gramm. hom. 1, 326 f. Weitere Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 2, 242, Pok. 711, W.-Hofmann s. minor. II-242
μινυρίζω (μινυρίσαι Plu.) ‘wimmern, winseln, (leise) jammern’ (Ε 889, δ 719), ‘leise singen, zwitschern, summen’ (Ar., Pl., Arist. u.a.) mit μινύρισμα ‘das Zwitschern’ (Theok., S. E.), -ισμός ‘ds.’ (Sch.), -ίστρια f. ‘zwitschernd’ (ἀηδών, Versinschr.); unklar μινυρίγματα pl. (Philox. 2, 28). — μινύρομαι ‘leise singen, zwitschern’ (A., S., Ar., Kall.), μινυρός ‘wimmernd, winselnd’ (A., Phryn. Kom.), ‘zwitschernd’ (Theok.). — Expressive und lautmalende Wortreihe, die zu κινυρίζω : κινύρομαι : κινυρός stimmt und sich damit in nicht genau festzustellender Weise verquickt hat; s. die Lit. zu κινυρός, außerdem Güntert Reimwortbildungen 150f., Schwyzer 725 u. 735. Eine auffallende Ähnlichkeit zeigt lat. minurriō, -īre ‘zwitschern’ (Suet.); wenn nicht aus dem Griech. direkt entlehnt, muß es davon literarisch beeinfiußt sein. — Anklingende Reduplikationsbildungen sind μιμιχμός· τοῦ ἵππου φωνή und μιμάξασα· χρεμετίσασα, φωνήσασα H. (vgl. Grošelj Živa Ant.4, 173); aus anderen Sprachen z.B. aind. mímāti ‘blöken, brüllen, schreien’, aksl. mъmati (mьm-) ‘stammeln’. WP. 2, 243, Pok. 711, W.-Hofmann s. mintriō, Mayrhofer s. mímāti2. — Vgl. μύρομαι. II-242-243
Μίνως, -ωος od. -ω, Dat. -ῳ, Akk. -ω(α), -ων m. (seit Il.); Adj. Μινώϊος, -ῷος (seit h. Ap.), f. -ίς (A. R., Kall.). ‘’ — Fremdwort unbekannter Bed., von Brandenstein Jb. f. kleinas. Forsch. 2. 13 ff. als Appellativum = ‘König’ gedeutet. — Dazu Μινώταυρος, volksetymologisch umgeformtes Fremdwort (vgl. v. Wilamowitz Eur. Her. zu V. 1327); nach v. Blumenthal ZNF 16, 155 ff. eig. ‘Stier-Mensch’ wie Κέν-ταυρος ‘Pferde-Mensch’ (?). II-243
μιργάβωρ · τὸ λυκόφως .... μιργῶσαι· πηλῶσαι H. — Gegen die Erklärung aus μίσγω (μιργάβωρ = ion. *μισγ-ήως, z.B. Brugmann-Thumb 150), wobei μιργῶσαι, falls zugehörig, nicht richtig sein kann, wendet sich Kalén Quaest. gramm. gr. 62 ff. (mit ausführlicher Behandlung und Lit.), indem er dafür Anschluß an lit. mirgė́ti ‘flimmern’ (so auch Schwyzer 442 A. 5 gegen 218), germ., z.B. awno. myrkr, Akk. myrkvan ‘dunkel’, urg. *merku-, *merku̯ii̯a-, auch an ἀμέρδω sucht. II-243
μισγάγκεια s. μείγνυμι und ἄγκος (ἀγκ-). II-243
μισέω (Pi., ion. att.), Aor. μισῆσαι (seit P 272), Pass. μισηθῆναι (Hdt. usw.), Fut. Pass. μισήσομαι (E. u.a.), -ηθήσομαι (LXX usw.), Perf. μεμίση-κα, -μαι (att.), ‘hassen, verabscheuen’. auch m. Präfix, z.B. δια-, ἀπο-. Sehr oft als Vorderglied (Gegensatz φιλο-), z.B. μισό-θεος ‘die Götter hassend’ (A. in lyr., Luk.), vgl. Schwyzer 442. Davon μίσημα n. ‘das Verhaßte, Gegenstand des Hasses’ (Trag.), μίσηθρον (-τρον) ‘Haßzauber’ (Luk., Pap. u.a.; nach στέργηθρον, Benveniste Origines 203), μισητός ‘verhaßt, hassenswert’ (A., X.), -ητικός ‘zum Haß geneigt’ (Arr.), μισήτιζε· μίσει, στύγει H. Daneben paroxytoniert (nach Ammon. 94) und mit unklarem Bedeutungsübergang μισήτη f. ‘geile Dirne, Hure’ (Archil. [?], Kratin., μισητός· ... ἄπληστος H.) mit μισητία ‘Geilheit, unersättliche Gier’ (Ar., Prokop.). —μῖσος n. ‘Haß, Feindschaft, Groll, Gegenstand des Hasses’ (Trag., att.). — Das Alter und die Verbreitung der Belege sind der gewöhnlichen Annahme, μισέω sei ein Denominativum von μῖσος, nicht günstig. Auch der hom. Aor. μίσησεν für *μίσε(σ)σεν (analogisch nach φίλησεν?) spricht dagegen. Eine überzeugende Etymologie ist indessen nicht gefunden; die Anknüpfungen an lat. miser und mittō (s. Bq und W.-Hofmann s.v.) befriedigen nicht, ebensowenig eine Grundform *μίνθι̯ος zu μίνθος (Pisani Rend. Acc. Linc. 6 : 5, 218). II-243-244
μισθός m. ‘Lohn, Sold, Miete, Belohnung, Tagelohn’ (seit Il.). Zahlreiche Kompp., z.B. μισθο-δό-της m.. ‘Soldgeber’, -τέω, -σία (att.), Zusammenbildung von μισθὸν δοῦναι mit τη-Suffix, μισθο-φορέω ‘Sold erhalten’ mit -φόρος ‘Söldner’, -φορά ‘Be- soldung’; ἔμ-μισθος ‘in Lohn stehend’ (att.). Davon das Deminutivum μισθάριον (Hp., Kom., Pap.), das Adj. μίσθιος ‘besoldet, gemietet’ (hell. u. sp.) und das Verb μισθόομαι, -όω ‘für sich mieten, in Sold nehmen’, Akt. ‘vermieten’ (ion. att.) mit zahlreichen Ablegern : μίσθωμα ‘Pachtgeld, Pachtvertrag’ (att.), -ωμάτιον (Alkiphr.), μίσθωσις ‘Vermietung, Verdingung’ (att.), -ώσιμος ‘vermietbar’ (Lex. ap. D. u.a.; Arbenz 66), -ωσιμαῖος (Gloss.); μισθωτός (direkt von μισθός?) ‘mit Sold versehen, gemietet, Mietling, Tagelöhner’ (ion. att.), -ωτής m. ‘Pächter’ (att. usw.), f. -ώτρια (Phryn. Kom.), -ωτικός ‘zur Pachtung gehörig’ (Pl., Pap.), -ωτήριον ‘Versammlung(splatz) der μισθωτοί’ (Ephesos IIp, H. s. ὄψ’ ἦλθες). — Alte Benennung eines alten Begriffs, die auch im Indoiranischen, Germanischen und Slavischen erhalten ist: aind. mīḍhám n. ‘Kampfpreis, Wettkampf’, iran., z.B. aw. mižda- n. ‘Lohn’, germ., z.B. got. mizdo f. ‘Lohn’, nhd. Miete, slav., z.B. aksl. mьzda, russ. mzdá f. ‘Lohn, Entgelt, Belohnung’, idg. *mizdhó-. Unbeweisbare weitere Zerlegung von Specht Ursprung 249 f. Wegen des fem. Genus der germ. und slav. Wörter betrachtet Meillet MSL 21, 111 *mizdhó- als altes Fem.; auffallend ist aber dann der anzunehmende Genuswechsel bei μισθός; vgl. Kretschmer Glotta 12, 210, Schwyzer-Debrunner 34 A. 2. —Im Sinn von ‘Lohn’ wurde μισθός seit dem Hellenismus durch ὀψώνιον ersetzt (Chantraine Études 25 f.). II-244
μιστύλη mit μιστυλάομαι s. μυστίλη. II-244
μιστύλλω (ep. poet. seit Il.), Aor. μιστῦλαι, -ασθαι (Semon., Lyk., Nonn.), δια-μιστῦλαι (Hdt. 1, 132) ‘das Fleisch zerstückeln’; Rückbildung μίστυλλον ‘Stück Fleisch’ (Strato Kom.). — Scheint als Denominativum auf *μιστύλος ‘zerstückelt, aus Stücken bestehend’ zurückzugehen (στωμύλλω : -ύλος, καμ-πύλλω : -ύλος u.a.; vgl. Debrunner IF 21, 98); als weitere Grundlage wäre am ehesten ein Nomen *μιστο- od. dgl. anzusetzen, das gewiß für *μιτ-το- (μιδ-το-, μιθ-το-) stehen kann und sich dann mit einigen germ. Wörtern für ‘hauen, schneiden usw.’ verbinden läßt, z. B. got. maitan, awno. meita (idg. d). awno. meiđa ‘körperlich verletzen, verstümmeln’ (idg. t oder dh); hinzu kommt das in jeder Hinsicht verdächtige aind. méthati ‘verletzen (?)’. Weitere, noch unsicherere oder verfehlte Kombinationen bei WP. 2, 222 f. (nach Persson Stud. u.a.), Pok. 697. Anders Schwyzer Glotta 12, 8f.: *μίστυ-λος von *μιστύς aus *μυσ-τύς zu oberdt. Müsel, Musel f. ‘Scheit, abgesägter Klotz’. — Vgl. μίτυλος. II-244-245
μίσχος m. ‘Blatt-, Frucht-, Blütenstiel’ (Thphr., Porph.), auch Bez. eines thessalischen Ackergeräts, "ἰσχυρότερον ἔτι τῆς δ ικέλλης, ... ὅ μᾶλλον εἰς βάθος κατιὸν πλείω γῆν περιτρέπει καὶ κατωτέρωθεν" (Thphr.). Nach H. = ὁ παρὰ τῷ φύλλῳ κόκκος, was kaum richtig sein kann; ebenso schwerverständlich ist μίσκος = ‘Hülse, Schale’ (Poll. 6, 94). Kompp., z.B. ἄ-μισχος ‘ohne Stiel’ (Thphr.). Ausführlich über μίσχος Strömberg Theophrastea 115f. Wohl urspr. Ausdruck der Landwirtschaft, der vom Botaniker Theophrast auf die Pflanzenkunde übertragen wurde. — Ohne Etymologie; die Heranziehung von μίσκαιος· κῆπος H., wozu weiterhin lit. mìškas ‘Wald, Forst’, auch ‘Brenn- od. Bauholz’ (Specht Ursprung 255 A. 2, Fraenkel Wb. s.v.), schwebt semantisch in der Luft, sofern man nicht für das lit. Wort von einer Grundbed. ‘Baumstamm, Stange’ ausgehen darf. Nach Bechtel Dial. 1, 208 zunächst aus *μιχ-σκ-ος wie μάσκη aus *μάκ-σκη (s. μακέλη); "doch ist μιχ- nirgends unterzubringen". II-245
μίτος m. Bed. nicht sicher, etwa ‘Kettenfaden, Kette’, auch ‘Faden im allg.’, lat. līcium (seit Ψ 762), s. Blümner Technologie 141 ff., wo auch andere Auffassungen referiert werden; κατὰ μίτον ‘ununterbrochen’ (Pherekr., Plb. u.a.); oft als Hinterglied, z.B. λεπτό-μιτος ‘mit feinen Fäden’ (E. in lyr.), πολύ-μιτος ‘aus vielen Fäden bestehend, damasten’ (A. in lyr., Kretin., Peripl. M. Rubr. u.a.). Davon μιτώδης ‘fadenartig, aus Fäden gemacht’, o. ä. (S. Ant. 1222), μίτινοι ‘licinae’ (Gloss.) μιτηρός, μιτάριον (Sch. E. Hek. 924), μιτόομαι, -ώσασθαι ‘Fäden aufspannen’ o.a. (AP u.a.), μίσασθαι(?) ‘ds.’ (Pl. Kom.), μιτίσασθαι ‘liciare’ (Gloss.). — Wegen der unsicheren Bed. bleiben alle Erklärungen hypothetisch: zu aind. mithás ‘gegenseitig, abwechselnd’ usw. (Prellwitz KZ 47, 305; s. μοῖτος); zu μίτρα (H. Petersson; s. d.), zu lit. mita ‘Stecken zum Netzstricken ( ? )’ (Fraenkel Wb. s.v.); noch anders Zupitza BB 25, 99 (von Bq und von W.-Hofmann s. mittō abgelehnt). II-245-246
μίτρα, ion. -ρη f. ‘erzbeschlagener Gurt’ (Il.), ‘Mädchengürtel’ (Theok., A. R., Kall. usw.), ‘Kopfbinde, Turban, Diadem’ (Alkm., Hdt., E., Ar., Kall. u.a.), ‘Siegeskranz’ (Pi.). Kompp., z.B. μιτρη-φόρος (-ο-φ.) ’μ.-tragend’ (Hdt., Plu. u.a.), αἰολο- μίτρης ‘mit buntem Gurt od. Turban’ (Ε 707, Theok.; zum Ausgang -ης Schwyzer 451), ἄ-μιτρος ‘ohne Gürtel’ (Kall.). Wenige Ableitungen: μιτρίον (Gloss.), μιτρώδης ’μ.-ähnlich’ (An. Ox.), μιτραῖον (cod. -έον)· ποικίλον H.; μιτρόομαι, -όω ‘eine μ. anlegen, tragen, mit einer μ. bekleiden’ (Str., Nonn.). — Von H. Petersson Studier tillegn. Esaias Tegner (Uppsala 1913) 226ff. (zustimmend Güntert Weltkönig 50f.) als Erbwort mit aind. mitrá- n. m. ‘Freund’, eig. ‘Freundschaft’, aw. miϑra- m. ‘Vertrag, Freund’, als Personifikation ‘Mithra’ = ap. Miþra-, zusammengestellt; urspr. Bed. *’Verbindung’, zu idg. *mei- ‘binden, verknüpfen’ (WP. 2, 241 f., Pok. 710); hierher nach P. auch μίτος. Die Kombination bleibt ganz hypothetisch, solange von einem entsprechenden primären Verb sonst nichts verlautet, zumal die übrigen dafür aufgerufenen Zeugen, z.B. aind. mékhalā ‘Gurt, Gürtel’, von sehr fraglichem Wert sind (vgl. Schwyzer WuS 12, 32 A. 1). Andere Hypothesen über mitrá- bei Mayrhofer s.v., wo ausführliche Behandlung. — Angesichts seiner technischen Bed. kann das im Griech. isolierte μίτρα (von dem semantisch umstrittenen μίτος sieht man besser ab) sehr wohl eine Entlehnung, vielleicht aus indoiranischer Quelle, sein; es bestände somit immer die Möglichkeit, die gleichlautenden griech. und indoiran. Wörter zusammenzuhalten, wenn auch die semantischen Vorgänge im einzelnen unbekannt bleiben und jeder Verifikation entbehren müssen. II-246
μίτυλος Beiw. von αἴξ (Theok. 8, 86), Bed. strittig, vgl. H. μίτυλον· ἔσχατον, νήπιον. Λακεδαίμονες, μύτιλον· ἔσχατον, ἀφ’ οὗ καὶ τὸν νεώτατον. οἱ δὲ καὶ τὸ ἀποβαῖνον ( ? ) καὶ ὁ νήπιος καὶ ὁ νέος; dazu Leumann Gl. 32, 217 m. A. 6 (Kl. Schr. 244). — Gewöhnlich als ‘hornlos’ erklärt und zu μιστύλλω u. Verw. gezogen (s.d.); durch Umstellung dann μύτιλος (vgl. Schwyzer 268). Bei umgekehrter Betrachtungsweise könnte μύτιλος ursprünglich (= lat. mutilus, s. W.-Hofmann s.v.) und μίτυλος sekundäre Umstellung sein. Auch ein urspr. *μύτυλος mit wechselseitiger Dissimilation ließe sich denken; ähnliche Fälle bei Specht KZ 61, 277ff., auch Schwyzer 258. Auf die Ähnlichkeit mit dem ON Μυτιλήνη (Μιτυλ-) ist wohl kein Gewicht zu legen (vgl. W.-Hofmann s. mūtulus). II-246
μίτυς, -υος f. N. eines Stoffes, der von Bienen benutzt wird, ‘Bienenharz’ (Arist.). — Unerklärt. II-247
μνᾶ, -ᾶς (ion. -ῆς) usw., ion. pl. μνέαι f. ‘Mine’, Gewicht und Münze = 100 Drachmen (ion. att.). Davon das Demin. μναδάριον (Diph. Kom.), wohl für *μνᾳδ-άριον von *μνᾴ-διον, -μνα-ΐδιον (ζῳδ-άριον : ζῴ-διον; nicht richtig Schwyzer 471); μνα-αῖος, μναῖος ‘eine M. wiegend, wert’ (Kom., X., Arist. u. a.), -ϊαῖος ‘ds.’ (Arist., hell. u. sp.), -ϊεῖον n. Goldmünze = 1 Silbermine (Pap.); zu -ιαῖος, -ιεῖος Chantraine Form. 49 u. 53 m. Lit. — Sem. (ägäisches ? Schwyzer 64) LW; vgl. hebr. māne, akkad. manū N. eines Gewichts. Aus μνᾶ lat. mina. Aind. manā́ f. Ben. eines goldenen Schmuckes (RV 8,78,2) bleibt fern; dagegen könnte npers. man als Gewichtsbezeichnung hierher gehören, s. Mayrhofer s.v. m. weiterer Lit. II-247
μνάομαι ‘sich erinnern, gedenken, sinnen’, auch ‘(um eine Frau) werben, freien’ s. μιμνήσκω. II-247
μναρόν = μαλακόν, ἡδύ, ῥᾴδιον, bzw. θυμῆρες (Kratin. 431 aus Phot. und H.). — Wohl für μνιαρόν (*μνι̯αρόν, vgl. Schwyzer 274), s. μνίον. II-247
μνίον n. ‘Seemoos, Seegras’ (Lyk., Nik., Agatharch., Str. u.a.) mit μνι-όεις (A. R.), -ώδης (Nik.), -αρός (Opp., AP) ‘moosig, weich wie Moos’, auch μνιός ’ἁπαλός’ (Euph. 156 aus EM und Hdn.). — Nicht sicher erklärt. Von Fick 1, 521 mit lit. mìniava ‘echte Flachsseide, Filzgras’ verglichen mit weiterern Anschluß an lit. minù, mìnti ‘(nieder)treten usw.’ (Persson Stud. 75 u.a.); s. ματέω. — Vgl. μνόος. II-247
μνόος, μνοῦς m. ‘weicher Flaum’ (Hp., Ar., A P). — Reimwort zu χνόος, χνοῦς m. ‘Flaum, Schaum, Kruste’; vgl. anderseits μνίον ‘Seemoos’. Somit Kreuzung? — Mechanische Stammanalyse (Wechsel i : ou̯) bei Specht Ursprung 146. II-247
μνῴα, μνωΐα, μνοΐα f. Bez. der leibeigenen Bevölkerung in Kreta, — Gegen Anknüpfung an georg. mona ‘Knecht, Diener, Sklave’ als kaukas.-vorgr. Übereinstimmung (J. Hubschmid Sardische Studien [Bern 1953] 103 mit Dumézil) Polomé Latomus 13, 83. s. δμώς. II-247
μογέω, μογῆσαι (ep. poet. seit Il.), Ptz. Perf. μεμογηώς (Nik.) ‘sich abmühen, mit Mühe bestehen, erdulden, erleiden’. ganz vereinzelt mit συν-, ἐν-, Daneben μόγος m. ‘Mühe, Mühsal, Anstrengung’ (sehr spärliche Belege seit Δ 27). Als Vorderglied in μογοσ-τόκος Beiwort der Geburtshelferinnen Eileithyia (Il.) und Artemis (Theok.), auch von ὠδῖνες (Lyk.), vom trojanischen Pferd (Tryph. Ep.), von ὥρα u.a. (Nonn.); Bed. unsicher, aber jedenfalls nicht mit Bechtel Lex. (nach Brugmann Grundr.1 1, 173; nicht in der 2. Aufl.) = ‘Schmerzen erzeugend’ mit μογοσ- als Akk. pl. aus *μόγονς; ein μογο-τ. war jedenfalls metrisch unmöglich (Chantraine Gramm. hom. 1, 95). Von μόγος wohl μογερός ‘mühsam, kümmerlich’ (Trag. u.a.). — Adv. μόγις ‘mit Not, kaum’ (seit Il.); alter Nom. sg. "wer sich müht"? (Solmsen Wortforsch. 169; vgl. auch Schwyzer 620). — PN Μογέᾱ m. (böot.; Schwyzer 560). — An und für sich kann μογέω selbstverständlich ein Denominativum von μόγος sein; die große Seltenheit des Substantivs macht es indessen wahrscheinlicher, daß μογέω als altes Intensivum (vgl. Schwyzer 719 f.) μόγος als Rückbildung nach sich zog. — Sichere Verwandte fehlen. Solmsen KZ 29, 85f. hat damit ein balt. Adj. für ‘schwer (von Gewicht) usw.’ verglichen, lit. smagùs auch ‘stark, kräftig (von Schlägen)’, lett. smag(r)s; anlaut. σμ- findet sich auch in σμογερόν· σκληρόν, ἐπίβουλον, μοχθηρόν H. (vgl. zu σμυγερός). Nach Fraenkel (s. Wb. s. smagùs) gehört aber das balt. Adj. vielmehr zu lit. smagiù, smõgti ‘peitschen, schlagen, (etw. Schweres) werfen’. Auch lat. mōlēs ‘wuchtige Masse’, auch ‘Anstrengung, Mühe’ bleibt fern, s. W.-Hofmann s.v. und zu μῶλος. — Vgl. μόχθος und μοχλός. II-247-248
μόθος m. ‘Kampfgetümmel’ (Il., Hes. Sc., Nik. u.a.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 158). Komp. μοθούρας· τὰς λαβὰς τῶν κωπῶν H. (Erklärungsversuch von Solmsen Wortforsch. 56 A. 2). Daneben μόθαξ, -ακος m. ‘Abkömmling eines Heloten oder eines Perioiken, der gemeinsame Erziehung mit einem Spartiaten erhalten hat’ (Phylarch. Hist. [IIIa], Plu., Ael.); μόθων, -ωνος m. = μόθαξ (Sch., EM., H.).. auch etwa ‘frecher Mensch’ (Ar. Pl. 279), auch parodierend als Dämon dargestellt (neben Κόβαλοι u.a., Ar. Eq. 635); Bez. eines vulgären Tanzes, der von Seeleuten ausgeübt wurde (Ar., Poll.), auch Ben. einer den Tanz begleitenden Flötenmelodie (Trypho ap. Ath. 14, 618 c). — Davon μοθωνικός ‘nach Art der μόθωνες’ (Ion ap. Plu. Per. 5), μοθωνία· ἀλαζονεία τις τοῦ σώματος κινητική (EM). — Das Verhältnis der obengenannten Wörter zueinander ist nicht befriedigend aufgeklärt. Auffallend ist namentlich der große Stilunterschied zwischen dem ep. μόθος und den dorischen μόθαξ und μόθων. Eine gemeinsame Grundbed. ‘Getümmel. Tümmler’ besagt nicht viel. — Außergriechische Verwandte fehlen. Gegen die Zusammenstellung mit slav., z.B. ksl. motati sę ‘agitari’, russ. motátь ‘hin und her werfen, verschwenden, haspeln, aufwinden’ (weitere Formen m. Lit. bei Vasmer s. mot) spricht gr. θ gegenüber slav. t (vgl. Meillet BSL 28, c. r. 79); gegen weitere Heranziehung von aind. mánthati, mathnā́ti ‘quirlen, rühren, schütteln’ u.a.m. (WP. 2, 269, Pok. 732, W.-Hofmann s. mamphur m. reicher Lit.) außerdem der innere Nasal der Wortgruppe menth- (Kuiper Nasalpräs. 104). Unhaltbarer Erklärungsversuch des nasallosen μόθος von Ehrlich KZ 41, 287f. (s. Bq und WP. a.a.O.); neue Theorie von Kuiper a.a.O. A. 2: -o- zentralgriech. Vertreter von idg. n̥ (abzulehnen). II-248-249
μοιμυάω, μοιμύλλω s. μυάω (s. μύω) und μύλλον. II-249
μοῖρα f. ‘Teil, Los, Schicksal’ — dazu noch Ramat Stud. itfilcl. 32, 215ff., Pötscher WienStud. 73, 1ff. s. μείρομαι; II-249
μοῖτος m. ‘χάρις, Dank, Vergeltung’ (Sophr. 168). — Weil sizilisch, viell. als LW aus alat. (ital. ?) *moitos ‘Tausch’ (in lat. mūtāre ‘ändern, tauschen’; vgl. mūtuus ‘wechselseitig’ usw.), s. W.-Hofmann s. mūtō. Für Urverwandtschaft mit mūtāre, aind. mithás Adv. ‘gegenseitig, abwechselnd’ usw. (WP. 2, 247, Pok. 715) Bechtel Dial. 2, 285, v. Blumenthal Hesychst. 15f. (illyr.). — Vgl. ἄμοιος. II-249
μοιχός m. Ableitungen: A. Mehrere Feminin-Bildungen, meist spät: μοιχ-άς (Aeschin. Sokr.), -αλίς (LXX, NT, Hld.), auch ‘Götzendienerin’ (NT), -ή, -ίς (Ar. Byz.), -αινα (Tz.); älter μοιχεύτρια (s, unten). B. Adjektiva: μοιχ-ίδιος ‘durch Ehebruch gezeugt’ (Hekat., Hdt., Hyp. usw.; nach κουρίδιος, s. zu κόρη), = -ικός (Ael.); -ικός (Luk., Plu. u.a.), -ιος (AP), -ώδης (Kom. Adesp., Ptol.) ‘ehebrecherisch’. C. Nominale Abstraktbildung : μοιχοσύνη = μοιχεία (Man.; poet. Bildung wie μαχλοσύνη u.a., Wyss -συνη 71). D. Denominativa : 1. μοιχάω (urspr. dorisch; gortyn. -ίω) ‘zum Ehebruch verführen, Ehebruch treiben’, vom Manne (der Lakedaimonier Kallikratidas bei X. HG 1, 6,15 [übertr.]), -άομαι ‘ds.’, von Frau und Mann (LXX, NT), ‘Götzendienst treiben’ (LXX), ‘verfälschen’ (Ael.; nach lat. adulterāre); 2. μοιχεύω = -άω, Pass. ‘verführt werden’ (Xenoph., att.), Med. -εύομαι ‘Ehebruch treiben’ (att. nur von der Frau, LXX auch vom Manne); ‘abgöttisch verehren’ (LXX); davon μοιχεία ‘Ehebruch’ (att.), μοιχευ-τής = μοιχός (Man.), -τρια f. (Pl., Plu.); 3. μοιχ-αίνω (Vett.Val.); 4. -άζω (Anon. ap. Suid.) ‘ds.’ — Einzelheiten über den Gebrauch bei Wackernagel Hell. 7 ff. (= Kl. Schr. 2, 1038ff.), Schwyzer-Debrunner 235, auch Blass-Debrunner ̨ 101. ‘Ehebrecher’ (ion. att.), ‘Götzendiener’ (Ep. Jak. 4,4; vgl. μοιχαλίς, μοιχάω, -εύω unten). Bisweilen als Vorderglied, z.B. μοιχ-άγρια n. pl. ‘Buße des ertappten Ehebrechers’ (θ 332; nach ζωάγρια, Chantraine Études 51 A. 3, vgl. s.v.); auch κατάμοιχος = μοιχός (Vett. Val.), wohl Rückbildung aus καταμοιχεύω (Pap.). — Nom. agentis von ὀμείχω ‘harnen’ (s.d.) als vulgärer und verächtlicher Ausdruck, s. Wackernagel Unt. 225 A. 1. Der Grund der verschiedenen Behandlung des Anlauts ist unbekannt. — Lat. LW moechus. II-249-250
μολγός m. ‘Sack aus Rindsleder’ (Ar. Eq. 963, D. C.), nach Poll. 10, 187 tarentinisch. Davon μόλγινος ‘aus Ochsenhaut’ (Theo- dorid. ap. Poll. 10, 187); μόλγης, -ητος m. (wie πένης, πλάνης u.a.) = μοχθηρός (Krates Gramm. ap. Sch. Ar. Eq. 959), in derselben Bed. auch μολγός (Suid.). — Unterscheidet sich nur im Guttural (und im Akzent) von einem germ. Wort für ‘Sack, Tasche’: ahd. malaha, mhd. malhe ‘Ledertasche’, awno. malr ‘Sack’, idg. *mólko- (z.B. Fick 3, 316); gr. -γ- somit infolge Entlehnung, viell. aus dem Thrakischen? (WP. 2, 308, Pok. 747). Nach G. Meyer IF 1, 325 als tarentinisch zu got. balgs ‘Balg, Sack’ durch messap.-illyr. Vermittlung. Ähnlich Vendryes BSL 41, 134ff.: zu got. balgs, kelt., z.B. ir. bolg, u. zw. zunächst aus dem Thrak.; urspr. zentral- oder sogar nordeuropäisch; μολγός lautlich von ἀμέλγω beeinflußt. II-250
μολεῖν ‘gehen, kommen’ s. βλώσκω; zum ο-Vokal noch Ruiperez Emer. 18, 399ff. II-250
μολεύω ‘die Ausläufer der Pflanzen beschneiden’ (Lex. Att. ap. Poll. 7, 146); μολούειν· ἐγκόπτειν τὰς παραφυάδας H. — Wohl von *μόλος oder *μολεύς ‘Ausläufer’, zu μολεῖν ‘gehen, kommen, laufen’, s. βλώσκω; μολούειν nach κολούειν, vgl. H. Petersson Et. Miszellen 18. Hierher auch μόλουρος m. ‘Art Schlange’, μολουρίς, -ίδος f. ‘Heuschrecke’ (Nik.)? II-250
μόλις Adv. = μόγις, ‘kaum’ (Trag., att.). — Etymologisch mehrdeutig: als "mit Mühe" zu μῶλος ‘*Mühsal’, ‘Kampf’ (mit -ο- etwa nach μόγις) oder als "zögernd" zu μέλλω ‘im Begriff sein, zögern usw.’ oder gar als "(nur) mit Kraft" zu μάλα ‘sehr’? Solmsen Wortforsch. 169ff., auch WP. 2, 291 u. 301 (Pok. 730 u. 746), W.-Hofmann s. mōlēs; überall m. weiterer Lit. II-250
μολοβρός m. höhnische od. schimpfliche Benennung, vom Ziegenhirten Melanthos und vom Bettler Iros auf den nicht erkannten Odysseus bezogen (ρ 219, σ26; danach Lyk. 775); auch vom Kopf (κεφαλή) einer Pflanze in unklarer Bed. (Nik. Th. 662). Davon μολόβρ-ιον n. ‘das Junge eines Wildschweins’ (Ael.), -ίτης ὗς ‘ds.’ (Hippon.). — PN Μόλοβρος m. (Th. 4,8,9; lakon.). — Volkstümliches Wort, schon wegen der unsicheren Grundbedeutung schwierig zu beurteilen. Mehrere Vorschläge von zweifelhaftem Wert aus alter und neuer Zeit : ἀπὸ τοῦ μολεῖν καὶ παραγίνεσθαι πρὸς βορὰν καὶ τροφήν (Sch. Lyk. 775); von μέλας, μολύνω und τὰ ὄβρια, ὀβρίκαλα ‘die Jungen von Tieren’ (Curtius 370); zu βλιβρόν· λαγρόν H. und βλάβη (Fick BB 28, 97; zustimmend Bechtel Lex. s.v. und Hist. Personennamen 502); von *μολός ‘Ausläufer, Wurzelschößling’ (vgl. μολεύω) und βορά (Grošelj Živa Ant. 2, 212f.); s. noch Reynen Herm. 85, 142 m.A.2. II-250-251
μολόχη f. ‘Malve’ s. μαλάχη. II-251
μολπή f. ‘(Spiel mit) Gesang und Tanz’ s. μέλπω. II-251
μόλυβδος (ion. att. usw.), μόλιβος (ep. poet. seit Λ 237, auch hell. u. sp. Prosa), auch μόλυβος (LXX u.a.), μόλιβδος (Plu. u.a.), βόλυβδος (att. Defixionstafel), βόλιμος (delph., epid.), βόλιβος (rhod. in περι-βολιβῶσαι); myk. mo-ri-wo-do ? m. ‘Blei’ Kompp., z.B. μολυβδο-χοέω ‘Blei schmelzen, mit Blei anlöten’ (Ar., Inschr. u.a.). Davon A. Subst. : μολύβδ-αινα f. ‘Bleigewicht, Senkblei, Bleikugel usw.’ (Ω 80, Hp., Arist. u.a.), ‘Bleikraut’ (Plin.; Strömberg Pflanzennamen 26); wie ἄκαινα u.a. (Schwyzer 475, Chantraine Form. 109); -ίς f. ‘ds.’ (att., hell.); -ιον n. ‘Bleigewicht, -sonde’ (Hp.), μολίβ-ιον n. ‘Bleiröhre’ (Antyll. ap. Orib.), -ίδιον (Hero); μολυβδ-ῖτις f. ‘Bleiasche’ (Dsk., Plin.; Redard 57 f.); -ωμα ‘Bleiarbeit’ (Moschio ap.Ath.); μολυβᾶς, -ᾶτος m. ‘Bleiarbeiter’ (Pap.). — B. Adj.: μολύβδ-ινος (μολίβ-) ‘aus Blei’ (ion. att., Paul. Aeg.), -οῦς (μολιβ-, μολυβ-) ‘ds.’ (att., hell. u. sp.); -ώδης ‘bleiartig’ (Dsk., Gal.), -ικός ‘aus Blei’ (Gloss.), μολυβ-ρόν· τὸ μολυβοειδές H. — C. Verba: μολυβδόομαι (μολιβ-) ‘mit Bleigewichten versehen werden usw.’ (Arist. u.a.) mit -ωσις (Gloss.); περι-βολιβῶσαι ‘mit Blei einfassen’ (rhod.); μολυβδ-ιάω ‘bleifarben sein’ vom Gesicht, als Krankheitssymptom (Kom. Adesp.). — Hierher noch μολβίς· στάθ-μιόν τι ἑπταμναῖον H. mit Schwund eines inneren ι oder υ (Solmsen Wortforsch. 60 A. 2). — Fremdwort mit schwankender Orthographie. Fragliche Versuche, μόλυβδος aus μόλιβος (-υ-) herzuleiten, von Solmsen Wortforsch. 59 f. (δ suffixal; ι zu υ vor Labial in geschlossener Silbe, von Schwyzer 275 m. Lit. abgelehnt); von Haas Μνήμης χάριν 1, 132 (aus *μόλυβ-ι̯ος mit βδ aus βι̯). Metathese bzw. Assimilation können in βόλιμος, βόλυβδος und βόλιβος eingetreten sein, Der Wechsel lebt noch im Neugr. weiter : μολίβι, βολίμι, μολύδι (< -βδιον), s. Hatzidakis Glotta 3, 77. — Die allgemeine Lautähnlichkeit mit lat. plumbum läßt auf gemeinsame nichtidg. Herkunft schließen. Wegen des Bleireichtums westlicher Länder, besonders Spaniens, ist iberischer Ursprung vermutet worden; vgl. noch den lusitanischen VN Plumbārii, den Inselnamen Πλουμαρία und die Stadt Μολυβδίνη (bei den Säulen des Herkules). Für kelt. Ursprung (und gleichzeitige Urverwandtschaft mit μολύνω, μέλας) Pisani Rev. ét. anc. 37, 152ff.; dazu Kretschmer Glotta 27, 36. — Strittig ist die Zugehörigkeit von bask. berún ‘Blei’, noch mehr die von germ., z.B. ahd. blīo, blīwes. Ein anderes Wort hat sich vom Westen her über das nördliche Europa verbreitet : mir. luaide zu germ., ags. lēad, mnd. lod(e), wovon lit. liū́dė ‘Bleilot, Senkblei’ (Fraenkel s.v.). — Pelasgische Etymologie von μόλυβδος, plumbum und Blei bei v. Windekens Le Pelasgique 122f. Weitere Einzelheiten m. Lit. bei W.-Hofmann s. plumbum. II-251-252
μολύνω, meist Präsensstamm (att. usw.), μολυνῶ, μολῦναι, -υνθῆναι usw. (hell. u. sp.), ‘besudeln, beschmutzen, beflecken’. auch mit Präfix, z.B. ἀνα-, συν- Davon μόλ-υνσις, -υσμός ‘Besudelung, Befleckung’ (LXX, Str. usw.), -υσμα ‘Fleck’ (sp.). -υμμα ‘ds.’ (Gloss.); μολυνίη· ἡ πυγή H. (vgl. Scheller Oxytonierung 40), μόλυχνον· δυσταλέον (leg. αὐσταλέον?) H. — Hierher noch Μολόεις böot. Flußn. ("der schmutzige", Krahe Beitr. z. Namenforsch. 2, 232f.) von *μόλος (s.u.)? — Denominativum auf -ύνω von einem unbekannten Grundwort. Nach J. Schmidt KZ 32, 384 zu lit. mul̃vė ‘Schlamm, Sumpf’, mul̃vinti ‘mit Schlamm bedecken’; um Übereinstimmung auch bzgl. des Stammvokals zu erzielen, nimmt er ein ursprüngliches *μαλύνω (αλ = lit. ul aus idg. l̥) an. Von einer Gleichung *μαλύνω : mul̃vinti mit -υν- = -vin- aus idg. -u̯n̥- (so Fraenkel Gnomon 22, 237) kann indessen keine Rede sein, da ja mul̃vinti eine lit. Faktitivbildung von mul̃vė ist. Von den zahlreichen anderen Wörtern für dunkle, unreine Farbentöne, für ‘Schmutz, beschmutzen’, die bei WP. 2, 293f. und Pok. 720 f. unter mel(ə)- zusammengebracht worden sind, interessiert hier nur noch aind. mála- m. n. ‘Schmutz, Unrat, Sünde’, wovon malavant- ‘schmutzig’, formal = Μολόεις; aus einem dazu stimmenden *μόλος, -ον ‘Schmutz’ konnten μολ-ύνω (vgl. αἰσχύ-νω, σκληρ-ύνω usw.) und Μολόεις gebildet sein. — Vgl. μέλας und μώλωψ; dazu Mayrhofer Wb. s. málam. II-252
μόναπος m. päon. Wort für βόνασος, βόλινθος, ‘Wisent’ (Arist.), auch μόναιπος (Arist.), μόνωψ, -ωπος (Ael.). — Nach Jokl Eherts Reallex. 6, 43b als illyr. zu aind. mányā ‘Nacken’, germ., z.B. ahd. mana ‘Mähne’, lat. monīle ‘Halsband’ usw. (s. μανιάκης); zustimmend Kretschmer Glotta 1, 377 ("mit Mähne versehen") gegen Fay AmJPh 28, 411 ff. II-252
μονθυλεύω s. ὀνθυλεύω. II-252
μόνιμος ‘bleibend, standhaft’ s. μένω. II-253
μόνος, ep. ion. μοῦνος, Theok. μῶνος ‘allein’. Sehr oft als Vorderglied, z.B. μόν-(μούν-)αρχος m. ‘Alleinherrscher’ mit -έω, -ία usw. (Thgn., Pi., ion. att.; vgl. Scheller KZ 74, 233 A. 1 m. Lit.). Ableitungen: 1. μονάς, μουνάς, -άδος Adj. f. (auch m. Schwyzer 507, Chantraine Form. 358) ‘vereinzelt, einsam’ Trag., AP), Subst. f. ‘Einheit, Monade’ (Pl. usw.; Schwyzer 597) mit μοναδ-ιαῖος ‘von einheitlicher Größe’ (Hero), -ικός ‘aus Einheiten bestehend, einheitlich, individuell’ (Arist. usw.), -ιστί Adv. ‘in Einheiten’ (Nikom.), -ισμός m. ‘Bildung von Einheit’ (Dam.). — 2. μοναχ-ῇ (Pl., X.), -ῶς (Arist. u.a.) ‘nur in éiner Weise’, -οῦ (Pl., Thphr. u.a.) ‘nur an éinem Ort’; davon das Adj. μοναχός ‘einzeln’ (Arist., Epikur. usw.), auch m. ‘Einsiedler, Mönch’ (AP, Prokop. u.a.), lat. monachus, mit f. μονάχ-ουσα (Jerusalem VIp), Adj. -ικός ‘zum Einsiedler gehörig, mönchisch’ (Just., Pap. VIp); Subst. μοναχισμός ‘Mönchtum’, vgl. Leumann Sprachgesch. u. Wortbed. 304; μοναχ-όω ‘vereinzeln’ (Aq.). — 3. μουνάξ Adv. ‘einzeln, allein’ (Od., Arat.; zu μοναχοῦ usw.?, Schwyzer 620), μοναξία ‘Einsamkeit’ (Sch., Eust.) von *μοναξός wie διξός usw., PN Μονάξιος (Vp); Schulze KZ 33, 394f. = Kl. Schr. 313f., Schwyzer 598. — 4. μονιός, μούνιος ‘alleinlebend, wild’ (Kall., AP u.a.), μονίας m. ‘einsamer Mensch’ (Ael.). — 5. μονία, -ίη ‘Einsamkeit, Ehelosigkeit’ (Max.), μονότηςf. ‘Einheit’ (Sm., Iamb.), ‘Sonderbarkeit’ (Alex. Aphr. in Metaph. u.a.). — 6. μουνόθεν (Hdt. 1, 116; v. 1. -οθέντα), μονά-δην (A. D., EM), μουνα-δόν (Opp.) ‘einzeln, allein’. — 7. Verba: μονόομαι (μουν-), -όω ‘allein gelassen werden, allein lassen’ (seit Il.; Wackernagel Unt. 122ff.) mit μόν-ωσις ‘Einsamkeit’ (Pl., Ph. u.a.), -ώτης m. = μονίας (Arist. u.a.), -ωτικός ‘allein (gelassen)’ (Ph.); μονάζω ‘allein bleiben, sich absondern’ (LXX, Kirchenschriftst., Gramm. u.a.) mit μονασμός ‘einsamer Zustand’ (Eust.), μοναστήριον ‘Eremitenzelle, Kloster’ (Ph., Pap. u.a.), μονάστρια f. ‘Nonne’ (Just.). — Neben urgr. *μόνϝος, woraus ion. μοῦνος, att. usw. μόνος (Kretschmer KZ 31, 444), steht, allerdings in der Bed. etwas abweichend, *μανϝός in μᾱνός, μανός (s.d.) ‘dünn, locker’, das zu arm. manr, Gen. manu ‘klein, dünn’ stimmt. Ein u̯o-Element erscheint auch in dem synonymen οἶϝος (s. οἶος) und in dem sinnverwandten ὅλος (s.d.); sonst steht *μόνϝος isoliert. Eine ganz abweichende Bildung mit Guttural zeigen aind. manā́k ‘ein wenig’, lit. meñkas ‘gering’, toch. B meṅki ‘minder’ u.a.; mehrdeutig ist heth. maninku- ‘kurz, nahe’ (Bildung wie lat. prop-inquus? Duchesne-Guillemin Trans. Phil. Soc. 1946 S. 82f., Benveniste BSL 50, 41). Über die gelegentliche Berührung mit der Sippe von μινύθω s.d.; außerdem WP. 2, 266 f. Pok. 728 f., W.-Hofmann s. minor. — Morphologisch und auch lautlich unwahrscheinlich ist die Grundform *sm-on-u̯o-s (zu sem- in εἷς usw.) bei Hahn Lang. 18, 88 (mit Leo Meyer und de Saussure). II-253-254
μόργος m. ‘geflochtener Wagenkorb, in dem Stroh und Spreu transportiert wird’ (Poll. 7, 1 16, H.); nach H. auch σκύτινον od. βόειον τεῦχος ‘Gerät aus Leder’. Davon μοργεύω ‘in einem μόργος transportieren’ (Poll. a.a.O.). Unklar μόργιον· μέτρον γῆς, ὅ ἐστι πλέθρον. καὶ εἶδος ἀμπέλου H. — Ohne überzeugende Etymologie. Gelb Jb. f. kleinas. Forsch. II: 1, 51 verbindet es als protoidg. mit ’Αμοργός und anderen anatolischen Namen. Im Sinn von ‘ledernes Gerät’ nach H. Petersson (s. WP. 2, 283) als "abgestreifte Haut" zu ὀμόργνυμι usw. Vgl. μύρσος. II-254
μορίαι (ἐλαῖαι) wohl richtiger μοριαί (Scheller Oxytonierung 128 u. 132 A. 4) f. pl., selten sg., Ben. der heiligen Ölbäume in Athen (Ar., Lys., Arist. u.a.); davon ’Αθηνᾶ Μορία und Ζεὺς Μόριος als Beschützer der Ölbaumzucht (S. u.a.); vgl. Nilsson Gr. Rel. 1, 442. — Wohl von μόρος, μόριον ‘Los, Anteil, Teil’ (s. μείρομαι), weil die betreffenden Bäume den Anteil bildeten, der der Göttin an jeder Pflanzung zukam (Latte in P.-W. 16, 302 f. mit reichem Material). Nilsson a. a. O. A. 4 erinnert zugleich "an den primitiven Rechtsbrauch, daß ein Baum dem gehört, der ihn gepflanzt hat, auf welchem Boden er auch wächst". — Ganz anders Heubeck Beitr. z. Namenforsch. 1, 281 (mit Brandenstein): vorgr. Wort für ‘Ölbaum’, wovon mehrere kleinasiat. und griech. ON, z.B. Μύρα (lyk.), Μύραι (thess.). II-254
μορμύρος (Arist., Archestr. u.a.), mit Dissim. μορμύλος (Dorio ap. Ath., Opp.) m. N. eines zum Geschlecht der Brassen (Sparidae) gehörigen Meerfisches, ‘Pagellus mormyrus’; Einzelheiten bei Thompson Fishes s.v. — Nach Strömberg Fischnamen 76 "wahrscheinlich nach dem Geräusch benannt, das bei seiner geschwinden Bewegung im Wasser entsteht". In derselben Bed. auch μύρμη (Epich. 62). Die Anknüpfung an μύρομαι, μύρω ‘zerfließen usw.’ (Vermutung von Strömberg a.a.O.) leuchtet wenig ein. — Nach Bq und Huber Comm. Aenip. 9 S. 9 Mittelmeerwort. — Lat. LW murmillō ‘Gladiator mit gallischem Helm, auf dessen Spitze ein Fisch zu sehen war’; s. W.-Hofmann s.v. II-254
μορμύρω, nur Präsensstamm, ‘rauschen. aufsprudeln’, vom Wasser (ep. seit Il., auch sp. Prosa). auch mit ἀνα-, ἐπι-, — Onomatopoetisches Verb mit intensiver Reduplikation (Schwyzer 647 u. 258, Chantraine Gramm. hom. 1, 376). Ähnliche Bildungen begegnen mehrfach : lat. murmurō, -āre ’mur-meln’, aind. múrmura- m. ‘knisterndes Feuer’, -ā f. N. eines Flusses, marmara- ‘rauschend’, lit. murmé̇ti, murm(l)énti ‘murren, murmeln’, arm. mṙmṙ-am, -im (aus *muṙmuṙ-am, -im) ‘ds.’ u.a.m.; s. WP. 2, 307 f., Pok. 748, W.-Hofmann u. Fraenkel s.vv. mit weiteren Formen und Lit. Vgl. μύρομαι. II-254-255
μορμώ, -οῦς, auch -όνος, -όνα usw. (Schwyzer 479) f. ‘Popanz, Schreckgespenst’, auch personifiziert und als Interjektion (Erinn. [?], Ar., X., Theok., Luk.); μορμωτός ‘schreckenvoll’ (Lyk.); μορμ-ύσσομαι ‘mit dem Popanz schrecken’ (Kall.; für μαρμολύττομαι metri causa?, Debrunner IF 21, 243), μορμύξαν-τες (Phryg. IVp), auch μορμύνει und μορμύρει· δεινοποιεῖ H. Dazu die Nomina μόρμορος und μύρμος· φόβος, μόρμη· χαλεπή, ἐκπληκτική H. PN Μόρμυθος (wie Γοργώ : Γόργυθος, Leumann Hom. Wörter 155 A. 129); hierher auch der VN Μυρμιδόνες ? —Erweiterte Verbform μορμολύττομαι = μορμύσσομαι (Ar., Pl.. X., Ph.), μορμολυξάμενος (Gal.) mit μορμολύκ-η, dor. -α f. (Sophr. 9, Str.), -ειον (-εῖον) n. (Ar., Pl. u.a.) = μορμώ; auch μορμορύζω ‘ds.’ (Phot.). — Wegen μύρμηξ: lat. formīca liegt es nahe, μορμ-ώ durch eine analoge Dissimilation mit lat. form-īdō ‘Gespenst’ zu verbinden. Weitere Beziehungen sind unsicher; wahrscheinlich wie Γοργώ (s. γοργός) eine reduplizierte Bildung, die wohl ursprünglich als Schreckruf (der Kindersprache?, mit μορμύρω usw. verwandt? WP. 2, 308) gebraucht wurde. Von der Volkstümlichkeit zeugen die Nebenformen Μομβρώ, Μομμώ (H.). Aus der Interjektion kann die als Dämon aufgefaßte Μορμώ entstanden sein, daraus wiederum das Appellativum. Über Μορμώ im Mittelalter und in der Neuzeit Wiener Roman. Forsch. 35, 943 ff. (im Sprachlichen unbefriedigend, s. Kretschmer Glotta 10, 234 f.). — Zu μορμώ traten nicht nur μορμύσσομαι, -ύνει, -ύρει, sondern auch μορμο-λύττομαι, -λύκη, -λύκειον; zur expressiven λ-Erweiterung vgl. πομφόλυξ, πομφο-λύξαι (: πομφός), βδελύττομαι (neben βδελυρός : βδέω). Dissimiilation aus *μορμορύττομαι (vgl. μόρμορος; Schwyzer 258) wäre wohl auch denkbar. Die Nomina μορμολύκη, -ειον sind am ehesten als Rückbildungen zu betrachten. II-255
μορόεις nur Akk. pl. n. μορόεντα als Beiwort von ἕρματα ‘Ohrgehänge’ (Ξ 183, σ 298). Daneben μορόεις von μόρος ‘Los, Todeslos’ (μορόεν ποτόν Nik.). — Nach H. und Eust. 976, 40 = μετὰ πολλοῦ καμάτου πεπονημένα (von μόρος; nach H. auch = πόνος); deshalb bei Q. S. 1, 152 auch von τεύχη. — Wohl eher mit LSJ von μόρον ‘Maulbeere’ als ‘maulbeerfarbig, -förmig’. II-255
μόροξος (Gal., Aët.), μόροχθος (Dsk.) m. ‘Ton zum Bleichen der Kleider’. — Morphologisch und etymologisch dunkel, wohl Fremdwort; der Wechsel ξ: χθ könnte an und für sich wie in ἐπιχθόνιος : ἐπίξενος (?), ’Ερεχθεύς : ’Ερεχσέ̄ς (Schwyzer 326) beurteilt werden. Nach Grošelj Živa Ant. 7, 227 zu mer- ‘flimmern, funkeln’ (WP. 2, 273f., Pok. 733). II-256
μόρον n. ‘Maulbeere, Brombeere’ (Epich., A., Hp. usw.); davon μορέα, -έη f. ‘Maulbeerbaum, Morus nigra’ (Nik., Gal.) mit dem ON ngr. Μορέας (Amantos ZNF 5, 64 nach Hatzidalkis); μόρινος ‘maulbeerfarbig’ (Pap.); zu μορόεις s. bes. Hierher noch μορίδες· μάντεις H., letzteres wohl aus μαντίαι o. ä. entstellt, das von Dsk. 4, 37 als dakische Ben. der Brombeere überliefert ist (s. βάτος). — Zu μόρον stimmt arm. mor, -i, -iw ‘Brombeere’ mit mor-i, mor-eni ‘Brombeerstrauch’. Mit ō dagegen lat. mōrum ‘Maulbeere, Brombeere’; daraus als LW germ., z.B. ahd. mūr-, mōr-bere, mhd. mūl-ber ’Maulbeere’. Auch kymr. merwydden kann (mit e als Umlaut von o) ein entlehntes mōrum enthalten. Seinerseits kommt auch für lat. mōrum trotz der Vokallänge Entlehnung aus dem Griechischen in Betracht; dasselbe gilt für arm. mor. So könnten tatsächlich alle oben genannten Formen letzten Endes auf gr. μόρον zurückgehen. Gewisse Bedenken erweckt indessen dabei die mutmaßlich ältere Bed. ‘Brombeere’, die eine Entlehnung weniger wahrscheinlich macht. — Hypothetische Versuche, μόρον mit Wörtern für ‘dunkel, schwarz’ zu verbinden, bei Specht Ursprung 119 (mit Berneker); s. noch WP. 2, 306 u. 279f., Pok. 749 u. 734, W.-Hofmann s. 1. mōrus m. weiteren Einzelheiten und Lit. —Durch Kreuzung mit συκάμινον, -ος entstand συκόμορον, -ος; s.d. II-256
μόρρια (Paus.), μούρρινα (Arr.) n. pl., auch μο(υ)ρρίνη f. sg. (Peripl. M. Rubr.) Ben. eines orientalischen Minerals, ‘Fluß-spat bzw. eine Achatart’, auch daraus gemachter Gefäße, "Murragefäße". — Wohl iran. Ursprungs, vgl. npers. mori, muri ‘Glaskügelchen’; lat. LW murra, vāsa murrina (woraus μούρρινα, -ίνη?). Einzelheiten m. Lit. bei W.-Hofmann s. 2. murra, auch Kretschmer Glotta 1, 337. II-256
μόρσιμος ‘vom Schicksal bestimmt, πεπρωμένος’, u.a. von ἦμαρ = ‘Todestag’, danach auch von einem Menschen (X 13) ‘zum Tode bestimmt, sterblich’ (ep. poet. seit Il., auch Hdt.). — Wohl von *μόρσις, das als äolisch für *smr̥-ti- = μόρος, μοῖρα stehen kann (Schwyzer 494 A. 8); ev. von *μόρτος (wie φόρτος : φόρος); zu μείρομαι, s. d. — Die Anknüpfung an ein Wort für ‘Tod’ (*μόρσις = lat. mors, idg. *mr̥-ti-; Arbenz 16, Risch, par. 37) oder an ein Wort für ‘sterblich’ (äol. μορτός, s.d.; Kretschmer Glotta 24, 86) wird der zentralen Bed. des Schicksalsbestimmten (vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 360 A. 1) nicht gerecht. II-256-257
μορτός (eher μόρτος) = ἄνθρωπος, θνητός (H., Kall. Fr. 271); als Hinterglied in ’Αγέ-, Κλεό-, Χαρί-μορτος (Lesbos, Syros, Lato), Bechtel Dial. 1, 123. — Mit aind. márta-, aw. marəta- m. der ‘Sterbliche, Mensch’ identisch; des weiteren s. βροτός. II-257
μορύσσω nur im Ptz. Pf. μεμορυχμένος (v.l. -γ-); auch Opt. Aor. 2. sg. μορύξαις ‘man soll beschmieren’ (Nik. Al. 144). ‘beschmutzt, geschwärzt’ (ν 435, Nik., Q. S., Opp.), Daneben μορυχώτερον Komp. als Adv. ‘dunkler’ (v.l. in Arist. Metaph. 987 a 10), Μόρυχος Bein. des Dionysos in Sizilien (Sophr. 94; weil sein Gesicht bei der Weinlese mit Hefe beschmiert wurde), auch N. eines tragischen Dichters (Ar.) mit Μορυχία οἰκία (Pl. Phdr. 227b); s. Praechter Herm. 42, 647. Zu Μόρυχος vgl. ἥσυχος, βόστρυχος und die volkstümlichen Wörter auf -χος bei Chantraine Form. 402 ff.; eine Rückbildung aus μορύσσω (rnit anal. -ύσσω, Schwyzer 733) ist nicht ausgeschlossen. — Denkbare griech. Verwandte sind zu μόρφνος (s.d.) erwähnt; außerhalb des Griech. kommen einige slavische Wörter für ‘schmieren usw.’ in Betracht, z.B. russ. mará-ju, -tь ‘schmieren, sudeln usw.’ (idg. mōr-), s. Vasmer s.v. m. Lit. und weiteren Formen. Unsicheres aus dem Armen. usw. (nach H. Petersson LUÅ 1916, 40) bei WP. 2, 280, Pok. 734, Hofmann Et. Wb. s. v. Andere Kombinationen (zu μύρον, σμύρις; nach L. Meyer 4, 404f., Torp bei Fick 3, 527 u.a.) bei Bq. II-257
μορφή f. ‘äußerliche (körperliche) Gestalt, Form, schöne Gestalt, Anmut’ (seit θ 170 u. λ 367; zur Bed. vgl. Treu Von Homer zur Lyrik 175f.). Sehr oft als Hinterglied, z.B. πολύ-μορ-φος ‘vielgestaltig’ (Hp., Arist. usw.) mit πολυμορφ-ία ‘Viel- gestaltigkeit’ (Longin., Him.). Davon drei Denominativa : 1. μορφόομαι, -όω, auch mit μετα-, δια- u.a., ‘eine Gestalt an- nahmen, gestalten’ (Thphr., Arat., LXX, NT, Plu. usw.) mit (μετα-, δια-)μόρφωσις ‘Gestaltung, Verkörperung’ (Thphr., Str., Ep. Rom. usw.); μορφ-ώτρια f. ‘Gestalterin, Bildnerin’ (E. Tr.437), -ωτικός ‘gestaltend’ (Gal., Prokl. u.a.); auch μόρφωμα ‘Gestalt’ (Epikur., Aq. u.a.), aber in d. Trag. (A., E.) als Erweiterung von μορφή, vgl. Chantraine Form. 186 f. — 2. μορφάζω ‘Gebärden machen, sich gebärden’ (X. u.a.) mit -ασμός N. eines Tanzes (Ath., Poll.), ‘verschönern’ (Eust.); ἐπι-μορφάζω ‘vorgeben, heucheln’ (Ph.). — 3. μορφύνει· καλλω-πίζει, κοσμεῖ H. (nach καλλύνω u.a.); von ἄ-μορφος : ἀμορφύνειν· οὐ δεόντως πράττειν H. (Antim. 72). — Zwei Namen: Μορφώ f. Bein. der Aphrodite in Sparta (Paus., Lyk.), Μορφεύς m. Sohn des Schlafes (Or. Met. 11, 635), nach den von ihm geschaffenen Traumgestalten; Bosshardt 122 f. Abzulehnen Güntert Kalypso 193 f.: Μορφώ und Μορφεύς zu μόρφνος. — Adj. μορφήεις ‘schöngestaltig’ (Pi. u.a.). — Aus ἀμερφές· αἰσχρόν H. ergibt sich ein Nomen *μέρφος n., woneben μορφή wie γένος : γονή, τέγος : lat. toga u.a.; das von den Verbalnomina *μέρφος und μορφή vorauszusetzende primäre Verb *μέρφω o.ä. ist aber nirgends anzutreffen. Auch weitere Anknüpfungen bleiben ganz hypothetisch. Nach Solmsen KZ 34, 23 f. (s. auch Persson Beitr. 2, 687 u. 689) als *’schimmerndes buntes Äußere’ mit μόρφνος (s.d.) zu lit. márgas ‘bunt, vielfarbig, schön’, woneben das schwundstufige mirgė́ti ‘aufleuchten und wieder erlöschen, in buntem Farbenspiel glänzen’; man hätte von einem idg. Verb *mergʷh- ‘bunt glänzen o.ä.’ auszugehen. Anders über die lit. Wörter WP. 2, 274 und Fraenkel Wb. s. márgas. — Nicht besser Osthoff BB 24, 137A. (zu μάρπτω), Thieme ZDMG 102, 107 (zu aind. bráhman-). — Über die Versuche, lat. forma mit μορφή zu vermitteln s. W.-Hofmann und Ernout-Meillet s.v. II-257-258
μόρφνος (Akz. nach Hdn. Gr. 1, 173 mit Aristarch; auch μορφνός wird erwähnt) m. Beiwort oder Apposition von αἰετός (Ω 316), auch Ben. einer Adlerart (Hes. Sc. 134, Arist., Lyk.), nach Suid. — ‘Geier’; vgl. Thompson Birds s.v. — Reimwort von ὀρφνός ‘dunkel’ (Güntert Reimwortbildungen 164) und wie dies gewöhnlich als ‘dunkelfarbig’ o.ä. (Hdn., Suid.) erklärt. Unter dieser Voraussetzung von Solmsen KZ 34, 24ff. zu lit. márgas ‘bunt’ usw. gezogen, s. μορφή. Anklingende Wörter sind μοριφόν· σκοτεινόν, μέλαν H. (richtig?; vgl. Specht Ursprung 119 m. weiteren Kombinationen), μορύσσω, Μόρυχος (H. Petersson LUÅ 1916, 40), auch μόρον (s.d.). Auch andere Deutungsversuche gehen vom Begriff des Dunkels aus, s. Bq. — Ganz anders Pisani Ist. Lomb. 73, 497 ff. : wegen des Adlernamens νηττοφόνος "Ententöter" (Arist.) äol. mit Haplologie für *μορβο-φν-ο-ς aus idg. *mr̥gʷo-gʷhn-o-s zu aind. mr̥gá- m. u.a. ‘großer Vogel’; wohlbegründete Bedenken bei Belardi Doxa 3, 214. II-258
μόσσυν, -ῡνος (Dat. pl. -νοις) m. ‘turmartiges Gebäude aus Holz’ (X., A. R., Kall., D. H. usw.), auch von anderen Holzbauten (Lyk.). Davon Μοσσύν-οικοι m. pl. ‘Bewohner der μόσσυνες’. N. eines Volks südlich vom Pontos Euxeinos (Hekat., Hdt., X., Arist. usw.); μοσσυνικοί· ξύλινοι πίνακες μεγάλοι H.; auch als Ethnikon in μοσσυνικὰ μαζονομεῖα (Ar. Fr. 417), vgl. H. — LW aus dem Iranischen; vgl. westosset. masug ‘turris’; s. Lidén Strena philol. Upsal. (1922) 393ff., dazu Schwyzer 488 m. A. 4. Abzulehnen Kretschmer Glotta 22, 112 (voridg.). Aus derselben Quelle wohl auch slav. synъ ‘πύργος’ (Machek Listy filol. 72, 75f.). II-258-259
μόσχος 1. m. ‘Pflanzentrieb, Schößling, Steckling’ (Λ 105, Thphr.), ‘Blattstiel’ (Dsk.; vgl. Strömberg Theophrastea 116); m. u. f. ‘junges Rind, junge Kuh, Färse, Kalb’, auch von anderen Tierjungen und (übertr.) von jungen Menschen (Hdt., Kom.. E., Pap. u.a.). Als Vorderglied fast nur = ‘Kalb’, z.B. μοσχο-τρόφος ‘Kälber aufziehend’ (Pap.), μοσχό-ταυρος m. eig. ,Stier im μόσχος-Alter", d.h. ‘Stierkalb’ (Al. Le. 4, 3), kaum (Strömberg Wortstudien 6) mit Umstellung der Glieder für μόσχος ταύρειος; als Hinterglied nur in μονό-μοσχος ‘mit einem Stiel’ (Dsk.). Ableitungen: 1. Deminutiva: μοσχ-ίδιον ‘keiner Schößling’ (Ar., Ael.), -ίον ‘junges Kalb’ (Ephipp., Theok. u.a.), -άριον ‘ds.’ (LXX, Pap. u.a.). — 2. Sonstige Subst.: μοσχ-άς, -άδος f. ‘Schößling, Steckling’ (Pamphylien; nach φυτάς u.a., Chantraine Form. 353), auch ‘Färse’ (Gloss.); -ίας -n. ‘Tierjunges’ (Poll.; wie νεανίας u.a.); -ών, -ῶνος m. ‘Kälberstall’ (Pap.); -ῆ f. ‘Kalbfell’ (Anaxandr.). — 3. Adj.: μόσχ-(ε)ιος ‘vom Kalb, zum Kalb gehörig’ (E., X., Plb., AP); -ινς ‘aus Kalbleder’ (Pap.), -ίναι· οἱ’ σκιρτητικοί H. — 4. Adv.: μοσχ-ηδόν ‘nach Kalbsart’ (Nik.). — 5. Verb: μοσχεύω ‘einen Wurzelschößling pflanzen’ (D., Thphr., D. H.), auch ‘ein Kalb aufziehen’ (Philostr.), mit μοσχ-εία f. ‘das Pflanzen von Schößlingen’ (Ph. Byz.), -ευσις f. ‘ds.’ (Gp.), -ευμα n. ‘Schöß-ling, Ableger’ (Thphr., Pap. u.a.), -ευματικός = malleolaris (Gloss.). — Zu μοσχίον stimmt genau arm. mozi, Gen. -voy ‘Kalb’; in beiden Sprachen ist zu gr.-arm. *mozĝho-s eine i̯o-Ableitung hinzugetreten. Die alte aber seltenere Bed. ‘Pflanzentrieb’ läßt sich unschwer als Metapher verstehen (vgl. u.a. Strömberg Theophrastea 50 f.; unrichtig über μόσχος ebd. 52). Die Gleichung μόσχος ‘Pflanzentrieb’ = lit. mãzgas ‘Knospe am Baum’ (Fick 1, 518 u.a.), bei der μόσχος ‘Kalb’ mitsamt arm. mozi als ein besonderes Wort davon zu trennen wäre, ist hinfällig, da die Bed. ‘Knospe, Auge am Baum, Blattansatzstelle’ aus ‘rundliche, harte Erhöhung, Knoten’ (zu mègsti ‘knoten, knüpfen’) hervorgegangen ist. Überholte Kombinationen bei Bq, WP. 2, 308 f., Güntert Reimwortbildungen 147 f. Weitere Lit. bei Schwyzer 541. — Ob hierher auch der VN Μόσχοι ("Jungmannschaft") mit Brandenstein Sprachgesch. und Wortbed. 82? II-259
μόσχος 2. m. ‘Moschus’ (Aët., Alex. Trall.) mit μοσχίτης = ὀσμύλος, Ben. eines Seepolypen, der einen starken Geruch von sich gibt (Sch. Opp. H. 1, 307; Redard 83). — Aus pers. mušk ‘ds.’ (aus aind. muṣkáḥ m. ‘Hode’, wegen der Form; vgl. μύσχον· τὸ ἀνδρεῖον καὶ γυναικεῖον μόριον H., s. auch μῦς). Hierher noch (über das Griech.?) splat. muscus ‘ds.’ mit muscātus, -um; daraus die europ. Formen. W.-Hofmann s.v., Lokotsch Et. Wb. Nr. 1515a. II-259-260
μοτός pl. τὰ μότα (Kall., H.; wie μηρός. μῆρα u.a.), Gen. μοτάων (Q. S. 4, 212; Versende) m. (Hp., Dsk. u.a.), ‘gezupfte Leinwand, Scharpie, Kompresse, Tampon’; μοτὸς ... κοῖλος ‘Dränierröhre’ (Hp.). Kompp. μοτο-φύλαξ m., -άκιον n. ‘Verband, um eine Kompresse festzuhalten’ (Mediz.), ἔμ-μοτος ‘mit μ. versehen, behandelt’, auch ‘eiternd’, von Wunden (Mediz. seit Hp.), auch übertr. (A. Ch. 471; lyr.), vgl. Bechtel Dial. 3, 294 f. Davon das Demin. μοτάριον (Gal., EM; lat. motarium); ferner μότ-ωμα n. ‘Zupf-, Wergleinwand’ (Hp., Pap.), -ημα n. ‘Linnenzeug, Werg’ (Pap.). Denominativum μοτόω, auch mit δια-, ἐπι-, περι-, ‘zustopfen, tamponieren’ mit (δια-, περι-)μότω-σις ‘das Tamponieren’ (Mediz., LXX), Rückbildung διάμοτον n. ‘Zupfleinwand’ (Paul.Aeg.); daneben ἐμ-μοτέω ‘ds.’ (Mediz.). — Medizinischer Fachausdruck ohne Etymologie. Willkürliche Hypothesen von Prellwitz (s. Bq) und W.-Hofmann s. motā-rium; neuer Vorschlag von Sommer A. u. Sprw. 53 f.: zu μοτρο-γένειος H. (cod. [an alphab. unrichtiger Stelle] μοτρο-γένειον· σπανίῳ πώγωνι; vgl. Schmidt ad loc.), Μοτ(τ)ύλος. II-260
μοῦσα (ion. att. seit Il.), äol. μοῖσα, dor. μῶσα, lak. μῶἁ (Ar.) ‘Muse’, Göttin des Gesangs und der Dichtkunst (gew. im Plur.), auch metaphor. ‘Gesang, Musik, Poesie’. Viele Kompp., z.B. μουσ-ηγέτης, äol. μοισ-αγέτας m. ‘Musenführer’ = Apollon (Pi., att.; Chantraine Études 88 f. m. Lit.), ἄ-μουσος ‘ohne Musen, ungebildet usw.’ (ion. att.) mit ἀμουσ-ία ‘Mangel an Bildung’ (E., Pl. u.a.). Ableitungen: A. Subst. 1. μουσ-εῖον ‘Musensitz, Schule für höhere Bildung, Museum’ (att. usw.), lat. mūsēum, -īum, auch ‘Bildwerk aus bunten Steinen, Mosaik’; daraus spätgr. μουσῖον ‘ds.’ (W-.Hofmann s.v. m. Lit.). — 2. Μουσα-ϊσταί m. pl. ‘Gilde der Musenverehrer’ (rhod.; wie ‘Ερμαϊσταί u.a., Fraenkel Nom. ag. 1, 177). — 3. μούσωνες· οἱ κορυφαῖοι τῶν μαγείρων, καὶ οἱ τεχνῖται H.; "denen die Musen am Herzen liegen", mit Μουσώνιος, -ία (insofern nicht etrusk.; Solmsen Wortforsch. 49 m. Lit.). — 4. μουσάριον Ben. einer Augensalbe (Alex. Trall.). — B. Adj. 1. μουσικός ‘Musen-, musisch, gebildet’ mit μουσική (τέχνη) ‘Musik, Dichtkunst, Geistesbildung’ (Pi., ion. att.; Chantraine Études [s. Index]), -ικεύομαι ‘Musik usw. ausüben’ (Duris, S. E., Sch.). — 2. μοισ-αῖος ‘die Musen betreffend’ (Pi.). — 3. μούσ-ειος ‘ds.’ (E. in lyr., AP). — C. Verba: 1. μουσόομαι ‘von den Musen geleitet und erzogen werden, harmonisch gebildet werden’ (Ar., Phld., Plu. usw.), -όω ‘mit der Gesangkunst begaben’ (Ph.; ἐκ- ~ E. Ba. 825. κατα- ~ Jul.), ‘mit Mosaik schmücken’ (Tralles) mit μουσωτής ‘Mosaikarbeiter’ (Syrien VIp); wohl Rückbildung zu μουσῖον (s. oben). — 2. μουσ-ίζομαι (E.), -ίσδω (Theok.) ‘singen, spielen’ mit μουσικτάς· ψάλτης, τεχνίτης H. — 3. μουσ-ιάζω ‘ds.’ (Phld.). — Da die ursprüngliche, appellativische Bedeutung von μοῦσα unbekannt ist und die antiken Überlieferungen über die Musen keine sicheren Rückschlüsse auf die Namengebung zulassen (vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 250 f., Nilsson Gr. Rel. 1, 253 ff. m. Lit.), sind wir für die Etymologie auf bloße Vermutungen angewiesen. — Als Bildung auf -ι̯α von einem unbekannten Nomen mit denkbaren Grundformen *μόντι̯α, *μόνθι̯α ragt μοῦσα jedenfalls in urgr. Zeit hinauf. Die Erklärungen knüpfen mehrfach an μένος, μέμονα u. Verw. an : aus *μόν-τι̯α (Brugmann IF 3, 253ff.), morphologisch schwierig, s. Wackernagel KZ 33, 571 ff. (= Kl. Schr. 2, 1204ff.); aus *μόν-σα (Lasso de la Vega Emer. 22, 66 ff. mit ausführlicher Behandlung und Kritik der Vorgänger), lautlich schwierig; aus *μόνθ-ι̯α zu μενθήρη, μανθάνω (Ehrlich KZ 41, 287 ff. mit weiterer, jedenfalls unrichtiger Einbeziehung von aind. mánthati ‘quirlen, rühren’); danach μοῦσα eig. "seelische Erregung"; ablehnend Meillet Les dial. indoeur. (Paris 1908) 83, aber vorsichtig zustimmend Kretschmer Glotta 1 , 385; aus *μῶ-ντ-ι̯α > *μόντ-ι̯α, Ptz. von μῶσθαι angebl. ‘sinnen’, aber vielmehr ‘streben’ (Fick KZ 46, 82 mit Pl. Kra. 406 a); dagegen WP. 2, 271; aus *μόντ-ι̯α als "Bergfrau, Bergnymphe" (Wackernagel a.a.O.); ablehnend u.a. W.-Hofmann s. mōns. — Ältere Lit. bei Curtius 312. II-260-261
μόχθος m. ‘Anstrengung, Mühe, Not, Elend’ (Hes. Sc., Pi., Trag., vorw. poet., auch sp. Prosa); oft als Hinterglied, z.B. πολύ-μοχθος ‘mit vielen Anstrengungen verbunden’ (Trag., Arist. u.a.), auch als bautechnischer Fachausdruck in πρό-μοχθοι· τὰ προβεβλημένα τῶν τοίχων (H., auch Delos IIa). Ableitungen: 1. μοχθ-ηρός ‘mühevoll, elend, nichtswürdig, schlecht’ mit μοχθηρ-ία ‘üble Beschaffenheit’ (ion. att.), -όομαι ‘mühevoll sein’ (Aq.). 2. μοχθ-ήεις (Nik.), -ώδης (Vett. Val.) ‘ds.’ Verba: 1. μοχθ-έω, auch mit ἐκ- u.a., ‘sich abmühen, mit Mühe bestehen’ (poet. seit Κ 106) mit μοχθήματα pl. ‘Anstrengungen’ (Trag.); 2. μοχθ-ίζω ‘ds.’ (poet. seit Β 273; metrische Variante von 1., s. Chantraine Gramm. hom. 1. 95, Shipp Studies 95); 3. μοχθ-όω ‘ermüden’ (Aq.). — Zu μόγος, μογέω (s.d.) mit expressiv erweiterndem θ, vgl. ἄχθος, ὄχθος, βρόχθος u.a. (Schwyzer 510f., Chantraine Form. 366f.). Grundformen wie *μόγσ-θος (Schulze KZ 28, 270 A.l = Kl. Schr. 437 A. 1 [S. 438]) oder *μόγσ-τος sind schwer zu begründen. — Abzulehnen Pisani Ist. Lomb. 73, 528 (zu aind. myakṣ- ‘festsitzen’); vgl. Belardi Doxa 3, 214, W.-Hofinann s. mōlēs. II-261-262
μοχλός (μοκλός Anakr. 88) m. ‘Hebel, Hebebaum, -stange, lange, starke Stange’, oft zum Verriegeln der Türe benutzt, ‘Querbalken, -riegel’ (seit Od.). Davon die Deminutiva μοχλ-ίον (Kom. Adesp., Luk.), -ίσκος (Hp., Ar. u. a.). das Adj. μοχλ-ικός ‘auf den Hebel, die Hebewirkung bezüglich’ (Hp., Ph. Bel. und die Verba 1. μοχλεύω, auch mit ἀνα-, ἐκ- u. a., ‘mit einem Hebel bewegen, weghebeln’ (ion. poet., auch sp. Prosa) mit μοχλ-εία ‘das Weghebeln, das Einrenken mittels eines Hebels’ (Arist., Mediz. u.a.), -ευσις ‘ds.’ (Hp. u.a.), -ευτής (Ar. in lyr.), -ευτικός ‘zum Hebeln gehörig’ (Mediz.); 2. μοχλέω ‘ds.’ (Μ 259); 3. μοχλόω ‘mit einer Stange verriegeln’ (Ar.). — Wohl aus *μογ-σλο-ς mit demselben Instrumentalsuffix wie z.B. in lat. pālus ‘Pfahl’ aus *paḱ-slos (vgl. zu πάσσαλος und μύχλος). Nach Chantraine Form. 240 eher mit λο-Suffix und expressiver Aspiration. Zugrunde liegt jedenfalls dasselbe Wort (Verb?) wie in μόχθος und μογέω (s. dd.). — Schulze KZ 28, 270 A. 1 = Kl. Schr. 437 A. 1 (S. 438) setzt μοχλός einem aus lat. mōlior erschlossenen *mōlos ‘Hebel’ gleich; anders über mōlior W.-Hofmann s.v. Abzulehnen Pisani Ist. Lomb. 73, 528: zu aind. myakṣ- ‘festsitzen’ wie auch μόχθος. II-262
μῦ 1. n. der zwölfte Buchstabe des gr. Alphabets (Inschr. IVa usw.). — Umbildung nach νῦ von einem semitischen Namen. vgl. hebr. mēm. Ion. dafür μῶ (Demokr., Delos IIIa; Schulze KZ 42, 113 = Kl. Schr. 372), wie νῶ nach ῥῶ Dazu Schwyzer 140. II-262
μῦ 2. μυμῦ Imitation der Klage (Ar. Eq. 10); — vgl. Schwentner Die prim. Interjektionen in den idg. Sprachen (1924) 29 u. 50f. S. μύζω. II-262
μύαξ, -ᾰκος m. ‘Miesmuschel, Schale derselben’ (Mediz., Plin.). ‘Löffel’ (aus ‘Schale’; Mediz.). — Bildung wie ἀσπάλαξ, μέμβραξ, ὕραξ und andere Tiernamen (Chantraine Form. 378f.). Wie μυΐσκη, -ος ‘ds.’ wahrscheinlich von μῦς, das auch ‘Muschel’ bedeuten kann; vgl. noch lat. mūsculus auch ‘Miesmuschel’; dazu Strömberg Fischnamen 109. Anders Fick u.a. (s. WP. 2, 251) : zu einem Wort für ‘Moos’ in lat. muscus u.a.; vgl. bes. nhd. Mies-muschel. Wieder anders L. Meyer 4, 291: zu μύω ‘sich schließen’. — Mit μύαξ kann lat. mūrex ‘Purpurschnecke’ als Erbwort identisch sein, s. W.-Hofmann s.v. Für mittelmeerländischen Ursprung von mūrex Ernout-Meillet; ähnlich auch über μύαξ Chantraine Form. 378. II-262-263
μῠδάω, Aor. μυδῆσαι (H.), Perf. μεμύδηκα (Dsk.), ‘feucht sein, von der Nässe verderben, verwesen’ (ion. poet., Plb. usw.) auch mit περι-, δια-, mit (δια-)μύδησις ‘Nässe, Fäulnis’ (Mediz.), μῡδαίνω, auch mit δια-, ‘feuchten, durchnässen’ (A. R., Nik.). — Daneben μῡδ-αλέος (δια- ~ A. in lyr.) ‘durchnäßt, triefend’ (ep. poet. seit Λ 54), -αλόεις ‘ds.’ (AP); μῠ́δος m. ‘Nässe, Fäulnis’ (Nik.) mit μυδόεις = μυδαλέος (Nik.), μυδών, -ῶνος m. ‘Fäulnis eines Geschwürs’ (Poll.). — Zu μύδρος, das verwandt sein kann, und μύζω ‘saugen’, das mit Unrecht hierher gezogen wird, s. bes. — Ob das späte und seltene μύδος als Grundwort der griech. Sippe zu betrachten ist, scheint sehr fraglich, s.u. Als Grundlage des früh belegten μυδαλέος (wie ἰκμαλέος, ἀζαλέος u.a.) kann sowohl ein Verb wie ein Nomen gedient haben (vgl. Debrunner IF 23, 5, Chantraine Form. 253 f.); zu diesem Adj. mit metr. gedehntem ῡ gesellte sich (nach αὐαλέος : αὐαίνω usw.) μυδαίνω mit analogischer Vokallänge (Schulze Q. 169 ff. m. Lit.). Auch μυδάω ist mehrdeutig; es kann allerdings ein Denominativum von μύδος sein, läßt sich aber mindestens ebensogut als eine deverbative Bildung erklären (vgl. Schwyzer 719, auch 682 über μαδάω u.a.); mithin wäre μύδος eine späte Rückbildung. — Die anklingenden außergriech. Wörter tragen zur Erhellung nichts bei: lit. máudyti ‘baden’ (hochstufiges Iterativum, wohl mit sekundärem d zu lett. maût ‘untertauchen, schwimmen’); aind. mudira- m. ‘Wolke’ (klass.), auch ‘Frosch’ und ‘Liebhaber’ (Lex.); in allen Bedd. wohl von múd- f. ‘Lust, Freude’, módate ‘lustig sein’. Die Bed. macht die Zusammenstellung mit μυδάω etw. zweifelhaft; zu bemerken immerhin mádati auch ‘fröhlich sein’ neben μαδάω (s.d.). Dazu noch aus dem Germ. ndl. mot ‘feiner Regen’ u.a. — WP. 2, 250f., Pok. 741 f., Fraenkel s. maudà, máudyti, mudà, Vasmer s. múslitь, W.-Hofmann s. 1. mundus; überall m. weiteren Formen und reicher Lit. Vgl. μύσος und μυλάσασθαι. II-263
μύδρος m. ‘im Feuer geglühte Metall-, Eisenmasse, glühende Steine (eines Vulkans) usw.’ (ion., A., S., Antiph., Arist. usw.; zur Bed. Kagarow Eos 31, 195 ff.); als Vorderglied in μυδροκτυπέω (A.), -κτύπος (E.) ‘glühendes Eisen schmieden(d)’. Daneben σμύδρος· διάπυρος σίδηρος H. — Als mediz. Fachausdruck μυδρί-ασις, ion. -ησις f. ‘Erweiterung der Pupille’ (Cels., Gal., Cael. Aur. u.a.), wie von *μυδρ-ιάω, etwa "wie Metall glühen" (vgl. Schwyzer 732); Grund der Ben. unklar. Nicht sicher erklärt. Wenn mit Benfey, Curtius u.a. zu μυδάω, was formal naheliegt (μύδ-ρος : μυδ-αλέος, Debrunner IF 23, 5 u. 9), hat μύδρος urspr. die geschmolzene, fließende Metallmasse im Gegensatz zu dem harten Eisen usw. bezeichnet. — Abzulehnen Hofmann Et. Wb. (zu σμύ-χω usw.). II-263-264
μυελός (ep. ῡ metr. Dehnung) m. ‘Mark’ (seit Il.). Einzelne Kompp.. z.B. ἀ-μύελος ‘ohne Mark’ (Arist. u.a.). Davon μυελ-όεις ‘markig’ (Od. u.a.), -ώδης ‘markähnlich’ (Arist.), -ινος ‘markig’ (AP); μυελόομαι ‘in Mark verwandelt werden, aus Mark bestehen’ (LXX). — Zur Bildung vgl. das sinnverwandte πιμελή ‘Fett’. Wohl zu μυών ‘Muskelballen, -knoten’ (s. μῦς) mit n : l-Wechsel wie in ἀγκών : ἀγκάλη usw. (Specht Ursprung 84). Sowohl das weiche Mark wie die weichen Muskeln bilden einen Gegensatz zu dem harten Knochen. Wie im Latein durch medulla wurde im Griech. durch μυελός das alte Wort für ‘Mark’ in aind. majján-, ahd. mark usw. ersetzt (Porzig Gliederung 211). — Verfehlte ältere Deutungen werden von Bq abgelehnt. II-264
μύζω 1. (Hp., X.), Aor. μυζῆσαι (Δ 218), Präs. auch μυζ-άω, -έω (Hero, spät; Schwyzer 721), ‘saugen, aussaugen’; auch mit ἐκ-, ἀπο-, als Vorderglied in μύζ-ουρις ‘fellatrix’ (Kom. Adesp.). Davon (ἐκ-)μύζησις, ἐκ-μυζ-ηθμός, -ησμός ‘das Saugen’ (Mediz.), μυζητής m. ‘Raupe’ (Sm.). — Eig. "μῦ machen" mit Beziehung auf die Stellung der Lippen beim Saugen und also mit 2. μύζω im Grunde identisch. Die herkömmliche Anknüpfung an μυδάω leuchtet semantisch nicht ein. II-264
μύζω 2. (Hp., A., Ar., Arist.), Aor. μύξαι (Men.), Fut. μύξω(D.L.), Perf. Ptz. μεμυζότε (Antim.; nach hom. πεφυζότες), ‘stöhnen, seufzen’; auch mit ἐπι- in ἐπέμυξαν (Δ 20), ἐπεμύξατο· ἐπεστέ-ναξεν, ἐπεγόγγυσεν H. Davon μυγμός m. ‘das Stöhnen, der Seufzer’ (A., Arist. u.a.), auch ‘das Hervorbringen des Lautes μ (D. T. u.a.); daneben μυχμός ‘ds.’ (ω 416; vgl. Schwyzer 206 A. 1). — Eig. "μῦ (mu) sagen", alte onomatopoetische Bildung mit mehreren Entsprechungen, z.B. lat. mūgiō ‘brüllen’, heth. mugāizzi ‘beten, bitten, anflehen’, ahd. muckazzen ’mucken, leise reden’ u.a.m.; weiteres s. μύσσομαι und μυκάομαι, auch μῦθος und μύω. II-264
μῦθος m. ‘Wort, Rede, Gespräch, Überlegung, Erzählung, Sage, Märchen, Mythus’ (seit Il.); über Bed. und Gebrauch Fournier Les verbes "dire" 2 15 f., s. noch zu αἶνος. Kompp., z.B. μυθολόγος m. ‘Sagenerzähler’ mit -έω, -ία u.a. (att. usw.); -εύω ‘erzählen’ (Od.; metrisch für -έω); πολύ-μυθος ‘wortreich, sagen- reich’ (ep. poet. seit Il., Arist. u.a.). Ableitungen: 1. Deminutiva: μυθ-άριον (Str. u.a.), -ίδιον (Luk.), -ύδριον (Tz.). —2. Adjektiva: μυθ-ικός ‘zum μ. gehörig’ (Pl., Arist. usw.), -ώδης ‘sagenhaft, fabelhaft’ (att. usw.). — 3. Verba: a) μυθέο-μαι ‘reden, erzählen’ (ep. poet. seit Il.) mit μυθη-τής ‘Sagenerzähler’ (Antig.), μυθητῆρες· στασιασταί H., auch μυθιῆται (wie οἰκιῆ-ται, πολι-ῆται) = στασιασταί (Anakr. 16; vgl. Coll. Alex. 248f.); auch im Sing. mit unklarer Bed. (Phoen. 1, 7); b) μυθεύω ‘ds.’ (E., Arist. usw.) mit μύθευμα ‘Erzählung’ (Arist. D. H. usw.); c) μυθίζω ‘ds.’ (dor. in Ar. Lys., Theokr., AP u.a.). — Für sich steht μύθα· φωνή. Κύπριοι H. — Wie so viele Ausdrücke für ‘Wort, reden’ wohl ursprünglich eine expressive Schöpfung der Volks- und Alltagssprache; die Anknüpfung an das lautnachahmende μῦ (Fick, Curtius, WP. 2, 310; s. μύζω) bietet sich dann von selbst. Ein θ-Suffix kann nicht auffallen (vgl. Schwyzer 510f., Chantraine Form. 366ff.), obwohl ein naheliegendes semantisches Gegenstück fehlt. —Gegen Verbindung mit got. maudjan ‘erinnern’, lit. maudžiù, maũsti ‘sehnlich wonach verlangen’ u. a. (Bq mit Wood, Fick, Pedersen) s. WP. 2, 256; ganz anders über lit. maũsti Fraenkel s.v. Vgl. auch W.-Hofmann s. muttiō. II-264-265
μυῖα (auch μῦα) f. ‘Fliege’ (seit Il.). Einzelne Kompp., z.B. μυ(ι)ο-σόβη f. ‘Fliegenwedel, -klappe’ (Delos seit IIIa, Men. usw.), μύωψ m. ‘Bremse, Sporn’ (s. bes.), κυνά-μυια f. ‘Hundsfliege’ (s. bes.). Wenige und seltene Ableitungen: 1. μυῗτις, -ιδος f. = θλάσπι, ‘Capsella bursa pastoris’ (Ps.-Dsk.; Redard 71), auch μυιό-πτερον (ebd.), weil die Scheidewand der Frucht mit einem Fliegenflügel verglichen wurde (Strömberg Pflanzennamen 55). — 2. μυιϊκός ‘zur Fliege gehörig’ (Gloss.), μυιώδης N. eines Gottes in Elis, der auch μυί-αγρος "Fliegenfänger" benannt wurde (Plin.). — 3. μυΐνδα παίζειν ‘das Spiel μυῖα χαλκῆ spielen’ (Poll., H.). — Bildung mit ι̯α-Suffix wie νῆσσα, κίσσα und andere Tiernamen (Chantraine Form. 98). Altes Wort für ‘Fliege, Mücke’, das in mehreren Sprachen begegnet, aber wegen seines volkstümlichen Charakters mannigfachen Umbildungen ausgesetzt war. Urgr. *μύσ-ι̯α, woraus μυῖα, stimmt am nächsten zu lit. mus-ià, mus-ė̃ ‘Fliege’ und zu slav., z.B. aksl. mьš-i-ca ‘Mücke’. Daneben mit k-Suffix lat. mus-ca ‘Fliege’, mit n-Suffix arm. mun, Gen. mn-oy ‘Stechmücke’, wenn aus *mus-no-. Auch eine slose Grundform *mu-no- ist indessen möglich wie u.a. in awno. my n. aus urnord. *mū-i̯a- n. Es finden sich auch Formen mit (sekundär entwickeltem ?) Guttural: germ., z.B. ahd. mucka ’Mücke’, mit ou- Diphthong : slav., z.B. aksl. und russ. múcha ‘Fliege’ (idg. *mousā) u.a.m., s. WP. 2, 311, Pok. 752, W.-Hofmann s. musca, Fraenkel s. musė̃, Vasmer s. móška; überall mit weiteren Formen und reicher Lit.; zur Morphologie noch Specht Ursprung 43, 203 u. 235. — Lautnachahmender Ursprung (wegen des Summens) ist sehr wohl möglich, s. z.B. W.-Hofmann m. Lit. II-265-266
μῡκάομαι, Aor. μῠκεῖν (ep. seit Il.), μῡκήσασθαι (Ar. u.a.), Perf. μέμῦκα (ep. poet. seit Il.) ‘brüllen’, von Rindern, übertr. ‘dröhnen, krachen’ (fast nur poet.). auch mit Präfix, z.B. ἀμφι-, παρα-, (seit κ 413) — Als Hinterglied z.B. in ἐρί-μῡκος ‘sehr, laut brüllend’ (Hom. u.a.). Davon die Nom. actionis : μῡκ-ηθμός m. ‘das Gebrüll’ (ep. poet. seit Il.; Chantraine Form. 137, Porzig Satzinhalte 236), -ημα ‘ds.’ (E., Arist., Kall. u.a.), -ησις ‘ds.’ (Arist.); Rückbildung μυκή ‘ds.’ (A. R.). Nom. agentis: μυκ-ητής, dor. -ατάς ‘der Brüllende’ (Theok. u.a.), -ήτωρ ‘ds.’ (Nonn.), -ητίαι σεισμοί (Arist.; "σείοντες τὴν γῆν μετὰ βρόμου"; vgl. zu βρασματίας s. βράσσω); μυκάμων ‘brüllend’ (Hymn. Is.). Adj. μυκητικός ‘brüllend’ (Corn., S. E.). Adv. μυκηδόν ‘unter Gebrüll’ (unbek. Dicht. POxy. 864, 22). — Das Formenpaar μῠκεῖν : μέμῡκα stimmt zu κρᾰγεῖν : κέκρᾱ-γα, λακεῖν : λέληκα u.a.; dazu trat nach den Intensiva das Präsens μυκάομαι mit der Neubildung μυκήσασθαι (βέβρῡχα: βρῡχάομαι; Fraenkel Nom. ag. 2, 95 A. 3 [S.96]); zur medialen Diathese Schwyzer-Debrunner 227. — Das griech. Verb hat unmittelbare Entsprechungen auf baltoslavischem und german. Gebiet: lit. mūkiù, mū̃kti ‘brüllen’, slav., z.B. russ. myčátь, ukr. múkaty, mhd. mūhen ‘ds.’; daneben mit idg. g lat. mūgiō u.a.m., s. 2. μύζω. WP. 2, 310, Pok. 751 f.; außerdem Fraenkel und Vasmer s.vv. m. weiteren Formen u. Lit., Lidén GHÅ 40 (1934): 3, 35 ff (für das Germ., bes. das Nord., sehr wichtig). II-266
μυκαρίς · νυκτερίς H. — Nach Fraenkel Ling., Posn. 2, 106 tabuisierende Umbildung von νυκτερίς nach μυκτήρ, μύξα. μύκητες u. a. ( ? ). II-266
Μῠκῆναι (arg. -ᾶναι), auch sg. Μῠκήνη f. (beide seit Il.) pl. Stadt in Argolis. Davon Μυκηναῖος ‘mykenisch’ (seit Il.), auch Μυκανεύς ‘ds.’ (Delphi Va), f. Μυκηνίς (Kritias, E.); Μυκηνεύς als PN (Paus.; Bosshardt 105); Μυκήνηθεν ‘von M.’ (Il. usw.), Μυκανεαθεν (Mykenai VIa). — Daneben Μυκήνη N. einer Heroine (β 120). — Bildung wie ’Αθῆναι und wie dies wahrscheinlich vorgriech. (Fick Vorgr. ON 96 u. 131). Wie ’Αθῆναι nach ’Αθήνη, könnte auch Μυκῆναι nach der Heroine Μυκήνη benannt sein (Nilsson Gr. Rel. 1, 349). Idg. Etymologie von Grošelj Živa Ant. 7, 227: zu μύκων· σωρός, θημών (H.) usw. (WP.2, 311, Pok. 752; ganz fragliche außeridg. Kombinationen von Hubschmid 3me congr. intern. de toponymie [Louvain 1951] II 187) wegen der Lage. Oft als "Pilzort" zu μύκης gezogen (z.B. Solmsen IF 30, 27, Strömberg Pflanzennamen 125 A. 3); dagegen Krahe Gnomon 17, 472. II-266-267
μύκηρος, lak. μούκηρος m. ‘Mandel, Nußsorte’ (Ath. 2, 52 c u. 53b, H.; μουκηρό-βατος (Ath. 2, 53b), -βας (H.) ’καρυοκατάκτης, Nussknacker’, wohl für -βάγος = -ϝάγος zu (ϝ)άγνυμι ‘zerbrechen’; vgl. βάγος· κλάσμα ... Λάκωνες H.; Einzelheiten bei E. Kretschmer Glotta 18, 95 f. — Dunkel. Die Anknüpfung an μύσσομαι, μύξα, lat. mūcus als "weiche, schleimige Frucht" (Hehn Kulturpflanzen 615) leuchtet semantisch wenig ein. Bechtel Dial. 2, 378 vermutet Zusammenhang mit dem synonymen ἀμυγδάλη. II-267
μύκης, -ητος, auch -ου (ion. -εω), pl. -αι m. ‘Erdschwamm, Pilz’, auch übertr., z.B. ‘pilzähnlicher Auswuchs, Deckel am unteren Ende der Degenscheide, Ortband, Lichtschnuppe, membrum virile’ (ion. att.). Davon μυκήτ-ινος ‘aus Pilzen gemacht’ (Luk.), μυκόομαι ‘pilzähnlich, schwammig werden’ (Mediz.). — Bildung auf -η(τ)- (Schwyzer 462 u. 499) von einem Nomen, das in lat. mūcus ‘Nasenschleim, Rotz’ vorliegen kann; zur Bed. vgl. slav., z.B. sloven. glíva ‘Baumschwamm’ zu lit. gleĩvės ‘Schleim’ usw. (Schulze KZ 45, 189 = Kl. Schr. 619); weiteres s. μύσσομαι. — Anders (zögernd) Strömberg Pflanzennamen 28: von μῦς ‘Maus’ wegen der grauen Farbe wie frz. gris souris N. eines Pilzes. Abgesehen davon, daß μύκης nicht nur einen grauen Pilz bezeichnet, bereitet die Bildung große Schwierigkeiten. II-267
μύκλος ‘geil, liederlich’ (Archil. 183 als PN, Lyk. 771, H.), als Beiw. des Packesels (Lyk. 816), auch Ben. des Esels selbst? (PTeb. 409, 7, Ip; geschr. μοικ-, Lesung überhaupt sehr unsicher). Nach H. sind μύκλοι od. μύκλαι ‘schwarze Streifen an dem Hals und den Füßen des Esels’, nach EM594, 18 und Sch. Lyk. 771 ist μύκλος eigentlich ‘eine Hautschwiele am Hals des Esels’. Daneben μυχλός, nach H. phokäische Ben. des Zuchtesels, aber auch = σκολιός, ὀχευτής, λάγνης, μοιχός, ἀκρατής; vgl. noch μύσκλοι· σκολιοί H. — Da μυχλός für *μυκσλός stehen kann (Schwyzer 327), darf man es mit lat. mūlus ‘Maulesel’, wenn aus *mucslos, unmittelbar gleichsetzen; eine abweichende Bildung zeigen dagegen alb. mušk ‘Maulesel’ ebenso wie die slav. Formen, z.B. aruss. mъskъ, russ. (kslav.) mesk ‘Maultier’ (aus dem Illyr. ?). Weil die Maultierzucht aus dem pontischen Kleinasien stammt (vgl. zu ὄνος), haben wir es wahrscheinlich mit einem Wanderwort zu tun; dadurch wird die genetische Identität von μυχλός und mūlus stark gefährdet. Hinzu kommt das unaspirierte μύκλος mit der (urspr.?) Bed. ‘schwarzer Streifen usw.’, die der Aufklärung bedarf. — Weitere Einzelheiten m. Lit. bei W.-Hofmann s. mūlus, auch Vasmer s. mesk. II-267-268
μυκός · ἄφωνος H. (an alphab. unrichtiger Stelle). — Mit aind. mū́ka- ‘stumm’ identisch. — Mit Dental μυττός (< *-κι̯-?), μύτης, μύδος (H.), μύνδος (S. Fr. 1072, Lyk. 1375, Kall. Fr.260; unterital. ‘kleinohrig’, Rohlfs ByzZ 37, 58f.), μυναρός (H.) ‘ds.’. Für sich steht μύρκος· ὁ καθόλου μὴ δυνάμενος λαλεῖν. Συρακούσιοι. ἐνεός, ἄφωνος H.; μυρικᾶς· ἄφωνος, ἐν ἑαυτῷ ἔχων δ μέλλει πράττειν H. (dazu v. Blumenthal Hesychst. 42). — Aus schallnachahmendem mū (s. μύω); zu den Dentalbildungen vgl. lat. mūtus, dazu m. weiterer Lit. W.-Hofmann s. mūtus; zu μύνδος vgl. arm. munǰ ‘stumm’ (aus *muni̯os?); s. auch 1. mundus. Zu μύρκος stimmt formal lat. murcus ‘verstümmelt’, insbes. von dem, der, um nicht Soldat zu werden, sich den Daumen abschnitt; es kann sich um eine Entlehnung aus dem Lat. ins Sizil. (eher als umgekehrt) handeln, s. W.-Hofmann s.v. II-268
μυλάσασθαι · τὸ σῶμα ἢ τὴν κεφαλὴν σμήξασθαι. Κύπριοι H. — Seit Fick 1, 517 (s. auch Bechtel Dial. 1, 451) als Denominativum von *μύλη oder *μῦλον zu einem slav. Wort für ‘Seife’. z.B. čech. mýdlo, russ. mýlo (von aksl. usw. my-ti ‘waschen’) gestellt. Auch griech. μῡλ- kann auf μῡδλ- zurückgehen, für slav. -dl- kommt indessen auch idg. -dhl- in Betracht. Ein Ableger von μυλάσασθαι ist ngr. μουλιάζω, μουλίασμα ‘im Wasser einweichen’ (Chios). — WP. 2, 249, Pok. 741, Vasmer s. mýlo und mytь, Fraenkel Lit. et. Wb. s. máudyti; dazu noch Specht Ursprung 257 f. S. auch μυδάω. II-268
μύλη hell. u. sp. auch μύλος m. (LXX, NT, Str. usw; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2,58) f. (seit Od.), ‘Handmühle, Mühle, (der untere) Mühlstein’, übertr. ‘Backenzahn’ (LXX usw.), ‘Kniescheibe, Verhärtung in der Gebärmutter’ (Hp., Arist. u.a.). Ableitungen: A. Subst. 1. μύλαξ, -ακος m. ‘Mühlstein, großer abgerundeter Stein’ (Μ 161, AP, Opp.), vgl. λίθαξ u.a. (Chantraine Form. 379). 2. Davon mit ρ-Suffix μύλακρος m. ‘Mühlstein’ (Alkm.), pl. = γομφίοι ὀδόντες (H.); f. -ακρίς, -ίδος als Attr. von λᾶας ‘Mühlstein’ (Alex. Aet.), als Subst. ‘Küchenschabe’, auch (von ἀκρίς beeinflußt) ‘Heuschrecke’ (Ar.Fr. 583, Poll.); daneben -αβρίς ‘ds.’ (Pl. Kom., Poll.; wohl nach ἁβρός, ἅβρα), -ηθρίς ‘ds.’ (Poll.). 3. μυλών, -ῶνος n... ‘Mühlenhaus, Mühle’ (att. usw.) mit -ωνικός ‘Müller’ (Pap.), -ώνιον Demin. (Gloss.). 4. μυλωθρός m. ‘Müller’ (att., Arist. usw.); zu der nicht ganz klaren Bildung vgl. Chantraine Form. 373; davon -ωθρίς f. ‘Müllerin’ N. einer Komödie des Eubulos; -ωθρικός ‘zu einem Müller gehörig’ (Plu.), -ωθρέω ‘mahlen’ (Men.); Rückbildung -ωθρον = μυλών (Phot.)?; auch -ωθριαῖοι Beiwort der καλυπ-τῆρες (= ‘Dachziegel’?; Delos IIa, Lesung unsicher); daneben μυλωρός ‘Müller’ (Aesop., Poll.), nach πυλωρός u.a. 5. μυλάριον Demin. ‘kleine Handmühle’ (Pap.). 6. μυλεύς m. Bein. des Zeus als Hüters der Mühlen (Lyk.; Bosshardt 67). 7. μυλίας m. (λίθος) ‘Mühlstein, Gestein, aus dem Mühlsteine gemacht werden’ (Pl., Arist., Str.; Chantraine Form. 96). 8. μυλίτης m. (λίθος, ὀδούς) ‘Mühlstein, Backenzahn’ (Gal.). 9. Μυλόεις· ποταμὸς ’Αρκαδίας H.; s. Krahe Beitr. z. Namenforsch. 2. 233. — B. Adj., alle selten u. spät: 1. μύλ-ιος ‘zur Mühle gehörig’ (Prokop.); 2. μυλ-ικός ‘ds.’ (Ev. Luk., Gal.); 3. -ινος ‘aus Mühlsteinen bestehend’ (Smyrna); 4. -αῖος ‘in einer Mühle arbeitend’ (AP), -αῖον n. ‘Handmühle’ (Pap.); 5. -ιαῖοι ὀδόντες ‘Backenzähne’ (Mediz.); 6. -όεις ‘aus einem Mühlstein bestehend, zur Mühle gehörig’ (Nik., Nonn.); 7. -ητικὴ ἔμπλαστρος ‘Zahnpflaster’ (Gal.). — C. Verba, alle selten. L μυλιάω nur im. Ptz. μῡλιόωντες ‘mit den Zähnen knirschend’ (Hes. Op. 530; zu -ιάω Schwyzer 732); 2. μυ-λόομαι ‘mit einer Verhärtung versehen werden, vernarbt werden’ (Hp.). — Für sich steht μύλλω = βινέω (Theok. 4,58) mit μυλ(λ)άς f. ‘Hure’ (Phot., Suid.), μυλλός m. ‘Kuchen in der Form der pudenda mulicbria’ (Ath. 14, 647 a; sizilisch). Kompp., z.B. μυλο-ειδής ‘wie ein Mühlstein’ (Η 270 u.a.), μυλή-φατος ‘von der Mühle zermalmt’ (β 355, A. R., Lyk.; nach ἀρηΐ-φατος u.a.; anders Chantraine Sprache 1, 145); χειρο-μύλη ‘Handmühle’ (X.), auch -μυλος (Edict. Diocl.), -μυλον (Cass. Fel.; vgl. zu βούτυρον); Dentin. -μύλιον (Dsk., Pap.). — Das primäre Verbalnomen μύλη (Akzent wie z.B. μάχη) mit dem sekundär hinzutretenden μύλος (nach λίθος oder ὄνος ἀλέτης?) ebenso wie das primäre Jotpräsens μύλλω weichen durch den υ-Vokal von den übrigen damit verwandten Wörtern für ‘mahlen’, die einen e : o-Vokalismus aufzeigen, ab: kelt., air. melim, slav., z.B. aksl. meljǫ (idg. mel-); germ., z.B. got. malan, lit. malù, heth. 3. sg. mallai (idg. mol-); lat. molō, an sich mehrdeutig, wahrscheinlich aus *melō wie air. melim. In μυλ- muß somit eine schwund- oder reduktionsstufige Variante (ml̥-, mel-) vorliegen (Schwyzer 351). Zu μύλλω aus *ml̥-i̯ō stimmen im Germ. ahd. muljan, awno. mylia ‘zermalmen’; zur Bed. unten, zum υ -Vokal vgl. noch φύλλον gegenüber lat. folium. Eine Schwachstufe erscheint auch in kymr. malu ‘mahlen’, ebenso in arm. malem ‘zermalmen’. Ein u-Vokal könnte auch in dem reduplizierten arm. ml-ml-em ‘reiben’ stecken; es läßt sich aber auch auf dehnstufiges mēl- oder mōlzurückführen. Die technische Bedeutung ‘mahlen’ dürfte aus dem allgemeinen ‘zerreiben’ spezialisiert sein. Als Verbalnomen hat μύλη im Griech. den Charakter eines Reliktworts, weil das zu einem obszönen Ausdruck degradierte μύλλω sonst durch das ebenfalls alte, aber auf die östlichen Sprachen abgedrängte ἀλέω (s.d. und Porzig Gliederung 156) verdrangt wurde. — Für sich steht μάλευρον (s.d.); ein auffallender und wenig vertrauenerweckender e-Vokal begegnet in den nicht sicher gedeuteten myk. me-re-u-ro ‘Mehl ( ? )’ und me-re-ti-ri-ja ‘Müllerinnen (?)’. — Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 2, 284ff., Pok. 716f., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. molō, Fraenkel Wb. s. málti. II-268-270
μύλλον n. ‘Lippe’ (Poll. 2, 90; pl.) mit μυλλ-αίνω, -ίζω (Phot., Suid.; Debrunner IF 21, 58 f.), μυλλάω in μεμύλληκε· διέ-στραπται, συνέστραπται H. ‘den Mund verziehen, Gesichter schneiden’. Auch mit intensiver Reduplikation μοιμύλλειν· θηλάζειν, ἐσθίειν. καὶ τὰ χείλη προσάπτειν ἀλλήλοις H. (Hippon., Kom. Adesp.; vgl. μοιμυάω s. μύω). Adj., wohl als Rückbildung, μυλλός (cod. -ύ-) = καμπύλος, σκολιός, κυλλός, στρεβλόςH., auch Eust. 906, 54 (= ‘schieläugig’). — Wie μῦθος, μυκάομαι u. a. aus dem schallnachahmenden μῦ mit expressiver Gemination des λ-Suffixes (vgl. Chantraine Form. 238 f.). Daneben mit einfachem Konsonanten germ, z.B. ahd. mūla f., mhd. mūl n. ’Maul’, wozu wohl noch aind. mū́la- n. ‘Wurzel’ (als Trinkorgan der Pflanzen; Wackernagel BerlAkSb. 1918, 410f. u. KZ 59, 28 = Kl. Schriften 1, 329f. u. 348). — Weiteres s. μύω. II-270
μύλλος (μύλος Opp.) m. N. eines pontischen Fisches, der sich auch in der Donau fand (Ar. Fr. 414, Ephipp., Gal., Ael.). — Da sich der Fisch nicht näher bestimmen läßt (s. Thompson Fishes s.v.), schweben alle Erklärungen in der Luft. Die Anknüpfung an die Sippe von μέλας (zuletzt Strömberg Fischnamen 22; s. noch W.-Hofmann s. mulleus) unter der Annahme, es handele sich um die Meerbarbe, muß als eine reine Hypothese betrachtet werden. — Lat. LW mullus. II-270
μῦμα n. ‘Fleisch, gehackt und mit Blut, Käse, Honig, Essig und wohlschmeckenden Krautern gemischt’ (Kom. ap. Ath. 14, 662 d). — Unerklärt; vgl. μυττωτός. II-270
μυναρός, μύνδος s. μυκός. II-270
μύνη f. ‘Vorwand. πρόφασις’ (φ 111; pl.) mit äol. μύναμαι im Ptz. μυνάμενος (Alk. Z 69), Bed. unsicher: ‘vorschützen’?, ‘ablenken’? — Allgemein (Curtius usw.) zu ἀμύνω, ἀμεύσασθαι gezogen (s. dd.); dabei könnte μύνη aus μύναμαι rückgebildet sein (Hamm Grammatik 143 A. 352). II-271
μύξα f. ‘Schleim’ s. μύσσομαι. II-271
μύραινα (Epich. [ῡ], Sophr., A., Ar. u.a.), σμύ̄ραινα (Pl. Kom., Mnesim., Arist. u.a.) f. ‘eine Art Aal, Muräne’. Daneben μῦρος (Dorio ap. Ath. 7, 312f), σμῦρος (Arist.) m. ‘Art Meeraal; vgl. z.B. λύκαινα : λύκος; ausführliche Behandlung bei Thompson Fishes s.vv. — Ohne sichere Etymologie. Von Wood AmJPh 49, 172 zu σμύρις ‘Schmirgel’ u.a. gezogen mit weiterem Anschluß an Wörter für ‘Schmer, Fett’, z.B. ahd. smero, idg. *smer(u)- (WP. 2, 690, Pok. 970f.), welch letzteres gut zu dem fetten Aal stimmt. Abzulehnen Strömberg Fischnamen 110: zu μῦς ‘Maus’ wegen der scharfen Bisse; semantisch unzulänglich begründet und auch morphologisch wenig befrieigend. II-271
μυρίκη f. ‘Tamariske’ (seit Il.; urspr. ῐ; durch metr. Dehnung ῑ, s. Solmsen Unt. 14 f.). Davon μυρί̄κ-ινος ‘von der Tamariske’ (Z 39 [ῑ metr. gedehnt], Pap.), -ίνεος ‘ds.’ (AP), -ώδης ‘tamariskenähnlich’ (Thphr.); Μυρικαῖος Bein. des Apollon in Lesbos (Sch. Nik. Th. 613). — Ausgang wie in ἑλίκη, ἀδίκη; sonst dunkles LW. Für semit. Herkunft Lewy Fremdw. 44: zu hebr. mārar ‘bitter sein’ wegen der bitteren Rinde (μυρίκη· δυσώδης H. zu aram. mōrīqā ‘Crocus’ ?); dazu noch μύρρα (s. d.). Nach Schrader-Nehring Reallex. 2, 97 zu μυρσίνη, μύρτος ohne nähere Begründung. II-271
μῦρίος ‘zahllos, unermeßlich’, gew. im Plur. (seit Il., vorw. poet.); pl. (mit oppositivem Akz.) μύριοι ‘zehntausend’ (seit Hes.Op.252); oft als Vorderglied, z.B. μυριό-καρπος ‘mit zahllosen Früchten’ (S. in lyr.), -φόρος (ναῦς) ‘Zehntausendpfünder, großes Lastschiff’ (Th. usw.); auch μυριόντ-αρχος (A., nach ἑκατόντ-α.). Davon μυριάς, -άδος f. ‘Zahl von 10000, Myriade’ (ion. att.); μυρι-οστός ‘der zehntausendste’ (att.; nach ἑκατοστός, εἰκοστός), -αστός ‘ds.’ (hell.; nach μυριάς); -οστύς f. = μυριάς (X.; vgl. Benveniste Noms d’agent 74); μυρι-άκις ‘zehntausendrnal’ (att.), auch -οντάκις ‘ds.’ (H. als Erklärung von μυριάκις; nach ἑκατοντάκις); μυριονταδ-ικός ‘zur Zehntausendzahl gehörig’ (Theo Sm.; von *μυριοντάς nach ἑκατοντάς). Weitere Einzelheiten bei Schwyzer 593, 596 A. 4, 597. — Nicht sicher erklärt. Seit Stokes BB 19, 97 und KZ 40, 249 gewöhnlich mit mir. mūr ‘Menge, Viel’ verbunden; vgl. noch zu μύρομαι. Hartner Paideuma 2, 306 erwägt Anschluß an das Wort für ‘Ameise’ in μύρμηξ usw. (s.d.); begrifflich gewiss möglich, aber lautlich nicht ganz einfach. II-271-272
μύρμηξ, -ηκος (ion. att.), dor. (Theok.) μύρμᾱξ, ᾱκος m. ‘Ameise’; übertr. ‘unterseeischer Felsen’ (Lyk.), auch als EN (Hdt.), zur Bed. vgl. μυρμηκία; ‘mit Metallbuckeln besetzter Boxhandschuh’ (Poll.). Nebenformen μύρμος (Lyk.), βύρμαξ βόρμαξ, ὅρμικας H. Spärliche Kompp., z.B. μυρμηκο-λέων (LXX), λεοντο-μύρμηξ (Hdn. Gr.) Bez. fabelhafter Tiere; vgl. Risch IF 59, 256. Ableitungen: 1. μυρμηκ-ιά f. ‘Ameisen- haufen’ (Arist., Thphr.), übertr. ‘Volkshaufen’ (Kom. Adesp., H.), ‘Triller, Arpeggien’ (Pherekr.). — 2. μυρμηκ-ία ‘unter der Haut befindliche Warze, daraus hervorgerufene Reizung (Hp., Ph. u.a.) mit μυρμηκιάω ‘an Warzen leiden’ (LXX.), wovon -ίασις (Mediz.). Zu 1. u. 2. s. Scheller Oxytonierung 41 f. — 3. μυρμήκ-(ε)ιον n. N. einer ameisenähnlichen Spinne (Nik., Plin. u.a.). — 4. μυρμηκ-ίας λίθος ‘Stein mit ameisenoder warzenähnlichen Erhöhungen’ (Plin.), ~ χρυσός ‘von μύρμηκες ausgegrabenes Gold’ (Hld.). — 5. -ῖτις (λίθος) ‘ds.’ (Plin.). — 6. μυρμηκ-ώδης ‘ameisenähnlich’ (Plu.), -ώεις ‘voll von Warzen’ (Marc. Sid.; aus -όεις metr. gedehnt, vgl. Schwyzer 527). — 7. μυρμηκ-ίζω als mediz. Ausdruck ‘wie Ameisen kriechen’, vorn Puls, ‘jucken’ (Mediz.). — Für sich steht μυρ- μηδών· ξυνοικία τῶν μυρμήκων, μυρμηδόνες· οἱ μύρμηκες ὑπὸ Δωριέων H., Umbildung von μύρμηξ bzw. Ableitung von μύρμος (s. oben) nach τενθρηδών und anderen Insektennamen; vgl. noch σφηκών und andere Ortsbezeichnungen auf -ών; alten Wechsel k : d nimmt an Specht Ursprung 205 u. 230. — Zur Bildung vgl. σκώληξ, σφήξ u.a. (Schwyzer 497, Chantraine Form. 380 f.); ein Gutturalsuffix, wahrscheinlich ohne genetischen Zusammenhang mit μύρμηξ, tritt auch in lat. formīca ‘Ameise’ und aind. valmīka- m. n. ‘Ameisenhaufen’ auf. — Das Grundwort erscheint in wechselnder Gestalt in der Mehrzahl der idg. Sprachen, u. zw. meistens mit anlaut. mund in-(aus)laut.-u̯-, außerdem mit inlaut. -r-: idg. *moru̯-ī̆in aw. maoiri-, kelt., z.B. air. moirb, slav., z.B. aruss. morovij; idg. *mour-, *meur- in germ., z.B. awno. maurr -n. (urg. *maura-), aschwed. myra f. (urg. *meuriōn-). Daneben mit anlaut. u̯- und inlaut. -m- : aind. vamrá- m. (vgl. valmīkaoben), ebenso βόρμαξ, βύρμαξ mit β- für ϝ-; in ὅρμικας kann ϝ-weggefallen sein. Für sich steht lat. formīca, dessen f- aber durch Dissimilation auf m- zurückzugehen scheint (vgl. zu μορμώ) und das dann zu μύρμηξ in nächster Beziehung steht. — Weitere Einzelheiten über dies alte und volkstümliche Wort mit verschiedenen Hypothesen über die Lautentwicklung bei WP. 2, 306f., Pok. 749. W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. formīca, Vasmer s. muravéj; auch Fraenkel s. marvà, das indessen wegen der abweichenden Bedeutung (’Bremse’) fernzuhalten ist. II-272-273
μύρομαι (μῦρον 3. pl. Ipf. Hes. Sc. 132), bis auf den Aor. μύρασθαι (Mosch.) nur Präsensstamm (ep. poet. seit Il.) ‘Tränen vergießen, in Tränen zerfließen, jammern, klagen’, später (Lyk., A. R.) auch von einem Fluß ‘fließen’ und vom Blut ‘triefen’. auch mit περι-, προσ-, — Wohl ursprünglich vom rieselnden Laut, somit als schallnachahmend zu μορμύρω (s.d.). Die Anknüpfung an lat. muria f. ‘Salzlake, Pökel’, lit. mùr-stu, mùr-ti ‘durchnäßt werden’ usw. (WP. 2, 252 zweifelnd nach H. Petersson, Pok. 742) hat nicht viel für sich. — Hierher wahrscheinlich auch ἁλι-μυρήεις, -μυρής (zur Form Schwyzer 528), ep. Beiwort des ποταμός, der πέτρη usw., obwohl die eigentliche Bed. dieses konventionellen Epithets unsicher bleibt (’ins Meer sich ergießend, vom Meer umrauscht’ usw.?; nicht überzeugend Bechtel Lex. s.v.). Dagegen sind μυρίος, μύριοι (eig. "daherfließend, -wogend, wie das Meer"?) ebenso wie πλήμῡρα, πλημυρίς trotz Schwyzer 593 fernzuhalten. II-273
μύρον n. ‘wohlriechendes Öl, Salbe, Parfüm’ (Archil., lesb. Lyrik, ion. att.); oft als Vorderglied, z.B. μυρο-πώλης ‘Salbenhändler’ (att.). μυρ-εψός m. ‘Salbenbereiter’ (Kritias, Arist. u.a.; FraenkeI Nom. ag. 2, 112 f.). Ableitungen: 1. Subst. Deminutiva: μυρ-ίδιον (Ar.), -άφιον (Arr.); μυρίς f. ‘Salbenbüchse’ (Poll.; vgl. σπυρίς u.a.), auch = μυρρίς (Thphr.), s. μύρρα; μύρωμα n. = μύρον (Ar. Ek. 1117 [pl.], neben μεμύρωμαι, aber vielleicht direkt von μύρον, vgl. Chantraine Form. 186 f.); μυρίνης (οἶνος, hell. Kom., Ael.; daneben μυρρίνης, s. μύρρα u. μύρτος). — 2. Adj. μυρ-ηρός ‘zu μύρον gehörig’ (A., Ar.; wie ἐλαιηρός), -όεις ‘voll Salben, salbenduftend’ (A P, Man.), -ώδης ‘salbenähnlich’ (Sch.). — 3. Verba. μυρίζω (ion. att.), σμυρίζω (Archil.) ‘salben, parfümieren’; μυρόομαι ‘gesalbt, parfümiert werden’ (Ar. Ek. 1117 [v. l. μεμύρισμαι] u.a.). — Als ausgesprochenes Kulturwort kann μύρον sehr wohl entlehnt sein (so Chantraine Form. 16). Seit Fick und Curtius (s. Bq) wird es gewöhnlich (wenn auch mit einem gewissen Vorbehalt, WP. 2, 690) als idg. mit σμύρις ‘Schmirgel’ zu einem germ.-kelt. Wort für ‘Schmer, Fett usw.’ gezogen, z.B. ahd. smero ’Schmer’, air. smi(u)r ‘Mark’ (auch lat. medulla?); vgl. μύραινα. Das vereinzelte σμυρίζω kann, wenn nicht alt. auf Assoziation mit σμύρις, σμύρνα beruhen. — Weiteres s. μύρρα, μύρτος und σμύρνα. II-273
μύρρα f. ‘Myrrhe, balsamisches Holz der Myrrhenpflanze’ (Sapph.. Thphr. u.a.). Davon μυρρίς, -ίδος f. ‘spanischer Kerbel, Myrrhis odorata’ (Dsk. 4, 115) neben μυρίς (Thphr. CP 6, 9, 3) von (nach?) μύρον (vgl. unten). μυρρίτης (-τις) m. (f.) N. eines Steins (Plin.; "myrrhae colorem habet"), eines Weins (Edict. Diocl.); Redard 58 u. 98; auch μυρρίνης (sc. οἶνος; hell. Kom.), wenn nicht von μύρτος od. μύρον (s.dd.). — Aus dem Semit., vgl. aram. mūrā, hebr. mōr, arab. murr ‘Myrrhe’ (Lewy Fremdw. 42ff.); dazu noch μυρίκη? (s.d.); Lat. LW murra, murrina. — Nach Ath. 15, 688 c stammt μύρρα von μύρον; die nahe semantische Berührung der Wörter, die auch eine richtige Scheidung der Ableitungen manchmal erschwert, könnte allenfalls den angeblichen Verlust des anlaut. σ- in μύρον begünstigt haben. Im Griech. wurde μύρρα durch das gleichbedeutende aber damit nicht verwandte σμύρνα, σμύρνη (s.d.) abgelöst, das wahrscheinlich durch Rückbildung aus dem Adj. Σμυρναία eig. ‘smyrnäisch’, u.a. als Beiwort von μύρρα, entstand. Näheres bei Heubeck Beitr. z. Namenforsch. 1, 272 f. II-274
μύρσος · κόφινος ὦτα ἔχων, ὅς καὶ ἄρριχος H. (Kall. Fr. anon. 102). — Ohne überzeugende Etymologie. H. Petersson (s. WP. 2, 273; ablehnend) vergleicht βρόχος (s.d.) oder aschwed. miær-dher ‘Fischreuse’ usw. (s. μάραθον) mit υ als Schwundstufe wie in μύλη; nach P. hierher auch μόργος ‘Wagenkorb’ (andere Erklärung s.v.). Anders Grošelj Živa Ant. 5, 112 (zu etr. murś ‘urna’). Nach Forbes Glotta 36, 271 LW aus unbekannter Quelle. II-274
μύρτος f. ‘Myrtenbaum, -zweig’ (Pi., Simon. usw.), μύρτον n. = μυρσίνη (Archil. nach EM 324, 14), ‘Myrtenbeere’ (att.), ‘pudenda muliebria’ (Ar. u.a.); zur Genusdifferenz Schwyzer-Debrunner 30. Wenige Kompp., z.B. μυρτο-πώλης m. ‘Myrten- händler’ (Sammelb. Ia), ἱερό-μυρτος f. = μυρσίνη ἀγρία (Ps.-Dsk.). Zahlreiche Ableitungen: 1. μύρσινος, att. μύρρινος, auch μύρτινος (Eub., Thphr.; Aufhebung der Assibilation nach μύρτος) ‘von Myrten’ (zu ρσ:ρρ:ρτ Schwyzer 270 u. 285); μυρσίνη, -ρρ- f. ‘Myrtenbaum, -zweig, -kranz’ (ion. att.; μυρ-σινο-ειδής h. Merc. 81) mit μυρσιν-ίτης (οἶνος) ‘Myrtenwein’ (Dsk.), ‘Art Stein’ (Plin., wohl nach der Farbe), ‘Art Euphorbia’ (Dsk.; nach der Form der Blätter, Strömberg Pflanzennamen 43; zu -ίτης Redard 58,74,98); -ινος ‘von Myrten’ (Dsk., Aët.), Μυρριν-οῦς, -οῦντος m., -οῦττα f. attische Demennamen mit -ούσιοι pl. ‘Bewohner von M.’ (Schwyzer 528); μυρσινᾶτον ἔλαιον ‘Myrtenöl’ (Mediz.; lat. -ātum in γουττᾶτον [s.d.] u.a.); auch μυρτίνη f. ‘Art Olive, Art Birnbaum’ (Nik.). — 2. μυρτίς, -ίδος f. ‘Myrtenbeere’ (hell. usw.), auch μυρτία· μυρσίνη, καὶ μυρτίς H. μυρτάς, -άδος f. ‘Art Birnbaum usw.’ (Nik., Gal.). — 3. μυρτίδανον n. ‘myrtenähnhche Pflanze usw.’ (Hp. u.a.; zu μυρτίς?, vgl. ἐρευθέ-δανον u.a. Strömberg Pflanzennamen 147 f.). — 4. μυρταλίς· ἡ ὀξυμυρρίνη ("Mäusedorn"), ὡς Λάκωνες H.; wie συκ-αλίς u.a. (Strömberg 78). — 5. μυρτ-ίτης = μυρσιν-ίτης (Thphr., Nik. u.a.; Redard 74 u. 98). —6. μυρτεών, -ῶνος m. ‘Myrtenhain’ (Gloss.), auch μυρσεών ‘ds.’ (Gloss.; nach μύρσινος, Schw. 271). — 7. μυρτωταί f. pl. ‘mit Myrtenzweigen dekorierte Vasen?’ (Vaseninschr., AmJArch 31, 349f.; wie μηλωτή u.a.). — 8. μύρτων, -ωνος m. etwa ‘Weichling’ od. ‘Wüstling’ (Luk. Lex.). — 9. μυρτίλωψ· ζῷόν τι H.; Bildung wie αἰγίλωψ u. a.; nicht mit Strömberg Wortstudien 20 μυρτί-λωψ "das Tier, das die Myrte abschält". — ON und PN wie Μύρτος mit Μυρτῷος, Μύρσινος, Μύρσος, Μυρτίλος, Μυρσίλος usw.; s. Heubeck Beitr. z. Namenforsch. 1, 271. — Wegen der Lautähnlichkeit und der semantischen Berührung werden μύρτος, μύρρα, μυρίκη gewöhnlich mit Lewy Fremdw. 42ff. (s. bes. Heubeck 282 m. weiteren Hypothesen) ohne nähere Begründung als stammverwandte semit. LW angesehen. Ablehnend Schrader-Nehring Reallex. 2, 97, wo μύρρα ausgeschaltet wird und auch μύρτος und μυρίκη nur mit Vorbehalt zusammengehalten werden. — Aus μύρτος, -ον lat. murtus, -um ebenso wie arm. murt, npers. mūrd. II-274-275
μῦς, μυός, μῦν (analog., s.u.) m. ‘Maus, Ratte’ (ion. att. usw.), übertr. von Seetieren ‘Muschel, Art Walfisch usw.’ (A. Fr. 34 [= 59 Mette] usw., Einzelheiten bei Thompson Fishes s.v., zum Benennungsmotiv Strömberg Fischnamen 109 f.), ‘Muskel’ (Hp., Arist. usw.; vgl. unten). Kompp., z.B. μυ-γαλῆ (-έη) f. ‘die Spitzmaus’ (Hdt., Kom., Arist. u.a.), μυο-θήρας m. ‘mäusefangende Schlange’ (Arist., Sch.) daraus ngr. μεθήρα f. ‘Schlange’ (Georgacas Μνήμης χάριν 1, 120ff.), ἄ-μυος ‘ohne Muskel’ (Hp.), auch μυσ-κέλενδρα n. pl. ‘Mäusekot’ (Dsk., Moer., Poll., H.); zum Hinterglied vgl. lat. mūs-cerda ‘ds.’, aber im einzelnen unklar (Schwyzer 533, Schulze Kl. Schr. 394, Specht Ursprung 172). Ableitungen: 1. Deminutiva: μυΐδιον (Arr., M. Ant.), auch μύδιον ‘kleiner Kahn’ (D. S.), ‘kleine Zange’ (Mediz.); μυΐσκη, -ος ‘kleine Seemuschel’ (hell. u. sp.). — 2. μύαξ, -ᾰκος -n. ‘Seemuschel’ (Dsk., Mediz.) mit μυάκιον (Aët.). — 3. μυών, -ῶνος m. ‘Muskelballen, -knoten’ (P 315 u. 324, A. R., Theok.; Schwyzer 488, Chantraine Form. 162). — 4. μυωνία (eher -ιά) f. eig. ‘Mauseloch’, ‘vulva’ als Schimpfwort für ein unzüchtiges Frauenzimmer (Epikr. 9, 4), direkt von μῦς wie ἰ-ωνιά von ἴον (s.d.) u.a.; Näheres bei Scheller Oxytonierung 45 f., 70 f. — 5. Adj. μυώδης ‘muskulös’ D. S., Plu. u.a.), auch ‘mausähnlich’ (Plu.); μύειος ‘zur Maus gehörig’ (An. Ox.), μύϊνος ‘mausfarben’ (EM, Phot.). — 6. μυω-τός Beiw. von χιτών (’mausfarben’, ‘aus Mausfell’?; Poll.); Ben. einer Pfeilspitze (Paul. Aeg.), auch ‘mit Muskeln versehen’ (Klearch.), wozu μυόομαι, -όω ‘muskulös sein, werden; machen’ (Mediz.). — Zu μυελός s. bes. — Alte idg. Benennung der Maus, in mehreren Sprachen unverändert erhalten: lat. mūs, mūr-is, germ., z.B. ahd. mūs, aind. mū́ṣ- u.a.m., idg. *mūs; gr. Akk. μῦ-ν ist somit sekundär für *μῦ(σ)α (zu μῡ(σ)-ός usw.) nach ὗν (: ὗς, ὑ-ός) u.a. Zum Akz. in μῦς Berger Münch. Stud. 3, 7. Die idg. Vokallänge ist mit der Einsilbigkeit in Verbindung gesetzt worden (Schwyzer 350 mit Specht KZ 59, 280ff.); ablehnend Kretschmer Glotta 22, 240 f. Eine alte kurzvokalige Nebenform wird in aind. muṣ-ká- m. ‘Hode’ vermutet, vgl. 2. μόσχος. — Die übertragene Bed. ‘Muskel’ (nach der mausähnlichen Bewegung gewisser unter der Haut befindlichen Muskeln) läßt sich mehrfach beobachten, außer im Griech. und Germ. (Ahd. u. Ags., wo besonders ‘Muskel des Oberarms’) noch in lat. mūs-culus ‘Mäuschen, Muskel’, arm. mu-kn ‘Maus, Muskel’. — Ganz hypothetisch ist die Zurückführung auf das nur im Aind. belegte Verb für ‘stehlen’ muṣ- (Präs. mus-ṇā-ti, móṣati), so u.a. Thieme Die Heimat d. idg. Gemeinspr. 36. II-275-276
μύσος n. ‘Besudelung, Befleckung, ekelhafte Erscheinung’ (Emp., Trag., Hp., späte Prosa). Wenige Kompp., z.B. χερομυσής ‘die Hände besudelnd’ (A. Ch. 73, lyr.) mit verbaler Umdeutung des Hinterglieds (vgl. Schwyzer 513), μυσ-αχθής ‘von μύσος beschwert, ekelhaft’ (Nik., AP). Ableitungen: Adj. μυσαρός ‘besudelt, befleckt, scheußlich’ (Hdt., E., Ar. u.a.), -ερός (Man. u.a.), vgl. μιαρός, -ερός; mit μυσαρία (Sm.); auch μυσά· μιαρά, μεμιασμένα, μυσαρά H. — Verba: 1. μυσάττο-μαι, -αχθῆναι, -άξασθαι ‘sich besudelt fühlen, Ekel empfinden, verabscheuen’ (Hp., E., X., Luk. u.a.); davon μύσαγμα = μύσος (A. Supp. 995) und das expressive μυσάχνη f. ‘Prostituierte’ (Archil. 184), = μισητή, ἀκάθαρτος H., μυσαχνόν· μεμολυσμένον H., vgl. βδελύττομαι : βδελυχρός und Debrunner IF 21, 217. — 2. μυσάζω = μυσάττομαι (Aq.). — 3. μυσιάω ‘Ekel, Überdruß empfinden’ (Corn.), nach den Krankheitsverben auf -ιάω (Schwyzer 732). — Mit Gutturalerweiterung μύσκος· μίασμα, κῆδος H.; vgl. μίαχος s. μιαίνω. — Der Bildung nach an μῖσος erinnernd, aber ohne sichere Etymologie. Seit Benfey (s. Curtius 336) als *μύδ-σ-ος mit μυδάω ‘feucht sein, verwesen’ verbunden, was eigentlich nicht viel besagt. Isolierte Wörter der Bed. ‘unrein o.ä.’ aus dem Kelt., Germ. und Slav. werden (nach Fick u.a.) bei WP. 2, 251 und Pok. 742 zum Vergleich herangezogen, z.B. air. mosach (< *mudsāko-), ndd. mussig ‘schmutzig’, russ. múslitь ‘lutschen, begeifern’ (vgl. Vasmer s.v.). S. auch W.-Hofmann s. mustus. II-276-277
μύσσομαι, Fut. μύξομαι ‘sich schneuzen, schnauben’ (Hp., Epik. in Arch. Pap. 7, 5); auch im Akt. ‘schneuzen, einem die Nase schnauben, abwischen’ (Pl., E., Arr., AP), übertr. ‘an der Nase ziehen, betrügen’ (Men., H.); gew. mit ἀπο- ‘ds.’ (Ar., X., Arist. usw.), auch mit προ- ‘einen um Geld prellen’ (Hp.), ‘ein Licht schneuzen’ (Ar. V. 249 v. l. für πρόβυσον). Ableitungen: 1. μυκτήρ, -ῆρος m., oft im Plur., "der Schneuzer", ‘Nasenloch, Nüster’ (ion., Kom., X. usw.), auch (als Rückbildung von μυκτηρίζω) ‘Verhöhner’ (Timo), ‘Hohn’ (Plu., Luk. u.a.); davon μυκτηρίζω (ἀπο- ~ H.) ‘an der Nase bluten’ (Hp.), gew. ‘verhöhnen’ (Lys.Fr. 323 S., LXX u.a.) mit -ηρισμός ‘Verhöhnung’, -ηρίσματα pl. H. als Erklärung von ἀποσκώμματα, -ηριστής m. ‘Verhöhner’ (Ath.). — 2. μύξα, -ης f. ‘Schleim, Rotz’, auch ‘Nasenloch, Schnauze, Tülle der Lampe’ (Hes. Sc. 267, ion., Arist. usw.; zur Bildung unten) mit mehreren Ablegern: Demin. μυξάριον (M. Ant.); μυξώδης ‘schleim- artig, voll von Schleim’ (Hp., Arist., Thphr. u.a.); μυξ-ωτῆρες pl. (Hdt., Hp. u.a.), -ητῆρες (Gal.) ‘Nüstern’ (vgl. τροπωτήρ, κωπητήρ u.a., Chantraine Form. 327 f.); μυξ-άζω, -άω ‘schleimig sein’ (Sch.); Fischnamen: μύξων, -ωνος m. ‘Art Mugil’ (Arist.), wohl direkt von μύξα; dazu als Rückbildung (κόκκων : κόκκος u.a.; vgl. Chantraine 161) μύξος ‘ds.’ (Ath.); μυξῖνος ‘ds.’ (Hikes. ap. Ath.; wie κορακῖνος u.a.). — 3. ἀπόμυξ-ις ‘das Schnauben’ (Plu.), -ία ‘Rotz’ (AB, H.). — Zu μύκης ‘Pilz’ s. bes. — Neben dem primären Jotpräsens *μυκ-ι̯ομαι in μύσσομαι steht im Lat. ein Nasalpräsens ē-mu-n-g-ō ‘ausschneuzen’; vgl. σχίζω (:*σχιδ-ι̯ω) neben scindō. Unabhängige parallele Bildungen sind ἀπόμυξ-ις und ēmunc-ti-ō. — Von den Ableitungen bedarf nur μύξα der Erklärung : ebenso wie κνίση, κνῖσα auf den in lat. nīdor vermuteten s-Stamm zurückgehen kann, läßt sich μύξα zu lat. mūcor m. ‘Schimmel, Kahm, Feuchtigkeit’, wenn aus *mūcos, in Beziehung setzen (Solmsen Wortforsch. 238 f.). Die Ansetzung eines Adj. *μυξός ‘schleimig’ (*μυκ-σ-ός) mit Solmsen (und Brugmann Grundr.2 2 : 1, 541) ist dagegen nicht notwendig, da μύξων, μύξος sich unschwer aus μύξα erklären lassen; s. oben. Zu den ganz sporadischen Formen mit anl. σμ-(σμύσσεται und σμυκτήρ H., σμύξων Arist. neben μύξων) bietet das Keltische ein Seitenstück in gäl. smùc, smug ‘Rotz’; aus dem Kelt. sei noch an die primäre to-Ableitung in mir. mocht ‘weich’ (aus *muk-to-) erinnert. Die aus dem Germ. und Baltoslav. hierhergezogenen Wörter, z.B. awno. mjūkr, lett. mukls ‘palūdōsus’ lehren für das Griechische nichts. Weitere, z.T. ganz fragliche Kombinationen bei WP. 2, 253, Pok. 744, W.-Hofmann s. ēmungō. — Zu μύσκος· μίασμα H. s. μύσος; die spärlich belegten ἀμυσχρός, ἀμυχρός usw. (s.d.) entziehen sich einer sicheren Beurteilung. Vgl. 2. μύζω und μυχθίζω. II-277-278
μύσταξ, -ακος m. ‘Oberlippe, Schnurrbart’ (Stratt., Eub., Theok., LXX), dor. u. lakon. Wort (vgl. Arist. Fr. 539); μύττακες· μυκαί (cod. μύκαι). Σικελοί. Ἴωνες (leg. Λάκ-) πώγωνα H. — Nach Ehrlich KZ 41, 288 und Güntert Reimwortbildungen 128 Umbildung von μάσταξ ‘Mund’ nach dem seltenen βύσταξ ‘Schnurrbart’ (Antiph.), das indessen selbst wahrscheinlich eine Neuschöpfung ist, siehe s.v. Eher Kreuzung von μάσταξ mit μύλλον ‘Lippe’ (s. d.) nebst anderen familiären Wörtern mit dem schallnachahmenden μῦ; vgl. Chantraine Form. 377 (mit Johansson IF 14, 333). II-278
μυστήριον usw. s. μύω. II-278
μυστί̄λη f. ‘Stück Brot, zu einem Löffel ausgehöhlt’ (Kom. Ath., Aret., Poll.) mit dem Demin. μυστιλάριον (Poll.) und dem Denom. μυστιλάομαι ‘mit einer μυστίλη Suppe ausschlürfen’ (Ar.). — Daneben μύστρον n. (-ος m. Poll., Hero Mech.) ‘ds’ (Nik.Fr.68,8 = Ath.3,126b), ‘Löffel, bes. als Maß od. Dosis’ (Mediz., Pap. u.a.), μυστρο-θήκη f. ‘Löffeletui’ (Pap.); Demin. μυστρίον (Mediz. u.a.). — Zu μυστίλη vgl. ζωμ-ί̄λη, στροβ-ί̄λη, μαρί̄λη, πέδ-ῑλον usw. (Chantraine Form. 249); man wird somit ein nominales Grundwort, etwa *μύστον, -ος (Bed.?), anzunehmen haben. Die zahlreichen Nomina instr. auf -τρον sind dagegen fast ausnahmslos primär. — Eine überzeugende Erklärung fehlt. Chantraine a.a.O. erinnert an μύσταξ, μάσταξ; man könnte eher an μύζω ‘saugen’ ("Gerät zum Saugen, Schlürfen") denken. — Die Schreibung μιστύλ(λ)η, -άομαι ist durch Vermischung mit μιστύλλω (s.d.) verursacht. II-278
μυττωτός (-σσ- Hp. Loc. Hom. 47, -σ- Kall.Fr. 282) m. ‘breiartiges Gericht aus Käse, Honig, Knoblauch usw.’ (Hippon., Anan., Hp., Kom., Thphr. usw.). Davon μυττωτεύω ‘in einen μ. verwandeln, übel zurichten’ (Ar.) mit μυσσωτεύματα· ἀρτύματα H. — Zur Sache vgl. μῦμα. Bildung auf-ωτός, wahrscheinlich von einem Nomen (vgl. Chantraine 305 f., Schwyzer 503). Familiäres Wort ohne Etymologie. II-278
μυχθίζω ‘schneuzen, schnauben, verhöhnen’ (Theok., Plb., AP), ἀνα-μυχθίζομαι ‘schnauben, laut aufseufzen’ (A. Pr. 743); bei H. noch προμυχθίζει und ἐπεμύχθισαν, letzteres als Erklärung von ἐπέμυξαν. Davon μυχθισμός m. ‘das Schnauben, das Verhöhnen’ (Hp., E., Aq.); μυχθώδης ‘schneuzend, schnaubend’ (Hp.), wie von *μύχθος (vgl. unten). — Expressives Präsens, mit μύσσομαι und μύζω ‘stöhnen, seufzen’ (s. dd.) nahe verwandt. Ausgangspunkt war wohl der Aorist μύξαι, μύξασ-θαι, zu dem, evtl. über *μύχθος (s. oben), das Präsens μυχθίζω trat, etwa nach Muster von βρόξαι ( : βρόχθος) : βροχθίζω. II-278-279
μυχός (pl. -ά Kall. Del. 142 u.a.; Schwyzer 581 m. Lit.) m. ‘der innerste Ort, das Innere, Winkel, Schlupfwinkel, Versteck, Vorratskammer’ (seit Il.; zur Bed. bei Homer Wace JHSt. 71, 203ff.). Kompp., z.B. ἑπτά-μυχος ‘mit sieben Schlupfwinkeln’ (Kall.). Ableitungen: 1. μύχιος ‘im Innersten gelegen’ (poet. seit Hes. Op. 523, sp. Prosa); dazu mehrere Superlativa, alle von μυχός ausgehend: μυχοίτατος (φ 146), wohl vom Lok. -μυχοῖ in μοχοῖ· ἐντός. Πάφιοι H.; μυχαίτατος (Arist.; -τερος Hdn. Epim.), nach μεσαί-τατος, -τερος u.a.; μύχατος (A. R., Kall. u.a.), nach ἔσχατος usw.; μυχέστατος (Phot.). — 2. μύχ-αλος = -ατος (Trag. Anon.; Τάρταρα; auch E. Hel. 189 [lyr.]?), vgl. μυχάλμη· βυθὸς θαλάσσης Phot. (: ἅλμη), βύσσαλοι· βόθροι H. — 3. μυχώδης ‘voll von Winkeln’ (E. in lyr.). — 4. μυχάς f. = μυχός (Lyr. Adesp. Oxy. 15 II 4). — 5. μυχόομαι ‘in einem Winkel versteckt werden’ (Sch.). — Ohne direkte außergriechische Entsprechung. Als supponiertes Verbalnomen, eig. *"das Schlüpfen, das Hineinstecken, Verstecken" (> ‘Schlupfwinkel, Versteck’), reiht sich μυχός teils an arm. mxem ‘hineinstecken, eintauchen’, idg. (s)muqh-, teils an eine germ. Wortsippe, z.B. awno. smjúga ‘hinein-, durchkriechen’ (wozu smuga f. ‘enge Öffnung, Schlupfwinkel’), mhd. smiegen ’schmiegen’, wenn aus idg. smeugh-; die germ. Wörter können indessen auch auf smeuqzurückgehen und stimmen dann bzgl. des Gutturals zu aksl. smykati sę ‘sich dahinschleppen, kriechen’, lit. smùkti ‘(ab)-gleiten, rutschen’ u.a.m.; der Wechsel q : qh : gh kann z.T. auf rein lautlichen Vorgängen (Assimilation benachbarter Konsonanten), z.T. auf Vermischung mit sinn- und formverwandten Wörtern beruhen. — Weitere Kombinationen, die sich bei einer Wortfamilie dieser Bed. leicht ins Uferlose verlieren, bei WP. 2, 254f., Pok. 744f., Fraenkel s. smùkti, auch Vasmer s. smýkatь; überall mit weiteren Formen u. Lit. — Zu μύσχον· τὸ ἀνδρεῖον καὶ γυναικεῖον μόριον H., von Fick KZ 43, 149 (s. auch Bechtel Dial. 3, 317) über *μύχ-σκον hierher gezogen, vgl. zu 2. μόσχος. II-279
μύω (S. Fr. 774, Kall., Nik. u.a.), Aor. μῠ́σαι (seit Ω 637; vgl. unten), sp. μῦσαι (AP u.a.), Fut. μῠ́σ-ω (Lyk. 988), Perf. μέμῡκα (seit Ω 420), ‘sich schließen, zusammengehen’, bes. von den Augen, ‘die Augen schließen, einschlummern’, auch (insbes. mit κατα-) trans. ‘schließen’ (ὀφθαλμούς usw.). auch mit Präfix, bes. ἐπι-, κατα-, συν-, Als Vorderglied in μύ-ωψ. them. erweitert -ωπός "mit sich schließenden Augen", d.h. ‘kurzsichtig’ (vgl. Sommer Nominalkomp. 9 A. 2). Ableitungen: 1. Adv. auf -τί mit α priv.: ἀ-μυσ-τί ‘ohne (die Lippen) zu schließen, in einem Zug’ (Hp., Pherekr.), woraus ἄμυστις f. ‘das Trinken in einem Zug’ (Anakr., Epich., E. usw.) mit ἀμυστίζω ‘den Becher in einem Zug leeren’ (E., Plu.); vgl. Schwyzer 623 m. A. 10. — 2. (σύμ-, κατά-)μύσις f. ‘das Schließen, Zusammengehen’ (Hp., Thphr., Plu. usw.). — 3. μύστης m. wohl eig. "der die Augen schließt", ‘der (in die eleusinischen Mysterien) Eingeweihte’ (Heraklit., Ar., E. usw.) im Gegensatz zum. ἐπόπτης "dem Zuschauer", der zum höchsten Grad gelangt ist; f. μύστις Ben. von Komödien des Antiph. und des Philem., LXX usw.; davon μυστικός ‘zu den Mysten (Mysterien) gehörig, geheim’ (ion. att.; Chantraine Études 116, 123, 125), μυστήριον, gew. pl. -ια ‘Geheimdienst’ (ion. att.) mit μυστηρ-ιώδης, -ικός u.a.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 222 f. — Neben μύω steht μυέω, meist Pass. μυέομαι, Aor. μυηθῆναι, μυῆσαι, Fut. μυηθήσομαι, Perf. μεμύημαι, ganz vereinzelt mit ἐν-, συν-, προ-, wohl eig. "sich die Augen schließen lassen" (vgl. μύστης), ‘eingeweiht werden’, wozu sekundär das Akt. ‘einweihen’ (ion. att.). Davon μύησις f. ‘die Einweihung’ (hell. u. sp. Inschr., Ph. usw.). — Für sich steht μυάω ‘die Lippen (die Augen?) zusammenschließen’ (nur Ar. Lys. 126 τί μοι μυᾱ͂τε; von H. mit σκαρδαμύττετε erklärt), auch μοιμυάω (H., Phot.); aus der Ar.-Stelle erschlossen?; aber vgl. μοιμύλλω s. μύλλω. — Das Perfekt μέμῡκα stimmt zu den gleichfalls intransitiven ἕστηκα, βέβηκα usw.; der kurzvokalische Aor. μῠ́σαι (wofür sekundär μῦσαι zu μύω) kann wie φθάσαι u.a. aus einem Wurzelaor. umgebildet sein (μῠ́σαν Ω 637 für *μῠ́-ν?); davon das Fut. μῠ́σ-ω. Dann wäre σ in μύσ-της unursprünglich. Wenn alt, müßte umgekehrt μέμῡκα analogisch sein. Das Präsens μύω läßt sich sowohl auf μυ- wie auf μυσ- (*μύσ-ι̯ω fragend Schulze Q. 334 A. 3) zurückführen; vgl. Schwyzer 686 und 721. — Außergriech. Vergleiche helfen kaum weiter: das isolierte lett. musinât ‘flüstern, murmeln’ (WP. 2, 310, Pok. 752) besagt wenig. Jedenfalls geht μύω auf das ursprünglich schallnachahmende μῦ zurück; s. noch μύζω, μῦθος, μυκάομαι. — Die Neubildung μυέομαι mit μυέω entsprang wahrscheinlich außerpräs., mit η erweiterten Formen wie μυηθῆναι, μεμύημαι; vgl. Schwyzer 721. Zu μυάω vgl. σιγάω, βοάω u.a. — Über das Schicksal von μυστικός, μυστήριον in den westeurop. Sprachen (frz. mystique, mystère usw.) und im Neugr. s. Chantraine Studii clasice 2, 69 f. II-279-281
μυωξός m. ‘Siebenschläfer, Haselmaus’ (Opp. K. 2, 574). — Wohl (mit Fick GGA 1894, 241) für *μυ-ωκ-ι̯ος eig. "der die Augen schließt", verbaler Rektionskomp. von μύω ‘schließen’ und das Wort für ‘Auge’, idg. *ō̆qʷ-, mit ι̯ο-Suffix und ev. Kompositionsdehnung. Verfehlt Prellwitz s.v. (μῦς + χθών?). — Nicht ganz klar ist μυωξία, von H. und Suid. mit ὑβριστικὸς λόγος glossiert, nach Suid. auch = ‘Mausloch’ μυωπία (s.d.); wenn richtig, muß das Vorderglied μῦς sein. II-282
μυωπία f. 1. ‘Mausloch’ (Arist., Ael.).— 2. ‘Kurzsichtigkeit’ (Aët.). — Von μῦς und ὀπή ‘Loch’ mit Kompositionsdehnung und suffixalen -ία; vgl. Scheller Oxytonierung 45f. Von μύωψ ‘kurzsichtig’ (s.d.). II-282
μύωψ 1., -ωπος m. ‘Bremse, Sporn’, auch übertr. ‘Anreiz (A., Pl.. X., Arist. usw.) mit -ωπίζω ‘spornen’ (X., PLB. u.a.) -ωπίζομαι ‘von Bremsen gestochen werden’ (X., J. u.a.). — Wohl mit Bq aus *μυί-ωψ eig. "mit Fliegengesicht, fliegenähnlich". Nach Prellwitz Glotta 16, 153 eig. "Summling", von μυ in μύζω u.a. Zur Bildung Schwyzer 426 A.4. II-282
μύωψ 2., -ωπος ‘kurzsichtig’ (Arist. u.a.) mit -ωπία ‘Kurzsichtigkeit’ (s.d.), -ωπίας m. ‘kurzsichtiger Mensch’ (Poll., Paul. Aeg.), -ωπίασις = -ωπία (Gal.; nach den Krankheitsbez. auf -ίασις, wie von *-ωπιάω), -ωπάζω ‘kurzsichtig sein’ (2 Ep. Pet. 1, 9); daneben them. -ωπός ‘ds.’ (X. Kyn.). — Eig "mit sich schließenden Augen", von μύω und ὤψ. vgl. 1. μύωψ und μύω; zum Akzent Fraenkel Nom. ag. 2, 42. II-282
μῶ Buchstabenname s. 1. μυ̃. II-282
μωκάομαι, ‘spotten, verspotten, höhnen’ (LXX, Epikur., Agatharch. usw.) vereinzelt mit Präfix wie δια-, κατα-, mit μώκημα (LXX), δια-, κατα-μώκησις (Plb., Ath.) ‘Spötterei’. Daneben μωκός m. ‘Spötter, höhnisch’ (Arist., LXX) mit μωκία ‘Spötterei’, μῶκος m. ‘Hohn’ (Anon. ap. Atn., Simp.) mit μωκ-άζω (Suid.), -εύω (Zonar.) ‘höhnen’. — Wegen der Form (vgl. βρωμάομαι, πωτάομαι u.a. Schwyzer 719) liegt es nahe, μωκάομαι als ein intensives Deverbativum aufzufassen; dabei sind die seltenen μωκός und μῶκος als Rückbildungen zu verstehen. Auch Intensiva wie μηκάομαι und μυκάομαι bieten sich zum Vergleich. Sonst dunkel. Nach einem anonymen Gewährsmann (Stud. itfilcl. N.S. 1, 93) soll das Wort eig. vom Kamel gebraucht worden sein (κάμηλος μωκᾶται), eine Angabe, die für onomatopoetischen Ursprung sprechen würde. — Vgl. μῶμος. II-282
μῶλος m. ‘Kampf, Kampfgetümmel’ (Il. σ 233, Hes. Sc. 257; danach Archil. 3). Als Hinterglied in εὔμωλος· ἀγαθὸς πολσ-μιστής, εὔοπλος (H.) mit Εὐμωλ-ίων (Sparta); außerdem in den aus Gortyn stammenden, semantisch zusammengehörigen ἀντί-μωλος = ’ἀντίδικος, Widersacher vor Gericht’ mit ἀντι- μωλ-ία· δίκη εἰς ἥν οἱ ἀντίδικοι παραγίνονται (H. s. μωλεῖ), ἀμφί-μωλος ‘um den ein Prozeß geführt wird, streitig’, ἀμωλ-εί ‘ohne Prozeß’, unsicher ἀγχεμω[λία], = ’ἀγχιστεία’? Denom. Verb. μωλέω, auch mit ἀμφι-, ἀπο-, ἐπι-, ‘prozessieren’ (gort.), μωλεῖ· μάχεται, μωλήσεται· μαχήσεται, πικρανθήσεται H. — Hierher wohl auch Μώλεια n. pl. N. eines arkad. Festes (Sch. A. R. 1, 164). — Nicht sicher erklärt. Gewöhnlich mit Bezzenberger-Fick BB 6, 239 u.a. zu lat. mōlēs ‘wuchtige Masse, Schwere, Anstrengung, Mühe’ gestellt; urspr. Bed. dann *‘Anstrengung, Mühe o.ä.’ (noch in μῶλος Ἄρηος erhalten?), woraus ‘Kampf’ (vgl. πόνος); daraus mit Übertragung in die Rechtssphäre ‘Prozeß’; vgl. διώκειν, φεύγειν und Trümpy Fachausdrucke 160ff., Ruijgh L’élém. ach. 95f. Ein ganz hypothetischer Versuch, μῶλος und mōlēs morphologisch miteinander eng zu verknüpfen, von Pedersen Cinq. décl. lat. 62 (Schwyzer 425). —Abtrennung eines l-Suffixes ermöglicht Anschluß an eine germ.-slav. Wortgruppe, z.B. ahd. muoan ‘beschweren, mühen’ (mit müde usw.), russ. máj-u, -atь ‘ermüden, erschöpfen, plagen’. Weitere Formen mit reicher Lit. bei WP. 2, 301f., Pok. 746, W.-Hofmann s. mōlēs, Vasmer s. májatь. S. auch μόλις und μῶλυς. II-282
μῶλυ n. N. einer unbekannten Pflanze (κ 305, Kom. adesp. 641), von den Späteren (Plin., Dsk., Ps.-Dsk., Poet. de herb.) verschiedentlich identifiziert, nach Thphr. HP 9. 15, 7 arkad. Bez. einer Knoblauchart ‘Allium nigrum’; auch μῶλυς ῥίζα (Lyk. 679). Näheres bei Ferrari Ist. Lomb. 88, 12ff. — Fremdwort unbekannter Herkunft; vgl. Henry Classl Rev. 20, 434 f., André Rev. de phil. 84, 234. Zum u-Stamm vgl. die ebenfalls fremden μίσυ, βράθυ, σῶρυ u.a. (Chantraine Form. 119). Abzulehnende idg. Etymologien von Kretschmer KZ 31, 386 (zu aind. mū́lam ‘Wurzel’; zustimmend u.a. Güntert Götter und Geister 92ff.), Oštir Don. nat. Schrijnen 286ff. Nach Cocco Arch. glottol. it. 40, 10ff. (mit Referat älterer Deutungen und Lit.) als Mittelmeerwort zu μαλάχη usw.; von Andre (s.o.) mit Recht in Zweifel gezogen. Vgl. noch Neumann Heth. u. luw. Sprachgut 28. II-282
μώλυζα f. N. einer Knoblauchart (Hp.). — Zu μῶλυ mit demselben Ausgang wie in κόνυζα, ὄρυζα, ῥίζα u. a.; vgl. H. Petersson Griech. u. lat. Wortstud. 19 (Kreuzung von μῶλυ und κόνυζα. André Rev. de phil. 84, 235. II-282-283
μῶλυς, -υος ‘geschwächt (auch geistig), erschöpft, weich’ (S.Fr. 963. Nik.. Demetr. Lac. u.a.); auch μῶλυξ (cod. -δ-; vgl. v. Blumenthal Hesychst. 42f.)· ἀπαίδευτος, μώλυκα· τὸν ἀπαίδευτον. Zακύνθιοι H.; μωλυρόν· νωθρόν, βραδύ H. Daneben μωλύω, -ύνω, -ύνομαι, Aor. Pass. μωλυ(ν)θῆναι, Perf. Med. μεμώλυσμαι, vereinzelt mit ἀπο-, κατα-, δια-, ‘halb sieden od. kochen, verbrühen, erweichen, entkräften’, Med.-Pass. ‘kraftlos werden, dahinschwinden’, bes. von Wunden ‘nicht eitern’ (Hp., Arist. u.a.); μωλύεται· γηράσκει, μεμωλυσμένη· παρειμένη H. Davon die Verbalnomina μώλ-υσις (-υνσις) f. ‘das Verbrühen usw.’ (Gegensatz ἕψησις; Arist., Thphr. u.a.), -υτὴς ἐπέων Bed. unklar (Timo). — Zu μωλύω (wozu μωλύ-ν-ω; vgl. Schwyzer 728) vgl. κωλύω; das erheblich seltenere μῶλυς kann davon rückgebildet sein. Mit Guttural erweitert μῶλυξ wie κόρυξ· νεανίσκος H. (s. κόρη); μωλυ-ρός wie ἐχυρός, καπυρός u.a. (schwerlich mit Benveniste Origines 36 zu μωλύνω mit ρ : ν -Wechsel), wenn nicht aus -υλός dissimiliert (vgl. Leumann Glotta 32, 223 A. 2 = Kl. Schr. 249 A. 3). — Wegen der wenig prägnanten Bedeutung und der unklaren Bildungsweise etymologisch schwierig zu beurteilen. Von Fick 23, 189, Bq u.a. zu μέλεος gezogen (wozu nach Bechtel Lex 224f. und Specht KZ 59, 93 auch ἀμβλύς); ablehnend WP. 2, 285. Nach Prellwitz BB 26, 310 (zustimmend WP. 2, 301 und Pok. 746) dagegen zu μῶλος. Wieder anders H. Petersson Et. Miszellen 18: μωλύω zu μολούω (s. μολεύω) wie κωλύω zu κολούω. — Alles hypothetisch. II-283
μώλωψ, -ωπος m. ‘Strieme, blutunterlaufene Stelle’ (Hyp., Arist., LXX, Mediz. usw.) mit μωλωπ-ικός ‘striemig’ (Gal.), -ίζω ‘Striemen machen, bleuen, mürbe schlagen’ (Aq. , Plu. u.a.). — Bildung wie 1. μύ-ωψ, ὕδρ-ωψ u.a. (Schwyzer 426 A. 4), somit wohl als Vorderglied ein Nomen enthaltend, das indessen ohne sichere Anknüpfung ist. Semantisch, auch formal nahe liegt lit. mė́l-ymė, -ynė ‘Bläue, blauer Fleck, Strieme’, von mė́las ‘blau’, mit Abtönung ē : ō (vgl. lit. mólis ‘Lehm’); dazu ferner μέλας, μολύνω (s. dd.) u.a. (Bq mit älterer Lit., Persson Beitr. 2, 674, WP. 2, 293, Pok. 720f., Fraenkel Wb. s. mė́las). — Anders, gewiß nicht besser, Zupitza KZ 37, 398 und Solmsen IF 13, 137: aus *μώσλωψ zu germ., z.B. ahd. māsa ‘Fleck in der Haut, Narbe, Wunde’ (WP. 2, 300, Vasmer Wb. s. mozólь m. Lit. u. weiteren Einzelheiten). II-283
μῶμαι, 3. sg. μῶται (Epich.), 3. pl. μῶνται (Euph. [IIIa]), Opt. μῷτο (Stob.; el. μαῖτο?, Fraenkel Nom. ag. 1, 45, Bechtel Dial. 2, 854), Inf. μῶσθαι (Thgn. u.a.), Ptz. μώμενος (A. u. S.), Aor. ἐμώσατο· εὗρεν, ἐτεχνάσατο, ἐζήτησεν H. ‘streben, trachten, begehren’ (poet.). Davon μῶσις f. ‘das Streben’ (Corn.). — Ob das primäre μῶμαι als athematische Bildung oder als Jotpräsens anzusehen ist, läßt sich nicht entscheiden (vgl. Schwyzer 675 A. 8). Wenig für sich hat die Vermutung Bechtels (Lex. s. μαιμάω), daß μῶμαι auf ein verlorengegangenes Perfekt zurückgehe. Das einmalige ἐμώσατο ist zu μῶμαι neugebildet. Beziehung zum reduplizierten μαι-μά-ω und zummehrdeutigen μαίομαι (s. dd.) ist möglich; hierher noch nach Fick 1, 507 lat. mōs ‘Sitte’, nach Prellwitz BB 26, 309ff. germ., z.B. got. moþs ’Mut, Zorn’. Weitere, ebenfalls ganz hypothetische Kombinationen m. Lit. bei WP. 2, 238f., Pok. 704f., W.-Hofmann s. mōs. II-283-284
μῶμος (μῶμαρ n. Lyk.) m. ‘Tadel, Vorwurf, Schandfleck’ (poet. seit β 86, auch sp. Prosa), ‘Makel eines Opfertiers’ (LXX). Kompp., z.B. ἄ-μωμος ‘untadelig’ (ion. poet., sp. Prosa), μωμο-σκόπος ‘der das Opfertier auf einen Makel hin untersucht’ mit -σκοπέομαι, -έω (Ph. usw.; Bartelink Glotta 39, 43ff.). — Neben μῶμος steht mit abweichender Vokalisation μῦμαρ· αἶσχος, φόβος, ψόγος mit μυμαρίζει· γελοιάζει H.; dazu das alte ἀ-μύμων (: *μῦμα) etwa ‘edel, herrlich’, eig. *’untadelig’. Ein Ablautwechsel ω (< ωυ) : υ ist nicht ausgeschlossen, vgl. ζωμός : ζύμη und Schwyzer 346 u. 359. Sonst isoliert; vgl. indessen μωκάομαι, μῶκος (L. Meyer 4, 300, Prellwitz 304). —Verfehlte Hypothesen werden von WP. 2, 249 abgelehnt (vgl. noch Benveniste Origines 22). Davon μώμ-ιμος ‘tadelhaft’ (Stoic.); vgl. νόμιμος u.a. (Arhenz 113). Denominative Verba: 1. μωμάομαι (ion. -έομαι), ganzvereinzelt mit ἐπι-, δια-, ‘tadeln, schelten, schmähen’ (ion. poet. seit Il., sp. Prosa) mit μώμ-ημα (LXX, v.l.), -ησις (Sch.) ‘Tadel’, -ητής m. ‘Tadler’ (Hp.), -ητικός ‘tadelsüchtig’ (hell. u. sp.), -ηλός ‘tadelhaft’ (Hld.). — 2. μωμεύω ‘ds.’ (ζ 274, Hes. Op. 756); zur Vermeidung kontrahierter Formen, vgl. λωβάομαι : λωβεύω (s. λώβη m. Lit.). — 3. μωμαίνω ‘ds.’ (Hdn. Epim.). II-284
μῶνυξ, -υχος ‘einhufig’, fast nur im Plur. von Pferden im Gegensatz zu Rindern und Schafen mit gespaltenen Hufen (Hom., auch Hdt., Arist. u.a.); zur Stammbildung Sommer Nominalkomp. 96 ff. — Nach den Alten aus *μονϝ(ο)-ονυξ mit Silbendissimilation und ev. Kompositionsdehnung (vgl. μον-όφθαλ-μος ‘einäugig’ usw.), was von Runes Glotta 19, 286 f. mitguten Gründen verteidigt wird. Seit de Saussure Rec. 266 dagegen allgemein auf *σμ-ῶνυξ zurückgeführt mit alter Reduktionsstufe von idg. *sem- in eĭ̃s ‘einer’ (s.d.). Wenn richtig, muss μῶνυξ uralt sein und sogar wie μ-ία (= arm. mi) in vorgriechische Zeit zurückgehen, was nicht besonders wahrscheinlich ist. Für μόν(ϝ)ος hätte man allerdings οἶ(ϝ)ος erwartet (Schwyzer 433 A.3). Für *σμ-ῶνυξ u.a. Wackernagel KZ 28, 137 (= Kl. Schr. 1, 619), Bechtel Lex. 230, Brugmann4 198, Risch, par. 81, Lejeune Traité de phon. 102, Schwyzer 588 m. A. 3. II-284-285
μωρός, att. μῶρος (wohl aus dem Vok.; Schwyzer 380 und 383) ‘dumm, stumpfsinnig, töricht’ (ion. att.). Kompp., meist spät, z.B. μωρο-λόγος ‘der Dummheiten spricht’ mit -λογία, -λογέω, -λόγημα (Arist., hell. u. sp.), ὑπό-μωρος ‘etwas dumm’ (Luk.). Davon μωρία, ion. -ίη f. ‘Dummheit, Torheit’ (ion. att.), μωρίαι· ἵπποι καὶ βοῦς ὑπὸ ’Αρκάδων H. (sg. μωρίας m. wie ἐρυθ-ρίας u.a.; Bed. wie ngr. ἄλογο = ἵππος), Μωρίων (Ark. Gramm.; abzulehnen Heubeck Beitr. z. Namenforsch. 1, 281 : zu Μυρίνη usw.). Denominativa : 1. μωραίνω ‘stumpfsinnig, töricht sein’ (A., E., X., Arist. u.a.), ‘töricht machen, als Torheit erweisen’, Pass. ‘töricht, unschmackhaft werden’ (LXX, NT) mit μώραν-σις = μωρία (Sch.). — 2. μωρόομαι ‘dumm, stumpfsinnig werden mit μώρωσις (Hp.). — 3. μωρεύω = μωραίνω (LXX). — 4. μωρίζω ‘dumm sein’ (Gal.). — Nicht sicher erklärt. Seit Pictet (s. Curtius 338) gewöhnlich mit aind. mūrá- ‘stumpfsinnig, töricht’ ( ?; vielmehr ‘erschütterlich = gebrechlich’ nach Thumb -Hauschild Hb. des Sanskrit I : 1, 271 A.) verbunden mit Ablaut ō(u) : ū (vgl. zu μῶμος). Brugmann Festschr. Thomsen 6 zieht mūrá- zu aind. mū́ka-’stumm’ (s. μυκός). Bei Wörtern dieser Bedeutung ist mit Entgleisungen und Kreuzungen zu rechnen, was den Vergleich erschwert. — Lat. LW mōrus ‘närrisch, albern’, s. W. -Hofmann s.v. Ngr. μωρό ‘Säugling’ (Andriotis Glotta 25, 17). II-285
ν- (in ν-ήνεμος, ν-ωδός u.a.) Nebenform des Privativpräfixes. s. ἀ- m. Lit. II-285
νάβλα (Soph.Fr. 849 [sehr unsichere Konj.], LXX), -ας m. (Kom., Str. u.a.), auch ναῦλα f. (Aq., Sm.), -ον n. (H.) f. N. einer phönikischen Leier mit 10 oder 12 Saiten. Davon ναβλίζω = ψάλλω (Gloss.) mit ναβλιστής m. ‘Spieler einer N.’ (Euph.), auch ναβλιστο-κτυπεύς ‘ds.’ (Man. 4, 185), für *ναβλο-κτύπος (durch Kreuzung und mit formell erweiterndem -ευς), f. ναβλίστρια (Maked.). — Wie das Instrument war wohl auch dessen Name phönikisch; vgl. hebr. nēbel N. einer Harfe; näheres bei Lewy Fremdw. 161. — Lat. LW nablium, nablum, s. W.-Hofmann s.v. II-285
νάερρα · δέσποινα H. — Äolische Form. (vgl. Wackernagel IF 43, 124 = Kl. Schr. 2, 842), wohl mit Hoffmann Dial. 2, 24.l für να<έτ>ερρα; vgl. ναίτειρα (leg. ναέτ-?)· οἰκοδέσποινα H. —Nach v. Blumenthal Hesychst. 43 dagegen aus *νάσ-ερι̯α (wie Δάειρα, πίειρα u.a.) zu ναίω (aus *νάσ-ι̯ω), νάσ-σαι ‘wohnen’. II-286
ναί (seit Il.), auch νή (bes. att.), νεί (böot., auch ark.) Versicherungspartikel ‘fürwahr, wahrlich, ja’ (ναὶ δή, ναὶ μήν, ναὶ μὰ Δία, νὴ Δία usw.). — Zu νή stimmt lat. nē ‘fürwahr, wahrlich’; ναί kann in toch. B nai ‘doch’ eine formale Entsprechung haben. Zu νή : νεί : ναί vgl. ἠ : εἰ : αἰ ‘wenn’; danach analogisch δαί neben δή. Das Wort wird gewöhnlich mit dem Demonstrativum idg. *(e-)no- ‘jener’ verbunden, s. ἐκεῖνος und W.-Hofmann s. enim m. reicher Lit., auch Schwyzer-Debrunner 570 m. A. 2 u. 3. — Anders Pisani Ist. Lomb. 77, 560f. (zu aksl. nyne ‘jetzt, heute’ usw.). II-286
ναϊάς, ναί̄ς, ion. νηϊάς, νηΐς f. ‘Naiade’ s. νάω. II-286
ναίω, Aor. νάσ-σαι, -σασθαι, -θῆναι, späte Formen ναιήσαντο, νένασμαι, νάσσομαι, ‘wohnen, bewohnen’, vereinzelt ‘gelegen sein’ (in dieser Bed. auch Med. εὖ ναιόμενος), Aor. ‘zur Wohnung geben, ansiedeln’, Pass. ‘sich ansiedeln’ (ep. poet. seit Il.). auch mit Präfix, z.B. κατα-, ἀπο-, συν-, περι-, παρα-, Davon das erweiterte Präsens ναιετάω, auch mit περι-, μετα-, παρα-, ‘wohnen, bewohnen’, auch ‘gelegen sein’, bes. in εὖ ναιετάων ‘wohl gelegen, wohnlich’ (ep. lyr. seit Il.); zur strittigen Bildung Schwyzer 705, Leumann Hom. Wörter 1, 182 ff., Chantraine Gramm. hom. 1, 358. — Daneben vom Präsensstamm, z.T. wohl auch von ναιετάω rückgebildet, περι-, μετα-ναιέται m. pl. ‘Um-, Mitwohner’ (Ω 488 u. A. R. 4, 470 bzw. Hes. Th. 401), ἁλι-ναιέται ‘Meerbewohner’ (B. 16, 97); ἐν-ναέται ‘Be- wohner’ (Isyll., A. R. u.a.), f. -έτις (A. R.). Simplex ναέτης, dor. -τας ‘Bewohner’ (poet. seit Simon.), f. ναιέτις (Kall.); sekundär (ἐν-)ναετήρ m. ‘ds.’ (APu.a.), f. ἐνναέτειρα (APl.). —Zu μετανάστης s. bes. — Die kausative Bed. von νάσσαι ist wohl aus der Opposition zum intr. νασθῆναι entstanden. Die Bed. ‘gelegen sein’, öfters bei ναιετάω, bes. in εὖ ναιετάων, vereinzelt bei ναίω, ist nicht befriedigend erklärt; vielleicht ist vom Ptz. εὖ ναιετάων eig. ‘wo man schön wohnt’ auszugehen mit derselben Verschiebung wie z.B. in ὁ ἐπιβάλλων ‘der, dem es zusteht’ u.a. (Typus café chantant, s. Debrunner Mus. Helv. 1, 31 ff.); vom Ptz. hätte der Gebrauch in der poetischen Sprache auf die finiten Formen, gelegentlich auch auf das primäre ναίω übergegriffen. Leumann Hom. Wörter 191 ff. will die auffallende Bed. aus einer falschen Interpretation von Γ 387 erklären; dagegen Fraenkel Gnomon 23, 374. Der Verbalstamm νασ- (ναίω aus *νάσ-ι̯ω) steht isoliert. Er wird gewöhnlich, aber mit zweifelhaftem Recht, als eine Reduktionsstufe von νεσ- in νέομαι (wozu auch ἄσμενος) betrachtet; s.d. m. weiterer Lit. Ablehnend Kretschmer Glotta 3, 337. Vgl. ναός. νάκη f. (ξ 530. Lyk., Paus.), gewöhnlicher νάκος n. (Pi., Hdt., Simon., Inschr. usw.) ‘wolliges Fell, Vlies, bes. von Schaf u. Ziege’. Als Vorderglied u.a. in νακο-δέψης m. ‘Gerber’ (Hp. u.a.), als Hinterglied in κατω-νάκη f. ‘grobes, von Sklaven und Ackerarbeitern getragenes Kleid, das unten einen Vorstoß von Schaffell hat’ (Ar. u.a.), eig. subst. Bahuvrihi; zu ἀρνακίς s. ἀρήν. — Ableitung νακύριον· δέρμα H.; Bildung unklar (hypothetische Kombinationen bei v. Blumenthal Hesychst. 14f.), vielleicht mit Schmidt in νακύ<δ>ριον zu ändern (wie μελ-ύδριον u.a.; Chantraine Form. 72 f.). Zu νάκος : νάκη vgl. νάπος : νάπη und die nicht seltenen abstrakten Paare wie βλάβος : βλάβη (darüber Bolelli Stud. itfilcl. NS. 24, 98ff.); νάκος wie εἶρος, φᾶρος u.a., νάκη wie λώπη u.a. — Ohne unmittelbare außergriech. Entsprechung. Seit Lidén IF 18, 410 f. verbindet man damit das im German. isolierte ags. næsc ‘weiches Leder wie z.B. Hirschleder’, das über urg. *naska-, -ō- idg. *nak-s-qo-, -ā- repräsentieren kann; hierher noch apreuß. nognan ‘Leder’, wenn für noknan aus idg. nāq-no-(Lidén Stud. 66 f.). Weit fraglicher ist die Heranziehung von got. snaga m. ’ἱμάτιον’, s. Lidén a.a.O. und Feist Vgl. Wb. m. Lit. — WP. 2, 316f., Pok. 754. Vgl. νάσσω. II-286-287
ναμαραν Akk. sg. m. ‘Kandelaber?’ (Inscr. Délos 2240f.). — Durch Metathese aus syr. menārā ‘ds.’ nach Grégoire Byzantion 13, 181 f. (?). II-287
νάννας, -α s. νέννος. II-287
νᾶνος (POxy. 465, 225; IIp), Hss. öfters νάννος m. ‘Zwerg’ (Ar. Fr. 427, Arist., Longin., H.); auch Bez. eines aus Öl und Käse gemachten Kuchens (Ath. 14, 646 c). Als Vorderglied in ναννο-φυής ‘zwerghaft’ (Ar. Pax 790). Davon νανώδης ‘zwergartig’ (Arist.), ναννούδιον ‘Schoßhund’ (Sch. Luk. Conv. 19). — Zur Schreibung νάννος (hypokorist. Gemination) neben νᾱ͂νος vgl. Schwyzer 268. — Lallwort unbek. Ursprungs; vgl. Schwyzer 423, Björck Alpha impurum 67. Anders Mahlow Neue Wege 176: aus *νεᾱνός (s. νέος) mit Akzentwechsel. Lat. LW nānus (> frz. nain usw.), s. W.-Hofmann s.v. — Zu den verschiedenen Benennungen des Zwerges s. Schrader-Nehring Reallex. 2, 707 f. II-287
ναξος Beiwort von κολοσσός (Epigr. ap. Phot.). — Nach Geffcken und Herbig Glotta 9, 97 ff. ναξός zu betonen = ‘(mit dem Hammer) getrieben’, zu νάσσω. Hierher nach G. und H. auch der Inselname Νάξος. II-288
ναός (dor., thess., jungatt., hell.), ναϝός (lak.), ναῦος (lesb.), νηός (Hom., Hdt.), νεώς (att.) m. ‘Tempel, Gotteshaus, Heiligtum’. Kompp., z.B. ναο-κόρος (delph.), να-κόρος (dor.), νεω-(νεο-)κό-ρος (ion. att., hell.) m. ‘Tempelaufseher’ mit Ableitungen (s. κορέω); να(ο)-, νεω-ποιός, sekund. (Schwyzer 451) -πο(ί)ας, -πο(ί)ης N. einer Obrigkeit, die mit dem Bau der Tempel o. ä. beauftragt war, mit -ποιέω, -ποιία, -ποιεῖον, -ποϊκός u.a. (Inschr. seit Va); πρό-ναος (A. u.a.), att. -νεως, auch -νάϊος, ion. -νήϊς (’Αθηνᾶ Προναΐα, -νηΐα), ‘vor dem Tempel befindlich’, substantiviert πρό-ναος, ion. -νηος m., -ναον, -νάϊον, -νήϊον n. ‘Vorhalle’ (Einzelheiten bei Schwyzer-Debrunner 508 A. 1). Ableitungen: 1. Deminutiva: ναΐδιον (Plb., Str.), ναΐσκος m. (Str., J.) mit -ίσκιον, -ισκάριον (Pap., Sch.). — 2. Adj.: ναϊκός ‘zu einem Tempel gehörig’ (Dodona). — 3. Denominativa: ναεύω ‘in einem Tempel sich befinden’ (Gortyn); ναόω ‘in einen Tempel führen’ (Kreta); vgl. ναύειν· ἱκετεύειν, παρά τὸ ἐπὶ τὴν ἑστίαν καταφεύγειν τοὺς ἱκέτας H. — Als gemeinsame Grundlage der verschiedenen Dialektformen (worüber Schwyzer 224 m. A. 4, 282, Björck Alpha impurum 326 ff.) empflehlt sich *νασϝος. Dementsprechend wird das Wort gewöhnlich in *νασ-ϝο-ς zerlegt und als ‘Wohnung, Haus (des Gottes)’ zu νάσ-σαι, ναίω (s.d.) gezogen, was sehr wohl möglich ist; zum ϝο- Suffix Chantraine Form. 123 f., Schwyzer 472. Die Etymologie ist indessen mehrfach m Zweifel gezogen worden: von Hermann Silbenbildung 50, von Chantraine a.a.O. und Étrennes Benveniste 4 (viell. Mittelmeerwort), von Lewy KZ 55, 31 f. (semit. Etym.; nicht überzeugend). Hrozný Die älteste Völkerwanderung und die protoind. Zivilisation (Praha 1939) 14f. vergleicht protoind. (Mohendjo-Daro) nasas ‘großes Haus, Palast, Magazin’; eine gleich fragliche keltische Kombination bei Steinhaus Sprache 2, 15. II-289
νάπη νάπος n. (Pi., S., E., X. u.a.) f. (seit Θ 558 = Ρ 300), ‘waldiger Talgrund, Waldtal, Schlucht’; νάπα· σύμφυτος τόπος H. Davon ναπ-αῖος ‘waldschluchtig’ (S., E. u.a.), -ώδης ‘ds.’ (Eust., St. Byz.). — Unerklärt. Nach Ribezzo RIGI 15, 156ff. ägäischtyrrhenisch (mit sehr kühnen Hypothesen); vgl. auch ON Νάπος (Lesbos). Überholte idg. Etymologien bei Prellwitz und Bq. Vgl. προνωπής. — Neugr. Formen (νάπα usw.) bei Amantos ’Αρχ. ’Εφ. 28, 85 ff. II-289
νᾶπυ, -υος σίναπι, σίνηπι, auch -απυ, -ηπυ n., -απις f., -ηπυς m., Gen. -εως, -υος (hell. u. sp.) n. (Kom., Hp., Thphr. u.a.), ‘Senf’. — Von νᾶπυ : νάπειον (Nik. Al. 430), Erweiterung nach γήτειον, κώνειον u.a. Von σίναπι die Deminutiva σινάπ-ιον (EM, Gloss.), -ίδιον (Alex. Trall.), die Adj. σινάπ-ινος ‘aus Senf’ (Dsk., Gal.), -ηρός ‘mit Senf gewürzt’ (Pap.) und das Verb σιναπ-ίζω ‘ein Senfpflaster anbringen’ mit -ισμός (Mediz.). —Einzelheiten zu den griech. Formen bei Björck Alpha impurum 289 f. Fremdwort aus unbekannter Quelle. Wie sich das früher belegte νᾶπυ und das hellenist. σίναπι zueinander verhalten, ist nicht aufgeklärt. Da ähnliche Formdubletten in (angeblich) ägyptischen Wörtern vorkommen (σίλι : σέσελι, σάρι : σίσαρον), wurde auch für νᾶπυ, σίναπι ägyptischer Ursprung vermutet (Hehn Kulturpflanzen 211, André Latomus 15, 296 ff.); ablehnend Mayrhofer Sprache 7, 185 ff. Eine entfernte Ähnlichkeit zeigen aind. sarṣápa- m. (spätved.) ‘Senf’ (Lombardo Ist. Lomb. 91, 255 f.) ebenso wie malayische Benennungen des Senfs, sawi, sĕsawi, sĕnawi. Gegen die darauf begründete Hypothese einer austroasiatischen Entlehnung (Przyluski und Régamey BSOS 8, 703ff.) wenden sich sowohl Kretschmer Glotta 27, 249 f. wie Wüst Πῆμα 2,59ff. u. Anthropos 54 (1959) 987f.; auch Mayrhofer a.a.O. — Verfehlt Carnoy REGr. 71, 98 f. — Lat. LW nāpus ‘Steck-, Kohlrübe’ und sināpi(s). s. W.-Hofmann s.vv. m. weiterer Lit.; aus letzterem die germ. Formen, got. sinap(s), ahd. senef usw. II-289
νάρδος (νάρδον n. Thphr. Od. 12, Poll.) f. ‘indische Narde, Nardostachys Jatamansi’ (hell. u. sp.). Einzelne Kompp., z.B. ναρδό-σταχυς, -υος m. = νάρδου στάχυς, νάρδος (Dsk., Gal.). Davon νάρδ-ινος ‘aus Narde’ (Antiph., Men., Plb. u.a.), -ίτης οἶνος ‘Wein mit N. gewürzt’ (Dsk. in tit.; Redard 98), -ῖτις βοτάνη ‘n. -ähnliche Pflanze’ (Gal.; Redard 74); -ίζω ‘der Narde ähneln’ (Dsk.). — Aus dem Semit. (Phönik.); vgl. hebr. nērd, aram. nirda, babyl. lardu. Die weitere Zuruckführung auf aind. naḍá-’Schilf, Rohr’ (neben nadá- ‘ds.’) ist höchst unsicher und wahrscheinlich aufzugeben; eher ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die semit. Wörter aus aind. nálada- n. ‘indische Narde’ (AV u.a.) stammen, s. Mayrhofer s. naḍáḥ und náladam m. weiterer Lit. — Lat. LW nardus, -um; s. W.-Hofmann m. reicher Lit. Neben νάρδος steht νάρτη f. als Bez. einer aromatischen Pflanze (Thphr. HP 9, 7,3). II-289
νάρθηξ, -ηκος m. N. einer hochwachsenden Doldenpflanze, ‘Ferula communis, Rutenkraut, hohles Rohr derselben, u.a. als Thyrsosstab, Stock, Schiene gebraucht’ (seit Hes.), auch ‘Kapsel, Kästchen’ (Str. usw.). Einzelne Kompp., z.B. ναρθη-κο-φόρος ’ν. -träger’ (Pl., X. usw.). Davon ναρθήκ-ιον ‘kleine Latte’ (Mediz.), -ία N. einer narthexähnlichen Pflanze (Thphr.; vgl. βακτηρ-ία, ἀρτηρ-ία u.a.); ναρθήκ-ινος ‘aus νάρθηξ’ (Arist.), ναρθηκ-ίζω ‘schienen’ (Mediz. u.a.) mit -ισμός, -ισμα (Apollod. Poliork. u.a.); ναρθηκιῶντες· νάρθηξι πλήσσοντες H. — ON Ναρθάκιον (Phthiotis, auch Berg in Thessalien; X., Plu. u.a.). — Die Nebenform νάθραξ· νάρθηξ H. (mit Metathese) ebenso wie der ON Ναρθάκιον lassen auf urspr. -ᾱκ- schließen; somit Bildung wie ὅρπηξ, μύρμηξ u.a. (Schwyzer 497, Chantraine Form. 380 f., Björck Alpha impurum 261). Sonst dunkel. Die allg. Ähnlichkeit mit aind. naḍá- ‘Rohr’, lit. néndrė ‘Schilfrohr’ ist längst beobachtet worden (naḍá- und νάρθηξ aus gemeinsamer kleinasiat. Quelle nach Porzig ZII 5,269f.); ein ursprünglicher Zusammenhang ist aber ganz hypothetisch, s. Mayrhofer und Fraenkel s. vv. mit weiteren Einzelheiten und reicher Lit. Altere Kombinationen mit Lit. bei WP. 317f. und 700. S. auch νάρδος und die daselbst zit. Lit. II-289-290
νάρκη (sekund. νάρκᾰ Men. u.a.; Solmsen Wortforsch. 268) f. ‘Krampf, Lähmung, Erstarrung, Zitterrochen’ (ion. att.; zum Fischnamen s. Strömberg 57); als Hinterglied in θηριο-νάρκη f. N. einer schlangenlähmenden Pflanze (Plin.). Davon ναρκώδης ‘gelähmt, erstarrt’ (Hp. u.a.); ναρκάω, auch mit ἀπο-, δια-, ἐκ-, ‘gelähmt werden, erstarren’ (seit Θ 328) mit ἀπονάρκη-σις (Plu.); ναρκόω ‘lahmen, erstarren’ (Hp. u.a.) mit νάρκω-σις, -τικός (Mediz.). — Als schwundstufiges Verbalnomen mit barytonem. Akzent (vgl. πάθη, βλάβη u.a., Chantraine Form. 22 f.) kann νάρκη zu einem primären german. Verb, ahd. sner(a)han, mhd. snerhen ‘schlingen, knüpfen, zusammenziehen’ gehören; daneben das deverbative awno. snara ‘drehen, schlingen, winden’ (urg. *snarhōn) und das Verbalnomen ahd. snar(a)ha, awno. snara f. ‘Schlinge’ (Fick 1, 575). Hierher vielleicht noch mit Lidén Armen. Stud. 65 f. arm. nergew ‘tenuis, gracilis, λεπτός’, wenn eig. *’zusammengeschnurt, -gezogen’, mit ew-Suffix von einem nominalen *nerg, idg. *snerq- (WP. 2, 700f., Pok. 976f.). Die Bedeutung ‘schlingen usw.’ wird in ναρκίον· ἀσκόν II. (eig. ‘gedrehtes, geflochtenes’) vermutet (Fick 1, 503, Persson Beitr. 2, 817, Bechtel Lex. 211 f.). II-290
νάρκισσος m. (f.) ‘Narzisse’ (h. Cer. usw.); ναρκίσσ-ινος ‘von Narzissen gemacht, narzissenfarben’ (Hp., Dsk., Pap.), -ίτης N. eines Steins (D. P., Plin.; wegen der Farbe oder des Geruchs?; vgl. Redard 58). — Beziehung zu νάρκη wegen der beruhigenden Wirkung der Pflanze ist nicht ausgeschlossen (Picard Mél. Navarre 328 A. 7; so schon Plu. 2, 647 b), u. zw. entweder mit Benutzung des fremden σσο-Suffixes (nach κυπάρισσος?) oder durch volksetymologische Angleichung eines Fremdworts. II-290-291
ναρός ‘quellend, strömend’ s. νάω. II-291
νάσσω, att. νάττω, Aor. νάξαι, Fut. νάξω (H.), Perf. Med. νέναγμαι, νένασμαι, ‘fest stampfen, fest schichten, zusammenpressen, vollstopfen’ (seit φ 122). vereinzelt m. Präfix, z.B. κατα-, συν-, Davon die Verbaladj. ναστός ‘zusammengepreßt, voollgestopft’ (Mediz., J. u.a.), substantiviert (sc. πλακοῦς) m. Ben. eines Kuchens (Kom.) mit ναστίσκος m. (Pherekr.); auch νακτός ‘zusammengepreßt’ (Plu.); νακτά· τοὺς πίλους καὶ τὰ ἐμπίλια H. — Verbalsubst. νάγμα n. ‘fest geschichteter Stein- wall’ (J.). Aus den Belegen geht nicht mit voller Sicherheit hervor, ob der Verbalstamm ursprünglich auf Guttural (νάξαι schon φ 122) oder auf Dental (νασ-τός aus *νατ-τός?) endete; am nächsten liegt indessen, ναστός und νένασμαι als Analogiebildungen (nach παστός, πέπασμαι?) zu erklären. — Etymologie unbekannt; Beziehung zu νάκος ‘wolliges Fell’ (s.d.) ist sachlich schwer zu begründen. Andere Kombination bei Sommer Lautst. 57. — Hierher als LW lat. naccae ‘fullones’, vielleicht aus *νάκται; Näheres bei W.-Hofmann s.v. II-291
ναυᾱγός, ion. -ηγός m. ‘Schiffbrüchiger’; daneben ναυ-ᾱγέω, -ηγέω ‘Schiffbruch leiden’, -ᾱγία, -ηγία f. ‘Schiffbruch’, -ά̄για, -ήγια n. pl. (selten sg. -ιον) ‘Schiffstrümmer, Wrack’ (ion. att.). — Synthetische Kompp. (Zusammenbildungen) von ναῦς und ἄγνυμι, ἀγῆναι ‘zerbrechen’ mit Verlängerung des α-Vokals, teils infolge kompositioneller Dehnung bzw. Analogie (so sicher in ion. -ηγ-), teils auch nach κατ-ά̄γνυμι, ἔᾱγα; s. dazu Schwyzer 190 u. 439, Björck Alpha impurum 42 u. 147. II-291
ναύκληρος m. ‘Schiffseigner, Reeder, Schiffskapitän’, der sein Schiff und Plätze darin an andere Personen vermietet (ion. att.; zur Bed. gegenüber ἔμπορος und κάπηλος Finkelstein ClassPhil. 30, 320 ff.); übertr. ‘Besitzer eines Mietshauses’ (Kom. u.a.). Davon ναυκληρ-ία f. ‘die Stellung eines ναύκλη-ρος, Reedereibetrieb, Schiffahrt’ (att.; auch auf ναυκληρέω [s.u.] beziehbar); -ιον n. ‘Seefrachtschiff’ (D., E. in lyr. u.a.); ναυ-κλάρ-ιος Bein. des Poseidon (Delos Ia), -κληρ-ικός ‘dem ν. gehörig’ (Pl. Lg. u.a.), ναυκληρώσιμοι στέγαι· τὰ πανδοκεῖα H. (nach μισθώσιμος; Arbenz 90). Denominativum ναυκληρ-έω ’ναύκληρος sein’ (att.), übertr. ‘(einen Staat) lenken’ (Trag.), mit ναυκληρήματα pl. ‘Schiffahrten’ (Tz.). — Daneben ναύκραρος (ναύκλαρος H.) m. Ben. des Vorstehers einer ναυκραρία (Lex Solonis ap. Arist. Ath. 8, 3, Hdt. u.a.) mit ναυκραρ-ία f. Unterabteilung einer Phyle im solonischen Athen, von denen jede ein Schiff zu stellen hatte (Arist. Ath. 8, 3 u.a.), -ια n. pl. ‘Verzeichnis der ναύκραροι’ (Ammon. Gramm.), -ικός ‘zum ν-ρος od. zur ν-ρία gehörig’ (Lex Solonis ap. Arist.). — Durch Dissimilation und gleichzeitigen Anschluß an das leichtverständlichere κλῆρος entstand aus dem älteren ναύκρα-ρος, das nur in technischem Sinne erhalten blieb, das geläufige ναύκλαρος, ναύκληρος. Eig. "der an der Spitze eines Schiffs steht"; somit ναύ-κρᾱρ-ος mit derselben Schwundstufe des Hinterglieds wie in ὀρθό-κραιρα u.a. (s. κραῖρα). Dabei kann κρᾱ-ρ- neben κερα-σ- stehen oder (besser) für *κρᾱσ-ρ- zu *κρᾱσ-ν- in κρᾱνίον (s.d. und κάρᾱ) gehören; schwach- und hochstufige Formen in κάρηνα (aus *καρασ-ν-α) und lat. cere-brum (aus *ceres-r-om), s. κάρηνα und κέρας. Dasselbe Hinterglied in böot. (Λ)α-κρᾱρίδας von *Λά-κρᾱρ-ος; vgl. Λέ-αρχος u.a. Solmsen RhM 53, 151 ff. — Lat. LW nauclērus; vgl. Friedmann Die jon. u. att. Wörter 26ff., dazu v. Blumenthal Gnomon 15, 166 A. 2. II-291-292
ναῦλον -ος m. (-λλ- Inschr.; Schwyzer 238) n., ‘Fahrgeld, Fracht. geld’ (att., hell.) mit ναυλόω, -όομαι ‘ein Schiff (ver)mieten, be. frachten’ (Plb., Pap. usw.), wovon ναύλ-ωσις ‘Befrachtung’, -ώσιμος ‘zur Befrachtung, Vermietung gehörig’ (auch von κτήνη, ὄνοι), -ωτική f., sc. συνθήκη od. συγγραφή ‘Schiffsfracht- vertrag’ (alles Pap.); vgl. Kalbfleisch RhM 94, 94f. — Wohl von ναῦς, obwohl sonstige λο-Ableitungen von Nomina und semantische Vorbilder fehlen, s. Chantraine Form. 241. Vgl. ναῦσθλον. — Lat. LW naulum. II-292
ναῦς (ep. ion. νηῦς), νεώς (νηός, νεός, dor. ναός), νηΐ (ναΐ), ναῦν (νῆα, νέα), pl. νῆες (νέες, νᾱ͂ες), νεῶν (νηῶν, ναῶν), ναυσί (νηυσί, νήεσσι), ναῦς (νῆας, νέας) f. — Altes idg. Wort für ‘Schiff, Boot’, das auch im Indoiran., Armen., Lat., Kelt., Germ. und Illyr. zu belegen ist. Die ursprüngliche Flexion ist im Griech. wie im Altind. und im Lat. in weitem Umfang noch erhalten, z.B. ναῦς (mit Kürzung des Langdiphthongs) = aind. náuṣ, idg. *nāu-s; νῆ(ϝ)α = aind. nā́vam (mit analog. -m), lat. nāv-em (wozu Nom. nāvis), idg. *nāu̯-m̥; νῆ(ϝ)ες = aind. nā́vas, idg. *nāu̯-es, νῆ(ϝ)ας = aind. nā́v-as, idg. *nāu̯-n̥s usw. — Formen aus anderen Sprachen : iran., z.B. npers. nāv, arrn. naw (iran. LW?), kelt., z.B. air. nau, germ., z.B. awno. nōr m., illyr. ON Nau-na, Nau-portus. Weitere Einzelheiten zur vergl. Flexion m. Lit. bei Schwyzer 578, W.-Hofmann s. nāvis, Mayrhofer s. náuḥ, Wackernagel -Debrunner III 217ff. (sehr reichhaltig). Laryngalbetrachtungen bei Szemerenyi KZ 73, 185ff. (m. Lit.). — Lat. LW nauta, nausea. ‘Schiff’ (seit Il.; weitere Einzelheiten zur Flexion bei Schwyzer 578, dazu Sommer Μνήμης χάριν 2, 142ff.). Zahlreiche Kompp., z.B. ναύ-αρχος ‘Schiffsbefehlshaber’ (ion. att.), νε-ώριον, νε-ωλκέω (s. bes.); mit Dat.pl., z.B. ναυσί-κλυτος, -κλειτος ‘schiffsberühmt’ (ep. poet. seit Od.; Leumann Hom. Wörter 37), ναυσί-πορος (X., Arist. u.a.) = ναύ-πορος (A., A. R.) ‘von Schiffen befahren’; als Hinterglied u.a. in χιλιό-ναυς ‘aus tausend Schiffen bestehend’ (E., Str.); Zusammenschweißung mit ία-Suffix z.B. (πεντεκαι-) δεκα-να-ΐα f. ‘Flotte von (fünf)zehn Schiffen’ (Plb. bzw. D.; Schulze Kl. Schr. 364). Zu ναυαγός, ναύκληρος s. bes. Ableitungen: A. νήϊος, dor. νάϊος (ep. poet. seit Il.), νηΐτης (νῇτης?; s. Redard 12 u. 43 m. A. u. Lit.; Th., A. R.) ‘aus Schiffen bestehend, zum Schiff gehörig’. — B. ναύτης, dor. -τας (ναύστης Pap. m. anal. -σ-; vgl. Schwyzer 500) m. ‘Schiffer, Seemann, Schiffspassagier’, (seit Il.) mit mehreren Ableitungen: 1. f. ναῦτις, -ιδος Beiw. von γυναῖκες (Theopomp. Kom.), ναύτρια (Ar.Fr.825; Fraenkel Nom. ag. 1, 75; 2, 118); 2. ναυτ-εία f. ‘Schiffahrt’ (hell. Inschr. u. Pap.), nach στρατεία (: στρατεύω) u.a.; 3. ναυτ-ία (Arist., Aret. u.a.), ion. ναυσίη (Semon.), ‘Seekrankheit, Ekel’ (Scheller Oxytonierung 41) mit ναυτι-ώδης ‘zur Seekrankheit geneigt, ekelhaft’ (Mediz., Plu.), ναυτ-ιάω ‘die Seekrankheit haben. Ekel empfinden’ (att.; ναυτία wenigstens teilweise Rückbildung), -ιασμός = ναυτία (Hippiatr.); 4. ναυτ-ικός ‘aus Seeleuten bestehend, zu Seeleuten’ auch (auf ναῦς bezogen) ‘zur Schiffahrt gehörig’ (ion. att.; Chantraine Études 116ff.); 5. ναυτ-ίλος Subst. m. u. Adj. ‘Schiffer, Seemann, zur Schiffahrt gehörig’ (Hdt., Trag.), auch Bez. eines Mollusken, ‘Papierboot, Argonauta argo’ (Arist. u.a.; Thompson Fishes s.v.; zur Bildung Schwyzer 484 f., Chantraine Form. 248 f.); davon ναυτιλ-ία, -ίη ‘Schiffahrt, Seereise’ (vorw. ep. ion. poet. seit θ 253; auch auf ναυτίλλομαι bezogen, Scheller Oxytonierung 35; vgl. noch Krarup Class. et Med. 10, 9), ναυτίλλομαι ‘Seemann sein, segeln’ (vorw. ep. ion. poet. seit Od.); 6. Ναυτεύς m. PN (θ 112 neben πρυμνεύς u.a.; Wackernagel KZ 24, 297 = Kl. Schr. 758, Bosshardt 94). — C. Zu ναῦλον und ναῦσθλον s. bes. II-292-293
ναῦσθλον argiv. für ναῦλον n. ‘Fahr-, Frachtgeld’ (ἐφόδιον καὶ ναῦσθλον, IG 4, 823, 12 [IVa, Troizen], H.). Davon ναυσθλόο- μαι, -όω ‘für Fahrgeld befördert werden, befördern, (als Passagier) reisen, transportieren’ (E., Ar., Lyk.; vgl. Fraenkel Denom. 76). — Von ναῦς mit θλο-Suffix wie in θύσ-θλα, θέμε-θλα u.a. (Schwyzer 533, Chantraine Form. 375); das -σ-muß sekundär sein (vgl. ναύστης s. ναῦς). — Vgl. ναῦσσον. II-293
Ναυσικάα f. PN (Od. usw.). — Koseform für *Ναυσι-κάστη o.ä.; s. Schwyzer RhM 72, 431 ff. mit der Kritik Kretschmers Glotta 12, 188. II-294
ναῦσσον n. Bez. einer Steuer (Kyzikos VIa, Kos Ia). — Wegen des -σσ- (urspr. Sampi) technisches, viell. karisches Fremd. wort; s. Wackernagel RhM 48, 299 (Kl. Schr. 2, 1214f.). II-294
νάφθα -ας m. f. n., ‘Erdöl’ (LXX, Str., Dsk. usw.). — Aus npers. naft ‘Erdharz, Erdöl’ unbekannten Ursprungs. — Nach Brandenstein OLZ 43, 345 ff. (mit Herzfeld Arch. Mitt. aus Iran 9, 80ff.) aus iran. *nafta- von *nab- ‘feucht sein’; nach B. weiterhin zu idg. nebh- in νέφος, Neptunus u.a.m. Über Bed. und weitere Formen (akkad. napṭu) Forbes Mnem. 3 : 4, 70f. Lat. LW nap(h)tha. II-294
νάω (νᾰ́ω Hom. u.a.; Ipf. νᾶε(ν) A. R., Kall., ναῖον ι 222), ναύει· ῥέει, βλύζει H. (äol.), nur Präsensstamm bis auf διαναῦσαι· δια-πλεῦσαι H. und das Ptz. Aor. ἀμφι-ναέντος (Emp. 84), ‘quellen, strömen’ (ep. poet. seit Il.). ganz vereinzelt mit ἀμφι-, δια-, περι-, Ableitungen: 1. ναέτωρ· ῥέων, πολύρρους H., νάτωρ (S. Fr. 270); 2. νᾱρός ‘quellend, strömend’ (A. Fr. 347 = 764 Mette, S. Fr. 621); 3. νᾶμα n. ‘hervorquellendes Wasser, Quelle, Strom’ (Trag., Pl., X., Arist. usw.) mit ναμά-τιον Demin. (Thphr. u.a.), -τιαῖος ‘aus Quellen stammend, Quell.’ (Aeschin. u.a.), -τώδης ‘quellenreich’ (Thphr.); 4. νασμός= νᾶμα (E.), -ώδης H. — Wohl auch 5. Ναϊάς, ion. Νηϊάς (Od., A. R., AP), Ναΐς, ion. Νηΐς f. (poet. seit Il., sp. Prosa) ‘Naiade’, s. unten. — Die Präsensformen lassen sich alle auf *νάϝ-ι̯ω zurückführen; das kurzvokalische νᾰ́ω (νάει, νάουσιν ζ 292, Φ 197) kann als rhythmische Wechselform für ναίω stehen (Chantraine Gramm. hom. 1, 167). Anders Schwyzer 686 (mit Schulze Q. 51 und Bechtel Lex. 234f.): *νάϝ-ω neben *νάϝ-ι̯ω; jedenfalls nicht notwendig. Das Ptz. ἀμφι-ναέντος (Emp. 84) wurde wohl nach ῥυέντος gebildet. — Für das im Attischen gut eingebürgerte νᾶμα (s.v. Wilamowitz zu Eur. Her. v. 625) scheint eine (nicht ganz unbedenkliche) Grundform *ναϝεμα (*νάϝημα?) erforderlich zu sein; somit auch νᾱρός aus *ναϝερός, νασμός aus *ναϝεσμός, νάτωρ aus *ναϝέτωρ; vgl. Bechtel a.a.O. — Die langvokaligen να-ϊάς, -ΐς, νη-ϊάς, -ίς setzen zunächst ein Nomen *νᾱϝ-ᾱ o.ä. voraus (vgl. z.B. κρήν-η : -ιάς); eig. Bed. somit "Quelltochter". Da alle Nymphen als Töchter des Zeus gelten, werden die Naiaden mit dem. dodonäischen Ζεὺς Νάϊος in Verbindung gesetzt. Von einer Quelle in Dodona sprechen aber erst spätlateinische Verfasser, und von Zeus als Quellgott verlautet sonst nichts (v. Wilamowitz Glaube 1, 228, Nilsson Gr. Rel. 1, 426 f.); die eig. Bedeutung von Νάϊος bleibt somit unklar. Wenn die Naiaden mit Ζεὺς Νάϊος überhaupt etwas zu tun haben, muß man also ihre Stellung als Quelltöchter offen lassen. Genaue außergriechische Entsprechungen zu νάω fehlen. Seit alters vergleicht man damit das athematische dehnstufige aind. Präsens snauti ‘triefen’ (Vokalqualität mehrdeutig) mit dem schwundstufigen Ptz. snuta-; weitere Anknüpfungen s. νέω und νήχω. Vgl. auch Νηρεύς m. Lit. -νε in thess. ὅ-νε, τό-νε, τά-νε = ὅ-δε, τό-δε, τά-δε; daneben -νυ in ark. kypr. ὅ-νυ, rnit deiktischem -ι ark. Gen. sg. τω-νι = τοῦ-δε, τουδί usw. — Wie ναί, νή wird auch -νε mit dem Demonstr. *(e-)no- verbunden; s. ναί m. weiterer Lit. und Schwyzer 612. Über -νυ s. zu νυ(ν), νῦν ‘nun, jetzt’. II-294-295
νεᾱλής (-ᾰλής Nik.) ‘frisch, kräftig, ausgeruht’ (Ar. Fr. 361, Pl., X.. D. usw. ). — Eig. "neugenährt, neuerwachsen", *νεο-αλ-ής, Zusammenbildung von νέος und dem auch in ἄναλτος (s.d.) erhaltenen Verb ‘nähren, wachsen machen’ (lat. alō usw.) mit kompositioneller Dehnung und suffixalem -ής (vgl. Schwyzer 513). Etwas abweichend Prellwitz s.v. II-296
νεανίας. -ου, ion. νεηνίης, -εω m. ‘Jüngling, junger kräftiger, mutwilliger Mann’, auch als Adj. ‘jugendlich, kräftig, mutwillig’ (seit Od.); f. νεᾶνις, ion. νεῆνις, kontr. νῆνις, -ιδος, -ιν ‘Jungfrau, Mädchen’ (ep. poet. seit Il., auch LXX); zur Bildung Schwyzer 464. Ableitungen: 1. Hypokoristika : νεανίσκος, νεην- m. ‘ds.’ (ion. att.) mit νεανισκ-εύομαι ‘im Jünglingsalter sein’ (Kom., X. u.a.), -εύματα pl. = lat. Iuvenalia (D.C.); νεανισκ-άριον (Arr. Epikt.), -ύδριον (Theognost.). — 2. Adj.: νεανικός ‘jugendlich, tatkräftig, mutwillig’ (att., Hp.; zur Bed. Chantraine Études 99, 118, 149, Björck ‘Ερμηνεία 66ff.) mit νεανικ-έω ‘jugendlich sein’ (Eup.), -ότης ‘Jugendlichkeit’ (Sext. Ps.). — 3. Verba: νεανιεύομαι, vereinzelt mit Präfix wie ἐπι-, προσ-, ‘sich jugendlich oder übermütig betragen’ (att.) mit νεανίευμα n. ‘jugendliche, übermütige Handlung’ (Pl. u.a.), νεαν(ι)εία f. ‘ds.’ (Ph.); νεανίζω ‘ds.’ (Plu., Poll.). — Nominale, zunächst substantivische Ableitung auf -ίας von *νεᾱνός o.ä., das seinerseits eine expressive Erweiterung von νέος nach unbekanntern Muster (vgl. ἀκμη-νός) zu sein scheint (Chantraine Form. 93, Detschew KZ 63, 229); etw. abweichend Lohmann Genus und Sexus (Gött. 1932) 72. Anders Schwyzer Mél. Boisacq 2, 231 ff.: eig. "junger Schnaufer", Zusammenbildung von νέος und dem Verb ‘atmen’ in aind. ániti usw. (s. ἄνεμος); zustimmend Fraenkel, z.B. Glotta 32, 20. — Abzulehnen Grošelj Živa Ant. 6, 57. II-296
νέατος, ep. auch νείατος ‘unterster, äußerster’ s. νειός, auch νέος. II-296
νεάω ‘ein Brachfeld bestellen, brachen’ s. νειός, auch νέος. II-297
νεβρός m., f. ‘Hirschkalb’ (seit Il.). Als Vorderglied z.B. in νεβρο-τόκος ‘Hirschkälber gebärend’ (Nik.). Zahlreiche Ableitungen, meist poet. u. spät. 1. Subst. : νεβρίς, -ίδος f. ‘HIirsch. kalbfell’ (E. u.a.) mit νεβρίδ-ιον (Artem.) und νεβριζω ‘ein Hirschkalbfell tragen’ (D. 18, 259, neben κρατηρίζω ‘eine Bowle trinken’, vom Teilnehmer an einem Dionysosfest), νεβρισμός ‘das Tragen einer νεβρίς’ (Gramm.); νεβρῆ f. ‘ds.’ (Orph.); νεβρίας m. Ben. eines Haifisches (γαλεός, Arist.; wegen der Farbe, vgl. Thompson Fishes s.v.), ἔλαφος νεβρίας H. s. λάδας; νέβρακες· οἱ ἄρρενες νεοττοὶ τῶν ἀλεκτρυόνων H. (vgl. σκύλαξ, πόρταξ und Chantraine Form. 379); νεβρίτης λίθος (Orph.), -ῖτις (Plin.), wegen der Farbe (Redard 58). — 2. Adj.: νέβρινος (S.), νέβρειος (Kall., APl.) ‘vom Hirschkalbe’, νεβρειον Ben. der Pastinaca sativa (Ps.-Dsk.; Strömberg Wortstudien 50); νεβρώδης ‘hirschkalbähnlich’ (AP). — 3. Verb: νεβρόομαι ‘in ein Hirschkalb verwandelt werden’ (Nonn.). — Zu νεβρός stimmt genau arm. nerk, -oy ‘Farbe’, wenn aus idg. *(s)negʷro-; somit eig. ‘farbig, bunt’. Dabei muß indessen nerk-anem ‘färben’, das die Form eines primären Verbs hat (Aor. nerk-i), ein urspr. Denominativum sein, was Bedenken erregen mag. Hirsch und Reh werden oft nach ihrer Farbe benannt, z.B. πρόξ, προκάς ‘hirsch- oder rehartiges Tier’ zu περκνός ‘gesprenkelt, scheckig’, πρεκνόν· ποικιλόχροον ἔλαφονH. Auch lat. niger ‘schwarz’ kann hierher gehören mit i für e wie in firmus (: ferme), vitulus (: vetus) u.a.; zur Bed. vgl. u.a. περκνός auch ‘dunkelfleckig, schwärzlich’ und Porzig Gliederung 167 (unbegründeter Zweifel bei W.-Hofmann s.v.). Frisk Etyma Armen. 14ff. — Anders über nerk (Rückbildung aus dem primären nerkanem mit einer sehr verwickelten Etymologie des letzteren) Belardi Ric. ling. 1, 147 f.; dazu Pagliaro Rend. Acc. Linc. 8 : 16, 2 A. 6. II-297
Νέδα, -η f. Gebirgsbach in Arkadien; Νέδων, -ωνος m. Fluß und Ort in Messenien, Νεδουσία f. Ort in Lakonien (Str.). — Idg. (illyr.?); mit anderen Flußnamen, z.B. Νέστος (aus *Ned-tos, Illyr.), Nedao (Pannon.), nhd. Nette, Netze, zu aind. nadī́ f ‘Fluß’; alles wahrscheinlich zu einem Verb ‘rauschen, tönen, brüllen’ in aind. nádati usw. Ganz fraglich wird dann die Zugehörigkeit von asächs. nat, ahd. naʒ ‘naß’ (’rauschend, tosend’ > ‘fließend, feucht’ schon voreinzelsprachlich ?; vgl. Krahe Beitr. z. Namenforsch. 5,86; 7, 1ff.). — Weitere Lit. bei Mayrhofer s. nadí. II-297
νέηλυς ‘neuangekommen’ s. ἐλεύσομαι. II-297
νεῖκος n. ‘Streit, Streitigkeit, Zank, Kampf’ (vorw. ep. poet. seit Il., Hdt.; zur Bed. Trümpy Fachausdrücke 144 f.), als Hinterglied u.a. in πολυ-νεικής ‘viel streitend’, als PN Πολυ-νείκης (Il. u.a.). Davon νεικέω, ep. auch -είω (aus -εσ-ι̯ω; Schwyzer 723f., Chantraine Gramm. hom. 1, 101, 166, 349), Ao r. νεικέσ(σ)αι ‘mit Worten streiten, tadeln, schelten’ (ep. seit Il., auch Hdt. u. sp. Prosa) mit νεικεσ-τήρ ‘Zänker, Tadler’ (Hes. Op. 716; v. l. -ητήρ; Fraenkel Nom. ag. 1, 108 m. A. 1, 229; zur Bed. Benveniste Noms d’agent 39); νεικέσσιος· πολέ-μιος H. (nach ἱκέσιος u.a.). — Ohne sichere Etymologie. Man vergleicht seit Bezzenberger-Fick BB 6, 238 eine baltische Wortgruppe, z.B. lit. ap-, su-nìkli ‘über einen herfallen, einen anfallen, befallen’, lett. nikns ‘böse, grimmig, heftig’, nàiks ‘heftig, zornig’. Näheres bei Fraenkel Wb. s. -nìkti, vgl. noch Vasmer s. -níknutь; ältere Lit. bei Bq, WP. 2, 321 (Pok. 761). — Abzulehnen Pisani Ist. Lomb. 73, 489 (vgl. Risch Glotta 35, 69). — Vgl. νίκη. II-297
νειός (Hom., Hes., Kall., Arist., Thphr. u.a.), auch νεός (X., Amorgos IVa), νειά (Amorgos IVa), νεά od. νέα (Thphr., att. Inschr.) f. ‘Brachfeld, Brachland’; zur Bed. unten. Daneben, in der Bed. ganz abweichend, die Adv. νει-όθεν ‘von unten (Κ 10, hell. Dicht.), νει-όθε ‘ds.’ (poet. Inschr. IIIp, Luk.), νει-όθι ‘unten’ (Φ 317, Hes. Th. 567, hell. Dicht.). — Sup. νείατος (ep.), νέατος, ark. νήατος, H. νῆτος ‘unterster, äußerster’ (vorw. ep. poet. seit Il.), nach ἔσχατος, πύματος, vgl. μέσος : μέσατος; f. νεάτη (Kratin., Pl.), kontr. νήτη (Arist., Ptol. usw.), sc. χορδή ‘die unterste Saite’ (mit der höchsten Tonhöhe); νειότατον· κατώτατον H.; auch νήϊστος in νήϊστα· ἔσχατα, κατώτατα H., wohl auch in Νήϊσται (böot. -ϊτται) πύλαι in Theben (A. Th. 460, E. Ph. 1104). — Fem. νείαιρα (νέαιρα Simon.) ‘die unterste, unten befindlich’, als Subst. (sc. γαστήρ) ‘Unterleib’ (Il., Hp., hell. Dicht.), vgl. γέραιρα u.a. (Chantraine Form. 104, 234; vgl. noch Benveniste Origines 112); kontr. νεῖρα (A. Ag. 1479, E. Rh. 794 [Lesungen nicht ganz sicher], H.), dazu m. νειρός (Lyk., H.) mit f. νειρὴ κοίλη· κοιλία ἐσχάτη H. (Schwyzer 475). Vgl. zum ganzen Schwyzer 503. — Denominativum νεάω ‘ein Brachfeld bestellen, brachen’ (Hes. Op. 462, Kom., Thphr.), schon früh auf νέος ‘neu’ bezogen, wenn nicht sogar davon gebildet, vgl. zu νέος; davon νεατός m. ‘Bestellung des Brachfeldes’ (X. Oik. 7, 20; wie ἀλοατός), νέασις f. ‘ds.’ (Thphr.) mit νεάσιμος (Gloss.; Arbenz 87). — Wenn νειόθεν, νείατος, νείαιρα mit νειός überhaupt verwandt sind, muß νειός (sc. γῆ, χώρα) eig. *’unten belegen(e), niedrig(e Ebene)’ bedeutet haben; die Bed. ‘Brachfeld’, die auch für Homer möglich, aber nicht zwingend ist (eher ‘Feld, Flur’ ?), konnte auf der früh eingetretenen Anlehnung an νέος ‘neu’ beruhen; vgl. lat. novalis, -e ‘Brachland’. — Bis auf den Ausgang kann νειός aus *νειϝός mit einem slavischen Wort für ‘Feld, Acker, Flur’, z.B. aksl. njiva (mit dunklem nj-), russ. níva f. identisch sein, idg. *neiu̯ó-s (slav. -ā sekundär); Fick BB 1, 335f., Schulze KZ 27, 603f. (= Kl. Schr. 373f.). Bei Abtrennung eines formantischen u̯o-Elements ergibt sich Anschluß an das idg. Adv. *ni ‘nieder’ in aind. ní usw.; dazu u.a. ahd. ni-dar ‘niederwärts’, ags. neowol ‘abschüssig’ aus *ni-wol (vgl. νει-ϝό-ς). Die Schreibung νη- in νήϊστος, νήατος ist nicht befriedigend erklärt. Da alte Dehn stufe, zumal in einem Superlativ, sehr unwahrscheinlich ist, muß η sekundär sein. Hypothesen bei Seiler Steigerungsformen 110ff., besonders zu Νήϊται πύλαι; s. auch WP. 2, 335 (= Pok. 313: η = geschlossenes ē aus ει vor palat. Vokal?). Zu den slav. Wörtern s. noch Vasmer s. níva, wo auch andere Erklärungen besprochen werden. — Vgl. noch νέατος s. νέος. II-297-298
νείφει, Aor. νεῖψαι, νειφθῆναι, Fut. νείψει, ‘es schneit’ (seit Il.). bisweilen mit Präfix, z.B. κατα-, Daneben νίφ-α f. Akk. sg. ‘(fallender) Schnee’ (Hes. Op. 535); Kompp., z.B. νιφ-ό-βολος ‘schneebedeckt’ (Ar., E. u.a.), ἀγά-ννιφ-ος ‘mit vielem Schnee’ (A 420, Σ 186, Epich.; Sommer Nominalkomp. 64). Ableitungen: 1. νιφ-άδες pl., auch sg. νιφ-άς, -άδος f. ‘Schneeflocken, Schneegestöber’ (Il., Pi., Trag. u.a., auch sp. Prosa), als Adj. ‘schneereich’ (S. in lyr.); 2. νιφ-ετός m. ‘fallender Schnee, Schneesturm’ (ep. ion. poet. seit Il., Arist. usw.; Schwyzer 501, Fraenkel Nom. ag. 1, 51 A.1; abzulehnen Porzig Satzinhalte 245) mit νιφετ-ώδης ‘mit Schneefall verbunden’ (Arist., Plb. usw.); — 3. νιφ-όεις ‘schneeig, schneereich’ (ep. poet. seit Il.; zur Bildung Debrunner ’Αντίδωρον 28 f.). — Das hochstufige thematische Wz.-präsens νείφει (νῑφέμεν Μ 280 falsch für νειφ-; Wackernagel Unt. 75), von dem die übrigen griech. Verbformen ausgehen, deckt sich mit aw. snaēža- (z.B. Konj. snaēžāt̃), ahd. ags. snīwan, lit. sniẽg-a, -ti, viell. auch lat. nivit (nur Pacuv., wohl ī), idg. *sneigʷh-(eti ‘ es schneit’; daneben mit Schwundstufe, ebenfalls thematisch, air. snigid ‘es tropft, regnet’ (zur Bed. unten). Ein Nasalpräsens liegt vor in lat. ninguit = lit. sniñga (: νείφει wie linquō : λείπω, s.d.). Hinzu kommt, in der Bed. abweichend, das schwundstufige aind. Jotpräsens sníhyati ‘wird feucht, klebrig, feuchtet sich’, übertr. ‘empfindet Zuneigung’, wozu sneha- ‘Klebrigkeit, Zuneigung usw.’, mit einer vom milden Klima verursachten Bedeutungsverschiebung wie auch im Keltischen (s. oben); Ähnliches im Griech., z.B. Nonn. D. 22, 283 αϊματι νείφεις vom klebrigen Blute, Lyk. 876 ὀμβρία νιφάς vom Regenschauer. Anders Benveniste Μνήμης χάριν 1, 35 ff.: urspr. Bed. von idg. *sneigʷh- ‘(se) coaguler, (se) conglomérer’; ähnlich Gonda KZ 72, 228 ff. Über Spuren der Bed. ‘Schnee’ im Mind. (prākr. siṇeha- ‘Schnee’ usw.) Turner BSOAS 18, 449ff. und 19, 375; hierher vielleicht noch ved. nihā́kā ‘Schnee- sturm’ (Renou Sir Ralph Turner Jubilee Vol. I [1958]; s. Mayrhofer A.I.O.N. 1, 235). Das Nomen Akk. νίφ-α (Nom. νιφετός, νιφάς, χιών; vgl. Schwyzer 584) ist mit lat. nix, nivis identisch; idg. *snigʷh-s (ἀγά-ννιφ-ος < *-snigʷh-); mit Dentalerweiterung (vgl. νιφε-τός, aber damit nicht uridentisch) air. snechte ‘Schnee’; hierher wohl noch νίβα· χιόνα H. als illyrisch, Krahe IF 58, 133 m. Lit. Daneben der o-Stamm idg. *snoigʷho-s in germ., z.B. got. snaiws, nhd. Schnee, slav., z.B. aksl. sněgъ u.a. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 695 Pok. 974, W.-Hofmann s. ninguit, ebenso wie in den übrigen Speziallexika. II-298-299
νεκρός m. ‘Leiche, Leichnam, der Tote’ (seit Il.), pl. ‘die Toten’ = ‘Bewohner der Unterwelt’ (Od., Th., LXX, NT u.a.), auch attributivisch und adjektivisch (-ά, -όν) ‘tot’ (hell. u. sp.; Pi. Fr. 203 νεκρὸν ἵππον wohl prädikativisch); oft als Vorderglied (poet. u. sp. Prosa), z.B. νεκρο-δέγμων ‘Tote aufnehmend’ (Ἅιδης, A. Pr. 153 [lyr.]); selten als Hinterglied, z.B. μυριό-νεκρος ‘mit zahllosen Toten’ (μάχη, Plu.). Ableitungen: 1. Subst. νεκρών, -ῶνος m. (Tegea IIa, AP), νεκρια f. (hell. Pap.; zum unbek. Akzent Scheller Oxytonierung 46) ‘Totenstätte, Gräberfeld’. 2. Adj. νεκρ-ιμαῖος ‘zu einem Kadaver gehörig’, τὸ n. ‘Kadaver’ (LXX, sp. Inschr. u.a.; nach θνησιμ-αῖος, Chantraine Form. 49, Mél. Maspero 2, 221); νεκρ-ικός ‘die Toten betreffend’, τὰν. ‘Erbschaft, Nachlassenschaft’ (Luk., Vett. Val.); νεκρ-ώδης ‘leichenhaft’ (Luk., Gal. u.a.). 3. Verb νεκρόομαι, -όω ‘absterben, ersterben, ertöten, entkräften’ (sp.) mit νέκρ-ωσις ‘das Abgestorbensein, die Tötung’ (sp.), -ώσιμα n. pl. = νεκύσια (Kirchenschriftsteller, Gloss.; Arbenz 93: θανάσιμος), -ώματα pl. ‘abgestorbene Körper’ (Arist. -Komm.), -ωτικός ‘das Absterben verursachend’ (Gal.). — In derselben Bed. νέκῡς (nachhom. -ῠ-) m., auch Adj. ‘tot’ (vorw. ep. poet seit Il., auch Hdt. und Gortyn; νέκυρ· νεκρός. Λάκωνες H.); einige Kompp., z.B. νεκυο-μαντήϊον, -εῖον ‘Totenorakel’ (Hdt. u.a.), ἰσό-νεκυς ‘Leichen ähnlich’ (E. Or. 200 [lyr.], nach ἰσό-θεος, s. zu ἴσος). Ableitungen: νέκυια f. ‘Totenopfer, um die Toten heraufzubeschwören’ (D. S., Plu., Nik.), Abstraktbildung auf -ιᾰ für -ίᾱ wie ἀλήθεια für -εία usw. (vg1. Solmsen Wortforsch. 248ff.); in derselben Bed. νεκυϊσμός (Man.; *νεκυΐζω; zu den überaus zahlreichen Bildungen auf -ισμός Chantraine Form. 142 ff.); νεκύσια n. pl. ‘Totenfeier’ (hell. Pap. u.a.; vgl. θαλύσια, γενέσια und Stengel Herm. 43, 645ff.) mit Νεκύσιος m. kret. Monatsname (IIa); νεκυϊκός ‘zu den Toten gehörig’ (Kyran.); νεκύα f. Pflanzenname = φλόμος (Kyran.), weil bei der Totenbeschwörung benutzt; nach καρύα, σικύα usw.; zu νεκύδαλ(λ)ος s. bes. — Daneben νέκες· νεκροί H. mit νεκ-άς, -άδος f. ‘Leichenhaufe’ (Ε 886, AP u.a.; wie νιφάς usw. Bechtel Lex. s.v., Chantraine Form. 352). — Mit Dehnstufe νῶκαρ, -αρος n. ‘Totenschlaf’ (Nik., Hdn.) mit νωκαρ-ώδης ‘schläfrig, verschlafen’ (Diph.). — Der einsilbige Stamm νέκ-ες stimmt formal genau zu lat. nex, necis f. ‘gewaltsamer Tod, Mord’ und zu g. aw. nas- f. ‘Not, Unglück’, idg. *neḱ-s. Auch der u-Stamm in νέκ-υ-ς kehrt auf iranischem Gebiet in aw. nas-u- Gen. nas-āv-ō f. m. ‘Leiche, Leichnam’ wieder; zu gr. ῡ gegenüber iran. ŭ : āv Schwyzer 463 m. Lit.; eine Ableitung wird in lat. nequālia ‘detrimenta’ vermutet. Dagegen hat die mit dem u-Stamm alternierende r(o) -Bildung in νεκ-ρό-ς, νῶκαρ kein außergriech. Gegenstück. Umgekehrt fehlen im Griechischen primäre Verba (z.B. aind. náś-ya-ti, toch. A näk-näṣ-tär ‘verschwinden, vergehen’). —WP. 2, 326, Pok. 762, W.-Hofmann s. necō mit weiteren Formen und reicher Lit., Mayrhofer s. náśyati. — Vgl. νέκταρ. II-299-300
νέκταρ, -αρος n. ‘der Nektar, Göttertrank’ (ep. poet. seit Il.), als Vorderglied u.a. in νεκταρο-σταγής ‘nektartriefend’ (Kom.). Ableitungen: νεκτάρ-εος ‘aus Nektar, wie Nektar duftend’ (ep. poet. seit IL), -ώδης ‘nektarähnlich’ (Gp.); νεκτάριον n. Pflanzenname = ἑλένιον (Dsk.), auch Bez. einer Arznei und verschiedener Augensalben (Gal.), mit νεκταρίτης (οἶνος) ‘Wein mit νεκτάριον gewürzt’ (Dsk., Plin., Redard 98). — Im Gegensatz zum sinnverwandten ἀμβροσία (s. βροτός) ohne sichere Etymologie. Oft als Kompositum von νεκ- in νέκ-ες (vgl. νέκ-υς, νεκ-ρός) und einem Verb ‘hinübergelangen, überwinden’ betrachtet, das u.a. in aind. tárati und als schwachstuflges Hinterglied in ap-túr ‘die Wasser überquerend’, viśva-túr ‘alles überwindend’ usw. vorliegt (vgl. τέρμα). So (nach Grimm u.a.) besonders Thieme Studien 5ff. mit ausführlicher Begründung und Kritik anderer Ansichten : νέκταρ eig. als Ausdruck der idg. Dichtersprache "das über die [Todes -]Vernichtung Hinwegrettende". Bedenken bei Leumann Gnomon 25, 190 f.; zustimmend Schmitt KZ 77, 88 mit Verweis auf aind. mr̥tyúmáti tr̥̄ ‘den Tod überwinden’ (odanéna ‘durch Reisbrei’ AV 4, 35). — Abzulehnen Güntert Kalypso 161 ff. (zustimmend Heubeck Würzb. Jb. 4, 218 A.): νέ-κταρ eig. "Nichttotsein" (zu κτέρες· νεκροί H.; aber s. zu κτέρας), nicht besser Grošelj Razprave II 46 f. : zu lit. nė̃koti ‘anrühren, kneten’. Neue Hypothese hei v. Windekens Rev.. belge de phil. 21, 146 ff. : zu toch. A ñkät, B ñakte ‘Gott’; ebenso Kretschmer WienAkAnz. 84, 13ff., aber als kleinas. LW. II-300-301
νεκύδαλ<λ>ος m. ‘Kokon des Seidenwurms’ (Arist., Ath., Klem. Alex.); zur Bed. Immisch Glotta 6,203ff. — Bildung wie κορύ-δ-αλ(λ)ος ‘Haubenlerche’ (s. κόρυδος), somit wohl von νέκυς wegen der anscheinenden Leblosigkeit der Puppe. Nach Immisch a.a.O. hängt der Name auch mit der Vorstellung vom Seelenschmetterling und der darauf bezüglichen Symbolik zusammen. Verfehlt Güntert Kalypso 220 f.: eig. "Totenwurm", von νέκυς und del- ‘spalten’ in δαιδάλλω usw. II-301
νέμεσις, -εως f. ‘gerechter Unwille, Zorn, Vergeltung’ (seit Il.), auch personifiziert (seit Hes.); zur Bed. unten. — Bildung auf -τις (vgl. γένεσις, Λάχεσις; s. zu λαγχάνω m. Lit.), die von νέμω schwerlich getrennt werden kann. Die Bed. wäre somit eig. *’das (rechte) Zuteilen, die Zurechnung, imputatio’; so vielleicht noch in dem gewöhnlichen ep. Ausdruck οὐ νέμεσις (τινί) eig. ‘man kann (jmdm.) nicht zurechnen, d.h. nicht ver- übeln, daß ...’ (vgl. Bischoff Gnomon 15, 549 A. 1). Lit. und weitere Hypothesen bei Holt Les noms d’action en -σις 75f., Benveniste Noms d’agent 79; dazu noch von Erffa Phil. Supp. 30 : 2, 30ff. (νέμεσις : αἰδώς), Irmscher Götterzorn 21 ff., Henter Lexis 3, 229f., Martinazzoli Stud. itfilel. N.S. 21, 11ff. — Weiteres s. νέμω. Davon Νεμέσια n. pl. ‘Nemesisfeier’ (D. u.a.), νεμέσιον n. appellativisch als Pfianzenname = ὠκιμοειδές (Ps.-Dsk.); Νεμεσεῖον (-ιον) ‘Nemesistempel’ (hell. Inschr.); νεμεσίτης λίθος m. N. eines magischen Steins (Kyran.; Redard 58). Denominative Verba: 1. νεμεσ(σ)άομαι, -άω, Aor. νεμεσ(σ)-ηθῆναι, -ήσασθαι, -ῆσαι, Verbaladj. -ητός ‘unwillig werden, zürnen, sich entrüsten, verübeln’ (vorw. ep. poet. seit Il.); analogisch nach anderen Verba auf -άομαι, -άω (vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 358, Schwyzer 727), -σσ- neben -σ- (so auch νεμέσσι Dat. sg. Z 335) ebenfalls analogischmetrisch (nicht mit Schwyzer 321 aus τι̯); davon νεμεσητικός ‘zur Entrüstung geneigt’ (Arist.), νεμεσήμων ‘unwillig, ungehalten’ (Kall., Nonn.). — 2. νεμεσίζο-μαι, nur Präsens und Ipf., ‘ds.’ (Hom.). II-301
νέμος n. ‘Hain, Wald’ (einzelne ep. poet. Belege seit Λ 480). Dazu wohl Νεμέα, ep. -είη f. Tal und Ort in Argolis mit einem dem Ζεὺς Νέμειος geweihten Hain (seit Hes.). — Mit lat. nemus n. ‘Wald, (heiliger) Hain’ uridentisch. Hierher noch ein keltisches Wort für ‘(heiliger) Hain, Heiligtum’ in gall. nemeton, air. nemed u.a. (ausführlich darüber K.H.Schmidt Münch. Stud. 12, 49 ff.); idg. *némos n. bzw. *nemetom n., vgl. z.B. τέλος : τελετή. — Weitere Kombinationen sind hypothetisch: zu aind. námati ‘biegen’ mit námas- n. ‘Verneigung, Verehrung’ (formal = νέμος: ‘Einbiegung’ > ‘(Wald)tal’ > ‘Wald, Hain’?; ablehnend bes. Benveniste BSL 32, 79ff.); zu νέμω, -ομαι als ‘Weide, Waldtrift’ ? (dagegen u. a. Porzig Satzinhalte 291). Eingehende Behandlung m. sehr reicher Lit. bei W.-Hofmann s. nemus; auch WP. 2, 331 f., Pok. 763, Mayrhofer s. námati und námaḥ. S. noch νέμω. II-301-302
νέμω, -ομαι, Aor. νεῖμαι (seit Il.), -ασθαι, Pass. νεμηθῆναι, Fut. νεμῶ, -οῦμαι (ion. -έομαι,sp. -ήσω, -ήσομαι),Perf.νενέμηκα,-ημαι (att. usw.), aus-, zuteilen, sich aneignen, besitzen, bebauen, weiden, abweiden, verzehren’. oft m. Präfix, z.B. ἀπο-, ἐπι-, κατα-, προσ-, ‘ Zahlreiche Ableitungen: A. νομή f. ‘Weide-(platz)’, übertr. ‘das Umsichfressen’, z.B. eines Geschwürs, ‘Verteilung’ (ion. att.), ‘Besitz, possessio’ (hell. u. sp.). Dazu ἐπι-, προ-νομή usw. von ἐπι-, προ-νέμειν, -εσθαι usw. Auch νομός m. ‘Weide, -platz’ (ep. poet. seit Il.), ‘Wohnsitz’ (Pi., Hdt., S. u.a.), ‘Bezirk, Provinz’ (Hdt., D. S., Str. u.a.). Von νομή od. νομός (nicht immer mit Bestimmtheit zu entscheiden): I. νομάς, -άδος ‘auf der Weide umherschweifend’, Subst.pl. ‘Hirtenvölker, Nomaden’ (ion. att.), als VN ‘Numider’ (Plb. usw.); davon νομαδ-ικός ‘umherstreifend, zu Hirten gehörig, numidisch’ (Arist. usw.), -ίτης ‘ds.’ (Suid.), -ίαι f. pl. ‘Weide- platze’ mit -ιαῖος (Peripl. M. Rubr.). — 2. νομεύς m. ‘Hirt’ (seit II.), auch ‘Verteiler’ (Pl.), pl. ‘Schiffsrippen’ (Hdt.); davon (od. von νομός?) νομεύω ‘weiden’ (seit Il.) mit νόμευ-μα n. ‘Herde’ (A.), -τικός ‘zum Weiden gehörig’ (Pl. u. a.; Chantraine Études 135 u. 137); διανομ-εύς (: διανομή), προνομ-εύω (: προ-νομή) usw. — 3. νόμιος ‘die Weide betreffend’, auch als Beiwort verschiedener Götter (Pi., Ar., Kall. usw.); vgl. zu νόμος; νομαῖος ‘ds.’ (Nik., Kall. u.a.); νομώδης ‘um sich fressend’, von einem Geschwür (Mediz.). — 4. νομάζω, -ομαι ‘weiden’ (Nik.). — B. νόμος m. ‘Brauch, Sitte, Satzung, Gesetz, Tonart, Sangweise’ (seit Hes.) mit zahlreichen Kompp., z.B. Ἔννομος PN (Il.), εὔ-νομος ‘mit guten Gesetzen versehen’ (Pi. usw.) mit εὐνομ-ίη, -ία ‘gute gesetzliche Ordnung’ (seit ρ 487; zur Bed. Andrewes Class Quart. 32, 89 ff.). Von νόμος: 1. Adj. νόμιμος ‘gebräuchlich, gesetzmäßig’ (ion. att.; ausführlich Arbenz 72ff.) mit νομιμότης f. (Iamb.); νομικός ‘die Gesetze betreffend, gerichtlich, rechtskundig’ (Pl., Arist. usw.; Chantraine Études 132); νόμαιος = νόμιμος (ion. u. sp.); νόμιος ‘ds.’ (Lokris; vgl. zu νομός). — 2. Verb νομίζω, vereinzelt m. Präfix, z.B. συν-, κατα-, ‘im Brauch haben, gewohnt sein, pflegen, (als Sitte) an- erkennen, glauben, meinen’ (ion. att., dor.; Fournier Les verbes "dire" passim) mit νόμισις f. ‘Glaube’ (Th. u.a.), νόμισμα n. ‘Brauch, allgemein gültige Einrichtung, (gültige) Münze’ (ion. att.), -άτιον Demin. (Poll. u.a.); νομιστός ‘allgemein gültig’ mit νομιστεύομαι ‘allgemein gültig sein’ (Plb. u.a.), auch νομιτεύομαι ‘ds., brauchen’ (hell. u. sp. Inschr.; vgl. θεμι(σ)-τεύω). — C. νεμέτωρ, -ορος m. ‘Verwalter (des Rechts), Richter’ (A. Th. 485 [lyr.]); νέμησις f., auch ἀπο-, δια-, ἐπι- usw. von ἀπο-νέμω usw., ‘Verteilung’ (Is., Arist. usw.); νεμ-ητής = νεμέτωρ (Poll.) mit -ήτρια f. (Inschr. Rom, IVp); unsicher Νεμήϊος Beiname des Zeus (Archyt. ap. Stob.); vielleicht für Νέμειος (von Νεμέα). Zu νέμεσις s. bes. — D. Deverbativa: νεμέθω, -ομαι ‘weiden’ (ep. poet., Λ 635, Nik. u.a.); νωμάω, -ῆσαι auch mit ἐπι-, ἀμφι-, προσ-, ‘verteilen, handhaben, beobachten’ (ep. poet. seit Il., Hdt.; Schwyzer 719, Risch Gnomon 24, 82) mit νώμ-ησις (Pl. Kra. 41 1d), -ήτωρ ‘Verteiler, Handhaber usw.’ (Man., Nonn. u.a.). — Das ganze griechische Formsystem einschließlich der ablautenden νομή, νόμος, νομός ist auf dem Präsens νέμω aufgebaut. Die hochstufigen νεμέ-τωρ, νέμε-σις, νέμη-σις u.a. folgen wohlbekannten Mustern (γενέ-τωρ γένε-σις u.a.); eine entsprechende Schwundstufe fehlt. Eine "zweisilbige Wurzel" z.B. Fraenkel Nom. ag. 2, 11) hat es nie gegeben. — Die weitverzweigten Bedeutungen von νέμω nebst Ableitungen bieten ein Problem, das kaum endgültig gelöst ist; mit Recht hebt Benveniste Noms d’agent 79 den Begriff des Gesetzmäßigen. des Regelmäßigen hervor, der das Verb νέμω charakterisiert ("partager légalement, faire une attribution régulière"). Weitere Lit.: E.Laroche Histoire de la racine nem- en grec ancien (Paris 1949; Études et Comm.VI); zu νόμος bes. Stier Phil. 83, 224ff., Pohlenz Phil. 97, 135ff., Porzig Satzinhalte 260, Bolelli Stud. itfilcl. N.S.24, 110f.; zu νομή, -ός Wilhelm Glotta 24, 133ff. (ἐν χειρῶν νομῷ, -αῖς). — Von außergriechischen Worten, die für die Etymologie in Betracht kommen können, stimmt semantisch am besten zu νέμω das germ. Verb für ‘nehmen’ in got. niman usw.; dazu noch lett. ńęmu, ńem̂t ‘nehm.en’ (mit sekundärer Palatalisierung des Anlauts). Zu erwähnen noch mehrere Nomina, die aber für das Griechische nichts lehren: aw. nəmah- n. ‘Darlehen’, lat. numerus ‘Zahl usw.’, air. nem f. ‘Gift’ (vgl. Gift : ge-ben; auch δόσις), lit. nùoma f. ‘Miete, Pacht’ (Vokal wie νω-μάω). — Das mit νέμω ebenfalls formal identische aind. námati ‘(sich) beugen, biegen’ läßt sich nur unter Zuhilfenahme unkontrollierbarer Hypothesen damit vereinigen. Nach Laroche (s. oben) S. 263 wäre νέμω eig. ‘faire le geste de se pencher en tendant la main’. — Lit. und weitere Einzelheiten bei WP. 2, 330f., Pok. 763 f., W.-Hofmann s. numerus und nummus (aus νόμιμος?), auch emō, Fraenkel Wb. s. núoma(s), auch nãmas, Mayrhofer s. námati. Vgl. auch νέμος. II-302-304
νενίηλος etwa ‘unverständig, verblendet’, nach H. = τυφλός, ἀπόπληκτος, ἀνόητος (Kall. Jov. 63); daneben, sehr fraglich, ἐνίηλος (wohl <ν>ε-)· ἀνόητος; auch νενός· εὐήθης H. — Volkstümliche Reduplikationsbildung ohne Etymologie; Suffix wie in κίβδηλος, ἀσύφηλος u.a. (Chantraine Form. 241 f.). II-304
νέννος m. ‘(mütterlicher) Oheim’ (Thera, Poll., H., Eust.), ‘mütterlicher Großvater’ (Poll.; v. l. νόννος; zur Bed. vgl. μήτρως); daneben νάνναν· τὸν τῆς μητρὸς ἢ τοῦ πατρὸς ἀδελφόν· οἱ δὲ τὴν τούτων ἀδελφήν. νάννη· μητρὸς ἀδελφή H. Vgl. auch νίν(ν)η f. etwa ‘Großmutter, Schwiegermutter?’ (Thessalonike IIp). — Reduplizierte Lallwörter wie z.B. aind. nanā́ f. ‘Mutter, Mütterchen’, npers. nana ‘ds.’, slav., z.B. serbokr. nana ‘Mutter’, russ. njánja ‘Kinderwärterin’; wohl auch lat. nonnus, -a ‘Mönch, Nonne’, auch ‘Kinderwärter(in), Erzieher(in)’. Weitere Einzelheiten in den einschlägigen Spezialwörterbüchern. Zu den griech. Wörtern noch Schwyzer 315, 339, 423. II-304
νεογιλλός, -ιλός etwa ‘neugeboren, jung, klein’ (μ 86, Is. Fr. 12, Theok., sp. Prosa); vgl. H.: νεογιλῆς (μ 86)· νεογνῆς, νεαρᾶς, νέας, νεωστὶ γεννηθείσης; nach Sch. ad loc. γάλακτι τρεφομένης; daneben vielleicht νεογιλής m νεογηλέα, v. l. Anakr. 51 für νεοθηλέα. — Das Hinterglied noch in Γίλλος mit Γιλλίς, -ίων. Die Gemination, die den Kosenamen eignet, braucht an und für sich nicht dem Adj. zuzukommen. Wenn sie ursprünglich ist, kann -γιλλος für *-γιδ-λος stehen und zu lit. žindù, žį̀sti ‘saugen’ gehören; νεο-γιλλός somit eig. "der neulich (seit kurzem) saugt"? Bechtel, z.B. Lex. s.v. — Anders Prellwitz s.v. (s. auch Bq). II-304
νεογνός ‘neugeboren’ s. γίγνομαι. II-304
νεολαία f. ‘junge Mannschaft’ (A. in lyr., Ar. Fr. 67, Theok., sp. Prosa), auch als Adj. (E. Alk. 103 [lyr.]; richtig?). — Abstrakte Zusammenbildung aus νέος und λαός mit ία-Suffix: *νεο-λᾱϝ-ία eig. "was aus jungen Leuten besteht". Vgl. Georgacas Glotta 36, 172 f. II-304
νέομαι, kontr. Formen νεῦμαι, νεῖαι, νεῖται usw., nur Präsensstamm, daneben νίσομαι (-σσ-), nur Präsensstamm bis auf unsichere od. späte Belege eines angebl. Aorists νίσ(σ)ασθαι, oft m. Präfix. z.B. μετα-, ποτι-, ἀπο-, ‘fahren, gehen, kommen’ (ep. poet. seit Il.). ‘(glücklich wohin) gelangen, davonkommen, (glücklich) zurückkehren, heimkehren’ (ep. poet. seit Il.; zur Aktionsart Bloch Suppl. Verba 38ff.); auch mit Präfix, bes. ἀπο-, Ableitungen: 1. νόστος m. ‘Rückkehr, Heimkehr, (glückliche) Fahrt’ (ep. poet. seit Il.), auch ‘Einkommen, Ertrag’ (Trypho ap. Ath. 14, 618d; ἄ-νοστος ‘ohne Ertrag’ Tnphr.); davon νόστιμος ‘zur Rückkehr gehörig’ (ep. poet. seit Od.). auch ‘Ertrag einbringend, fruchtbar, nährend’ (Kall., Thphr., Plu. u.a.), ngr. ‘angenehm’ (Arbenz 20 f., Chantraine Rev. de phil. 67, 129 ff., auch Frisk Adj. priv. 8); denominatives Verb νοστέω, auch m. Präfix, z. B. ἀπο-, ὑπο-, περι-, ‘zurückkehren, heimkehren, fahren, reisen im allg.’ (vorw. ep. poet. seit Il., auch Hdt. u.a.) mit ἀπο-, ὑπο-, περι-νόστησις f. ‘Rückkehr, das Sich-Zurückziehen usw.’ (sp.). — 2. Νέστωρ, -ορος m. PN (Il. usw.), wörtlich "der (glücklich wohin) gelangt" o.ä. konventioneller Name ohne symbolischen Inhalt; zur Bed. (ganz abweichend) Palmer Eranos 54, 8 m. A. 4 m. Lit., auch Kretschmer Glotta 12, 104f. gegen Meister HK228; davon Νεστόρεος (Il.; äol. für -ιος? Wackernagel Unt. 68f.), -ειος (Pi., E. u.a.), νεστορίς, -ίδος f. Ben. eines Bechers (Ath. 11, 487f). — Das themat. Wurzelpräsens νέομαι, das wegen νόσ-τος für *νέσ-ομαι stehen muß, deckt sich formal genau mit germ., z.B. got. ga-nisan ‘genesen, gerettet werden’, ags. ge-nesan ‘entkommen, gerettet werden, überleben’, nhd. genesen; semantisch leuchtet die Zusammenstellung dieser Verba, die auch bezüglich der konfektiven Aktionsart (Bloch Suppl. Verba 39ff.) zueinander stimmen, unmittelbar ein. Semantisch ferner steht das damit ebenfalls formal identische aind. násate ‘herantreten, sich nähern, jmdn. aufsuchen, sich vereinigen’; wenn das damit verbundene Nā́satyā m.. dual. als Bezeichnung der Aśvins eig. "Heiler, Retter" bedeutet, fügt es sich dagegen unschwer zu νέομαι, ga-nisan mit dem Kaus. got. nasjan ‘retten’, ahd. nerian ‘retten, heilen, nähren’ (vgl. νόστος, -ιμος) usw. Der Form nach mehrdeutig ist alb. knellem ‘erhole mich, werde wieder lebendig’ (Präfix k + *nes-lo- ?; Jokl WienAkSb. 168 : 1, 40); begrifflich nichtssagend der Vergleich mit toch.A nasam, B nesau ‘ich bin’; ganz anders darüber (m. Lit.) Pedersen Tocharisch 160 f. Sehr fraglich bleibt ebenfalls, ob das sowohl formal wie semantisch abweichende ναίω ‘wohnen’ zu νέομαι gehört. Vgl. noch ἄσμενος. — In νί̄σομαι (falsch νίσσομαι) wird allgemein ein redupliziertes *νί-νσ-ομαι vermutet; die lautlichen Bedenken (man hätte *νί̄νομαι erwartet) haben Brugmann-Thumb 332 und (mit abweichender Erklärung) Wackernagel KZ 29,136 (= Kl. Schr. 1, 639) ebenso wie Bechtel Lex. s.v. zu beheben versucht (s. auch Schwyzer 287 und Lasso de la Vega Emer. 22, 91 f.). Die geläufige Zusammenstellung mit aind. níṃsate (< *ni-ns-) ‘sie küssen, be- rühren mit dem Munde’ (z.B. Brugmann Grundr.1 II : 3, 106) schwebt indessen semantisch ziemlich in der Luft; vgl. auch Mayrhofer s.v. Nach Meillet BSL 27, 230 u. Chantraine Gramm. hom. 1, 440 wäre νίσ(σ)ομαι vielmehr ein Desiderativum mit reduzierter Vokalstufe und innerer Gemination; lautlich sehr schwierig. — Weitere Einzelheiten m. Lit. bei WP. 2, 334f., Pok. 766f., Schwyzer 690 m. A. 4. II-304-306
νέος myk. ne-wo; Steigerungsformen νεώτερος, -τατος (seit Il.), auch νέατος im Sinn von ‘novissimus, letzter’ (Trag.)?, s. νείατος, νειός. ‘neu, jung, jugendlich, ungewöhnlich, unerhört, schlimm’; Überaus oft als Vorderglied, vgl. νεο-γιλλός, νεο-γν-ός, νέ-ορτος (s. ὄρνυμι), νεοχμός usw. Ableitungen: 1. νεαρός ‘jung, jugendlich, zart, frisch’ (seit Β 289; zur Bildung unten) mit νεάρωσις f. ‘Verjüngung’ (Poet. in PIand. 78, 13). — 2. νεό-της, dor. -τας, -ητος f. ‘Jugendalter, jugendlicher Sinn, junge Mannschaft’ (seit Il.), -τήσιος ‘jugendlich’ (Ps.-Phok. u.a.). — 3. νεοίη f. ‘jugendliche Unbedachtsamkeit’ (Ψ 604), νέοιαι· ἀφροσύναι H.; nach ἀνοίη, ἄνοια, s. Wackernagel Unt. 242f.. — 4. νέᾱξ, -κος m. = νεανίας (Nikophon, Poll.); BjörckAlpha impurum 264 f. — Adverbia: 5. νεωστί ‘neu, frisch, neulich’ (ion. att.) aus νέως + τι (Schwyzer 624). — 6. νεόθεν ‘von neuem’ (S. OC 1447 [lyr.]). — Denominative Verba: 7. νεάζω. auch m. Präfix, z.B. ἀνα-, ἐκ-, ἐν-, ‘jung sein od. werden’ (Trag., Kom., Hdt., hell. u. sp.) mit ἐκνεασμός ‘Erneuerung’ (Simp.); νεασμός ‘Bestellung des Brachfeldes’ (Gp.), s. νεάω. — 8. νεόω ‘neu machen’ (A. in lyr. u.a.), auch = νεάω (LXX, Poll.) mit νεώματα pl. ‘bestellte Brachfelder’ (LXX). — 9. νεάω ‘ein Brachfeld bestellen’ (Hes. Op. 462 usw.), vgl. lat. novālis (ager, terra) ‘Brachfeld’; daneben kommt Ableitung von νε(ι)ός ‘Brachfeld’ (s.d.) ernst in Betracht. — 10. νεώσσω, -ττω ‘neuern’ (Hdn., H.); vgl. Schwyzer 733. — 11. νεωτερίζω ‘neuern, (im Staatswesen) Neuerungen machen’ (att.) mit νεωτερ-ισμός, -ισμα, -ισις, -ιστής, -ικός. — Zu νεανίας s. bes.; zur Bed. von νέος Porzig Sprachgesch. u. Wortbed. 343 ff. — Als Erbwort ist νέος aus νέϝος (νεϝόστατος kypr.) mit heth. neu̯a-, aind. náva-, lat. novus, aksl. novъ, toch. B ñuwe, A ñu identisch: idg. *néuos ‘neu’. Daneben eine i̯o-Bildung in aind. návya-, germ., z.B. got. niujis, kelt., z.B. gall. Novio-dūnum, lit. naũjas. Auch νεῖος (nur A. R. 1, 125, Versanfang) könnte dazu stimmen; es ist aber offenbar nichts als ein metrisch gedehntes νέος. Eine alte r-Bildung ist νεαρός, die in arm. nor ‘neu’ aus *neu̯erós o.a. ein Gegenstück hat; vgl. νηρός. Das denominative νεάω deckt sich mit lat. novāre und mit heth. neu̯aḫḫ- ‘erneuern’. Ebenso entsprechen einander νεότης und lat. novitās, νέᾱξ und ksl. novakъ ‘Neuling’; wenigstens in diesen beiden Fällen sind parallele Neubildungen anzunehmen. — WP. 2, 324, Pok. 769; weitere Einzelheiten mit reicher Lit. auch in den betreffenden Spezialwörterbüchern. II-306-307
νεοσσός, auch νοσσός (Schwyzer 253 m. Lit.), att. νεοττός ‘das Junge von Vögeln, auch von anderen Tieren und von Menschen’ (seit Il.), ‘Eigelb’ (Arist. u.a.). Einige Kompp., z.B. ν(ε)οσσο-τροφέω (-ττ-) ‘Vogeljunge aufziehen’ (Ar. u.a.). Ableitungen: 1. Deminutiva: ν(ε)οσσίον, -ττ- ‘Küchlein’, auch übertr. ‘Eigelb’ (Ar., Arist., Thphr. u.a.); -σσίς, -ττίς f. ‘ds.’, auch als PN (Kom., Arist., AP), als Bez. eines Schuhes (Herod. 7, 57; wohl aus dem PN). — 2. Kollektivum ν(ε)οσσιή (ion.), -ττιά (att.), νοσσιά (hell.) ‘Brut, Nest’, auch ‘Lager’ (Herod.), ‘Bienenkorb’ (LXX). — 3. Denominatives Verb ν(ε)οσσεύω, -ττεύω ‘hecken, brüten, nisten’ (ion. att. usw.) mit νεοττεία, -ττευσις ‘das Hecken, Nisten’ (Arist.). — 4. PN Νόσσος, Νοσσώ, Νοσσικᾶς (Inschr.). — Bildung von νέος; vgl. περισσός, ἔπισσαι, μέτασσαι. Die beiden letzteren liegen auch begrifflich nicht fern; s. Schulze Kl. Schr. 675. Abzulehnen Brugmann IF 17, 351 ff. : aus *νεο-κι̯-ος "Neulieger", Zusammenbildung mit der Schwundstufe von κεῖμαι. Vgl. auch Schwyzer 320. II-307
νεοχμός ‘neu, ungewöhnlich, fremdartig’, fast nur von Sachen (ion. poet. seit Alkm.). Davon νεοχμίη· κίνησις πρόσφατος H. und das Denominativurn νεοχμόω = νεωτερίζω, ‘neuern, (im Staatswesen) Neuerungen machen, sich auflehnen’ (Hdt., Th. 1, 12, Arist. u.a.) mit νεόχμωσις f. ‘Neuerung, ungewöhnliche Erscheinung’ (Arist., Aret.); auch νεοχμ-έω (H., Suid.), -ίζω (H.) ‘ds.’. — Von νέος mit undurchsichtiger Bildungsweise; vgl. ὀρροχμόν· ἔσχατον, ἄκρον H., von ὄρρος. Wackernagel KZ 33, 1f. (Kl. Schr. 1, 680f.) will in -χμ- die Schwundstufe von χθών, χαμ-αί sehen; somit eig. "in (ea) terra novus". Bedenken bei Chantraine Form. 151 und Sommer Nominalkomp. 86 f. II-307
νέποδες pl. in νέποδες καλῆς ‘Αλοσύδνης als Bez. der φῶκαι, der Schunde (δ 404); von späteren Dichtern verschieden aufgefaßt: als ’ἀπόγονοι, Abkömmlinge’ (Theok. 17, 25, Kall. Fr. 77 u.a.; auch Eust. 1502, 36); als ’νηξίποδες, Schwimmfüßler’ (H. u.a.), auf Fische bezogen (Kall. Fr. 260, Nik., AP) als ’ἄποδες, die Fußlosen’ (Apion ap. Apollon. Lex.). — Bed. unsicher, mithin etymologisch schwierig zu beurteilen. Für ‘schwimmfüßig’ Brugmann IF 20, 218ff. (mit Kritik anderer Ansichten) unter Ansetzung eines ursprüngl. *νέτ-ποδες (zu νότος; s.d. und νέω) oder *νεπέ-ποδες zu aind. snapáyati ‘schwemmen’, das indessen als rein ind. Bildung ausscheiden muß. Gegen ‘fußlos’ spricht außer sachlichen Gründen auch das dabei anzunehmende, im Griech. als Wortnegation sonst nicht belegte *νε- ‘nicht-, un-’. Die sachlich einleuchtende Deutung als ’ἀπόγονοι’ identiflziert νέποδες mit lat. nepōttes = aind. nápātaḥ pl. ‘Enkel’; das Wort hätte sich an die Flexion von πούς, älter πώς : ποδός angeschlossen (Curtius 266f., Kretschmer Glotta 28, 266 f., Wackernagel Syntax 2,252). Alter Wechsel t : d (Specht Ursprung 226 u. 232) ist nicht glaubhaft. Zu den verschiedenen Deutungsversuchen s. Pariente Emer. 11, 107ff. II-307-308
νέρθε(ν) νέρτερος ‘unterer’ ‘(von) unten, unterhalb’, s. ἔνερθεν, ἐνέρτερος. II-308
νέτωπον n. ‘Öl aus bitteren Mandeln’ (Hp.), auch νετώπιον (H.) und durch Volksetymologie μετώπιον (Mediz., H. u.a.); νίωπον (Hp. ap. Erot.). — Semit. LW, vgl. hebr. nāṭāp, aram. neṭāpā, nāṭōpā ‘Tropfen, tröpfelndes wohlriechendes Harz’. Lewy Fremdw. 39 f. m. Lit. II-308
νευρά, ion. -ή f. — Zu νεῦρον : νευρά vgl. φῦλον : φυλή und, mit mask. ο-Stamm, die zahlreichen Verbalnomina vom Typus τόμος : τομή. — Zu νεῦρον stimmt bis auf das Genus lat. nervus ‘Sehne, Muskel, Nerv’ aus *neuros; in beiden Wörtern handelt es sich um eine thematische Erweiterung des r-Stamms in aw. snāvarə n. ‘Sehne’, toch. B ṣñaura ‘Sehnen, Nerven’, arm. neard ‘Sehne, Faser, Fiber’ (mit auslaut. idg. -t; vgl. zu ἦπαρ); daneben der alternierende n-Stamm in aind. snāvan- n. ‘Band, Sehne’; idg. *snē-u̯(e)r / n-, Ableitung auf -u̯er / n- von einem. Verb für ‘(Fäden) zusammendrehen’ in 2. νέω ‘spinnen’. — W.-Hofmann s. nervus m. reicher Lit., Benveniste Origines 21 u. 111; zu den alt- u. m.ind. Formen bes. Tedesco Μνήμης χάριν 2, 182ff. ‘Bogensehne, Sehne’ (vorw. ep. poet. seit Il., auch X., Arist. u.a.); Deminutivum νευρίον n. (AP). Erweiterte Form νευρειή (Theok. 25, 213; Versanfang); vgl. ἐγχείη ( : ἔγχος) u.a.; Oxytonierung nach νευρή. — Daneben νεῦρον n. ‘Sehne, Bogensehne, Schnur, Saite, Nerv, männliches Glied’, übertr. im Plur. ‘Stärke, Kraft’ (seit Il.). Zahlreiche Kompp., z.B. νευρό-σπαστος ‘von Sehnen gezogen’, pl. Subst. n. ‘Gliederpuppen’ (Hdt., X. u.a.) mit νευροσπάστ-ης, -ικός, -ία, -έω (Arist., hell. u. sp.). Ableitungen: 1. Deminutivum νευρίον (Hp.). — 2. Pflanzenname νευράς, -άδος f. = ποτίρριον (Dsk., Plin.), δορύκνιον (Plin.). — 3. Adj. νευρ-ώδης ‘sehnig’ (ion. att.), -ινος ‘aus Sehnen gemacht’ (Pl., Arist. u.a.), -ικός ‘an den Sehnen kränkelnd’ (Mediz.). — 4. Verb νευρόομαι, -όω, auch mit ἀπο-, ἐκ-, ‘mit Sehnen versehen (werden)’ (Ar., Ph., Gal. u.a.) mit ἀπονεύρωσις f. ‘das Ende der Muskeln, wo sie in Sehnen übergehen’ (Gal.). II-308-309
νεύω, Aor. νεῦσαι, Fut. νεύσω, -νεύσομαι (seit Il.), Perf. νένευκα (E. u.a.) -νένευμαι (Ph. u.a.), ‘nicken, sich neigen, winken’. oft mit Präfix, z.B. ἀνα-, ἐπι-, κατα-, Davon (ἔκ-, ἀνά- usw.)-νεῦσις f. ‘Nicken, Neigung’ (Pl., LXX usw.), νεῦμα n., auch mit ἐπι-, ἐν-, συν -, ‘Wink’ (A. in lyr., Th., X. usw.) mit νευμάτιον (Arr.); νευστικός ‘sich neigend’ (Ph. u.a.). Expressive Erweiterung νευστάζω, vereinzelt m. ἐπι-, ‘nicken, winken’ (ep. seit Il.); vgl. βαστάζω, ῥυστάζω u.a. (Schwyzer 706, Chantraine Gramm. hom. 1, 338, Bechtel Lex. 234). — Der erhaltene Diphthong in νεύω ebenso wie νευστάζω lassen auf ein urspr. *νεύσω (*νεύσι̯ω?) schließen, vgl. u.a. γεύομαι und εὕω (s. dd.); die späten νένευκα, -νένευμαι gehen selbstverständlich von νεύω aus. Bis auf -σ- stimmt νεύω zum gleichbedeutenden lat. ab-, ad-nuō aus *-neu̯ō (wozu das Simplex nuō bei Gramm.). Formal deckt sich auch νεῦμα mit lat. nūmen (aus *neu(s)-mn̥) eig. ‘Wink’, ‘göttliches Walten usw.’; sie sind indessen beide als sondersprachliche Neubildungen leicht erklärlich. — Fern bleiben dagegen sowohl aind. návate ‘gehen, sich bewegen’ (nicht ganz gesichert; Mayrhofer s.v.) wie slav., z.B. russ. núritь ‘den Kopf senken’ (s. Vasmer s.v.). — WP. 2, 323 f, Pok. 767, W.-Hofmann s. nuō. Vgl. νύσσω und νυστάζω. II-309
νεφέλη f. ‘Wolke, Gewölk’ (meist ep. poet. seit Il., auch X., Arist., u. sp. Prosa) auch von wolkenartigen Trübungen im Harn u. im Auge (Mediz.), übertr. ‘feines Vogelnetz’ (Ar., Kall., AP u.a.). Kompp., z.B. νεφελ-ηγερέτα ‘Wolkensammler’, Beiw. des Zeus, mit Vok. für Nom. (Risch Sprachgesch. u. Wortbed. 394f.), ἐπι-νέφελος ‘umwölkt’ (Hdt., Hp., Arist. u.a.). Ableitungen: 1. Demmutivum νεφέλιον n. (Arist., Thphr., Mediz.); 2. Adj. νεφελ-ώδης ‘wolkig, bewölkt’ (Arist. u.a.), -ωτός ‘mit Wolken überzogen, aus Wolken bestehend’ (Luk.); 3. Verba: νεφελ-όομαι (Eust.), -ίζομαι (Sch.) ‘mit Wolken überzogen werden’. — νέφος n. ‘Wolke, Gewölk’ (seit Il.). Kompp., z.B. νεφο-ειδής ‘wolkenartig’ (Epikur. u.a.), συν-νεφής ‘umwölkt, finster’ (E., Arist. usw.), ἐπι-νεφής ‘wolkig, Wolken bringend’ (Arist., Thphr.) mit den Rückbildungen συν-νέφει, -νένοφεν (Ar., E., Arist. usw.), ἐπι-νέφει (Arist., Thphr. u.a.) ‘ist, macht wolkig’ mit ἐπίνεψις f. ‘Bewölkung’ (Arist.). Ableitungen: 1. Demin. νεφύδριον (Olymp. Phil.); 2. Adj. νεφώδης ‘wolkenähnlich, Wolken bringend’ (Arist., Str.); 3. Verb νεφόομαι, auch m. ἐκ-, ‘umwölkt werden, in eine Wolke verwandelt werden’ (Thphr., Ph. u.a.) mit νέφωσις f. ‘Bewölkung’ (Ph. u.a.). — Alte Erbwörter mit genauen Entsprechungen in mehrere Sprachen. Zu νεφέλη stimmt lat. nebula (u allerdings mehrdeutig), wohl auch mkymr. nyfel ‘Wolke’ (Loth Rev. celt. 47. 172 f.), idg. *nebhelā. Auch das Germanische weist bei wechselndem Auslaut (ā- od. ŏ-Stamm) und schwankendem Zwischenvokal dasselbe l-Element auf, z.B. awno. njōl f. ‘Finsternis’ (germ. ō-Stamm = idg. ā-Stamm), ahd. nebul m. ‘Nebel’ (germ. a-Stamm = idg. o-Stamm); gewisse keltische Formen. z.B. air. nēl, Gen. nivil m. ‘Wolke, Nebel’, sind umstritten. —Neben diesem l-Stamm, der wohl nicht zufällig zum l-Stamm der Wörter für ‘Sonne’ (s. ἥλιος) und ‘Wind’ (s. ἄελλα, θύελλα) stimmt, steht im Osten ein weitverbreiteter s-Stamm in νέφος = aind. nábhas- n. ‘Wolke, Nebel, Dunst’, heth. nepiš, aksl. nebo, Gen. nebes-e ‘Himmel’ (über ‘Wolke’ > ‘Himmel’ Brandenstein Stud. z. idg. Grundspr. 24 f.) usw., idg. *nébhos n.; zum Stammwechsel s : l vgl. z.B. ἔτος : ἔταλον, θάρσος : θαρσα-λέος u.a.m. (Benveniste Origines 46 f.). — Weitere Formen m. reicher Lit. und z.T. unsichere Kombinationen bei WP. 1, 131 f., Pok. 315f., W.-Hofmann s. nebula, Mayrhofer s. nábhaḥ, Vasmer s. nébo; dazu noch Porzig Gliederung 189f. vgl. ὄμβρος. II-309-310
νεφροί auch du. νεφρώ (Ar. Ra. 475), selten sg. νεφρός m. pl., ‘die Niere(n)’ (ion. att.). Als Hinterglied in περί-νεφρος ‘fett um die Nieren’ (Arist.). Davon νεφρία n. pl. ‘ds.’ (Pap. II—IIIp); νεφρ-ίτης σφόνδυλος ‘erster Wirbel des Kranzbeins’ (Poll.; Redard 101), -ῖτις (νόσος) f. ‘Nierenkrankheit’ (Hp., Th. u.a.) mit -ιτικός ‘an der νεφρῖτις leidend, die ν. heilend’ (Mediz.); νεφρ-ώδης ‘nierenähnlich’ (Arist.), -ιαῖος ‘zu den Nieren gehörig’ (Dsk.; Chantraine Form. 49); Hypostase ἐπινεφρ-ίδιος ‘an den Nieren befindlich’ (δημός, Φ 204). — Zu νεφροί gehören in erster Linie die bei Festus überlieferten ital. Glossen nefrōnēs (Praeneste), nebrundinēs (Lanuvium) ‘Nieren’. Mit dem daraus zunächst zu erschließenden idg. -bh- läßt sich indessen das germ. Wort für ‘Niere’, ahd. nioro, mengl. nēre (auch kid-nēre > kidney), aschw. niūre usw., das ein älteres *neu̯ran- erfordert, nicht vereinigen. Nur wenn germ. -u̯- für einen labiovelaren Guttural steht (urg. -ʒu̯-), ergibt sich die Möglichkeit, auch die graecoital. Formen unter idg. *negʷhro- einzubeziehen. — Sowohl ἀδήν, inguen wie lat. rēnēs und air. āru ‘Niere’ bleiben fern. — Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 1, 133, Pok. 319, W.-Hofmann s. nefrōnēs. II-310
νέω 1. (seit Il.), Ipf. ἔ-ννεον (Φ 11), Aor. νεῦσαι, Perf. νένευκα (att.), Fut. νεύσομαι (H.), -σοῦμαι (v. l. X. An. 4, 3, 12), ‘schwimmen’. oft m. Präfix, z.B. δια-, ἐκ-, περι-, Davon νεῦσις f. ‘das Schwimmen’ (Arist.), ἀνάνευ-σις eig. "das Emporschwimmen", ‘das Emporsteigen, das Wiederaufleben’ (LXX u.a.). —Daneben νήχω, gew. -ομαι (zum Diathesenwechsel Schwyzer-Debrunner 232), dor. (Ps.-Theok.) νά̄χω, -ομαι, Fut. νήξομαι (vorw. ep. poet. seit Od., auch sp. Prosa), Aor. νήξασθαι (Plb., Lyk., AP), Perf. Med. νενῆχθαι (Ath.), sehr oft m. Präfix (fast nur Med.), z.B. παρα-, δια-, ἐκ-, ἐπι-, ‘schwimmen’. Davon νῆξις f. ‘das Schwimmen’ (Batr., Plu., Mediz.), διάνηξ-ις ‘das Durchschwimmen’ (Herm. ap. Stob.), νηχαλέος ‘schwimmend’ (Xenokr.), nach μυδαλέος u.a. — Das Präsens νή-χ-ω, νά-χ-ω, wovon νήξομαι usw., enthält eine gutturale Erweiterung von idg. snā- in aind. snā́-ti ‘badet sich’, lat. nā-re ‘schwimmen’ , air. snāim ‘schwimme, krieche’; vgl. σμῆ-ν : σμή-χ-ω usw. (Schwyzer 702; Hypothesen über die Aktionsart bei Chantraine BSL 33, 81 ff., Gramm. hom. 1, 331.). Das im Vokalismus davon abweichende νέω, νεῦσαι stimmt zum sinnverwandten πλέω : πλεῦσαι und kann eine Reimbildung dazu darstellen; Verbalnomina mit o-Abtönung werden in νόα (eher mit Bechtel Dial. 2, 378, Wackernagel Phil. 95, 178 = Kl. Schr. 2, 877 νοά)· πηγή. Λάκωνες H. und in Νοῦς ποταμός (Arkadien, Kleinasien; vgl. Schwyzer 310 m. Lit.), ein schwundstufiger Aorist in ἔννυθεν· ἐκέχυντο H. (richtig überliefert?) vermutet. Neben νήχω, νέω steht noch νάω ‘quellen, strömen’ (s.d.). — Weitere Vermutungen über idg. snā-, snāu-, sneu- usw. (nach Brugmann IF 20, 221 ff.) bei WP. 2, 692ff., Pok. 971 ff., W.-Hofmann s. nō; daselbst auch reiche Lit. Vgl. auch νῆσος und νότος. II-310-311
νέω 2. 3. sg. νῇ (νῆ, νεῖ; Hes. Op. 777), 3. pl. νῶσι (Ael., Poll.), Ipf. ἔννη (äol.; Hdn., EM), Inf. νῆν, Ptz. νῶντα (H.), νώμενος (Poll.); daneben νήθω (Kratin., Pl., LXX u.a.); Aor. νῆσαι, -ασθαι (seit η 198); νῶσαι (Eup. 319; Ptz.pl. f.?; Meineke νῆσαι), Pass. νηθῆναι und Fut. νήσω (att.), Perf. Med. νένησμαι (sp.), ‘spinnen’. ganz vereinzelt m. ἐπι-, δια-, συν-, κατα-, Davon νῆμα n. ‘Gespinst, Faden’ (seit Od.) mit νηματ-ικός ‘aus Fäden bestehend’ (Ath. Mech.), -ώδης ‘faserig’ (Plu.); νῆσις f. ‘das Spinnen’ (Pl.); νῆτρον n. ‘Rocken’ (Suid.); νήθουσα f. Pflanzenname (PMag. Par.; Strömberg Pfl. 106). — Zur Dentalerweiterung in νή-θω vgl. κνή-θω (: κνῆ-ν), πλή-θω (: πλῆ-το) u.a..m. (Schwyzer 703). — Aus ἔ-ννη und ἐΰ-ννητος ‘schön gesponnen’ (Hom.) ergibt sich ein ursprüngl. sn-, das auch in mir. snīid ‘spinnt, flickt’ vorliegt und in lat. nē-re ‘spinnen’ vorliegen kann; eine slose Form ist indessen u.a. durch das German., z.B. ahd. nā-en ‘nähen’ gesichert. Das einsilbige νῇ kann für *σνηι-ει stehen und läßt sich dann mit aind. snāy-ati ‘umwindet, bekleidet’ und mit lat. neō aus *snēi-ō direkt vergleichen (zum Stamm vgl. unten). Wie ἔ-ννη aus *e-snē kann νῆ auch athematisch sein (Schwyzer 675). Dagegen νῶσι, νῶντα, νώμενος wohl eher thematisch aus *νη-ουσι, *νή-οντα, *νη-όμενος als mit alter ō-Abtönung, die indessen außerhalb des Griechischen reichlich vorkommt, z.B. in lett. snāju, snāt ‘locker zusammendrehen, z.B. spinnend’ und in mehreren Nomina wie air. snāthe ‘Faden’, altgutn. snōþ ‘Schnur’ = ags. snōd ‘Kopfbinde’ (ahd. snuor ’Schnur’ ist mehrdeutig). Neben idg. snē- : snō- gibt es aber, besonders im Baltoslav., Formen mit ī-Vokal, z.B. russ. nitь ‘Faden’; für νῇ aus *σνηι-ει, snāyati (woneben snāy-u- ‘Band, Sehne’), lat. neō, bleibt deshalb neben der Erklärung als Jotpräsens auch ein alter Langdiphthong zu erwägen. — Mit νῆμα deckt sich lat. nēmen n. ‘Gespenst’, das aber eine junge Bildung ist; aksl. snopь ‘Garbe, Band’, von Specht KZ 68, 123 mit angeblichem Suffixwechsel m : p herangezogen, liegt weit ab. Auch die, vom Akzent abgesehen, genetisch identischen νῆσις und ahd. nāt ‘Naht’ sind als parallele Neuschöpfungen anzusehen. — WP. 2, 694f., Pok. 973, W.-Hofmann s. neō, Vasmer s. nítь, Fraenkel Wb. s. nýtis; überall mit weiteren Formen und reichen Literaturangaben. II-311-312
-νέω 3. Präsensstamm nur mit ἐπι-, περι- (Hdt. u.a.), Aor. νῆσαι, -ασθαι, Perf. Med. νένη(σ)μαι, Aor. Pass. νησθῆναι (Arr.), Fut. νήσω (Suid.), νησόμεθα· κορεσθησόμεθα H.; Ipf. auch νήει, νήεον, Aor. νηῆσαι (ep. seit Il.; ναήσατο B. 3, 33), daneben νήνεον (nur v. l. Ψ 139), ἐπ-, παρ-ενήνεον (Hom.) ‘häufen, aufhäufen, m. etw. beladen’. auch mit ἐπι-, περι-, συν- u.a. (ion. att.), Davon νήησις f. ‘das Aufhäufen’ (Sch. A. R. 1, 403). — Hom. -ενήνεον kann eine dehnstufige intensive Reduplikation enthalten wie δη-δέχ-αται (Brugmann-Thumb 304); von Brugmann Grundr.2 II : 3, 27 stark angezweifelt mit Zustimmung von Schwyzer 648 A. 3, der eine Verderbnis für -ενήεον annimmt. Das von νήει, νήεον vorauszusetzende Präs. νηέω kann wie andere Präsentia auf -έω von dem außerpräsentischen Stamm auf η in νηῆσαι ausgehen (vgl. Schwyzer 721), ebenso -νέω von νῆσαι (letzteres aus νηῆσαι gekürzt [LSJ, Chantraine Gramm. hom. 1, 348]?; "nicht wahrscheinlich" Schwyzer a.a.O.); die Formen bleiben aber sowieso unklar. Auch νῶντος· σωρεύοντος (Phot.) läßt verschiedene Erklärungen zu. — Ohne Etymologie. II-312
νεωλκέω ‘das Schiff aufs Land ziehen, ins Dock bringen’ (Thphr., Plb., D. S. u.a.); daneben νεωλκ-ός = ὁ νεωλκῶν (Arist., Kos Ia, Poll.), -ία f. ‘das Docken’ (Aen. Tact., Arist., Thphr. u.a.), -ια n. pl. ‘Docks’ (App., H.). — Synthetische Kompp. (Zusammenbildungen) von ναῦς und ἕλκω; dabei kann νεωλκός (aus *νηϝ-ολκός; Schwyzer 578) einschließlich νεωλκ-ία, -ια ebensogut eine Rückbildung aus νεωλκέω (vgl. δειροτομέω, πολιορκέω u.a.; Schwyzer 726) wie dessen Grundwort sein. II-312-313
νεώρια auch sg. -ιον n. pl., ‘Schiffswerft(e), Schiffsarsenal’ (att.), dor. ναώριον (Kork.; IIa); Demin. νεωρίδιον (Delos; IIa); νεω ρός· νεωριοφύλαξ H., -οί pl. = ἐπιμεληταὶ τῶν νεωρίων (IG 12, 74, 11; Va). — Aus *νη(ϝο)-ϝόρ-ια eig. "Platz, wo man Schiffe besichtigt", Zusammenbildung von ναῦς und ὁράω mit ιο-Suffix. Das seltenere νεωρός (wie θυρωρός usw.; vgl. Leumann Hom. Wörter 223 A. 20) kann daraus rückgebildet sein. II-313
νεώς m. ‘Tempel’ s. ναός. II-313
νέωτα (Semon. 1, 9), sonst εἰς (ἐς) νέωτα (X., Thphr. u.a.), delph. [ἐν ν]εω [τ]α (Del.3 323 A 12; V—IVa) ‘aufs neue (nächste) Jahr’; daneben in derselben Bed. ἐς νέω (Kyrene; auch als schwach bezeugte v. l. Theok. 15, 143; unklar ἐς νέων BGU 958 c 13 [IIIp]; s. P. Maas Riv. fil. class. 56, 413f.). — Nicht sicher erklärt. In νέωτα sieht man gewöhnlich und wohl mit Recht ein Komp. von νέος und ἔτος ‘Jahr’ : *νεο-ϝ(ε)τ-α (Curtius 208 als Vermutung; lautlich nicht befriedigend); *νεϝο-ϝατ-α (Buck Glotta 1, 128 f. mit sonst unbekannter Schwachstufe von ϝέτ-ος); *νεϝο-ϝωτ-α (Meillet BSL 26, 15 mit sonst unbekannter Dehnstufe); *νεϝώ-ϝετα (WP. 1,251 mit rhythmischer [kompositioneller?] Dehnung und Haplologie). Anders Schwyzer 622 A. 5 (fragend) : (ἐς) νέω eig. "vom neuen (Jahr) an"?; daraus erweitert (ἐς) νέωτα; ähnlich Mezger Word 2, 231. Abzulehnen Sandsjoe Strena phil. Upsal. (1922) 119ff. (s. Idg. Jb. 10, 214f.). — Zu den Adverbia auf -ᾰ im allg. Schwyzer 622 f. II-313
νη-, dor. νᾱ- privatives Präfix in νη-κερδής ‘nutzlos’, νη-πενθής ‘kummerlos, -stillend’ u.a. (ep. poet. seit Il.). — Durch Analogie nach νηλεής, νήνεμος u.a. gebildet, die zunächst für ν-ηλεής, ν-ήνεμος mit gedehntem Anlaut des Hinterglieds stehen (können), aber letzten Endes wohl die Satznegation *ne enthalten; s. νῆϊς, νῆστις. Vgl. das Privativsuffix ἀ-. II-313
νή Versicherungspartikel s. ναί. II-313
νηγάτεος Beiwort von χιτών (Β 43), κρήδεμνον (Ξ 185), φᾶρος (h. Ap. 122), καλύβαι (A. R. 1, 775). — Die Ähnlichkeit mit neugr. maked. ἀνήγατος ‘noch nicht getragen, neu’ (Hoffmann Makedonen 30 f.) kann nicht zufällig sein. Ganz unsichere oder unhaltbare Vermutungen zur Etymologie bei Bq, Schwyzer 431 A. 7 und W.-Hofmann s. niger. II-313
νήδυμος Beiwort des ὕπνος (Hom.), bei späten Dichtern auch von Μοῦσα, ’Ορφεύς, ὕδωρ, ἄνθος (h. Pan., APl., Nonn.). — Aus ἥδυμος ‘süß’ (s. ἡδύς) dadurch entstellt, daß man ein vorausgehendes ν ephelkystikon, das nach dem Schwund des ϝ als hiatustilgend eingeführt wurde (z.B. ἔχεν ἥδυμος ὕπνος Β 2), zum folgenden Wort zog. — Leumann Hom. Wörter 44 f. m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 14; vgl. auch Ruijgh L’élém. ach. 103. II-313-314
νηδύς -ύος (-ύ̄ς, sekund. -ῠ́ς; Schwyzer 463f.), f. ‘Bauch(höhle), Unterleib’ (ep. ion. poet. seit Il.). Davon mit ιο-Suffix νήδυια n. pl. ‘Eingeweide’ (P 524, A. R., Nik.). — Unerklärt. Ganz unwahrscheinliche Hypothesen von Windisch IF 3, 84, Fick KZ 43, 149, Grošelj Razprave 2, 47 (zu germ., z.B. awno. nōt f. ‘großes Netz’, got. nati n. ’Netz’, lat. nōdus, idg. ned-’zusammendrehen, knüpfen’); von Brugmann IF 11, 271ff. (zu lat. abdōmen). Auffällig ist die Ähnlichkeit mit etrusk. netsvis (Hammarström Glotta 11, 212 f., Schwyzer 62). — WP. 1, 777 u. 2, 328, W.-Hofmann s. nassa u. abdōmen. II-314
νηέω ‘häufen’ s. 3. -νέω. II-314
νήθω ‘spinnen’ s. 2. νέω. II-314
νῆϊς, -ιδος, -ιδα, sekund. -ιν ‘unwissend, nescius’ (ep. poet. seit H 198, θ 179). — Wie lat. nescius aus ne-scio, kann νῆϊς (mit metr. Dehnung für *νέϝις in νήϝιδ-ος, -α?; anders Debrunner Wortbildung ̨ 56) eine Univerbierung aus *νὲ ϝοῖδα mit der idg. Satznegation *ne (vgl. νη-) sein; s. Wackernagel Syntax 2, 252 m. Lit. Anders Sturtevant Lang. 16, 85. II-314
νηλ(ε)ής, -εές (ep. poet. seit Il.); metr. gedehnt νηλειής, -ειές (Hes. Th. 770 u. h. Ven. 245 [Versanfang], A. R. 4, 476; Chantraine Gramm. hom. 1, 74 u. 101) ‘ohne Mitleid, erbarmungslos’, auch ‘unentrinnbar, unausweichlich’ (in νηλεὲς ἦμαρ u.a.)? Als Vorderglied u.a. in νηλεό-ποινος ‘mitleidslos strafend’ (Hes.). — Im Sinn von ‘ohne Mitleid’ von der Satznegation *νε und ἔλεος (s.d.) oder ἐλεέω; als ‘unentrinnbar’ zu ἀλέομαι (Schulze KZ 29, 262 = Kl. Schr. 375). Egli Heteroklisie 70 f. (zögernde Vermutung schon bei Risch 76 A. 1; s. auch dens. Eumusia. Festschrift Howald [1947] 88f.) will νηλεής nur mit ἀλέομαι verbinden; die Bed. ‘erbarmungslos’ wäre durch sekundäre Umdeutung entstanden; ablehnend Chantraine Rev. de phil. 56, 289, W. Burkert Zum altgr. Mitleidsbegriff, Diss. Erlangen 1955 (s. Seyffert Gnomon 31,389ff.). Noch fraglicher ist der Versuch Eglis, auch ἐλεέω einschließlich ἔλεος als Ausfluß einer weiteren Umdeutung zu erklären. — Auch der PN Νηλεύς (Hom. usw.) ist mehrfach hierher gestellt worden ("der Mitleidslose" als alter Todesgott?, s. Fick-Bechtel 430, Schulze Q. 289, Deroy Rev. belge de phil. 36, 1058 m. weiterer Lit.); ganz unsichere Hypothesen über vorgr. Herkunft bei Bosshardt 133 und Lombardo Ist. Lomb. 91, 248. II-314-315
νηλίπους, -ποδος (S.OK 349), νήλιπος, -ον (A. R. 3, 646, Lyk. 635, Theok. 4, 56, wo v. l. ἀνήλιπος [-άλ-]) ‘ohne Fußbekleidung, barfuß’; vgl. H.: νηλίπεζοι ἢ νήλιποι· ἀνυπόδετοι H. — Nach Sch. Theok. 4, 56 von einem sonst unbekannten und unerklärten ἦλιψ Ben. eines dorischen Schuhes und privativem ν(η)-. Die am frühsten belegte Form νηλίπους kann mit Silbendissimilation für *νηλιπο-πους stehen (vgl. Schwyzer 263) oder eine Umbildung nach ποῦς sein. II-315
νηνέω ‘häufen’ s. 3. -νέω. II-315
νηπελέω ‘machtlos sein’ s. ὀλιγηπελέων. II-315
νήπιος ‘noch unmündig, jung, schwach, kindisch, unverständig, töricht’ (seit Il.). Als Vorderglied u.a. in νηπιό-φρων ‘kindischen Wesens, unbesonnen’ (Str.). Davon νηπιέη f. ‘Kindlichkeit, kindisches Verhalten, Unverstand’, pl. ‘Kindereien’ (Hom.) nnt äol. -έη für -ίη, wohl nach ἠνορέη (Leumann Hom. Wörter 110 A. 72 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 83, Porzig Satzinhalte 206); danach νηπίεος = νήπιος (Opp.); νηπιότης f. ‘Kindheit, Kindlichkeit’ (Pl., Arist. u.a.); νηπιάζω ‘kindisch sein, ein Kind sein’ (Hp. Ep., Erinn., 1 Ep. Kor. 14, 20 u.a.). — Expressive Erweiterungen: 1. νηπίαχος ‘ds.’ (ep. poet. seit Il.; Chantraine Form. 403) mit -αχεύω ‘kindisch sein, Kinderspiele treiben’ (X 502, Versende; metr. bedingt, Chantraine Gramm. hom. 1, 95 u. 368), -άχω ‘ds.’ (A. R., Mosch., Opp.), wohl nach στενάχω, ἰάχω; s. noch Schwyzer 722f. — 2. νηπύτιος ‘ds.’ (Il., Ar. Nu. 868, Orph.) mit -ίη (A. R.), -ιεύομαι (AP); vgl. unten. — Unerklärt. Unbefriedigende Versuche von Osthoff MU 4, 66f. u. 86f. (s. Bq und WP. 2, 13) und Specht KZ 56, 122f. : zu ἀνηπελίη· ἀσθένεια H., ὀλιγηπελέων (s.d.) usw. (zustimmend Fraenkel, z.B. Gnomon 21, 39; Zweifel bei Kretschmer Glotta 20, 253); in νηπ-ύτιος sieht Specht eine Entsprechung zum lit. Deminutivsuffix -utis (z.B. maž-ùtis ‘klein’). Nicht besser Lacroix Mél. Desrousseaux 261ff.: von ν(ε)- ‘nicht’ und ἔπιος; Pisani Arch. glottol. it. 31, 49ff.: von ν(ε)- und *ἄπιος (zu lat. apiscor usw.). II-315
Νηρεύς, -έως, ion. -ῆος m . Meergott, Sohn des Pontos und der Gaia (seit h. Ap. 319, Hes. Th. 233 u. 240). Davon Νηρεῖος in Νηρεῖα τέκνα = ‘Fische’ (Euphro 8, 2) und Νήρειον, -άδιον = δελφίνιον, Pflanzenname (Ps.-Dsk.) mit gleichzeitiger Beziehung auf νηρόν ‘(frisches) Wasser’ (s.d.). — Daneben Νηρηΐς, -εΐς, pl. -ίδες f. ‘Nereiden, Meernymphen’ (seit Il.). — Da Νηρεύς nur als Vater der Nereiden Bedeutung hat (v. Wilamowitz Glaube 1, 219, Nilsson Gr. Rel. 1, 240) und in der Lit. später als seine Töchter erscheint (bei Hom. immerhin wahrscheinlich unter der Benennung ἅλιος γέρων erwähnt), bleibt mit Bosshardt 122 zu erwägen, ob der Vater nicht nach seinen Töchtern benannt wurde. Als Grundwort von Νηρη-(ϝ)ίδ- kommen neben Νηρεύς auch andere Stämme in Betracht; vgl. Schwyzer 465, Chantraine Form. 345 f. — Wahrscheinlich mit Fick 1, 503 zu lit. nérti ‘untertauchen’, s. Fraenkel Sybaris 40 f., Wb. s. nérti 1., wo besonders auf das ebenfalls dehnstufige lit. nėrōvė ‘Meerjungfrau, Nixe’ (genetisch jedoch wohl von Νηρηϝ-ιδ- unabhängig) hingewiesen wird. In Betracht kommen ferner νηρίδας· τὰς κοίλας πέτρας und νηρόν· τὸ ταπεινόν H. — Anders Schulze Q. 475, Brugmann Sächs. Ges. Ber. 1899, 213 (m.Lit.) u.a.: aus *σνᾱϝερο- zu νάω ‘quellen, strömen’. — Vgl. WP. 2, 693 f. m. Lit.; s. auch δενδρύω und ἔνερθε(ν), ebenfalls m. Lit. II-315-316
νήριον n, Pflanzenname ‘Nerium Oleander, Rosenlorbeer’ (Dsk. 4, 81, Plin.). — Kann zu νηρόν ‘(frisches) Wasser’ gehören wegen der charakteristischen Eigenschaft dieser Pflanze, die Läufe der Bäche zu begleiten (Strömberg Pflanzennamen 113). II-316
νηρίτης (-εί-) m. Art Meeresschnecke (Arist.). Daneben ἀνᾱρίτᾱς (Ibyk., Epich.), ἀνηρίτης (Herod.); zum Anlaut Lejeune Rev. ét. anc. 45, 141 A. 4. — Die geläufige Schreibung mit -εί- kann auf Assoziation mit Νήρειος, Νηρεύς beruhen; die an sich nicht wahrscheinliche Anknüpfung an νηρόν ‘Wasser’ wird schon durch die vokalisch anlautenden ἀναρ-, ἀνηρ- stark gefährdet. Vgl. Redard 81 u. 248 A. 3. II-316
νήριτος ‘unzählig’ (Hes.Op.511, A. R.). Als Vorderglied in νηριτόφυλλον· πολύφυλλον H. und νηριτόμυθος (H.); vgl. auch νηρίται· μεγάλοι H. (nach Redard 117 in νήριται· μεγάλαι zu ändern). — Aus *νε-άρι-τος, Zusammenbildung von νε-privativum (s. νη-) und einem Verb ἀρι- ‘zählen’ (s. ἀριθμός) mit το-Suffix; ebenso in εἰκοσιν-ήριτος ‘zwanzig(fach) gezählt’ (X 349; kompos. Dehnung), ark. ’Επάριτοι = ἐπίλεκτοι u.a. Daraus wohl durch Umdeutung der Bergname Νήριτον (Β 632, Od.) und der PN Νήριτος (ρ 207); s. Leumann Hom. Wörter 243ff. m. ausführlicher Behandlung und Lit., dazu noch Ruijgh L’élém. ach. 161 f. II-316
νηρός ‘frisch’, vom Fisch, ἡμί-νηρος "halbfrisch", d.h. ‘leicht gesalzen’; auch vorn Wasser: τὸ νηρόν (ὁ νηρός) ‘(frisches) Wasser’ (hell. u. sp.), ngr. νερό. — Aus νεαρός kontrahiert (Schwyzer 250), s. νέος und Kretschmer Glotta 15, 64. — Von νηρός ist νᾱρός ‘quellend, strömend’ zu trennen, s. νάω. II-316-317
νῆσος dor. νᾱ͂σος (rhod. νᾶσσος SGDI4123,4; Ia) f. ‘Insel, Eiland’ (seit Il.); auch ‘(abgelagerter) Landstreifen am Fluß, der gelegentlich vom Wasser bedeckt wird’ (Tab. Herakl., Pap.; ngr. [unterit.] nasída; Schwyzer Festschr. Kretschmer 245 ff.. Rohlfs Wb. No. 1457). Einige Kompp., z.B. νησο-φύλαξ ‘Inselwächter’ (D. S.), νησί-αρχος, -άρχης ‘Inselherrscher’ (Antiph. Kom., hell. Inschr. u.a.), nach ταξί-, πολί-αρχος u.a.; nicht von νησίς oder νησίον; χερσό-νησος, att. χερρό-, dor. -νασος f. ‘Halbinsel’; zu περί-νησον s. bes. Ableitungen : 1. Deminutiva: νησίς f. (Hdt., Th., Plb. u.a.), νησίδιον (Th., Arist., Str.), νησίον (Str. u.a.), νησύδριον (X., Isok. u.a.). — 2. Sonstige Nomina: νησιώτης, dor. νασιώτας, f. -τις ‘Inselbewohner, auf einer Insel befindlich’ (Pi., Hdt., A. usw.), nach ἰδιώτης, στρατιώτης u.a. (Schwyzer 500, Chantraine Form. 311; vgl. auch Redard 9 m. A. 33); davon νησιωτικός ‘zum Inselbewohner gehörig’ (Hdt., Th., Ar., E. u.a.), auch auf νῆσος bezogen (vgl. Chantraine Études 118, 123 u. 125); νησίτης m. ‘ds.’ (St. Byz.), f. νασῖτις ‘eine Insel bildend’ (AP); vgl. Redard 23 u. 108f.; νησαῖος ‘eiländisch’ (E., Arat. u.a.; nach λιμναῖος usw.); Νησιάδεια n. pl. ‘Inselfeier’, -ειον sg. N. eines Fonds (Delos IIIa), mit -ι- wie in νησί-αρχος u.a. — 3. Verba: νησίζω (Plb.), -ιάζω (Str., Ph. u.a.) ‘eine Insel bilden’; νησεύομαι ‘eine Ablagerung bilden’ (EM 25, 48). — Nicht sicher erklärt. Seit Curtius 319 meist als "der Schwimmer" zu νή-χ-ω, lat. nā-re usw. gezogen mit wechselnder Auffassung der Bildung: aus *νη-κιο-ς (Curtius); thematische Umbildung eines s-Stamms *snā-t(e)s- od. *snā-dh(e)s- (Brugmann, z.B. Grundr.2 II : 1, 541); σο-Suffix wie in καῦσος u.a. (Solmsen Wortforsch. 244), die sich indessen an lebendige Aoriste (καῦσαι usw.) anlehnen. — Nicht mit Pisani Glotta 26, 276f. (wie schon Bopp und Weber Ind. Streifen 3,39) als "Vorgebirge" = lat. nāsus ‘Nase’; s. Curtius a.a.O. und W.-Hofmann s. nāsum. Da die idg. Worte für ‘Insel’ von Sprache zu Sprache stark wechseln, handelt es sich vielleicht um ein ägäisches LW (Ernout-Meillet, die an das ebenfalls dunkle lat. insule anknüpfen wollen; ebenso Skok Glotta 25, 217 ff.; dagegen W.-Hofmann s.v.). II-317
νῆσσα, att. νῆττα, böot. (Ar. Ach. 875) νᾶσσα f. ‘Ente’ (ion. att.). Deminutiva νηττάριον (Ar., Men.), νηττίον (Nikostr. Kom.), νησσίον (Pap. VI—VIIp). — Bildung auf -ια wie μυῖα, κίσσα und viele andere Tiernamen (Chantraine Form. 98). Daneben steht im Baltischen, z.T. auch im Slavischen ein i-Stamm, z.B. lit. ántis, wruss. úc f. (urslav. *ǫtь) ‘Ente’, vielleicht auch in aind. ātí-, ātī́ f. N. eines Wasservogels (wegen der unbekannten Bed. nicht sicher, s. Mayrhofer s.v.); im Slavischen auch ein ū-Stamm, z.B. aruss. uty, Gen. utъve (urslav. *ǫty). Auszugehen ist von einem t-Stamm, der verschiedentlich erweitert wurde, aber in lat. anas, anat-is, Gen. pl. anat(i)um, z.T. auch im. German., z.B. ahd. anut (pl. enti i-St.), awno. pl. endr (sg. ǫnd sekund. ō-Stamm) noch erhalten ist. Zu dem verwickelten Ablaut s. Schwyzer 361, Kuhn KZ 71, 146. —Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 1,60, Pok. 41 f., W.-Hofmann s. anas, Fraenkel s. ántis, Vasmer s. útka I. II-317-318
νῆστις, -ιος, -ιδος, Dat. auch -ει, Nom. pl. auch -εις m. u. f.; sekund. mask. νήστης (Semon., Arist. u.a.), f. νήστειρα (Nik. Al. 130; Fraenkel Nom. ag. 1, 126 A. 2). Mit pleonastischem ἀ- (vgl. ἀβέλτερος) ἄνηστις = ἄσιτος (A. Fr. 433 Mette, Kratin. 45). ‘nicht essend, fastend, nüchtern’ (seit Il.); Subst. f. Teil des Dünndarms, ‘intestinum ieiunum’, weil es bei den Sektionen immer leer befunden wurde (Hp., Arist. u. a.; Strömberg Wortstudien 63); Davon das Verb νηστεύω ‘fasten’ mit νηστεία, -η f. ‘das Fasten’ (ion. att.) und die seltenen und späten Adj. νήστ-ιμος (Pap. u.a.; Arbenz 87), -ικός (Aët.) ‘zum Fasten gehörig’. — Von der Satznegation νε- und dem Verb für ‘essen’, u. zw. vielleicht als Substantivierung der 3. sg. *νῆστι ‘er ißt nicht’; Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 48 = Kl. Schr. 2, 1150, Syntax 2,252 (Schwyzer 504 A. 6). — Zur sizilischen Wassergöttin Νῆστις (Emp. 6, 3), die nicht hierher gehört, s. Mayer Mél. Bq 2, 135 f. m. weiterer Lit. II-318
νήτη f. ‘die unterste (Saite)’ s. νειός. II-318
νήφω, dor. νάφω, in der älteren Sprache nur Präsens, meist im Ptz. (ion. att. seit Thgn. u. Archil.), Aor. νῆψαι (J., 1. Ep. Pet. 4, 7 u.a.) ‘nüchtern sein’, oft übertr. auch m. Präfix, z.B. ἀνα-, ἐκ-, Davon 1. νήφων, -ονος in νήφονες· νήφοντες H., Dat. pl. νήφοσι (Thgn.); 2. νηφάλιος ‘ohne Wein’, von Trankopfern u. dgl. (seit A.), später auch von Personen ‘nüchtern’ (Ph., J. u.a.) mit νηφαλιεύω ‘ein Trankopfer ohne Wein darbringen’ (Poll.), νηφαλίζω in νηφαλισμένον· ὕδατι, οὐκ οἴνῳ ἡγνισμένον H.; daneben νηφαλιεύς Bein. des Apollon (AP 9, 525, 14: -έα, metr. Erweiterung am Versende, vgl. Bosshardt 70); auch νηφαλέος (Hdn. Gr., Ph. u.a.; nach αὐαλέος usw., Debrunner IF 23, 17 f.) und νηφαντικός ‘ernüchternd’ (Pl. Phlb. 61, Porph.) wie von *νηφαίνω; vgl. z.B. σημαλέος : σημαντικός; zum wohlbekannten Suffixwechsel λ : ν im allg. s. z.B. Schwyzer 483, Benveniste Origines 45 f. — Verbalnomen νῆψις f. ‘Nüchternheit’ (Plb., Str. usw.). — An νήφω, νάφω erinnert stark arm. nawt‘i ‘nüchtern’ (Peder- sen KZ 39, 349), aber die lautlichen und morphologischen Einzelheiten sind dunkel. Arm. nawt‘i ist wohl i- (i̯o-)Ableitung eines unbelegten Nomens *nawt‘, das formal zu canawt‘ ‘bekannt’ (zum Aor. can-eay, Präs. čanač̣em ‘erkennen’, s. γιγνώσκω) stimmt und wie dies ein Dentalsuffix enthalten muß; Grundform somit *nābh-t-? — Angesichts des starken Übergewichts der nominalen Formen (einschließlich des Ptz. νήφων) wie auch der Bed. könnte man geneigt sein, das verhältnismäßig seltene Präsens νήφω (wozu sekundär νῆψαι) als ein altes Denominativurn zu betrachten und von einem Nomen *νᾱφ(ο-) o.a. auszugehen (vgl. zum Typus Schwyzer 722f.). wozu der l/n-Stamm νηφ-άλ-ιος, νήφ-ον-. — Ahd. nuoh-turn ‘nüchtern’, früher als Zeuge eines idg. *nāgʷh- angeführt, bleibt als LW (lat. nocturnus) fern, s. WP. 2, 317 m. weiterer Lit. II-318-319
νήχυτος ‘reichlich strömend, überfließend’, ὕδωρ, ἅλμη, ἱδρώς u.a. (hell. Dichtung); zu ἐπινήχυτος ‘ds.’ (δῶρα, Orph. A. 39, 312) s. unten. — Kann von den übrigen zahlreichen Bildungen auf -χυτος (: χέω) wie ἀμφίχυ-τος, ἀ-διάχυ-τος, οἰνό-χυτος schwerlich getrennt werden; dabei ist das νη-, das (im Gegensatz zu νήριτος, νηκερδής, νηλεής usw.) intensiv sein muß, als eine künstliche Bildung zu verstehen (Schwyzer 431 A. 7; nicht zu νει-όθεν usw. mit Prellwitz n. Bq). Da sich aber das Komp. ἐπινήχυτος offenbar auf ἐπινήχομαι bezieht, sei die Frage gestattet, ob nicht νήχυτος auf analoge Weise mit νέχομαι verbunden worden ist, was unzweifelhaft zu der Bed. besser stimmen würde. II-319
νήχω, νήχομαι ‘schwimmen’ s. 1. νέω. II-319
νίζω, -ομαι (seit Il.), analog. νίπτω (Men., NT u.a.), -ομαι (v. l. σ 179, Hp.), Aor. νίψαι, -ασθαι (seit Il.), Pass. νιφθῆναι (Hp. u.a.). Fut. νίψω, -ομαι (seit Od.), Pass. νιφήσομαι (LXX), Perf. Med. νένιπται (Ω 419), νένιμμαι (Ar. u.a.), auch (in att. Prosa immer) ‘(sich) waschen, baden’. m. Präfix, bes. ἀπο- u. ἐκ-, Davon 1. νίπτρον (ἀπό-), meist pl., n. ‘Waschwasser’ (Trag., Ar.), ποδάνιπτρα pl. (-ον) durch Silbendiss. aus *ποδ-απόνιπτρον (abzulehnen Bechtel Lex. s.v.), sekund. ποδό-νιπτρον, ‘Wasser zum Fußwaschen’ (Od. u.a.); danach ποδανιπτήρ m. (sek. ποδο-) ‘Waschbecken für die Füße’ (Stesich., Hdt., Inschr. u.a.), νιπτήρ m. ‘Waschbecken’ (Ev. Jo. u.a.); 2. κατανίπ-της m. ‘Wäscher’. der den Peplos d. Athene Polias wusch (AB, EM; 3. (ἀπό-, κατά-)νίμμα n. ‘Waschwasser’; 4. (ἀπό-, ἔκ-)νίψις f. ‘das Waschen’ (Plu., Mediz. u.a.). Zu den Formen im allg. Wackernagel Syntax 2, 187. — Zu χέρνιψ s. bes. — Aus νίψαι, νίψω (wonach sekund. νίπτω) ergibt sich für νίζω als Grundform ein schwundstufiges Jotpräsens idg. *nigʷ-i̯ō, das auch im Kelt., air. nigim ‘wasche’ erhalten ist. Diesem gegenüber steht im. Aind. eine hochstufige athematische Reduplikationsbildung né-nek-ti ‘wäscht’ mit schwundstufigem Medium ne-nik-té. Der sigmatische Aorist ist auch im Aind. durch das Medium nik-ṣ-i (1. sg.) vertreten, woneben mit regelmäßiger Dehnstufe das Akt. a-naik-ṣam. Das Griechische hat dagegen den Ablaut gänzlich aufgegeben und die Schwundstufe verallgemeinert (νίψω, νίμμα usw.). Formale Übereinstimmung zeigen auch das privative Verbaladj. ἄ-νιπ-τος und aind. nik-tá- ‘gewaschen’, air. necht ‘rein’. Ein isoliertes Verbalnomen scheint im Germ. erhalten zu sein, z.B. ahd. nihhus, nichus ‘Flußuntier, Wassergeist’, f. nihhussa, nhd. Nix, Nixe, urg. *nik-u̯es-, *nik-us-; lat. pollingō ‘die Leichen abwaschen’ bleibt wohl fern, s. W.-Hofmann s.v. — Weitere Einzelheiten m. Lit. bei WP. 2, 322, Pok. 761. Mayrhofer s. nénekti und niktáḥ. II-319-320
νίκη, dor. νίκα f. ‘Sieg, Oberhand’, in der Schlacht, im Wettkampf, vor Gericht usw. (seit Il.), personif. Νίκη ‘die Siegesgöttin’ (seit Hes.). — Eine Neubildung für νίκη ist νῖκος n. (hell.), nach κάτος (Fraenkel Glotta 4, 39ff., Wackernagel Unt. 81 f.). —Unklar νικάριον n. N. einer Augensalbe (Alex. Trall.); kleinasiatisch?, vgl. Neumann Heth. u. luw. Sprachgut 100. Eine überzeugende Etymologie fehlt. Nach Brugmann RhM 43, 403 u. Osthoff MU 4, 223 f. zu aind. nīca- ‘nieder- wärts gerichtet’, aksl. nicь ‘vorwärts geneigt, aufs Gesicht’, lett. nīcām ‘stromabwärts’ usw.; dabei wäre νικάω eig. "niedermachen" (von *νικος ‘nach unten gerichtet’), wozu als Rückbildung νίκη eig. "die Niedermachung". Ablehnend J. Schmidt Pluralbild. 395 A. 1 (S. 396), der νίκη eher an lit. ap-nìkti ‘anfallen’ u. Verw. anschließen will; νίκη wäre also mit νεῖκος (s.d. n.ι. weiteren Formen u. Lit.) verwandt (idg. nēik-, nī̆k-?). Für vorgr. Herkunft Sittig La nouvelle Clio(Brüssel) 3 (1951), 33. Kompp., z.B. νικη-φόρος (dor. -ᾱ-) ‘den Sieg davontragend’ (Pi., A. usw.), νικό-βουλος ‘der im Rat siegt’ (Ar. Eq. 615; verdeckter PN, auf νικάω bezogen), φιλό-νικος ‘den Sieg liebend, wetteifernd, streitsüchtig’ mit -ία, -έω (Pi., Demokr., att.), oft mit -ει- geschrieben und mit νεῖκος assoziiert; ’Ολυμπιο-νίκης, dor. -ας m. ‘Olympiensieger’ (Pi., ion. att.; zur Stammbildung Schwyzer 451); zahllose EN, z.B. Νικό-δημος, ‘Ιππό-νικος. Ableitungen: 1. Von Νίκη : νικάς, -άδος f., νικ-άδιον, -ίδιον ‘(kleine) Nike-Statue’ (Inschr.); 2. Adj. νικαῖος ‘zum Sieg gehörig’ (Kall., J. usw.), νικάεις ‘siegreich’ (AP); zu νικη-τήριος, -τικός unten. — Daneben, wohl als Denominativum, νικάω, ion. νικέω, äol. νίκημι, Aor. νικῆσαι, Pass. νικ-ηθῆναι, Fut. -ήσω (alles seit Il.), Perf. νενίκηκα (att.), vereinzelt mit wechselnden Präfixen, z.B. ἐκ-, κατα-, προ-, ‘siegen, ersiegen, besiegen’; zum ep. Gebrauch von νίκη, νικάω Trümpy Fachausdrücke 192 ff. Von νικάω: 1. νικάτωρ, -ορος m. ‘Sieger’, Bein. der Könige Seleukos und Demetrios von Syrien (hell. Inschr.) mit νικατόρειον ‘Grabmal des Νικάτωρ’ (App.), auch PN mit dem Patron. Νικατορίδας (Rhodos; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 163 A. 1), νικήτωρ ‘ds.’ (D. C.). — 2. νικατήρ, -ῆρος m. ‘Sieger’ (Dreros III—IIa), νικητής m. ‘ds.’ (III—IVp). — 3. νίκημα (dor. -ᾱ-) n. ‘Siegespreis, Sieg’ (hell., Kreta). — 4. νίκαθρον n. ‘Siegesopfer’ (Sparta), νίκαστρον n. ‘Siegespreis’ (Phot., H.); zur Bildung Chantraine Form. 373 und 333 f. —5. νικητήριος, n. -ον ‘zum. Sieg gehörig, Siegespreis’ (att.) und νικητικός ‘zum Sieg dienlich’ (X., hell.), beide auch auf νίκη beziehbar. II-320-321
νίκλον (-εῖ-) · τὸ λίκνον H. S. λικμάω, λίκνον. II-321
νιν = αὐτόν, αὐτήν s. μιν. II-321
νίννη f. ‘Groß-. Schwiegermutter?’ s. νέννος, νίσομαι ‘fahren, gehen, kommen’ s. νέομαι. II-321
νίτρον (Sapph., ion., Arist., hell.), mit Dissim. ν : τ > λ : τ (Schwyzer 259) λίτρον (att., Hp.; Solmsen Wortforsch. 235) n. ‘Laugensalz, Soda, Natron’. Einige Kompp., z.B. ὀξύ-νιτρον ‘Mischung von Essig und Natron’ (Paul. Aeg.), λιτρο-πώλης ‘Natronhändler’ (Inschr. IVa). Ableitungen: 1. νιτρώδης (λ-) ‘natronähnlich, -haltig’ (Pl., Arist. usw.) mit -ωδία (Mediz.); 2. νίτρινος ‘aus N.’ (Delos IIa); 3. νιτρία f. ‘Natrongrube’ (Pap. IIIa, Str.; Scheller Oxytonierung 46) mit νιτριώτης νομός N. eines ägypt. Bezirks (Str.; auch auf νίτρον beziehbar); 4. νιτρική f. u. -κά n. pl. ‘Natronsteuer’ (hell. Pap. u. Ostr.); 5. νιτρῖτις f. (λίμνη) ‘Natron hervorbringend’ (Str.; Redard 109); 6. νιτρόομαι ‘mit N. gereinigt werden’ (Sor.) mit νίτρωμα n. ‘Sodalauge’ (PHolm., H.); auch 7. νίτρασμα n. ‘Seife’ (Sor.) wie von *νιτράζω. — Orient. LW; mit hebr. neter, arab. naṭrūn (> frz. natron usw.), wohl auch heth. nitri- n., aus ägypt. nt_r(j) ‘Natron’. Lewy Fremdw. 53, Laroche BSL 51 p. XXXII f., Neumann Heth. u. luw. Sprachgut 19, W.-Hofmann s. nitrum (gr. LW) m. weiteren Hinweisen. II-321
νόθος ‘von einem bekannten Vater außer der Ehe erzeugt, unehelich, Bastard, unecht’ (seit Il.); Gegensatz γνήσιος (s. Scheller Sprachgesch. u. Wortbed. 399 ff.). Kompp. u.a. νοθᾱ-γενής ‘außer der Ehe geboren’ (E.) mit anal. ᾱ (dor.) für ο (Schwyzer 438). Davon νοθεῖος ‘einem ν. gehörig’ (Lys., Ar.) und das Denominativum νοθεύω, auch m. ὑπο-, ‘verführen, schänden, verfälschen, verderben’ (LXX, J., Plu., Luk. usw.) mit νοθεία f. ‘außereheliche Geburt’ (Plu. u.a.), (ὑπο-)νοθευτής m. ‘Verführer’ (Ptol.), (ὑπο-)νόθευσις f. ‘Verführung, Verfälschung’ (Inschr. Mylasa u.a.). — Unerklärt. Eine wertlose Vermutung (von Bezzenberger) wird bei Bq und WP. 1, 182 abgelehnt. Nach v. Windekens Ling. Posn. 9, 36 f. pelasgisch. II-321-322
νομή, νομός, νόμος s. νέμω. II-322
νόος (ep. ion.), kontr. νοῦς (att., auch κ 240 u.a.), νῶ, νῶν? (äol. Gen. u. Akk.?) m. ‘Geist, Sinn, Verstand, Vernunft, Gesinnung, Absicht’ (seit Il.). Sehr oft als Hinterglied, z.B. εὔ-νοος, -νους ‘wohlgesinnt’ mit εὐνο-έω, -ίη, -ιᾰ usw. (ion. att.); auch als Vorderglied, u.a. in den Zusamnenbildungen νου-θετ-έω ‘ans Herz legen, mahnen’ (nach νομοθετ-έω : νομο-θέ-της : νόμον θεῖναι u.a.) mit νουθέ-τησις, -τημα, -σία, -τεία u.a. (ion. att.); νουν-εχ-ής ‘verständig’, Adv. νουνεχ-ῶς, -όντως (: νοῦν ἔχει, ἔχων, Schwyzer 452). Ableitungen: Nomina: 1. νοερός ‘geistig, intellektuell’ (Heraklit., Arist. u.a.); 2. νοήρης ‘verständig, geschickt’ (Herod., H.); 3. νοότης, -ητος f. ‘Geistigkeit, Verstandeskraft’ (Prokl.); 4. νόαρ n. ‘Trugbild, Gespenst’ (Theognost.; archaisierende Neubildung). — Verba: A. νοέω, Aor. νοῆσαι (kontr. νῶσαι) usw., sehr oft mit Präfix (z.T. Hypostasen mit νοῦς) in verschiedenen Bedd., z.B. δια-, ἐν-, ἐπι-, προ-, μετα-, συν-, ‘sinnen, wahrnehmen, denken, ersinnen, beabsichtigen’ (seit Il.); davon 1. νόη-μα n. ‘Gedanke, Verstand, Entschluß’ (seit Il.) mit -μάτιον (Arr.), -ματικός (sp.). -μων ‘gedankenvoll, verständig’ (Od., Hdt. u.a.); 2. νόη-σις (νῶσις) f. ‘das Wahrnehmen, Begreifen, Denken’, auch διανόη-σις usw. (ion. att.); 3. προ-, δια-νοία, -νοιᾰ f. usw. ‘Vorsehung, Fürsorge’ bzw. ‘das Nachdenken, Denkkraft, Vorhaben’ (ion. att.); 4. νοη-τικός (προ- u.a.) ‘geistig’ (Pl. usw.); 5. προ-, δια-, ἐπι-, ὑπο-νοητής m. ‘Vorsteher’ usw. (sp.). — B. νοόομαι ‘in νόος verwandelt werden’ (Plot. u.a.). —Lit. zu νοῦς u. Verw. (Auswahl) : Schottländer Herm. 64, 228ff., Marg Charakter 44 ff. (Gebrauch bei Hom.), Kurt v. Fritz ClassPhil. 38, 79ff. (bei Hom.), 40, 223ff., 41, 12ff. (bei d. Vorsokratikern); auch McKenzie Class Quart. 17, 195 f. und Magmen REGr. 40, 117ff. (beide von Kretschmer Glotta 14, 229 bzw. von Wahrmann ebd. 19, 214 f. angezweifelt bzw. abgelehnt); Porzig Satzinhalte 185 ff. (νοῦς und νόημα im Epos). — Zweifellos ein altererbtes Verbalnomen (vgl. λόγος, φόρος u.a.m.), obwohl eine sichere Anknüpfung fehlt. Die alte, nicht unmögliche Verbindung mit germ., z.B. got. snutrs ‘weise, klug’ (L. Meyer KZ 5, 368) ist von Schwyzer Festschr. Kretschmer 247 ff. wieder aufgenommen und weiter ausgebaut worden unter Annahme einer Grundbed. ‘Spürsinn’ von angebl. snu- ‘schnuppern’, das auch in νυός, lat. nurus ‘Schwiegertochter’ und nūbō ‘heiraten’ (mit Anspielung auf den Schnüffelkuß, eine Sitte des Verwandtenkusses) vorliegen soll, eine Hypothese, die weit über das Beweisbare hinausgeht. —Anders, nicht vorzuziehen, Prellwitz s.v.: zu νεύω als "gedankenvoll nicken", wozu nach Brugmann IF 19, 213 f., 30, 371 ff. noch πινυτός ‘verständig’ (s.d.) und kret. νύναμαι = δύναμαι (s.d.). Abzulehnen ebenfalls Kieckers IF 23, 362ff. (zu νέω ‘schwimmen’), McKenzie (s. oben; = aind. náya- m. ‘Führung’ von náyati ‘führen’); s. noch W.-Hofmann s. sentiō. II-322-323
νόσος, ep. ion. νοῦσος (vgl. unten) f. ‘Krankheit’, übertr. ‘Übel, Not’ (seit Il.). Kompp., z.B. νοσο-ποιέω ‘Krankheit verursachen’ (Hp. u.a.), ἐπί-νοσος ‘einer Krankheit anheimgefallen, ungesund’ (Hp., Arist. usw.; Strömberg Prefix Studies 85). Ableitungen: A. Adj.: 1. νοσερός ‘krankhaft, ungesund’ (Hp., E.. Arist. u.a.); 2. νοσηρός ‘ds.’ (Hp., X. u.a.; ὑγιηρός Pi., ion.) mit νοσήριον (H. s. κηρέσιον; für νοσητήριον od. νοσηρόν?); 3. νοσηλός ‘krank, kränklich’ (Hp.; eher von νοσέω, vgl. Chantraine Form. 241) mit νοσήλια n. pl. ‘Krankenspeise’ (Opp.), νοσηλεύω, -ομαι ‘einen Kranken pflegen, krank sein’ (Isok., J. u.a.), νοσηλεία f. ‘Krankenpflege, krankhafter Zustand’ (S., J., Plu. u.a.); 4. νοσακερός ‘ds.’ (Arist.; nach Poll. 3, 105 ἐσχάτως κωμικόν; zur ακ-Erweiterung Frisk Nom. 62ff.); 5. νοσώδης ‘krankhaft, ungesund’ (Hp., att.); 6. Νόσιος Bein. des Ζεύς (Miletos VI—Va). — B. Verba: 1. νοσέω ‘kranken, krank sein’ (att., auch ion.) mit νόσημα n. ‘Krankheit’ (ion. att.), wovon νοσημά-τιον Demin. (Ar.), -τικός, *τώδης ‘kränklich’ (Arist. u.a.); 2. νοσεύομαι ‘kränklich sein’ mit νόσευμα ‘Krankheit’ (Hp.); 3. νοσάζομαι, -ω ‘krank sein, machen’, νοσίζω ‘krank machen’ (Arist., Gal.). — C. Substantiva: 1. νόσανσις f. ‘das Erkranken’ (Arist.: ὑγίανσις; *νοσαίνω); 2. unklar νοσίμη (leg. -ήμη?) = νόσημα (Theognost.). — Aus νόσος : νοῦσος ergibt sich als ältere Form zunächst *νόσϝος (Schulze Q. 115 mit Aufrecht KZ 1, 120). Neben dem auch im Ionischen herrschenden jüngeren νοσέω läßt sich aber ep. νοῦσος auch als eine falsche Umschreibung von ΝΟΣΟΣ für *νόσσος verstehen; dann muß die ep. Form. von Hdt. und Hp. übernommen sein. Schwyzer 227 u. 308 m. Lit., dazu Wackernagel Unt. 86; s. auch Chantraine Gramm. hom. 1, 162 und Lejeune Traité de phon. 117.— Mehrere Deutungsvorschläge, die schon wegen der unsicheren Grundform hochstens hypothetischen Wert haben, so Brugmann Sächs. Ges. Ber. 1897, 29ff. und IF 28, 363ff., Solmsen BphW 1906, 754f. (alle bei Bq referiert; s. auch WP. 2, 333). Ältere Lit. bei Bq und Prellwitz. II-323-324
νόσφι(ν) Adv. u. Präp. ‘abseits, fern (von), ohne, außer’ (ep. lyr. seit Il.; zum Gebrauch Schwyzer-Debrunner 540). Davon νοσφίδιος ‘abseits gelegen, heimlich’ (Hes. Fr. 187; Chantraine Form. 39, Schwyzer 467), νοσφιδόν Adv. ‘insgeheim’ (Eust.); νοσφίζομαι (seit Β 81 = Ω 222), νοσφίσ(σ)ασθαι, νοσφισθῆναι (seit Od.), Fut. νοσφίσ(σ)ομαι (A. R. u.a.), auch Akt. νοσφίζω usw. (h. Cer., Pi. u.a.), vereinzelt m. Präfix, bes. ἀπο-, ‘sich abwenden, sich entfernen, für sich entwenden’, Akt. ‘abwenden, entfernen’; νόσφισμα n. ‘Entwendung’ (Pap.). — Ohne überzeugende Etymologie. Nach Curtius (mit Pauli) zu νῶτον ‘Rücken’ (s.d.); zustimmend Schulze KZ 29, 263 A. 1 (= Kl. Schr. 375 A. 2) und Schwyzer 362, der urspr. *νοτ-σ-φι ansetzt. Persson IF 2, 204 vergleicht lit. nuõ ‘von — weg’, lett. nùo ‘von — aus’, die aber wohl anders einzureihen sind, s. Fraenkel s.v., auch WP. 1, 59 und Pok. 40. II-324
Νότος m. ‘Süd(west)wind’, der Nebel und Nässe bringt (seit Il.), ‘der Süden, Südwesten’ (ion. att.); zur Bed. Nielsen Class. et Med. 7, 5ff. Einige Kompp., z.B. Εὐρό-νοτος m. ‘Wind zwischen Εὖρος u. Νότος’ (Arist. u.a.). Ableitungen: A. Subst.: 1. νοτία, -ίη f. ‘Nässe, Feuchtigkeit’ (Θ 307, Arist., Thphr. usw.); es könnte auch Abstraktbildung auf -ία von νότιος sein, s. Scheller Oxytonierung 54 f.); davon νοτιώδης (Gal. u.a.) = νοτώδης (s.u.) und νοτιάω ‘naß sein, triefen’, wenn nicht vielmehr νοτ-ιάω (s.u.). — 2. νοτίς, -ίδος f. ‘Feuchtigkeit’ (E., Pl., Arist. u.a.). — B. Adj. : 1. νότιος ‘regnerisch, feucht’ (ep. poet., auch Hp. u.a.), ‘südlich’ (ion. att.); zur Erhaltung des -τι-Schwyzer 270; 2. νοτερός ‘ds.’ (ion. att.); 3. νότινος ‘ds.’ (Pap.); 4. νοτώδης ‘ds.’ (Hp.); 5. νοτ-ιαῖος ‘süd(west)lich’ (Herm. ap. Stob. u.a.). — C. Verba: 1. νοτίζομαι, -ίζω ‘naß werden, sein, nässen, netzen’, auch m. Präfix, z.B. κατα-, ὑπο-, (ion. att.); davon νοτισμός ‘Benetzung, Feuchtigkeit’ (Sor. u.a.). — 2. νοτέω (hell.), νοτ-ιάω (Arist.; Schwyzer 732; vgl. oben) ‘naß sein, triefen’. — An νότος, wohl ursprünglich Verbalnomen, *’das Träufeln, Regnen’ o.ä., erinnern formal und begrifflich νέω und νήχω ‘schwimmen’ (s. dd.); eine t-Bildung erscheint auch in lat. nătō ‘schwimmen’ ebenso wie in arm. nay ‘naß, flüssig’ (urarm. *nato-), die aber beide im Vokal abweichen und wohl auf idg. snə-t (gegen snā- in nā-re, νή-χω) zurückzuführen sind. Demgegenüber wäre, wenn die Zusammenstellung überhaupt das Richtige trifft, νότος aus *sn-ot-os zu erklären. — Brugmann IF 20, 222 m. Lit.; WP. 2, 692f., Pok. 972. II-324-325
νουθετέω ‘ans Herz legen, mahnen’ s. νόος. II-325
νοῦθος nur als Beiwort von δοῦπος (Hes. Fr. 48), etwa ‘dumpf’. — Nach Solmsen Glotta 2, 75 f. neben νυθόν· ἄφωνον, σκοτεινόν, νυθῶδες· σκοτεινῶδες H. zum idg. Wort für ‘Wolke, Gewölk’ in aw. snaoδa-, lat. nūbēs usw. (s. W.-Hofmann s.v. m. weiteren Formen); vgl. zu νυστάζω. II-325
νῦ n. indekl. Buchstabenname (Achae. Trag., Pl., Inschr. u. Pap.). — Aus dem Semit., vgl. hebr. nūn; dazu Schwyzer 140. II-325
νυ, νῠν νῦν Adv. ‘jetzt’ (seit Il.), m. deikt. -ῑ, νῡν-ί̄ (att.; wie ὁδ-ί̄ usw.); ausführlich über Verbreitung und Gebrauch Ruijgh L’élém. ach. 57 ff. (dazu Risch Gnomon 30, 92). enkl. Part., selten Adv. ‘nun’, — Altererbtes Adv., in mehreren Sprachen erhalten. z.B. aind. nú, nū́, nūn-ám, lat. nu-diūs tertius ‘(es ist) nun der dritte Tag’, num, nun-c, germ., z. B. ahd. nū̆, spätmhd. nū̆n, lit. nũ, nù, nūn-aĩ, heth. nu (kopul. Part.), ki-nun ‘jetzt’ u.a.m., s. WP. 2, 340, Pok. 770, W.-Hofmann s. nunc, Mayrhofer s. nūnám, Fraenkel s. nũ mit weiteren Formen u. Lit. —Gr. νῦ-ν kann sowohl altes -m (lat. nu-m) wie -n (aind. nūn-ám) sein. Die Vokallänge will Specht KZ 59, 280ff. als idg. Dehnung wegen der Einsilbigkeit erklären; ablehnend Kretschmer Glotta 22, 240 f. II-325
νυκτάλωψ, -ωπος m. f. eig. ‘nachtsehend’ = ‘tagblind’, als Subst. m. ‘Nachtsehen’ = ‘Tagblindheit’, sekund. ‘nachtblind, Nachtblindheit’ (Hp., Arist., Gal. u.a.); zur Erklärung vgl. Gal. 14, 776: νυκτάλωπας δὲ λέγουσιν, ὅταν ἡμέρας μὲν βλέπωσιν ἀμαυρότερον, δυομένου δὲ ἡλίου λαμπρότερον, νυκτὸς δὲ ἔτι μᾶλλον· ἢ ὑπεναντίως, ἡμέρας μὲν ὀλίγα, ἑσπέρας δὲ ἢ νυκτὸς οὐδ’ ὅλως; Gegensatz ἡμεράλωψ (Gal. 14, 768 e Dem. Ophth.). Davon νυκταλωπ-ικά n. pl. ‘Anfälle von ν.’ (Hp.), -ιάω ‘an ν. leiden’ (Gal.) mit -ίασις (Orib.). Bildung zu νύξ auf -ωψ mit analogischer λ-Erweiterung wie in αἱμ-άλωψ (: αἷμα, αἱμαλέος), θυμ-άλωψ (vgl. θυμ-ιάω, θυ-μός); vgl. noch αἰγίλωψ, ἀγχίλωψ und Schwyzer 426 A. 4. — Nicht mit Bechtel KZ 45, 229 f. (zustimmend Prellwitz Glotta 16, 154 und Schwyzer 259) aus *νυκτ-άνωψ = ‘in der Nacht nichtsehend’ dissimiliert. Vgl. Strömberg Pflanzennamen 74. II-325
νύμφη (vorw. ep. poet. seit Il.), dor. -ᾱ (-ᾰ AP 14, 43; Solmsen Wortforsch. 266) f. ‘Braut, Jungfrau, junge Frau’, auch Ben. einer Göttin niederen Ranges, ‘Nymphe’ (Nilsson Gr. Rel. I 244ff.), auch übertr., z.B. ‘Insektenpuppe’ (Arist.; Gil Fernández Nombres de insectos 208 ff.). Kompp., z. B. νυμφό-ληπτος ‘von den Nymphen ergriffen, verzückt, verrückt’ (Pl., Arist. u.a.), μελλό-νυμφος ‘im Begriff Braut zu sein’, auch ‘verlobt’ im allg. (S., Lyk., D. C. u.a.). Mehrere Ableitungen: A. Nomina. 1. νύμφιος ‘bräutlich’ (Pi. u.a.), mit Akzentwechsel νυμφίος m. ‘der Verlobte, Bräutigam’ (vorw. ep. poet. seit II.; zu νύμφη, νυμφίος Chantraine REGr. 59—60, 228 ff.); 2. νυμφ-ίδιος ‘bräutlich, ehelich’ (E., Ar. u.a.; nach κουρίδιος, s. zu κόρη); 3. -ικός ‘ds.’ (Trag., Pl. Lg. u.a.); 4. -εῖος, ep. -ήϊος ‘bräutlich, zur Braut gehörig’ (Simon, Pi., S., Kall. usw.; wie κουρήϊος, γυναικεῖος, -ήϊος usw.; Chantraine Forrn. 52); 5. -αῖος ‘zu den Nymphen gehörig, den N. heilig’ (E., Inschr. u.a.), -αία f. Ben. einer Wasserlilie (Thphr. u.a.); 6. f. νυμφάς, -άδος ‘zu den N. gehörig’ (πύλαι; Paus.); 7. νυμφίδες· ὑποδήματα γυναικεῖα νυμφικά H.; 8. νυμφών, -ῶνος m. ‘Braut- gemach’ (LXX, Ev. Matth. u.a.); 9. νυμφάσματα n. pl. ‘Schmucksachen der Braut’ (Orac.; wohl nach ὑφάσματα frei gebildet; kaum mit Thomas [s. Kretschmer Glotta 6, 307] haplologisch aus *νυμφ-υφάσματα); 10. Νυμφασία f. arkad. Quelle, s. Krahe Beitr. z. Namenforsch. 2, 237 u. 3, 162 (vgl. unten gegen Kretschmer). — B. Verba. 1. νυμφεύω ‘zur Ehe geben, heiraten’, Pass. ‘verheiratet werden’ (Pi., S., E. u.a.) mit νυμφεύματα n. pl. ‘Ehe’ (S., E.), sg. personifiziert ‘Braut’ (S.; Chantraine Form. 186), νύμφευσις f. ‘Eheschließung, Hochzeit’ (LXX); νυμφευ-τής m. ‘Bräutigam’ (E. in lyr.) ‘Brautwerber’ (Pl.), ‘Brautführer’ (Poll.), -τήρ ‘Bräutigam, Ehemann’ (Opp.; Fraenkel Nom. ag. 1, 135), f. -τρια ‘Brautjungfer’ (Ar., Plu.), ‘Ehestifterin’ (Lib.), -τήριος ‘bräutlich’, τὰ ν. ‘Ehe’ (E.). — 2. νυμφ-ιάω ‘ausgelassen, toll sein’, von einer Stute (Arist.; nach den Krankheitsverba auf -ιάω, Schwyzer 732). — Nicht sicher erklärt. Nach Kretschmer Glotta 1, 325 ff. (wo weitere Lit.) als ‘Geliebte, Liebhaberin’ zu lat. nūbō ‘heiraten’ (eig. von der Frau), aksl. snubiti ‘lieben, freien’, idg. sneubh-Auch Meringer WuS 5, 167 ff. zieht νύμφη zu nūbō u. Verw., aber als ‘Verhüllung’, indem er mit Wiedemann, Wackernagel u. a. nūbō als ‘sich verhüllen’ (vgl. ob-nūbō) auffaßt; ablehnend Kretschmer Glotta 7, 354. Der innere Nasal in νύμφη ist nicht erklärt; verfehlte Versuche mit mechanischer Wurzelzerlegung bei Specht Ursprung 268 u. 282. Glottogonische Spekulationen ohne Interesse werden auch von W.-Hofmann s. nūbō referiert. Für protidg.-pelasg. Herkunft vom Quellennamen Νυμφασία Kretschmer Glotta 28, 273 (dagegen Krahe, s.o.). II-325-326
νύναμαι, νυνατός — kret. für δύναμαι, δυνατός; s.d. u. νόος. II-327
νύννιον · ἐπὶ τοῖς παιδίοις καταβαυκαλούμενόν φασι λέγεσθαι· ὁμοίως καὶ τὸ νύννιος H. — Onomatopoetisches Lallwort, vgl. ngr. νανναρίζω, ναννουρίζω ‘ich lulle in Schlaf’ und Oehl IF 57, 19. II-327
νύξ, νυκτός f. (seit Il.). ‘nächtliche Schlacht’ (Hdt., Th. u.a., Abstraktbildung wie von *νυκτο-μάχος; νυκτο-μαχέω Plu.), νυκτί-πλαγκτος ‘nachts umherirrend’ (A.; mit lokativ. Vorderglied, z.T. wohl auch analogisch; vgl. unten); Oft als Vorderglied, z.B. νυκτο-μαχ-ία, -ίη f.als Hinterglied z.B. in ἀωρό-νυκτ-ος ‘in unzeitig nächtlicher Stunde’ (A. Ch. 34 [lyr.]), μεσο-νύκτ-ιος ‘mitternächtig’ (Pi., Hp. usw.; von μέσαι νύκτες); daneben -νυχ-, z.B. ἔν-νυχ-ος, ἐν-νύχ-ιος ‘nächtlich, in der Nacht’ (ep. poet. seit Il.), νύχιος ‘nächtlich’ (poet. seit Hes., auch sp. Prosa), νυχεύω ‘die Nacht durchwachen’ (E., Nik.) u.a.; vgl. unten. Zahlreiche Ableitungen, meist mit ρ-Suffix (zur Erklärung unten): 1. νύκτωρ Adv. ‘nachts’ (seit Hes. u. Archil.); 2. νύκτερος ‘nächtlich’ (Trag., sp. Prosa) mit νυκτερίς, -ίδος f. ‘Fledermaus’ (seit Od., vgl. Lommel Femininbild. 53), auch als Fisch- und Pflanzenname (Opp., bzw. Aët.; Strömberg Fischn. 111, s. auch Pflanzenn. 74 zu ἑσπερίς u.a.), νυκτερῖτις, -ιδος f. ’ἀναγαλλὶς ἡ κυανῆ’ (Ps.-Dsk.; Redard 74f.), νυκτερεύω ‘die Nacht wachend zubringen’, auch mit δια-, ἐν- usw. (X. usw.), wovon νυκτερ-εία f. ‘nächtliche Jagd’ (Pl.), -ευμα n. ‘Nachtquartier’ (Plb.), -ευτής m. ‘nächtlicher Jäger’ (Pl.), -ευτικός ‘zum nächtlichen Jagen brauchbar’ (X.); 3. νυκτέ- ριος ‘nächtlich’ (Aret., Luk. u.a.), τὰ νυκτέρεια = ἡ νυκτερεία (Eun.); 4. νυκτερινός ‘ds.’ (ion. att.) mit νυκτερινία od. -εία f. ‘Leitung der Nachtwache’ (Ephesos Ip; geschr. -ηα); 5. νυκτερήσιος ‘ds.’ (Luk., S. E.; für -ίσιος?, s. Fraenkel 2, 151, A. 1 u. unten). — Außerdem die vereinzelt vorkommenden νύκτιος ‘nächtlich’ (AP), νυκτῷον n. ‘Tempel der Nacht’ (Luk.), nach μητρῷον u. a., Νυκτεύς m. PN (Apollod., wohl Kurzname; Bosshardt 125 f.). — Für sich steht mit λ-Sufflx νυκτάλωψ, s. bes. Dagegen νυκτέλιος Beiw. des Dionysos (AP, Plu., Paus.) haplologisch für *νυκτι-τέλιος als Hypostase von νύξ und τέλος (τελέω), vgl. νυκτελεῖν· ἐν νυκτὶ τελεῖν H. und Schwyzer 483. — Altes Erbwort für ‘Nacht’, in den meisten idg. Sprachen erhalten: lat. nox, Gen. pl. nocti-um, germ., z.B. got. nahts, aind. nák, Akk. nákt-am (als Adv.), lit. naktìs, Gen. pl. nakt-ų̄, slav., z.B. aksl. noštь usw., alle auf idg. *noqt- zurückführbar; der i-Stamm in lat. nocti-um, lit. nakt-ìs, aksl. nošt-ь usw. beruht auf einzelsprachlichen Neuerungen. Das abweichende υ in νύξ ist oft als Reduktionsstufe erklärt worden, so u.a. von Brugmann (z.B. Grundr.2 II: 1,435), der darin den Reflex eines folgenden Labiovelars sehen will; Grundform somit *noqʷt-, was durch heth. nekuz (Gen. sg.) aus idg. *neqʷt-s bestätigt zu werden scheint. Anders W. Petersen AmJPh. 56, 56f. (υ nach *λύξ in ἀμφι-λύκ-η usw.); Sapir Lang. 14, 274 (υ Spur eines Laryngals); noch anders H. Petersson LUÅ, NF 11 : 5, 12 f. (abgelehnt ders. Heteroklisie 122 f.). — Die vorgr. Existens des r-Stamms in νύκτωρ (Bildung wie ὕδωρ usw.?; Schwyzer 519 u. A. 4, wo Lit.) usw. wird durch lat. nocturnus verbürgt; der weitere Ausbau der Adjektiva geht z.T. den Ableitungen von ἦμαρ, ἡμέρα parallel : νυκτερινός : ἡμερινός, νυκτέριος : ἡμέριος, νυκτερήσιος : ἡμερήσιος (s.d. m. Lit.); auch νυκτερεύω : ἡμερεύω. Anders, kaum zutreffend über νύκτερος Szemerényi Glotta 38, 120: Neubildung nach ἕσπερος. Ein mit dem r- Stamm alternierender i-Stamm wird von Benveniste Origines 81 mit zweifelhaftem Recht im Vorderglied νυκτι—vermutet; vgl. oben. — Die in νύχα· νύκτωρ H., ἔν-νυχ-ος, -ιος, εἰνά-νυχ-ες, ‘neun Nächte hindurch’, νύχιος usw. vorliegende aspirierte und τ-lose Form ist nur für das Griechische bezeugt; eine überzeugende Erklärung steht noch aus; s. die Lit. bei W.-Hofmann s. nox (mit vielen Einzelheiten) und WP. 2, 338; auch Specht Ursprung 220 und Austin Lang. 18, 24 (dazu Belardi Doxa 3, 215). Zu -νυχ- als Hinterglied noch Sommer Nominalkomp. 64 f. II-327-328
νυός f. ‘Schwiegertochter’ (Hom.), sekund. ‘Braut’ (Theok.). Keine Kompp. od. Ableitungen. — Alte Verwandtschaftsbenennung, mit arm. nu, Gen. nu-oy ‘ds.’ identisch, idg. *snusó-s f.; zum fem. o-Stamm Schwyzer 457 und Schwyzer-Debrunner 32. Daneben mit Übergang in die u-Stämme lat. nurus (nach socrus), in die ā-Stämme (nach anderen Fem. auf -ā) aind. snuṣā́, germ., z.B. ahd. snur, nhd. Schnur, slav., z.B. s. ksl. snъcha; unsicher alb. nuse ‘Braut’. — Weitere Beziehung zur Sippe von νευρά, νεῦρον als "Verbindung" (vgl. zu πενθερός) scheint möglich (Brugmann IF 21, 315 ff. m. Wiedemann); dagegen Kretschmer Glotta 1, 376, der mit anderen eher geneigt ist, trotz den lautlichen und morphologischen Schwierigkeiten νυός an das Wort für ‘Sohn’ (s. zu υἱός) anzuknüpfen. Neue Hypothese bei Specht Ursprung 90 f. WP. 2, 701f., Pok. 978, W.-Hofmann s. nurus, Vasmer s. snochá, überall m. Lit. II-328
νύσσα f. ‘Wendemarke in der Rennbahn, Ausgangspunkt und Ziel des Wettlaufs’ (ep. poet. seit Il.). — Nicht sicher erklärt. Seit alters (Curtius 546 u.a.) zu νύσσω gezogen (*νύκ-ι̯α "die Anstoßerin"; zur Bildung Schwyzer 474), was trotz dem starken Zweifel bei Bq immerhin beachtenswert scheint. Andere, mehr oder weniger unwahrscheinliche od. unhaltbare Vorschläge von Schulze KZ 29, 262 f. (= Kl. Schr. 375), Bloomfield AmJPh. 12, 31 A. 1 (zu aind. sanu-tár ‘abseits von’ bzw. sā́nu ‘Rücken’); Carnoy Ant. class. 24, 20 ("pelasgisch", aber immerhin zu νύσσω, νεύω). Semitische Etym. von Lewy KZ 55, 24 ff. (abzulehnen); nach Jüthner Die Antike 15, 251 vorgr.-ägäisch. II-328-329
νύσσω att. νύττω, Aor. νύξαι (seit Il.), Fut. νύξω, hell. u. sp. νυγῆναι, νυχθῆναι, νένυγμαι, ‘stoßen, stechen, durchstoßen’ (zum ep. Gebrauch Trümpy Fachausdrücke 96f., 100ff.). auch mit Präfix, z.B. κατα-, ὑπο-, Davon 1. νύξις f. ‘Stoß, Stich’ (Dsk., Plu. u.a.), κατάνυξ-ις ‘Betäubung, Bestürzung’ (: κατα-νύσσομαι ‘einen Stich ins Herz bekommen, bestürzt werden’; LXX, NT u.a.); 2. νύγμα (auch -χμα) n. ‘Stich, Reiz’ (Nik., Epikur.. Gal. u.a.) mit νυγμα-τικός ‘zu Stichen geeignet’ (Mediz.), -τώδης ‘stichähnlich’ (Arist., Mediz.); 3. νυγ-μός m. (D. S., Plu. u.a.), -μή f. (Plu. u.a.) ‘ds.’; 4. νύγ-δην ‘stichweise’ (A.D.). — Außerdern νυκχάσας = νύξας H. (expressive Erweiterung mit Geminata und Aspiration; vgl. Schwyzer 717 A. 4). — Ohne genaue außergriech. Entsprechung. Formale Ähnlichkeit zeigen einige westgerm. und slav. Ausdrücke für ‘nicken usw.’, z.B. mnd. nucken ‘drohend den Kopf bewegen’, nuck(e) ‘plötzliches Vor- und Hinaufstoßen des Kopfes beim Stutzen u. dgl.’, aksl. nukati, njukati ‘ermuntern’, die unter Annahme einer Gutturalerweiterung gewöhnlich mit νεύω, lat. nuō verbunden werden. Auch νύσσω wird seit Brugmann IF 13, 153 ff. auf dieselbe Weise beurteilt, was für νεύω, nuō u. Verw. die Ansetzung einer Grundbedeutung ‘einen Ruck machen, einen Stoß geben’ veranlaßt hat. — WP. 2, 323f., Pok. 767, W.-Hofmann s. nuō mit weiterer Lit. II-329
νυστάζω, meist Präs. (Hp., att. usw.), Aor. -άξαι (Thphr., LXX), -άσαι (Dionys. Korn., AP), ‘schlummern, schläfrig sein’. auch m. Präfix, z.B. ὑπο-, ἐπι-, Davon νυσταγμός m. ‘Schläfrig- keit’ (Hp., LXX u.a.), νύσταγμα n. ‘Schläfchen’ (LXX), νύσταξις H. als Erklärung von νῶκαρ; νυστακτής als Beiwort von ὕπνος (Ar. V. 12, Alkiphr.), -ακτικῶς ‘in einer schläfrigen Weise’ (Gal.). Auch νυσταλέος ‘schläfrig’ (Aret., H.), nach ὑπναλέος mit Überspringung des Präsenssuffixes (Debrunner IF 23, 18), νύσταλος (Kom. Adesp.) mit νυσταλωπιᾶν· νυστάζειν H. — An νυστάζω erinnern stark einige baltische Ausdrücke für ‘schlummern, schläfrig’, z.B. lit. snús-tu, snúd-au, snús-ti ‘einschlummern’ mit snud-à, snùd-is ‘Schläfer, Träumer’; mit anderen Ablaut snáud-žiu, snáus-ti ‘schlummern’; dazu mit l-Suffix aber von νυσταλέος unabhängig lit. snaudãlius ‘schläf- riger Mensch’, lett. snaudule ‘Schlafratze’ (de Saussure MSL 6, 76 = Rec. 412, Schulze KZ 29, 263 = Kl. Schr. 376). Dann ist -τάζω rein erweiternd wie in κλασ-τάζω (κλα[σ]- od. κλαδ-), βαστάζω (βαδ-?) u.a.; vgl. Schwyzer 706. Wenn richtig, muss die alte, sonst naheliegende Anknüpfung an νεύω ‘nicken’ (so noch Schwyzer 348; dagegen Georgacas Glotta 36, 173) fallen. — Nach Solmsen Glotta 2, 75 ff., hierher auch νυθόν, νοῦθος u.a. (s.d.); sehr fraglich. II-329-330
νώ (att., auch Ε 219 u. ο 475), νῶϊ (Hom.) Nom. Akk. Du.; Gen. Dat. νῷν (att.), νῶϊν (Hom.), Akk. νῶε (Antim., Korinn.); ‘wir, uns beide’ Possess. νωϊτερος (O 39, μ 185). — Alter Dual, mit aw. nā, aksl. na identisch, idg. *no; daneben mit urspr. Langdiphthong aind. nau. Hierher noch lat. nōs, ἡμεῖς u.a.m. Für νῶϊ (< *νω-ϝι?), und νῶε sind mehrere Erklärungen geprüft worden, s. Schwyzer 600 ff. m. weiteren Einzelheiten und sehr reicher Lit.; dazu noch W.-Hofmann s. nōs, ebenfalls m. Lit. II-330
νώγαλα n. pl. ‘Leckerbissen, Süßigkeiten’ (Kom. IVa). Davon νωγαλέος = λαμπρός (Zonar.) und νωγαλ-ίζω ‘an ν. kauen’ (Kom. IVa) mit νωγαλίσματα pl. = νώγαλα (Poll.); auch -εύω ‘ds.’ (Suid.) mit -εύματα pl. ‘ds.’ (Kom. V—IVa). — Wort der Alltagssprache ohne Etymologie. Nach Grošelj Živa Ant. 1, 259 aus *λώγαλα dissimiliert, von λώγη. Älterer Versuch bei Bq. II-330
νωδός ‘zahnlos’ (Kom., Arist., Theok.) mit νωδότης f. ‘Zahnlosigkeit’ (Porph.). Determinativkomp. νωδο-γέρων ‘zahnloser Alter’ (Kom.), s. Risch IF 59, 277. — Aus priv. ν(ε)- (s. α-priv.) und ὀδών (ὀδούς) mit kompositioneller Dehnung und Übertritt in die ο-Dekl., vielleicht nach Muster von στράβων (: *νώδων) : στραβός u.a. (Solmsen Wortforsch. 29 ff.). vgl. noch Schwyzer 431 und 566 A. 4 (mit Referat einer unhaltbaren Auffassung). II-330
νώδυνος ‘keinen Schmerz empfindend’ (Pi.), ‘schmerzstillend’ (S.) mit νωδυνία ‘Schmerzlosigkeit’ (Pi., Theok.). — Für ἀν-ώδυνος, aus ν(ε)- und ὀδύνη; s. zu νωδός. II-330
νωθής ‘träge, langsam, störrig’ (seit Λ 559, urspr. ion. nach v. Wilamowitz Eur. Her. 389, s. auch Bechtel Dial. 3, 319 und Leumann Hom. Wörter 316) mit νώθεια f. ‘Trägheit’ (Pl., Luk. u.a.), νωθώδης ‘lethargisch’ (Aret.). — Gewöhnlicher νωθρός ‘ds.’ (ion. att.) mit mehreren Ableitungen: νωθρ-ία, -ίη (Hp., Herod., Pap. u.a.), -ότης f. (Hp., Arist., LXX u.a.) ‘Trägheit, Gleichgültigkeit’; -ώδης ‘erlahmend’ (Hp.); f. νωθράς, -άδος Pflanzenname, = βαλλωτή, auch νωθ-ουρίς (Ps.-Dsk.). Denominativa : 1. νωθρεύω, -ομαι ‘träge, schlaff, gleichgültig sein, erlahmen’ (Hp., Hyp., Pap. u.a.) mit νωθρεία ‘Trägheit’ (Erot.); 2. νωθρ-ιάω ‘ds.’ (Dsk.). — Vielleicht mit Doederlein und Bechtel Lex. s.v. aus ν(ε)-priv. (s. νωδός) und ὄθομαι "der sich um nichts kümmert" mit Bildung des Hinterglieds nach den σ-, bzw. den ρο-Stämmen vgl. Schwyzer 513 und 483). Nach Müller-Graupa PhW 63,94 zu ὠθέω ("der sich nicht vom Flecke fortstoßen läßt"), ungefähr gleich wahrscheinlich. — Nicht mit Johansson und Brugmann (s. Bq) zu aind. ādhrá- ‘schwach, arm’ (s. WP. 1, 57 A. 1 und Mayrhofer s.v.), auch nicht mit Mayrhofer Arch. Linguist. 2, 137 zu pāli dandha- ‘träge’ (lautlich sehr schwierig). II-330-331
νῶκαρ, -αρος n. ‘Todesschlaf’ s. νεκρός, νέκυς. II-331
νωλεμές, -έως Adv. ‘rastlos, unablässig, unaufhörlich’ (ep. seit Il.), ersteres gewöhnlich mit αἰεί am Versende; auch ‘fest’ (A. R.). — Wahrscheinlich ein Komp. aus priv. ν(ε)- (s. z.B. νωδός) und einem Nomen *ὄλεμος n., das von Fick BB 1, 170 ganz hypothetisch mit einem Wort für ‘zerbrechen, zerbrechlich’ in germ., z.B. ahd. lam ‘lahm’ u.a.m. verbunden wird. Näheres bei Bechtel Lex. s.v.; weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 2, 433 f., Pok. 674, W.-Hofmann s. laniō. II-331
νωπέομαι ‘niedergeschlagen sein, δυσωπεῖσθαι’ (IonHist., Phot.). νενώπηται· τεταπείνωται, καταπέπληκται H., Phot. — Vgl. προνωπής. Oder von νώψ· ἀσθενὴς τῇ ὄψει H. (Bq)? II-331
νῶροψ nur in νώρ-οπι, -οπα als Beiwort von χαλκῷ, -όν (Horn.); danach νώροπι πέπλῳ (Nonn.). — Adjektiv unbekannter Bed. (vgl. H. νῶροψ· λαμπρός, ὀξύφωνος, ἔνηχος. ἢ ὅτι τὴν ὄψιν ἀσθενῆ ποιεῖ), mithin ohne sichere Erklärung. Oft zu ἀνήρ gezogen, so namentlich von Kuiper (s. ἀνήρ). Nach Bechtel Lex. s.v. zu νωρεῖ· ἐνεργεῖ H., lit. nóriu, -ė́ti ‘wollen’ usw., die übrigens auch mit ἀνήρ in Verbindung gebracht worden sind; s. außer Kuiper a.a.O. WP. 2, 332f., Pok. 765, W.-Hofmann s. neriōsus. Ganz anders Kretschmer Glotta 32, 3 ff. mit Epaphroditos aus Chaeroneia: zu Νώρακος· πόλις Παννονὶας, "ὅτι γίνεται ἐν Παν-νονίᾳ σίδηρος". II-331
νῶτον n., sekundär τὸν νῶτον (Akk.) und οἱ νῶτοι (Egli Heteroklisie 84ff.) ‘Rücken’ (seit II.). Kompp., z.B. νωτο-φόρος ‘auf dem Rücken tragend’, m. ‘Träger’, n. ‘Lasttier’ (X., hell. u. sp.) mit -έω, -ία (D. S. u.a.); ποικιλό-νωτος ‘mit buntfarbigem Rücken’ (Pi., E. in lyr.). Ableitungen: Adj. νωτ-ιαῖος (Hp., Pl., E. u.a.; Chantraine Form. 49), auch -αῖος (Nik.), -ιος (Ti. Lokr.) ‘zum Rücken gehörig’, f. -ιάς (Hp.). Subst. νωτιδανός m. ‘Art Haifisch’ (Arist.; zur Bildung Schwyzer 530), auch ἐπινωτιδεύς ‘ds.’ (Epaen. ap. Ath. 7, 294 d; Erklärung unsicher, s. Thompson Fishes s.v.; anders Strömberg Fischnamen 49f.; vgl. auch Bosshardt 86); νωτεύς m. ‘Lasttier’ (Poll., II.; Bosshardt a.a.O.). Verb νωτίζω, auch m. Präfix, z.B. ἀπο-, επι-, ‘den Rücken wenden, den Rücken bedecken, bestreichen, auf den Rücken schlagen’ (Trag. u. a.; vgl. Kretschmer Glotta 5, 287) mit νώτισμα n. ‘Rückenbedeckung’ = ‘Flügel’ (Trag. Adesp.). — Ohne sichere Verwandte. Man vergleicht seit Curtius 320 lat. natis, gen. pl. natēs, -ium f. ‘die Hinterbacke, der Hintere’, s. W.-Hofmann s.v. mit weiteren Anknüpfungsversuchen. II-331-332
νωχελής ‘langsam, träge, lässig’ (Hp., S., E., hell. Epik usw.) mit νωχελίη, -ία f. ‘Langsamkeit, Trägheit’ (T411 u.a.; vgl. Porzig, Satzinhalte 204 und Delebecque Cheval 156 f.), auch -εια f. (Orib., H.); νωχελίς, -ίδος f. Pflanzenname = βαλλωτή (Ps.-Dsk.); vgl. Strömberg Pflanzenn. 158; νωχελεύομαι ‘langsam, träge sein’ (Aq. u.a.). Daneben νωχαλής (cod. νωφ-)· νωθρός H. mit νωχαλίζει· βραδύνει; ngr. ἀνώχαλος mit ἀ-Prothese (Papadopoulos ’Αρχ. ’Εφ. 28, 58 ff.). — Unerklärt. Zur Bildung Bechtel s. v.; hypothetische Etymologie von Sütterlin IF 29, 126 (bei Bq und WP. 2, 698 referiert). II-332
ξαίνω (seit χ 423), Fut. ξανῶ, Aor. ξῆναι (sp. ξᾶναι), Pass. ξανθῆναι, Perf. Med. ἔξασμαι (hell. u. sp. auch ἔξαμμαι), ‘Wolle krempeln, kämmen’, übertr. ‘zerkratzen, zerfetzen’ (ion. att.). auch m. Präfix, bes. κατα- und δια Davon ξάντης m. ‘Wollkrempler’ (Pl.) mit ξαντική (sc. τέχνη) f. ‘die Kunst des Wollkrempelns’ (Pl.), f. ξάντριαι ‘Wollkremplerinnen’ (Tit. eines Dramas des A.); ξάσμα n. ‘gekrempelte Wolle’ (S. Fr. 1073), auch ξάμμα (H. s. πεῖκος), ἀναξασ-μός m. ‘das Zerfetzen’ (Med.), ξάνσις f. ‘das Wollkrempeln-,’ (Gloss.), ξανιον n. ‘Kamm zum Wollkrempeln’ (Poll., AB, H.), auch = ἐπί-ξηνον (Poll.), wohl nach κτένιον, aber nicht mit Specht Ursprung 239 als alte Bildung; ξανάω (Nik.), -ῆσαι (S.Fr. 498) ‘(mit Wollkrempeln) hart arbeiten’, ἀποξανᾶν· κακοπαθεῖν H.; vgl. ὑφανάω : ὑφαίνω und ähnliche Fälle bei Schwyzer 700. — Hierher wohl auch ἐπίξηνον ‘Hackblock’ mit unklarer Bildung (anders, schwerlich richtig, s.v.). — Technischer Ausdruck der Wollbereitung, wohl zunächst nach dem sinnverwandten ὑφαίνω; zu ξέω, ξύω (s. dd. und Schwyzer 714). Außergr. Entsprechungen fehlen; der Vergleich mit lat. sentis m. ‘Dornstrauch’ (seit Persson Stud. 135) ist ganz hypothetisch. Nach Haas Ling. Posn. 3,76ff. gehören ξαίνω, ξέω, ξύω als protoidg. zu nhd. hauen u. Verw., ebenso ὀξύς zu ὠκύς u.a.m. (?). II-332-333
ξανθός ‘gelb, goldgelb, rötlich, bräunlich, blond’, von den Haaren (seit Il.), auch von anderen Gegenständen (nachhom.); zur Bed. Capelle RhM 101, 21 f.; myk. ka-sa-to als EN, vgl. Gallavotti Par. del Pass. 12, 10f. Kompp., z. B. ξανθο-κόμης (-ος) ‘blondhaarig’ (Hes., Pi. u.a.), ἐπί-ξανθος ‘ins Gelbe spielend, gelblich’ (X., Thphr.; Strömberg Prefix Studies 105) neben ἐπι-ξανθίζομαι ‘gelblich, bräunlich werden’ (Pherekr.). Ableitungen: 1. Ξάνθος m. N. eines Flusses, einer Stadt, einer Person, eines Pferdes (seit Il., mit opposit. Akzent); 2. ξάνθη f. N. eines gelbfarbigen Steins (Thphr.); 3. ξάνθιον n. N. einer Pflanze, die zur Blondfärbung der Haare verwendet wurde (Dsk., Gal. u.a.; Strömberg Pfl.namen 23); 4. ξανθότης, -ητος f. ‘gelbe Farbe, Blindheit’ (Str.); 5. Denominative Verba: a. ξανθίζω ’ξ. machen, sein’ (Kom., LXX usw.) mit ξάνθ-ισις, -ισμός ‘Gelbfärbung’ (Mediz.), ξανθίσματα (κόμης, χαίτης) ‘blonde Locken’ (E. Fr. 322, AP); b. ξανθόομαι, -όω ’ξ. werden, ξ. färben’ (Dsk. u.a.) mit ξάνθωσις (Ps.-Demokr. Alch.); c. ξανθύνομαι ‘ds.’ (Thphr.). — Unerklärt. Über die behauptete, jedenfalls sehr entfernte Verwandtschaft mit lat. cānus ‘grau(weiß)’ s. W.-Hofmann s.v., auch WP. 1, 358, Pok. 533 (m. Lit.). Wenig Wert hat die Zusammenstellung mit etr. zamϑic angebl. ‘aus Gold’ (Brandenstein P.-W. 7 A, 1919), wozu Heubeck Würzb. Jb. 4, 202 noch Σκάμανδρος ziehen will. — Vgl. ξουθός. II-333
ξεῖ (-εῖ = geschlossenes -ē; Kallias ap. Ath. 10, 453d u.a.), später ξῖ (Luk. u. a.) n. indekl. Buchstabenname; — nach πεῖ = semit. pē. Schwyzer 140 m. Lit. II-333
ξένος, ep. ion. poet. ξεῖνος, dor. ξένϝος (in kor. Ξενϝοκλῆς, kork. el. Ξενϝάρης u.a.), ξῆνος (kyr. Φιλόξηνος u.a.), (hyper)äol. ξέννος (Hdn.; vgl. Schwyzer 228), myk. ke-se-nu-wo (?), m. ‘Fremdling, Gast, Gastfreund, Wirt’ (seit Il.), ‘Mietling, Söldner’ (ξ 102, att.); ξένη (scil. γυνή, γῆ) f. ‘die Fremde, Ausländerin, fremdes Land’ (Trag., X. usw.); Adj. ‘fremd, ausländisch’ (nachhom.). Viele Kompp., z.B. ξενο-, ξεινο-δόκος m. ‘Fremde, Gäste aufnehmend, Wirt’ (seit Il.), φιλό-ξε(ι)νος ‘Gäste liebend, gastfrei’ (seit Od.; zur verbalen Funktion des Vorderglieds Schwyzer 442), πρόξενος, kork. πρόξενϝος m. ‘stellvertretender Gastfreund, Staatsgastfreund’ (nachhom.; Risch IF 59, 38 f. m. weiteren Einzelheiten); zu Εὔξεινος (πόντος) s. bes. Ableitungen. A. Adj. 1. ξένιος, ξείνιος ‘den Fremdling usw. betreffend’, τὰ ξε(ί)νια ‘Gastgeschenke (seit Il.; myk. ke-se-nu-wi-ja ?); 2. jünger ξε(ι)νικός ‘ds.’ (ion. att.; Chantraine Études, s. Index); 3. ξεινήϊος in τὰ ξεινήϊα (τὸ ξ-ον) = τὰ ξείνια (Hom.), nach πρεσβήϊα (Risch ̨ 46); 4. ξενόεις ‘voll von Fremden’ (E. in lyr.). B. Subst. 1. ξε(ι)νίη, -ία f. ‘Gastfreundschaft, Gastrecht usw.’ (seit ω); 2. ξεινοσύνη f. ‘Gastlichkeit’ (φ 35; Porzig Satzinhalte 226, Wyss -συνη 26); 3. ξενών, -ῶνος m. ‘Gastzimmer, -haus’ (E., Pl. u.a.; vgl. H. Bolkestein Ξενών [MAWNied. 84 B : 3] 1937); ξενῶνες· οἱ ἀνδρῶνες ὑπὸ Φρυγῶν H.; nach Pisani AnFilCl 6, 211ff. zur Sippe von χθών(?); 4. ξενίς, -ίδος f. ‘in das Ausland führende Straße’ (Delph. IIa); 5. ξενίδιον n. ‘Gasthäuschen’ (Pap. IIIp); 6. ξεν-ύδριον (Men.), -ύλλιον (Plu.) herabsetzende Demin. von ξένος (Chantraine Form. 73 f.). C. Verba. 1. ξε(ι)νίζω ‘gastlich aufnehmen, bewirten’ (seit Il.), auch ‘befremden’ (hell. u. sp.) mit ξένισις f. ‘gastliche Aufnahme’ (Th.), ξενισμός m. ‘ds.’ (Pl., Inschr.. Luk. u.a.), auch ‘Befremdung, Neuerung’ (Plb., D. S., Dsk. u.a.); ξενιστής m. ‘Gastwirt’ (Sch.). 2. ξε(ι)νόομαι ‘sich gastfreundlich mit jmdm. verbinden, gastlich aufgenommen werden od. aufnehmen’ (Pi., ion. att.), auch ‘in der Fremde leben, in die Fremde gehen’ (S., E.), -όω ‘entfremden, jn. einer Sache herauben’ (Hld.); davon ξένωσις f. ‘Aufenthalt in der Fremde’ (E. HF 965; vgl. v. Wilamowitz z. St.). 3. ξενιτεύομαι ‘als Söldner in der Fremde dienen’ (Isok., Antiph.), -ω ‘m der Fremde leben’ (Timae. Hist., J. usw.); nach πολιτεύομαι, -ω : πολίτης : πόλις u.a. (Georgacas Glotta 36, 173); davon ξενιτ-εία f. ‘Söldnerschaft, Leben in der Fremde’ (Demokr., LXX u.a.), -ευτής m. ‘der in d. Fremde lebt’ (VIp). — Isoliert. Die semantische Übereinstimmung mit dem alten Wort für ‘Fremdling, Gast’ in lat. hostis m. ‘Fremdling, Feind’, germ., z.B. got. gasts ‘Gast’, aksl. gostь ‘ds.’, idg. *ghosti-s, hat zu Versuchen geführt, sie auch formal miteinander zusammenzubringen, was indessen nur bei einer mechanischen und willkürlichen Zerlegung möglich ist: *ξ-εν-ϝος zu einem schwundstufigen und nasalerweiterten Präsens *ghs-en-u̯ō (Brugmann IF 1, 172ff. m. Lit.; dazu noch Schwyzer 329 und Pisani Ist. Lomb. 73: 2, 30). Andere, ebenfalls abzulehnende Erklärungen bei Bq, WP. 1, 640f., W.-Hofmann s. hostis. — Ein dehnstufiges ghsēn- will Jokl IF 37, 93 (nach Pedersen u.a.) in alb. huai ‘fremd’ wiederfinden. Sehr unsicher neuphryg. Vok. ξευνε; darü-ber mit einer illyrischen Hypothese v. Blumenthal Glotta 20, 288. II-333-334
ξερόν n. ‘das Trockne’ nur in ποτὶ ξερὸν ἠπείροιο (ε 402), ποτὶ ξερόν (A.R. 3, 322, AP), ἐπὶ ξερόν (Nik.); s. ξηρός. II-335
ξέστης m. Maß für flüssige und trockne Dinge, = lat. sex-tārius (Oropos [um 200a], J., AP u.a.), auch ‘Gefäß, Krug’ (Ev. Mark. 7,4, Pap. u.a.). Davon ξεστίον n. ‘ds.’ (Ostr., Orib., Aet. u.a.); vgl. ἀμνίον, λυχνίον u.a.; ξεστ-ιαῖος ‘einen ξ. messend’ (Gal.). — Aus *ξεστάριον = sextārius als angeblichem Dentin. mit Metathese rückgebildet; Suffix wie in κοδράντης (= lat. quadrans) u. a. — Ähnlich wohl ξέστριξ κριθή· ἡ ἑξάστιχος. Κνίδιοι H. Ein Überbleibsel des angenommenen ehemaligen Anlauts ḱs- im Wort für ‘sechs’ (de Saussure MSL 7, 77, Osthoff IF 8, 13) dürfte darin nicht stocken. Das vermutete Hinterglied wird seit Meineke (zur H. -stelle) mit lat. striga ‘lange Zeile gemähten Heues od. Getreides, Schwaden’ verbunden. — Vgl. Schwyzer 269 m. Lit. II-335
ξέω, Aor. ξέσ(σ)αι (seit Il.), Pass. ξεσθῆναι, Perf. Med. ἔξεσμαι (ion. att.), Fut. ξέσω (Paul. Aeg.), Perf. Akt. ἔξεκα (Choerob.), Vbaladj. ξεστός (seit Il.; Ammann Μνήμης χάριν 1, 16), ‘schaben, schnitzen, glätten, polieren’. auch mit Präfix, z.B. ἀπο-, κατα-, παρα-, περι-, Ableitungen. 1. ξέσις (ἀπό-) f. ‘das Glätten, das Schnitzen’ (Thphr., Delph. IVa); 2. ξέσματα pl. ‘Schnitzel, Späne, geschnitzte Gegenstände’ (M. Ant., AP usw.); 3. ξεσμοῖς Dat. pl. H. als Erklärung von σπαράγμασι. 4. ξόανον n. ‘(geschnitztes) Götterbild’ (S., E., X. usw.), Ben. eines (geschnitzten?) Musikinstruments (S. Fr. 238); ξοάνων· προθύρων ἐξεσμένων H.; Bildung wie ὄχανον (:ἔχω), πλόκανον (: πλέκω) u.a. (Chantraine 198; nicht mit Bq, WP. 1, 450 u.a. von ξύω; auch nicht mit Latte Glotta 32, 35 f. subst. Adj.); Deminutivum ξοάνιον (Anaphe IIa). 5. ξοΐς, -ίδος f. ‘Meißel’ (hell. Inschr. usw.) mit ξοΐδιον (Pap. IIIp) und ξοΐτης m. Berufsnahme (Isaurien; Redard 36); wohl direkt von ξέω nach κοπίς, δορίς u.a. (vgl. Chantraine 338); ξοός· ξυσμός, ὁλκός H. 6. Von den präfigierten Formen: διαξόος m. ‘Steinmetz’ (Delph. 341a), ἀμφί-ξοος (-ους) ‘ringsum glättend’ (AP); ἐπι-, κατα-, παρα-ξοή, -ά ‘das Schnitzen, das Glätten usw.’ (Inschr.). — Für sich steht mit Dehnstufe ξώστρα· ψηκτρίς, ψήκτρια H. (nach WP. 1, 450 u.a. eher zu ξύω). — Mit ξύω, ξαίνω verwandt (s. dd.); ohne näheres außergriech. Gegenstück. Der aus ξεσ-τός, ξέσ-(σ)αι u.a. zu erschließende Stamm ξεσ-, der sämtlichen obigen Formen zugrunde liegt, ist nach herkömmlicher Auffassung in ξ-εσ-(= ks-es-) zu zerlegen und als schwundstufige εσ-Erweiterung (vgl. zu τρέω) des in aksl. čes-ati ‘kämmen’ u.a. (s. κέσκεον) vorliegenden idg. qes- ‘kratzen, kämmen’ zu verstehen (z.B. Brugmann Grundr.2 II: 3, 343 mit Persson Stud. 88); Beziehung zu κεάζω u. Verw. (s. d.) kann ebensogut in Betracht kommen. — Abweichende Vermutung bei Schwyzer 269 und 329: ξέω aus *qes-ō (= aksl. čes-) umgestellt? Mann Lang. 28,40 vergleicht alb. shesh ‘raze, level’, angebl. aus *ksesi̯ō. II-335-336
ξηρός ‘trocken, dürr, saftlos’ (ion. att.; zur Bed.geschichte Hesseling Sertum Nabericum [Leiden 1908] 145ff.). Zahlreiche Kompp., z.B. ξηρ-αλοιφέω ‘trocken salben’ (Lex Solonis ap. Plu. Sol. 1 u.a.), Zusammenbildung aus ξηρὸν ἀλείφειν (: *ξηρ-αλοιφός); vgl. Schwyzer 726; ξηρό-βηξ, -χος m. ‘trockner Husten’ (Mediz.; Gegensatz ὑγρό-βηξ; Strömberg Wortstudien 100); κατά-, ἐπί-ξηρος u.a. (Hp., Arist. u.a.) neben κατα-, ἐπι-ξηραίνω; zu den Bed.nuancen Strömherg Prefix Studies 153 f. u. 97 f. Ableitungen. 1. ξηρότης, -ητος f. ‘Trockenheit’ (att., Arist. usw.); 2. ξηρίον n., ξηράφιον n. ‘Trockenpulver’ (Mediz., Pap.); 3. ξηρώδης ‘von trockener Beschaffenheit’ (EM neben πυρώδης). 4. ξηραίνω, -ομαι, Fut. -ανῶ, -ανοῦμαι (ion. att.), Aor. ξηρᾶναι (-ῆναι), -ανθῆναι (seit Il.), Perf. Med. ἐξήρασμαι (ion. att.), -αμμαι (hell. u. sp.), oft m. Präfix wie ἀνα-, ἀπο-, ἐπι-, κατα-, ‘austrocknen, trocken machen bzw. werden’ mit (ἀνα-)ξήρανσις f. (Thphr., Gal. u.a.), (ἀνα-, ἐπι-, ὑπερ-)ξηρασία, -ίη f. (Hp., Arist., Thphr. u.a.; zur Bildung Chantraine Form. 85), (ἀνα-)ξηρασμός m. (Mediz.) ‘das Austrocknen’; (ἀνα-)ξηραντικός ‘austrocknend’ (Hp., Thphr. u.a.). — Von ξηρός läßt sich ξερόν (s. d.) schwerlich trennen; wenn dies zu lat. serēnus ‘heiter, klar, hell, trocken’ (aus *kseres-no-s), serescō ‘trocken werden’, ahd. serawēn ‘trocken werden’ u.a.m. gehört (WP. 1,503, Pok. 625 mit Prellwitz BB 21, 92), muß ξηρός eine entsprechende Dehnstufe enthalten, eine nur theoretisch befriedigende Annahme. Es erhebt sich somit die Frage, ob nicht das seltene und formelhafte ποτὶ (ἐπὶ) ξερόν vielmehr auf metrischer Kürzung beruht (Chantraine Gramm. hom. 1, 107). Aber die alte Gleichsetzung mit aind. kṣārá- ‘brennend, beißend, scharf’ ( : kṣā́-yati ‘brennen’) ist sehr verdächtig; s. zuletzt Mayrhofer s. v. mit weiterer Lit. — Ferner bleiben ebenfalls (gegen Specht KZ 66, 201 ff. und Heubeck Würzb. Jb. 4, 201) σχερός und χέρσος (s. dd.). II-336
ξίφος Myk. qi-si-pe-e (du., Heubeck Minos 6, 55f.)? n. ‘Schlachtschwert mit gerader zweischneidiger Klinge, Degen’ (seit Il.; Näheres bei Trümpy Fachausdrücke 60ff.); übertr. von dem ξίφος-ähnlichen Knorpel des Tintenfisches (Arist. u.a.), als Pflanzenname = ξιφίον (Thphr.); auch σκίφος (Sch., EM, H.); zum Anlaut Schwyzer 266, Heubeck Würzb. Jb. 4, 201 m. Lit. Als Vorderglied u.a. in ξιφη-φόρος ‘schwert- tragend’ (A., E. u.a.) mit analog. -η- (Schwyzer 440); zu σκιφα-τόμος s. unten. Als Hinterglied in ἄ-ξιφος ‘schwertlos’ (Lyk., A. D.), Adv. ἀξιφ-εί (Hdn.). Ableitungen. 1. ξιφίδιον Demin. (Ar., Th. u.a.), auch Pflanzenname = σπαργάνιον, ‘Riedgras’ (Ps.-Dsk.; Strömberg Pfl.n. 44); 2. ξιφύδριον (σκιφ- Epich.) N. eines Muscheltieres (Mediz., H.). 3. ξιφίας (σκιφ- Epich.) m. ‘Schwertfisch’ (Arist. u.a.), auch N. eines Kometen (Plin.; Scherer Gestirnnamen 107 ff.); 4. ξιφίον n. Art Schwertlilie, ‘Gladiolus segetum’ (Thphr., Dsk.); 5. ξιφή-ρης ‘schwerbewaffnet’ (E., sp. Prosa). 6. ξιφήν· ὁ φέρων ξίφος Suid. 7. ξιφίνδα παίζειν = ξιφίζειν (Theognost.). 8. ξιφίζω einen Schwerttanz tanzen’ (Kratin.), ἀποξιφίζειν· ὀρχεῖσθαι ποιὰν ὄρχησιν, σκιφίζει· ξιφίζει. ἔστι δὲ σχῆμα μαχαιρικῆς ὀρχήσεως H. Davon ξιφ-ισμός (Ath., D. C.), -ισμα (Choerob., H.) ‘Schwerttanz’, ξιφιστύς· μαχαιρομαχία, μάχη ἐκ χειρῶν H. (Benveniste Noms d’agent 74); aber ξιφιστήρ m. (Pap., Plu. u.a.). -ιστής H. ‘Schwertgürtel’ wegen der Bed. eher direkt von ξίφoς; vgl. zu κορυφιστήρ s. κορυφή. Mit Präfix δια-ξιφίζoμαι ‘mit dem Schwerte kämpfen’ (Ar.), διαξιφισ-μός m. ‘Schwertkampf’ (Plu.). — Dazu noch zwei H.glossen: ξίφαι· τὰ ἐν ταῖς ῥυκάναις δρέπανα ἢ σιδήρια und (mit Metathese) σκιφίνιον· πλέγμα ἐκ φοίνικος (nach κοφίνιον u. a.); hierher ebenfalls σκιφα-τόμος Berufsbez. (Sparta Ia) ?; vgl. zu κίφος. — Etymologie unbekannt; wie so viele Waffennamen wahrscheinlich LW. Für orientalische Herkunft (aram. sajefā, arab. saifun, äg. sēfet ‘Schwert’) u.a. Lewy Fremdw. 176 f. (m. ält. Lit.), Spiegelberg KZ 41, 127ff., Huber Comm. Aenip. 9, 34, Schrader-Nehring Reallex. 2, 362 f. Verfehlte idg. Etymologien bei Bq (abgelehnt). Neue Hypothese von Čop KZ 74, 231 f.: zu osset. äxsirf ‘Sichel’, das auf idg. *qsibhró- zurückgehen kann. Wenn man sich auf myk. qi-si-pe-e verlassen darf, muß ξίφος einen Labiovelar enthalten (auch für äxsirf möglich), der durch Dissimilation mit dem folg. φ verlorengegangen wäre; s. Heubeck Minos 6, 55 ff. mit weiteren Einzelheiten und Lit. Zur Behandlung des Labiovelars vgl. auch Schwyzer 299. II-336-337
ξουθός poet. Adj. unklarer Bed. (’tönend, trillernd, schnell, flink, gelb’?), von den Flügeln der Dioskuren (h. Hom. 33, 13), des Adlers (B.), der Zikade (AP); von der Nachtigall und ihrer γένυς (A. u. E. u. Ar. in lyr. u. anap., Theok.), von der Schwalbe u. anderen Singvögeln (Babr. u.a.), von der Biene (S. Fr. 398, 5, E. u.a.); auch von den Winden (Chaerem. Trag.), von den ἀλκυόνες (AP), vom ἱππαλεκτρυών (A., Ar.); außerdem von μέλι, αἷμα, λύκος (Emp., Opp.) mit ξανθός als v. l., wahrscheinlich mit Beziehung auf die Farbe (vgl. H. ξουθά· ού μόνον ξανθά, ἀλλὰ καὶ λευκὰ καὶ πυρρά); myk. ko-so-u-to als EN (Gallavotti Par. del Pass. 12, 6f.). Als Vorderglied in ξουθό-πτερος (μέλισσα; E., Lyr. Alex. Adesp.). — Näheres zur Bed. bei v. Wilamowitz Eur. Her. zu v. 488, Méridier Rev. de phil. N. S. 36, 264ff., Leumann Hom. Wörter 215. Unerklärt. Eine Zerlegung in ξ-ου-θός mit dementsprechender Anknüpfung an das german. Wort für ‘grau(brann)’, z.B. ags. hasu (idg. *ḱasu̯o-), wozu u.a. lat. cānus (s. ξανθός m. Lit.), kann nur sehr bescheidenen Ansprüchen genügen. — Die allgemeine Ähnlichkeit mit ξανθός ist schon längst beobachtet worden (z.B. Curtius 522). Nach Haas Ling. Posn. 3, 77 f. protoidg. (wie ξαίνω, ξέω, ξύω u.a.m.). II-337-338
ξυλαμάω, Aor. -μῆσαι ‘mit Grünfutter besäen’ (Gegensatz σπείρω), gew. m. Dat. (χόρτῳ usw.). Davon ξυλάμησις f., auch (Rückbildung) ξυλαμή f. ‘das Säen mit Grünsaat’, ξυλαμητής (auch -ιστής) f. ‘Säer mit Grünsaat’ (hell. u. sp. Papyri; Mayser I: 3, 127, 66 u. 79). — Technisches Wort ohne Etymologie. Weder ξύλον noch ἀμάω (ἀμάομαι) scheint eine annehmbare Anknüpfung zu bieten. II-338
ξύλον n. ‘Holz, Bau-, Brennholz, Baum, Balken, Stock, Fuß-, Halsblock, Bank, Tisch’ (seit Il.); auch als Längenmaß = ‘die Seite des ναύβιον’ (Hero Geom., Pap.). Sehr zahlreiche Kompp., z.B. ξυλουργός (-οργός, -εργός) m. ‘Holzarbeiter, Zimmermann’ mit -έω, -ία, -ικός (ion. att.; vgl. zu δημιουργός); μονό-ξυλος ‘aus einem Stück Holz gemacht’, von πλοῖον u.a. (ion. att.). Zu ξύλοχος s. bes. Ableitungen. 1. Deminutiva: ξυλ-άριον ‘Hölzchen’ (LXX, Pap. u.a.), -ήφιον ‘Holzstück’ (Hp., hell.), -άφιον ‘ds.’ (Eust.; zu -ήφιον, -άφιον Wackernagel Glotta 4, 243 f. [Kl. Schr. 2, 1200f.]); ξύλιον ‘Holzblock’ (Pap. IVp). Übrige Subst.: 2. ξυλ-εύς m. ‘Holzholer’, N. eines Opferdieners in Olympia (Inschr. Ia, Paus., H.) nnt -εύω, -εύομαι ‘Holz holen’ (hell. Inschr., Men., H.), -εία f. ‘das Holzholen, Holzvorrat, Bauholz’ (Plb., Str., Pap. u. a.); Bosshardt 75; 3. ξυλ-ίτης· ἰχθῦς ποιός H. (tastende Erklärungsversuche bei Strömberg Fischnamen 25); -ῖτις (γῆ, χέρσος) f. ‘Strauchland’ (Pap.; Redard 109 m. A.); 4. ξυλών, -ῶνος m. ‘Holzschup- pen’ (Delos III—IIa). Adj. 1. ξύλ-ινος ‘von Holz, hölzern’ (Pi., B., ion. att.), 2. -ικός ‘ds.’ (Arist. usw.) mit -ικάριος ‘Holzhändler (?)’ (Korykos; aus lat. -ārius), 3. -ηρός ‘Holz betreffend’ (Delos IIIa), -ηρά f. ‘Holzmarkt’? (Pap. Ip), 4. -ώδης ‘holzartig, -farben’ (Hp., Arist., Thphr.). Verba. 1. ξυλ-ίζομαι ‘Holz holen’ (X., Plu. u.a.) mit -ισμός ‘das Holzholen’ (Str., D.H.), -ιστής ‘Holzholer’ (Sch.); 2. ξυλ-όομαι, -όω ‘zu Holz werden, machen, von Holz machen’ (Thphr., LXX usw.) mit -ωσις f. ‘Holzwerk’ (Th., hell. Inschr. u.a.), -ωμα, -ωμάτιον ‘ds.’ (Delos IIIa u.a.); 3. ξυλ-εύω, s. oben zu ξυλεύς. — Zu ξύλον (woraus auf jüngeren att. Vasen σύλον, σύλινος; Schwyzer 211 m. Lit.) stimmt lit. šùlas ‘(Eimer-, Tonnen-) Stab, Ständer, Pfeiler’, wenn aus idg. *ḱsulo-; daneben, im Vokal abweichend, mehrere slav. Formen, z.B. russ. šúlo n. ‘Zaunpfahl’, skr. šûlj m. ‘Block’ (idg. *ḱseulo-?). Ähnlich mit ū und anlaut. s-, germ., z.B. ahd. sūl f. ‘Pfosten, Säule’, mit au (idg. ou?) got. sauls ‘Säule’. Wie sich die slav., balt. und germ. Wörter zueinander verhalten, ist lebhaft diskutiert worden und kaum. endgültig aufgeklärt; s. Vasmer und Fraenkel s. vv. mit reicher Lit. und weiteren Formen. Ältere Lit. auch bei Bq, WP. 2, 503 f. und W.-Hofmann s. silva. Mann Slavon. Rev. 37, 134 zieht noch heran alb. shul ‘Stange, Nagel, Hebel’. — Ursprüngliche Verbindung mit ξύω (z.B. Fick 3, 446, auch als Vermutung Schwyzer 329) ist nicht glaubhaft, sekundäre Beeinflussung (Chantraine Form. 240) gut denkbar. II-338-339
ξύλοχος f. ‘λόχμη, Wildlager’, auch ‘Dickicht, Gebüsch’? (Hom., AP, Anakreont., auch sp. Prosa). Davon ξυλοχίζομαι (-ίσδ-) wohl = ξυλίζομαι (Theok. 5,65; s. ξύλον). — Seit alters aus *ξυλό-λοχος durch Haplologie erklärt; die nähere semantische Begründung bleibt ungewiß; vgl. Solmsen Unt. 97 A. 1 (S. 98). Wegen des femin. Genus (nach λόχμη?) weist Bechtel Lex. s. v. auf die Möglichkeit adjektivischen Ursprungs hin; somit eig. "dürres Holz zum Bett habend" (sc. εὐνή)? II-339
ξύν (seit Il., bes. altatt.), σύν (seit Il.; jüngere Form, Schwyzer 211) Adj. u. Präp. mit Dat. (seit IIa vereinzelt m. Gen. nach μετά) ‘samt, zusammen, mit’ (zur Verteilung der Formen Schwyzer-Debrunner 487 A. 2 m. Lit.; zum Gebrauch bei Platon Kerschensteiner Münch. Stud. 1, 29 ff.); myk. ku-su. — Ohne sichere außergriech. Verwandte. Über die anklingenden lit. sù ‘mit’, slav., z.B. aksl. sъ, russ. s(o) ‘mit, von —herab usw.’ s. Fraenkel und Vasmer s.vv., auch Schwyzer-Debrunner 487 A. 7 (m. Lit.), wo mit Ablehnung anderer Erklärungsversuche Beziehung zu ξύω ‘schaben, kratzen’, auch ‘berühren’ erwogen wird. Unhaltbar Sánchez Ruipérez Emer. 15, 61 ff. — Hierher wohl auch μεταξύ (vgl. zu μετά). II-339
ξυνός = κοινός, ‘gemeinsam, gemeinschaftlich, öffentlich, gewöhnlich’ (ep. ion. poet. seit Il.); ganz vereinzelt in Kompp., z.B. ἐπί-ξυνος = ἐπί-κοινος ‘gemeinsam’ (Μ 422; Hypothesen über die Bildung bei Strömberg Prefix Studies 96 f., auch Schwyzer-Debrunner 465 f.). Davon 1. ξυνάων, -άν (Pi.), ξυνέων (Hes.), ξυνών (S.) m. = κοινάν, -ών ‘Gefährte, Genosse’ mit ξυνωνία (Archil.), ξυνωνός (Theognost.); s. zu κοινων, -νία, -νός (s. κοινός). 2. ξυνήϊα n. pl. ‘gemeinsame (noch unverteilte) Beute’ (Α 124, Ψ 809), nach πρεσβήϊα, ξεινήϊα (Risch ̨ 46). 3. ξυνόομαι, -όω ‘in Gemeinschaft treten, teilhaft machen’ (Nearch., Man.; Nonn.). — Aus *ξυν-ι̯ό-ς von ξύν wie κοινός (s. d.) aus *κομ-ι̯ος von *κόμ (*κόν?) = lat. cum. Zu ξυνός ~ κοινός mit Ableitungen vgl. Leumann Hom. Wörter 224 A. 3, Björck Alpha impurum 366f. — Abzulehnen Fay AmJPh 28, 414 (vgl. Kretschmer Glotta 1,378). II-339-340
ξυρόν (-ός m.) n. ‘Rasiermesser’ (seit Κ 173). Vereinzelt als Vorderglied, z.B. ξυρο-δόκη f. ‘Rasiermesserfutteral’ (Ar.); als Hinterglied mit metrisch bedingter Erweiterung in ὑπο-ξύριος (AP 6, 307; Versende), eig. "was unter dem ξ. ist", d.h. ‘worauf ein Rasiermesser gewetzt wird’. Auch als Rückbildung in ὑπό-ξυρος ‘ein wenig (od. unten) abrasiert’, von einer Adlernase usw. (Hp.), ἀπό-ξυρος ‘abgeschnitten, schroff, steil’, von einem Felsen (Peripl. M. Rubr., Luk.), κατά-ξυρος Beiwort von θυρίδες (’Schießlöcher’; Ph. Bel.), von ὑπο-, ἀπο-, κατα-ξυράω, -έω (s.u.). Ableitungen. 1. Deminutiva: ξύρ-ιον (hell.), -άφιον (Gal., Sch.). 2. ξυρίας m. ‘mit einer Tonsur versehen, glattgeschorener Mensch’ (Poll., H.). 3. ξυρίς, -ίδος f. ‘Schwertel, Iris foetidissima’ (Dsk., Plin., Gal.), wegen der Form der Blätter (Strömberg Pflanzennamen 44); zu beachten immerhin die (ursprüngliche?) Form ξιρίς bei Thphr. u.a. 4. Denominative Verba: a. ξυρέω (Hdt., Trag. u. att.), ξυράω, -άομαι (Hdt., Plu. u.a.), ξύρω. -ομαι, Aor. ξῦραι, -ασθαι (Hp., hell. u. sp.), auch mit Präfix, z.B. ἀπο-, ὑπο-, κατα-, ‘glatt scheren, rasieren’ mit ξύρησις f. ‘das Rasieren’ (LXX usw.), -ήσιμος ‘zum Rasieren geeignet’ (Ael. Dion.), ξυρησμός m. ‘ds.’ (Hdn.), ξυρητής m. ‘Barbier’ (Pap.); b. ξυρίζω = -έω (Sch.) mit ξύρισμα n. ‘das Rasieren’ (Tz.). — Als altererbt mit aind. kṣurá- m. ‘Rasiermesser’ identisch, idg. *ksuró- (zur ursprünglichen Bed. Schrader-Nehring Reallex. 2, 61 m. Lit.). Wegen der beschränkten Verbreitung des Wortes will Specht KZ 66, 9ff. und Lexis 3, 70 in kṣurá- = ξυρόν ein gemeinsamesLW aus einer unbekannten südöstlichen Quelle sehen. Wohlbegründete Einwände bei Thieme Die Heimat d. idg. Gemeinspr. 49 f., Fraenkel Glotta 32, 24 f. m. A. 3, Dehò Ist. Lomb. 91, 349 f. — Weitere Anknüpfungen s. ξύω. II-341
ξυστάδες · αἱ πυκναὶ ἄμπελοι, ἄμεινον δὲ τὰς εἰκῇ καὶ μὴ κατὰ στοῖχον πεφυτευμένας ἀκούειν H. — S. συστάς. II-341
ξυστίς, -ίδος f. 1. ‘Schleppkleid, das im festlichen Aufzug usw. getragen wurde’ (Kom., Pl. u.a.) mit ξυστιδωτός (sc. χιτών) ‘schleppkleidähnlicher (= langer) Chiton’ (att. Inschr.); 2. ‘Schabeisen, Striegel’ (Epich., Diph.). — Von ξυστός ‘ge- schabt, glattgeschoren, geglättet’, u. zw. teils wohl als scherzhafte Bez. eines den Fußboden fegenden Kleides (zur Bild. Chantraine Form. 343 f.), teils = "Werkzeug, womit geglättet wird" (Chantraine 338). — S. ξύω. II-341
ξυστόν 1. n. ‘Speerschaft’, gew. ‘Speer, Lanze’ (Il., Hdt., E., X. usw.). — Als "das Geglättete, geglättete Stange" (δόρυ) zu ξύω, s. d. II-341
ξυστός 2. auch -όν n. m., ‘freie Promenade in einem Garten, einem Gymnasium usw., Säulengang, wo sich die Athleten (im Winter) üben’ (X., hell. u. sp. Inschr., Vitr., Plu., Paus.). Als Vorderglied in ξυστ-άρχης m. ‘Vorsteher eines ξυστός’ mit ξυσταρχ-έω, -ία (sp. Inschr. u. Pap.). Davon ξυστικός ‘zum ξ. gehörig, der sich in einem ξ. übt’ (sp. Inschr. u. Pap., Gal. u.a.). — Als urspr. Adj. eig. ‘geebnet, geglättet’, vom Fußboden einer Promenade und eines Säulengangs, so noch in ξυστὸς δρόμος (Aristias 5, Va); vgl. auch ξύειν ‘abschürfen, ebnen’, von δάπεδον (χ 456) und Paus. 6, 23, 1 mit Hitzigs und Blümners Anrn. — Nicht mit Meister Die Mimiamben des Herodas 718 f. u.a. (s. Bq) als "das mit einem anderen verbundene Bauwerk" zu ξυ-στῆναι, wogegen sowohl die Bed. wie die durchgehende Schreibung nnt ξυ- (statt συ-) sprechen. Fernzuhalten ist ξυστάδες (συστ.), s. d. II-341
ξύω, Aor. ξῦσαι, Pass. ξυσθῆναι, Perf. Pass. ἔξυσμαι, ‘schaben, glätten, abschürfen’ (seit Il.). auch m. Präfix, z.B. ἀπο-. ἐπι-, κατα-, περι-, Mehrere Ableitungen. Nomma actionis: 1. ξῦσις (ἀπό͂) f. ‘das Schaben, Kratzen, die Zerfressung’ (Hp., Inschr. u.a.). 2. ξῦσμα (ἀπό- ~) n. ‘Abschabsel, Span, Zupfleinwand usw.’ (Hp., Arist. u.a.) mit ξυσμά-τιον, -τώδης (Mediz. u.a.); -λιον n. ‘zerfressendes Pflaster’ (Kyran.). 3. ξυσμή f. ‘Krätze’ (Sophr.), pl. ‘Gekritzel’ (AP, D. T.). 4. ξυσμός m. ‘das Jucken, die Reizung’ (Hp.). 5. κατα-ξυή f. ‘das Glätten’ (Didyma IIa). — Nomina agentis und instrumenti : 6. ξυστήρ, -ῆρος (περι- ~) m. ‘Schaber, Schabeisen, Raspel, Feile’ (Hp., hell. Inschr. u. a.) mit ξυστ-ηρίδιον (Phryn.), -ήριος (Paul. Aeg.). 7. ξύστρα f. ‘Schabeisen, Strie- gel’ (Hp., hell. Inschr. u. Pap.). 8. ξῦστρον = -τήρ (Sparta II p), auch ‘Sichel, Sense am Wagen’ (D.S.); davon ξυστρίον (Pap.IIa Paul. Aeg.), -στρίς H. s. στελγίς (= στλεγγίς), -στρωτός ‘ausgekehlt, kanneliert’ (LXX, Hero u.a.), -στρόομαι ‘auskehlen’ (Mylasa). 9. περι-ξύσ-της m. N. eines chirurgischen Instruments (Hermes 38, 283). 10. ξυήλη (dor. -άλη) f. ‘Schabmesser’ (X., H., Suid.). 11. ξυστάλλιον = ξῦστρον (Delos IIIa). — Adj. ξυστικός ‘zum Schaben gehörig usw.’ (Mediz. u.a.). — Zu ξυστ-ίς, -όν, -ός und ξυρόν s. bes. — Das ausgeglichene griechische Formensystem hat keine direkte außergriechische Entsprechung. Ein athematisches dehnstufiges Präsens mit Nasalinfix liegt vor in aind. kṣṇáuti ‘schleifen, wetzen, reiben’ mit dem schwundstufigen Ptz. Präs. kṣṇuvāná-. Das Nasalinfix ist auch in außerpräs. For- men durchgeführt, z.B. Ptz. Perf. kṣṇutá- (= aw. hu-xšnuta- ‘gut geschärft’), Verbalnomen kṣṇótram n. ‘Schleifstein’. Das hohe Alter dieses n -Infixes ergibt sich aus lat. novācula f. ‘Scher-, Rasiermesser’ von *novāre aus *ksnovāre, einer denominativen oder deverbativen Bildung. In Betracht kommt ferner lit. sku-t-ù, skù-s-ti ‘rasieren, schaben usw.’, wenn aus ksu- umgestellt; s. Fraenkel s.v. — Weitere Formen mit reicher Lit. bei WP. 1, 450, Pok. 585, W.-Hofmann s. novā-cula, Mayrhofer s. kṣṇáuti. Vgl. ξέω und ξαίνω. II-341-342
ὀ- 1. kopulatives Präfix in ὄ-πατρος ‘dieselbe väterliche Abstammung habend’ (Λ 257 u. Μ 371; ὀπάτριος Lyk.; vgl. s.v.); ὄ-τριχες ἵπποι ‘Pferde von ähnlicher Mähne’ (Β 765); ὀγάστωρ· ὁμογάστωρ, ὄζυγες· ὁμόζυγες H. u.a., auch in οἰέτεας (s.d.). — Wohl äolisch für ἀ-, ἁ- copulativum; s.d. und Schwyzer 433 m. Lit. Semantisch kommt es bisweilen dem Folg. sehr nahe. II-342
ὀ- 2. ‘nahe bei, an, zu, mit’ erstarrtes Präfix in ὀ-κέλλω ‘ans Land treiben’, wohl auch ὀτρύνω, ὄζος, ὄσχος u.a.; näheres unter den einzelnen Wörtern; vgl. auch ὄαρ. — Ohne direkte außergriech. Entsprechung. Eine ähnliche Funktion hat indoiran. (Präverb und Präp.) ā- ‘hinzu, zu—hin, von—weg’ (z.B. aind. ā-gam- ‘herankommen’); weitere, mehr oder weniger unsichere Fälle aus anderen Sprachen bei WP. 1, 95f., Pok. 280f. Dehnstufige Formen sind mit zweifelhaftem Recht in ὠρύομαι, ὠκεανός, ἠβαιός, ἠρέμα vermutet worden, s. dd. und Schwyzer 434, Schw.-Debrunner 491. Nicht hierher ἐθέλω (s.d.; durch Aphärese θέλω). II-342
ὁ, f. ἡ, dor. ἁ, wozu pl. οἱ, αἱ (ep., att. usw.) analog. für τοί, ταί (ep., dor.) demonstr. Pron. und Artikel ‘der, die’ (seit Il.). Daneben subst. ὅς in καὶ ὅς, ἦ δ’ ὅς u.a. (seit Il.). — Altes Demonstrativum, urspr. nur Nom. Sing. m. u. f., in mehreren Sprachen erhalten, z.B. aind. sá (sáḥ), f. sā́, germ., z.B. got. sa, sō, toch. B se (< idg. *so), sā, alat. sa-psa ‘ipsa’ mit neugebildeten sum, sam, sōs, sās ‘eum, eam, eos, eas’, idg. *so(s), sā. Dagegen heth. šaš ‘und er’ aus *šu-aš. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 509, Pok. 978f., Schwyzer 610f., W.-Hofmann s. iste u. a. m. — Vgl. auch ἕ. ἑ. II-342-343
ὀά (ὀᾶ) Interjektion des Schmerzes (A. Pers. 117 u. 122 [lyr.]). Daneben οὐά, οὐᾶ Interj. der Bewunderung (Arr. Epikt., D.C., Ev. Mark. 15, 29); οὐαί Interj. des Schmerzes ‘wehe’ (LXX, J., NT u.a.). — Elementarverwandt mit lat. vāh Interjektion mannigfacher Bedeutung, vae Schmerzenslaut, germ., z. B. got. wai, lett. wai usw. ‘o weh’; weitere Formen bei WP. 1, 212f., Pok. 1110f., W.-Hofmann s. vāh und vae. Hell. u. sp. οὐαί kann z. T. Hebraismus (hōǰ, ’ōj), z. T. Latinismus sein, s. Blass-Drebrunner ̨ 4, 2. — Über ὀ-, οὐ- als Wiedergabe eines w-Lautes Schwyzer 313, Schw.-Debrunner 601. II-343
ὄα, ὄη (οἴη, οὔα) f. ‘Elsbeerbaum, zahme Eberesche, Sorbus domestica’ (Thphr.); daneben ὄον, οὖον n. ‘Elsbeere’ (Pl. Smp. 190d, Hp., Thphr., Dsk. u. a.). — Wörter, die der Form und dem Sinne nach daran erinnern, finden sich in mehreren Sprachen. So lat. ūva f. ‘Traube’, das wie ὄα auf idg. *oiu̯ā zurückgehen kann; eine Ableitung davon ist in arm. aigi ‘Weinstock’ (aus *oiu̯-ii̯ā) vermutet worden. Zum Vergleich herangezogen wurde auch die baltische Benennung des Faulbaums, lit. (j)ievà, lett. iẽva f., womit anderseits ein slavischer Name der Weide, z.B. russ. íva f. zusammenzugehören scheint. Dies leitet wiederum zum keltogerman. Wort für ‘Eibe’ hinüber, z.B. ir. eo m., ahd. iwa f.; hierher noch apreuß. iuwis ‘Eibe’. — Wieweit die obengenannten Worte auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgehen, wieweit mit alten Entlehnungen zu rechnen ist, bleibt wohl für immer dunkel. Für gemeinsamen Ursprung z.B. WP. 1, 165, auch Pok. 297f. (urspr. Farbadj. ‘rötlich, bunt’ mit unbeweisbaren weiteren Kombinationen), Specht Ursprung 63 u. 205 (ebenfalls ganz hypothetisch). Weitere Lit. auch bei W.-Hofmann, Fraenkel und Vasmer s. vv., dazu Bonfante Emer. 2, 287 f. — Aus gr. ὄα, οἴη stammt alb. vo-dhë, va-dhë (Jokl Untersuchungen 207 ff). II-343
ὄαρ, ὄαρος f. ‘Gattin’ (nur Gen. pl. ὀάρων Ι 327; Dat. pl. ὤρεσσιν Ε 486; ὄαρας· γάμους. οἱ δὲ γυναῖκας H.). Davon ὀαρίζω nur Präs. und Ipf. ‘traulichen Umgang, trauliche Unterredung haben, vertraulich verkehren, plaudern’ (IL, h. Hom.) mit ὄαρος, gew. pl. -οι m. ‘traulicher Umgang, Verkehr, trauliches Gespräch’, auch ‘Liedchen’ (h. Hom., Hes., Pi., Kall. u.a.), wohl Rückbildung; auch ὀαριστύς f. (Hom.), später ὀαρισσμός, gew. pl. -οί m. (Hes., Kall., Q. S.), ὀαρίσματα pl. (Opp.) ‘vertrauter, naher Verkehr, trauliche Gespräche, Gekose’; ὀαρισ-τής m. ‘Vertrauter’ (τ 179, Timo); über Bed. und Gebrauch der Verbalnomina Benveniste Noms d’agent 70, Porzig Satzinhalte 181 f. — Aus dem Denominativum ὀαρίζω ist für ὄαρ eine ursprüngliche Bed. *’traulicher Umgang’ o.a. zu erschließen, woraus konkretisiert ‘trauliche Gesellschaft(erin), Gattin’. Eine sichere Etymologie ist nicht gefunden. Mehrere Vorschläge: 1. zu ἀρ- in ἀραρίσκω (Pott, Brugmann IF 28, 293f.); 2. zu εἴρω ‘reihen, anfügen’ (Bugge, Bechtel Lex. s.v.); 3. zu ἀείρω ‘zusammenbinden, -koppeln’ (Fraenkel Nom. ag. 2, 167 f.); anl. ὀ- wäre entweder äol. = ἀ copulativum ‘gleich, zusammen’ oder = ‘zu, mit’ (in ὀκέλλω u.a.). Urspr. Bed. somit etwa *’Zusammenfügung, Verbindung, Verkehr, Umgang’. Bechtel (mit Bugge) will dagegen ὄαρ als Nom. agentis im Sinn von ‘colloquia serens’ (vgl. awno. rūna f. ‘Gattin’, eig. ‘colloquiorum socia’) auffassen. — Abzulehnen Meringer IF 16, 171 und Benveniste BSL 35, 104. Vgl. WP. 1, 69, Pok. 56, W.-Hofmann s. 2. serō, auch Curtius 354; s. noch χαλκοάρας. II-343-344
ὄβδην nur in εἰς (ἐς) ὄβδην ‘zu Gesicht, ins Angesicht, öffentlich’ (Kall. Fr. 522, Lampsakos; A.D. Adv. 198,7 [wo auch ὄβδην]). — Adverb auf -δην von ὀπ- ‘sehen’ in ὀπ-ή, ὄψομαι u.a. mit εἰς wie in ἐς ἄντα. Vgl. Schwyzer 626 A. 6. II-344
όβελός (seit Il.), Ableitungen. 1. Deminutivum ὀβελίσκος m. ‘(kleiner) Spieß, Nadel, Obelisk usw.’ (att., hell.; vgl. Chantraine Form. 408); 2. ὀβελίας (ἄρτος) ‘an einem Spieß geröstetes Brot’ (Hp., Kom. u.a.; Chantraine Form. 95); 3. ὀβελίτης = -ίας (Poll.; Redard 90); 4. ὀβελεία ( = ία) f. Bez. eines eisernen Gegenstandes (att. Inschr.), -ία f. ‘Obolensteuer?’ (Kos Ia); 5. ὀβελ-ιαῖος ‘spießähnlich’ (Mediz.), ὀβολιαῖος ‘einen Obol wert, wiegend’ (Arist. u.a.); 6. ὀβελίζω ‘mit einem Obelos bezeichnen’ (Cic., Hermog.) mit ὀβελισμός m. ‘Bezeichnung mit einem O.’ (Sch.); aber ὀβολισμός m. etwa ‘Frachtgeld’ (Pap. IIIp) ὀβολός (att.), ὀδελός (dor., ark., auch Nik.; Solmsen Wortforsch. 111 A. 1), ὀβελλός (thess.) m. ‘Bratspieß, Spitzsäule, Metallstab als Münze und Gewicht gebraucht, Obol’ (= der sechste Teil einer Drachme), ‘horizontale Linie als kritisches Zeichen’ (hell. u. sp.). Kompp., z.B. ὀβολο-στάτης m. "Obolenwäger", d.h. ‘Kleinwucherer’ (Kom. u.a.), τρι-ώβολον, dor. -ώδελον m. (-ω- kompos. Dehnung) ‘Dreiobolenmünze, Summe von drei Obolen = halbe Drachme’ (Th., Ar. u.a.; Sommer Nominalkomp. 50 m. vielen Einzelheiten); auch ὀδολκαί· ὀβολοί H. aus *ὀδελ-ολκαί? (Bechtel Dial. 2,715; Bedenken bei Kretschmer Glotta 2, 326). — Der Wechsel δ : β in ὀδελός : ὀβελός (woraus durch Vokalassimilation ὀβολός, durch sekundäre Gemination ὀβελλός; Schwyzer 255 und 238) läßt sich aus einer labiovelaren Media gʷ erklären, wobei ὀβελός außerhalb des Äolischen auf Analogie (vgl. ὠβάλλετο· διωθεῖτο H.?) beruhen muß. Das Wort wird gewöhnlich mit dem sinnverwandten βέλος verbanden, aber anl. ὀ- ist nicht aufgeklärt. Eine ganz unwahrscheinliche Deutung (ὀβελός eig. ‘die auf dem Spieß steckende Fleiischportion’) von B. Laum Heiliges Geld (Tübingen 1924) wird von Wahrmann Glotta 17, 242 abgelehnt (s. noch Idg. Jb. 11, 267). — Vgl. ὀπτός. II-344-345
ὄβρια ὀβρικάλοισι (A. Ag. 143 [lyr.]), ὀβρί-χοισι (A. Fr. 474, 809 Mette) Dat. pl. n. (m.?) n. pl. (E. Fr. 616), ‘Junge wilder Tiere’; vgl. ἰβρίκαλοι· χοῖροι H. — Zu ὄβριχα (-οι?) vgl. Tiernamen und hypokoristische Bildungen wie ὀρτάλιχος, ὁσσίχος u.a. (Chantraine Form. 403f.); ὀβρίκαλα (-οι?) scheint eine Kombination von κ- und λ-Suffix zu enthalten. Sonst dunkel. Vendryes REGr. 32, 496 vermutet sizilische Herkunft. — Willkürliche und wertlose Hypothesen von Carnoy Ant. class. 24, 20 und v. Windekens Ling. Balk. 1, 63. Ältere, ebenfalls vergebliche Versuche bei Bq und W.-Hofmann s. agnus. II-345
ὄβριμος (auch ὄμβριμος mit Vorwegnahme des Nasals; vgl. Schwyzer 257 und unten) ‘stark, gewaltig’ (ep. poet. seit Il.). Als Vorderglied u.a. in ὀβριμο-πάτρη f. Beiwort der Athena u.a. ‘die einen gewaltigen Vater hat’; zur Bildung Sommer Nominalkomp. 144 f. m. Lit. — Mit ὄβριμος vergleicht man schon lange (Curtius 532 f. usw.) einige Worte ohne anlaut. ὀ- und mit langem Stammvokal: βριμός· μέγας, χαλεπός H., βριμάομαι ’χαλεπαίνω’, Βριμώ f. Bein. der Hekate und der Persephone u.a. (s. βρίμη), wozu noch βρίθω, βριαρός. Die Kürze des ι in ὄβριμος könnte nach ἄλκιμος und anderen sinnverwandten Adj. eingetreten sein, aber das ὀ- macht große Schwierigkeiten: weder ein Präfix (Brugmann Grundr.2 II : 2, 817) noch eine Vokalprothese (Meillet BSL 27, 129ff.) leuchtet recht ein; vgl. noch Austin Lang. 17, 87. Abzulehnen Arbenz 24f. mit Fay ClassRev. 11, 89 (zu ὄμβρος); eine nicht überzeugende slavische Kombination (poln. olbrzym ‘Riese’ aus ält. obrzym) bei Machek Zeitschr. für Slavistik 1 (1956) 38. — Ältere Lit. bei Bq. II-345
ὄβρυζα f. ‘Feuerprobe des Goldes’ (Just. Edict. 11). Davon ὀβρυζιακός und ὄβρυζος ‘der eine Feuerprobe bestanden hat, rein’, vom Gold (Pap. IV—VIp, Sch.). — LW aus unbekannter Quelle; von Benveniste Rev. de phil. 79, 122 ff. (s. auch Neumann Heth. u. luw. Sprachgut 20) mit heth. ḫuprušḫi Bez. eines Gefäßes, verglichen; semantisch nicht unmittelbar überzeugend. S. auch Benveniste Hitt. et i.-eur. 126ff. — Lat. LW obrussa (seit Cic.), später obryza, -iacus (seit IV p); s. W.-Hofmann s.v. und Leumann Mél. Marouzeau (1948) 382 und Die Sprache 1, 206 (Kl. Schriften 165 u. 172 II-436
ὄγδοος (seit Il.), ὀγδόατος (ep. poet. seit Il.; nach τέτρατος usw.) ‘achter’. Als Vorderglied wahrscheinlich in ὀγδόδιον θυσία παρ’ ’Αθηναίοις τελουμένη Θησεῖ H., wohl eig. von einem "am achten Tage" dargebrachten Opfer; vgl. αὐτόδιον m. Lit. und Sommer Nominalkomp. 47 A. 1. Davon ὀγδοαῖος ‘am achten Tage erscheinend’ (Plb., Plu. u.a.). Zu ὀγδοάς, -ήκοντα usw. s. ὀκτώ. — Aus *ὄγδοϝος (altkor. [ὀγ]δόϝα), vielleicht zu ὀκτώ nach Muster von ἑπτά : ἕβδομος (s. d.). Sommer Zum Zahlwort 24f. erwägt daneben mit Recht die Möglichkeit einer regressiven stimmhaften Assimilation aus *oḱtu̯-os wie in ἕβδομος aus *septm-os, in beiden Fällen mit anaptyktischem -ο-. Ein tiefstuflges -u-, -u̯- neben dem ursprünglichen Langdiphthong in ὀκτώ (idg. *oktōu̯) ist auch in altphryg. οτυϝοι ϝετει ‘im achten Jahre’ und got. ahtuda ’ὄγδοος’ vermutet worden. Diphthonge liegen auch vor in ahd. ahtow-i pl. ‘Achter’ als Amt und in dem dehnstufigen lat. octāvus (mit unklarem ā). Einzelheiten m. reicher Lit. bei Schwyzer 595 m. A. 3, Sommer a.a.O., W.-Hofmann s. octō. II-346
ὀγκάομαι, ‘schreien, brüllen’, vom Esel (Theopomp. Kom., Arist., Luk. u.a.). auch mit προ-, συν-, Davon ὄγκησις f. (Corn., Ael.), -ηθμός m. (Luk., Nonn.), -ημα n. (Gloss.) ‘Geschrei, Gebrüll’, auch vom Ochsen; -ηστής m. ‘Schreier’ (AP), -ηστικός ‘zum Schreien geneigt’ (Sch.); ὀγκώδης ‘ds.’ (Ael.) — Intensivbildung wie βοάω, γοάω, μυκάομαι usw.; s. dd. und Schwyzer 683. — Eine unmittelbare formale Entsprechung bietet das auch semantisch sehr naheliegende lat. uncāre ‘brummen’, vom Bären (Suet. u.a.). Daneben mit urspr. anl. e- (idg. enq-) und semantisch etwas abweichend slav., z.B. russ. jaču, -átь ‘stöhnen, klagend rufen’, alb. nëkónǰ, geg. angój ‘ächzen, seufzen, klagen’. Das Kelt. und Germ. bieten in derselben Bed. allerhand Formen mit urspr. Media (idg. ong-), z.B. mir. ong ‘Stöhnen, Seufzer, Wehklage’, mnd. anken ‘stöhnen, seufzen’; aus dem Balt. kommen hin- zu lit. iñksti ‘winseln, stöhnen’, ùngti ‘wimmern’ u.a.m. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 133, Pok. 322, Vasmer s. jacátь auch Fraenkel s. angùs (mit buntem Vergleichsmaterial). Ob das Wort anfänglich lautnachahmend war, steht dahin (vgl. Snell Hermes 70, 355). — Lat. LW oncāre ‘schreien’, vom Esel (Suet. u.a.). S. auch 2. ὄκνος ‘Rohrdommel’. II-346-347
ὄγκιον (-ίον) n. Bez. einer Kiste für Eisen- und Bronzgeräte (φ 61, Hermipp. 16). — Nähere Konstruktion unbekannt ("σκεῦος πλεκτόν" Poll. 10, 165); somit unklar, ob zu l. ὄγκος ("Kiste mit Haken [Henkeln?]") od. zu 2. ὄγκος (Kiste als Lastträger). II-347
ὄγκος 1. m. ‘Widerhaken des Pfeils, Klampe’ (Il., Philostr. Im., Moschio ap. Ath. 5, 208 b); daneben ὄγκη· γωνία H. — Mit lat. uncus m. ‘Haken’ (sekund. Adj. ‘gekrümmt’) uridentisch; aus lat. uncinus m. ‘Widerhaken’ (Vitr. u.a.; vgl. Leumann Lat. Gr. 225) stammt gr. ὄγκινος ‘ds.’ (Poll. 1, 137 v. L, Sch.). Weitere Verwandte s. ἀγκ- (ἀγκ-άλη, -ών usw.). Wertlose Wurzelzerlegung von Specht Ursprung 189 und 253 A. 1. II-347
ὄγκος 2. m. ‘Masse, Last, Gewicht; Würde, Stolz, Prahlerei’, auch als Stilbegriff (ion. att.). Oft als Hinterglied, z.B. ὑπέρ-ογκος ‘übermäßig groß, übertrieben, hochmütig’ (Pl., X. usw.), selten als Vorderglied, z.B. ὀγκό-φωνος ‘mit wuchtigem, prahlerischem Ton’ (von einer Trompete; Sch.). Ableitungen. 1. Adj. ὀγκ-ηρός ‘massig, umfangreich’, meist übertr. ‘prunkvoll’ (Hp., X., Arist. usw.); -ώδης ‘massig, schwülstig’ (Pl., X., Arist. usw.); ὀγκύλον· σεμνόν, γαῦρον H. mit (δι-)ὀγκύλλομαι, -υλόομαι ‘aufgeschwollen, aufgeblasen werden’ (Hp., Ar. u.a.); Komp. ὀγκότερος ‘massiger’ (Arist.), Sup. -τατος (AP); zur Bildung Schwyzer 536. 2. Verb ὀγκόο-μαι, -όω, auch m. Präfix, z.B. δια-, ἐξ- ‘eine Masse werden, bzw. zustandebringen, (sich) auftürmen, (sich) aufblähen’ (ion. att.) mit (δι-, ἐξ-)ὄγκωσις ‘Anschwellung’ (Arist., Mediz. u.a.), (ἐξ-)ὄγκωμα ‘Anschwellung, Auftürmung, Aufschüttung’ (Hp., E. u.a.). — Aus H.: ὀγκίαι· θημῶνες, χώματα; ὄγκη· μέγεθος (vgl. zu 1. ὄγκος). — Eig. "das Getragene, Tracht, Bürde" als Verbalnomen mit ο-Abtönung zur Schwundstufe in dem reduplizierten Aorist ἐνεγκεῖν; s. d. m. weiterer Lit. II-347
ὄγμος m. ‘Schwad, Reihe abgemähten Grases oder Getreides’, auch von der Bahn des Mondes und der Sonne usw., ‘Streifen Land, das abgemäht oder auf andere Weise bearbeitet wird oder werden soll’, auch als Ackermaß (ep. poet. seit Il., auch Pap. d. Kaiserzeit). Davon ἐπόγμιος ‘die über den ὄγμος waltende’, Bein. der Demeter (AP); ὀγμεύω ‘einen ὄ. bilden, sich in einem ὄ. bewegen’ (X. Kyr. 2, 4, 20 von den Treibern; S. Ph. 163 von dem verwundeten Philoktetes), ἐπ-ογμεύω (κύκλον) ‘eine kreisförmige Bahn beschreiben’ (Tryph. 354); auch Ὄγμιος N. des Herakles bei den Kelten (Luk. Herc. l) ?, s. Brandenstein Sprache 2, 182 m. Lit. — Ausdruck der Landwirtschaft. Als Verbalnomen zu ἄγω (ὄγμον ἄγειν Theok. 10, 2) kann ὄγμος mit aind. (ved.) ájma- m. ‘Bahn, Zug’ uridentisch sein; parallele Neubildung (mit ο nach οἶμος, πότμος u.a.?) ist selbstverständlich auch möglich. Ausführlich über die schon im Altertum umstrittene Bedeutung und über die Etymologie (mit Kritik früherer Ansichten) Kalén Apophoreta Gotoburgensia Vilelmo Lundström oblata (1936) 389 ff., der u.a. auf nhd. dial. Jahn, schwed. dial. ån ‘Schwad usw.’ (= aind. yā́-na- n. Gang, Lauf’, zu yā́-ti ‘gehen’) als schlagendes semantisches (Gegenstück hinweist. Abzulehnen Benveniste Hitt. et i.-eur. 107f.: aus *ὄκμος zu heth. akkala- ‘Furche’. II-347-348
ὄγχνη, auch ὄχνη (Dissimilation?) f. ‘Birnbaum, Pirus communis’, auch ‘Birne’ (Od., Thphr., Theok., Kall., Nik. u.a.); ὄγχνια· ἄπιον H. — Unerklärt. Von Schrader BB 15, 285, Schrader-Nehring Reallex. 1, 147 u. 2, 424 fragend mit ἔγχος (eig. ‘Lanze aus dem Holze des wilden Birnbaums’?), ἀχράς und ἄχερδος verbunden; vgl. s. vv., dazu noch WP. 1, 608 und W.-Hofmann s. acinus. — Hierher noch der ON ’Ογχηστός? (Schwyzer 503). II-348
ὀδάξ Adv. ‘mit den Zähnen, zusammenbeißend’ (ὀδὰξ ἐν χείλεσι φύντες α 381 = σ 410 = υ 268; auch Kom., z.B. Ar. V. 164 διατρώξομαι τοίνυν ὀδὰξ τὸ δίκτυον); viell. in anderer Bed. an drei Stellen der Il. (z.B. Λ 749 ὀδὰξ ἕλον οὖδας; ähnlich Χ 17, Β 418), vgl. unten. Daneben drei Verba: 1. ὀδακ-τάζω (Kall., A. R.), -τίζω (D. H.) ‘beißen, nagen’ (vgl. λακτίζω : λάξ); ἀδακτῶ· κνήθομαι H. 2. ὀδάξ-ομαι, -ω, -άομαι (-έομαι), -άω, auch ἀδάξομαι, -άομαι, Fut. -ήσομαι, Perf. Ptz. ὠδαγμένος (S.), Aor. ὠδάξατο (AP); ὠδάγμην ἐκνησάμην H. ‘sich kratzen, sich jucken, Jucken empfinden, jucken, kratzen, nagen’; ὀδάξει· τοῖς ὀδοῦσι δάκνει H.; davon ὀδαγμός (ἀ-, S. Tr. 770), ὀδαξ-ησμός (Hp., Ph., Plu. usw.) ‘Jucken’, -ητικός (Poll.), -ώδης (Aret.) ‘juckend, Jucken verursachend’. — 3. ἀδαχεῖ ‘krätzt, juckt’ (Ar. Fr. 410), ἀδαχᾷ· κνᾷ, κνήθει κεφαλήν, ψηλαφᾷ H. — Sowohl ὀδακ-τάζω, -τίζω wie ὀδάξει bei H. lassen sich unmittelbar aus ὀδάξ ‘mit den Zähnen’ verstehen. Dagegen weichen die früher und reicher belegten ὀδάξ-ομαι, -άομαι ebenso wie ἀδαχ-εῖ, -ᾷ in der Bed. erheblich ab. Da für die ältesten Belege von ὀδάξ (Il.) eine Bed. ‘mit den Zähnen’ nicht unmittelbar einleuchtet (sie scheint immerhin möglich), will Bechtel Lex. ὀδάξ an diesen Stellen im Anschluß an ὀδάξομαι mit ‘reibend, kratzend’ wiedergeben; zustimmend Wackernagel Unt. 157, WP. 1, 791, Hofmann Et. Wb. Die spätere Bed. ‘mit den Zähnen’ wäre durch eine volksetymologische Anknüpfung an ὀδών und δάκνω entstanden. Die von Bechtel (nach Fick) versuchte Zusammenstellung mit germ., z.B. asächs. bi-tengi ‘nahe an einen rührend’ u.a. überzeugt indessen nicht; vgl. WP. a. O. — Ob ὀδάξ, wenn urspr. ‘zusammenbeißend, mit den Zähnen’ (zu -ξ vgl. λάξ m. Lit.), von ὀδών mit Anschluß an δάκνω oder umgekehrt von δάκνω mit Anschluß an ὀδών ausging, ist kaum zu entscheiden; vgl. außer der Lit. bei Bq und Bechtel auch Güntert Reimwortbildungen 153, Winter Prothet. Vokal 22. Bechtel Lex. und Schwyzer-Debrunner 491 nehmen ein Präfix ὀ- an, wenig glaubhaft. Die Formen mit ἀ- können auf Vokalassimilation beruhen (Schmidt KZ 32, 391 f.), die Aspirata in ἀδαχ-ᾷ, -εῖ muß wohl als Analogie erklärt werden (Schmidt a. O.; von Bechtel abgelehnt). II-348-349
ὀδμή f. ‘Geruch, Duft’, s. ὄζω. II-349
ὀδόλυνθοι · ἐρέβινθοι H. — Nach Strömberg Wortstudien 9 eig. "Wegfeigen", ὁδ-όλυνθοι (?). Vgl. ὄλυνθος. II-349
ὁδός 1. f. (zum fem. Genus Schwyzer-Debrunner 34) Ableitungen (auch von εἴσ-οδος usw.): 1. ὅδιος (ἐν-, παρ-, ἐφ- u.a.) ‘zum Weg gehörig’ (seit Il.); 2. τὰ ὁδαῖα n. pl. ‘Waren, womit man unterwegs Handel treibt’ (θ 163, ο 445; vgl. ὁδάω unten); 3. -οδικός u.a. in μεθοδ-ικός ‘methodisch, systematisch’ (hell. u. sp.); 4. ὁδωτός ‘mit Wegen versehen, gangbar, ausführbar’ (S. OK 495; vgl. ὁδόω); 5. ὁδίτης (παρ- u. a.) m. ‘Reisender,Wanderer’ (seit Il.; ausführlich Redard 31ff. m. Lit.); 6. ὅδισμα n. ‘Wegbau’ (A. Pers. 71 [lyr.]; wie von *ὁδίζω nach τείχισμα u.a.). Denominative Verba: 7. ὁδεύω, sehr oft mit Präfix, z.B. δι-, ἐξ-, μεθ-, παρ-, συν- (z. T. von δί-οδος usw.) ‘des Weges gehen, reisen, wandern’ (seit Λ 569) mit (-)ὅδευσις (ion. att.) u.a.; 8. ὁδόω ‘den Weg zeigen, leiten’ (Hdt., A., E.); 9. ὁδάω (ἐξ-) ‘verkaufen (E.Kyk.); ὁδεῖν· πωλεῖν H. ‘Gang, Weg, Straße, Fahrt, Reise, Marsch’ (seit Il.), übertr. ‘Ausweg, Mittel’ (Pi., ion. att.). Viele Kompp., z.B. ὁδο-ποιέω ‘einen Weg machen, bahnen’ (att., hell. u. sp.) mit -ποιία f. ‘Wegbau’ (X. u. a.), -ποιός m. ‘Straßenbauer’ (X., Aeschin., Arist. usw.) u. a.; ὁδοι-πόρος m. ‘Reisender, Wanderer’ (Ω 375, Trag., Kom. u. a.) mit -πορία, -ίη ‘(Land)reise’ (h. Merc. 85, Hp., Hdt., X. u.a.), -πορέω ‘einen Weg zurücklegen, reisen, (durch)wandern’ (ion., Trag., sp. Prosa) u.a.; ὁδοι-δόκος m. ‘Wegelagerer (Plb. u. a.; Wackernagel Unt. 26); zum Vorderglied mit beibehaltener lokativischer Flexion zur Meidung von drei Kürzen Schwyzer 239 u. 452 m. A. 5, Schw.-Debrunner 155. — Als Hinterglied z.B. in εὔ-οδος ‘mit guten Wegen’ mit εὐοδ-ία, -έω, -όω (att., hell. u. sp.), auch in εἴσ-, ἔξ-, μέθ-, σύν-οδος usw. ‘Eingang usw.’ (seit κ 90) als Ersatz fehlender Verbalnomina von εἰσ-ιέναι (*εἴσ-ι-σι-ς : aind. -i-ti-) usw. (Schwyzer-Debrunner 356 A. 2 m. Lit., Porzig Satzinhalte 201). — Zu ὁδός stimmt ein slavisches Wort für ‘Gang usw.’, z.B. aksl. chodъ m. ’βάδισμα, δρόμος’, russ. chód ‘Gang, Verlauf’, das wie ὁδός sehr oft mit Präfix vorkommt und seinen Anlaut (ch- für s-) gerade gewissen Präfixkompp. (pri-, u-, per-) zu verdanken scheint. Diese Kompp. rechtfertigen auch die weitere Verbindung mit indoiran. Verba wie aind. ā-sad- ‘hintreten, hingehen’, aw. apa-had- ‘weggehen, aufweichen’, mithin auch mit dem Verb für ‘sitzen, sich setzen’ in ἕζομαι u.a. (s. d.), idg. sed-, wozu als Verbalnomen, wohl zunächst mit Präfix, *sodó-s > ὁδός, aksl. chodъ. — Einzelheiten m. Lit. bei WP. 2, 486, Pok. 887, W.-Hofmann s. 2. cēdō, Vasmer s. chód; dazu Porzig Satzinhalte 306 f., Gliederung 170. II-349-350
ὀδός 2. m. ‘Schwelle’ s. οὐδός. II-350
ὀδούς m. ‘Zahn’ s. ὀδών. II-350
ὀδύνη, meist pl. -αι, f. ‘Schmerz, Qual, Leid, Betrübnis’ (seit Il.). Nicht selten als Hinterglied, z.B. περι-ώδυνος ‘sehr schmerzhaft, schmerzvoll’ (Hp., att.; -ω- komp. Dehnung mit περιωδυν-ία f. (Hp., Pl. u.a.), -έω, auch (nach ὀδυνάω) -άω (Mediz.); vereinzelt als Vorderglied wie in ὀδυνή-φατος (ὀδυνήφατα φάρμακα Ε 401 = 900, auch ὀ-ον ῥίζαν Λ 847; danach Orph. L. 345, 753) ‘schmerztötend, -tilgend’, poet. Zufälligkeitsbildung nach ἀρηΐ-φατος u.a., aber mit auffallender aktiver Bed. (vgl. Chantraine Sprache 1,145; nach Risch ̨ 73 a eig. Konsonantstamm). Ableitungen: ὀδυν-ηρός, dor. -ᾶρός ‘schmerzhaft, betrübend’ (Pi., att.), -ωδῶς Adv. ‘in schmerzhafter Weise’ (Gal.), -αίτερος ‘schmerzhafter’ (Hp.) wie von *ὀδυναῖος nach σχολαίτερος (: [σχολαῖος :]σχολή) u.a. (Schwyzer 534); ὀδυνάω, -άομαι, selten mit ἐξ-, κατ-, ‘schmerzen, betrüben; Schmerz empfinden, sich bekümmern’ (ion. att.) mit ὀδυνήματα pl. ‘Schmerzen’ (Hp.). — Neben ion. att. ὀδύνη (urspr. pl. tant. ?; Witte Glotta 2, 18f.) steht äol. (Greg. Kor. 597) ἐδύνας (Akk. pl.); der Vokalwechsel kann entweder auf alten Ablaut oder auf Vokal- assimilation (ε > ο vor υ; vgl. Schwyzer 255) zurückgehen. Beide Formen sind ᾶ-Erweiterungen eines Verbalnomens auf -u̯en- : -un- von ἐδ- ‘essen’ (curae edaces Hor., lit. ėdžiótis ‘sich quälen’ neben ēdžióti ‘fressen, beißen’, zu ė́sti ‘fressen’; dazu Fraenkel Wb. s. v.), wozu das alternierende -u̯er- : -u̯r̥-: -ur- in εἶδαρ > *ἔδ-ϝαρ ‘Essen, Speise’ (s. zu ἔδω, wo auch aind. Verwandte) und ὀδύρομαι (s. d.). Ein weiterer Vertreter dieses Nomens ist arm. erkn, Gen. erkan ‘Geburtsschmerz, schwerer Schmerz’ aus *ed-u̯ōn od. *ed-u̯ēn, s. Frisk Etyma Armen. 11 ff. m. weiteren Einzelheiten. — Nicht mit L. Meyer 1, 523 f. und Prellwitz zu δύη. Vgl. ὠδίς. II-350-351
ὀδύρομαι, dazu seltene außerpräsentische Formen, Aor. ὀδύ-ρασθαι. Pass. ὠδύρθην, Fut. ὀδυροῦμαι, ‘laut klagen, jammern, trauern, beklagen, bejammern’ (seit Il.). auch m. Präfix, z.B. ἀπ-, κατ-, Davon ὀδυρμός m. (Trag., Pl. u.a.), ὄδυρμα n. (Trag.) ‘Klage, Jammer’, ὀδύρ-της m. ‘der in Klage ausbricht’ (Arist.), -τικός ‘zum Klagen, Jammern geneigt’ (Arist., J. Plu.). — Denominatives Jotpräsens zu dem mit dem ν-Stamm in ὀδύνη (s. d.) alternierenden ρ-Stamm, somit eig. ‘Schmerz, Qual empfinden’. Als Reimwort zu μύρομαι entstand daraus δύρομαι (s. d.). Frisk Etyma. Armen. 12 (nach Debrunner lF 21, 206). II-351
ὀδύσ(σ)ασθαι Aor. (ep. seit Il.), Perf. Pass. ὀδώδυσται (ε 423), Aor. Pass. ὀδυσθῆναι H. ‘zürnen, grollen’. Keine Ableitungen. — Zum Aor. ὀδύσ(σ)ασθαι (z.B. ὀδύσαντο Z 138, ὀδυσ-σάμενος τ 407) gehört wahrscheinlich mit metr. Dehnung οὐδύεται· ἐρίζει H., eine Bildung wie ἠπύω (s. d.), ἱδρύω, μεθύω u.a. (s. Schwyzer 727). Wenn nicht nach anderen Verba auf -ύω analogisch entstanden, muß ὀδύομαι (wozu ὀδυ-σ-θῆναι usw. m. sekund. σ) auf ein Nomen *ὀδ-υ-ς zurückgehen, das zu einem Verb für ‘hassen’ in lat. ōdī mit ŏd-ium, arm. ateam gezogen worden ist mit weiterer Einbeziehung von einem germ. Adj. für ‘dirus, atrox’, ags. atol, awno. atall, und, noch unsicherer, heth. ḫatuki- ‘schrecklich, furchtbar’, s. Bq mit älterer Lit., auch WP. 1, 174 f., W.-Hofmann s. ōdī, Friedrich Wb. s. v. (vgl. zu ἀτύζω). — Unwahrscheinliche Analyse von ὀδυσ- bei Schulze Q. 341. II-351
’Οδυσσεύς, ep. auch ’Οδυσεύς (metr. Kürzung?; vgl. zu ’Αχιλλεύς). Mehrere Nebenformen mit λ (vgl. Schwyzer 209 u. 333 m. Lit., Heubeck Praegraeca 24ff.): ’Ολυσ(σ)εύς, ’Ολυτ(τ)εύς, ’Ολισεύς u.a. (Vaseninschr.), Οὑλιξεύς (Hdn. Gr.), lat, Ulixēs; die δ-Form ist nur episch-liter. gesichert. m. Sohn des Laertes und der Antikleia, König der Insel Ithaka (seit Il.). Davon ’Οδυσήϊος (σ 353). ’Οδύσσεια f. ‘die Odyssee’ (Hdt., Pl. u.a.) mit ’Οδυσσειακός ‘zur Od. gehörig’ (Hdn. Gr., Sch.), τὰ ’Οδύσσεια ‘Odysseus-Spiele’ (Magn. Mae. IIIa); ’Ολισ-σεῖδαι pl. m. N. eines Geschlechts (φράτρα) in Theben und Argos (Inschr.). — Schon von den ep. Dichtern (z.B. τ 407 ff.) volksetymologisch mit ὀδύσσομαι verbunden (Linde Glotta 13, 223, Risch Eumusia [Festschr. Howald 1947] 82 f., Stanford ClassPhil. 47, 209 ff.). Neuere Erklärer haben den Ursprung des Namens teils im griech. Westen oder auf dem Festland überhaupt, teils in Kleinasien gesucht. Für westlichen, zunächst illyrischepirotischen Ursprung Helbig Herm. 11, 281 (Bedenken bei Kretschmer Einl. 280ff. mit Ed. Meyer), Krahe IF 49, 143, v. Windekens Herm. 86, 121 ff. (mit Lit.); für festländische Herkunft Bosshardt 138 f. (auch zum Lautlichen); für kleinasiat. Herkunft Hrozný Arch. Or. 1, 338, Gemser Arch. f. Orientforsch. 3, 183 (aus babyl. heth. Ul(l)uš?; dazu Kretschmer Glotta 18, 215), Kretschmer Glotta 28, 253 u. 278 (Odysseus als anatolischer Heros zu protohatt. Λύξης, lyd. Λίξος). Ganz fragliche Versuche, den Namen ’Οδυσσεύς mit dem Namen seines mutterlichen Großvaters Αὑτόλυκος sprachlich zu vereinigen, von Bolling AmJPh 27, 65 ff., Lang. 29, 293 f. und von v. Windekens a. O. (mit ganz abweichender Begründung). Abzulehnende Kombinationen von Theander Eranos 15, 137 ff., Carnoy Muséon 44, 319ff., Focke Saeculum 2, 589f. II-351-352
ὀδών (ion.) und ὀδούς (Arist., LXX usw.; vgl. unten), ὀδόντος, äol. pl. ἔδοντες. m. ‘Zahn’ Mehrere Kompp., z.B. ὀδοντ-άγρα f. ‘Zahnzange’ (Hp., Arist. u.a.), χαυλι-όδων (Hes. Sc. 387), ntr. -όδον und -όδουν (Arist.) ‘mit hervorstehenden Zähnen’. Ableitungen. 1. Subst. ὀδοντάριον ‘kleiner Zahn’ (Heliod. ap. Orib.), ὀδοντ-ίς f. N. eines Fisches (Pap. IIIa; zum Benennungsmotiv Strömberg Fischnamen 45), -ᾶς m. ‘dentatus’, -ίας m. ‘dentiosus’ (Gloss.); odontītis f. ‘Zahnkraut’ (Plin.; Redard 74). 2. Adj. ὀδοντ-ικός ‘zu den Zähnen gehörig’ (Mediz.), -ωτός ‘mit Z. versehen’ (Hero, Luk., Gal.), wozu ὀδοντόομαι ‘mit Z. versehen werden’ (Poll.). 3. Verba. ὀδοντ-ιάω ‘zahnen’ (Gal.) mit -ίασις f. ‘das Zahnen’ (Dsk., Gal.), -ίζω ‘mit Z. versehen’ (Orib.), ‘(mit einem Zahn) glätten’ (Pap.; vgl. charta dentata und Lagercrantz zu PHolm. 4, 40), wozu -ισμός (Poll.), -ισμα (Eust.) ‘das Zähneknirschen’. — Nach äol. ἔδοντες (mit sekund. Barytonese) zu schließen, steht ὀδόντ- mit Vokalassimilation für *ἐδόντ-; das jüngere ὀδούς für ὀδών hat sich nach διδούς u.a. gerichtet (Solmsen Wortforsch. 30 ff.; kaum begründeter Zweifel bei Schwyzer 566; zum Nom. sg. noch Gaar Gymnasium 60, 169 ff. [ὀδούς att.], Leroy Mél. Jos. Hombert = Phoibos 5 [1950—51] 102 ff.). — Bis auf den sekund. Anlautvokal (vgl. ἐ-ών für älteres [att.] ὤν, auch ἑκών) stimmt ὀδών, ὀδόντ-ος zur alten Benennung des Zahns in aind. dán, Akk. dánt-am m. ( = ὀ-δόντ-α), lit. dant-ìs m. (f.), germ., z.B. ahd. zan(d), idg. *d-ont-; daneben mit Schwundstufe (idg. *d-n̥t-) got. tunþ-us, lat. dēns u.a.; der ursprüngl. Ablaut ist noch im Aind. lebendig, z.B. Gen. sg. dat-ás (< *dn̥t-ós) gegenüber dánt-am; vgl. noch die germ. Formen. Ein sekund. Anlautvokal findet sich auch in arm. atamn (anders z. B. Sturtevant Lang. 19, 301). — Eig. "der Essende" Ptz. Präs. vom Verb für ‘essen’ in ἔδω (s. d.). Semantische Bedenken u.a. bei Benveniste BSL 32, 74 ff. (mit anderer Etymologie); dagegen mit Recht schon Solmsen a. O. Weitere Formen mit reicher Lit. bei WP. 1, 120 (Pok. 289), und in den Spezialwörterbüchern, bes. W.-Hofmann s. dēns. — Vgl. νωδός und αἱμωδέω. II-352-353
ὄζος 1. (seit Il.), äol. ὔσδος (Sapph., Schwyzer 182) m. ‘Ast, Zweig, Schößling’, auch ‘Baum- od. Stengelknoten’ (Thphr.). Als Vorderglied z.B. in πέντ-οζος ‘mit fünf Asten’, als Ben. der Hand (Hes. Op. 742), πεντά-οζος ‘mit fünf Knoten’ (Thphr.). Davon ὀζ-ώδης ‘ästig, knotenreich’ (Thphr., Dsk.), -ωτός ‘ästig’, -αλέος ‘ds.’ (AP; nach ἀζαλέος; auch nach τρηχαλέος?, Debrunner IF 23, 32), -όομαι ‘Äste treiben’ (Hp., Thphr.). — Altererbtes Wort für ‘Zweig’, mit arm. ost, Gen. -oy, germ., got. asts ahd. u. nhd. ast uridentisch, idg. *ozdo-s. Daneben mit abweichender Länge (idg. ō?) ags. mnd. ōst ‘Knoten im Holz, Knorren’. — Seit Brugmann IF 19, 379 A. 1 und Grundr.2 II: 2, 816 in *o-zd-o-s zerlegt und als ‘(am Stamm) ansitzend’, "Ansitzer" erklärt, von 2. ὀ- (s. d.) und schwundstuf. sed- in ἵζω (s. ἕζομαι). Aber wegen des gleichgebildeten lat. nīdus ‘Nest’ aus *ni-zd-o-s, eig. "das Niedersitzen, Ort zum Niedersitzen" eher mit Bloornfield Lang. 3, 213f. als "place to sit on", mit Beziehung auf die Vögel, zu verstehen. — Aus Demin. ὀζάριον mgr. ἀζάρι, wovon ngr. ζαρώνω ‘verschrumpfen, zusammenziehen’ (Hatzidakis Glotta 11, 176 ff.). II-353
ὄζος 2. in ὄζος Ἄρηος Bein. tapferer Helden (Il.) s. ἄοζος. II-353
ὄζω (ion. att.), ὄσδω, -ομαι (Theok., Xenoph.) mit ὀζῆσαι, ὀζήσω (att.), auch ὀζέσαι, -έσω (Hp. Superf., hell. u. sp.), Plusqupf. ὀδώδει (Od.), Perf. ὄδωδα (hell. u. sp.), ‘riechen, duften’. auch m. Präfix wie ἀπ-, προσ-,Als Vorderglied in dem Rektionskomp. ὀζό-στομος ‘mit stinkendem Atem’ (AP, M. Ant. u.a.). als Hinterglied in Pflanzenn. wie κυν-όζ-ολον (Ps.-Dsk.); vgl. Strömberg 60f. Ableitungen. 1. ὀδμή (seit Il.), ὀσμή (att., Hippon.; zu σμ aus δμ unten) f. ‘Geruch, Duft’; als Hinterglied z.B. in εὔ-οδμος, -οσμος ‘mit schönem Geruch, wohlriechend’ (Pi. usw.), auch in ὄνοσμα n. Pflanzenname? (Dsk. u.a.; Strömberg 61); davon ὀδμ-αλέος (Hp.), -ήεις (Nik.), -ηνός (H.; cod. ὄδ-) ‘stark riechend’; ὀσμ-ώδης (Arist., Thphr.), -ηρός, -ήρης (Nik.) ‘ds.’; ὀσμύλ-η, -ος, -ιον ‘starkriechender Seepolyp’ (Ar., Arist. usw.), ὀσμ-ίτης (Gloss.), -ῖτις (Ps.-Dsk.) Pflanzennamen (Redard 75), -άς f. = ὄνοσμα (Dsk.); ὀδμ-, ὀσμ-άομαι ‘riechen’ (ion., Arist. usw.) mit -ησις (Aret.). — 2. Vom Präsens: ὄζ-αινα f. = ὀσμύλη (Kall.), ‘stinkender Nasenpolyp’ (Gal. u.a.) mit -αινικός ‘zur ὄζαινα gehörig’ (Ps.-Dsk.); ὄζολις f. = ὀσμόλη (Arist.); ὄζη f. ‘übel- riechender Atem’ (Cels.), ‘Haut des Wildesels’ (Suid.; wegen des Geruchs); ὀζηλίς· ἡ βοτάνη (Theognost.); ὀζώδης = ὀδμώδης (EM, Sch.); auch ’Οζόλαι m. pl. Ben. eines lokrischen Stammes (Hdt., Str., Plu. u.a. mit verschiedenen Erklärungsversuchen)? Erweitertes Präsens ὀζαίνομαι = ὄζω (Sophr.; nach ὀσφραίνομαι; Schwyzer 733 m. Lit.). — 3. Vom Perf.: ὀδωδή f. ‘Geruch’ (AP). — 4. -ώδης in εὐ-ώδης ‘mit schönem Geruch, wohlriechend’ (seit Il.) usw.; sehr produktiv mit ganz verblaßter Bed. (Chantraine Form. 429 ff., Schwyzer 426 m. Lit.). — Vom Perf. ὄδωδα abgesehen gehen alle Verbformen als Neubildungen auf das Präs. ὄζω zurück. Auch die Ableitungen fußen zum großen Teil auf dem Präsens. Für sich stehen indessen nicht nur das vom Perf. abgeleitete ὀδωδή, sondern auch die im Griech. isolierten ὀδμή und -ώδης. Beide können vorgriechisch sein, indem ὀδμή sich mit alb. âmë ‘unangenehmer Geruch’ deckt (idg. *od-mā), -ώδης den in lat. odor, alat. odōs, wohl urspr. auch in arm. hot, Gen. -oy (h- sekund.) ‘Duft, Geruch’ vorliegenden s-Stamm, idg. *odos- repräsentiert, u. zw. entweder mit kompositioneller Dehnung oder mit alter Dehnstufe (idg. *ōdos-; vgl. lit. úodžiu unten) wie in arm. -ut (z.B. hr-ut = πυρώδης von hur = πῦρ) neben -ot (z.B. bor-ot ‘aussätzig’). Dagegen ὀσμή nicht mit Brugmann Grundr.2 II: 1, 251 u.a. aus *ὀδ-σ-μά̄ sondern rein lautlich aus ὀδ-μά̄, s. Schwyzer 208; vgl. auch ὀσφραίνομαι. — Sowohl idg. *od-mā wie *odos- setzen ein primäres Wz. präsens voraus, das in themat. Form in lat. ol-ō, ol-ĕre (mit l für d) erhalten ist; daneben die geläufigere Neubildung ol-e-ō, -ēre (nach den Intransitiva). Das Jotpräsens ὄζω unterscheidet sich nur bzgl. der Vokallänge von balt., z.B. lit. úodžiu ‘riechen’, idg. *ŏd-i̯ō, bzw. *ōd-i̯ō (alter Ablaut eines athem. Paradigmas?). Arm. hot-im ‘riechen, duften’ ist denominativ von hot (s. oben). Zum redupl. Perf. ὄδ-ωδ-α bietet das arm. Präs. hot-ot-im (mit intensiver Reduplikation) ein nahes formales Gegenstück. — Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 1, 174, Pok. 772f., W.-Hofmann s. odor, Ernout-Meillet s. odor (wichtig für die Morphologie); dazu Porzig Gliederung 177 und Satzinhalte 289. II-353-355
ὀθνεῖος ‘fremd, ausländisch’ (Demokr., att., Arist. u.a.), ‘unregelmäßig’ (Gal., Aret. u.a.); ὀθν(ε)ιό-θυμβος ‘in der Fremde bestattet’ (Man.). S. ἔθνος. II-355
ὄθομαι nur Präsensstamm (bis auf ὄθεσαν· ἐπεστράφησαν H.) etwa ‘sich kümmern, sich an etw. kehren, sich scheuen’, nur mit Negation (Il., A. R.). Daneben aus H.: ὀθέων· φροντίζων, ὄθη· φροντίς, ὤρα, φόβος, λόγος und ὄθεσαν (s. oben). — Nicht sicher erklärt (zum ο-Vokal Schwyzer 721). Mehrere Vorschläge, alle bestenfalls hypothetisch: zu got. ga-widan usw. (Fick BB 28, 106; ablehnend WP. 1, 256); zu ὀθεύει· ἄγει, φροντίζει H., lit. vedù ‘leiten, führen’ usw. (Lagercrantz KZ 35, 271; ablehnend WP. 1, 255); zu ἔθων (s.d.), ὠθέω, ἔθειρα (Frisk, s. ebd.). Vgl. auch νωθής. II-355
ὀθόνη, gew. pl., ὀθόνιον, oft pl., n. (Hp., att., hell. u. sp.) . f. (Hom., Emp., Act.Ap., Luk., Gal., AP u.a.), ‘feine Leinwand, Linnen, Leintuch, Segeltuch’ (vgl. Blinzler Phil. 99, 158ff.). Von ὀθόνη : ὀθόνινος ‘aus ὀ.’ (Pl. Kom., Luk.). Von ὀθόνιον : ὀθονιο-πώλης ‘Leinwandhändler’ (Pap.) u. andere Kompp.; ὀθονι-ακός m. ‘ds.’ (Pap., Inschr.), -ηρά f. ‘Linnensteuer’ (Pap., Ostr.); Demin. ὀθον-ίδιον (Pap.). — Bildung wie βελόνη, περόνη u.a., aber als Kulturwort zweifellos fremder Herkunft. Nach Lewy Fremdw. 124 f. (mit Movers) zu hebr. ē̂ṭūn (ἅπ. εἰρ.) Bed. unsicher; da an der betr. Stelle von ägyptischem ē̂ṭūn die Rede ist, hat Spiegelberg KZ 41, 129f. ägypt. Ursprung vermutet (äg. ’dmj ‘rötliche Leinwand’). — Eine unbefriedigende idg. Etym. wird schon von Bq und WP. 1, 17 abgelehnt. II-355
ὀθόννα f. ‘gemeines Schöllkraut, Chelidonium maius’, auch vom Saft sowohl dieser wie anderer Pflanzen (Dsk., Plin.); Ben. eines ägypt. Steins (Paul. Aeg.); als Pfl.n. auch ὀθόν-<ν>ιον (Dsk.). — Wohl kaum zufällig an ὀθόν-η, -ιον erinnernd; nach Dsk. 2, 182 ἐν τῇ κατ’ Αἴγυπτον ’Αραβίᾳ heimisch, nach Plin. ΗΝ 27, 12 syrisch. II-355
Ὄθρυς, -υος f. hohes Gebirge in Thessalien (Hdt., Str. u.a.), auch ὄθρυν· Κρῆτες τὸ ὄρος H. Davon ὀθρυόεν· τραχύ, ὑλῶδες, δασύ, κρημνῶδες H. — Dunkel. Nach Mahlow Neue Wege 497 für ὀφρῦς mit Wechsel θ : φ (dazu Schwyzer 302 f.). Wertlose "pelasgische" Etymologie von Carnoy Ant. class. 24, 20. II-355
οἴαξ-, -ακος, ion. -ηξ, -ηκος m. ‘Griff (Querholz) des Steuerruders, Steuerruder’ (Trag., Pl. u.a.), οἴηκες pl. Ben. einer Vorrichtung auf dem Joche (’Griffe’?, ‘Ösen’?; Ω 269). Als Vorderglied u.a. in οἰακο-νόμος m. ‘Steuermann’ (A. in lyr.; vgl. Sommer Nominalkomp. 166), als Hinterglied m κερ-οίακες (aus κερα(ι)-οίακες) pl. ‘Taue des Rahnocks’? (Luk. Nav. 4). Ableitungen. Demin. οἰάκιον (Eust.); Adv. οἰακ-ηδόν ‘nach Art eines οἴαξ’ (A.D.); Denom. οἰακ-ίζω (-η-) ‘steuern, lenken’ (ion. att.) mit -ισμα ‘das Steuern’ (Trag. Adesp.), -ιστής (Suid.); οἰάκ-ωσις ‘das Steuern’ (Aq.), von *οἰακ-όω oder direkt vom Nomen (vgl. Chantraine Form. 279). — Daneben οἰήϊον n. ‘Steuerruder’ (Hom.). Gerätebenennungen, wie πόρπᾶξ, τρόπηξ, bzw. λαισήϊον, ἐργαλήϊον u.a. (Chantraine 381 u. 60 f.) gebildet. — Als Grundlage der griechischen Wörter hat ein altes Nomen unbekannten Stammes gedient; ein ā-Stamm *oisā- ist möglich, aber keineswegs notwendig. Das betreffende Nomen scheint tatsächlich als balt. LW im Finnougr. erhalten zu sein, z.B. finn. aisa ‘Stange der Gabeldeichsel’ aus balt. *aisō oder *aisa- (idg. *oisā-, *oiso-). Dem balt. Wort liegt wiederum ein im Slav. erhaltener s-Stamm zugrunde, z.B. sloven. ojê, ojês-a ‘Deichsel’ (weitere slav. Formen bei Vasmer s.vojé), idg. *oio / es- n. Daneben mit Schwachstufe, ebenfalls erweitert, aind. īṣ-ā́ f. ‘Deichsel’, wovon als LW heth. hišša-’Deichsel’ (s. Kronasser Etymologie 144 gegen Kammenhuber; Entlehnung leugnet auch Benveniste Hitt. et i.-eur. 13f.). Weitere Kombinationen, für das Griechische ohne Belang, bei WP. 1, 167 und Pok. 298 (nach Lidén Stud. 60ff., Specht Ursprung 101). — Abzulehnen Dumézil BSL 39, 192f. Zur Bed. von οἴαξ Meringer WuS 5, 89 ff, Hermann Gött. Nachr. 1943, 7 f.; die Beziehung auf das Schiff ist griechische Neuerung, vgl. zu ἱστός. — Ngr. δοιάκι (Schwyzer KZ 63, 62). II-356
οἴγνυμι und οἴγω, äol. Inf. ὀείγην (SGDI 214, 43), später auch ἀν-οιγνύω (Demetr. Eloc. u.a.), Ipf. ὠΐγνυντο (Β 809, Θ 58), ἀνα-οίγεσκον (Ω 455), -ῷγον, -έῳγον, Aor. οἶξαι (ᾦξε, ὤϊξε Hom., ἀν-έῳξε Hom., att.), Pass. οἰχθῆναι (Pi., att.), Fut. οἴξω, Perf. ἀν-έῳγα (intr. Hp. und spät), wozu -έῳχα, *έῳγμαι (att. usw.), ὤϊκται (Herod.), ἀν-ῷκται (Theok.), ‘öffnen’. vorw. m. Präfix bes. ἀν-, wovon u.a. ὑπ-, παρ-ανοίγνυμι, ὑπ-, συν-ανοίγω mit ἤνοιγον, ἤνοιξα, ἠνοίχθην, ἠνοίγην, ἠνέῳξα usw. (X., LXX, sp.) Wenige Ableitungen: ἄνοιξις f. ‘das Öffnen’ (Th., Thphr. usw.), ἄνοιγ-μα n. ‘Öffnung’ (LXX u.a.), -εύς m. ‘Öffner’ (Dam. Pr.), ἐπανοίκ-τωρ (Man.), -της (Arg. Man.) m. ‘Zersprenger’. Als Hinterglied in der Zusammenbildung πιθ-οίγ-ια n. pl. ‘Faßöffnung’, Vorfeier der Anthesterien in Athen (Plu.). Die Beurteilung der obigen Formen ist z. T. unsicher und strittig. Von dem inschriftlich belegten ὀείγην, d.h. ὀ-(ϝ)είγην ausgehend, wozu mit Schwundstufe ὠ-(ϝ)ίγ-νυντο (vgl. ἴγνυντο· ἠνοίγοντο H.; sehr fraglich), wollen Fick und Bechtel (s. Lex. s. v.) das verdächtige ep. ἀναοίγεσκον ebenso wie ep. ἀνέῳγε, ἀνέῳξε durch *ἀν-ο-(ϝ)είγεσκον, *ἀν-ό-(ϝ)ειγε, *ἀν-ό-(ϝ)ειξε ersetzen, wobei ὀ- entweder prothetisch oder präfixal (vgl. ὀ-κέλλω und 2. ὀ-) wäre. — Nicht sicher erklärt. Mit ϝιγ-, ϝειγ- decken sich formal aind. (Med.) vij-áte, vej-ate ‘zurückweichen, sich flüchten, vor etw. zurückfahren’, wozu u.a. aind. véga- = aw. vaēγa- m. (idg. *u̯óigo-s) ‘heftige Bewegung, Andrang, Anprall, Schlag’ (weiteres s. εἴκω); ὀ-(ϝ)εί-γω, ὀ-(ϝε)ίγ-νυμι somit eig. ‘zurückweichen machen, anstoßen, (eine Tür) aufstoßen’? (Bechtel Lex. s.v. nach Wackernagel). — Anders, kaum vorzuziehen, Brugmann IF 29, 238 ff.: aus *ϝο-(ε)ιγ- zu ἐπ-είγω mit demselben Präfix wie in ϝο-φληκόσι, s. ὀφείλω. — Zu den einzelnen Formen noch Schwyzer 653 A. 10 m. Lit. (auch 412, 434 m. A. 3, 772), Chantraine Gramm. hom. 1. 152, 303 u. 480. S. auch ἐπῴχατο. II-356-357
οἶδα pl. ἴδμεν (att. ἴσμεν nach ἴστε oder spontan; Schwyzer 208) ‘ich weiß’ (seit Il.). — Altes Perfekt, mit aind. véda, pl. vidmá, germ., z.B. got. wait, pl. witum ‘(ich) weiss, (wir) wissen’ identisch, idg. *u̯óida, pl. *u̯idmé. Dazu mit medialer Flexion aksl. vědě ‘ich weiß’, formal = lat. vīdī. Vom Perf. durch Neubildung arm. Präs. git-em ‘ich weiß’. Andere Übereinstimmungen. z.B. Ipv. ἴσθι = aind. viddhí, Ptz. εἰδώς = got. weitwoþs ‘Zeuge’, ἰδυῖα = aind. vidúṣī. Zu den einzelnen Formen Schwyzer 778, 790 A. 6, 800, Leumann Celtica 3, 241ff. = Kl. Schr. 251ff., Chantraine Gramm. hom. 1 (s. Index) usw. usw. — Als Aorist fungiert ἰδεῖν ‘erblicken’ (s. d.); vgl. noch νῆϊς. II-357
οἰδέω (seit ε 455), auch οἰδάω (Plu., Luk.), οἰδαίνω (hell. Dicht. u.a.); οἰδάνομαι, -ω (Ι 646 u. 554, Ar., A. R.), οἰδίσκομαι, -ω (Mediz. u.a.) ‘schwellen’ bzw. ‘schwellen machen’, Aor. οἰδῆσαι (ion. att.), selten οἰδῆναι (Q. S. u.a.: οἰδαίνω), Perf. ὤδηκα (Hp., Theok.); ‘schwellen’; mit Präfix, bes. ἀν-οιδέω, -οιδίσκομαι, -οιδαίνω, auch mit δι-, ἐξ- u.a. Ableitungen: 1. οἶδμα n. ‘Schwall des Gewässers’ (ep. poet. seit Il.), nach κῦμα (Porzig Satzinhalte 242); vgl. κυέω : κῦμα, δοκέω : δόγμα (wenn nicht von einem verschollenen primären Verb; vgl. unten); οἰδματ-όεις ‘wallend’ (A. Fr. 69 = 103 Mette, Opp.). 2. οἶδος n. ‘Geschwulst’ (Hp., Nik., Aret.); vgl. κρατέω : κράτος. 3. οἴδ-ημα n. ‘Geschwulst’ (Hp., D. u. a.) mit -ημάτιον (Hp., Aët.), -ηματώδης (Mediz.); (ἀν-, δι-, ἐξ- usw.) οίδησις f. ‘das Anschwellen’ (Pl., Mediz., Thphr. usw.). 4. (ἐπ-, ὑπ-)οιδαλέος ‘geschwollen’ (Archil., Hp. u. a.: οἰδαίνω wie κερδαλέος : κερδαίνω u.a.). 5. οἴδᾱξ m. ‘unreif Feige’ (Poll., Choerob.; von οἶδος oder οἰδέω). 6. Rückbildungen: ὕποιδος ‘etwas angeschwollen’ (Gal.: ὑπ-οιδέω), ἐνοιδής ‘geschwollen’ (Nik. : ἐν-οιδέω). — Zu Οἰδίπους s. bes. — Von den Präsensformen dürfte nur οἰδέω alt sein. Durch Erweiterung entstand das kausat. οἰδάνω mit intr. οἰδάνομαι (vgl. auch zu Οἰδίπους), ebenso οἰδίσκομαι, -ω (Schwyzer 700 u. 709 f.); οἰδαίνω wohl analog. nach κυμαίνω, ὀργαίνω u.a., vielleicht auch zu οἰδῆσαι nach κερδῆσαι : κερδαίνω u. ä.; zu οἰδῆσαι jedenfalls das späte und vereinzelte οἰδάω. In οἰδέω will man eine iterativintensive Bildung sehen; ein entsprechendes primäres Verb ist aber nicht belegt. — Einen sicheren Verwandten bietet arm. ayt-nu-m ‘schwellen’ mit dem primären Aor. ayte-ay und dem Nomen ayt (i-Stamm) ‘Wange’, idg. *oidi- (evtl. *aidi-; vgl. unten); das nu-Präsens ist arm. Neubildung. Das Germ. steuert einige isolierte Nomina bei, u.a. ahd. eiz, nhd. dial. Eis ‘Eiterbeule, Geschwür’, urg. *aita-z, idg. *oido-s (*aido-s?; vgl. das formal naheliegende οἶδος n.); mit r-Suffix z.B. ahd. eittar n. ’Eitar’, urg. *aitra- n. (vgl. zu Οἰδίπους), auch in Gewässernamen, z.B. Eiter-bach (Krahe Beitr. z. Namenforsch. 7, 105 ff.). Isoliert ebenfalls lat. aemidus (wohl nach dem synon. tumi-dus), im Vokal von οἰδέω abweichend (Ablaut oi : ai?); die außergriech. Formen können sonst sowohl idg. oi wie ai vertreten. — Die herangezogenen slav. Formen sind mehrdeutig: aksl. jadъ ‘Gift’; noch fraglicher russ. usw. jadró, ursl. *jędro ‘Kern, Hode usw.’ mit Nasalinfix. Auch andere nasalierte Formen mit gleichzeitiger Schwundstufe sind damit verbunden worden, z.B. aind. índu- m. ‘Tropfen’, balt. Flußnamen wie Indus, Indura; alles recht zweifelhaft und jedenfalls fürs Griech. ohne Interesse. Weitere Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 1, 166f., Pok. 774, W.-Hofmann s. aemidus, Vasmer s. jád und jadró, auch Mayrhofer s. índuḥ und Indraḥ. II-357-358
Οἰδίπους (-πος AP), -που, -πουν (Hdt., Trag.), -ποδος (Apollod.), -ποδα (Plu. u.a.); daneben nach den Patronymika als metr. Wechselformen von *Οἰδιπόδᾱς, -ης : Gen. -πόδᾱο, -πόδᾱ, Akk. -πόδᾱν (ep. poet.), -πόδεω (Hdt.) usw.; näheres bei Schwyzer 582, Fraenkel Nom. ag. 2, 163 f., Sommer Nominalkomp. 38, Egli Heteroklisie 14 u. 17. Davon Οἰδιπόδεια f. ‘Oidipus-Sage’ (Arist. u.a.; nach ἡ ’Οδύσσεια), auch τὰ Οἰ-εια ‘ds’ (Paus.) von Οἰδιπόδειος Adj. (Plu., Paus.). — Eig. "mit geschwollenem Fuß", ‘Schwellfuß’ mit regelmäßigem Wechsel i : ro in Οἰδι- und idg. *oid-ro- in germ., z.B. ahd. eittar, s. οἰδέω. Unwahrscheinlich über die Bed. des Vorderglieds Schröder Gymnasium 63, 72 ff. (zu aisl. eista ‘Hode’); ganz hypothetisch Kretschmer Glotta 12, 59 f. (chthonische Beziehung). II-358-359
οἰέτεας Akk. pl. ‘demselben Jahre angehörig, gleichalterig’ (Β 765). — Für *ὀ-έτεας (s. 1. ὀ- u. 2. ἔτος) mit οι als Ausdruck metrischer Dehnung im Anschluß an den antevokal. Übergang von οι in ο im Attischen (auch im Ionischen) und die dadurch veranlaßte umgekehrte Schreibweise. — Wackernagel Unt. 65 m. Lit., Schwyzer 195 A. 3, Chantraine Gramm. hom. 1, 99. Zum Akzent Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 45 u. 116, zur Stammbildung Sommer Nominalkomp. 110. II-359
ὀϊζύ̄ς (ep. seit Il.), οἰζύ̄ς (Trag., Herod.), -ύος f. ‘Weh, Jammer, Leiden’; πάν-οιζυς ‘aus lauter Jammer bestehend, mit Jammer gefüllt’ (A. in lyr.). Davon ὀϊζῡ-ρός (-ρώτερος, -ρώτατος metr. gedehnt, Chantraine Gramm. hom. 1, 102 u. 258), sek. οἰζῠρός ‘jammervoll, elend, arm’ (ep. ion. poet. seit Il., Ar.); ὀϊζύω (ῡ̆), Aor. -ῦσαι ‘jammern, leiden’. — Expressives Wort, letzten Endes von der Interj. οἴ (ion. ὀΐ nach Ar. Pax 933), wahrscheinlich über ein Verb οἴζω, ὀΐζω (nur A.D. Adv 128, 7 ff.). Verfehlte Erklärungen bei Bq, Brugmann IF 29, 209, Schwyzer Glotta 5, 197 (vgl. WP. 1, 667 A.). — Vgl. οἰμώζω und οἶκτος. II-359
οϊη 1. f. ‘Elsbeerbaum’ s. ὄα. II-359
οϊη 2. f. ‘Dorf’ (Chios IVa, A. R., H., Theognost.); att. Demenname Ὄα (archaische Form nach Adrados Emer. 18, 408 ff., 25, 107; auch Οἴα, Ὄη, Οἴη); als Hinterglied in Οἰνόη u.a.? (Meister KZ 36, 458 f. mit verfehlter Etym.). Davon οἰῆται m. pl. ‘Dorfbewohner’ (S. Fr. 134), οἰατᾶν· κωμητῶν H., Οἰᾶται m. pl. Bewohner eines Demos in Tegea (Paus. 8, 45, 1; Lesung nicht sicher); vgl. Bechtel Dial. 3, 320. Daneben ὠβά f. Bez. der spartanischen Tribus (IG 5 : 1, 26, 11 [II—Ia] u.a., Plu. Lyk. 6) mit ὠβάτας· τοὺς φυλέτας H., ὠβάξαι ‘in ὠβαί einteilen’ (Plu. ebd.); auch ὠγή (= ὠϝή)· κώμη H., ὠάς (ὤας cod.)· τὰς κώμας, οὐαί· φυλαί H. Näheres bei Baunack Phil. 70, 466 f. — Wenn aus *ὠϝίᾱ (Bally MSL 13, 13 f.), läßt sich οἴη mit ὠβά = *ὠϝά (ablehnend Bechtel Dial. 2, 381 und, mit unwarscheinlicher Etym., v. Blumenthal Hesychst. 9) vereinigen; sonst dunkel. Nach Schrader-Nehring Reallex. 2, 454 aus *ὀϝι̯ᾱ zu got. gawi ’χώρα, περίχωρος, Gau’, urg. *ga-aui̯a- n.; zustimmend u. a. Fraenkel Gnomon 22, 238 und Schmeja IF 68, 31 f. Weitere reiche Lit. bei Feist Vgl. Wb. s.v. II-359-360
οἶκος, dial. ϝοῖκος m. ‘Haus, Wohnung jeder Art, Zimmer, Hausstand, Haus und Hof, Heimat’ (seit Il.). Sehr zahlreiche Kompp., z.B. οἰκο-νόμος m. ‘Haushalter, Verwalter’ mit -νομέω, -νομία (att.), Zusammenbildung von οἶκον νέμειν, -εσθαι; μέτ-οικος (ion. att.), πεδά-ϝοικος (arg.) ‘unter andern Wohnung habend, Bei-, Hintersasse’; ἐποίκ-ιον n. ‘Nebengebäude, Landhaus, Dorf’ (Tab. Heracl., LXX, Pap. usw.), Hypostase von ἐπ’ οἴκου. Ableitungen (sehr gedrängte Übersicht). A. Subst. 1. τὰ οἰκία pl. (seit Il.), sg. τὸ οἰκίον (seit LXX) ‘Wohnsitz, Palast, Nest’ (vgl. Scheller Oxytonierung 30, Schwyzer-Debrunner 43). 2. οἰκία, ion. -ίη f. (nachhom.; f. Hexam. sehr unbequem), ϝοικία (kret., lokr.) ‘Haus, Gebäude’ (Scheller 48 f.) mit dem Demin. οἰκΐδιον n. (Ar., Lys. u.a.), οἰκιή-της (ion.), ϝοικιά-τας m. (lokr., thess., ark.) = οἰκέτης (s. 5), οἰκια-κός ‘zum Haus gehörig, Hausgenosse’ (Pap., Ev. Matt. u.a.). 3. Seltene Demin. οἰκ-ίσκος m. ‘Häuschen, Kämmerchen, Vogelbauer’ (D., Ar., Inschr. u.a.), -άριον n. ‘Häuschen’ (Lys.). 4. οἰκεύς (ep. poet. seit Il.), ϝοικεύς (gort.) m. ‘Hausgenosse, Diener’ (Bosshardt 32f., Ruijgh L’élém. ach. 107 gegen Leumann Hom. Wörter 281); f. ϝοικέα (gort.). 5. οἰκέ-της (ion. att.), böot. ϝυκέ-τας m. ‘Hausgenosse, Diener, Haussklave’, f. -τις (Hp., Trag. u.a.), mit -τικός (Pl., Arist., Inschr. u.a.; Chantraine Études 137 u. 144), -τεία f. ‘Hausgesinde, Dienerschaft’ (Str., Aristeas, J., Inschr. u.a.); οἰκετεύω ‘Hausgenosse sein, bewohnen’ nur E. Alk. 437 (lyr.) und H.; zu οἰκέτης, οἰκεύς, οἰκιήτης E. Kretschmer Glotta 18, 75ff.; Zusammenbildung πανοικεσίᾳ Adv. ‘mit allen οἰκέται, mit der ganzen Dienerschaft’ (att. usw.) — B. Adj. 6. οἰκεῖος (att.), οἰκήϊος (ion. seit Hes. Op. 457) ‘zum Hause gehörig, häuslich, heimisch, vertraut’ mit -ειότης (-ηϊότης), -ειόω (-ηϊόω), wovon -είωμα, -είωσις, -ειωτι-κός. 7. οἰκίδιος ‘ds.’ (Opp.); κατοικ-ίδιος (:κατ’ οἶκον) ‘im Hause befindlich’ (Hp., Ph. usw.). — C. Verba. 8. οἰκεω (seit Il.), ϝοικέω (lokr.), sehr oft m. Präfix, z.B. ἀπ-, δι-, ἐν-, ἐπ-, κατ-, μετ-, ‘hausen, wohnen’, auch ‘gelegen sein’ (dazu Leumann Hom. Wörter 194), ‘bewohnen, bewirtschaften’ mit οἴκ-ησις (sp. auch διοίκ-εσις), -ήσιμος, -ημα, -ηματιον, -ηματικός, -ητήρ, -ητήριον, -ήτωρ, -ητής, -ητικός. 9. οἰκίζω, oft m. ἀπ-, δι-, κατ-, μετ-, συν- u.a. ‘gründen, ansiedeln’ (seit μ 135 ἀπῴκισε; vgl. Chantraine Grannn. hom. 1, 145) mit οἴκ-ισις, -ισία, -ισμός, -ιστής, -ιστήρ, -ιστικός. — Adverbia. 10. οἴκο-θεν (seit Il.), -θι (ep.), -σε (A. D.) neben erstarrten Lok. οἴκ-οι (seit Il.), -ει (Men.; unursprünglich? Schwyzer 549 m. Lit.). 11. οἴκα-δε ‘nach Hause’ (seit Il., ϝοίκαδε delph.), wohl von (ϝ)οῖκα n. pl. wie κέλευθα, κύκλα u. a. (Wackernagel Akzent 14 A. = Kl. Schr. 2, 1082 A. 1; anders Schwyzer 458 u. 624), -δις (meg.; Schwyzer 625 m. Lit.); daneben οἶκόν-δε (ep), myk. wo-i-ko-de?? — Alte Benennung des Wohnsitzes und des Hauses, mit lat. vīcus m. ‘Häusergruppe, Dorf, Stadtviertel’, aind. veśa- m. ‘Haus’, bes. ‘Hurenhaus’ identisch; idg. *u̯óiḱo-s m. Daneben im Indoir. und Slav. das schwundstufige und einsilbige aind. viś- f., Akk. viś-am, aw. vīs- f., Akk. vīs-əm, apers. viþ-am ‘Wohnsitz, Haus’ (air. bes. ‘Herren-, Königshaus’), ‘Gemeinde’, slav., z.B. aksl. vьsь f. (i-St. sekund.) ‘Dorf, Feld, Grundstück’, russ. vesь ‘Dorf’, idg. *u̯iḱ- f. Neben diesen alten Nomina steht im Indoir. ein Verb der Bed. ‘eingehen, einkehren, sich niederlassen’, aind. viśáti, aw. vīsaiti, idg. *u̯iḱ-éti. Es läßt sich als Demon. von *u̯iḱ-’Haus’ auffassen; somit eig. "ins Haus kommen, im Hause (als Gast) sein"? An dieses Verb schließt sich, zunächst als Nom. actionis, idg. *u̯óiḱo-s, eig. "das Eintreten, das Einkehren", konkret. ‘Einkehr, Wohnsitz’. Daneben als oxytones Nom. agentis aind. veśá- m. ‘Insasse’, aw. vaēsa- m. ‘Knecht’, idg. *u̯oiḱó-s m. Ein anderes Nomen actionis ist got. weihs, Gen. weihs-is n. ‘Dorf’, das auf idg. *u̯éiḱos- n. zurückgeht. — Die formal identischen τὰ οἰκία und aind. veśyà- n. ‘Haus, Gehöft’ sind einzelsprachliche Neubildungen. — Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 1, 231, Pok. 1131, W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. vīcus u. vīlla, Vasmer vesь. — Fern bleibt wahrscheinlich τριχάϊκες, s. d. II-360-361
οῖκτος m. ‘Wehklage, Mitleid, Erbarmen’ (seit Od., vorw. poet.). Vereinzelt als Hinterglied, z.B. ἔπ-οικτος ‘bejammernswert’ (A.), ἄν-οικτος ‘mitleidlos’ (S., E. u.a.). Davon der primäre Superl. οἴκτιστος (ep. seit Χ 76; Seiler Steigerungsformen 78 f.), φιλ-οίκτιστος ‘am meisten Mitleid liebend’ (S.) von φίλ-οικτος (A. in lyr.); ebenso die seltenen οἰκτικός ‘zum Wehklagen gehörig, wehklagend’ (An. Bachm.) und οἰκτοσύνη f. = οἶκτος (Hdn. Epim.). — Alt ist οἰκτρός ‘jammervoll, jammernd, bedauernswert’ (vorw. ep. poet. seit Il.), als Vorderglied z.B. in οἰκτρό-γοος ‘mit jammervoller Klage’ (Pl. Phdr. 267 c); wohl (trotz dem Genusunterschied) zu οἶκτος nach αἶσχος : αἰσχρός, ἔχθος : ἐχθρός u.a. (vgl. Seiler a. O.), vgl. noch das Paar οἴκτιστος : αἴσχιστος (Schwvzer 481 A. 16). — Denominative Verba. 1. Von οἰτρός : οἰκτί̄ρω (< -ιρ-ι̯ω), äol. οἰκτίρρω (Hdn. Gr.), Aor. οἰκτῖραι, Fut. οἰκτιρῶ (att. auch -τερῶ nach den itazistischen -τεῖραι, -τείρω) sp. -τ(ε)ιρήσω (LXX, NT u.a.), auch mit κατ- u.a., ‘bemitleiden, bedauern, beklagen’ (seit Il.); davon οἰκτιρ-μός m. ‘Mitleid, Erbarmen’ (Pi., LXX, NT), -μων ‘mitleidig, barmherzig’ (Gorg., Theok., LXX u.a.) mit -μοσύνη (Tz.); zu *οἰκτίρ-ι̯ω aus *οἰκτρ-ι̯ω mit ifarbigem Reduktionsvokal Schwyzer 352. — 2. Von οἶκτος : οἰκτίζω, -ομαι, auch mit κατ- u.a., ‘ds.’ (Trag., Th., Arist. u.a.) mit οἰκτ-ισμός m. ‘das Wehklagen’ (A., X.), -ίσματα n. pl., ‘ds.’ (E.; Chantraine Form. 146), κατοίκτ-ισις f. ‘das Beklagen, Mitleid’ (X.). — Wie das sinnverwandte ὀϊζύς geht wahrscheinlich auch οἶκτος auf die Interj. οἴ zurück, u. zw. durch Vermittlung von οἴζω; die nahe Berührung geht übrigens aus der Rückbildung δυσοίζω (s. d.) von δύσ-οικτος hervor. Prellwitz s. v., auch Schwyzer 501. Ähnliche Nomina von interjektiven Verba auf -ζω sind zahlreich, z.B. αἴαγμα, αἰακτός ( : αἰάζω, αἰαῖ), βάβαξ, βαβάκτης (:βαβάζω, βαβαί) u.a.m., s. Schwyzer 716. Vgl. οἰμώζω. — Fragliche außergriech. Kombinationen (got. aihtron ‘betteln’, air. ar-égi ‘klagt’) bei Bq, WP. 1, 105 f., Pok. 298. — Zu οἶκτος und sinnverwandten Wörtern im allg. s. W. Burkert Zum altgr. Mitleidsbegriff. Diss. Erlangen 1955 (wichtige Bespr. von Seyffert Gnomon 31, 389 ff.); auch A. Klocker Wortgesch. von ἔλεος u. οἶκτος in d. gr. Dichtung u. Philosophie von Hom. bis Arist. Diss. Innsbruck 1953. II-361-362
οἶμα n. ‘stürmischer Angriff, Anfall, Wut’, von einem Löwen und einem Adler (Il.), von einer Schlange (Q. S.). Daneben der Aorist οἰμῆσαι ‘losfahren, losstürmen, von Raubvögeln und mit Raubvögeln verglichenen Menschen’ (Χ 140, 308, 311, ω 538), Fut. οἰμήσουσι (Orac. ap. Hdt. 1, 62; von θύννοι), mit οἴμημα· ὅρμημα H. Ein mutmaßliches aber unbelegtes Präs. *οἰμάω scheint, ebenso wie der ο-Vokal, ein Nonnen *οἶμος oder *οἴμη (neben urspr. *εἶμα n.) vorauszusetzen, vgl. Bechtel Lex. s. v. m. Lit. und Porzig Satzinhalte 281; nach Sütterlin Denom. 8, 29 (s. auch Schwyzer 725 A. 9 und Shipp Studies 77 dagegen unregelmäßig von οἶμα gebildet. — Wohl mit Bezzenberger BB 4, 334, Sommer Lautet. 35 aus *οἶσμα zu aw. aēšma- m. ‘Zorn’ (wäre gr. *οἶ[σ]μος; vgl. oben), das als primäres Nomen zu einem indoir. Verb ‘in eilige Bewegung setzen, vorwärts drängen’ (z.B. Präs. aind. íṣ-yati, aw. iš-yeiti; vgl. zu ἰαίνω) gestellt wird; hierher u.a. dann auch lat. īra ‘Zorn’. Vgl. ὀϊστός, οἶστρος. — WP.1, 106f., Pok. 299f., W.-Hofmann s. īra; überall m. weiteren Formen u. reicher Lit. Über hierhergezogene illyr. Namen Krahe Beitr. z. Namenforsch. 4, 118ff. II-362
οἴμη f. ‘Lied, Gesang, Sage, Erzählung’ (Od., A. R., Kall. u.a.); in ähnlicher Verwendung auch οἶμος ἀοιδῆς (h. Merc. 451), ἐπέων οἶμον (Pi. O. 9, 47), λύρης οἴμους (Kall.Iov. 97). Davon außer ἄοιμον· ἄρρητον H. die substantivische Hypostase προοίμ-ιoν (Pi., att. Prosa usw.), φροίμ-ιον (Trag.) n., eig. "was πρὸ οἴμης od. πρὸ οἴμου (οἵμου, s. οἶμος) steht", ‘Liedanfang, einleitender Gesang, Einleitung, Vorrede’, lat. pro- oemium. vgl. Koller Phil. 100, 187 ff. Unklar παροιμία, s. bes. — Wegen der okkasionellen Beziehung des mask. οἶμος auf Gesang und Spiel liegt es nahe, οἴμη mit οἶμος ‘Gang, Weg’ zu verbinden. Das Wort hätte dann in der Berufssprache der Aöden seine spezielle Bed. erhalten. So (nach alter Auffassung, s. Curtius 401) u.a. noch Güntert Kalypso 201 ff., Becker Das Bild des Weges 36f., 68ff., Bieler RhM 85, 240ff., Diehl RhM 89, 88, Nilsson Die Antike 14, 27; auch Pagliaro Ric. ling. 2, 25 ff. (zur Sippe von ἱμάς, s. d.; ähnlich u. a. Čop Sprache 6, 5). — Nach Osthoff BB 24, 158ff. (m. Lit.) sind dagegen οἴμη und οἶμος ‘Liedweise’ von οἶμος ‘Gang, Weg’ zu trennen und mit awno. seiðr m. ‘Art Zauber’, aind. sā́mann. ‘Lied, Gesang’ zusammenzuhalten, was teils Suffixwechsel (*soi-mā : *soi-to-s), teils einen Ablaut sē[i]-:soi- voraussetzt; vgl. WP. 2, 509 f. Unwahrscheinlich Benveniste BSL 50, 39 f. (aus *som-i̯o- zu heth. išhamāi- ‘singen’). II-363
οἶμος (auch οἷμος, s. u.) m. (auch f. nach ὁδός u.a.; Schwyzer- Debrunner 34 A. 3) ‘Streifen’ (Λ 24 οἶμοι κυάνοιο, am θώρηξ), ‘Gang, Weg, Pfad’, auch ‘Landstreifen, Gegend’ (Hes. Op. 290, Pi., Trag., Pl., Kall., Men. u.a.), auch auf Gesang und Spiel bezogen (s. οἴμη). Einige seltene Kompp.: δύσ-οιμος (τύχα A. Ch. 945 [lyr.]; nach H. = ἐπὶ κακῷ ἥκουσα, δύσο-δος). ἄοιμος· ἄπορος und πάροιμος· ὁ γείτων H. — Zu παροιμία s.bes.; vgl. auch ἑτοῖμος. — Da eine aspirierte Nebenform οἷμος gesichert ist (z.B. Hdn. Gr. 1, 546; vgl. auch φροίμιον [s. οἴμη] und ἄοιμος), kann eine idg. Grundform *oi-mo- : aind. é-man- n. ‘Bahn, Gang’ (zu εἶμι; Curtius 401, auch Schwyzer 381) nicht als wahrscheinlich gelten. Gegen die deshalb von Sommer Lautst. 29 vorgeschlagene Modifikation *oi-s-mo- (zu lit. eimė̃ f. ‘Gehen, Schreiten, Bewegung’) Osthoff Arch. f. Religionswiss. 11, 63, der schon früher (BB 24, 168 ff. m. Lit.) dafür *ϝοῖ-μο-ς, zu ἵεμαι ‘sich vorwärts bewegen’ (s. d.), angesetzt hatte. Anders Schulze Kl. Schr. 665: zu οἱρών ’εὐθυωρία’ (s.d.); dazu Specht KZ 66, 27 A. 3. — Hierher vielleicht auch οἴμη, s. d. II-363
οἰμώζω (nachhom.), Aor. οἰμῶξαι (seit Il.), Fut. οἰμώξ-ομαι (att. usw.), -ω (Plu., AP), ‘laut wehklagen, jammern, klagen’. auch mit ἀν-, ἀπ- usw., Davon οἰμωγ-ή f. (seit Il.; Chantraine Form. 401, Porzig Satzinhalte 189), -μα n. (A., E), -μός m. (S.); privatives Adj. ἀν-οίμωκ-τος ‘unbeklagt’, Adv. ἀν-οιμωκ-τί (-τεί) ‘ohne Jammer’ = ’unbestraft’ (S.). — Neubildung οἰμώττω ‘ds.’ (Lib.; zu οἰμῶξ-αι u.a., Debrunner IF 21, 248; vgl. Schwyzer 733). — Aus der Interj. οἴμοι (οἴ μοι) ‘weh mir’ verbalisiert (Schwyzer 716). — Vgl. ὀϊζύς und οἶκτος. II-363-364
οἴνη (-ή?) οἰνός m. (Poll.) f. (Achae., Zen.), ‘die Eins auf dem Würfel’; davon οἰνίζειν· τὸ μονάζειν κατὰ γλῶσσαν, οἰνῶντα (: *οἰνάω)· μονήρη H. — Altes Wort für ‘einziger, einer’, in mehreren Sprachen als Zahlwort benutzt: lat. ūnus (alat. oino), kelt., z.B. air. óin, germ., z.B. got. ains, nhd. ein. apreuß. ains, idg. *oino-s. Im Griech. hat sich in dieser Bed. noch das alte εἷς (s. d.) erhalten. Die schwankende Akzent-überlieferung οἴνη : οἰνός kann mit dem. substantivischen Gebrauch zusammenhängen; vgl. Schwyzer 380. Weitere Formen m. Lit. WP. 1, 101, Pok. 286, W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. ūnus, Vasmer s. inóĭ. — Eine parallele Bildung ist οἶος; s. d. II-364
οἶνος, dial. ϝοῖνος m. ‘Wein’ (seit Il.). Sehr zahlreiche Kompp., z.B. οἰνο-χόος m. ‘Weinschenk’ mit -χοέω, -χοῆσαι ‘Weinschenk sein, Wein einschenken’ (seit Il.), ep. auch -χοεύω (nur Präs.), metrisch bedingt (Schwyzer 732, Chantraine Gramm. hom. 1, 368); οἰν-άνθη f. ‘Trageknospe, Blüte des Weins’, auch übertr. von der Rebe (poet. seit Pi., Thphr. u.a.), auch N. einer Pflanze, ‘Spierstaude, Spiraea flipendula’, wegen des Geruchs (Kratin., Arist. u.a.), N. eines unbek. Vogels (Arist.; Thompson Birds s. v.); ἄ-οινος ‘ohne Wein’ (ion. att.), ἔξ-οινος ‘betrunken’ (Alex., Plb. usw.), Rückbildung aus ἐξ-οινόομαι ‘sich berauschen’ (E. u.a.); Näheres bei Strömberg Prefix Studies 72 (auch Schwyzer-Debrunner 462). Zu Οἰνόη vgl. 2. οἴη. Zahlreiche Ableitungen. A. Subst. 1. Deminutiva, meist herabsetzend: οἰν-άριον (D., hell. u. sp.; wegen der Bed. nicht von οἴναρον, vgl. Chantraine Form. 74); -ίσκος (Kratin., Eub.), -ίδιον (Apollod.). 2. οἴνη f. ‘Weinstock’ (vorw. poet. seit Hes.; wie ἐλαία : ἔλαιον u.a., Schwyzer-Debrunner 30, Chantraine 24); οἰνάς f. ‘ds.’ (AP, Nik. u.a.; Chantr. 353), auch ‘Felsentaube, Columba livia’, nach der Farbe (Arist. u.a.; Einzelheiten bei Thompson Birds s.v.); auch Adj. ‘zum Wein gehörig’ (AP, APl.). 3. οἴν-αρον n. ‘Weinlaub, -rebe’ (X., Thphr. u.a.) mit -αρίς, -αρία, -άρεος, -αρίζω (Ibyk., Ar., Hp., Thphr.). 4. οἰνοῦττα f. ‘Weinkuchen’ (Ar.), auch N. einer Pflanze mit berauschender Wirkung (Arist.; Schwyzer 528, Chantraine Form. 272). 5. οἰνών, -ῶνος m. ‘Weinkeller’ (X., hell.). 6. ϝοινώα f. ‘Weingarten?’ (Thespiae; vgl. προθυρῴα u.a. bei Hdn. Gr. 1, 303). 7. Einige H.glossen: οἴνωτρον· χάρακα, ἧ τὴν ἄμπελον ἱστᾶσι, γοίνακες (= ϝ-)· βλαστοί, γοινέες· κόρακες (vgl. οἰνάς). — B. Adj. 8. οἰν-ηρός ‘Wein enthaltend, weinreich’ (Pi., ion. poet., Arist. usw.); 9. -ώδης ‘weinähnlich, -duftend’ (Hp., Arist. usw.); 10. -ικός ‘zum Wein gehörig’ (hell. u. sp. Inschr. u. Pap.). — C. Verba. 11. οἰν-ίζομαι ‘sich Wein verschaffen’ (Il., späte Prosa), -ίζω ‘dem, Wein ähnlich sein’ (Thphr., Dsk.); dazu οἰν-ιστήρια n. pl. N. eines attischen Festes (Eup., H., Phot.); vgl. ’Ανθεστήρια, χαριστήρια u.a. 12. οἰν-όομαι, -όω ‘(sich) berauschen’ (ion. seit Od., Trag. u.a.) mit -ωσις f. ‘Rausch’ (Stoic., Plu. u.a.); zur Bed. vgl. Müri Mus. Helv. 10, 36. — Zum PN Οἰνεύς s. Bosshardt 106 f.; zum FlN Οἰνοῦς m. (Lakonien) und zu Οἰνοῦσσαι f. pl. (Inseln) Krahe Beitr. z. Namenforsch. 2, 233. — Mit (ϝ)οῖνος decken sich, vom Genus und Auslaut abgesehen, lat. vīnum (wenn aus *u̯oinom; umbr. usw. vinu dann lat. LW), arm. gini (aus *u̯oinii̯o-), alb. vênë (aus *u̯oinā); ein daraus erschlossenes idg. Wort für ‘Wein’ kann zusammen mit dem sinnverwandten lat. vītis ‘Rebe’ und vielen anderen (s. zu ἴτυς) zu der großen Sippe u̯ei- ‘drehen, biegen’ gehören. Da der wilde Weinstock u.a. in Südruß-land und gewissen Teilen Mitteleuropas einheimisch war, ist diese Annahme auch aus sachlichem Gesichtspunkt zulässig. Weil aber die Kultivierung des Weinstocks in den Mittelmeerländern oder im Pontusgebiet und im Süden des Kaukasus begonnen hat, neigen die meisten Forscher dazu, auch den Ursprung des Wortes in diesen Ländern zu suchen, was unzweifelhaft zunächst für nichtidg. Herkunft spricht. Wenn wir aber die Heimat des Weinbaus nach dem Pontus und dem nördlichen Balkan verlegen, bleibt immer die Möglichkeit das Wort für ‘Wein’ einer nordbalkanischen idg. Sprache zuzuschreiben. Aus dieser immerhin idg. Quelle würden dann nicht nur die obengenannten griech., lat., arm. und alban. Wörter, sondern auch heth. u̯ii̯an(a)-, hier. heth. wa(i)ana-, letzten Endes auch die entsprechenden semit. Wörter, z.B. arab. wain, hebr. jajin (gemeinsem. *wainu-?) stammen. Aus lat. vīnum ferner die kelt. u. germ., aus dem. Germ. oder dem Latein wiederum die slav. und (indir.) die balt. Weinnamen; aus arm. gini z.B. georg. γvino. — Lit. mit weiteren Einzelheiten bei WP. 1, 226 (idg., bzw. urarmen.), Pok. 1121 (kaum idg., eher vorderasiat.), W.-Hofmann s. vīnum (mittelmeerländisch oder pontisch, mit Meillet und Nehring), Schrader-Nehring] Reallex. 2, 642 ff. (nordbalk. od. kleinasiat. idg. LW), Vasmer s. vinó (zum Slavischen und Baltischen). Dazu noch, m. weiterer Lit., Kronasser Vorgeschichte und Indogermanistik (Symposion 1959) 122 f., wo die Unmöglichkeit einer sicheren Entscheidung betont wird. II-364-366
οἴομαι (seit Od.), ὀΐομαι (Hom.), οἶμαι (Trag., att.; vgl. unten). auch Akt. 1. sg. ὀΐω, οἴω (Hom.), οἰῶ (lak. bei Ar. u.a., Bechtel Dial. 2, 351), Aor. ὀΐσ(σ)ασθαι, ὀϊσθῆναι (ep.), οἰη-θῆναι (ion. att.), -σασθαι (Arat.; Wackernagel Unt. 183 A. 1), Fut. οἰή-σομαι (att.), -θήσομαι (Gal.), ‘ahnen, erwarten, vermuten, glauben, meinen’; dazu neue Präsentia : ὑπ-οίζεσθαι· ὑπονοεῖν H., ὑπερ-οιάζομαι ‘eingebildet, selbstgefällig sein’ (Phot., Suid.; auch H.?). bisweilen m. Präfix, z.B. συν-, Davon οἴη-σις f. (ion. att.), -μα n. (Plu., D. C. u.a.) ‘Eigen- dunkel, Selbstgefälligkeit, Glaube, Meinung’ mit -ματίας m. ‘selbstgefälliger Mensch’ (Ptol., H., Suid.), -τικός ‘eingebildet’ (Ph.); ἀν-ώϊσ-τος ‘ungeahnt, unvermutet’ (ep. seit Φ 39), -τί Adv. (δ 92). — Als ursprüngl. Formen sind ὀΐομαι (ῑ), ὀΐω (ῑ und ῐ), wozu οἴομαι, οἴω als satzphonetische Varianten, zu betrachten. Daraus entstand in unbetonter Stellung das bes. als parenthetisches Formwort gebrauchte οἶμαι mit Ipf. ᾤμην (Ar.) neben ᾠόμην (Schwyzer 280 u. 679 A. 7 mit J. Schmidt KZ 38, 33; anders Wackernagel KZ 30, 315 f. = Kl. Schr. 1, 678f., Brugmann IF 29, 229ff.). Aus ὀϊσθῆναι, ἀν-ώϊστος ergibt sich als Grundform am ehesten *ὀϝίσ-ι̯ομαι, woraus ὀ(ϝ)ίομαι, *ὄ(ϝ)ι̯ομαι > οἴομαι (vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 29; 371f.; 405, 407). — Im übrigen dunkel. Von Kretschmer KZ 31, 455 u.a. (s. Bq und W.-Hofmann s. ōmen) als *ὀϝίσ-ι̯ομαι mit lat. ōmen ‘Vorzeichen’ (alat. osmen) aus *ou̯is-men verbunden. Da aber die Nomina auf -men primäre Verbalableitungen sind, ist diese Etymologie möglich nur unter der Voraussetzung, daß das zweisilbige ou̯is-, das als Verbalwurzel undenkbar ist, ein Präfix o- enthält, was für das Lat. ausgeschlossen, für das Griech. allenfalls möglich ist. (Anders über ōmen Porzig IF 42, 266: Umbildung eines Wortes *ou̯is; abzulehnen). Davon ausgehend setzt Brugmann a. O. ein präfixales *ὀ-ίσ-ι̯ομαι an, zu aind. ís-yati ‘in eilige Bewegung setzen’ (s. zu οἶμα); eig. Bed. "komme mit meinen Gedanken worauf, verfalle worauf", semantisch mehr als unsicher. Ähnlich (zu idg. eis- ‘heftig, ungestüm bewegen, antreiben’, aber ohne Präfix) Krogmann KZ 63, 131. — Eine unsichere Vermutung über ursprüngliche unpersönliche Verwendung (ὀΐεται μοι τ 312) bei Debrunner Mus. Helv. 1, 43. Zur medialen Form Schwyzer-Debrunner 234, Balmori Emer. 1, 42 ff. II-366
οἵος, οἵα, οἷον relat. Pron. ‘wie beschaffen’ (seit Il.). — Vom Relativ ὅς; s. d. und τοῖος. II-367
οἶος, -α (-η), -ον (Hom., Hes., vereinzelt Pi., A., S., u.a.), οἶϝος (kypr.) ‘einzig, allein’ (klass. μόνος). Als Vorderglied u.a. in οἰο-πόλος ‘allein wandelnd, einsam’ (Hom., Pi.) mit οἰοπολ-έω (E. in lyr., AP); ganz unsicher myk. o-wo-we = οἰϝ-ώϝης ‘mit einem einzigen Ohr (Henkel)’? Davon οἰόθεν, verstärkend zu οἶος ‘ganz allein’ (H 39, 226); Schwyzer- Debrunner 700, Chantraine Gramm. hom. 2, 151; Erklärungssversuch von Leumann Hom. Wörter 258 ff.; denom. Aor. οἰωθῆναι (: *οἰόομαι) ‘allein gelassen werden’ (Il., Q. S.). — Einzelheiten über den Gebrauch von οἶος bei Ruijgh L’élém. ach. 127 f. — Mit airan., aw. aēva-, apers. aiva- ‘einzig, ein’ identisch, idg. *oiu̯o-s; Bildung wie *μόνϝος (> μόνος), *ὅλϝος (> ὅλος), s. dd. Daneben idg. *oino-s, s. οἴνη. Für sich steht aind. éka-’ein’, urind. (mitanni) aika-; anscheinend idg. *oiqo-s, aber vielleicht aus *ai-u̯a-ka- abgekürzt (zögernd Mayrhofer Indoir. Journ. 4, 146 A. 75). Weitere Anknüpfung an pronominales e-, i- (WP. 1, 101, Pok. 286, W.-Hofmann s. ūnus m. reicher Lit.) verliert sich in einer unkontrollierbaren Vorzeit. Vgl. noch Fraenkel Glotta 4, 38 m. Lit., Gonda Reflexions 79 f. Anfechtbar über die Stammbildung Specht Ursprung 64 u. 190. II-367
οἰρών (οἱ-), -ῶνος m. ‘Pflugfurche, ἡ χάραξις τοῦ ἀρότρου’ (Eratosth., Hdn.), ‘gerade Feldmessungslinie, ἡ ἐκ τῆς κατα-μετρήσεως τῆς γῆς εὐθυωρία’ H.; wohl auch in kyr. i-to-i-ro-ni d.h. ἰν (= ἐν) τῷ οἰρῶνι ‘in der Mark’. — Wohl Ableitung auf -ών, das sehr oft zu Ortsangaben dient, von einem Nomen *οἷρος o. dgl. Von Schulze PhW 1890, 1439 = Kl. Schr. 665 (zustimmend Specht und Fraenkel KZ 66, 27 f. bzw. 71, 42) mit aind. sī́tā f. ‘Furche’, sī́ra- n. ‘Pflug’, sīmā f. ‘Grenze’ verglichen; semantisch und formal gewiß möglich. Die Verwandtschaftsverhältnisse der aind. Wörter sind indessen umstritten (vgl. WP. 2, 463). II-367
ὄϊς, Gen. -ὄϊος, Plur. ὄϊες usw. (Hom.); οἶς (att.), οἰός (auch Hom.). οἶες; ὄϝις (arg.); Einzelheiten zur Flexion Schwyzer 573 η, Chantraine Gramm. hom. 1, 219 m.Lit.; in d. Prosa von πρόβατον zurückgedrängt. — Zu οἰσπώτη und οἰσύπη s. bes. Altererbte Benennung des Schafs, fast in allen idg. Sprachen nachzuweisen, z. B. aind. ávi-, luw. ḫawi-, lat. ovis, germ., z.B. got. awi-str ‘Schafstall’, lit. avìs, idg. *óu̯i-s m. f.; weitere Formen m. sehr reicher Lit. in den betreffenden Wbb., z.B. WP. 1, 167, Pok. 784, W.-Hofmann s. ovis Akk. ὄϊν = aind. ávim, Gen. ὄϊος = aind. ávyaḥ. Auch οἴεος deckt sich, wohl nur als parallele Neubildung, mit aind. ávy-aya-(gew. -áya-). — Daneben mit Übergang in die a-Dekl. hier.- heth. hawa-s; Kronasser Vgl. Laut- und Formenlehre 91, Vorgeschichte und Indogermanistik (Symposion 1959) 121. m. f. ‘Schaf’ (seit Il.) Sehr seltene Kompp. und Abl. : οἰο-πόλος ‘Schafe hütend’ (h. Merc., Pi. u.a.), -νόμος ‘ds.’ (Delph. IVa, AP, APl.). Demin. ὀΐδιον (Theognost.); οἴεος ‘vom Schafe herrührend; (Hdt., Kos), ὀέα· μηλωτή; οἰίας (dial. für -έας)· τῶν προβάτων τὰ σκεπαστήρια δέρματα H.; auch οἶαι· διφθέραι, μηλωταί; ὄα· μηλωτή H. Mit Dehnstufe ᾤα f. ‘Schaffell’ (Kom., att. Inschr. IVa, Poll., H.). II-367-368
οἶσος (-ός) m. Weidenart, ‘Keuschlamm’ (Thphr., Ael. Dion.); οἰσό-καρπον n. ‘die Frucht des οἶ.’ (Sch., Eust.; zum Neutr. vgl. zu βού-τυρον). Davon οἶσον = σχοινίον H.; οἶσαξ, -ακος f. Weidenart (Gp.); zur Bildung Strömberg Pfl.namen 78. — Daneben οἰσύ-α -η f. ’λύγος, Weide’ (Poll.), οἰ. ἀγρία = ἑλξίνη (Ps.-Dsk.), mit οἰσυουργός m. ‘Korbmacher’ (Eup.), τὰ οἴσυα n. pl. "die Korbarbeiten" = ‘der Korhmarkt’ (Lykurg.), οἰσύ-ινος ‘aus οἰ.’ (ε 256, Th. u.a.). — Aus *ϝοι-τϝ-ος bzw. *ϝοι-τύ-ᾱ, Erweiterungen von *ϝοι-τυ-, das mit tu-Suffix und alter o-Abtönung vom idg. Verb u̯ei-’winden, biegen’ abgeleitet ist; s. ἰτέα, ἴτυς, wo auch Lit. Eine entsprechende i-Erweiterung liegt vor in aksl. větv-ъ f. ‘Zweig’ aus *u̯oi-tu̯-i-. Zur Bildung Schwyzer 506 u. 472, Chantraine Form. 103, zum Lautwandel τυ > συ Schwyzer 272. II-368
οἰσοφάγος m. ‘Speiseröhre, der obere Magenmund’ (Mediz., Arist., Thphr.). — Gelehrte Bildung, von einem Mediziner geschaffen. Viell. eig. "der transportiert und ißt", von οἴσειν (s. d.) und dem sehr gewöhnlichen Hinterglied -φάγος. Daß genaue Vorbilder dieses rein wissenschaftlichen Ausdrucks fehlen, kann kaum überraschen. Vgl. Georgacas Glotta 36, 174 (m. Lit.), in der Erklärung jedoch etwas abweichend ("the one that carries what one eats"). — Die formal viel einfachere Erklärung als "οἶσος-Fresser" (Strömberg Wortstudien 61 ff.) ist sachlich nicht zu begrunden. Eine ähnliche semit. Bezeichnung der Speiseröhre ist akkad. šērittu "die Hinunterführende"; vgl. Mayrhofer Bibl. Orient. 18, 274 A. 19. II-368
οἰσπώτη (-ωτή Hdn. Gr. 1, 343, H. wie μηλ-, κηρ-ωτή u.a.). Auch οἴσπη (v. l. Hdt. 4, 187 [vgl. οἰσύπη], Gal.), οἰσπαι· προβάτων κόπρος, ῥύπος H. f. ‘der fettige Schmutz der ungeschorenen Schafwolle, bes. an den Hinterbacken’, auch ‘Schafmist’ (Kratin., Ar., D.C., Poll.) — Aus *ὀϝι-σπωτη mit dunklem Hinterglied. Anknüpfung an die Stammsilbe in σπατίλη ‘dünner Stuhlgang’ (Meillet MSL 13, 291 f.) u.a.m. ist unsicher, da die semantische Funktion von σπα(τ)- der Aufklärung bedarf (vgl. s. v.). Unhaltbare weitere Kombinationen sind bei Bq und WP. 2, 683 referiert. II-368-369
ὀϊστός (ep. poet. seit Il.), οἰστός (att.) m. (f.) ‘Pfeil’; als Vorderglied z.B. in ὀϊστο-δέγμων ‘Pfeile enthaltend’ (A. in lyr.). Davon ὀϊστεύω, auch mit δι-, ἀπ-, ‘Pfeile schießen’ (Hom., Nonn., AP) mit ὀϊστευ-τήρ (Nonn., AP), -τής (Kall.) ‘Pfeilschütze’, -μα n. ‘Pfeilschuß’ (Plu.). — Keine ganz überzeugende Etymologie. Da ὀ- urspr. keinen Diphthong bildet, will Brugmann IF 29, 231 (mit Kritik früherer Deutungen) in ὀ-ϊσ-τός ein präfigiertes Verbaladj. zu aind. iṣ-yati ‘in eilige Bewegung setzen’ sehen; eig. Bed. "anstürmend, darauf losfliegend" (od. "angetrieben, entsendet"?), mit nächster formaler Beziehung zu ὀΐομαι (s.d.); auch ἰός ‘Pfeil’ wäre damit verwandt. — Ältere Versuche auch bei Bq (alle mit Recht abgelehnt); dazu noch Kretschmer Glotta 4, 351 (gegen Sadée KZ 43, 245ff.). II-369
οἴστρος m. ‘Viehbremse, Tabanus bovinus’ (χ 300, A., Arist.), auch von einem Wasserinsekt und von einem Vogel (Arist.; vgl. Whitfield ClassRev. 69, 12f.), ‘Stich, Stachel’ (S., E.), ‘Wut, Wahnsinn, heftiges Verlangen’ (Hdt., Pl., S., E. u.a.). Kompp., z.B. οἰστρο-πλήξ, -γος ‘von einer Bremse gestochen, von Wut getrieben’ (Trag., von Io, auch von den Bacchanten). Ableitungen: οἰστρ-ώδης ‘wütend’ (Pl., Epikur. u.a.), -ήεις ‘voll Stiche, stechend, gestochen’ (Opp., Nonn.; vgl. Schwyzer 527), -ηδόν ‘mit Wut’ (Opp.); οἰστρ-άω (zur Bildung Schwyzer 731), auch -έω (Theok., Luk., Jul.), -ῆσαι (Trag., Pl., Arist. usw.), auch mit ἀν-, ἐξ-, παρ-, δι-, ‘aufstacheln; wüten, toben’ mit οἴστρ-ημα n. ‘Stich’ (S., AP), (παρ-)-ησις f. ‘Wut, Leidenschaft’ (Corp. Herm., PMag. Par. u.a.); Rückbildung πάροιστρος ‘wütend, wahnsinnig’ (Simp.). — In der Barytonese zu κέστρος, χύτρος u. a. stimmend (vgl. Schwyzer 531 f.) muß οἶσ-τρος urspr. ein Nom. instr. oder — was eigentlich auf eins herauskommt — ein Nom. agentis sein. Wenn, wie wahrscheinlich, mit οἶμα (aus *οἶσ-μα) verwandt und wie dies von einem Verb ‘in heftige Bewegung setzen, antreiben, erregen’ ausgehend, hieß es ursprünglich "Antreiber, Erreger". Die tatsächlichen Bedd. ‘Bremse’, ‘Stich’, ‘Wut’ können somit nebeneinander her gehen (vgl. v.Wilamowitz Glaube 1, 273); die schillernde Bed. wurde noch durch den Mythus von Io begünstigt. — Eine bis auf das Genus identische Bildung ist lit. aistrà f. ‘heftige Leidenschaft’; weitere Verwandte s. οἶμα; vgl. auch ὀϊστός m. Lit. — Anders F. Hartmann KZ 54, 289 m. A. 1 : zu οἶδος, οἰδέω, ahd. eittar ‘Gift’ usw. als ‘der ein Geschwulst verursachende’; abzulehnen. S. noch Gil Fernandez Nombres de insectos 157. — In ἰστυάζει· ὀργίζεται H. hat Fick KZ 43, 136 eine daneben bestehende schwundstufige τυ-Ableitung *ἰσ-τύ-ς finden wollen. II-369-370
οἰσύα, -η s. οἶσος. II-370
οἰσύπη οἴσυπος m. (Dsk. 2, 74, Plin., H.) f. (Hdt. 4, 187 [v. l. οἴσπη], Hp.), ‘das fette Extrakt der Schafwolle’ (vgL Dsk. a. O. mit ausführlicher Beschreibung der Bereitung; nach H. = ὁ τῆς οἰὸς ῥύπος). Davon οἰσυπ-ίς f. ‘fettige Wollflocke’ (Hp.), -ηρός (Ar. usw.), -όεις, -ώδης (Hp.) ‘fettig, von der Schafwolle’; -ον = λάδανον (Plin.); οἰσύπειον· ἔριον ῥυπα-ρὸν προβάτων H. — Aus *ὀϝι-σύπη, wie das synonyme οἰσπώτη (s. d.) mit dunklem Hinterglied. Nichtssagende Vermutungen von Prellwitz s. v. und v. Blumenthal Hesychst. 43. II-370
οἴσω, -ομαι (seit Il.), dor. οἰσῶ, -εῖται (Ar., Theok., Arehim.), Pass. οἰσθήσομαι (E., D., Arist. u.a.), Aor. Inf. οἶσαι (Ph. 1, 116), ἀν-οῖσαι (Hdt. 1, 157; -ῶσαι codd.). Konj. ἐπ-οίσΕ (ark.), οἴσωμεν· κομίσωμεν H.; Verbaladj. οἰστός ‘tragbar, erträglich’ (Th. u.a.), ‘ich werde tragen, bringen’, oft m. Präfix, z.B. ἀν-, ἀπ-, ἐπ-, συν-,meist m. Präfix, z.B. δύσ- ~ ‘schwer zu ertragen’ (Hp., Trag. u.a.), ἀν-ύπ- ~ ‘unerträglich’ (Timae., D.H. u.a.); vgl. Meillet Festschrift Kretsehmer 140 f. — Als Vorderglied wahrscheinlich in οἰσο-φάγος ‘Speiseröhre’ (s. d.), wohl auch in Οἰσε-ζέα (lesb. Flurname), vgl. Schwyzer 442 u. 445. — Bis auf sehr vereinzelte Aoristformen (s. ob.) und οἰστός ist οἴσω auf das Fut. beschränkt (zu οἶσε, οἰσέμεν(αι) u.a. Schwyzer 788 m. A. 2, Chantraine Gramm. hom. 1, 417f.) und tritt dem durativen Präsens φέρειν und dem momentankonfektiven Aorist ἐνεγκεῖν ergänzend an die Seite. Als Stamm ist wegen οἰσ-τός am ehesten οἰσ- anzusetzen; der von Bechtel Namenst. 8f. angeführte böot. PN ’Ανεμ-οίτας, nach B. "der den Wind bringt" (?), kann ebensowenig wie die übrigen Namen auf -οίτης, -οιτος (Hist. PN 346) als Beweis für οἰ- gelten. — Ohne Etymologie; die Anknupfung an εἰ- ‘gehen’ (Prellwitz; s. Bq, WP. 1, 103, W.-Hofmann s. 1. eō) überzeugt nicht. II-370
οἶτος m. ‘Menschengeschick, (unglückliches) Schicksal’ (ep. seit Il., auch Trag. in lyr.). Als Hinterglied in μεγάλ-οιτος ‘mit schwerem Schicksal beladen, unglücklich’ (Theok.) und in PN, z.B. ’Εχ-οίτης (Athen; Bechtel Namenst. 25, vgl. auch Hist. PN 345); als Vorderglied in Οἰτό-λινος m. "Schicksalslinos" (Sapph. 140b, aus Pamphos). — Nicht sicher erklärt. Formel sehr naheliegend und begrifflich möglich, aber natürlich unsicher ist Anknüpfung von οἶ-τος (zur Bildung Schwyzer 501) an ἰ-έναι ‘gehen’ (Brugmann IF 37, 241 u.a.); dann eig. "Gang (der Welt)". Eine identische Bildung ist in dem keltogerm. Wort für ‘Eid’, air óeth, germ., z.B. got. aiþs, ahd. eid vermutet worden (z.B. Meringer IF 18, 295), wenn urspr. ‘(Eid)gang’; vgl. schwed. ed-gång. Aw. aēta- m. ‘Strafe, Schuld’, von Bar- tholomae IF 12, 139 mit οἶτος identifiziert (eig. ‘Teil, Anteil’), kann, weil von αἰσα, αἰτία usw. nicht zu trennen (s. dd. u. αἴνυμαι wegen des abweichenden Vokals schwerlich gleichzeitig dazu gehören (oder Ablaut ai : oi?). — Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 1, 102f. (Pok. 295), W.-Hofmann s. 1 eō (1, 408) und ūtor (2, 848); dazu noch Krause Glotta 25, 143f., ebenfalls m. Lit. II-370-371
οἴφω (Thera Gort., Plu. Pyrrh. 28), unsicher -έω (Mimn. u.a.; Schwyzer 721) ‘futuo’; als Hinterglied in φιλ-οίφ-ᾱς m. (Theok. 4, 62; zu -ᾱς Schwyzer 451), Κόρ-οιφος att. PN, auch Κόρ-οιβος (phryg. Form?, Kretschmer Glotta 14, 199). Davon οἰφ-όλης m. ‘fututor’ (Naxos, H.), -όλις f. (H.); zur Bildung Schwyzer 484 m. A. 4, Chantraine Form. 238. — Über Verbreitung und Stilcharakter von οἴφω Wackernagel Unt. 228. — Von οἴφω können die synonymen aind. yábhati, slav., z.B. aksl. jebǫ, russ. jeb-ú, -átь schwerlich getrennt werden. Für die lautliche Abweichung (idg. oibh- : i̯ebh- od. i̯obh-) wird man am ehesten die obszöne Bed. verantwortlich machen (Pisani Mél. Pedersen 242 A. 1); nach Specht KZ 59, 121 A. 2, dagegen idg. Umstellung des Anlauts; anders, nicht vorzuziehen, Brugmann IF 29, 238 A. 1 u. 32, 319ff. (zustimmend Schwyzer 722 A. 1): Schwundstufe m. Präfix o-ibh-; noch anders Hirt (s. Brugmann an letztgen. St.): zweisilbiges oi̯ebh-. — Eine unaspirierte illyrische Form wird von v. Blumenthal Hesychst. 8 f. in Οἴβαλος, N. eines lakonischen Heros, vermutet, weil sein Heroon nach Paus. 3, 15, 10 unweit dem Tempel des Ποσειδῶν Γενέθλιος lag; zustimmend Krahe Die Spr. d. Illyrier 46. Davon nach v. B. ὠβάλλετο· διωθεῖτο H. (?); weitere ganz fragliche Kombinationen ebd. — WP. 1, 198 (wo mit Brugmann auch ἅπτω einbezogen wird), Pok. 298 (mit langob.-germ. Hypothese nach Krahe bei v. Blumenthal a. O.). II-371
οἴχομαι (seit Il.), Fut. οἰχήσομαι (att. usw.), Perf. ᾤχωκα, οἴ- (ep. ion. poet. seit Κ 252), ᾤχηκα (Κ 252 v. l., hell. u. sp.), Med. ᾤχημαι, οἴ- (ion. u. sp.), ‘(weg)gehen, sich entfernen, verschwinden, sterben’, meistens um einen eingetretenen Zustand zu bezeichnen, wobei die begleitende oder vorausgehende Handlung durch ein Ptz. Präs. ausgedrückt wird: ‘weggegangen sein, verschwunden, fort, dahin sein’; zur Aktionsart Schwyzer-Debrunner 274 u. 392, Bloch Suppl. Verba 28ff. oft m. Präfix, z.B. ἀπ-, ἐπ-, παρ-, δι-, μετ-, Daneben οἰχνέω ‘gehen, kommen, wandern, nahen’, auch mit ἐξ-, εἰσ- u.a. (Hom., Pi., Trag. u.a.), auch = οἴχομαι (S.). —Keine Ableitungen. Eine Hypothese über den ON Οἰχαλία bei Ziehen Arch. f. Religionswiss. 24, 51 f. — Zu οἴχ-ομαι : οἰχ-νέ-ω vgl. ὑπ-ίσχ-ομαι : ὑπ-ισχ-νέ-ομαι und Schwyzer 696. Das erweiternde η des Fut. drang auch in das Perfekt ein; aus irgendeinem sinnverwandten Vorbild (μέμβλωκα?) stammt das früh auftretende οἴχ-ω-κα (Schwyzer 774 m. A. 2 u. Lit.; vgl. auch Chantraine Gramm. hom. 1, 424 m. A. 3 u. Lit.). — Das Hauptproblem bei οἴχομαι knüpft sich an die eigenartige Bed., die indessen dem durativinfektiven οἰχνέω eigentlich fremd gewesen zu sein scheint (οἴχομαι somit urspr. Aoristpräs.?). Eine annehmbare Anknüpfung bietet arm. iǰanem (Nasalpräs. wie οἰχνέω), Aor. 3. sg. ēǰ (< *oigh-e-t; vgl. ᾤχετο) ‘herabkommen, herabsteigen’ (Scheftelowitz BB 28, 311); hinzu kommen ein paar isolierte kelt. und lit. Nomina: air. óegi ‘Gast’ (< *oigh-ēt-; wie γόης, πένης; Bed. wie arm. iǰ-awor); lit. eigà f. ‘Gang, Verlauf’ (Pedersen Vergl. Gramm. 1, 101, Prellwitz s.v.). Mehrdeutig sind heth. igāi- etwa ‘zugrunde gehen’ und toch. B yku ‘gegangen’; vgl. Kronasser Studies Whatmough 125. Bei weiterer Abtrennung der velaren Media asp. gh gelangt man an ei- ‘gehen’, wodurch die etymologische Analyse in eine ziemlich blutleere Abstraktion endet. Einzelheiten m. weiterer Lit. bei WP. 1, 104 (Pok. 296). S. auch ἴχνος. II-371-372
οἰωνός (ὀϊωνός Trypho; auch Alkm. 60 B 6?) m. ‘Raubvogel, der vom Vogelschauer beobachtet wurde’ (ep. poet. seit Il.), ‘Weissagevogel, Vorzeichen’ (seit Il., auch Prosa). Als Vorderglied u.a. in οἰωνο-πόλος m. ‘Vogeldeuter’ (Il., Pi., A. in lyr.; D. H. = augur). Davon οἰωνίζομαι, ganz vereinzelt m. Präfix wie μετ-, ἐξ-, ‘die Weissagevögel od. die Vorzeichen beobachten, als Vorzeichen betrachten, wahrsagen’ (X, D., hell. u. sp.) mit οἰων-ιστής m. ‘Vogeldeuter, augur’ (Il., Hes. Sc., D. H. u.a.), -ιστικός ‘zum Vogeldeuter od. zur Weissagung gehörig’ (Pl., Arist. usw.), -ισμα n. ‘Vorzeichen’ (E., LXX u.a.), -ισμός m. ‘ds.’ (LXX, Plu.), -ιστήριον n. ‘Vorzeichen’ (X. Ap. 12; wohl nach τεκμήριον), ‘Platz für Vogelschau, augurale’ (D.H.); οἰωνευτής = οἰωνιστής (Pap., wie von *οἰωνεύω; vgl. Kalbfleisch RhM 94, 96). — Erklärung strittig. Wegen des gleichgebildeten υἱωνός (: υἱύς υἱός) wohl am ehesten von einem nominalen Grundwort; deshalb schon von Benfey (s. Curtius 391) mit dem idg. Wort für ‘Vogel’ in lat. avis, aind. vi-ṣ u.a. (und αἰετός) verbunden, wobei ὀ- für a- in avis u. a. von Schulze Kl. Schr. 662 und J. Schmidt KZ 32, 374 als Vokalassimilation erklärt wurde. Von anderen mit οἶμα, οἶστρος, ὀιστός (s. dd. m. Lit., auch οἴομαι) zu einem Verb ‘in heftige Bewegung setzen’ gezogen mit οἰ- entweder aus οἰσ- (z.B. Brugmann IF 17, 487f.) oder aus ὀ-ισ- (Brugmann IF 29, 233f. m. Lit.). Weitere Lit. bei Bq; s. auch Belardi Doxa 3, 215 f. und Schmeja IF 68, 35 f. II-372-373
ὀκλάζω (seit Ν 281 [μετ- ~]), Aor. ὀκλάσαι (S. u.a.), ‘in die Knie sinken, auf die Fersen niederhocken, sich niederkauern’, übertr. ‘sinken, nachlassen’, trans. ‘stillen’ (Hld.). auch m. Prafix, z.B. μετ-, ὑπ-, Davon ὄκλα-σις f. ‘das Niederhocken’ (Hp., Luk.), -σμα n. N. eines persischen Tanzes (Ar. Fr. 344 b); auch ὀκλα-δίας m. ‘Feldstuhl’ (att. Inschr., Ar. u.a.), -δία = ὄκλασις (Suid.; vgl. Scheller Oxytonierung 40), -δόν (A. R., Nonn.), -δις (Hdn. Gr.), -διστί (Babr.) Adv. ‘auf den Fersen sitzend, kauernd, hockend’; ὀκλάξ Adv. ‘ds.’ (Hp., Pherekr. u.a.; nach γνύξ, πύξ usw.); Ὄκλασος m. PN (Sch.; wie Δάμασος u.a., s. Chantraine Form. 435). — Als Grundwort von ὀκλάζω kann nicht nur ein Nomen (*ὄκλος, *ὀκλή, *ὀκλάς?), sondern auch ein Verb *ὀκλάω (δαμάω : δαμάζω) gedient haben (vgl. Schwyzer 734). Somit eig. mit Prellwitz s. v. *ὀ-κλάω, -άζω wie nhd. zusammen-brechen, auch von den Knien (ὀκλα-δ-ίας usw. wie κλά-δ-ος, κλα-δ-αρός)? — Nach Frisk IF 49, 99 f. zu κῶλον, σκέλος; morphologisch unbefriedigend. — Zu bemerken die H.-glossen κλωκυδά· τὸ καθῆσθαι ἐπ’ ἀμφοτέροις ποσίν, ὀκκῦλαι· τὸ ὀκλάσαι καὶ ἐπὶ τῶν πτερ<ν>ῶν καθίζεσθαι. II-373
ὄκνος 1. m. ‘Zögern, Zaudern, Bedenklichkeit, Scheu’ (seit Il.). Auch als Hinterglied, z.B. ἄ-οκνος, Adv. -ως ‘ohne Zaudern, entschlossen’ (ion. att. seit Hes.) mit ἀοκν-ία f. ‘Entschlossenheit’ (Hp.). Davon die Adj. ὀκν-ηρός ‘zögernd, bedenklich, Bedenken erregend’ (Pi., ion. att.) mit -ηρία f. = ὄκνος (LXX, Pap. VIp), -ηρεύω ‘Bedenken einflößen’ (LXX); in derselben Bed. auch ὀκν-ηλός (Theognost.), -ώδης (Dionys. Av.), -αλέος (Nonn.). Denom. ὀκνέω (-είω Ε 255 metr. bedingt; vgl. Schwyzer 724 A. 2, Chantraine Gramm. hom. 1, 101, auch Shipp Studies 28, 118), auch mit ἀπ-, κατ-, δι-, ‘zögern, zaudern, Bedenken tragen, sich scheuen’ (seit Il.) mit (ἀπ-)όκνησις f. ‘Bedenken, Abneigung’ (Th., Plu. u.a.). — Isoliert. Benveniste BSL 36, 102 f. vergleicht heth. ikni-i̯ant- ‘lahm’ ("erwägenswert" Neumann Heth. u. luw. Sprachgut 20). Frühere Versuche, u.a. zu got. aha ‘Sinn, Verstand’ usw. (Uhlenbeck PB Beitr. 27, 115; s. auch WP. 1, 169 u. Pok. 774), bei Bq. II-373-374
ὄκνος 2. m. N. eines großen Vogels des Reihergesehlechts, etwa ‘Rohrdommel’ (Arist., Paus., Ael.). — Mit 1. ὄκνος identisch; die Benennung bezieht sich offenbar auf die Unbeweglichkeit des Vogels am Tage. — Nach Fick 1, 368 mit Dissimilation aus *ὄγκνος zu ὀγκάομαι ‘schreien’ wegen des Paarungsgeschreis des Männchens; semantisch ebensogut möglich, aber lautlich und morphologisch schwieriger. II-374
ὄκρις m. ‘Spitze, scharfe Kante, Ecke’ (Hp.); als Vorderglied in ὀκρί-βας, -αντος m. eig. "der auf Spitzen geht", ‘erhöhter Platz, Gerüst, Tribüne’ (Pl., sp.; vgl. Schwyzer 526, Chantraine Form. 269 f.). Davon ὀκρι-όεις ‘scharfkantig, spitzig (Hom., A., hell. Dicht.; zur Bildung Debrunner ’Αντίδωρον 28 f.); ὀκρίς f. ‘spitzig’ Beiw. zu φάραγξ (A. Pr. 1016); ὀκρι-άομαι (zur Bildung Schwyzer 732) in ὀκριόωντο ‘sie stachelten sich auf, sie waren erbittert’ (σ 33), ὠκριωμένος (Lyk. 545); ὀκρι-άζω ‘schroff, erbittert sein’ (S. Fr. 1075). — Mit lat. ocris m. ‘steiniger Berg’ (wozu medi-ocris eig. "auf halber Höhe"), umbr. ukar, Gen. ocrer ‘arx, mons’, mir. och(a)ir ‘Ecke, Rand’ identisch (aind. áśri- f. ‘Ecke, scharfe Kante’ mit idg. a- od. o-), o-Abtönung von aḱ- in ἄκρος usw., s. d.; vgl. auch ὀξύς. Einzelheiten m. Lit. bei W.-Hofmann s. v., auch WP. 1, 28, Pok. 21. II-374
ὀκρυόεις ‘grausig, schauerig, schauderhaft’ (Z 344, I 64, A R., AP u.a.). — Aus κρυόεις entstanden durch falsche Abtrennung von ἐπιδημίοο κρυόεντος (I 64) und κακομηχάνοο κρυοέσ-σης (Z 344); näheres über den Verlauf bei Leumann Hom. Wörter 49 f. m. Lit. Dabei hat wahrscheinlich das lautähnliche ὀκριόεις eingewirkt (Ruijgh L’élém. ach. 103). II-374
ὄκταλλος s. ὀφθαλμός. II-374
ὀκτώ (böot. lesb. ὀκτό wie δύο, herakl. hοκτώ nach ἕξ, ἑπτά, el. ὀπτώ nach ἑπτά) ‘acht’. Als Vorderglied neben ὀκτω- in ὀκτω-καίδεκα, ὀκτω-δάκτυλος ‘acht Finger breit’ (Hp., Ar. usw.) u.a. gewöhnlich ὀκτα- (nach ἑπτα-, ἑξα- usw.) in ὀκτα-κόσιοι und in zahlreichen Bahuvrihi, z.B. ὀκτά-μηνος ‘acht Monate alt, achtmonatig’ (Hp., X., Arist. usw.). Daneben ὀγδοή-κοντα, das wie ἑβδομή-κοντα von der Grundzahl ausgehen kann, s. d. und ὄγδοος m. Lit. Durch Kreuzung mit ὀκτώ auch ὀγδώ-κοντα (Β 568 = 652 u.a., s. Sommer Zum Zahlwort 25 A. 2). Nach ὀγδοήκοντα das späte ὀγδοάς f. ‘Achtzahl’ (Plu. u.a.) für ὀκτάς f. (Arist.). — Weitere Ableitungen: ὀκτά-κι(ς), -κιν ‘acht mal’ (Hdt. usw.), ὀκτα-σσός ‘achtfach’ (Pap. III p; nach δισσός usw.), -χῶς ‘auf acht Weisen’ (EM, Arist.-Komm.). — Gr. ὀκτώ, lat. octō, aind. aṣṭā́(u), germ., z.B. got. ahtau, lit. aštuo-nì und übrige damit verwandte Formen gehen auf idg. *oḱtṓ(u) zurück. Arm. ut‘ ist wie el. ὀπτώ nach dem Wort für ‘sieben’ umgebildet. — Das idg. Wort für ‘acht’ war offenbar ein alter Dual, aber weitere Analyse ist ganz unsicher. Hypothesen z.B. bei W.-Hofmann s. octō, wo auch weitere Lit.; dazu noch Meisinger Gymnasium 57, 74 f. Von Ebbinghaus PBBeitr. 72, 319 mit dem Wort für ‘vier’ verbunden (abzulehnen). II-374-375
ὀκωχή f. ‘Anhalt, Haft’ (EM) mit ὀκώχ-ιμος ‘haftbar’ (Kyrene IVa; nach ἀγώγιμος?, vgl. Arbenz 64), ὀκωχεύειν· ἔχειν, συνέχειν H. (S. Fr. 327). Literarisch (und ursprünglich?) nur mit ἀν- δι-, κατ- u.a. von ἀν-έχω usw. — Reduplizierte Bildung von ἔχω; zur Erklärung Wackernagel Gött. Nachr. -81902, 739f. = Kl. Schr. 1, 129f. (Schwyzer 766 A. 4). S. auch ἀνοκωχή und συνοκωχότε. II-375
ὀλαί f. pl. ‘Gerstenkörner, die beim Opfer gebraucht wurden’ s. οὐλαί. II-375
ὄλβος m. ‘Wohlstand, gesegneter Zustand, Reichtum, Glück’ (vorw. ep. poet. seit Il.; zur Bed. Radermacher Gnomon 14, 296). Kompp., z.B. ὀλβο-δότης, dor. -δότας m., -δότειρα f. ‘Spender(in) des Wohlstands’ (E. in lyr., hell. u. sp. Dichtung) ἄν-ολβος ‘ohne Wohlstand, unglücklich’ (Orac. ap. Hdt. 1, 85, Trag. u.a.). Ableitungen. 1. ὄλβιος ‘gesegnet, begütert, glücklich’ (vorw. ep. poet. seit Il.), Vok. ὀλβιό-ὀαιμον (Γ 182; Schwyzer 105 m. Lit.), Superlativ ὄλβιστος (hell. Dicht.; Seiler Steigerungsformen 104 f.); 2. ὀλβήεις ‘ds.’ (Man.); 3. ὀλβ-ία f. =ὄλβος (Phot.); 4. ὀλβίζω ‘glücklich preisen, beglücken’ (Trag.; ἐπ- ~ Nonn. u.a.) mit ὀλβιστήρ, -ῆρος ‘Beglücker’ (sp. Dicht.). — Unerklärt. Allerlei Hypothesen von Prellwitz s. v., Bezzenberger BB 5, 171 f., Pisani KZ 61, 180ff., Grošelj Živa Ant. 2, 213, Machek Listy filol. 72, 71 f. II-375
ὄλεθρος m. ‘Verderben’ s. ὄλλυμι. II-375
ὀλέκρανον n. ‘Kopf des Ellenbogenknochens’ s. ὠλέκρανον. II-375
ὀλιβρόν · ὀλισθηρόν, λεῖον, ἐπισφαλές H. Dazu ὠλίβραξαν· ὤλισθον und, ohne ρ, ὀλιβάξαι· ὀλισθεῖν H. — Kann mit ags. slipor, ahd. sleffar ‘schlüpfrig, glatt’ (wozu norw. slipra ‘gleiten’) aus idg. *slib-ro- (ὀ- prothetisch; Laryngalerklä-rung bei Austin Lang. 17, 87) identisch sein. Dazu das pri. märe Verb ahd. slīfan, mnd. slīpen ‘gleiten, schleifen’ u.a. Weitere nähere od. fernere Verwandte (m. Lit.) bei Bq, WP. 2, 391 f., Pok. 663 u. 960, W.-Hofmann s. lībō. S. auch λίμβος und ὀλισθάνω. II-376
ὀλιγηπελέων (Ο 24 u. 245, ε 457), -έουσα (τ 356) ‘schwach, ohnmächtig’. — Aus ὀλιγ-ηπελής (AP, Opp.) metrisch erweitert (Schwyzer 724, Leumann Hom. Wörter 116 A. 83, Chantraine Gramm. hom. 1, 349). Davon ὀλιγηπελ-ίη f. ‘Schwäche, Ohnmacht’ (ε 468). Ebenso εὐηπελ-ίη f. ‘Stärke, Gedei- hen’ (Kall.: εὐηπελής H.), Gegensatz κακηπελ-ίη, -έων (Nik.); auch ἀνηπελίη· ἀσθένεια H. und νηπελέω = ἀδυνατέω (Hp.). Seit Düntzer KZ 13, 17 f. wird (ὀλιγ)-ηπελής auf ein Nomen *ἄπελος n. ‘Kraft’ (mit komp. Dehnung; Schwyzer 447) zurückgeführt und mit germ., z.B. awno. afl, ags. afol n. ‘Kraft’ verbunden; hierher noch el. (illyr.?) PN Τευτί-απλος, illyr. PN Mag-aplinus usw. (vgl. zu ’Απόλλων). Da aber die germ. Wörter anderseits mit lat. ops, opus usw. zusammenzuhalten sind, bleibt gr. ἀ- unklar. — Hierher noch das Denominativum ἀν-απελάζω in ἀναπελάσας· ἀναρρωσθείς H. — Einzelheiten m. weiterer Lit. bei Bechtel Lex. s. v., WP. 1, 176, Pok. 52, W.-Hofmann s. epulum und ops. Vgl. auch zu νήπιος. II-377
ὀλίγος ‘klein, gering’ (seit Il., vorw. ep.), ‘wenig’ (nachhom.); vgl. die Lit. zu μικρός. Oft als Vorderglied, z.B. ὀλιγ-αρχ-ία f. ‘Herrschaft der Wenigen, Oligarchie’ (ion. att.; nach μοναρχία, s. μόνος) mit ὀλιγαρχ-έω, -ικός (att.), -ης m. (D. H. Zu ὀλιγ-ηπελέων s. bes., zu ὀλιγο-δρανέων s. δράω, zu ὀλίγ-ωρος s. ὤρα. — Steigerungsformen: ὀλίγ-ιστος (seit Il.), ὀλίζων (ep. seit Il.), ὀλείζων (att. Inschr.; nach μείζων); Seiler Steigerungsformen 101 ff. Sonstige Ableitungen: ὀλιγότης,. -ητος f. ‘kleine Anzahl’ (Pl., Arist. usw.), ὀλιγόομαι, -όω ‘klein, kleinmütig werden, verkleinern’ (LXX); ὀλιγ-άκις ‘selten (ep. ion.), -αχόθεν ‘von wenigen Orten her’ (Hdt., Arist.), -αχοῦ ‘an wenigen Orten’ (Pl., Arist.). Auch ὀλίγιοι· εἶδος ἀκρίδων. τινές ῥιζίον, ὅμοιον βολβῷ H. (s. Gil Fernandez Nom. bres de insectos 95) ?; wohl eher zu λιγύς, s. d. — Über Anknüpfung an balt., alb. und arm. Wörter und weitere Einbeziehung von λοιγός ‘Verderben, Unheil, Tod’ s. d. m. Lit. II-377
ὄλισβος m. ‘penis coriaceus’ (Kom., Herod.). — Obszönes Wort mit β-Sufflx; nach anderen familiären und vulgären Wörtern aus ὄλισθος umgebildet (Chantraine Form. 262, Schwyzer 496)? II-377
ὀλισθάνω (att.), -αίνω (Arist., hell. u. sp.), Aor. ὀλισθ-εῖν (seit Il.), -ῆσαι (Hp., hell. u. sp.), -ῆναι (Nik.), 2. sg. ὤλισθας (Epigr. Ia—Ip), Fut. ὀλισθήσω (hell. u. sp.), Perf. ὠλίσθηκα (Hp. u.a.), ‘gleiten, aus-, weggleiten’. oft mit Präfix, z.B. ἀπ-, δι-, ἐξ-, κατ-, ὑπ-, Davon 1. Verbalsubst. : ὀλίσθ-ημα n. ‘Fall, Verrenkung’ (Hp., Pl. u.a.), -ησις (auch ἀπ-, κατ-, περι-) f. ‘das Ausgleiten, Verrenken’ (Mediz., Plu. u.a.); zur Bed.verschiedenheit zw. ὀλίσθ-ημα und -ησις Holt Les noms d’action en -σις 138; Rückbildung ὄλισθος m. ‘Schlüpfrigkeit’ (Hp., hell. u. sp.), auch als N. eines schlüpfrigen Fisches (Opp.; Strömberg Fischnamen 28). 2. Verbaladj.: ὀλισθ-ηρός ‘schlüpfrig, glatt’ (Pi., ion. att.), -ήεις ‘ds.’ (AP; dichterische Bildung. vgl. Schwyzer 527), -ανωτέρα ‘ds.’ (Nom. f. sg.; Gal,; eher von ὀλισθάνω als mit Thumb IF 14, 346 f. von ὄλισθος), ὀλισθός ‘ds.’ (Hdn. Gr. 1, 147; wohl zunächst zu ὄλισθος m. Akz.-verschiebung), -ητικός ‘glatt machend’ (Hp.). — Für sich steht ὀλισθράζω = ὀλισθάνω (Epich., Hp. ap. Gal. 19, 126) wie von *ὄλισθρος, vgl. ὀλιβ(ρ)άξαι von ὀλιβρός (s.d.). — Der themat. Wz.-aorist ὀλισθεῖν, von dem alle übrigen Formen direkt od. indirekt ausgehen und dessen Funktion als Aorist vielleicht mit dem Aufkommen des Präsens auf -άνω (wozu später -αίνω) zusammenhing (Schwyzer 748 mit Brugmann Grundr.2 II: 3, 365), erinnert an -δαρθεῖν (: δαρ-θάνω), αἰσθέσθαι ( : αἰσθάνομαι) und kann wie diese ein erweiteredes idg. dh-Element enthalten mit gr. σθ aus dh-dh. Als Quelle von σθ kommt aber auch idg. dh-t in Betracht, wobei sich βλαστεῖν ( : βλαστάνω), ἁμαρτεῖν ( : ἁμαρτάνω) zum Vergleich melden (Schwyzer 703f.). — Urspr. *ὀλιθ- reiht sich mit prothet. ὀ- unschwer an ein Verb für ‘gleiten, rutschen im Germ. und Balt., z.B. ags. slīdan (nengl. slide), mhd. slīten, lit. slýs-ti, Prät. slýd-au (mit sekund. y neben slidùs ‘glatt, schlüpfrig’). Dazu isolierte Nomina im Slav. und Kelt.: aksl. slědъ, russ. sled m. ‘Spur’ (idg. *sloidh-o-), nir. slaod ‘gleitende Masse’ (Bildung unklar). Auch das nicht sicher gedeutete aind. srédhati etwa ‘straucheln, fehlgehen’ mag hierhergehören. Bei Zerlegung in sli-dh- (vgl. Benveniste Origines 192) läßt sich auch ὀλιβρόν usw. einbeziehen, s. d. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 707f., Pok. 960f., Vasmer s. sled, Fraenkel s. slidùs. S. auch 1. λοῖσθος. II-377
ὁλκή ὁλκός m. "der Zieher", ‘Ziehmaschine für Schiffe, Riemen’ (Hdt., Th., S., E.), auch ‘Spur, Furche’ ("die sich hinziehende"; Frisk Eranos 38, 43), ‘Rinne, Windung’ (E., Ar., hell. u. sp. Dicht.), auch Ben. einer Spinne (Dsk.; vgl. Gil Fernandez Nombres de insectos 155 f. m. Lit.); Adj. ὁλκός, -ή, -όν ‘an sich ziehend’ (Pl., Arist. usw.), ‘sich hinziehend, hinneigend, zögernd’ (Ph., Hld.). f. — Verbalnomina zu ἕλκω nach wohlbekannten Mustern; mit ὁλκός kann indessen lat. sulcus m. ‘Furche’ uridentisch sein (vgl. Porzig Satzinhalte 256), wenn nicht vielmehr mit Tiefstufe zu ags. sulh f. ‘Pflug, Furche’ (idg. *sl̥q-), s. Porzig Gliederung 111. Weiteres s. ἕλκω und WP. 2, 507 f., Pok. 901, W.-Hofmann s. sulcus m. Lit.; s. auch ἄλοξ. ‘das Ziehen, das Schleppen, Zug, Einatmung, Schluck, Trunk, Anziehung, das Ziehen der Waagschale = Gewicht’ (ion. att.); Von ὁλκή: 1. ὁλκάς, -άδος f. ‘Zug-, Lastschiff’ (Pi., ion. att.) mit ὁλκαδι-κός (Arist.); 2. ὁλκεῖον (-ίον) n. ‘große Schüssel, großes Bekken, aus dem Wasser geschöpft wird’ (Kom. u. Inschr. seit IVa; nach ἀγγεῖον) mit ὁλκίδιον (Pap. III p); 3. ὁλκεῖς· οἵ τὰ ἀμφίβληστρα ἐπισπῶνται H. (Boßhardt 79); 4. ὁλκαῖος ‘zum Ziehen gehörig, eine Windung bildend’ (Nik., Lyk.), -αῖον n. ‘Hinter-, Ruderstern’ (A. R.), -αία, -αίη f. ‘Schwanz’ (Nik., A. R.); 5. ὅλκ-ιμος ‘ziehbar, biegsam, zähflüssig’ (Mediz., Plu.), ‘zum Ziehen dienlich’ (Paul. Aeg.; Arbenz 75 f.; nach στάσιμος?); 6. -ήεις ‘gewichtig’ (Nik.); 7. -άζω ‘ziehen’ (Pap., H.). II-377-378
ὄλλυμι, -μαι (seit Il.), -ύω, -ύομαι (seit Archil.), ὀλέκω, -ομαι (ep. lyr. seit Il., LXX), Aor. ὀλέσαι, ὀλέσθαι (seit Il.), Pass. ὀλεσθῆναι (LXX), Fut. ὀλέσ(σ)ω (ep.), ὀλέω (ion.), ὀλῶ (att.), ὀλέομαι, ὀλοῦμαι (seit Il.), Perf. ὀλώλεκα (att.), intr. ὄλωλα (seit Il.); als Simplex nur ep. poet. u. sp. Prosa; ‘verderben, zerstören, verlieren’, Med. intr. ‘verderben, zugrunde gehen, verloren gehen’. sehr oft m. Präfix, bes. ἀπ- (in d. att. Prosa alleinherrschend), wozu ἐξαπ-, συναπ-, προσαπ- usw., auch mit δι-, ἐξ- u.a. Ableitungen. 1. ὄλεθρος m. ‘Verderben, Untergang, Verlust, Tod’ (seit Il.) mit ὀλέθρ-ιος ‘verderblich’ (vorw. ep. poet. seit Il.), -ιάω ‘auf den Tod liegen’ (Archiv; nach den Krankheitsverba auf -ιάω, Schwyzer 732), (ἐξ-ὀλεθρ-εύω, assim. (ἐξ-)ὀλοθρ-εύω ‘zerstören’ (LXX u.a.) mit -ευσις, -ευμα, -εία (neben -ία; Scheller Oxytonierung 39), -ευτής; ngr. ξολοθρεύω. 2. ἀπόλε-σις f. ‘Verlust’ (Hippod. ap. Stob.); als Vorderglied z.B. in ὀλεσ-ήνωρ ‘Männer zugrunde richtend’ (Thgn. [?], Nonn.; Sommer Nominalkomp. 183), ὠλεσί-καρπος ‘die Frucht verlierend’ (κ 510 u.a.; ὠ- metr. bedingt). 3. ὀλε-τήρ, -ῆρος m. ‘Vernichter, Mörder’ (Σ 114 u.a.; zur Bed. Benveniste Noms d’agent 35 u. 43), -τειρα f. (Batr. u.a.; ἀνδρ-ολέτειρα Hes., A.), -της m. (Epigr. Gr.; ἀνδρ-ολέτης poet. Inschr.), -τις f. (AP), παιδ-ολέτωρ, -ορος m. f. ‘Kindermörder(in)’ (A. in lyr. u.a.); Einzelheiten bei Fraenkel Nom. ag. 1, 127 A. 1. — Zum PN ’Ολετᾶς (Hali- karn. usw.; karisch?) Masson Beitr. z. Namenforsch. 10, 163f. — Der zweisilbigen Hochstufe in ὄλε-θρος, ὀλέ-σαι u.a. entspricht eine einsilbige Tiefstufe in ὄλλυμι aus *ὄλ-νυ-μι (zum Lautlichen Schwyzer 284); ebenso z. B. στορέ-σαι : στόρ-νυ-μι. Urspr. Zweisilbigkeit auch in ὀλέ-σθαι (falls athematisch), wozu mit thematischer Umdeutung ὀλόμην usw. ? Zu ὀλέ-κ-ω vgl. ἐρύ-κ-ω u.a., zum Ptz. Aor. ὀλόμενος Kretschmer Glotta 27, 236 f. (gegen Specht KZ 63, 219 f.). Einzelheiten zur Morphologie bei Schwyzer 363, 696, 702 u. 747, Chantraine Gramm. hom. 1, 302 f., 329 u. 391; zum Vokalismus noch Sánchez Ruiperez Erner. 17, 107 f. — Aus dem Griech. hierher noch ὀλοός ‘verderblich, verhängnisvoll’; sonst isoliert. Über verfehlte Hypothesen s. W.-Hofmann s. aboleō, dēleō und volnus; auch WP. 1, 159 f. und Pok. 306 (m. Lit.). II-378-379
ὅλμος (ὄλμος) m. ‘Mörser’, übertr. auf mörserähnliche, d.h. ausgehöhlte Gegenstände, z.B. ‘Mundstück einer Flöte, Trinkbecher, Dreifuß der Pythia’ (seit Λ 147; zur Bed. an dieser Stelle Palmer Eranos 44, 54 f.). Wenige Kompp., z. B. ὁλμο-ποιός m. ‘Mörserfabrikant’ (Arist.), ὑφ-όλμ-ιον n. ‘Untersatz des ὅλμος’ (Kom., Poll.). Davon das Demin. ὁλμίον n. (Pap.), auch ὁλμίσκος m. ‘Höhlung einer Türangel, eines Zahns’ (Pap., S.E., Ruf., Poll.); ὁλμειός m. = ὅλμος (Sch. Ar. V. 238; nach στελε(ι)ός u.a.). — Aus *ϝόλ-μος eig. ‘Rolle, Walze’, von der walzenähnlichen Form des aus einem ausgehöhlten Baumstamme bestehenden Mörsers (vgl. Palmer a. O.); zu εἰλέω ‘rollen, wälzen’ (s. d.). II-379
ὁλόκληρος ‘vollständig’ s. κλῆρος. II-379
ὁλοκόττινος -ον n. m., N. einer Goldmünze, lat. solidus (Pap. IV—VIp). — Aus ὅλος und lat. (aurum) coctum = ὁλό-χρυσος ‘ganz aus reinem Gold’, s. Kretschmer Glotta 3, 313 f. (nach Psaltes). II-379
ὀλολύζω (-ύττω Men.), Aor. ὀλολ-ύξαι (seit Od.), Fut. -ύξομαι (E.), -ύξω (LXX), ‘laut aufschreien, (zu den Göttern) rufen, aufjauchzen, aufjammern’, bes. von Weibern (fast nur poet.). auch m. Präfix, bes. ἀν-, ἐπ-, Davon ὀλολυγ-ή f. (seit Z 301) mit -αία f. Bein. der νυκτερίς (Grabepigr.), -μός m. (A. usw.), -μα (E. u.a.) ‘lautes Aufschreien (vor Freude)’, meist von Weibern, die einen Gott anrufen (vorw. poet.); -ών, -όνος f. ‘das Quaken eines Frosches usw.’ (Arist., Ael., Plu.), auch Bez. eines unbekannten Tieres (Vogels), lat. acredula (Eub., Theok., Arat.u.a.),s.Harder Glotta 12, 137 ff., auch Thompson Birds s.v.; ὀλολύκ-τρια f. ‘berufliches Klageweib’ (Pergam. IIa), -τόλης m. ‘Schreier’ (An. Ox.; vgl. z.B. σκωπτόλης, ὑλα-κτ-έω). Rückbildungen ὄλολοι m. pl. = δεισι-δαίμονες (Theopomp. Kom., Men.), ὄλολυς m. nach Phot. = ὁ γυναικώδης καὶ κατάθεος καὶ βάκηλος (Anaxandr., Men.). — Onomatopoetische Reduplikationsbildung mit demselben Ausgang wie in ἰύζω, βαΰζω usw. (Schwyzer 716); zur Reduplikation Schw. 423, Chantraine Gramm. hom. 1, 376. Ähnliche, genetisch oder elementar verwandte, Bildungen sind. lat. ululāre ‘heulen’, ulula f. ‘Kauz’, aind. ululí- ‘laut schreiend’, úlūka- m. ‘Eule’, lit. ulula (bañgos) ‘es heulen (die Wellen)’, alle indessen mit u; s. WP. 1, 194, W.-Hofmann s. ulula m. weiteren Formen und Lit. Daneben ὀλολύζω mit Dissimilation ο—υ oder ablautend zu ἐλελεῦ (s. d.), vgl. Pok. 306 u. 1105. Vgl. noch Theander Eranos 15, 98ff. mit anfechtbaren oder abzulehnenden Kombinationen (s. zu ἔλεγος m. Lit., auch v. Windekens Le Pelasgique 63 u. 65); Deubner BerlAkAbh. 1941 : 1. — Vgl. ὀλοφύρομαι. II-379-380
ὄλονθος m. ‘wilde Feige’ s. ὄλυνθος. II-380
ὀλοοίτροχος (Ν 137, Demokr. 162, Orac. ap. Hdt. 5, 92 β), ὀλοίτροχος (Hdt. 8, 52, Theok. 22, 49), ὁλοίτροχος (X. An. 4, 2, 3) m. ‘rundes Felsstück, Felsblock, Rollstein’ (Akz. unsicher, vgl. Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 129 = Kl. Schr. 2, 1186). — Wohl eig. "Kreisläufer", Fachausdruck für einen runden Stein, der von oben herabgewälzt oder von einem heftigen Strom mitgerissen wird. Das Vorderglied gehört dann zu εἰλέω ‘rollen, drehen, wälzen’ und sieht wie ein Lokativ aus (Pott); nach Bechtel Lex. s. v. (wo ausführliche Behandlung) von einem Nomen *ϝολοϝο- ‘Wirbel, Drehung’ mit naher Beziehung zu εἰλεός (s. d.); ablehnend Shipp Studies 49 f. (eher mit den Alten zu ὀλοός ‘verderblich’; οι metrisch bedingt). II-380
ὀλοός, auch ὀλοιός (A 342, Χ 5, h. Ven. 224), ὀλώιος (Hes. Th. 591, Nonn.), οὐλοός (A. R.), Vok. ὀλέ (Alkm. 55), ὀλόεις (S. Tr. 521, lyr.) ‘verderblich, unheilvoll, verhängnisvoll’ (ep. poet. seit Il.). Als Vorderglied in ὀλοό-φρων ‘verderblichen Sinnes, Unheil sinnend’, von ὕδρος, λέων, σῦς κάπρος (Il.), auch von Ἄτλας, Αἰήτης, Μίνως (Od.); dazu Tièche Mus. Helv. 2, 69 f., Armstrong ClassRev. 63, 50; auch ὀλο-εργός, -εργής ‘mit verderblicher Wirkung’ (Nik., Man. u.a.) mit Ausdrängung des ο (vgl. Schwyzer 252 f.). — Zu ὀλέ-σαι, ὄλε-θρος usw. (s. ὄλλυμι), also wohl über *ὀλε-ϝός > *ὀλο-ϝός (J. Schmidt KZ 32, 332f., 337, Schwyzer 472 m. Lit.). — Die formalen Varianten sind alle sekundär: ὀλοιός mit οι für ο (Chantraine Gramm. hom. 1, 168; vgl. zu οἰέτεας), οὐλοός mit metr. Dehnung und nach οὖλος, ὀλώϊος nach ὀλοφώϊος. ὀλόεις mit poetischer Erweiterung (Schw. 528 m. Lit.), ὀλέ (Vok.) aus *ὀλοέ (od. *ὀλε[ϝ]έ?) mit Vokalschwund; vgl. ὤ μέλε und Hdn. 1, 154, 14. II-380-381
ὀλόπτειν · λεπίζειν, τίλλειν, κολάπτειν H., Aor. ὀλόψαι (Kall., Euph., Nik. u.a.) ‘abschälen, abreißen, ausrupfen’. — Zu λέπω, λοπός usw., wohl als Denominativum des letzteren; dabei ist ο- als lautliche Vokalprothese zu verstehen (Schwyzer 411); ein ο-Präfix läßt sich semantisch nicht begründen. Vgl. ὀλούφω. II-381
ὅλος (att., auch Hdt. u.a.), οὖλος (ep. ion.) ‘ganz, vollständig’ (seit ρ 343 u. ω 118), οὖλε Vok. ‘salve’ (ω 402; Schwyzer 723 A. 5). Oft als Vorderglied, fast nur hell. u. sp. (für παν-, Leumann Hom. Wörter 105), z.B. ὁλό-κληρος (s. κλῆρος), ὁλο-σχερής (s. ἐπισχερώ), ὁλοκόττινος (s. d.). Davon ὁλό-της, -ητος f. ‘Ganzheit’ (Arist. u.a.; vgl. unten), ὁλόομαι ‘als Ganzes eingerichtet werden’ mit ὅλωσις f. (Dam.), οὐλέω in οὐλείοιεν· ἐν ὑγείᾳ φυλάσσοιεν H. — Daneben ὁλοός = φρόνιμος καὶ ἀγαθός (Suid., H.) mit ὁλοεῖται· ὑγιαίνει H. — Unsicher Οὔλιος ion. Beiname des Apollon, nach Str. 14, 635 u. Suid. als Heilgott; vgl. 3. οὖλος. — Mit aind. sárva-, aw. haurva- ‘unversehrt, ganz’ (sárva- sekund. ‘all, jeder’) uridentisch: idg. *sólu̯o-s. Zu ὁλό-της stimmen aw. haurva-tāt- und aind. sarvá-tāt(-i)- f. ‘Unversehrtheit, Ganzheit usw.’, wohl als unabhängige Neubildungen. Daneben mit unerklärtem a-Vokal lat. salvus ‘gesund, heil’ und, mit zweisilbigem Stamm, osk. σαλαϝς ‘ds.’, päl. Salavatur ‘Salvator’, die mit dem ebenfalls zweisilbigen ὁλο(ϝ)-ός zusammenhängen mögen. Im Vokal unklar (idg. ο̆ od. ᾰ?) sind toch. A salu ‘ganz’ (neben B solme), alb. i gjallë ‘im Leben, lebendig’ (Mann Lang. 28, 39). Eine Fülle weiterer Formen, fürs Griech. ohne Interesse, bei WP. 2, 510ff., Pok. 979f., W.-Hofmann s. salvus; daselbst auch reiche Lit. Wichtige Einzelheiten bei Ernout-Meillet s. saluus. II-381
ὀλός m. Ben. einer trüben Flüssigkeit, vom Saft des Tintenfisches (Hp., Phryn. PS, Phot.), vom Blut (AP 15, 25, 1. ὀλὸς λιβρὸς ἱρῶν). — Unklar, vielleicht Kreuzung von dem synonymen θολός und dem sinnverwandten ὀρός. — Nach Prellwitz zu lat. salīva usw. (vgl. W.-Hofmann s. v. m. Lit.). II-381
ὁλοσχερής ‘ganz, vollständig, allgemein’ (hell.) mit ὁλοσχέρεια f. (Phld. Rh.. Str. u.a.) s. ἐπισχερώ. II-381
ὀλούφω = ὀλόπτω (Phot.), ὀλουφεῖν (ὀλούφειν Schmidt)· τίλλειν, διολουφεῖν (-φειν Schm.)· διατίλλειν ἢ διασιλλαίνειν H. — Nach Grošelj Živa Ant. 4, 173 zum idg. Wort für ‘Bast usw.’ in lat. liber (aus *lŭber) m. ‘Bast, Buch’, russ. lub ‘Borke, Bast’ usw. (WP. 2,418, Pok. 690); sehr erwägenswert. ὀλοφρλυκτίς (-φυκτίς H. m. Dissim.), -ίδος f. ‘(blutwässeriges) Bläschen, Pustel’ (Hp., Myrtil. Kom.). — Technisches Determinativkomp. aus ὀλός und φλυκτίς (s. dd.). Daneben ὀλο-φυγδών, -όνος f. ‘ds.’ (Theok. 9, 30 mit v. l. ὀλοφυγγών wie auch H.) nach den sinnverwandten πρηδών, πυθεδών usw. (ὀλοφυγ-γών, wenn richtig, nach σταγών od. ä.?). II-382
ὀλοφύρομαι (-ύρρω äol. Hdn. Gr.), Aor. ὀλοφύρασθαι, Ptz. Pass. ὀλοφυρθείς (Th. 6, 78), Fut. ὀλοφυροῦνται (Lys. 29, 4 codd.), ‘klagen, jammern, beklagen, bejammern’ (seit Il.). oft, in d. Prosa vorw. m. Präfix, z.B. ἀν-, ἀπ-, κατ- Davon ὀλοφυρ-μός m. (Ar., Th., Pl.), -σις f. (Th., J. u.a.) ‘das Jam- mern, die Wehklage’ (Versuch einer semantischen Differenzierung bei Holt Les noms d’action en -σις 132f.); -τικός ‘zum Jammern geneigt’ (Arist., J.). — Daneben ὀλόφυς· οἶκτος, ἔλεος, θρῆνος (H., Sapph. 21, 3), äol. für *ὀλοφῦς (eher -ύς) nach Schulze KZ 52, 311 (= Kl. Schr. 398), ὀλοφυδνός ‘jammernd, wehklagend’ (Hom., AP). — Im Ausgang zu den synonymen ὀδύρομαι, μύρομαι, κινύρο-μαι, μινύρομαι stimmend, kann ὀλοφύρομαι danach neugebildet sein; die Ansetzung eines Adj. *ὀλοφυρός (Schulze a. O. mit Debrunner IF 21, 206) ist mithin nicht notwendig. Auch ὀλοφυδνός läßt sich als Nachbildung verstehen, u. zw. nach ἀλαπαδνός, σμερδνός u.a. (vgl. Chantraine Form. 194, Risch 90f.); daran reiht sich γοεδνός (neben γοερός, s. γοάω). Ebenso *ὀλοφύς nach ὀϊζύς? — Wegen arm. oɫb, Gen. -oy ‘Wehklage’ (wozu noch lit. ulbúoti ‘rufen, singen, schreiben’) liegt es nahe, ein urspr. *ὄλφος (= arm. oɫb), *ὀλφύς anzunehmen, das dann sein inneres ο von dem synonymen ὀλολύζω (s. d. m. Lit.) bezogen hätte. II-383
ὀλοφρώιος Adj. unsicherer Bed., bei Hom. nur im Plur. n. ὀλοφώϊα, subst. oder als Beiwort von δήνεα (Od.); hell. im Sing. von λύκων ἔρνος (Theok. 25, 185), von ἰός ‘Gift’ (Nik. Th. 327). — Bildung wie μητρώϊος, ἡρώϊος, λεχώϊος (hell.) u.a., somit anscheinend von einem Subst. auf -ως od. -ώ. Von den Späteren mit ὄλλυμι assoziiert und als ‘verderblich’ verstanden (H. ὀλοφώϊα· ὀλέθρια, οἷον ὀλοποιά, δεινὰ βουλεύ-ματα); bei Hom. dagegen als ‘trügerisch’ zu ἐλεφαίρομαι gezogen (Benfey Wurzellex., Schulze Q. 22, Bechtel Lex. u.a.). II-383
ὄλπη f. ‘Ölflasche’ s. ἔλπος. II-383
Ὄλυμπος, metr. ged. Οὔλ-, m. N. mehrerer Gebirge in Griechenland und Kleinasien, bes. an der Grenze von Thessalien und Makedonien, der Sitz des Zeus nnd der Götter (seit I1.). Davon u.a. ’Ολύμπιος ‘olympisch’ (seit Il.), ’Ολυμπία f. Bezirk in Elis Pisatis mit einem berühmten Zeustempel (Pi., ion. att.; vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 224). — Wohl urspr. Appellativum ‘Berg, Fels od. ä.’, ohne Zweifel vorgr. Re- ferat der Diskussion bei v. Windekens Le Pélasgique 66ff. (s.. auch Beitr. z. Namenforsch. 6, 117) mit einer verwegenen "pelasgischen" Etymologie. Vgl. noch Nilsson Gr. Rel. 1. 353 f. II-383
ὄλυνθος, auch ὄλονθος m. ‘wilde, unreife Feige’ (Hes. Fr. 160, 1, Hdt. 1, 193, Hp., Thphr., LXX u.a.). Als Vorderglied in ὀλυνθο- (ὀλονθο-)φόρος ’ὄλ. tragend’ (Pap. u. a.) mit -έω (Thphr.). Davon ὀλύνθ-η f. ‘wilder Feigenbaum, ἐρινεός’ (Paus.). -άζω ‘kaprifizieren, ἐρινάζω’ (Thphr.; vgl. Strömberg Theophrastea 169). — Technisches Mittelmeerwort mit νθ-Suffix; vergebliche Erklärungsversuche von v. Windekens Le Pélasgique 63f., Deroy Glotta 35, 177ff. (zu ὄλυρα usw.). Zu beachten bolunda· ὄλυνθος (Corp. Gloss Lat. 2, 517, 40), s. Alessio Studi etr. 18, 138 f. — Vgl. μηλολόνθη, ὁδόλυνθος. II-384
ὄλυραι f. pl., selten sg. Art Getreide wie ζειαί, gew. mit ‘Spelt- (körner)’, auch mit ‘Durra’ (Ägypten) übersetzt (Il., Hdt., D., Thphr. usw.; vgl. Moritz ClassQuart. N.S. 5, 129 ff.); als Vorderglied z.B. in ὀλυρο-κόπος m. ’ὄ.-klopfer, -bäcker’ (Pap. IIIa; Mayser Pap. I. 3, 165). Davon ὀλύρ-ινος ’ὄ.-haltig, aus ὄ.’ (Pap. IIIa Gal.), -ίτης (ἄρτος) m. ‘Brot aus ὄ’ (LXX u.a.; Redard 90). — Isoliertes Kulturwort; vgl. zu 2. ἔλυμος und ὄλυνθος; auch οὐλαί. II-384
ὅμαδος m. ‘lärmende Menschenmenge Schlachtgedränge, Getümmel, Getöse’ (ep. lyr. seit Il.) mit ὁμαδέω, -ῆσαι ‘lärmen, durcheinander reden od. schreien’ (Od., A. R.). — Bildung wie κέλαδος, χρόμαδος u.a. (Chantraine Form 359, Schwyzer 508 m. A. 8, 726 A. 5, Güntert Reimwortbildungen 153). Gewöhnlich mit aind. samád- f. ‘Kampf’ bis auf den themat. Vokal gleichgesetzt und mit ὁμός = aind. samá- verbunden (z.B. Brugmann Grundr.2 II: 1, 468, Fraenkel Nom. ag. 1, 132 A. 1); doch ist samád- mehrdeutig und für ὅμαδος könnte Beziehung zu ὁμάζω (s. d.) in Betracht kommen (Schwyzer Mél. Pedersen 73 A. 2). II-384
όμάζω ‘brummen, murren’, von Bären und Panthern (Zenod.). — Wohl schallnachahmend; s. Schwyzer 716, Schw.-Debrunner 599 A. 2. Ob hierher auch ὅμαδος (s. d.)? — S. auch ὁμός. II-384
ὁμαλός ὁμαλής ‘ds.’ (Pl., X., Arist. usw.; Neubildung, Schwyzer 513); ‘gleich, eben, glatt’ (seit ι 327), als Hinterglied z.B. in ἀν-ώμαλος ‘ungleich’ (ion. att.; komp. Dehnung). Davon ὁμαλ-ότης, -ητος f. ‘Gleichheit, ebene Fläche’ (Pl., Arist. u.a.), -εύς m. "Gleichmacher" (der den Ackerboden ebnet, Pap. IIIa; Mayser I: 3, 15). Denominative Verba: 1. ὁμαλ-ίζω, auch m. δι-, ἐξ- u.a., ‘gleich machen, ausgleichen’ (X., Arist. usw.) mit ὁμαλ-ισμός m. ‘das Gleichmachen’ (LXX, S.E. u.a.), -ιξις f. ‘das Ebnen’ (Delph., Didyma, -ιστῆρες m. pl. ‘Geräte zum Ebnen’ (Gloss.), -ιστρον H. s. λίστρον. 2. ὁμαλ-ύνω, auch m. δι-, προ-, συν-, ‘gleich(mäßig) machen’ (Hp., Pl., Arist. u.a.; Fraenkel Denom. 36f.) mit -υντικός ‘ausgleichend’ (Gal.). 3. *ἀν-ομαλ-όω in ἀνομάλω-σις f. ‘GIeichmachung’ (Arist.). — Mit lat. similis ‘ähnlich’ (wenn -lis aus -los) der Bildung nach uridentisch; jedenfalls mit o -Abtönung von dem l-Stamm in lat. semel ‘einmal’, got. simle ‘einmal’ = ‘einst’ usw.; daneben ein n-Stamm in germ., z.B. awno. saman ‘zusammen usw.’ (Benveniste Origines 43). Arm. amol ‘angespanntes Rinderpaar’ (Adontz Mél. Boisacq 1, 10) bleibt schon wegen der Bed. fern, vgl. Dumézil BSL 39, 241 f. (mit unwahrscheinlicher Erklärung des arm. Wortes; vgl. zu πῶλος). II-384
ὁμαρτέω ‘zusammentreffen, mitgehen, sich anschließen’, ὁμαρτῇ ‘zugleich’ s. ἁμαρτή m. Lit., dazu Chantraine Gramm. hom. 1, 16 m. Lit. — Die Gleichsetzung des erstarrten Instr. ἁμαρτή (ὁμ-) mit aind. (ved.) sám-r̥tā ‘beim Zusammentreffen, im Kampf’ (Schwyzer 433 mit Hirt, Hofmann Et. Wb. s. ὁμαρτῆ) ist unrichtig, da letzteres Lokativ von sám-r̥ti- ‘Zu sammentreffen, Kampf’ ist. — Vgl. ὅμηρος. II-384
ὄμβρος m. ‘Regen, Regenguß, Gewitterregen’, auch ‘Regenwasser’, übertr. ‘das Naß’ (seit Il.). Als Vorderglied z.B. in ὀμβρο-φόρος ‘Regen bringend’ (A., Ar.); oft als Hinterglied, z.B. ἔπ-, κάτ-ομβρος ‘regnerisch, vom Regen durchnäßt’ (Hp., Arist. usw.; Strömberg Prefix Studies 108f., 145). Davon mehrere Adj.: ὄμβρ-ιος ‘zum Regen gehörig, regenartig’ (Pi., ion. usw.), -ηρός ‘regnerisch’ (Hes.), -ηλός ‘ds.’ (Theognost.: ὑδρηλός und Chantraine Form. 242), -ώδης ‘regenreich’ (Thphr. u.a.), -ικός ‘ds.’ (Vett. Val.), -ιμος = ‘zum Regen gehorig, regnerisch’ (Nik. Th. 388, v.l., PMag. Lond.; Arbenz 25); auch ἀνομβρήεις ‘regenreich’ (Nik. Al. 288, Ὄλυμπος, von ἀν-ομβρέω; vgl. unten). — Subst. ὀμβρία f. ‘Regen’ (Sch.; vgl. ἀντλία, ὑετία u.a., Scheller Oxytonierung 54f.). — Verba: 1. ὀμβρέω, -ῆσαι, auch mit ἀν-, ἐπ- u.a., ‘regnen (lassen), be- netzen’ (Hes., LXX, A. R. usw.) mit (ἐπ-)όμβρησις f. ‘das Regnen usw.’ (Suid., Sch.), ὄμβρημα n. ‘Regenwasser’ (LXX); 2. ὀμβρίζω = -έω (Eust.); 3. ὀμβροῦται· imbricitur (Gloss.). — Zu ὄμβρος gesellt sich in erster Linie das gleichbedeutende lat. imber, -ris -n. ‘Regen(guß)’ mit wahrsch. sekund. i-Flexion; hinzu kommt, in der Bed. etwas abweichend, aind. abhrá-m n. ‘Wolke’. Da β nach Nasal eine Aspirata vertreten kann (Schwyzer 333), ergeben sich als Grundformen idg. *ómbhro-s bzw. *m̥bhró- (für imber wäre auch *embhro- möglich). Neben dem darin enthaltenen r- Stamm steht wie oft ein s-Stamm in aind. ámbhas n. ‘Wasser’, auch ‘Regenwasser’, idg. *émbhos- n., daneben ein u-Stamm in dem schwierigen ámbu n. ‘Wasser’ (s. Mayrhofer s.v.); in arm. amb, amp, Gen. -oy ‘Wolke’ (idg. *m̥b(h)-, allenfalls *omb(h)-) kann der o-Stamm sekundär sein. — Wie sich diese ziemlich wohl zusammengehaltene Gruppe zu νέφος, νεφέλη u. Verw. verhält, bleibt eine offene Frage; ein uralter Ablaut embh-(< enbh-) : nebh- ist nicht ausgeschlossen (s. bes. zu ὀμφα-λός). — Zu ὄμβρος usw. wohl auch mehrere europ. Flußnamen kelt. Ursprungs, z.B. nhd. Amper, engl. Amber; ganz fraglich dagegen toch. A epre(r), B iprer ‘Luftraum’, vgl. Pedersen Tocharisch 235. — Einzelheiten m. reicher Lit. WP. 1, 131f., W.-Hofmann s. imber, Pok. 315f. S. auch 2. ὀμφή. II-384-385
ὀμείχω (Hes. Op. 727; codd. ὀμῑχεῖν, s.u.), Aor. ὀμεῖξαι (Hippon. 55 A; codd. -ι- od. -η-), ἀμῖξαι· οὐρῆσαι H. Davon ὀμείχματα = οὐρήματα (A. Fr. 435 = 487 Mette; codd. -ί-). — Die durchgehende itazistische Schreibweise hängt mit dem volkstümlichen Charakter des Wortes zusammen. Zum alten thematischen Wz.präsens ὀμείχω, das von dem sittsameren οὐρέω (wonach ὀμιχέω; s. Wackernagel Unt. 225 A. 1 m. Lit.) verdrängt wurde, stimmen genau, vom proth. ὀ- abgesehen (Schwyzer 411), sowohl aind. méhati, aw. maēzaiti wie germ., z.B. ano. mīga ‘harnen’; zu ὀμεῖξαι lat. mīxī Andere Präsensbildungen: lat. mingō (Neubildung?), alit. minžu, arm. mizem (Denom. von mēz ‘Harn’?), lat. meiō (wohl aus *meiĝh-i̯ō) usw. — WP. 2, 245f., Pok. 713, W. -Hofmann und Ernout-Meillet s. meiō und mingō, Fraenkel s. mỹžti, Vasmer s. Mža; überall m. weiteren Formen und Lit. — Hierher auch μοιχός; s. d. II-385
ὁμηγερής, dor. ὁμᾱγ- ‘versammelt’ (Il., Pi.; v.l. -υρής) — von ὁμοῦ und ἀγείρειν mit Bildung des Hinterglieds nach den ήσ-Adj. (Schwyzer 513; nicht von einem alten Nomen *geros- mit Solmsen Wortforsch. 16 als denkbare Alternative ebenso ὁμήγυρις, dor. ὁμάγ- f. ‘Versammlung’ (ep. poet. seit Υ 142) nach dem Simplex ἄγυρις (s. ἀγείρω) mit Kontraktion bzw. komp. Dehnung. II-385-386
ὁμῆλιξ ‘gleichalterig’ s. ἧλιξ. II-386
ὁμηρέω, nur in ὡμήρησε ‘traf zusammen’ (π 468) und im Ptz. f. pl. ὁμηρεῦσαι (= -οῦσαι) ‘zusammentreffend, übereinstimmend’ (Hes. Th. 39), — von ὅμηρος (s.d.); vgl. ὁμήρης ‘vereinigt, zusammen(seiend)’ (Nik.Al. 70), nach den σ-Stämmen. II-386
ὅμηρος pl. auch -α m., ‘Pfand, Geisel, Bürge, Bürgschaft’ (ion. att.). Davon ὁμηρεύω, auch mit ἐξ-, συν-, ‘als Geisel dienen, Bürgschaft leisten, zum Unterpfand, als Geisel nehmen’ (att. Redner, E. Rh. 434, Antiph. u.a.) mit ὁμηρ-εία f. (Pl., Th., Plb. usw.), -ευμα n. (Plu.) ‘Unterpfand, Geisel’, ἐξ-ευσις f. ‘Geiselnahme’ (Plu.). — Wohl eig. mit Curtius u.a. "der Zusammenseiende, der Begleiter, der zum Mitgehen Gezwungene", Zusammenbildung von ὁμοῦ und ἀρ- in ἀραρειν usw. m. ähnlicher Bed.entwicklung wie in lat. obsēs ( : obsideō) ‘Geisel, Bürge’. Etw. abweichend Szemerényi Glotta 33, 363 ff.: das Hinterglied zu ἐρ- in ἔρχομαι u.a. Die urspr. Bed. noch in ὁμηρέω und ὁμηρέταις· ὁμοψήφοις, ὁμογνώμοσιν H.; vgl. noch ὁμαρτέω und ἁμαρτή. — Ob damit identisch ὅμηρος = ὁ τυφλός (Lyk., H.), "weil er mit seinem Führer geht" (Birt Phil. 87, 376ff.; vgl. Kretschmer Glotta 22, 264)? Wohl eher appellativischer Gebrauch des Dichternamens. Über Versuche, den Namen Ὅμηρος (kret. Ὅμαρος) mit dem Appellativum zu verbinden, s. außer P.-W. 8, 2199 f. noch Birt a. O. und Durante Rend. Acc. Lincei Ser. 8: 12, 94ff.; vgl. Schwartz Herm. 75, 1ff. II-386
ὅμῑλος (äol. ὄμιλλος [EM], wohl hyperdial., s. u.) m. ‘Volksmenge, Kriegerschar, Gedränge, Kampfgewühl’ (vorw. ep. ion. poet. seit Il.); — Da ὄμιλλος, ὀμίλλει sehr wohl hyperbolisch sein können (Hamm Gramm. ̨̨ 73b 3 u. 158f), ist von ὅμ-ῑλο-ς (: ὁμός usw.) auszugehen mit dem seltenen ῑλο-Suffix (στρόβιλος, πέδιλον u. a.; Chantraine Form. 249); aus anderen Sprachen ist besonders an das stammidentische und sinnverwandte aind. sam-īká- n. ‘Kampf, Schlacht’ zu erinnern, s. Hirt IF 31, 12 f. mit einer Hypothese über die Herkunft des ī (zu -īno-, -īqo-, -īto- usw. Meid IF 62, 260ff.u. 63, 14ff.). Nach H. hierher auch lat. mīles ‘Soldat’ von *sm-īlo- ‘Kampfhaufen’ (dann nur im Ablaut von ὅμιλος abweichend; anders über mīles Kretschmer Glotta 31, 156 A. 6; s. noch Szemerényi Arch. Linguist. 6, 41). Eine ähnliche, aber ganz unabhängige Bildung ist ἅμιλλα (s. d.). — Unwahrscheinlich über ὅμιλος Johansson IF 2, 34 A. (s. Bq, WP. 2, 491, W.-Hofmann s. mīles) und Adrados Emer. 17, 119ff. (ὁμ(ο)-und ἴλη: "Gesamtheit der ἴλαι"; ähnlich schon Curtius). Gewöhnliches Denominativum ὁμιλέω (äol. Präs. ὀμίλλει Alk.), auch m. Präfix wie καθ-, προσ-, ἐξ-, ‘zusammensein, verkehren (freundlich od. feindlich), Umgang pflegen, reden’ (seit Il.) mit ὁμιλ-ία, -ίη f. ‘Zusammensein, Verkehr, Umgang, Rede, Predigt’ (ion. att.; formal von ὅμιλος, s. Schwyzer 469), -ημα n. ‘Verkehr’ (Pl., E.), -ητής (συν- ~) m. ‘Gesell- schafter, Anhänger, Schüler’ (X., Luk. usw.), f. -ήτρια (Philostr. VA), -ητικός ‘gesellig, umgänglich, gesprächig’ (Isok., Plu. usw.). — Adv. ὁμιλᾰδόν ‘scharweise’ (Il.; -ηδόν Hes. Sc.), ‘zusammen mit’ (A. R., Opp.); Vermutung über die Entste- hung von Haas Μνήμης χάριν 1, 143. — Einzelheiten über ὅμιλος usw. bei Trümpy Fachausdrücke 145 ff. als Hinterglied u.a. in ἐξ-όμιλος ‘außerhalb der Menge stehend, fremd, ungewöhnlich’ (S. in lyr.). II-386-387
ὀμίχλη (att. ὁ- m. sekund. Asp., vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 187) f. ‘Nebel’ (Il., A., Ar., X. u.a.); ἀν-όμιχλος ‘ohne Nebel’ (Arist.), Davon ὀμιχλ-ώδης ‘nebelig’ (hell. u. sp.), -ήεις ‘ds.’ (Nonn.). -όομαι (hell. u. sp.), -αίνω (Lyd.) ‘zu Nebel werden’. — Mit einem baltoslav. Wort für ‘Nebel’, z.B. lit. miglà, aksl. mъgla f. identisch, idg. *mighlā (ὀ- prothet., Suffix wie in νεφέλη); neben dieser alten l-Bildung (wozu noch ndl. dial. miggelen ‘staubregnen’) stehen teils ein schwundstufiges Wz.nomen in aind. mih- f. ‘Nebel, Dunst’, teils ein hochstufiger o-Stamm, z.B. aind. meghá- m. ‘Wolke’; idg. *migh- bzw. *moigho-. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 247, Pok. 712, Fraenkel s. miglà, Vasmer s. mglá; dazu noch Porzig Gliederung 161 u. 169 f. — Fernzuhalten ist ὀμείχω ‘harnen’ u. Verw. (idg. meiĝh-, mit Palatal). Vgl. ἀμιχθαλόεσσα (dazu noch Ruijgh L’élém. ach. 145). II-387
ὄμμα, -ατος n. ‘Auge’; auch ‘Blick, Anblick, Angesicht’, übertr. ‘Sonne, Licht’ (vorw. poet. seit Il.); als Vorderglied u.a. in ὀμματο-στερής ‘der Augen beraubend, blendend’ (A. in lyr.), ‘der Augen beraubt, blind’ (S., E. in lyr.); oft als Hinterglied, z.B. μελαν-όμματος ‘mit schwarzen Augen’ (Pl., Arist.; vgl. Sommer Nominalkomp. 17 f.). Davon das Demin. ὀμμάτιον n. (Arist., AP; = ngr. μάτι); ferner ὀμμάτειος ‘zu den Augen gehörig’ (S. Fr. 801), ὀμματόω ‘mit Augen ver- sehen, aufklären’ (A., D.S. u.a.), ἐξ- ~ ‘jmdn. der Augen berauben’ (E. Fr. 541), ‘jmdm. die Augen öffnen, klarmachen’ (A., S., Ph. u.a.), ἐν- ~ ‘mit Augen versehen’ (Ph.). — Neben dem geläufigen ὄμμα stehen die seltenen ὄππατα (Sapph.) und ὄθματα (Kall., Nik., Hymn. Is.), die ebenso wie ὄμμα zunächst aus *ὄπμα u. zw. durch progressive Assimilation bzw. durch Differenziation entstanden sein dürfte (Schwyzer 317 m. Lit.); anders über ὄππατα WP. 1, 170; s. auch Fraenkel Phil. 96, 164 (ππ affektische Konsonantenschärfung für *ὄπατα mit Specht KZ 62, 214). — Wenn Verbalnomen auf -μα von ὀπ- ‘sehen’ (ὄπ-ωπα, ὄψομαι), muss ὄμμα urspr. das Sehen, den Blick bezeichnet haben (vgl. Treu Von Homer zur Lyrik 66 m. Lit.); das Wort kann aber auch eine Erweiterung des in ὄσσε vorliegenden Wz.nomens sein (Schwyzer 524, Porzig Satzinhalte 266). — Vgl. ὄπωπα und ὄσσε, auch ὀφθαλμός. II-387-388
ὄμνυμι, -μαι, auch -ύω, -ύομαι, Aor. ὀμό-σ(σ)αι, -σ(σ)ασθαι, Fut. ὀμοῦμαι (alles seit Il.), Perf. ὀμώμο-κα, -(σ)μαι, Aor. Pass. ὀμο(σ)θῆναι (att.), ‘schwören, mit einem Eide versichern, beschwören’. sehr oft mit Präfix, z.B. ἀπ-, ἐξ-, ἐπ-, συν-, ὑπ-, Davon Abl. wie ἀνώμοτος ‘unvereidigt’ und ‘unbeschworen’ mit Adv. — τί, ferner συνωμό-της m. ‘Eidgenosse’ mit -σία u.a. (ion. att.); auch Zusammenbildungen wie ὁρκωμό-της, s. ὅρκος. — Zu ὀμό-σαι stimmt der Bildung nach ἀρό-σαι ‘pflügen’; hinzu kommen die ebenfalls zweisilbigen aber im Wurzelauslaut abweichenden ὀλέ-σαι στορέ-σαι u.a.; auf ὀμο- fußt auch das Futurum ὀμό[σ]-ομαι, wozu analogisch ὀμεῖται für *ὀμοῦται (Schwyzer 784 A. 3; anders Sánchez Ruipérez Emer. 18, 406 f.; dazu noch Wackernagel Unt. 3f. und Chantraine Gramm. hom. 1, 62 u. 451). Das Präsens ὄμνυμι wie ὄλλυμι usw. (Schwyzer 363); das Perfekt ist offenbar neugebildet. Die weitere Geschichte des Wortes bleibt dunkel, da eine überzeugende Etymologie fehlt. — Seit Aufrecht RhM 40, 160 verbindet man allgemein ὄμνυμι, ὀμόσαι mit dem aind. zweisilbigen athem. Wz.präsens ámī-ti etwa ‘andringen, bedrängen, quälen’ (nach Neisser BB 30, 299ff., Renou JournAs. 1939, 183 f., Benveniste Revue de l’hist. des relig. 134, 81 ff. u.a. dagegen ‘fest anfassen’; sehr fraglich), woneben gelegentlich ‘eindringlich versichern’ (auch ‘schwören’?) od. ä. Schon wegen der Abwesenheit gemeinsamer morphologischer Züge wenig greifbar, muß diese Erklärung auch aus semantischen Gründen als hypothetisch gelten oder sogar in Zweifel gezogen werden; s. die Ausführungen von Hiersche REGr. 71, 35 ff. Vgl. ὀμοίϊος, ὀμοκλή; s. auch zu ὅρκος. II-388
ὁμόγνιος ‘von gleicher Abstammung’ s. γίγνομαι. II-388
ὁμοίϊος zu -οίϊος für -οῖος vgl. γελοίϊος (s. γελάω). Beiw. von πόλεμος, νεῖκος, θάνατος, γῆρας (Hom.), seit alters (z.B. H.) mit ὁμοῖος identifiziert oder verbunden und als ‘(allen) gemeinsam, gleich (machend), unparteiisch’ erklärt, wofür besonders das synonyme ξυνὸς ’Ενυάλιος (Σ 309) spricht; — Nach einer alternativen Deutung bei Anon. ap. Apollon. Lex. dagegen = κακός, was Solmsen Unt. 101 f. (m. Lit.) etymologisch zu begründen versucht : ὀμοίϊος (m. Lenis) aus *ὀμοιϝιος von *ὀμοι-ϝᾱ oder eher für *ὀμο-ϝιος von *ὀμο-ϝᾱ zu aind. ámī-vā f. ‘Drangsal, Plage, Leiden’ (vgl. ἀνία), ámī-ti ‘andringen, bedrängen’ (vgl. zu ὄμνυμι). Zustimmend u.a. Brugmann Grundr.2 II: 1, 207 (zögernd), Bq, WP. 1, 178, Pok. 778, Hofmann Et. Wb.; zurückhaltend Risch ξ 47 A. 2, Chantraine Gramm. hom. 1, 168. — Anders (abzulehnen) Prellwitz Glotta 16, 155. II-388-389
ὅμοιος, ὁμοῖος s. ὁμός. II-389
ὁμοκλή (ὀ-?, s.u.) f. ‘lauter (drohender, scheltender) Zuruf, Befehl’ (Hom., Hes. Sc.; auch Emp. [-έων], Pi. [-αῖς], A. Fr. 57,5 = 71,5 Mette [-άν]); ‘Anfall, Angriff’ (hell. u. sp. Epik; aus Π 147 falsch erschlossen?). Daneben, wohl als Denominativum, das gewöhnlichere ὁμοκλ-άω, -έω (ὀ-) im Ipf. 3. sg. ὁμόκλα (Σ 156, Ω 248), 3 pl. ὁμόκλ-εον, 1 pl. -έομεν (Ο 658 u.a., ω 173), Aor. ὁμοκλῆσαι (Hom., S. El. 712), iter. Ipf. ὁμοκλήσασκε (Β 199) ‘(drohend) anrufen, zurufen, antreiben, ermahnen’; davon ὁμοκλη-τήρ, -ῆρος m. ‘Zurufer, Ermahner’ (Μ 273, Ψ 452), f. -τειρα (Lyk. 1337). — Da die elidierten ὑπ’ ὀμοκλῆς (z.B. Hes. Sc. 341), κέκλετ’ ὀμοκλήσας (v. l. Υ 365) auf ursprüngl. Lenis schließen lassen (Wackernagel Unt. 47 A. 1), hat man offenbar schon im Altertum den schwer zu begründenden Zusammenhang mit ὁμός usw. in Zweifel gezogen. In ὀμο- hat Jacobsohn Phil. 67, 509ff., KZ 42, 160 A. 1, Χάριτες F. Leo dargebr. (1911) 443 f. ein Gegenstück zu aind. áma- m. ‘Gewalt, Andrang, Ungestüm’, aw. ama- m. ‘(Angriffs)kraft, Stärke’ sehen wollen; ὀμο-κλή somit eig. als Determinativkomp. s. v. a. "Angriffs-, Kraftruf" (?). Das Hinterglied, jedenfalls zu καλέω, kann ein Wz.nomen sein (Brugmann Grundr.2 II: 1,140, Risch ̨ 72b); es läßt sich aber auch als ein ā-Abstraktum ὀμο-κλ-ά̄ (: *ὀμο-κλ-ός wie νεο-γν-ός; vgl. zu μεσόδμη) erklären (Fraenkel Nom. ag. 1, 8 A. 2 mit Jacobsohn a. O.). Für die letztere Auffassung spricht ὁμοκλάν bei A. (s. ob.), da das Griech. als einsilbige Schwundstufe nur κλη- kennt (s. zu καλέω); ein künstlicher Dorismus (Jacobsohn als Alternative) ist indessen keineswegs ausgeschlossen. — Über den Wechsel -άω : -έω beim Verb, der lautlich bedingt sein kann, s. Schwyzer 242, Chantraine Gramm. hom. 1, 361. II-389
ὀμόργνυμι, -μαι, Aor. ὀμόρξαι, -ασθαι (seit Il.), Fut. ὀμόρξω, -ομαι, Pass. Aor. ὀμορχθῆναι, Perf. ὤμοργμαι (att., Arist.), ‘(sich) abwischen, (sich) abtrocknen’, m. ἐξ- im Med. auch ‘em etw. anwischen, aufprägen’. in d. Prosa nur m. Präfix, bes. ἀπ-, ἐξ-, Davon ἐξόμορξις f. ‘Aufprägung, Abdruck, Ein- druck’ (Pl.), ἀπόμοργμα n. ‘das Abgewischte’ (Eust.). — Zum Aor. ὀμόρξαι könnte der aind. Aor. amārkṣ-ī-t ‘er wischte ab’, wenn ορ aus ωρ, stimmen; das bei H. überlieferte ὄμαρξον· ἀπόμαξον läßt sich aber dem schwundstufigen und früher belegten amr̥kṣat, -a unmittelbar gleichsetzen; somit ὀμόρξαι aus ὀμάρξαι durch progressive Assimilation oder von ὀμόργνυμι (Schwyzer 344 u. 696 A. 6 m. Lit.)? Letzteres steht neben ὀμόρξαι wie ζεύγνυμι neben ζεῦξαι; zu beachten besonders die Proportion ζεύγ-νυ-μι: aind. yu-ná-k-ti und ὀμόργ-νυ-μι : mr̥-ṇá-k-ti (mr̥-ṇa-j-āni Konj. 1. sg.). — Zu ὀμόργνυμι, ὀμόρξαι gehört wohl ursprünglich als hochstufiges thematisches Wz.präsens das in d. Bed. etwas abweichende ἀμέργω (s. d.). Zum prothet. Vokal, der in den späten μόρ-ξαντο, -άμενοι (Q. S.) fehlt, wohl durch analogische Reduktion (vgl. Strömberg Wortstudien 45), s. Schwyzer 411; Laryngalbetrachtungen von Austin Lang. 17, 86. II-389-390
ὁμός ‘gemeinsam, ein und derselbe, gleich, ähnlich, eben’ (seit Il.); sehr oft als Vorderglied, z.B. ὁμό-φρων ‘von gleicher Gesinnung, gleichgesinnt’ (ep. poet. seit Χ 263, sp. Prosa); zu ὁμο- (älter) und συν- in Kompp. Schwyzer 435 m. Lit., Schw.-Debrunner 488. Davon ὁμ-όσε ‘nach einem und demselben Orte hin’, -οῦ ‘an demselben Orte, zusammen’ (seit Il.), -όθεν ‘aus demselben Orte’ (seit ε 477); ὁμῶς ‘zusammen, ebenso’ (ep. poet. seit Il.), ὅμως ‘gleichwohl, doch’ seit Μ 393; Schwyzer-Debrunner 582f. m. Lit.); ὁμοῖος (seit Il.), ὅμοιος (jungatt.) ‘gleich, -artig, ähnlich, derselbe’ (seit Il.; nach ποῖος, τοῖος usw.; Schwyzer 609 A. 5 m. Lit.) mit ὁμοι-ότης, -ητος f. ‘Gleichheit’ (ion. att.), -ωθῆναι (seit Il.), -όομαι (ion. att.), -όω (Th., E.) ‘sich gleichstellen, gleichen, gleich machen’ (zur chronol. Folge der Formen Wackernagel Unt. 124); davon ὁμοί-ωμα, -ωσις u.a. — Zur alten l-Bildung ὁμαλός und zu ὅμιλος s. bes. — Altes Wort für ‘ein und derselbe, gleich’, mit aind. samá-, apers. hama-, germ., z.B. awno. samr, sami, got. (sa) sama (sek. n-St.) usw. identisch, idg. *somó-. Hierher noch εἷς, ἕτερος, ἅμα, ἁ- copulativum (s. dd. m. weiteren Formen u. Lit.). II-390
ὄμπνη (auch ὄμπη) f. ‘Nahrung, Getreide’, pl. ‘Kuchen aus Mehl und Honig, Honigscheiben’ (Kall., Nik., H., EM). Davon ὄμπν(ε)ιος ‘zum Getreide gehörig, reich an Nahrung, fruchtbar’ (S. Fr. 246, hell u. sp. Dicht.), f. Ὄμπνια Beiwort der Demeter (Kall., Nonn. u.a.; nach πότνια); ὀμπνειόχειρ· πλουσιόχειρ, πλούσιος H.; ὀμπνιακός ‘ds.’ (AP); ὀμπνηρὸν ὕδωρ· τρόφιμον H. — Seit lange (Curtius usw.) mit aind. ápnas n. ‘Ertrag, Habe, Besitz’, awno. efni n. (urg. *afnii̯a-, idg. *ópnii̯o-m n.) ‘Stoff, Zeug für etw.’ (.mit efna, ags. æfnan ‘ausführen, wirken’) verbunden; der Binnennasal durch Antizipation aus dem Suffix? (vgl. E. Kretschmer Festschr. Kretschmer 118); daraus durch Dissim. ὄμπη. Hierher vielleicht noch heth. ḫappin-ant-’reich, -eš- ‘reich werden’, -aḫḫ- ‘reich machen’ (Laroche Rev. hitt. et as. 11, 41 f.). — Über weitere Beziehung zu lat. ops, opus usw. s. W.-Hofmann s. vv. und s. omnis, WP. 1, 175 f., Pok. 780. Unklar ὀμφύνειν· αὔξειν, σεμνύνειν, ἐντιμότε-ρον ποιεῖν H. Vgl. zu ἄφενος. II-390-391
ὀμφαλός m. ‘Nabel, Nabelschnur’ (seit Il.), sehr oft übertr. von nabelförmigen Erhöhungen, ‘Schildbuckel, Jochknopf’ (IL), ‘Mittelpunkt’ (seit α 50). Kompp., z.B. ὀμφαλη-τόμος f. ‘Abschneiderin der Nabelschnur, Hebamme’ (Hippon., Hp.; -η- rhythmischanalogisch, Schwyzer 438 f.), μεσ-όμφαλος "in der Mitte des Nabels", ‘im Mittelpunkt’, bes. von Delphi und seinem Orakel (Trag.), auch ‘mit einem Nabel (einer Erhöhung) in d. Mitte’ (Trag., Kom. u.a.); auch mit Er- weiterung des Hinterglieds, z.B. ἐπ-ομφάλ-ιος ‘auf dem Nabel (dem Schildbuckel) befindlich’ (H 267, Parth. u.a.; Schwyzer 451, Strömberg Prefix Studies 79), auch ‘mit einem Nabel versehen’ (AP 6, 22). Ableitungen. 1. Deminutivum ὀμφάλιον n. (Arat., Nik. u.a.); 2. ὀμφαλίς f. ‘Nabelschnur’ (Sor.); 3. ὀμφαλ-όεις ‘mit ὀ. versehen’ (ep. poet. seit Il.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 24 f.), -ωτός ‘ds.’ (Pherekr., Plb.), -ώδης ’ὀ.-ähnlich’ (Arist.), -ιος ‘zurn ὀ. gehörig’ (AP), -ικός ‘ds.’ (Phan. Hist.); 4. ὀμφαλιστήρ, -ῆρος m. ‘Messer zum Ab- schneiden der Nabelschnur’ (Poll., H.; vgl. zu βραχιονιστήρ). — Altes Wort für ‘Nabel’ mit nahen Entsprechungen in lat. umbil-īcus (wohl von *umbilus = ὀμφαλός), air. imbliu (urkelt. *imbilon-, idg. *embh- od. m̥bh-); mit diesem urspr. athemat. l-Stamm (noch in dem epirotischen Stammesnamen Ὄμφαλ-ος [Gen. sg.], -ες [Nom. pl.] erhalten?, s. Schwyzer 484 m. Lit.) alterniert ein n-Stamm in lat. umbō, -ōnis m. ‘Schildbuckel’, wohl auch in einem westgerm. Wort für ‘Wanst, abdomen’, ahd. amban (sek. a-St.), -on m., asächs. (Nom.) Akk. pl. m. ambon, urg. *amban-, idg. *ombhon- (vgl. zu ὄμφαξ); zum l : n-Wechsel vgl. ἀγκάλη : ἀγκών. — Neben diesen hauptsächlich westlichen Formen stehen, vorwiegend im Osten, die im Ablaut ganz abweichenden aind. nā́bhi- f. ‘Nabel, Nabe’, apreuß. nabis ‘ds.’, lett. naba ‘Nabel’, germ., z.B. ahd. naba f. ‘Radnabe’, nabalo m. ‘Nabel’ (l-Suffix wie in ὀμφαλός usw.), idg. nā̆bh-. Weitere Formen m. Lit. und ganz hypothetischen Kombinationen bei WP. 1, 130, Pok. 314 f., W.-Hofmann s. umbilīcus. II-391-392
ὄμφαξ, -ᾰκος f. (spät auch m.) ‘Herling, unreife saure Weintraube’ (seit η 125), auch von Oliven (Poll.); übertr. von einem jungen Mädchen, einer unentwickelten Brustwarze usw. (poet.). Davon 1. ὀμφάκιον n. ‘Saft von unreifen Trauben od. Oliven’ (Hp., Pap. u.a.); 2. ὀμφακίς, -ίδος f. ‘Kelch gewisser Eichenarten’ (Paul. Aeg.; wegen des zusammenziehenden herben Geschmacks); 3. ὀμφακ-ίας (οἶνος) m. ‘Herlingwein’ (Gal.), übertr. = ‘sauer, unreif’ (Ar., Luk.; vgl. Chantraine Form. 94 f.); -ίτης (οἶνος) m. ‘ds.’, auch N. eines Steins (Gal.; codd. -τίτης), -ῖτις f. von ἐλαίη (Hp.), ‘Art Gallapfel’ (Dsk., Gal.; Redard 58, 98, 75, 114); 4. ὀμφακώδης ’ὄ.-ähnlich’ (Hp., Arist. usw.), -ινος ‘aus ὄ. gemacht’ (Hp., Pap. u.a.), -ηρὰ (ἀγγεῖα) n. pl. ‘Gefäße für ὄ.’ (Mediz., Pap.); 5. ὀμφακίζω ’ὄ., d.h. unreif, sauer sein’, auch von anderen Früchten (LXX, Dsk. usw.), -ίζομαι ‘saure Weintrauben pflücken’ (Epich.). — Nicht sicher erklärt, viell. Fremdwort (vgl. Chantraine Form. 377). An und für sich könnte ὄμφ-αξ von einem unbelegten *ὀμφων ( = lat. umbō usw.; s. ὀμφαλός) ausgehen; die semantische Begründung "nabelartig vorgestülptes Knöpfchen" (WP. 1, 130, Pok. 315, ähnlich Grošelj Živa Ant. 2, 21 3 f. mit verfehlten weiteren Schlüssen) kann kaum als schlagend bezeichnet werden. Eine andere, entschieden unrichtige Erklärung bei Curtius 294. — Verfehlt ebenfalls Lagercrantz KZ 35, 285ff. (s. Bq). II-392
ὀμφή 1. f. ‘Gottesstimme, göttliche Offenbarung, Orakelspruch, Wahrzeichen’ (ep. poet. seit Il.), ‘Stimme, Rede’ im allg. (Pi., Trag.). Einige Kompp., z.B. ’Ομφο-κλέϝης m. Kyprier in Abydos, εὔ-ομφα· ὀνόματα H.; erweitert in παν-ομφ-αῖος ‘der alle ὀμφαί hat, allkündend’, Beiw. des Zeus (Θ 250, Simon., Orph.), auch des ’Ηέλιος (Q. S.) und der Ἥρα (EM), nach den σ-Stämmen umgewandelt in παν-ομφ-ής (ὄνειροι, Orac. ap. Porph.). Davon ὀμφ-αῖος, -ήεις ‘weissagend’ (Nonn.), ’Ομφαίη f. N. einer Göttin (Emp.), ὀμφητήρ, -ῆρος m. ‘Ver- künder’ (Tryph.; nach νικη-τήρ : νικάω usw.). Vgl. Ruijgh L’élém. ach. 134. — Altertümliches, im Griech. isoliertes Erbwort (vgl. Porzig Satzinhalte 322), das sonst nur im Germanischen Verwandte aufweisen kann. Neben ὀμφ-ή aus idg. *songʷh-ā́ steht z.B. got. saggws m. ’Sang, Musik, Vorlesung’ aus idg. *sóngʷh-o-s (wie τομή : τόμος usw.); das zugrunde liegende primäre Verb ist nur im Germ. erhalten, z.B. got. siggwan ’singen, vorlesen’ idg. sengʷh-. Ältere Lit. bei Bq und WP. 2, 496; s. auch Bechtel Lex. s. v. II-392-393
ὀμφή 2. · πνοή. — ὀμφά· ὀσμή. Λάκωνες H. Als Hinterglied in εὔ-ομφος = εὔοσμος (arkad. nach Timachidas ap. Ath.; codd. -φαλον). Verb ποτ-όμφει· προσόζει H. — Kann zur Sippe von νέφος, νεφέλη (s. dd.) gehören mit demselben Ablautswechsel wie in ὀμφαλός: ahd. nabalo ‘Nabel’ (s. d.). Frisk Eranos 40, 84f. — Anders Lagercrantz KZ 35, 278 f. (s. Bq); abzulehnen (s. Frisk a.O. m. Lit.). II-393
ὀναλα f. = ἀνάλωμα, ‘Aufwand, Ausgabe’ (thess. IIIa). — Rückbildung aus ἀναλόω, viell. unter Einfluß von δαπάνη (:δαπαν-άω, auch -ούμενα, -ώσει nach ἀναλ-ούμενα, -ώσει). Fraenkel Nom. ag. 2, 88. II-393
ὄναρ Nom. Akk. n. ‘Traum’, bes. ‘Trugtraum’, ‘Traumbild’ (vorw. ep. poet. seit Il.), als Adv. ‘im Traum’ (Trag., att.); Mehrere Kompp., z.B. ὀνειρο-πόλος m. ‘Traumdeuter’ (Il. u.a.), εὐ-όνειρος ‘mit guten Träumen’ (Str., Plu. u.a.). ὄνειρος m. ‘Traumgott, Traum’ (seit Il.), -ον n., Gen. sg. usw. ὀνείρ-ατος, -ατι, -ατα usw. ‘Traumbild, -gestalt’ (vorw. ep. ion. poet. seit Od.); danach ὄνειαρ n. (Kall., AP); äol. ὄνοιρος m. (Sapph.); kret. ἄναιρον· ὄνειρον, ἄναρ· ὄναρ H. — Davon 1. Demin. ὀνειρ-άτιον (Sch.). 2. Adj. ὀνείρ-ειος (δ 809, Babr.), -ήεις (Orph.), -ατικός (Arist. -Komm.) ‘den Traum betreffend, zum Traum gehörig’, -ώδης ‘traumähnhch’ (Philostr.). 3. Verba: ὀνειρ-ώσσω, -ώττω (ἐξ-) ‘träumen, Samenerguß im Schlaf haben’ (Hp., Pl., Arist. u.a.) mit (ἐξ-)ονείρ-ωξις f. (Pl., Mediz. u.a.), -ωγμός m. (Arist. u.a.), -ωκτικός (Arist., Thphr.); ἐξ-ονειρόω ‘ds.’ (Hp.); *ἐξονειρ-ιάζω in ἐξονειριασμός m. (Diokl. Med.). — Neben dem schwundstufigen ὄναρ stehen mit personifizierendem ιο-Suffix das hochstufige ὄνειρος aus *ὀνερ-ι̯ος (vgl. zu ἥλιος) und die schwundstufigen ὄνοιρος, ἄναιρον. Durch Kreuzung von *ὄνατος usw. (ἧπαρ : ἥπατος) und ὄνειρος entstanden ὀνείρ-ατος, -ατι usw.; ähnlich für ὄναρ das späte und seltene ὄνειαρ; ὄνειρον nach εἴδωλον, ἐνύπνιον (Egli Heteroklisie 113 ff.). — Altes Wort für ‘Trugtraum, Traum’, das indessen auf zwei Nachbarsprachen beschränkt ist und in beiden nur mit i̯o-Suffix erscheint: arm. anurǰ aus dehnstuf. *onōr-i̯o- (vgl. τέκμωρ : τέκμαρ; a- wie in anun: ὄνομα u.a.; zu bemerken auch kret. ἄναιρος), alb. âdërrë (geg.), ëndërrë (tosk.); Grundform im einzelnen umstritten. Durch die Entstehung von ὄναρ u. Verw. verschob sich die Bed. des alten ὕπαρ, s. d. — Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer 57, 471, 518 WP. 1, 180, Pok. 779; auch Porzig Gliederung 179f. (z.T. abweichend). Abzulehnen v. Velten JournofEngland GermPhil. 39, 446f., vgl. Huisman KZ 71, 101 A. 1 (m. Lit.). II-393-394
ὄνειαρ, -ατος, pl. -ατα n. ‘Nutzen, Wert, Hilfe, Erquiekung’ pl. ‘Erquickungen, Speisen, Wertsachen, Geschenke’ (ep. poet. seit Il.). — Falsche Schreibung für ὄνη-(ϝ)αρ < *ὄνᾱ-ϝαρ. Verbalnomen von ὀνίνημι (s. d.); vgl. ἀλείατα (s. ἀλέω), εἶδαρ (s. ἔδω) u.a.m. (Schwyzer 519 f.). II-394
ὄνειδος n. ‘Vorwurf, Tadel, Schmähung, Schmach’ (seit Il.). Davon ὀνειδείη f. ‘ds.’ (Nik.; vgl. zu ἐλεγχείη s. ἐλέγχω), ὀνείδειος ‘tadelnd, scheltend’ (Hom., AP), ὀνειδείω ‘tadeln’ (Thebaïs Fr. 3; aus -εσ-ι̯ω); vor allem ὀνειδίζω, auch mit Präfix wie ἐξ-, προσ-, ‘Vorwürfe machen, schmähen, schelten’ mit mehreren Ablegern: ὀνείδ-ισμα n. ‘Vorwurf, Schmähung’ (Hdt.), -ισμός (ἐξ-) m. ‘ds.’ (D.H., J. usw.), -ιστήρ (E., κατ- ~ Man.), -ιστής (Arist.) ‘Schimpfer’ (Fraenkel Nom. ag. 2, 14 u. 18), (ἐξ-)ονειδιστικός ‘schmähsüchtig’ (hell. u. sp.); für sich steht ἐπ-ονείδ-ιστος ‘einen Vorwurf verdienend, tadelnswert’ (att.), wohl für *ἐπ-ονειδής nach den zahllosen Verbaladj. auf -ιστος. — Altes, im Griech. isoliertes Verbalnomen ohne genaue außergriech. Entsprechung. Das zugrunde liegende primäre Verb, das im Griech. von dem Denominativum ὀνειδίζω verdrängt wurde, ist in anderen Sprachen mehrfach erhalten: aind. nid-āná- ‘getadelt’, athem. Aor. Ptz., woneben die Passivbildung nid-yá-māna- ‘ds.’ und das Nasalpräsens ní-n-d-ati (vgl. zu ὄνομαι); aw. nāis-mī aus *nāid-s-mi ‘ich schmähe’, dehnstuf. athem. Präs. mit s-Erweiterung (wenn nicht analogisch nach Formen wie Ipf. nāis-t < *nāid-t, 2. pl. nis-ta < *nid-ta); balt. z.B. lett. nîdu, Inf. nîdêt, nîst ‘scheel ansehen, nicht leiden, hassen’. Hinzu kommt aus dem German. die deverbale oder denominative Sekundärbildung in got. ga-naitjan ‘schmähen’. Von besonderem Interesse für das Griech. ist wegen der Vokalprothese arm. anicanem, Aor. anici aus *o-neid-s- (zu arm. a- aus o- vgl. zu ὄναρ, zu -s- Meillet MSL 20, 211). — Weitere Formen mit Lit. und unkontrollierbarer Wurzelzerlegung bei WP. 2, 322f., Pok. 760, Feist vgl. Wb. d. got. Spr. s. v., Kuiper Nasalpräs. 130, Specht Ursprung 126, 167; dazu noch Mayrhofer s. níndati und Fraenkel s. níedėti. II-394
ὄνθος m. (spät auch f. nach κόπρος) ‘Mist, Kot von Tieren’ (Ψ 775, 777, A. Fr. 275 [= 478 Mette] u.a.), ὀνθο-φόρος ‘Mistträger’ (Pap. IVp). — Unerklärt; zur Bildung Schwyzer 510, Chantraine Formation 369. Mehrere abzulehnende Vermutungen bei Prellwitz, Bq, WP. 1,42 u. 2,497; auch Lidén Stud. 38 f. m. A. 1 (wo weitere unannehmbar Hypothesen). II-394-395
ὀνθυλεύω ‘voll-, ausstopfen, füllen, farcieren’, von Speisen, mit ὀνθυλεύσεις pl. ‘farcierte Speisen’ (Kom. IV—IIIa); daneben μονθυλεύω (von Phryn. 334 verworfen, Sch.), μονθυ-λεύσεις (Poll. 6, 60) ‘d s.’ — Ausdruck der Kochkunst ohne Etymologie. Auszugehen ist von einem Nomen *ὀνθύλη, -ος wie κορδύλη, κανθύλη, κρωβύλος u.a. (vgl. Chantraine Form. 250 f.). Anl. μ- in μονθυλεύω viell. vom sinnverwandten ματτύη; weniger wahrscheinlich (Güntert Reimwortbild. 194, zögernd) von μολγός ‘Sack’. II-395
ὀνίνημι. Aor. ὀνῆσαι, Fut. ὀνήσω (seit Il.), dor. ὀνασεῖ (Theok.), Med. ὀνίναμαι (att.), Aor. ὀνήσασ-θαι (spät), Aor. 2 ὠνήμην, Opt. ὀναίμην, ep. ἀπ-ονήμην, -όνητω (seit Il.), ὠνάμην, Inf. ὄνασθαι (E., Pl. usw.). Fut. ὀνήσομαι (seit Il.), ep. poet. ‘nützen, helfen, frommen’ oft m. ἀπο-, ‘Nutzen, Vorteil haben, sich erfreuen, genießen’. Davon 1. ὄνηαρ (geschr. ὄνειαρ, s. d.); 2. ὄνησις, dor. usw. ὄνασις f. (seit φ 402; Holt Les noms d’action en -σις 73 m. A. 2, Benveniste Noms d’agent 77) ‘Nutzen, Vorteil, Gewinn, Genuß’ mit ὀνήσιμος ‘nützlich, ersprießlich’ (h. Merc. usw.; Zumbach Neuerungen 14, Arbenz 35); 3. ’Ονήτωρ, -ορος m. PN (Π 604 u.a.), dor. ὀνάτωρ (Konj. Pi. O. 10,9) ‘Helfer’, ὀνήτωρ Bez. eines Pflasters (Mediz.); 4. ’Ονήτης m. PN (Eretria IVa); zu den PN auf ’Ονησι- usw. Bechtel Hist. Personennamen 348ff.; 5. ὀνήμων = ὀνήσιμος (Cat. Cod. Astr.). 6. Primäre Steigerungsformen. Sup. ὀνήϊσ-τος ‘nützlichst’ (ion. u.a.), Komp. n. ὀνήϊον (Nik.), dor. ὀνάϊον (Dodona IIIa) als Positiv umgedeutet; Einzelheiten bei Leumann Mus. Helv. 2, 7 ff. (= KL Schr. 221 ff.). Egli Heteroklisie 77, auch Seiler Steigerungsform 87f., der wenig glaubhaft ein Nomen *ὀνή ‘Nutzen’ als Grundlage erwägt. — 7. Myk. o-na-to = ὀνατόν, o-na-te = ὀνατήρ (Carratelli Par. del Pass. 12, 82)? — Zu beachten sind die alten langvokaligen medialen Aoristformen ἀπ-ονήμην, -όνητο, -ονήμενος usw., denen gegenüber nicht nur die offenbar sekundären ὠνάμην, ὄνασθαι sondern wohl auch ὀναίμην und ὀνίναμαι (ἵσταμαι : ἵστημι u.a.) unursprünglich sind (anders Chantraine Gramm. hom. 1, 382); das ganz späte Präsens ὀνίσκω (Ath. 2, 35c) wurde zu ὀνήσω nach εὑρήσω : εὑρίσκω u.a. gebildet. Weitere Einzelheiten bei Schwyzer 688 f. — Ohne überzeugende Etymologie. Von Wackernagel Dehnungsgesetz 50 (= Kl. Schr. 2, 946) u.a. (s. Bq und WP. 2, 315) mit aind. nāthá- n. ‘Zuflucht, Hilfe’ verglichen, das wie ein primäres Nomen (nā-thá-; Wackernagel-Debrunner II: 2, 718) aussieht aber sonst isoliert steht (vgl. Mayrhofer s. nā́dhamānaḥ). Andere Versuche bei Bq (ablehnend). II-395-396
ὄνιννος m. Bez. eines Schmarotzers im Meertang, ‘Art Tausend- füßer’ (Thphr. HP 4, 6, 8). — Nach Strömberg Wortstudien 11 f. in ὄν-ιννος, von ὄνος und ἴννος (s. dd.), zu zerlegen. II-396
ὀνοκίνδιος m. ‘Eselstreiber’ s. κίνδαξ. II-396
ὄνομα, -ατος ep. (auch Hdt.) οὔνομα (metr. Dehn.), äol. dor. ὄνυμα, dor. auch ἔνυμα in ’Ενυμα-κρατίδας, ’Ενυμαντιάδας (lak.) n. ‘Name’ (seit Il.), gramm. ‘Wort’ (att.), als Redeteil = nomen (Pl., Arist. usw.; neben ῥῆμα = verbum). Kompp., z.B. ὀνομά-κλυτος ‘mit berühmtem Namen’ (ep. poet. seit Χ 51; Schwyzer 440), ἐξ-ονομα-κλήδην, s. bes.; ὀνοματο-ποιέω ‘einen Namen geben, benennen’ (Arist. usw.), nach anderen Kompp. mit -ποιέω (ὀνοματο-ποιός Ath., Zos. Alch., -ποιία Str. u.a.; vgl. Schwyzer 726); ἀν-ώνυμος (seit θ 552; Komp.dehnung), ν-ώνυμ(ν)ος (ep.; vgl. unten) ‘namenlos’. Ableitungen. A. Nomina: 1. Demin. ὀνομάτιον (Arr., Longin. u.a.); 2. Adj. ὀνοματ-ώδης ‘namenartig, den Namen betreffend’ (Arist.), -ικός ‘zum ὄνομα gehörig’ (D. H. usw.). B. Verba: 1. ὀνο-μαίνω, fast nur Aor. ὀνομῆναι, auch m. ἐξ-, (vorw. ep. seit Il.), Fut. ο(ὑ)νομανέω (Hdt.), Präs. (dor.) ὀνυμαίνω (Gortyn, Ti. Lokr.) ‘nennen, kund tun’. 2. ὀνομάζω, dor. äol. ὀνυμάζω, Aor. ὀνομάσαι, ὀνυμάξαι, oft m. Präfix, z.B. ἐξ-, ἐπ-, κατ-, παρ-, μετ-, ‘(beim Namen) nennen, benennen, aussprechen’ (vgl. Jacobsohn KZ 62, 132 ff.) mit ὀνομασία f. ‘Benennung, Ausdruck’ (Hippias Soph., Pl., Arist. usw.), ὀνομαστής m. = lat. nominator (Pap. III p), ὀνομ-αστί (-εί) ‘namentlich, mit,bei Namen’ (ion. att.; Schwyzer 623), -αστικός ‘zum Nennengehörig, dienend’ (Pl. u.a.; Chantraine Études 132), ἡ -ικὴ(πτῶσις) ‘casus nominativus’ (Str., Gramm.). 3. ὀνοματίζω’um Namen streiten’ (Gal.), -ισμός m. ‘Namenliste’ (Inschr.Thess.). — Altes Wort für ‘Name’, mit arm. anun unmittelbar gleichzusetzen, idg. *onomn. Der e-Vokal in ’Ενυμακρατίδας u.a. findet sich auch in alb. emër (geg.), êmën (tosk.) und apreuss. emmens m. (idg. *enm-?); der u-Vokal, auch in ὄνυμα, ἀνώνυ-μος u.a., ist als (sonst nirgends mit Sicherheit zu belegende) Reduktionsstufe zu beurteilen (vgl. Schwyzer 352 mit verschiedenen Hypothesen). Die übrigen Sprachen weichen im Ablaut ab: lat. nōmen = aind. nā́ma, idg. *nṓmn̥, germ., z.B. got. namo n., idg. *nŏmōn-. Noch anders slav., z.B. aksl. imę, kelt., z.B. air. ainm, toch. B ñem, A ñom (idg. *nem- od. ural. LW?; s. v. Windekens Orbis 11,607 m. Lit.), heth. laman- n. (umstritten, s. Kronasser Etymologie 1, 59f. m. Lit.). Laryngalhypothesen bei Austin Lang. 17, 88. Zu ὀνομαίνω stimmen bildungsgemäß germ., z.B. got. namnjan ‘nennen’, heth. lamnii̯a- ‘ds.’ (vgl. noch Schwyzer Mél. Pedersen 65 über ὀνομ-αίνω, -άζω); der urspr. n-Stamm noch in νώνυμν-ος. — Einzelheiten aus verschiedenen Sprachen m. Lit. bei WP. 1, 132, Pok. 321, W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. nōmen, Mayrhofer s. nā́ma, Vasmer s. ímja usw. Vgl. zu ὄνομαι. II-396-397
ὄνομαι, Aor. ὀνόσ(σ)ασθαι (ὤνατο P 25; vgl. unten), Fut. ὀνόσ-σομαι, mit κατα- in κατ-ώνοντο, -ονοσθῇς (Hdt. 2, 172 u. 136) ‘selten, tadeln, schimpfen’ (Hom., auch Hdt.). Verbaladj. ὀνο-τός (Pi., Kall., A. R.), ὀνο-σ-τός (Ι 164, Lyk.; -σ- analogisch, s. Schwyzer 503; vgl. auch unten und Ammann Μνήμης χάριν 1, 15); Dentalbildung auch in ὀνοτ-άζω = ὄνομαι (h. Merc., Hes., A.); ὀνητά· μεμπτά H., wohl nach dem Oppositum ἀγητά (wenn nicht falsch für ὀνοστά mit Baunack Phil. 70, 464 f.); ὄνοσις f. ‘Tadel’ (Eust.). — Alle Formen außer ὤνατο (eher Aor. als Ipf.), ὄναται· ἀτιμάζεται H. und dem umstrittenen οὔνεσθε (Ω 241) gehen von ὀνο- aus (Näheres bei Schwyzer 681 m. A. 4, Chantraine Gramm. hom. 1, 295f. u. 382); ob ὀνα- eine alte Ablautsvariante (Schw. 362, Persson Beitr. 2, 669) oder eine sekundäre Entgleisung enthält, sei dahingestellt. — Ohne sichere außergriech. Entsprechung. Ganz hypothetisch ist der Vergleich mit einigen kelt. Wörtern, z.B. mir. on ‘Schande’, anim (a- Reduktionsstufe?) ‘Makel, Fehler’. Die Heranziehung von dem nicht ganz zuverlässigen g.aw. Ptz. nadant- ‘lästernd, schmähend’ (ἅπ. λεγ.) und von aind. níndati ‘tadeln, schmähen’ (als ní-nd-ati; aber eher ní-n-d-ati, s. ὄνειδος und Mayrhofer s. níndati und nádati) fußt auf der irrigen Annahme, daß ὀνόσσ-ασθαι, -ομαι und ὀνοστός auf ὀνοδ- zurückgehen, anstatt analogisch bedingt zu sein. — Einzelheiten m. älterer Lit. bei Bq, WP. 1, 180, Pok. 779, auch W.-Hofmann s. nota. Fern bleibt ὄνομα, s. Bq und W.-Hofmann a. O., auch WP. 1, 132. Abzulehnen ebenfalls Specht Ursprung 126. II-397
ὄνος myk. o-no. m. f. ‘Esel, Eselin’ (seit Λ 558), oft übertr., z.B. ‘Winde, Haspel, der obere Mühlstein’ (ὄ. ἀλέτης; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 58), als Fischname (nach der grauen Farbe oder dem großen Kopf als Zeichen der Dummheit?), s. Strömberg 100; Sehr oft als Vorderglied, u.a. in Pflanzennamen wie ὀνο-θήρα, -κάρδιον, -πορδον (Rohlfs ByzZ 37, 53f.), ὄνοσμα (s. Strömberg 138 u. 61); zu ὄνιννος s. bes., zu ὄναγρος = ὄ. ἄγριος ‘Wildesel’ Risch IF 59, 286 f.; als Hinterglied in ἡμί-ονος f. (m) ‘Maulesel’ (seit Il.), vgl. Risch a. O. 22f. Ableitungen. 1. Mehrere Deminutiva, z.T. in übertragener Bed. ὀν-ίσκος m. (Hp., Ph. Bel. usw.), -ιον (-ίον?) n. (Pap.), -ίδιον (Ar.), -άριον (Diphil. Kom. usw.), -αρίδιον (Pap.), -ύδιν (?; Pap. IV p). 2. Sonstige Subst. : ὀνίς f. ‘Eselsmist’ (ion. att.); ὀνῖτις f. ‘Art Majoran, Origanum heracleoticum’ (Nik., Dsk. Gal.; Redard 75, Andrews ClassPhil. 56, 75f.); ὀνίας m. ‘Art σκάρος’ (Ath.; zu den Fischnamen auf -ίας Chantraine Form. 94); ὀνεῖον n. ‘Eselstall’ (Suid.). 3. Adj.: ὄν-ειος ‘vom Esel’ (Ar., Arist. usw.), -ικός ‘zum Esel gehörig’ (NT, Pap., Inschr.), -ώδης ‘eselähnlich’ (Arist. usw.). 4. Verb ὀνεύω ‘mit der Winde ziehen, aufziehen’ (Th., Stratt. u. a.). — Unklar ὄνωνις (-ίς) f. Pflanzenname ‘Ononis antiquorum, Hauhechel’ (Thphr. u.a.; vgl. Strömberg 61, 155) mit ὀνωνῖτις f. ‘ds.’ (Ps.-Dsk.; Redard 75). Fremdwort unbekannter Herkunft. — Nach Brugmann IF 22, 197ff. (dazu Kretschmer Glotta 2, 351) aus *osonos (über *ohonos > *hoonos = ὁ ὄνος[?]) und mit lat. asinus aus einer südpontischen Sprache entlehnt; hierher nach B. noch arm. ēš, Gen. iš-oy. In Betracht kommt dann auch sumer. anšu ‘Esel’. — Schrader-Nehring Reallex. 1, 271ff. mit wichtigen Einzelheiten; weitere Lit. bei W.-Hofmann s. asinus. — Nicht zu lat. onus ‘Last’ (so noch Grégoire Byzantion 13, 287ff., v. Windekens Le Pélasgique 123f.), auch nicht zu hebr. ā̂tōn ‘Eselin’. II-397-398
ὄνυξ 1., -υχος m. ‘Nagel, Kralle, Huf’, oft übertr. in verschiedenen Bedd. (seit Il.). Kompp., z.B. ὀνυχο-γραφέομαι ‘von einem Nagel geritzt werden’ (Hp.), γαμψ-ῶνυξ und -ώνυχος ‘mit gekrümmten Krallen’ (ep. poet. seit Il., auch Arist. u.a.; zur Stammbildung Sommer Nominalkomp. 96 ff.); zu μῶνυξ s. bes. Ableitungen: Deminutivum ὀνύχιον n. (Arist., Pap.); ὀνυχιστήρ, -ῆρος m. ‘Huf’ (LXX; vgl. zu βραχιονιστήρ und ὀνυχίζομαι unten); ὀνυχ-ιμαῖος ‘nagelspitzengroß, winzig’ (Kom. Adesp.), -ιαῖος ‘nagelbreit’ (Eust.); ὀνυχ-ίζομαι ‘die Nägel beschneiden’ (Kratin., LXX u.a.) mit -ισμός m. (Str.), -ιστήριον n. ‘Nagelschere’ (Posidipp. Kom.); -ίζω ‘mit dem Nagel prüfen’ (Artem. u.a.); -όω ‘mit einer Kralle versehen, krallenförmig biegen’ (Orib., Sch.). — Alte volkstümliche (s. Ernout-Meillet s. unguis) Benennung des Nagels und des Hufs, die in den meisten Sprachzweigen, wenn auch in stark wechselnder Form, erhalten ist. Zu dem zweisilbigen ὄνυξ (ὀνυχ-) stimmt am nächsten, wie zu erwarten war, das ebenfalls zweisilbige arm. eɫungn ‘Nagel’ mit sekundärem n-Stamm (wie ot-n ‘Fuß’; s. πούς), e-Abtönung des Anlauts, Dissimilation n — n > ɫ — n und innerer Nasalierung entweder von dem einsilbigen ongh-(s. unten) oder durch Vorwegnahme des Auslauts (vgl. zu ὄμπνη). Die übrigen Sprachen bieten einen einsilbigen Stamm, entweder ongh-, n̥gh- (lat. unguis, kelt., z.B. air. ingen f.) oder nogh- (germ., z.B. ahd. nagal m. ’Nagel’, balt.-slav., z.B. lit. nāgas m. ‘Nagel, Klaue’); mit Ten. asp. indoir., z.B. aind. nakhá- m. n. ‘Nagel, Kralle’; hinzu kommen verschiedene, für das Griech. belanglose Suffixe. Zum Ablaut vgl. z.B. ὀμφαλός und 2. ὀμφή. — Weitere Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 1, 180 f. und Pok. 780 ebenso wie in den Spezialwörterbüchern, z.B. W.-Hofmann u. Ernout-Meillet s. un-guis, Mayrhofer s. nakhám, Fraenkel s. nāgas, Vasmer s. nogá. Wurzelspekulationen bei Specht Ursprung 253 A. 1 (wo auch Lit.); Laryngalbetrachtungen bei Austin Lang. 17, 41. Verfehlt Rogge PhW 44, 1004 (ὀ- von ὄγκος). II-398-399
ὄνυξ 2., -υχος m. N. eines Edelsteins, ‘Onyx’ (Ktes., LXX usw.), Komp. σαρδ-όνυξ ‘Sardonyx’ (Philern. Kom., J. u.a.; vgl. σάρ- διον). Davon ὀνύχιον n. ‘Art Onyx’ (Thphr., LXX), -ιος Adj. (Suid.),-ίτης m., -ῖτις f. (λίθος) ‘onyxähnlicher Stein’ (Str., Dsk.; Redard 58), -ινος ‘aus O., onyxfarben’ (hell. u. sp.). — Wohl mit ὄνυξ ‘Nagel’ identisch, wegen seines dem Fingernagel ähnlichen weißen Glanzes (Schramm P.-W. 18: 1, 535); od. nur volksetymologisch umgebildetes Fremdwort? — Unhaltbare sem. Etymologien bei Lewy Fremdw. 58 (zweifelnd od. ablehnend); s. noch Schrader-Nehring Reallex. 1, 212. II-399
ὄνωνις (-ίς) f. s. ὄνος. II-399
ὀξερίας m. N. eines sizilischen Käses (Kom.Adesp. 880 aus Poll. 6, 48), nach H. = τυρὸς ἀχρεῖος. — Bildung wie ὀπίας (:ὀπός) ‘Art Käse’, ὀβελίας (:ὀβελός) ‘Art Brot’ und andere Bezeichnungen von Lebensmitteln (Chantraine Form. 94 f.); somit von *ὀξερός ( : ὀξύς) wie γλυκερός ( : γλυκύς) ? Scheller Münch. Stud. 6, 87. Nach Bolling Lang. 12, 220 falsch für ὁ ξερίας ( : ξερός, ξηρός) od. a.; der anzunehmende Artikel macht Schwierigkeiten. II-399
ὀξίνα · ἐργαλεῖόν τι γεωργικόν, σιδηροῦς γόμφους ἔχον, ἑλκόμενον ὑπὸ βοῶν H. — Von dem idg. Wort für ‘Egge’ in lat. occa, kelt., z.B. kymr. oged, germ., z.B. ahd. egida (Egge Neubildung), balt., z.B. lit. akė́čios (ek-), idg. *oketā (lat. occa unklar), nicht zu trennen; wohl nach ὀξύς umgebildet und mit Abgang wie in ἀξίνη ‘Axt’. — WP. 1, 31 f., Pok. 22, W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. occa, Fraenkel s. ekė́čios. Die weitere Anknüpfung an das Wort für ‘Auge’ in ὄσσε usw. (Specht KZ 62, 210ff., Ursprung 345, Fraenkel a. O.) scheitert schon an dem Guttural (idg. ok- gegen oqʷ-). II-399
ὄξος n. ‘Weinessig’ (ion. att.). Kompp., z.B. ὀξο-πώλης m. ‘Weinessighändler’ (Lib., Poll.), ὀξ-άλμη f. ‘Brühe von ὄ. und ἅλμη’ (Kom. u.a.; Risch IF 59, 58), κάτ-οξος ‘mit Wein- essig getränkt’ (Posidipp. Korn.). Mehrere Ableitungen. 1. Subst.: Demin. ὀξίδιον n. (Pap. u.a.); ὀξίς, -ίδος f. ‘Essig- flasche’ (Kom., Pap.; Chantraine Form. 343, Mayser Pap. I: 3, 54); ὀξίνης (οἶνος) m. ‘Säuerling, Krätzer’, auch übertr. und als Adj. von Menschen u.a. ‘säuerlich, mürrisch’ (Hp., Ar., Thphr. u.a.; vgl. z.B. κεγχρίνης, ἐλαφίνης und Chantraine Form. 203); ὀξαλίς, -ίδος f. ‘Ampfer, Rumex’ (Nik., Ps.-Dsk.; wie φυσαλίς u.a., Chantraine 252) mit ὀξάλ-ειος ‘säuerlich’ (Apollod. Kar.: *ὄξαλος), ὀξηλίς f. Pflanzenname (Theognost.). 2. Adj.: ὀξ-ηρός ‘den Weinessig betreffend, essig- sauer’ (S., Ar., Mediz. u.a.; Chantraine 233), -ωτός ‘gepökelt’ (Ar. Fr. 130; Ammann Μνήμης χάριν 1, 18), -ώδης ‘weinessigartig, sauer’ (Gal. u.a.), -ῖτις f. ‘nach Weinessig schmeckend’ (PHolm., Redard 58). 3. Verb ὀξίζω ‘nach W. schmecken od. riechen’ (Mediz.). — Von ὀξύς (wie ἧδος : ἡδύς, εὖρος : εὐρύς usw.); s. d. II-399-400
ὀξύα, -η, sekund. ὀξέα, -εῖα (vgl. unten) f. ‘Buche, Fagus silvatica’ (Xanth., Thphr. u.a.), ‘Speerschaft (aus Buche), Speer’ (Archil., E.). Davon ὀξυ-όεις ‘aus Buchenholz’ (ἔγχος, δόρυ, II.; Schwyzer 527; kaum mit Bechtel Lex. 55, Risch ̨ 56 e aus ὀξύς erweitert), -ϊνος (-έϊνος) ‘ds.’ (Thphr., Delos IIIa usw.). Zum Wechsel ὀξύα, -η Schwyzer 189; das späte ὀξέα nach ἰτέα, μηλέα u.a.; ὀξεῖα nach dem Adj. Anders über ὀξέα, -εῖα Kalén Quaest. gramm. gr. 15ff. (m. ausführl. Behandlung). — Mit dem alten idg. Wort für ‘Esche’ wahrscheinlich uridentisch, das auch im Alban. die Bed. ‘Buche’ erhalten hat (vgl. zu φηγός). Am nächsten kommen die alb., arm. und germ. Formen: alb. ah (aus *ask- oder *osk-), arm. haçi (aus *askii̯o- [osk-?]), germ., z.B. awno. askr, ahd. asc (urg. *aska-, *aski-); das abweichende ὀξύη wohl nach ὀξύς (anders, unwahrscheinlich, Bq; nach Sánchez Ruipérez Emer.15, 67 alte Metathese wie in ξύν u.a., unhaltbar). Die übrigen Sprachen zeigen eine abweichende Stammbildung, die mit alter Heteroklisie zusammenhängen mag: balt., z.B. lit. úos-i-s, slav., z.B. russ. jás-en-ъ (beide idg. *ōs-). An das letztere schließt sich lat. ornus, wenn aus *ŏs-en-o- (-in-o-); ganz anders (zu ἐρινεός usw.) Cocco Publ. do XXIII Congr.Luso-Espanhol (Coimbra 1957) 8: 5 f. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 184f., Pok. 782, W.-Hofmann s. ornus, Vasmer s. ǰásenъ. Vgl. auch ἀχερωΐς. II-400
ὀξυρεγμία, -ίη f. ‘saures Aufstoßen des Magens’ mit ὀξυρεγμι-ώδης, -άω (Mediz.), κρομμυ-οξυρεγμία (Ar. Pax 529). — Zusammenbildung von ὀξύς und ἐρυγμός mit ία-Suffix, somit aus *ὀξυ-ερυγμ-ία mit dissimilatorischer Umstellung der Vokale; vgl. Strömberg Wortstud. 99, etwas abweichend (zu ὄξος) Schwyzer 268. II-400-401
ὀξύς ‘scharf, stechend’, vom Geschmack ‘herb, sauer’, von der Stimme ‘hell, laut’, von innerer und äußerer Bewegung ‘heftig, hitzig, rasch’ (seit Il.). Überaus oft als Vorderglied, auch mit Präfix, z.B. ἄπ-οξυς ‘zugespitzt’ (Hp., Dsk., Gal.), Rück- bildung von ἀπ-οξύνω, s. Strömberg Prefix Studies 41 f. Davon ὄξος n. ‘Weinessig’ (s. bes.); ὀξύτης, -ητος f. ‘Schärfe, Herbe, Heftigkeit’, gramm. ‘Hochtonigkeit’ (ion. att.); ὀξύς, -ύδος f. ‘Ampfer, Rumex’ (Plin., Gal.; vgl. ἐμύς, κροκύς und Chantraine Form. 347 f.). Denominatives Verb ὀξύνω, auch m. Präfix, bes. παρ-, ‘schärfen, wetzen, säuern, erhitzen’ (ion. att.) mit ὄξυντρα n. pl. ‘Schleiferlohn’ (hell. Inschr.), ὀξύσματα n. pl. ‘das Wetzen, Schleifen’ (Delos IIIa), παροξυ-σμός m. ‘Reizung, Erbitterung’ (Hp., D. u. a.), -ντικός ‘ermunternd, aufreizend, erbitternd’ (ion. att.), -νταί pl. H. (ὀξύντης Hdn. 1, 77, 25; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 205). — Ohne genaue außergriech. Entsprechung. Zum Vergleich eignet sich ὄκρις (s. d.), woneben mit weit gewöhnlicherem α-Vokal ἄκρος usw.; in ὀξ-ύς wird die Schwundstufe oḱs- des in ἀκοστή (s. d.), ἀμφ-ήκης (unsicher, s. ἠκή) u.a. angesetzten s-Stamms vermutet. WP. 1, 31, Pok. 21, W.-Hofmann s. 2. ācer, 1. acus. Vgl. ὀξίνα. Abzulehnen Haas Ling. Posn. 3, 78 (s. zu ξαίνω). II-401
ὀπάζω. Aor. ὀπάσ(σ)αι, -ασθαι, Fut. ὀπάσ(σ)ω, ‘verfolgen, bedrängen, folgen lassen, zum Begleiter geben, mitsenden, mitgeben, verleihen’, Med. ‘zum Begleiter nehmen’ (ep. poet. seit Il.). vereinzelt mit κατα-, περι-, ἐπι-, — Von ἕπομαι (mit ep. ion. Psilose), wohl am ehesten als Iterativ-Intensivum bzw. Kausativum mit Erweiterung auf -ζω (*ὀπάω : ὀπά-ζω); Bechtel Lex. s. v. m. Lit., Schwyzer 719 m. A. 2. Auch nominale Ableitung (*ὀπός, *ὀπή) ist an sich denkbar, s. ὀπάων. Vgl. auch ὀπηδός, ὄπατρος wohl ‘dieselbe väterliche Abstammung habend’ (Α 257, Μ 371), von kopul. ὀ (s. d.) und πάτρη ‘Vaterabstammung’ (s. πατήρ); Sommer Nominalkomp. 142 ff. m. ausführl. Behandlung. Nach Wackernagel Festgabe Kaegi 63 ff. (= Kl. Schr. 1, 491 ff.; zustimmend Schwyzer 106, Risch Mus. Helv. 2, 21 f.) dagegen äol. für ὀ-πάτρ-ιος (Lyk. 452) ‘denselben Vater habend’; gewiß möglich. II-401
ὀπάων, -ονος (ep. poet. seit Il.), ὀπέων, -ωνος (Hdt.); myk. o-qa-wo-ni u.a. (nach Heubeck IF 63, 116). m. ‘Gefährte, Begleiter’; — Aus ὀπά-[ϝ]ων ‘zur Gefolgschaft gehörig’, von *ὀπά f. ‘Gefolgschaft’, Verbalnomen von ἕπομαι (zur Psilose s. u. ὀπάζω). Vgl. das synonyme κοινών, -άν (< -άων). Bechtel Lex. s. v. (nach Fick 1, 141 u.a.), Schwyzer 521. Ältere Lit. (mit abzulehnenden Erklärungen) bei Bq; abzulehnen ebenfalls Prellwitz Glotta 19, 98. II-401-402
ὄπεας (v.l. -εαρ) Dat. ὑπέατι (Hdt. 4, 70) n. (Poll. 10, 141), ‘Ahle’; ὑπέατα· ὀπήτια H. (ὕπεα· τὰ ὀπίσθια cod.). Demin. ὀπήτ-ιον n. (Hp., LXX u.a.; ὑπ- Gloss.), -ίδιον n. (Poll. 7, 83); unklar Nikoch. 9. — Nach Schwyzer KZ 60, 224ff. aus *ὀπα-ϝατ- eig. "mit einem Öhr versehen", von der Sonderform der gelochten Durchziehahle; ebenda auch (durchschlagende?) Kritik der älteren Auffassung als "Lochgerät" (z.B. Orion: παρὰ τὸ ὀπὰς ἐμποιεῖν). Die nicht wegzuerklärende Form ὑπ-muß irgendwie volksetymologisch bedingt sein. II-402
ὀπή (dor. -ά), f. ‘Lichtöffnung, Luke, Loch, Höhle’ (Ar., Arist. usw.), ‘Gesicht’ (Kerk. 4, 23; neben ἀκουά). Als Hinterglied in στε(ι)ν-ωπός ‘mit enger Öffnung, eng’ (seit Il.), πολυ-ωπός ‘mit vielen Löchern, Maschen’ (χ 386 u.a.; ω anal.-metr.), s. Sommer Nominalkomp. 1; auch in ἐνόπαι, μετόπη u.a. (s. dd.); dazu noch ἀνόπαια (s. bes.)? Davon ὀπαῖος ‘mit Öffnung versehen’, vom Dachziegel (Diph. Kom., Poll.), ὀπαῖον n. ‘Dachluke, Rauchfang’ (att. Inschr., Plu.; vgl. Bérard REGr. 67, 4); ὀπήεις ‘mit Loch versehen’ (δίφρος, Hp.). — Wenn von ὀπ- ‘sehen’, muß ὀπή als Verbalabstraktum eig. "das Gesicht" bezeichnet haben (so als poet. Zufallsbildung bei Kerk., s. ob.); daraus durch Konkretisierung "das, wodurch man sieht", ‘Seh-, Lichtöffnung’. Es kann aber auch aus einem Wz.nomen erweitert, somit eig. ein Nomen agentis od. instr. sein; vgl. ὄμμα. II-402
ὀπηδός, dor. (auch Trag. u.a.) ὀπᾱδός m. ‘Begleiter’ (ep.poet. seit h. Merc. 450, auch sp. Prosa). Davon ὀπηδέω, ὀπαδέω ‘begleiten, mitgehen’ (ep. poet. seit Il., -εύω A. R.) mit ὀπάδησις f. ‘Begleitung’ (Kriton ap. Stob.), ὀπηδητήρ· σύνοδος, ἀκόλουθος H. — Da ὀπηδός von dem synonymen ὀπάων sehwerlich zu trennen ist, liegt eine Zerlegung ὀπη-δός (ὀπ-ηδός?) nahe; eine entsprechende Bildung, zumal eines Nom. agentis, ist indessen nicht zu belegen (dagegen mehrere auf -ηδών). Gegen direkte Verbindung mit ὀπάζω (ὀπᾱδός Rückbildung?; Vermutung von Kronasser bei Haas Μνήμης χάριν 1, 132) spricht die verschiedene Quantität des Vokals; nicht besser Prellwitz Glotta 19, 98 nach Bezzenberger BB 24, 321: *ὀπᾱδ alter Abl. von *ὀπά f. ‘Gefolgschaft’. — Nicht mit Sapir Lang. 10, 274ff. u.a. aus heth. ḫapatiš ‘gehorsam, untertan, Diener’, s. Schwyzer 508 A. 6, Neumann Heth. u. luw. Sprachgut 19. Zu ὀπάων, ὀπαδός in der Trag. Björck Alpha impurum 109 f. Ältere Erklärungsversuche bei Bq. II-402-403
ὀπῑπεύω (ὀπιπτεύω falsch nach ὀπτεύω), Aor. ὀπιπεῦσαι ‘sich wonach umsehen, nach jmdm. gucken, gaffen’ (ep. seit Il.) Als Hinterglied παρθεν-οπῖπα Vok. ‘Mädchenbegaffer’ (Λ 385), wonach παιδ-οπῖπαι pl. (Ath.) u.a. mit ὀπιυτήρ, -ῆρος m. ‘Begaffer’ (Man., Nonn.; Fraenkel Nom. ag. 1, 135). Daneben ὀπιπᾷ· ἐξαπατᾷ H. — Wegen der starken Produktivität der Verba auf -εύω können verchiedene Nominalstämme als Grundlage in Betracht kommen. Viel für sich hat ein Verbalnomen *ὀπῑπή wie ὀπωπή (Fraenkel Denom. 191 A. 3) und ἐνῑπή (s. d.); davon regelrecht das denominative ὀπιπᾷ und das Hinterglied -οπῖπα Scwyzer 560). Weitere Analyse strittig: die Anfangsgruppe ὀπ- scheint wie in ὀπ-ωπ-ή eine Reduplikation zu enthalten, wobei ï mit ī- in aind. ī́kṣate ‘sieht’ gleichzusetzen ist (vgl. zu ὄσσε) und als Schwundstufe von ω fungiert (Brugmann IF 12, 31). Eine andere, unwahrscheinlichere Erklärung der Reduplikationssilbe bei Kretschmer KZ 31, 385. Anders Walde (s. WP. 1, 122 = Pok. 323; auch 1, 170 = Pok. 776): Präverb ὀπι- (s. ὄπισθεν) + reduktionsstufiges oqʷ- > ὀπῑπ-. Erklärung des ī mit Hilfe der Laryngaltheorie bei Winter Lang. 26, 532. — Vgl. noch Schwyzer 648. II-403
ὄπις, -ιν, -ιδα, -ι f. ‘Ahndung, Strafe, Vergeltung der Götter’ (Hom., Hes.), ‘Hilfe, Beistand der Götter’ (Pi. P. 8, 71); 2. ‘Ehrfurcht, Gehorsam, Sorge’ (Hdt., Pi., Mosch.). Davon ὀπίζομαι, auch mit ἐπι-, (ep. lyr. seit Il.), lak. Epigramm ὀπίδδομαι, sp. Aor. ὠπίσατο (Q. S.) ‘Ehrfurcht hegen, fürchten, scheuen’, nachhom. ‘sich kümmern um’; Adj. ὀπιδνός ‘furchtbar’ (A. R. 2, 292), eher verbal als nominal, vgl. Chantraine Form. 193 u. 195. PN Δηϊ-οπίτης, ’Οπίτης m. (Λ 420 u. 301), vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 128 A. 2 mit unrichtigen Schlüssen über die Stammbildung. — Die schwer abzuweisende Anknüpfung an ὀπ- in ὄψομαι usw. (s. ὄπωπα) setzt eine älteste Bed. ‘Blick’ (’böser Blick’ ? Porzig Satzinhalte 352), ‘Aufsicht’ voraus, wovon teils ‘animadversio, Strafe’, teils ‘Rücksicht, Scheu, Ehrfurcht’. Einzelheten bei Kaufmann — Bühler Herm. 84, 285f. Die Bed.-Entwicklung des Nomens wurde z.T. von ὀπίζομαι bedingt. — Vgl. ἐνιπή m. Lit.; ältere Lit. (mit verfehlter Etymologie) bei Bq. II-403
ὄπισθεν (seit Il.), -ε (ion. poet.), ὄπιθε(ν) (ep. poet. seit Il.) Adv. und Präp. ‘(von) hinten, hinter, nachher’. Viele Kompp., z.B. ὀπισθό-δομος m. ‘Hinterhalle des Athenetempels’ (att.; Risch IF 59, 251); zu ὀπισθέναρ s. θέναρ; zahlreiche Einzelheiten bei Schwyzer-Debrunner 540. Als Hinterglied u.a. in μετ-όπισ-θε(ν) ‘ds.’ (ep., vorw. Il.). Davon ὀπίσθ-ιος (ion. att.), -ίδιος (Sophr., Kall., AP) ‘hinten befindlich’; Steigerungsformen ὀπίσ-τατος (Θ 342,Λ 178; für *ὀπίσθ-ατος?, Schwyzer 535 danach -τερος (Arat., Nonn.) neben ὀπισθό-τερος (Arat.). — Daneben ὀπίσ(σ)ω (seit Il.), äol. ὑπίσσω (Sapnh.) ‘nach hinten, hernach’ mit ὀπισώ-τατος (hell.); ἐξ-οπίσω ‘ds.’ (ep. lyr. seit Il.) u.a. — Vgl. Treu Von Homer zur Lyrik 133 f. — In ὄπι-θεν scheint ein Nomen od. Adv. ὄπι erhalten zu sein, das auch in myk. o-pi erkannt wird und in κατ-όπιν (ion. att.) u.a. vielleicht noch als Akk. fungiert (Schwyzer 625); vgl. noch ὀπώρα; dazu ὄπι-σ-θεν wie πρόσ-θεν und ὀπίσ(σ)-ω. Letzteres kann für *ὀπι-τι̯ω stehen, vgl. zu εἴσ-ω s. εἰς m. Lit., dazu noch Gusmani A.I.O.N. 3 (1961) 41ff. — Außergriech. Anknüpfungen s. ἔπι; o-Abtönung auch in lat. ob u.a.; dar-über m. reicher Lit. W.-Hofmann s.v. II-403-404
ὁπλή f. ‘der ungespaltene Huf des Pferdes’ (Λ 536 = Υ 501 u.a.), ‘der gespaltene Huf der Rinder’ (h.Merc., Hes., Pi., ion. att.) mit ὁπλή-εις ‘mit Huf versehen’ (Dicht. bei D. Chr. 32, 85). — Unerklärt. Die formal naheliegende Verbindung mit ὅπλον (z.B. Buttmann Lex. 2, 216 A. 4) ist semantisch unzulänglich begründet ("Ausrüstung"?). Nach Bechtel Lex. s.v. mit ἁπλέ ‘simplex’ "nahezu identisch"; formal schwierig und auch sachlich sehr fraglich, da urspr. alleinige Beziehung auf den Pferdehuf keineswegs als gesichert gelten kann. Abzulehnen ebenfalls Osthoff MU 6, 334f. (s. Bq). II-404
ὅπλον, meist pl. ὅπλα n. ‘Gerät(e), Werkzeug, Schiffsgerate, bes. Takelwerk, (schwere) Waffe(n)’ (seit Il.). Kompp., z.B. ὁπλο-μάχ-ος ‘der mit schweren Waffen kämpft’, -έω, -ία (att. usw.). ἔν-οπλος ‘unter den Waffen, gewappnet’ (Tyrt., S., E. u.a.), mit ιο-Erweiterung ἐν-όπλ-ιος ‘ds.’, auch subst. (sc. ῥυθμός) als Bez. einer kriegerischen Taktart (Pi. usw.); zu ὑπέρ-οπλος s. bes. Ableitungen: 1. Demin. ὁπλάριον (hell. u. sp.). 2. Ὅπλη-τες pl., Gen. ’Οπλήθων N. er der vier ältesten ion. Phylen (Hdt., Miletos); -θ- nach πλῆθος oder durch Hauchversetzung? (Fraenkel Nom. ag. 2, 156 A. 1, Glotta 32,30). 3. ὁπλί-της dor. usw. -τας m. ‘schwerbewaffnet (er Krieger), Hoplit’ (Pi., ion. att. usw.), f. -τις (Poll.), mit -τικός, -τεύω, -τεία (att.). 4. ὁπλ-ικός ‘zu den Waffen gehörig’ (Vett. Val.). 5. ‘Ολεύς m. PN (Hes. Sc. u.a., Bosshardt 120: Kurzform für ‘Οπλο-μάχος od. ä.?). 6. ‘Οπλό-σμιος m. Bein. d. Zeus in Arkadien (Arist., Inschr. IIIa), -σμία f. Bein. d. Hera in Elis usw. (Lyk.), -δμία f. N. einer Phyle in Mantinea (IVa); Bildung unklar, vgl. Schwyzer 208 m. Lit. und Fraenkel Nom. ag. 1, 96. 7. ὁπλίας· Λοκροὶ τοὺς τόπους, ἐν οἷς συνελαύνοντες ἀριθμοῦσι τὰ πρόβατα καὶ τὰ βοσκήματα H.; unklar. 8. ὁπλότερος, s. bes. — 9. Denominative Verba: a) ὁπλέω = ὁπλίζω nur in ὥπλεον ζ 73. b) ὁπλίζω, -ομαι, Aor. ὁπλίσ(σ)αι, -ασθαι, -σθῆναι, sp. Perf. ὥπλικα, oft m. Präfix, z.B. ἐξ-, ἐφ-, καθ-, ‘zurüsten, zubereiten’, u.a. von Speise u. Trank (Hom. u.a.), ‘ausrüsten, bewaffnen, sich rüsten, waffnen’ (seit Il.) mit ὅπλ-ισις f., -ισμός m. ‘das Aus- rüsten, Ausrüstung, Bewaffnung’ (att. usw.), -ισμα n. ‘Bewaffnung, Waffe’ (E., Pl.), ἐξοπλισ-ία f. ‘Ausrüstung, Auf- stellung, Musterung eines Heeres’ (X., Ain. Takt. u.a.; zur Bildung Schwyzer 469), auch ἐξοπλασία f. ‘ds.’ (Arist., Inschr.; wohl nach δοκιμασία, γυμνασία u.a.); ὁπλιστής, dor. -τάς m. ‘ausgerüsteter Krieger’, auch attr. (Vett. Val., AP). c) ὅπλε-σθαι ‘sich zubereiten’ (δεῖπνον Τ 172, Ψ 159), Bildung nach den themat. Wurzelpräs. (Schwyzer 722 f.), wenn nicht einfach Überlieferungsfehler für ὁπλεῖσθαι mit Solmsen Unt. 90 (s. noch Risch ̨ 97. Chantraine Gramm. hom. 1, 311 u. 351). — Zum Gebrauch von ὅπλον und Ableitungen bei Hom. s. Trümpy Fachausdrücke 81 ff. — Griech. Bildung mit λ-Suffix und ο-Abtönung (Chantraine Form. 240) vom altererbten ἕπω ‘besorgen, betreiben’; s. d. m. Lit. II-404-405
ὁπλότερος, -τατος ‘jünger, jüngster’ immer von Personen, auch von Frauen (ep. seit Il.). — Oppositionsbildung auf -τερος wie κουρότερος, ἀγρότερος, ὀρέστερος. Nach der beachtenswerten Auffassung der Alten eig. ‘waffenfähig, rüstig’ im Gegensatz zu den γέροντες. Ausführliche Begründung bei Bechtel Lex. s.v., zustimmend Schwyzer-Debrunner 183; vgl. noch Barone Boll. fil. class. 13, 283. Verfehlte Deutungen bei Bq. II-405
ὀπός m. ‘Pflanzensaft’, insbes. ‘der Saft des Feigenbaums, der zum Gerinnen der Milch gebraucht wurde, Feigenlab’ (seit Ε 902). Einige Kompp., z.B. πολύ-οπος ‘saftreich’, ὀπο-βάλσα-μον n. ‘der Saft des Balsamstrauches’ (Thphr. u.a.) für ὀπὸς βαλσάμιος (alternative Erklärung von Risch IF 59, 287), ebenso ὀπο-κάρπαθον (Plin.), -κάλπασον (Gal.), s. Thiselton-Dyer JournofPhil. 34, 305 ff. Davon 1. ὄπιον n. ‘Mohnsaft, Opium’ (Diokl.Fr. 94 usw.) mit ὀπικός ‘aus O. gemacht’ (Pap. II—IIIp); 2. ὀπίας (τυρός) m. ‘Käse von Milch, die man durch Feigensaft gerinnen gemacht hat’ (E., Ar.); 3. ὀπώδης (Hp., Arist. u.a.), ὀπόεις (Nik.) ‘saftig’; 4. als ON ’Οποῦς (< -όεις), -οῦντος m. Hauptstadt d. östlichen Lokrer (Il., Inschr.) mit ’Οπο(ύ)ντιοι m. pl., Gen. hοποντίων (Th., Inschr.); zum Lautlichen Schwyzer 253; auch Flußn., s. Krahe Beitr. z. Namenforsch 2, 233. 5. ὀπίζω, auch m. ἐξ-, ‘den Saft auspressen, mit ὀπός gerinnen machen’ (Arist., Thphr. u.a.) mit ὀπισμός m. ‘Auspressung von Saft’ (Thphr., hell. Pap. u.a.), ὄπισμα n. ‘ausgepreßter Saft’ (Dsk. u.a.). — Zu ὀπός mit ion. Psilose für *ὁπός (Solmsen Unt. 207; vgl. hοποντίων) stimmt ein baltoslav. Wort für ‘Pflanzensaft usw.’, z.B. aksl. sokъ ‘Saft’, lit. sakaĩ pl. ‘Harz’, wie ὀπός auf idg. *soqʷos zurückführbar; daneben mit anl. su̯- lit. svekas, lett. svakas, svęki ‘Harz, Gummi’ (vgl. zu ὕπνος); mehrdeutig alb. gjak ‘Blut’ (zuletzt Mann Lang. 26, 386). Lat. sūcus, wohl aus *soukos od. *seukos, weicht davon nicht unbeträchtlich ab. — Weitere Analyse m. reicher Lit. bei WP. 2, 515f. (Pok. 1044), W.-Hofmann s. sūcus, Fraenkel s. sakaĩ, Vasmer s. sók. II-405-406
ὀπτάζομαι, ὀπτάνομαι, ὀπτίλος, ὀπτός s. ὄπωπα u. ὄσσε. II-406
ὀπτάω (seit Od.), ὀπτεύμενος (Theok.), Aor. ὀπτῆσαι (seit Il.), ὀπτηθῆναι (seit Od.), Perf. ὤπτηκα, -ημαι (Euphro bzw. Ar.). Fut. ὀπτήσομαι (Luk.), ‘braten, rösten, backen’; auch m. Präfix, z.B. ἐπ-, ἐξ-, κατ-, παρ-, davon ὄπτησις f. ‘das Braten’ (Miletos Va, Hp., Arist. usw.) mit ὀπτήσιμος ‘zum Braten geeignet’ (Eub., Arbenz 82), ὀπτ-ήτειρα f. Beiwort von κάμινος (Kall.). -ητήρια H. als Erklärung von ὠψά (alphabetisch unrichtig eingeordnet, sehr fraglich); auch ὀπτευτήρ m. ‘Schmied’, von Hephaistos (Koluth. 54 [V—VIp]) wie von *ὀπτεύω; vgl. καμινευτήρ u. a. Als Hinterglied in γαστρ-όπτης, f. -όπτις ‘Gefässzum Wurstbraten’ (Delos IV—IIIa; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 243 u. 2, 115 mit unrichtiger Wurzelanalyse). Rückbildung ἔξ-οπτος ‘wohlgebacken’ (Hp. u.a.), aus ἐξ-οπτάω (ion. att.). —Daneben ὀπτός ‘gebraten, geröstet, gebacken’ (seit Od.); davon ὀπτ-αλέος ‘gebraten, geröstet’ (Hom., Ath.), zunächst nach αὐαλέος u. a. aus ὀπτός erweitert; in Betracht kommt auch alter λ : ν-Wechsel mit ὀπτανός ‘gebraten, zum Braten geeignet’ (Kom., Arist. u.a.), wie das sinnverwandte ἑψανός gebildet; Typus allerdings altererbt (Schwyzer 490 A. 3 m. Lit.). Zu ὀπτανός ferner ὀπτάν-ιον ‘Küche’ (Kom., Inschr.), -ικός ‘zum Braten geeignet’ (Pap. IIIp), -εύς m. ‘Küchenmeister’ (Pap.; Bosshardt 66) mit -εῖον (-ήϊον) ‘Küche’ (Plu., Luk., Hdn.Gr.); ὀπτανάριος· assator, coctarius Gloss. — Für sich steht ὀπτασία f. etwa ‘Röstung, Röstofen’ (PHolm. 9, 39 δὸς εἰς ὀπτασίαν ὀπτᾶσθαι), wohl zu ὀπτάω nach θερμασία o.ä. — Der Bildung nach reiht sich ὀπτάω den Verba auf -τάω, ἀρτάω, φοιτάω, οὐτάω usw. (Schwyzer 705) an. Als Grundlage wird indessen allgemein und wohl mit Recht das Verhaladj. ὀπτός (τὰ ὀπτά? Risch ̨ 112b, fragend) angesehen. — Sonst dunkel. Die Anknüpfung am ὀβελός (eig. "am Spieß"; Schwyzer Festschr. Kretschmer 251) hat als Wurzeletymologie einen sehr beschränkten Wert. Wechselnde Versuche, ὀπτός mit πέσσω zu verbinden, bei Prellwitz (s. Bq) und Benveniste Origines 157f., auch bei Austin Lang. 17, 88. II-406-407
ὀπυίω, auch ὀπύω (Arist., Kerk., Moer.), Fut. ὀπύσω (Ar. Ach. 255) ‘zur Frau nehmen, heiraten’, sp. auch ‘geschlechtlich verkehren mit’, Pass. ‘verheiratet werden’, von Frauen (ep. poet. seit Il., auch kret. u. sp. Prosa; vgl. Wackernagel Unt. 228 A.1; zur Bed. usw. Ruijgh L’élém. ach. 107 f. (gegen Leumann Hom. Wörter 284). Davon ὀπυ-σ-τύς f. (σ anal.) ‘Heirat’ (kret.); vom Präsensstamm ὀπυι-ηταί pl. ‘Gatten’ (Herod.). ὀπυ-όλαι· γεγαμηκότες H.; ὀπυασθώμεθα Aor. Konj. Pass. (Lyr. Alex. Adesp. 1, 52) wie von *ὀπυάζομαι. Zu den Ableitungen ausführlich Fraenkel Nom. ag. 1, 230 f.; dazu noch Benveniste Noms d’agent 71 und Porzig Satzinhalte 182 u. 341. — Nicht sicher erklärt. Bestechend ist der Vergleich mit etr. puia ‘Gattin’ (Hammarström Glotta 11, 212; Schwyzer 62); somit wohl vorgr. Mittelmeerwort. Verfehlte idg. Etymologien sind bei Bq (auch Add. et Corr.) referiert; abzulehnen ebenfalls Carnoy Ant. class. 24, 20 ("pelasgisch" zu idg. bū-’schwellen’[?]). II-407
ὄπωπα Perf. m. neugebildetem Ipf. ὀπώπεον (Orph.) und Aor. ὀπωπήσασθαι (Euph.). — Daneben Fut. ὄψομαι, wie die folgenden Formen oft m. Präfix, z.B. ἀπ-, ἐπ(ι)-, κατ-, προ-, ὑπ-, ὑπερ-, (seit Il.). Aor. Pass. ὀφθῆναι (ion. att.) m. Fut. ὀφθήσομαι, Perf. Med. ὦμμαι (att.). ‘ich beobachte, nehme wahr, erblicke, betrachte’ (ep. ion. poet. seit Il.) Dazu ὀπωπ-ή f. ‘Beobachtung, Anblick, Augapfel’, pl. ‘Augen’ (Od., A. R. u.a.), -ητήρ m. ‘Späher’ (h.Merc. 15; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 108f., z.T. abweichend, Zumbach Neuerungen 7 m. A. 14, Benveniste Noms d’agent 39), -ια n. pl. (sc. ὀστέα) ‘die Knochen des Auges’ (Hp.). — Mehrere Ableitungen, insbes. m. τ-Formans: 1. Verbaladj. ὀπ-τός (Luk. Lex. 9, Ath.), früher u. weit gewöhnlicher von den präfigierten Verba, z.B. ὕπ-, ἄπ-, κάτ-, πρό-οπ-τος (προὖπτος) mit ὑπ-, ἀπ-, κατ-οπτ-εύω, ὑποψ-ία usw. 2. Nom. ag. u. instr.: a) ἐπ-, κατ- (h.Merc. 372 usw.), ὑπερ-, δι-όπ-της usw., ebenfalls m. ἐπ-, κατ-, ὑπερ-, δι-οπτ-εύω (Κ 451 neben διοπ-τήρ 562); davon Simplex ὀπτεύω (Ar. Av. 1061 u.a.; Leumann Hom. Wörter 113); b) ὀπ-τήρ m. ‘Späher’ (seit Od.), auch m. δι-, ἐπ-, κατ-; davon ὀπτήρ-ια n.pl. ‘Geschenke beim Anblick einer Person’ (E., Kall. u.a.); c) δί-, εἴσ-, ἔν-, κάτ-οπ-τρον n. (Alk., Pi., A. usw.) m. Ableitungen. 3. Adj.: ὀπτ-ικός ‘zum Sehen gehörig, -ική f. ‘Optik’ (Arist. u.a.), älter (Pl. u.a.) συν-, ἐπ-, ὑπερ-οπτ-ικός. 4. Nom. actionis: ὄψ, ὀπ-ός f. ‘Auge, Gesicht’ (Emp. 88, Antim. 65), öfter als Hinterglied, z.B. οἶν-οψ ‘weinfarbig’ (Hom.); ὄψις (ἔπ-, πρόσ-, σύν- u.a.) f. ‘das Sehen, Sehkraft, Anblick, Erscheinung’ (seit Il.); ὄψανον n. ‘Erscheinung’ (A. Ch. 534; Suffixkombination, Schwyzer 517). 5. Bez. für ‘Auge’: ὀπτ-ίλ(λ)ος m. (epid., lak., H.), demin. Bildung, mit ’Οπτιλ-έτις f. Ben. der Athena in Sparta als Heilerin von Augenkrankheiten (v.Wilamowitz Glaube 2, 230), ὀπτιλίασις· ὀφθαλμίασις H.; daneben ὄκταλλος, ὀφθαλμός (s.d.). 6. Verba: ὀπτ-άνομαι (LXX, hell. Pap., NT), -άζομαι (LXX) ‘erscheinen, sichtbar werden’, wohl nach αἰσθάνομαι (anders Schwyzer 700 A. 2) bzw. αὐγάζομαι; ὀπταίνω (Eust.; wie παπταίνω u.a.). — Als Grundlage sämtlicher Formen dient ein seiner urspr. Funktion nach unklares Wort ὀπ- (’sehen’ od. ‘Auge’), das auch in ὄπις, ὄσσε, ὄμμα, ὤψ (s. dd.) enthalten ist; ὄσσε aus *ὄκ-ι̯ε läßt auf idg. oqʷ- schließen, das zahlreiche Vertrete in einer Reihe idg. Sprachen hat; darüber s. ὄσσε. — Als Präsens zu ὄπωπα fungiert u.a. ὁράω, s.d. II-407-408
ὀπώρα (ὁπ-), -η, lak. (Alkm.) ὀπάρα (vgl. unten) f. ‘Spätsommer, Frühherbst’ (seit Il.), ‘Ernteertrag, Frucht, Obst’ (nachhom.; vgl. zu θέρος). Als Vorderglied z.B. in ὀπωρο-φύλαξ m. ‘Obst-, Gartenwächter’ (Arist. u.a.). Davon 1. ὀπωρ-ινός ‘zur ὀπ. gehörig’ (seit Il.; vgl. Shipp Studies 77 m. Lit.); 2. τὰ ὀπωρ-ιαῖα n. pl. ‘Früchte’ (Thphr.); 3. -ιμος ‘fruchttragend’ (Anon. ap. Suid.; nach κάρπιμος, Arbenz 86f.); 4. -ιμεῖος ‘Frucht-, zur Frucht gehörig’ (PLond.; unsicher); 5. -ικός ‘zur ὀπ. gehörig’, auch N. einer Arznei gegen Dysenterie (Plin., Gp.); 6. ’Οπωρεύς m. Ben. des Zeus in Akraiphia (Inschr.; Bosshardt 44); hοπορίς f. PN (lak. od. mess. Inschr.), Hopora f. PN (lat. Inschr.). 7. ὀπωράριον = pomarium (Gloss.). 8. Denom. Verb ὀπωρ-ίζω ‘ernten, Herbstlese halten’ (ion. att.) mit -ισμός m. ‘Weinlese’ (Aq.). — Hierher noch μετ-όπωρ-ον (μεθ-) ‘was nach der ὀπώρα liegt’, φθιν-όπωρ-ον ‘wo die ὀπ. zu Ende geht’, ‘(Spät)herbst’ (ion. att.), Hypostase bzw. verbales Rektionskomp. mit thematischer Erweiterung, vgl. Schwyzer 442 :1c. Davon μετ-, φθιν-οπωρ-ινός (ion. att.) u.a. — Die nicht seltene, aber unursprüngliche Aspiration muss aus einem sinnverwandten Wort (ὥρα?) eingedrungen sein. —Aus *ὀπ-ο[σ]άρ-ᾱ kontrahiert (woraus lak. ὀπάρα), hypostatische Abstraktbildung auf -ᾱ von präpositionalem ὀπ(ι)-(s. ὄπισθεν) und einem Nomen *ὄ[σ]αρ n., das als damit regelmäßig alternierender n-Stamm im Baltoslav. u. Germ. erhalten ist, z.B. serb.-ksl. jesenь, russ. ósenь f. ‘Herbst’, got. asans f. ‘Ernte, Sommer’, ahd. aran (wozu Ernte); somit eig. ‘die auf das ὄ[σ]αρ, d.h. den Sommer folgende Zeit’. Schulze Q. 475 (= WP. 1, 161f., Pok. 343), Benveniste Origines 19. II-408
ὀραυγέομαι ‘genau betrachten’ (Aesar. ap. Stob. 1, 49, 27). — Verbales Dvandva aus ὁράω und αὐγέομαι; vgl. Wahrmann Glotta 19, 178, dazu im allg. Schwyzer 645 m. Lit. II-409
ὁράω (seit Il.), ion. auch ὀρέω (Hdt.), daneben ὅρηαι (ξ 343), ὁρητο (A 56 u. 198 nach Zenodot, Akz. unsicher), ὀρῇς, -ῇ, -ῆν (Hp., Demokr., Herod.), äol. ὄρημι (Sapph.), ὄρη (Theok.); Ipf. ἑώρων (att.), ep. 3. sg. ὅρα, ion. ὥρα (Hdt.) usw.; Präs. auch ὄρονται (ξ 104) mit -ντο (γ 471), ὅρει· φυλάσσει H.; neugebildetes Perf. Akt. ἑόρακα (att., auch ἑώρ-), ion. ὀρώρηκα u. ὤρηκα (Herod.), dor. Ptz. ὡρακυῖα (epid.), Med. ἑώραμαι (sp. att.), Aor. Pass. ὁραθῆναι (Arist., D.S. u.a.), Plqu. auch ὀρώρει (Ψ 112), ‘schauen, aufmerksam sein, betrachten, sehen’. sehr oft m. Präfix, z.B. ἐφ- (ἐπ-), καθ- (κατ-), παρ-, προ-, συν-, ὑπερ-, Wenige Abteilungen, fast alle, im Gegensatz zu den alteren von den primären ὀπ- (s. ὄπωπα) und ἰδεῖν, hell. u. sp. : 1. ὁρᾶ-τός ‘sichtbar’ (Hp., Pl.), προ-ορατός ‘der vorausgesehen werden kann’ (X. Kyr. 1, 6,23) gegenüber πρό-οπτος (προὖπ-τος) ‘vorausgesehen, offenbar’ (ion. att.); 2. ὅραμα n. ‘Anblick, Schauspiel, Erscheinung’ (X., Arist., LXX usw.), παρ- ~ (hell. u. sp.), m. ὁραματίζομαι (Aq.) gegenüber ὄμμα, εἶδος (s.dd.); 3. ὅρασις f., auch mit προ-, παρ-, ὑπερ- u.a., ‘das Sehen, Gesicht, Anblick, Erscheinung’, pl. auch ‘Augen’ (Demad., Arist., Men. usw.) gegenüber ὄψις; ὑφόρα-σις ‘Argwohn’ (Plb. u.a.) für älteres ὑποψ-ία; 4. ὁρατής m. ‘Betrachter’ (LXX, Plu.) gegenüber ὀπτήρ ‘Späher’; ὁρατήρ H. als Erkl. von ὀπτήρ; 5. ὁρατικός ‘zum Sehen geeignet, mit Sehkraft ausgerüstet’ (Arist., Ph. u.a.), ἐφ- ~ ‘zur Aufsicht geeignet’ (X.): ἐποπτ-ικός ‘zum ἐπόπτης gehörig’ (Pl. u.a.). 6. ὁρατίζω ‘ins Gesicht fassen, auf etw. zielen’ (Mediz. IVp). 7. οὖρος m. ‘Wächter’, ἐπίουρος s. bes. — Aus dem Ipf. ἑώρων (< *ἠ-ϝόρων; m. Asp. nach ὁρῶ) und dem Pf. ἑόρακα (< *ϝε-ϝόρακα; ἑώρ- nach dem Ipf.) ergibt sich ein urspr. ϝ-, das indessen weder in d. Homerüberlieferung noch epigraphisch Spuren hinterlassen hat und auch in myk. o-ro-me-no fehlt; ob der Asper mit früherem ϝ- zusammenhängt, bleibt ganz ungewiß (Schwyzer 22 6 f. m. Lit.). — Die obigen Präsensformen, von denen alle außerpräsentischen Firmen einschließlich der Verbalnomina ausgehen, scheinen die Ansetzung dreier verschiedener Stämme zu erfordern: 1. ϝορᾶ- in ὁρά-ω, woraus vielleicht rein lautlich ion. ὀρέω (Schwyzer 242); 2. ϝορη- in äol. ὄρημι, ὄρη, ep. ὅρηαι u.a.m. (s. oben); 3. ϝορ- in ὄρονται, -ντο, ὅρει. Urspr. *ϝορᾶ-ι̯ω kann entweder ein iterativintensives Deverbativum vom Typus ποτάομαι (s. Schwyzer 718 f.) sein, wozu die Bed. gut paßt, oder als Denominativum von *ϝορά̄ f. erklärt werden, das tatsächlich in φρουρά aus *προ-hορά ( < *προ-ϝορά) vorliegt und im German., z.B. ahd. wara f. ‘Aufmerksamkeit’, wara neman ’wahrnehmen’ ein genaues Gegenstück hat: idg. *u̯orā́ f., woneben toch. A war, B were ‘Geruch’, idg. *u̯oro-s m. Schwierig zu beurteilen ist dagegen (ϝ)όρη-μι usw. Es sieht wie eine zweisilbige athemat. Bildung aus, und ὀρῇς, -ῇ, -ῆν können daraus thematisch umgeformt sein (Schwyzer 680). Zum Vergleich bietet sich lat. verē-ri ‘ängstlich beobachten, verehren’, immerhin mit ablautendem Stammvokal. Am schwächsten vertreten ist das primäre einsilbige (urspr. athematische?; Chantraine Gramm. hom. 1, 311) ὄρονται, -ντο (wozu noch ὅρει bei H.?); es handelt sich überdies um denselben formelhaften Ausdruck: ἐπὶ δ’ ἀνέρες ἐσθλοὶ ὄρονται (-ντο), ebenso im Plqu. ἐπὶ δ’ ἀνὴρ ἐσθλὸς ὀρώρει. Auch hier fällt der o-Vokal auf, wenngleich analoge Fälle nicht ganz fehlen wie ὄθομαι, οἴχομαι u.a. (Schwyzer 721, Chantraine a. O.). Zum primären Verb gehören sowohl *προ-ϝορ-ά in φρουρά (s. oben und s.v.) wie das nur in Zusammenbildungen als Hinterglied auftretende -(ϝ)ορ-ός ‘Wächter’, z.B. θυρ-, τιμ-ωρός, κηπουρός aus θυρα-, τιμα-, κηπο-ϝορ-ός; es deckt sich formal (aber nicht funktionell) mit germ., z.B. asächs. war ‘aufmerksam, behutsam’, ahd. giwar ‘ds., gewahr’. Die übrigen zu dieser Wortgruppe gehörigen Wörter aus verschiedenen Sprachen, z.B. lett. veruôs, vērtiês ‘schauen, bemerken’, toch. A wär, B wär-sk- ‘riechen’, heth. u̯erite- ‘fürchten’, lehren für das Griech. nichts. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 284f., Pok. 1164, W.-Hofmann s. vereor. Zum Supplativsystem ὁράω : ὄψομαι : εἶδον : ἑόρακα Gonda Lingua 9, 178 ff., Bloch Suppl. Verba 91 ff. m. Lit.; zu den Ausdrücken für ‘sehen, Auge’ im Griech. Prévot Rev. de phil. 61, 133ff., 233ff. — S. noch 2. οὖρος, ὤρα. II-409-410
ὀργάζω ‘weich machen, kneten, gerben’ s. ἐόργη. II-410
ὄργανον n. ‘Werkzeug, Gerät, Instrument, Sinneswerkzeug, Organ’ (Hp., Ktes., att., Arist. usw.); vereinzelte Kompp. wie ὀργανο-ποιός m. ‘Instrumentenmacher’ (D. S. u.a.). Davon ὀργάν-ιον Dentin. (AP, M. Ant.), -ικός ‘als Werkzeug dienend, wirksam, praktisch’ (Arist. u.a.), -ίτης m. ‘Ingenieur’ (Pap. IVp; Redard 36), -ιστής m. ‘I. bei einem Wasserwerk’ (Pap. IIp), unbelegt *ὀργανίζω, aber δι-, κατ-οργανίζω (AP, Alchem.); ὀργανάριος = fistularius (Gloss.); -όομαι, auch m. δι-, ‘organisiert, mit Organ versehen werden’ (S. E., Iamb. u.a.) mit (δι-)-ωσις f. ‘Organisation’ (Iamb. u.a.). — Daneben ’Οργάνη f. Bein. d. Athena (Thasos Va, Athen; v. Wilamowitz Glaube 2, 164), vgl. ’Εργάνη; als Adj. ὀργάνα ‘wirkend, bildend’ (χείρ; E. Andr. 1014, nicht ganz sicher). — Bildung wie ξόανον (: ξέω, -ξοος), ὄχανον (: ἔχω, ὄχος, -οχος), πλόκανον (: πλέκω, πλόκος), ὁρκάνη (: ὅρκος, ἕρκος) u.a. (Chantraine Form. 198, Schwyzer 489 f.); ähnlich ὄργανον neben -οργός, ὄργια, ἔοργα (ἔρξαι, ἔρδω), ἔργον; ob direkt vom Verb oder vermittels -οργός, ἔργον, steht dahin. Vgl. ἔργον u. ἔρδω. II-410-411
ὀργάς, -άδος f. s. ὀργή, ὀργάω. II-411
ὀργεών, -ῶνος m. s. ὄργια. II-411
ὀργή f. ‘seelischer Trieb, Sinnesart, Charakter, (heftige) Gemütsbewegung, Leidenschaft, Zorn’ (seit h. Cer. 205, Hes. Op.304; zur Bed. Marg Charakter 13 f., wozu Diller Gnomon 15, 597); als Hinterglied in ἄν-, δύσ-, εὔ-οργος (Kratin., S. u.a.), analogisch erweitert in ἀν-, δυσ-, εὐ-όργ-ητος (Hp., Gorg., Th. u.a.; vgl. ἄνο-ος : ἀνό-ητος u.a.) mit -ησία f. (Hp., E.), mit Umbiegung in die σ-Stämme z.B. περι-οργής (Th. u.a.). Davon ὀργ-ίλος ‘jähzornig’ (Hp., X., D., Arist. u.a.) mit -ιλότης f. (Arist., Plu.). — Daneben, wohl als Denominativum, ὀργάω, selten m. ἐξ- u.a., meist Präs. ‘von ernährender Feuchtigkeit und Saft strotzen, schwellen’ (vom Erdboden u. von Früchten), ‘von Lust und Begierde strotzen, erfüllt sein’ (von Männern), ‘heftig verlangen’ (ion. att.) mit Ableitungen: 1.νέ-οργος ‘neu erfrischt’ (γῆ, Thphr.; Rückbildung); 2. ἐξόργησις f. ‘heftiges Verlangen’ (Herm. in Phdr.); 3. ὀργητύς· ὀργή H.; 4. ὀργασμός f. ‘Orgasmus’ (Sch. Hp.), nach σπασμός u.a. —Außerdem von ὀργή im Sinn von ‘Zorn’ : 1. ὀργίζομαι ‘zürnen’, auch -ίζω ‘in Zorn versetzen’, nicht selten m. Präfix, z.B. συν-, δι-, ἐξ-, παρ-, περι-, (att.) mit παροργ-ισμός m., -ισμα n. ‘Anreizen zum Zorn, das Zürnen’ (LXX, Ep. Eph.); 2. ὀργαίνω ‘zornig machen, zürnen’ (S., E.). — Von ὀργάω (wenn nicht von ὀργή bzw. von einem älteren Wz.nomen, s.u.) auch ὀργάς, -άδος f. ‘üppig fruchtbarer Erdboden, Marschland, Au’ (att.); zur Bildung Schwyzer 508, Chantraine Form. 351 u. 356. — Mit ὀργή deckt sich formal genau aind. ūrjā́ f. ‘Nahrung, Kraftfülle’ (zum Lautlichen Schwyzer 363), das indessen aus älterem ū́rj- ‘ds.’ erweitert ist (Wack.-Debrunner II: 2, 260f.); die formale Identität von ὀργή und ūrjā́ ist somit sekundär. Semantisch paßt ūrj(ā́) weit besser zu ὀργάω, das die ursprüngliche konkrete Bedeutung bewahrt hat. Dieselbe Übertragung auf das seelische Gebiet wie ὀργή zeigt air. ferc f. ‘Zorn’ (idg. e). WP. 1, 289 m. Lit., Pok. 1169, Mayrhofer 1,116, Dehò Ist. Lomb. 91, 372f.; ältere Lit. auch bei Bq. — Nach Specht KZ 59, 80 "am nächsten zu ἔρδω"; für semantischen Einfluß von ἔργον auf ὀργή (S. Ant. 355) und ὀργάς usw. Tovar Emer. 10, 228ff. II-411
ὄργια n. pl. (selten -ιον sg.) ‘geheime religiöse Gebräuche, heiliger Geheimdienst’ (ion. att.); davon ὀργιάς, -άδος f. ‘zu den ὄ. gehörig, orgiastisch’ (Man.), ὀργιάζω, auch m. ἐξ-, συν- u.a. ’ὄ. feiern, in die ὄ. einweihen’ (E., Pl., Ph. usw.) mit ὀργιασ-μός m. ‘Feier der ὄ.’, -τής m. ‘Teilnehmer an d. ὄ.’ (Str., Plu. u.a.). -τικός ‘orgiastisch, leidenschaftlich’ (Arist.). Hierher noch ὀργεών, auch -(ε)ιών, -ῶνος m. ‘Mitglied einer religiösen Brüderschaft’ (h. Ap. 389, att.) mit ὀργεωνικός (Inschr. u.a. von ὄργια mit Ausmerzung des -ια nach den übrigen Nom. auf -εών (darüber Chantraine Form. 163 f., Schwyzer 521); die Ansetzung eines *ὄργος m. (Schwyzer a. O.) erübrigt sich. — Nach gewöhnlicher, wohl richtiger Annahme zu ἔργον, ἔρδω ("die heiligen δρώμενα" v. Wilamowitz Glaube 2, 70) mit o-Vokal wie in ὄργανον u. a. (s. d.); vgl. noch z. B. λόγιον (: λόγος, λέγω). Oder von ὀργή, ὀργάω? Chantraine Form. 55 erwägt wegen der Bed. fremden Ursprung. Zur Geschichte und Bedeutung von ὄργια s. N. M. H. van den Burg ’Απόρρητα, δρώ-μενα, ὄργια. Diss. Utrecht 1939. II-412
ὄργυια (att. Inschr. -υα), auch ὀρόγυια (Pi. u.a.), -ᾶς, -ῆς, pl. αί (vgl. unten) f. ‘Klafter’ (seit Ψ 327). Als Hinterglied neben regelmäßigem und gewöhnlichem -όργυιος (seit λ 312) auch δεκ-ώρυγος ‘zehn Klafter lang’ u.a. (X. Kyn. 2,5) mit komp. Dehnung und auffallender Metathese (vgl. -ώνυμος). Davon ὀργυι-αῖος (AP), -όεις (Nik.), ‘klafterlang, -breit’, -όομαι in (δι-, περι-)ωργυιωμένος ‘(klafterweit) ausgebreitet’ (Ktes., Hipparch., Lyk. u.a.). — Reduplikationsloses subst. Ptz. wie ἄγυια, ἅρπυια (s. dd. m. Lit.) u.a., von ὀρέγω (-ομαι? Fraenkel Glotta 32, 18) ‘(die Arme) ausstrecken’ mit von der Oxytonese bedingter Vokalsynkope (nicht Ablaut) : ὀρόγυια (aus *ὀρέγυια assim.?): ὀργυιᾶς, -αί; s. Schwyzer 255f., 381 u. 474 m. Lit., auch (zur Bed.) 541 A. 5. Laryngalistische Ablautsbetrachtungen bei Austin Lang. 17, 88. Ält. Lit. auch bei Bq und WP. 2, 363. II-412
ὄρδ<η>μα (<ι> od. <ω>?) · ἡ τολύπη τῶν ἐρίων, ὄρδικον· τὸν χιτωνίσκον. Πάριοι H. — Im Griech. isoliert; als Verbalnomen zu lat. ordior ‘anzetteln, anfangen’ usw.; s. WP. 1, 76, Pok. 60, W.-Hofmann s.v. m. Lit. (nach Fick u.a.). Dazu ὠρδυλεσά-μην· ἐμόχθησα H., von ὀρδυλεύω, *ὄρδυλος, -ύλη wie κόνδυλος, κορδύλη u.a.; vgl. τολυπεύειν, auch = μοχθεῖν. II-412
ὀρέγω, -ομαι, Aor. ὀρέξαι, -ασθαι, Fut. ὀρέξω, -ομαι (seit Il.), Pf. u. Plqu. Med. pl. ὀρωρέχαται, -το (Il.), ὤρεγμαι (Hp.), Aor. Pass. ὀρεχθῆναι (E., X., Hp. Ep. u.a.), ‘(die Hand) hinstrecken, darreichen, sich strecken, zu erreichen suchen’; zum hom. Gebrauch Trümpy Fachausdrücke 118f. Andere Präsensformen : 1. Ptz. ὀρεγ-νύς (Α 351, Χ 37), -νύμενος (AP, Mosch.); 2. ὀριγ-νάομαι (Hes. Sc. 190, Herod., Theok. u.a.), wozu die neugebildeten Aor. ὠριγν-ήθην (Antipho Soph., Isok.), Fut. -ήσομαι (D. C.); zu ι als Stammvokal vgl. κίρνημι (s. κεράννυμι m. Lit.). auch m. Präfix, bes. ἐπ-, Ableitungen: 1. ὀρεκτός ‘ausgestreckt’ (Β 543, Str.; dazu Ammann Μνήμης χάριν 1, 20) ‘erwünscht, ersehnt’ (Arist.) mit ὀρεκτ-εῖν· ἐπι-θυμεῖν, -ιῶν· ἐπιθυμῶν H.; ἀν-όρεκτος ‘ohne Verlangen nach, nicht erwünscht’ (Arist.; funktionell zu ὄρεξις) mit ἀνορ-εκτέω, -εξία (sp.). 2. ὄρεγμα n. ‘das Ausstrecken (z.B. der Hand, auch des Fußes), Schritt’, auch als Längenmaß (A. u. E. in lyr., Arist., Tab. Heracl. u. a.). 3. ὄρεξις f. ‘Verlangen, Begierde’ (Demokr., Arist. u.a.; Holt Les noms d’action en -σις 126) mit ὀρεκτικός ‘zum Verlangen geneigt, hinstrebend’ (Arist., Arr.), ‘den Appetit weckend’ (Dsk.). 4. ὀρέγ-δην ‘durch Ausstrecken’ (Sch., H.). — Zu ὄργυια s. bes. — Bis auf das anl. ὀ-, das wegen der o-Farbe eher Präfix wie in ὀ-κέλλω als Prothese sein dürfte (anders Schwyzer 411), deckt sich ὀρέγω als themat. Wz.-präsens mit lat. regō ‘geraderichten, lenken, richten, herrschen’ und air. rigim ‘strecke aus’ ebenso stimmen, von der Vokalquantität abgesehen, ὀρέξαι zu lat. rēxī und ὀρεκτός zu rēctus (ē kann hier sekundäre Dehnung sein), wozu noch germ., z.B. got. raíhts ‘recht’, aw. rā̆šta- ‘gerichtet, geordnet, gerade’; wegen der Produktivität der betreffenden Formkategorien sind indessen die beiden letztgenannten Gleichungen, vielleicht auch ὀρέγω = regō = rigim, auf parallele Neubildungen zurückzuführen. Genetisch unabhängig voneinander sind ebenfalls die formal übereinstimmenden ὄρεγμα, aw. rasman- m. n. ‘Schlachtreihe’, lat. reg-i-men n. ‘Leitung’. Ob alter Zusammenhang besteht zwischen den vereinzelt belegten Ptz. ὀρεγ-νύς, -νύμενος und dem aw. Adj. raš-nu- ‘gerecht’ ist mehr als ungewiß; das Präsens ὀριγ-νάομαι mit suffigiertem Nasal liegt von dem nasalinfigierten aind. r̥-ñ-játi ‘streckt sich, eilt’ ziemlich weit ab. Die vorliegende Wortsippe umfaßt eine sehr reiche und bunte Formenreihe mit verschiedenen Präsensbildungen und Verbalnomina, die für die Beurteilung des ausgeglichenen und sehr regelmäßigen griechischen Systems (zu ὀρωρέχαται, -το s. Schwyzer 771) nicht in Frage kommen. — WP. 2, 362ff., Pok. 854ff., W.-Hofmann s. regō, überall m. weiteren Formen und reicher Lit.; Ernout-Meillet s. rĕgō mit sehr wichtigen Bemerkungen; dazu noch Gonda KZ 73, 151 ff. — Vgl. ἀρήγω. II-412-413
ὀρε(ι)ᾶνες m. pl., nach Plu. 2, 406 e = ἄνδρες in der Orakelsprache des pythischen Apollon; vgl. ὀρείονες· ἄνδρες H. — Bildung wie ’Ακαρνᾶνες u.a., sonst dunkles Berufswort (vgl. Schwyzer 40 A. 2). Nach Güntert Götter und Geister 122f. zu ἄρσην usw. (?). II-413-414
ὀρέοντο ‘sie regten sich, eilten’ (Β 398, Ψ212). — Wenn nicht dichterische Freiheit für ὄροντο, am ehesten mit Bechtel Lex. s.v. ein Intensivum zu ἔρετο· ὡρμήθη mit dem Aor. ἔρσῃ· ὁρμήσῃ H. (s. ἐρέθω). Weiteres s. ὄρνυμι. II-414
ὀρεσκῷος (A 268, ι 155, Hes.Fr. 79, 5), ὀρεσκόος (A., E.) ‘in den Bergen hausend’. — Zusammenbildung von ὄρος (s.d.) und κεῖμαι mit ο-Abtönung (vgl. z.B. δορυ-σσόος zu σείω); die unregelmäßige Länge (vgl. aind. -śay-á- ‘liegend’) ist wahrscheinlich metr. bedingt, das Jota analogisch nach κοῖ-τος u.a. Bechtel Lex. s.v. will mit Fick -οι- für -ῳ- schreiben; s. noch Schwyzer 450 A. 4 und 679 A. 4 m. Lit. Eine Neubildung (nach den Adj. auf -ιος) ist ὀρέσκιος Bein. des Dionysos (AP), ebenso ὀρεσκεύω ‘in Bergen wohnen’ (Nik.). II-414
ὀρεσχάς, -άδος f. ‘Weinrebe mit Trauben’, = ὄσχη, -ος (ὤσ-) Harp., H. — Hypothese von Strömberg Wortstudien 53f.: aus *ὀρ-οσχάς als Kreuzung von ὄρμενος und ὄσχη mit ε < ο. II-414
ὀρεύς, ion. οὐρεύς m. (f.) ‘Maulesel’, für echtatt. ἡμίονος (Il., Ar., Arist. u.a.) Als Vorderglied in ὀρεω-κόμος m. ‘Mauleseltreiber’ (att.) u.a. mit ὀρικός ‘zum Maulesel gehörig’ (Is., Aeschin. u.a.). — Von ὅρος, ion. οὖρος ‘Grenze’, eig. *’Furche’; somit eig. "Furchenzieher" (Schulze Q. 407 A. 3, Bechtel Lex.261f.). Der Spir. lenis des nicht echtatt. ὀρεύς kann durch sekundäre Beziehung auf ὄρος erklärt werden, s. Bosshardt ̨ 65 (vgl. noch Chantraine Form. 126); zur Psilose noch Chantraine Gramm. hom. 1, 185. II-414
ὀρεχθέω expressives ep. poet. Verb unklarer Bed., bei Hom. von βόες σφαζόμενοι (Ψ 30), seit alters gewöhnlich als ‘röcheln’ erklärt, bei Theok. vom Meer (θάλασσαν ... ὀρεχθεῖν 11, 43) ‘anbrausen, branden’, aber bei Ar. (Nu. 1368), A R. (1, 275), Opp. (H. 2, 583) vom zuckenden Herz (καρδία, κέαρ), ähnlich von θυμός (A. R. 2, 49); danach bei Nik. (Al. 340) von der κύστις und, ganz dunkel, beim Tragiker Aristias (6; Va) von πέδον. — Die akustische Bed., bei Theok. unverkennbar, bei Hom. sehr naheliegend, ist an den übrigen Stellen (von Aristias wird besser abgesehen) nicht möglich. Die hier bis auf Nik. erforderte Wiedergabe durch ‘zucken, zittern, beben’ paßt tatsächlich auch ebenso gut wie ‘röcheln’ für Ψ 30. Eine einheitliche Bed. ließe sich somit wiederherstellen, wenn man Theok. 11, 43 als einen Niederschlag der herkömmlichen aber falschen Interpretation von Ψ 30 betrachten dürfte. — Auch etymologisch undurchsichtig. Die uralte Anknüpfung an ῥοχθέω ‘rauschen, brausen’ ist formal schwierig, erklärt außerdem bei weitem nicht alle Stellen, die ebenfalls alte Verbindung mit ὀρέγω (mit θ-Erweiterung [Schwyzer 703], evtl. über ein θ-Perf. *ὤρεχ-θα [Risch ̨ 111 a]) semantisch ziemlich nichtssagend. II-414-415
ὀρθαγορίσκος m. ‘Spanferkel’ (Ath., H.), auch als Fischname (Plin.; wegen des grunzenden Lautes, Strömberg Fischn. 69); daneben βορθαγορίσκια· χοίρεα κρέα. καὶ μικροὶ χοῖροι βορθα-γορίσκοι (-θάκεοι cod.). Λάκωνες H. — Nach mehreren Gewährsmännern bei Ath. 4, 140b für *ὀρθραγορίσκος, "ἐπεὶ πρὸς τὸν ὄρθρον πιπράσκονται" (wörtlich ‘der seinen Markt in der Frühe hat’), eine Benennung, die Bechtel Dial. 2, 328 mit Recht auffallend findet, jedoch als unbezweifelbar betrachtet; der Name sei ein Scherzwort. Nach Pisani Paideia 13, 143 dagegen von den Lakedaimoniern mit boshafter Anspielung auf ’Ορθαγόρας, den ersten Tyrannen in Sikyon, geschaffen; daraus volksetymologisch ὀρθρ-. Erwägenswert. II-415
ὀρθός ‘aufrecht, gerade, richtig, wahr’ (seit Il.). Als Vorderglied in zahlreichen Kompp., z.B. ὀρθό-κραιρα s. κραῖρα, ὀρθό-μαντις, -πολις (Pi.; Sommer Nominalkomp. 184 u. 174), ὀρθο-στά-της m. ‘aufrechtstehende Säule usw.’ (att. Inschr., E. u.a.; Fraenkel Nom. ag. 1, 49 u. 200); vereinzelt als Hinterglied, z.B. ἔξ-ορθος ‘aufrecht’ (Ath.), Rückbildung aus ἐξ-ορθόω (PL u.a.). Ableitungen: 1. ὄρθ-ιος (-ιο- formal erweiternd) ‘aufrecht, steil, in die Höhe gehend, hell, laut, in Kolonnen geordnet’ (seit Λ 11; zum Bed.-Unterschied gegenüber ὀρθός Chantraine Form. 37) mit ὀρθ-ίαξ m. (-ίας H.) m. ‘der niedere Teil des Mastes’ (Epich.), -ιάζω ‘laut schreien’ (A.), -ιάσματα pl. ‘hohe Töne’ (Ar.), auch ‘aufrichten’ (APl.), -ίασις f. ‘erectio’ (Mediz.); -ιάω = -όω (Gloss., Sch.). 2. ὀρθ-ηλός ‘hoch, auf- recht’ (hell. Inschr. u.a.; nach ὑψηλός), auch -ηρός ‘ds.’ (Pap. Ia), 3. ὀρθέσιον· ὄρθιον, μακρόν, ὀξύ, μέγα H. (vgl. θεσπέσιος u.a.). 4. ’Ορθάννης (Pl. Kom., Inschr. u.a.), -ν-(Phot., H.) m. N. eines Priapus-ähnlichen Dämons (-νν- hypokor. Gemination; vgl. ’Εργ-άνη u.a.). 5. ὀρθότης f. ‘aufrechte, gerade Stellung, Richtigkeit’ (ion. att.); -οσύνη f. ‘Geradheit’ (Demokr.; Wyss 62). 6. Denominative Verba: a) ὀρθόω, -ῶσαι, oft m. Präfix, bes. δι-, κατ-, ἀν-, ‘aufrichten, gerade machen, verbessern, glücklich vollbringen’ (seit Il.) mit (δι-, κατ-, ἀν- )όρθωσις f. ‘das Aufrichten usw.’ (Hp., Arist. usw.), δι-, κατ-, ἀπ-όρθωμα n. ‘(Werkzeug zum) Aufrichten, rechte Tat usw.’ (Hp., Arist. usw.), δι-, κατ-ορθωτής m. ‘Verbesserer usw.’ (LXX), ὀρθωτήρ m. ‘Aufrichter, Erhalter’ (Pi.), δι-, κατ-ορθωτικός ‘verbessernd, erfolgreich’ (Arist. u.a.); b) (δι-)ορθεύω = (δι-)ορθόω (E.). 7. Beinamen der Artemis: (ϝ)ορθαία (ϝωρ-, -θεία, -θέα, -θία) f. (lak. u. arkad. Inschr. seit VIa, X., Plu.); ϝορθασία (lak. u. ark. Inschr. seit Va), ὀρθωσία (Pi., Hdt., meg. Inschr. u.a.); s. Kretschmer Glotta 30, 155f. (m. sehr fraglicher Erklärung; vgl. dazu v. Wilamowitz Glaube 1, 183, Nilsson Gr. Rel. 1, 487ff.), Risch Mus.Helv. 11, 29 A. 41 m. Lit.; entsprechend venet. Reitia (Haas Sprache 2, 224). — Seit lange wird ὀρθός aus *ϝορθϝός (vgl. βορσόν· σταρόν. ’Ηλεῖοι H.) mit aind. ūrdhvá- ‘aufgerichtet, hoch’ identifiziert; die lautlichen Umstände sind indessen umstritten und mehrfach diskutiert worden, s. Schwyzer 363 m. Lit. u. 301, auch WP. 1, 289f. (Pok. 1167); vgl. bes. ὀργ-ή : ūrj-ā́; ūrdhvá- für *ūrdhá- nach r̥ṣvá- ‘hoch’ ? (Otrębski Ling. Posn. 5, 175). Lat. arduus ‘hoch, steil’, air. ard ‘hoch, groß’ ebenso wie aw. ərədva- ‘hoch’ sind mehrdeutig (s. W.-Hofmann s.v.); wenigstens die lat. u. kelt. Wörter dürften anderswo unterzubringen sein (WP. 1, 148f., Pok. 339). Das altererbte ὀρθός = ūrdhvá- gehört zu einem Verb, das in aind. várdhati ‘erheben, wachsen machen’ und in aw. varəd- ‘ds.’ noch erhalten ist. Aus den übrigen idg. Sprachen, insbes. aus dem Baltoslav. und dem Germ., sind mehrere isolierte Verbalnomina und anders gebildete Verbalformen herangezogen worden; s. die angef. Lit. und Bq s. v.; vgl. auch zu ὄρθρος. II-415-416
ὄρθρος m. ‘Zeit vor Tagesanbruch, die Zeit des Hahnenschreis, erste Morgendämmerung’, später ‘der beginnende Tag, Morgen’ (seit h.Merc. 98, Hes. Op. 577; zur Bed. Wackernagel Unt. 193). Vereinzelte Kompp., z.B. ὀρθρο-βόας m. "Dämmerungsrufer", Ben. des Hahns (AP u.a.; vgl. zu ἠϊ-κανός), τὸ περί-ορθρον ‘Morgendämmerung’ (Th., Hdn.). Davon 1. die Adj. ὄρθρ-ιος ‘zum ὄ. gehörig, am ὄ. eintreffend’ (seit h. Merc. 143), ’Ορθρία f. N. einer Göttin (Schwenn RhM 86, 298); -ινός ‘ds.’ (Arat., LXX, AP, vgl. ἑωθ-ινός u.a.), -ίδιος ‘ds.’ (AP: ἀΐδιος u.a.); Steigerungsformen ὀρθριαί-τερος, τατος (Hdn.), Adv. auch ὀρθρί-τερον (Pap.) nach πρωΐ-, ὀψί-τερον (Schwyzer 534, Radermacher Festschr. Kretschmer 154ff.). 2. Verha: a) ὀρθρ-εύω, -ομαι ‘in der Morgenfrühe schlaflos sein, wach sein’ (E., Theok.) mit der Rückbildung Ὄρθρος m. N. eines mythischen Hundes (Hes. Th. 309; Kretschmer Glotta 13, 270), mit ἐπ- auch ‘früh aufsein’ (D. Chr., Luk. u.a.); b) -ίζω ‘ds.’ (LXX, Ev. Luk.) mit (ἑπ-)ορθρισμός m. (Aq, Plu.). — Schon die Bed. ‘Zeit vor Tagesanbruch, erste Morgendämmerung’ ist der älteren Anknüpfung an lat. (sol) oriens, ortus m. ‘Aufgang (eines Gestirns)’ nicht ganz günstig; wenn ϝορθ-αγορίσκος für *ϝορθρ- steht (vgl. s.v.), fällt diese Erklärung endgültig aus. Dann reiht sich ὄρθρος besser an ὀρθός u. Verw., wobei insbes. die slavischen Vertreter, z.B. aksl. ranъ ‘ὄρθριος’ russ. ráno ‘früh’ zu bemerken sind. Der anzunehmende Suffixwechsel in ranъ aus *u̯rōdh-no- und ὄρθ-ρος kann dabei auf einen alten Stammwechsel n : r zurückgehen. Somit wäre ὄρθρος eig. "das Heranwachsen (des Tageslichts)" nach dem Mitternachtsdunkel, was unzweifelhaft dem urspr. Gebrauch von ὄρθρος besser gerecht wird. — Lit. s. zu ὀρθός (nach J. Schmidt KZ 33. 456f., Lidén GHÅ 5 [1899] 23f. u. a.); Benveniste Origines 19. II-416-417
ὀρΐγανον -ος f. (auch ὀρεί- geschr.; ἐριγ- Pap. IIa) n., N. eines scharf od. bitter schmeckenden Krauts, ‘Wohlgemut, Dosten, orīganum’ (Epich., Hp., Ar., Arist. usw.); mit determinierenden Vorderglied ἀγρι- ~ (Dsk.; vgl. Risch IF 59,257), τραγ- ~ (Nik., Dsk. usw.; vgl. Strömberg Pfl.namen 61 und Andrews ClassPhil. 56, 74f.). Davon ὀριγαν-ίς (-ις) f. = μᾶρον (Art Salbei, Ps.-Dsk. u.a.), -ίτης (οἶνος) ‘mit ὀ. gewürzter Wein’ (Dsk. u.a.; Redard 98), -όεις ‘zu ὀ. gehörig’ (Nik.), -ίων m. N. eines Froschs (Batr.), -ίζω ‘dem ὀ. ähnlich sein’ (Dsk.). — Unerklärtes Fremdwort; das Origanum stammt aus Nordafrika. Volksetymologisch an ὄρος und γάνος angeschlossen; nicht besser Carnoy REGr. 71, 97f. (zu ῥῖγος). II-417
ὀρίνδης (ἄρτος) m. ‘Brot aus Reismehl’ (S. Fr. 609 aus Ath. 3, 110e Poll. 6, 73), ὀρίνδιον σπέρμα (Poll.); ὀρίνδα· ἥν οἱ πολλοὶ ὄρυζαν καλοῦσι (Phryn. PS 93). — Westiran. LW, vgl. npers. birinǰ, arm. brinj (aus dem Iran.); dazu Pisani Riv. stud. or. 18, 95 f. Zu ὀρ- für iran. wr- Schwyzer 313 m. A. 2. Weiteres s. ὄρυζα. Nach Ath. und Poll. a.a.O. wäre ὀρίνδης äthiopisch. II-417
ὀρίνω, -ομαι (lesb. ὀρίννω nur Hdn., -ν- Alk.; s. Hamm Gramm. 36 u. 131 m. A. 313), Aor. ὀρῖναι, -ασθαι, Pass. ὀρινθῆναι, ‘erregen, aufregen’ (ep. poet. seit Il.); auch m. συν-, ἐξ-, ἀν- u.a. ὀρίντης m. ‘Erreger’ (Theognost.). — Das Präsens ὀρί̄νω, wovon sekundär die übrigen Formen, kann entweder für *ὀρι-ν-ι̯ω (kombin. Nasal- u. Jotpräsens wie κλίνω; Brugmann Grundr 2. II:3, 333) oder für *ὀρῑ-νϝ-ω (themat. umgebildetes νυ-Prasens; Schwyzer 698) stehen; weitere Analyse unsicher. Zweisilbiges ori- findet sich noch in arm. Ipv. ari ‘stehe auf’, Aor. y-are-ay (< -ari-) ‘ich stand auf’ ebenso wie in lat. ori-tur, orī-gō (die aber auch anders erklärt werden können); ganz unsicher ’Οριϝων korinth. Pferdename (Fraenkel Gnomon 22, 238). Wenn man ὀ- entfernt, kann man zu einer "Reduktionsstufe" rī̆- gelangen mit sehr weiten Anknüpfungsmöglichkeiten, u.a. lat. rīvus m. ‘Bach’ (s. W.-Hofmann s.v.); alles auf er-. (e)r-ei-, (e)r-eu- usw. ‘(sich) in Bewegung setzen’ zurück- geführt (WP. 1, 136ff., Pok. 326ff.), ebenso allumfassend wie unbefriedigend. — Vgl. ὄρνυμι. II-417-418
ὅρκος m. ‘Eid’ (seit Il.), ‘Schwurgegenstand’, urspr. vom Wasser des Styx (Β 755, Hes., h. Cer. 259). Kompp., z.B. ὁρκ-ωμότης m. ‘der einen Eid schwört’ (ark., lokr. Inschr. VI—Va) mit ὁρκωμοτ-έω ‘einen Eid schwören’ (Trag. u.a.), Zusammenbildung aus ὅρκον ὀμόσαι mit τη-Suffix; εὔ-ορκος ‘richtig schwörend, seinem Eide treu’ (seit Hes.) mit εὐορκ-έω, ἔν-ορκος ‘eidlich verpflichtet’ (att. usw.) mit ἐνορκ-ίζομαι ‘eidlich verpflichten’; aber ἔξορκος ‘geschworen’ (Pi.) Rückbildung aus ἐξ-ορκόω, -ορκίζω; zu ἐπί-ορκος s. bes.; πεντορκ-ία f. "Fünfeidesleistung", ‘Schwur bei fünf Göttern’ (lokr. Va), Zusammenbildung mit ία-Suffix. — Formal schließt sich ὅρκος ungesucht an ἕρκος ‘Gehege’ (so schon Eust. u. EM); es wäre somit eig. s.v.a. "Schranken, die man sich auferlegt" (Solmsen KZ 32, 275), "Einschränkung, Band, Verpflichtung"; eine solche Bed. ist tatsächlich in ὅρκοι· δεσμοὶ σφραγῖδος H. vorhanden; vgl. noch ὁρκάνη. Eine überzeugende Begründung steht indessen noch aus. Verschiedene Versuche von Schroeder (bei WP. 2, 528) : ὅρκος eig. "das Festmachen" neben ἕρκος "Verpfählung"; von Luther "Wahrheit" und "Lüge" 90ff. (s. auch Weltansicht und Geistesleben 86 ff.): ὅρκος eig. eine magische Kraft, die den Schwörenden einhegt (*ἕρκει); von Bollack REGr. 71, 1ff. : ὅρκος urspr. = Στύξ, als weltumfassendes Gehege (μέγας ὅρκος) aufgefaßt; s. noch Hiersche ebd. 35 ff. — Neue Etymologie von Leumann Hom. Wörter 91 f.: ὅρκος = lat. *sorcus od. *surcus in surculus ‘Zweig’ (anders über surculus [:surus ‘Zweig’] z.B. W.-Hofmann s.v.); also eig. ‘der Stab, der bei einer Eidesleistung erhoben wird’; ὄμνυμι ‘schwören’ eig. *’ergreifen’; ὅρκον ὀμόσαι ‘den Stab ergreifen’ (θεοὺς ὀμόσαι Nachbildung). Kritik bei Luther, Bollack u. Hiersche a.a.O.; vgl. noch die Lit. zu ὄμνυμι. Weiteres s. ἕρκος. Ableitungen: 1. ὅρκια pl., selten -ιον n. ‘Schwurgegenstände, Eidesunterpfände, Eidopfertiere, Eid, feierlicher Vertrag’ (seit Il.), ὅρκιος ‘zum Eid gehörig, beim Eid angerufen, Eideshort’ (att., Leg. Gort.). 2. ὁρκικός ‘zum Eid gehörig’ (Stoik.). 3. ὁρκόω, -ῶσαι, oft m. ἐξ-, ‘schwören lassen, vereidigen’ (ion. att.) mit ὁρκώματα pl. ‘Eide’ (A.), ὁρκωτής m. ‘der schwören läßt, Vereidiger’ (att.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 199 f.), ἐξόρκω-σις f. ‘Vereidigung Beschwörung’ (Hdt., J.). 4. ὁρκίζω, -ίσαι, dor. Fut. ὁρκιξεω (delph.), auch m. δι-, ἐξ-, ‘schwören lassen, beeidigen, beschwören’ (ion., X., D., hell. u. sp., auch dor., s. Fraenkel Denom. 86 u. 147) mit ὁρκίσματα pl. ‘Beschwörungen’ (Megara I—IIp), (δι-, ἐξ-)-ὁρκισμός m. ‘Vereidigung, Beschwörung’ (LXX, Plb.), ἐξορκισ-τής m. ‘Beschwörer’ (Act Ap. u.a.). 5. ὁρκίλλομαι ‘umsonst schwören’ (Phot.), wie von demin.-pejor. *ὁρκίλος. 6. -ορκέω nur in Abl. von Kompp. mit Analogiebildungen: εὐορκ-έω (mit εὐορκ-ία) von εὔ-ορκος(s.ob.), ψευδορκ-έω von ψεύδ-ορκος (Risch IF 59, 258), wozu ἐμπεδ-, ἀληθ-, δυσ-, παρ-ορκέω u.a.; zu ἐπι-ορκέω s. bes. — Für sich steht, mit ganz abweichender Bed. ὁρκάνη f. ‘Umzäunung’ (A. in lyr., E. in troch.) neben spätem ἑρκάνη wie ’Οργάνη neben ’Εργάνη (s. zu ὄργανον und ἔργον); dazu noch Ὅρκατος ON (Kalymna IIa), s. Fraenkel Nom. ag. 1, 147. II-418-419
ὅρκῡς, -ῡνος (mittl. Kom., Arist. u.a.), später ὅρκῡνος (Dorio u. Hikes. [Ia] bei Ath. u.a.) m. ‘Thunfisch’; ὁρκυνεῖον n. Bed. unsicher (Halikarn. Va). Zur Stammbildung Schwyzer 458 u. 488 m. Lit. Daneben ὁρκύαλος ‘ds.’ (v.l. Xenokr. ap. Orib.) wie φύσαλος u.a. (Strömberg Fischn. 127 f.). — Unerklärtes LW; vgl. Thompson Fishes s.v. II-419
ὄρμενος (ὅρ-) m., pl. auch -α ‘Schoß, Stiel, Stengel, bes. des Kohls und des Spargels’ (Diph. Siph. u. Posidipp. [IIIa] bei Ath. u.a.); ὀρμενόεις ‘mit (langem) Stengel’ (Nik.); ἐξ-ορμενίζω ‘ὄρμενα ἐκβάλλειν, Schosse aussenden’ (S. Ichn. 275 [unsicher], Nikostr. Kom., Phryn., Poll.). — Mit dem Ptz. Aor. von ὄρνυμι formal identisch, was auch semantisch möglich ist; vgl. ἔρνος. S. indessen auch ὀρόδαμνος. II-419
ὁρμή f. ‘Anlauf, Angriff, Ansturm, Aufbruch, Streben’ (seit Il.). Als scheinbares Hinterglied in ἐφορμή ‘Anlauf, Angriff’ (χ 130, Th. u.a.), ἀφορμή ‘Ausgangspunkt, Hilfsmittel usw.’ (ion. att.), Rückbildungen aus ἐφ-, ἀφ-ορμάω (vgl. Chantraine Form. 149). Davon zwei Denominativa : 1. ὁρμαίνω, -ῆναι vereinzelt m. ἐφ-, ὑπερ-, ‘hin- und hersinnen, überlegen’ (ep. poet. seit Il.; zur Bed. gegenüber μερμηρίζω u. a. Chr. Voigt Überlegung und Entscheidung. Berlin-Chbg. 1934), ‘in heftige Bewegung setzen, eifrig sein’ (A., Pi., B. u.a.); dazu ὁρμανόν· ἀνεστηκός, χαλεπόν H. ?; analogisch ὁρμάστειρα f. ‘Antreiberin’ (Orph. H.) wie θερμάστρα u.a. neben θερμαίνω. 2. ὁρμάω -ῆσαι, oft m. Präfix, bes. ἀφ-, ἐφ-, παρ-, ἐξ-, ‘antreiben, erregen’, intr. (auch Med.) ‘sich rasch erheben, anstürmen, aufbrechen, beginnen’ (seit Il.) mit ὁρμήματα pl. ‘Aufbruch’ (Β 356 = 590; vgl. Porzig Satzinhalte 184f.), (παρ-)όρμημα n. ‘Antrieb, An- lauf’ (LXX, Epikur. usw.), (παρ-, ἐφ-, ἐξ-)όρμησις f. ‘Anspornung, Aufforderung, Angriff, Eifer’ (X., Plb. usw.); ὁρμ-ητήριον, dor. -ᾶτήριον n. ‘Stützpunkt, Operationsbasis’ (att., kret. III—IIa), -ητής m. ‘Antreiber’ (Philostr. Iun.), -ητίας m. ‘ds.’ (Eust.), (ἐφ-, ἀφ-, παρ-, ἐξ-)ορμητικός ‘angreifend, begehrend, eifrig u.a.’ (Ti. Lokr., Arist. usw.); Rückbildung ἄφορμος ‘aufbrechend, abreisend’ (S.). — Seit Pott u.a. (s. Curtius 347), wohl richtig, mit aind. sárma- m. ‘das Fließen, Strömen’ (nur RV 1, 80, 5) verglichen (idg. *sór-mo- : *sor-mā́), von einem Verb aind. sí-sar-ti, sár-ati ‘fließen, strömen’, auch ‘eilen, jagen usw.’, formal ausgezeichnet (vgl. Porzig 283 f.), begrifflich gewiß möglich. Eine wenigstens ebensogut denkbare Anknüpfung innerhalb des Griech. bietet sonst ὄρνυμι ‘erregen’ (Sommer Lautst. 133 m. A.1; vgl. Chantraine Form. 149 f.); zum Asper s. ἅρμα. —Schwierig zu beurteilen ist ἑρμή· ἔξοδος H. mit der Nebenform ἐρίμη ‘ds.’; voreilige Schlüsse bei Specht Ursprung 164 nach Fick KZ 43, 132. II-419-420
ὅρμῑνον -ος (auch -μῖν-) m. n., ‘Art Salbei, Salvia Horminum’ (Thphr. u.a.). — Bildung wie σέλῑνον, κύμῑνον, καρδαμί̄νη, βολβί̄νη u.a. (Chantraine Form. 204, Schwyzer 491), somit entweder wie die beiden erstgenannten LW, oder von ὅρμος, was semantisch zu begründen bleibt, oder allenfalls mit Strömberg Pflanzennamen 93 von ὁρμή ‘Anlauf, Antrieb’, weil die Pflanze als sexuelles Reizmittel gebraucht wurde. Wertlose Wurzeletymologie von Holthausen IF 25, 153: als Heilkraut (salvia : salvus) zu aw. haraiti ‘hat acht, schützt’ (idg. *sér-eti) usw.; weitere Verwandte bei WP. 2, 498f., Pok. 910, W.-Hofmann s. servō (s. auch zu Ἥρα, ἥρως). II-420
ὅρμος 1. m. ‘Kette, Halsband, Schnur’ (vorw. ep. poet. seit Σ 401), N. eines Reigentanzes (Luk.). Davon 1. das Demin. ὁρμ-ίσκος m. ‘kleines Halsband’ (att. Inschr., LXX u.a.), ‘Siegelschnur’ (LXX, J.) mit -ίσκιον N. eines Edelstein (Plin.); 2. -ιά f. ‘Angelschnur’ (Pl. Kom., Antiph., Arist. usw.; Scheller Oxytonierung 74), -ια-τόνος m. ‘Angler’ (E. Hel. 1615); 3. -αθός m. ‘Reihe, Kette’ (ω 8, Ar., Pl. usw.; zur Bildung Chantraine Form. 367 u. Fraenkel Nom. ag. 1, 176 m. A. 3) mit -άθιον (Gal.), -αθίζω ‘auf eine Schnur reihen’ (II., Suid.). 4. ὑφ-όρμ-ιον n. nach Ael. Dion. Fr. 417 παρὰ τοῖς παλαιοῖς χρυσοῦν τι κοσμάριον. — Alte Ableitung mit regelmäßiger ο-Abtönung (Schwyzer 492) von 1. εἴρω ‘reihen’, s.d. II-420
ὅρμος 2. m. ‘Ankerplatz, Reede, Hafen’, auch übertr. (seit Il.). Kompp., z.B. ὁρμο-φύλαξ ‘Hafenwächter’ (Pap.); öfter als Hinterglied, z.B. πάν-ορμος ‘allen (Schiffen) Ankerplatz bie- tend’ (λιμένες, ν 195), mehrfach als ON (Sizilien u. a.), δύσ-ορμος ‘mit schlechtem Hafen, unwirtlich’ (A., X.); oft m. Präposition, z.T. als Rückbildungen von den entsprechenden Verben: ἔξ-ορμος ‘aussegelnd’ (E. in lyr.: ἐξ-ορμέω; Strömberg Prefix Studies 58), ὕφ-ορμος ‘vor Anker liegend, zum Ankern passend’ (Ph., Str.), auch Subst. m. ‘Ankerplatz’ (Arist., Str.: ὑφ-ορμέω), πρόσ-ορμος m. ‘ds.’ (Str.: πρόσ-ορμέω, -ορμίζω). Davon zwei Denominativa. 1. ὁρμέω, auch m. ἐφ-, ἐξ-, ὑφ- u.a., ‘(im Hafen) vor Anker liegen’ (ion. att.) mit ἐφόρμησις f. und (als Rückbildung) ἔφορμος m. ‘das Vorankerliegen, Blockade’ (Th.). 2. ὁρμίζω, -ομαι, Aor. -ίσαι, -ίσασθαι, oft m. Präfix, z.B. ἐν-, προσ-, καθ-, μεθ-, ‘in den Ankerplatz od. Hafen bringen bzw. einlaufen, (sich) vor Anker legen’ (seit Il.) mit (προσ- u.a.) όρμισις f. ‘das Vorankerbringen, -gehen’ (Th.u.a.), (ἐν-)όρμισμα n. ‘das Ankern, Ankerplatz’ (App. u. a.), προσορμισμός m. ‘das Vorankergehen’ (Sch.), προσορμιστήριον H. als Erklärung von ἐπίνειον (cod. ἐπήνιον), ὁρμιστηρία f. ‘Seil zum Verankern, zum Festmachen’ (Ph., D. S.), ὁρμίστρια f. "die Verankererin" Bein. d. Isis (Pap. IIp). — Ohne sichere Etymologie. Oft mit ὁρμή verbunden, aber mit verschiedenen Begründungen: eig. "Auslauf, Ausgangspunkt" (Fick GGA 1894, 242); "a place where ships may ride at anchor" = aind. sárma- m. ‘das Fließen’ (Word ClassPhil. 3, 77), "luogo dove si getta l’ancora" (Bolelli Stud. itfilcl. 24 [1950] 104). Bq und Hofmann Et.Wb. erwägen dafür, semantisch ebenfalls etwas geschraubt, Anschluß an εἴρω ‘reihen, anfügen’ ("attacher"); somit eig. "attachement, Festmachung" (dagegen Porzig Satzinhalte 262) und mit ὅρμος ‘Kette’ im Grunde identisch. Anstatt mit dem abstrakten Begriff ‘Festmachung’ zu operieren, wäre es aber dann geratener, ὅρμος ‘Ankerplatz’ als Metonymie aus ὅρμος ‘(Anker)-kette’ zu erklären; vgl. AP 9, 296 : τὸν ἀπ’ ἀγκύρης ὅρμον ἔκειρε. — Oder zu ἕρματα ‘Stützsteine’ (ebenfalls unklar) ? II-420-421
ὄρνεον n. ‘Vogel’ (seit Ν 64). Einige sp. Kompp., z.B. ὀρνεο-θρευτική f. ‘Vogelfängerkunst’ (Ath.). Davon ὀρνε-ώδης ‘vogelähnlich’ (Plu.), -ώτης m. ‘Vogelfänger’ (Poll.), -ακός ‘die Vögel betreffend’ (Tz.), -άζομαι ‘zwitschern’ (Aq.), ‘den Kopf hoch tragen’ ("nach den Vögeln schauen", Kom. Adesp.). —Daneben ὄρνῑ̆ς, -ῑθος usw. (seit Il.), Akk. sg. auch -ιν, pl. auch -εις, -ῑς (Trag., D. usw.), dor. -ῑχος usw. (Pi., Alkm., B., Theok., Kyrene u.a.), Dat. pl. -ίχεσσι und -ιξι, wozu Nom. sg. -ιξ, Gen. pl. -ίκων (hell. Pap.) m. f. ‘Vogel, Weissagevogel’, jung- att. bes. ‘Huhn, Hahn’ (Wackernagel Unt. 165 m. A.1). Oft als Vorderglied, z.B. ὀρνιθο-θήρας m. ‘Vogelfänger’ (Ar., Arist. u.a.; Fraenkel Nom. ag. 2, 93 u. 99), ὀρνιχο-λόχος m. ‘ds.’ (Pi.). Auch als Hinterglied, z.B. δύσ-ορνις ‘unter ungünstigen Vorbedeutungen’ (A. u. E. in lyr., Plu.), πολυ-όρνιθος ‘vogelreich’ (E. in lyr.). Zahlreiche Abl. : 1. Deminutiva ὀρνίθ-ιον (ion. att.), -άριον (Kom., Arist. u.a.), auch ὀρν-ύφιον (von ὄρνεον?; Thphr., Dsk. u.a.). Sonstige Subst. 2. -ᾶς, -ᾶ m. ‘Geflügelhändler’ (Pap.II—VIp; Schwyzer 461 m. Lit.); 3. -ίαι m. pl. "Vogelwinde", die die Zugvögel bringen (ion., Arist. u.a.), χειμὼν -ίας (Ar.); vgl. ἐτησίαι u.a. (Chantraine Form. 95); -ίας m. ‘Vogelhändler’ (Lib.); -ίων m. PN (att.); 4. -ών, -ῶνος m. ‘Hühnerstall’ (Inschr., Pap.); 5. -ία f. ‘Ver- giftung durch Vogelmist’ (Hippiatr.; Scheller Oxytenierung 44). Adj. 6. -ειος ‘vom Vogel, vom Huhn’ (att.); 7. -ικός ‘zum Vogel, Huhn gehörig’ (Luk.); 8. τὰ -ιακά N. eines Werks über die Vögel von D. P. (zur Bildung Schwyzer 497 m. Lit.); 9. -ώδης ‘vogelähnlich’ (Arist. u.a.). Verba. 10. -εύω ‘Vögel fangen’ (X.), -εύομαι ‘die Vögel beobachten, auspicari’ (D.H. u.a.) mit -εία f. ‘auspicium’ (Plb.), -ευτής m. ‘Vogelfänger’ (att.; Fraenkel Nom. ag. 2, 62), -ευτική f. ‘Vogelfängerkunst’ (Pl. u.a.); 11. -όομαι ‘in einen Vogel verwandelt werden’ (Philoch.); 12. -ιάζω ‘die Vogelsprache reden’ (Sch. Ar. Av.). — Dazu ὄρν-ιος = ὀρνίθ-ειος (AP), ὀρν-ίζω ‘zwitschern’ (Aq., nicht sicher; vgl. ὀρνεάζομαι ob.). — Für sich steht ὀρναπέτιον n. (böot., Ar. Ach. 913; hypokor.-verächtlich) mit unklarem α; vgl. im übrigen κινώπετον, ἑρπετόν u.a., auch Bechtel Dial. 1, 308. — Zu den verschiedenen Bildungen s. Robert Mél. Niedermann (Neuchâtel 1944) 67ff. — Sowohl ὄρν-εον wie ὄρν-ῑ-ς gehen auf einen ν-Stamm zurück, der in ὄρν-εον mit einem wahrscheinlich gattungsbezeiehnenden ε(ι)ο- Suffix erweitert worden ist (τὰ ὄρνεα älter als τὸ ὄρνεον? Chantraine Form. 62; vgl. Risch ̨ 49 a); anders Wackernagel Unt. 165 A. 1 (Stamm -neu̯o-). Das gewöhnlichere ὄρν-ῑ-ς ist eine urspr. feminine ῑ-Ableitung (vgl. Schwyzer 465 u. 573), an die analogischerweiternde od. volkstümliche θ- bzw. χ-Suffixe getreten sind (Schw. 510 u. 496, Chantraine Form. 366 u. 377). Der für das Griech. anzunehmende n-Stamm findet sich im germ. und heth. Wort für ‘Adler’ wieder, z.B. got. ara (Gen. *arin-s), awno. are und ǫrn (aus *arn-u- mit u-Flexion), ags. earn usw., heth. ḫara-š, Gen. ḫaran-aš, idg. *or-(e / o-)n-. Damit wechselt ein l-Stamm in Baltisch-Slavischen, z.B. lit. erẽl-is, arẽl-is, aksl. orьl-ъ,russ. orël ‘Adler’. Weitere Formen, auch aus dem Armen. und Kelt., bei WP. 1, 135, Pok. 325f., Fraenkels. erẽlis,Vasmers. orël; dasselbst auch reiche Lit.; ält. Lit. auch bei Bq. II-421-422
ὄρνυμαι, Aor. ὠρόμην, -ετο, oft und älter athem. ὦρτο, Ptz. ὄρμενος usw., Fut. ὀροῦμαι, ὀρεῖται, Perf. ὄρωρα; Akt. ὄρνυμι, auch -ύω, Aor. ὦρσα, redupl. 3. sg. ὤρορε, Fut. ὄρσω, Aor.Pass. 3. pl. ὦρθεν (Korinn.). Daneben ὀρούω, Fut. ὀρούσω, bei Hom. nur Aor. ὀροῦσαι, oft m. Präfix, z.B. ἐπ, ἀν-, ἐν-, ἐξ- ‘sich schnell erheben, auffahren, losstürzen’ (ep. poet. seit Il.). ‘sich regen, sich erheben, losstürzen, eilen’ bzw. ‘erregen, antreiben, ermuntern’ (ep. poet. seit Il.). auch m. Präfix, z.B. ἐπ-, ὑπ-, ἀν-, — Als Vorderglied in Rektionskompp. wie ὀρσο-τρίαινα m. ‘Schwinger des Dreizacks’ (Pi.), ὀρσί-αλος ‘meer- erregend’ (B.), PN wie ’Ορσέ-λαος (böot.), ’Ορσί-λοχος (Il.) neben sicher nominalem ’Ορτί-λοχος (dor.); s. Schwyzer 442, Bechtel Hist.PN 353 f., Wackernagel Unt. 236 A. 1. Als Hinterglied in der Zusammenbildung κονι-ορ-τός (s. κόνις), in Verbaladj. wie θέ-ορ-τος ‘von den Göttern ausgegangen’ (Pi., A.), νέ-ορ-τος ‘neuerstanden’ (S.). Ableitungen nur ὄρου-σις f. ‘Erhebung, ὅρμησις, ὁρμή’ (Stoik.), ὀρούματα· ὁρμή- ματα, πηδήματα H.; eigentümlich ὀρσό-της, -ητος f. = ὁρμή (Kritias), ὀρσί-της m. N. eines kret. Tanzes (Ath.). — Mit seinem durchgeführten o-Vokal erinnert ὄρνυμι an ὄλλυμι, στόρνυμι, κορέννυμι u.a.; Spuren einer ε-Stufe sind in ἔρετο· ὡρμήθη H. u.a. (s. ἐρέθω) ebenso wie in Λα-έρ-της (s. λαός) vermutet worden (vgl. unten). Sowohl die allg. Struktur der idg. nu-Verba wie der Vergleich mit aind. r̥-nó-ti ‘sich erheben, sich bewegen’ lassen auf älteres *ἄρ-νυ-μι schließen; die Annahme, *ἀρ- sei zu ὀρ- wie *σταρ- zu στόρ-νυμι u.a. infolge Assimilation mit dem folgenden υ verdunkelt (J. Schmidt KZ 32, 383, Persson Beitr. 2, 636 A. 4), ist ganz hypothetisch. Auch Specht KZ 59, 107 rechnet mit Assimilation an υ, nimmt aber für das Präsens (wie für ὄλλυμι, ὄμνυμι usw.) urspr. einen "geschwächten e-Vokal" an. Ein urspr. *ἴρνυμι mit ι als Reduktionsvokal wie angeblich in κίρνημι (s. zu κεράννυμι) u.a. will Fick BB 29, 197 aus dem Zeusepithet ’Επιρνύτιος· Ζεὺς ἐν Κρήτῃ H. herauslesen, was trotz der verbreiteten Zustimmung (Bechtel Lex. 252, WP. 1, 137, Schwyzer 352 u. 695 usw.) als völlig willkürlich zu bezeichnen ist. Noch anders Risch ̨ 95 (fragend): ὀρ äol. für ἀρ. — Da der ο-Vokal des Aorists mehrere Gegenstücke hat (ὀλέσαι, μολεῖν usw.), die sich nicht immer als Neubildungen erklären lassen (s. die Diskussion bei Schwyzer 361 ff.), kann er vom Aorist ins Präsens eingedrungen sein (Chantraine Gramm. hom. 1, 302 f.). Anders Schwyzer 740 A. 7 (.mit Specht) : ὦρτο, ὄρμενος, ὦρσα usw. für *ἠρ-, ἐρ- (ἔρετο usw., s. oben) nach ὄρνυμι und ὀρέοντο. Fick a.a.O. rekonstruiert das Paradigma folgendermaßen: *ἴρ-νυ-τι, Aor. ἔρε-το, ἔρ-σε, Pf. ὄρ-ωρ-ε. — Eine Zerlegung ὄρ-ν-υ-μι eröffnet die Möglichkeit, damit den Aorist ὀροῦ-σαι (wozu das spätere und seltene ὀρούω) als ofarbige Hochstufe zu verbinden (Persson Beitr. 1, 285; 2, 738; s. auch Chantraine Gramm. hom. 1, 374 m. A. 1 u. Lit.); vgl. anderseits κρούω, κολούω u.a. (Schwyzer 683 m. Lit.). — Außergriechische Vergleiche helfen wenig weiter : außer dem Wortpaar ὄρ-νυ-μι : r̥-ṇó-ti sind aus dem Aind. noch zu nennen: ὦρτο : ā́rta, ὤρ-ε-το : ā́r-a-ta (sicher Neubildungen), ὄρ-ωρα : ā́ra, ὦρσε : ārṣ-īt (Gramm.); von der unbekannten Vokalqualität der aind. Formen abgesehen, auch sonst mit Vorsicht zu verwerten, s. Schwyzer 740 und Sánchez Ruipérez Emer. 17, 113 f. Heth. ar-nu-mi ‘fortbewegen, fortod. herbringen’ ist lautlich mehrdeutig (idg. ar-, or-, r̥-, allenfalls sogar er-) und läßt sich auch mit ἄρνυμαι (s. d.) verbinden. Zu ὀρούω bietet sich lat. ruō ‘stürzen, eilen’ als nächster Vergleich (ὀ- somit prothetisch?). — Weiteres reiches Material zur großen "Bewegungs"wurzel er- bei WP. 1, 136ff. (m. reicher Lit.), Pok. 326ff. (ebenfalls m. Lit.), W.-Hofmann s. orior und 1. ruō; ältere Lit. auch bei Bq. — Vgl. ὀρίνω und ὄρος, auch 1. οὖρος. II-422-424
ὄροβος m. ‘Kichererbse, Vicia Ervilia’, pl. ‘die Samen derselben’ (Hp., D., Arist., Thphr. u.a.). Einige Kompp., z.B. ὀροβ-άγχη f. N. eines Unkrautes "Ersticker des ὄρ.", ‘Cuscuta, Oro- banche’ (Thphr., Dsk., Gp.; Strömberg Theophrastea 194). πεντ-όροβος (-ώρ-; komp. Dehnung) m. eig. "mit fünf ὄρ.", N. der γλυκυσίδη, gew. übertr. von einem architektonischen Schmuck (hell. Inschr., Dsk., Plin.). Davon 1. Deminutivbildungen: ὀρόβ-ιον n., auch ‘Mehl von ὄρ.’ (Hp., Ph., Dsk. u.a.), = χρυσοκόλλης εἶδος H.; -άδιον n. = ὀρόβαξ (Ps.-Dsk., s.u.). 2. -ίας m. N. einer Art ἐρέβινθος und einer Art λίβανος (Thphr., Dsk. u.a.). 3. -ίτης m. (λίθος) Bez. eines ορ.-ähnlichen Steins (D. S., Redard 59), -ῖτις f. ‘bereitete χρυσόκολλα’ (Plin.). 4. -αξ f. = γλυκυσίδη (Ps.-Dsk.), -ακχος σίδης pl. ‘Früchte des Granatapfels’ (Nik.), -άκχη· βοτάνη τις. οἱ δὲ τῆς ῥοιᾶς τοὺς καρπούς H. 5. -ηθρον n. Pfl.name = ὑποκισθίς (Ps.-Dsk.; vgl. θορύβ-, κόπ-ηθρον u.a. und Chantraine Form. 373 f.). 6. -ινος ‘von ὄρ.’ (ἄλευρον; Ph., Dsk. u.a.). 7. -ιαῖος ‘von der Grösse eines ὄρ.’ (Dsk. u.a.). 8. ὠροβισμένοι· κεχορτασμένοι ἀπὸ τῶν βοῶν (leg. ὀρόβων?) H. — Wie ἐρέβινθος, lat. ervum u. a. altes LW, wahrscheinlich aus dem Ostmediterrangebiet. In ὄροβος : ervum will Schulze KZ 48, 236 (Kl. Schr. 81) einen alten Ablautwechsel wie in ὀρός : serum wiederfinden; ὄροβος jedenfalls nicht mit J. Schmidt KZ 32, 325 aus *ἔροβος assimiliert (in ὀρόβου usw.). Weiteres s. ἐρέβινθος und bei WP. 1, 145, Pok. 335. II-424
ὀρόδαμνος m. ‘Ast, Zweig’ (Thphr., Kall., Nik., AP) mit dem Demin. ὀροδαμνίς f. (Theok.). — Wohl für äol. ϝρόδαμνος = ῥάδαμνος (s.d.) mit o als graphischem Ausdruck für ϝ wie in ὀρίνδης (Schwyzer 313 A. 2). Unklar bleibt ὄραμνος ‘ds.’ (Nik., AP); Kreuzung mit ὄρμενος? II-424
ὀροθύνω, ὀροθῦναι, ‘aufregen, aufreizen, ermuntern’ (ep. seit Il., auch A. Pr. 202). auch m. ἐξ-, ἀμφ-, — Sekundärbildung zu ἐρέθω (s.d.) für *ὀροθέω nach θαρσύνω, ὀτρύνω u.a. (vgl. Risch 253); nicht mit Fraenkel Denom. 39 und Debrunner IF 21, 86 aus *ἐρεθύνω assimiliert. Die Ansetzung eines Nomens *ὄροθος (s. ἐρέθω erwogen) ist überflüssig. II-424
ὄρομαι (nur ὄρονται, -ντο, ep.) s. ὁράω. II-425
ὀρόντιον n. N. einer Pflanze, die als Mittel gegen Gelbsucht gebraucht wurde (Archig. ap. Gal.). — Nach Strömberg Wortstud. 51 vom PN ’Ορόντης; Benennungsmotiv unbekannt. II-425
ὀρός m. ‘der wässerige Teil der geronnenen Milch, die Molke, Käsewasser’, auch übertr. von anderen Flüssigkeiten (Od., Hp., Pl., Arist. usw.); ὀρο-ποτέω ‘Molken trinken’ mit -ίη f. (Hp.); ὀρώδης ‘molkenähnlich’ (Thphr. u.a.); ἐξορ-ίζω ‘die Molke auspressen’ (EM, H.). — Eig. oxytoniertes Nom. ag. (wie τροφός usw., Chantraine Form. 9 f.) mit ion. Psilose neben dem Nom. act. lat. serum n. ‘ds.’ von einem Verb ‘rinnen, fließen’, das in aind. sí-sar-ti, sár-ati, Aor. á-sar-at noch erhalten ist; ὀρός somit eig. "der Rinner" (vgl. Porzig Satzinhalte 316) und lautlich mit aind. sará- ‘fließend, flüssig’ identisch. WP. 2, 497f., Pok. 909f., W.-Hofmann s. serum m. weiteren Formen u. Lit. II-425
ὅρος (att.), οὖρος (ep. ion. seit Il.), ορϝος (kork.), ὦρος (kret.,arg.), ὄρος (herakl.) m. ‘Grenze, Grenzzeichen (-pfahl, -säule, -stein), Termin, Schranke, Ziel, Bestimmung, Definition’ (vgl. Koller Glotta 38, 70ff.). Ableitungen. 1. ὅρία n. pl. (selten sg.) ‘Grenzlinien, -gebiete usw.’ (Hp., att., ark.); 2. ὁρία f. ‘Grenze’ (att. Inschr.); 3. ὅριος ‘zur Grenze gehörig’ (Ζεὺς ὅρ., Pl., D.) = lat. Terminus (D.H., Plu.); 4. ὁρικός ‘zur Definition gehörig’ (Arist. usw.); 5. ὁρ-αία τεκτονική = gruma, -ιαῖος λίθος (Gloss.); 6. ὁρίζω, Aor. -ίσαι (ion. οὐρ-), oft m. Präfix, z.B. δι- (ἐπι-δι- usw.), ἀφ-, περι-, προσ-, ‘begrenzen, abgrenzen, -trennen, bestimmen, definieren’ (ion. att.) mit (ἀφ-, περι-, δι-)ὅρισμα (οὔρ-) ‘Begrenzung, Grenze’ (Hdt., E. u.a.), (ἀφ-, περι- usw.) ὁρισμός ‘Begrenzung, Bestimmung usw.’ (att.), (δι-)ὅρισις (Pl., Arist. u.a.), ὁρισ-τής m. ‘Landvermesser’ (att., Tab. Heracl.), -τικός ‘zur Begrenzung, Bestimmung gehörig, begrenzend, definierend’ (Arist. usw.). — 7. ὀρεύς s. bes. Bisweilen als Vorderglied, z.B. ὁρο-θεσία f. ‘Grenzbestimmung’ (hell. Inschr., Act. Ap., Pap.), wie νομο-θεσία u.a., formal von ὁρο-θέ-της (Gloss.), Zusammenbildung von ὅρον θεῖναι mit τη-Suffix; oft als Hinterglied, z.B. δί-ωρος ‘mit zwei Grenzsteinen’ (ark. IVa), ἀμφ-ούρ-ιον n. ‘Grenzergeld, gezahlt vom Verkäufer an die Grundstücksanlieger zur Bindung des Verkaufes’ (Pap. IIIa, rhod. Inschr. IIa), ἀμφουριασμός m. (*ἀμφουρι-άζω); s. Wilhelm Glotta 14, 68ff., 83, Preisigke Wb. s.v.; zu εὐθυωρία s. bes. — Nicht sicher erklärt. — Ein urspr. (h)όρϝος (= kork.) kann für noch älteres *ϝόρϝος stehen (Schwyzer 306 u. 226 f.) und laßt sich dann zu lat. urvāre (amb-) ‘mit einer (Grenz)furche umziehen’ (Fest. aus Enn., Dig.) als damit urverwandt stellt das zugrunde liegende Nomen urvus ‘circuitus civitatis’ (Gloss.; überl. urus) kann dazu bis auf den Ablaut (idg. *u̯r̥u̯os gegenüber *u̯oru̯os) stimmen. Hierher noch osk. uruvú aus urital. *urvā, wenn mit Schulze ZGLE 549 A. 1 u.a. ‘Grenzfurche, Grenze’ (vgl. Vetter Hb. d. ital. Dial. 1, 442). Weitere Anknüpfung an ἐρύω ‘ziehen’ (s.d.) wird dann möglich. —Auch eine alternative Grundform *ὄρϝος (m. sekund. Asper) ist mit lat. urvus (dann aus *r̥u̯os) vereinbar (zu ὀρύ-σσω?, s.d.). — WP. 1, 293 u. 2, 352 f., W.-Hofmann s. urvus m. weiterer Lit. S. noch οὐροί und 2. οὖρον. II-425-426
ὄρος durch metr. Dehnung οὔρ-εος, -εα usw. (ep.lyr.), auch ὤρ-εος, -εα (Theok. u.a.) n. (seit Il.), ‘Berg, Anhöhe’, auch (in Ägypten) ‘Wüste’ im Gegensatz zu der bebauten Ebene (Pap.). Als Vorderglied 1. m. unerweitertem Stamm u.a. in ὀρεσκῷος (s. bes.); 2. themat. erweitert z.B. in ὀρεο-σέλινον n. ‘Steineppich’ (Thphr. u.a.; Risch IF 59, 257, Strömberg Pn. 33 u. 116); 3. oft im Dat. sg., z.B. ὀρει-δρόμος ‘durch die Berge streifend’ (Pi., E., Nonn.), danach u.a. ὀρεί-χαλκος m. ‘Bergerz, Messing’ (h. Hom. 6, 9, Hes. Sc. 122 usw.; Risch 59, 27; zur Bed. Michell ClassRev. 69, 21 f.), lat. LW orichalcum, volksetym. auri-; auch ὠρό-χαλκος (Peripl. M. Rubr., PGiss. 47, 6; -ο- in der Komp.fuge, ὠ- = lat. au-?); 4. im Dat. pl., z.B. ὀρεσί-τροφος ‘auf den Bergen aufgewachsen’ (Hom. u.a.). Ableitungen 1. ὀρέσ-τερος ‘auf den Bergen lebend, aus Bergen bestehend’ (ep. lyr. seit Χ 93; Chantraine Études 36 m. A.3 u. Lit.); 2. ὄρειος (= *ὄρεσ-ιος), ep. lyr. οὔρ-, ‘bergig’ (vorw. ep. poet. seit h.Merc. 244), f. -ειάς (AP), als Subst. ‘Berg- nymphe’ (Bion, Nonn.); 3. ὀρεινός (< *ὀρεσ-νός) ‘ds.’ (ion. att.); 4. ’Ορέσ-της m. PN (seit Il.) mit ’Ορεστ-άδης (Fraenkel Nom. ag. 2, 184), ὀρέστ(ε)ιον n. = ἑλένιον (Dsk., Plin.; Strömberg Pflanzenn. 102); ’Ορέσ-ται m. pl. "Bergbewohner", N. eines epeirotischen Volkes (Th. u.a.); ὀρεστ-ιάδες νύμφαι (Ζ 420, h. Hom. 19, 19); metr. für *ὀρεστ-άδ- (Schwyzer 508); ὀρεστ-ίας m. ‘Bergwind’ (Kall. u.a.; wie ’Ολυμπίας u.a., Chan- traine Form. 95); 5. ὀρώδης ‘bergig’ (EM). — Eig. wohl *"Erhebung" als Verbalnomen von ὄρνυμαι, ὀρέσθαι ‘sich erheben usw.’ (s.d. m. Lit.) mit demselben Vokal wie im Verb für erwartetes *ἔρος (: γένος, τέλος usw.); vgl. außer Chantraine Form. 417, Schwyzer 512 noch Porzig Satzinhalte 300. Eine Weiterbildung dieses s-Stamms kann in aind. r̥ṣ-vá- ‘emporragend, hoch’ vorliegen; vgl. auch ὄρρος und ὀρσοθύρη. II-426
ὀροφή, -φος ‘Bedeckung, Dach, Decke’ s. ἐρέφω. II-426
ὅρπηξ (ὄ-), dor. äol. -ᾱξ, -κος m. ‘Schößling, Zweig, Lanze (nschaft)’ (ep. poet. seit Φ 38, Hes. Op. 468); εὐ-όρπηξ ‘mit schönen Zweigen’ (Nonn.). Keine Ableitungen. — Bildung wie σκώληξ, κάχληξ, νάρθηξ u.a. (Chantraine Form. 381, Schwyzer 497), ohne sichere Etymologie. Nach Walde (-P.) 1, 277 u. 2, 502 vermutungsweise zu lit. várpa ‘Ähre’ u.a. (unbefriedigend über várpa Fraenkel s.v.), wenig einleuchtend. Nicht mit Brugmann Grundr.2 I 477 zu lat. sarpō ‘die Weinstöcke beschneiteln’, sarmentum ‘Reisig’ (vgl. zu ἅρπη ‘Sichel’). Eher mit Curtius 265, Bechtel Glotta 1, 73, Lex. s.v. zu ἕρπω (zunächst von *ὅρπος, -η?), aber wohl nicht in der allg. u. sekundären Bed. ‘gehen, sich bewegen’ (wie ἔρνος : ὄρνυμι; nicht ganz vergleichbar), sondern eher als "der Kriecher, der Schleicher" mit Bezug auf eine langsame und regelmäßige, urspr. sich am Boden hinziehende Bewegung. —Anders Gonda Mnem. 3:6, 160 ff.: zu idg. ser- ‘(spitziger) Ast’ (?) m. weit ausholenden Kombinationen; Haas Ling. Posn.7,75: vorgr.-idg. ("pelasgisch") zu lit. vir̃bas ‘Reis, Gerte’. II-427
ὄρρος m. ‘Hinterer, After’ (Ar.), ‘Ende des os sacrum’ (Gal. u.a.). Als Vorderglied in ὀρρο-πύγ-ιον, ion. ὀρσο-, s. πυγή. Als Hinterglied in παλίν-ορσος ‘zurückweichend’ (Γ 33, Emp. u.a.; -ρρ-Ar. Ach. 1179), s. Wackernagel Unt. 226; wohl auch in ἄψορρος, s. bes. Davon ὀρρώδης ‘zum Hintern gehörig’ (Hp., Gal.), ὀρροχμόν· ἔσχατον, ἄκρον H., nach νεο-χμός, s.d. und Belardi Doxa 3, 216f. m. Lit. (verfehlt Specht KZ 66, 199f.). — Altererbter Ausdruck für ‘Hinterer’, der vom Epos aus Anstandsgefühl vermieden wurde (Wackernagel Unt. 224 ff.), mit germ., z.B. ahd. ars ’Arsch’, arm. oṙ, pl. or̥-k‘ (i-St.) identisch. idg. *ors-o-, *ors-i-; daneben air. err ‘Schwanz’ aus *ersā. Lautlich unklar ist heth. arraš ‘After, Gesäß’; unsichere Hypothese von Neumann KZ 77, 79ff. (m. Lit.). Gegen ὄρρος aus *ὄρσος Forbes Glotta 36, 264ff. — Das Wort läßt sich als Erweiterung eines s-Stamms *or(o)s-, *er(o)s- ‘Erhebung’ auffassen und kann dann mit ὄρος ‘Berg’ (s.d. m. weiteren Anknüpfungen) aufs engste zusammengehören. Weitere Lit. bei Bq, WP. 1, 138, Pok. 340. — Vgl. ὀρσοθύρη und οὐρά. II-427
ὀρρωδέω (att.), ion. ἀρρωδέω (Hp., Hdt.), ‘schaudern, Angst haben, fürchten’ auch m. Präfix, bes. κατ-, mit ὀρρωδία, ἀρρωδίη f. ‘Angst, Furcht’ (Hdt., Th., E. u.a.). — Nicht sicher erklärt. Semantisch ansprechend ist der Vorschlag von Bréal MSL 8, 309 (zustimmend Lasso de la Vega Emer. 23, 121 f.): ὀρρωδέω von ὄρρος über *ὀρρώδης ‘ängstlich, furchtsarn’ wie frz. couard, it. codardo von lat. coda. Dabei muß man indessen annehmen, daß die att. Form ins Ionische eingedrungen ist mit gleichzeitigem Übergang von ὀρρ- zu ἀρρ- (nach ἀρρωστέω. -ία?), was nicht leicht zu begründen ist. Nach J. Schmidt KZ 25, 112; 32, 170 steht att. ὀρρ- für älteres ἀρρ- infolge Assimilation an das folg. ω (vgl. Schwyzer 255); möglich ist auch volksetym. Angleichung an ὄρρος. Vergebliche Deutungsversuche von Prellwitz BB 24, 217, Solmsen IF 13, 134ff., Ehrlich Betonung 54 (s. Bq s.v. u. S. 717 A. 1; auch WP. 1, 278 u. 292). II-427-428
ὀρσοθύρη f. (χ 126, 132, 333) Bez. einer nach hinten gelegenen Seitentür od. Seitenöffnung, die vom Männersaal in die λαύρη und zu den oben befindlichen Räumen führte (s. Wace Journ ofHellStud. 71, 203ff. m. Lit., Bérard REGr. 67, 18 ff.), auch sens. obsc. (Semon. 17). — Erklärung strittig. Formal ist man am ehesten geneigt, das Vorderglied mit ὄρρος, ὄρσος ‘Hinterer’ zu identifizieren (Doederlein Hom. Gloss. 2. 340; ebenso u.a. v. Wilamowitz Eur. Her. 376 A., Wackernagel Unt. 226, Lasso de la Vega Emer. 23, 114ff.). Auch sachlich und stilistisch ist diese Deutung ohne Bedenken; vgl. παλίν-ορσος, ἄψ-ορρος und Wackernagel a. O. Andere erklären es als "Hochtür" mit Anschluß entweder an aind. r̥ṣvá- ‘hoch’ oder an varṣ- in várṣ-man- n. ‘culmen’ u. a. (Froehde BB 3, 19 ff., Kalén Quaest. gramm. gr. 75ff., wo ausführlich m. Lit., auch über εἰρεθύρη [H.] und ἔρθυρις [EM], WP. 1,138 m. Lit.; ähnlich Büchner RhM 83, 97 ff., nicht überzeugend; s. auch Risch IF 59, 20). — In dieselbe Begriffssphäre gehört ὀρρόση-λος· ὀδός (cod. ὁδ-). ’Ιταλιῶται H.; nach Kalén a. O. "Hochschwelle". — Mit ὀρσο- noch: ὀρσο-λόπος Bein. des Ares (Anakr. 70) mit ὀρσολοπ-εύω (metr. für -έω) ‘angreifen, schmähen’ (h. Merc. 308, Max. 102), -έομαι ‘geplagt, beunruhig werden’ (A. Pers. 10); ὀρσο-λόπος somit ‘Angreifer o.a.’, eig. = ὁ λέπων τὸν ὄρρον (sc. τοῦ φυγόντος πολεμίου); s. Schwyzer Glotta 12, 21ff. (mit Müller-Strübing), Lasso de la Vega a.O. Anders Kalén a. O. ("Hochprahler"). — ὀρσο-δάκνη f. N. eines knospenfressenden Insekts (Arist.); Benennungsmotiv unbekannt. Unklar ebenfalls ὀρσοί· τῶν ἀρνῶν οἱ ἔσχατοι γενόμενοι H.; die Ähnlichkeit mit ἕρσαι (s.d.) ist längst beobachtet worden (abzulehnen Lasso de la Vega a.O.). II-428
ὀρταλίς f. ‘Huhn’ (Nik.Al. 294); ὀρτάλιχος m. ‘junger Vogel’ (A. Ag. 54, Ar. Ach. 871, AP, Opp.), ‘Tierjunges’ (S. Fr. 793), ‘Küchlein’ (Theok.), -ιχεύς m. ‘ds.’ (Nik.Al. 228: Akk. -ῆα, metr. Erweiterung am Versende; Bosshardt 64). Denominativum ἀν-ορταλίζω ‘wie ein Huhn (Hahn) stolzieren, mit den Flügeln schlagen’ o.a. (Ar. Eq. 1344). — Volkstümlichdeminutive Bildungen auf -ίς bzw. -ιχος (ἀηδονίς, κόψιχος usw.; Chantraine 344 u. 403, Schwyzer 465 u. 498), zunächst von einem λ-Stamm (wenn nicht eher mit einheitlichem -αλίς wie in συκ-αλίς, δορκ-αλίς [: δορκ-άς] u.a.), letzten Endes von einem Nomen *ὀρτος unbekannter Bed. Die formal sich aufdrängende Anknüpfung an ὄρνυμαι ‘sich regen, sich erheben usw.’ (vgl. κονι-ορ-τός, θέ-ορ-τος) besagt semantisch sehr wenig. Vgl. Baunack Phil. 70, 465 f. Mit ὄρνις, ὄρνεον besteht höchstens eine indirekte, sehr entfernte Verwandtschaft. II-428-429
ὄρτυξ (H. γόρτυξ, i.e. ϝόρτυξ), -ῠγος (-υκος Philem. 245) m. (f. Lyk. 401) ‘Wachtel, Coturnix vulgaris’ (Epich., ion. att.), auch als Pflanzenname = στελέφουρος, ‘Plantago Lagopus’ (Thphr.), vgl. Strömberg Theophrastea 50. Als Vorderglied u.a. in ὀρτυγο-μήτρα f. "Wachtelmutter", ‘Wachtelkönig, Rallux crex’ (Kratin., Arist., LXX u.a.), nach H. = ὄρτυξ ὑπερμεγέθης; s. Thompson Birds s.v., auch Strömberg Wortstud. 23; als Hinterglied in φιλ-όρτυξ ‘wachtelliebend’ (Pl. Ly. 212d). Davon das Demin. ὀρτύγιον n. (Kom.); ’Ορτυγία, -ίη f. alter Name der Insel Delos u. anderer Inseln (Od., Str.; Tréheux BCH 70, 560ff.), danach Bein. der Artemis (S.); Patron. ’Ορτυγίων (Euböa). — Wie die seltenen Vogelnamen ἴβυξ, βαῖβυξ gebildet; vgl. noch κόκκῡξ, πτέρυξ u.a. (Chantraine Form. 397, Schwyzer 498). Zu ϝόρτυξ stimmt bis auf den Ausgang aind. (ved.) vártikā f., später belegt vartaka- m. ‘Wachtel’ mit den sehr produktiven ikā- und aka-Suffixen. Die urspr. Form des Wortes läßt sich nicht wiederherstellen. WP. 1, 316 m. weiterer Lit., Specht Ursprung 139, 204 u. 214, Dehò Ist. Lomb. 91, 358. 1. ὀρύα (H. auch -ούα) f. ‘Darm’ (Epich.). — Nicht sicher erklart. Über die ganz fragliche Heranziehung von lat. arvīna f. ‘Schmer, Fett, Speck, bes. um die Eingeweide’ s. WP. 1, 182, Pok. 782, W.-Hofmann s.v. Weiteres s. ὀρύσσω und οὐροί. 2. ὀρυα f. Ben. eines Arbeiterwerkzeugs in einem Steinbruch (PCair. Zen. 759 [IIIa]). — S. ὀρύττω. II-429
ὄρυζα ὄρυζον n. (Thpnr.) f. (Aristobul. Hist., Megasth., Str. u.a.), ‘Reis’; ὀρυζο-τροφέω ‘Reis bauen’ (Str.). Davon ὀρύζ-ιον n. Demin. (Sch.), -ίτης πλακοῦς’ Reiskuchen’ (Chrysipp. Tyan.; Redard 90). — Ostiran. LW, vgl. afghan. vrižē f. pl. ‘Reis’ u.a. (Morgenstierne Pashto 91 m. weiteren Formen), dazu noch aind. vrīhí- m. ‘ds.’; frühere Geschichte unbekannt. Schrader-Nehring Reallex. 2, 230; weitere Lit. s. ὀρίνδης. II-429
ὀρυμαγδός m. ‘Lärm, Getöse’ (ep. seit Il.); ὀρυγμάδες· θόρυβοι H. — Expressives Wort mit demselben Ausgang wie die sinnverwandten κέλαδος, χρόμαδος, ῥοῖβδος u.a. (Chantraine Form. 359f., Schwyzer 508). Zu ὠρύομαι (s.d. m. Lit.), ὠρυγμός; vgl auch ἐρυγεῖν, ἐρύγμηλος (Kretschmer KZ 38, 135), aher im Einzelnen unklar. II-429-430
ὀρύσσω, att. -ττω, sp. -χω (Arat.), Ipv. -γε (Seriphos), Aor. ὀρύξαι, Fut. ὀρύξω (seit Hom.), Pass. Aor. ὀρυχθῆναι, Fut. ὀρυχθήσομαι, Perf. ὀρώρυγμαι (ion. att.; m. Präfix κατ-ώρυγμαι). Akt. ὀρώρυχα (att.), Aor. 2. ὀρυγεῖν, Pass. ὀρυγῆναι (sp.), ‘graben, scharren, auf-, be-, aus-, um-, durchgraben’. oft m. Präfix, z.B. κατ-, δι-, ἀν-, περι-, Ableitungen: 1. Rückbildung ὄρυξ, -υγος m. ‘Spitzhacke’ (AP), gew. N. einer ägyptischen und libyschen (auch indischen) Gazellen- od. Antilopenart (Arist., LXX usw.), angeblich nach den spitzen Hörnern, aber eher volksetym. umgebildetes LW; auch N. eines großen Fisches (Str.; s. Thompson Fishes s.v.). Von den Präfixkompp. κατ-ῶρυξ (ω komp. Dehnung), -υχος ‘vergraben, eingegraben, unterirdisch’, als Subst. f. ‘Gruft’ (Trag. u.a.); Dat. pl. κατω-ρυχέεσσι (λάεσσι, λίθοισι ζ 267, ι 185), eher metr. erweitert als von κατωρυχής; δι-ῶρυξ, -υχος, sp. meist -υγος f. ‘Graben, Kanal, Mine’ (ion., Th., Tab. Heracl., Pap. usw.). 2. (δι-, ὑπ-)όρυγμα n. ‘Grube, Graben’ (ion. att.); 3. ὀρυγμός m. ‘ds.’ (Priene). 4. (δι-)ορυχή f. (-ωρ-) ‘das Graben’ (D., Delos usw.), auch -γή (LXX u.a.). 5. (κατ-, ἐπ-, ὑπ-)όρυξις f. ‘ds.’ (Arist. usw.). 6. ὀρυκτή f. = ὄρυγμα (Ph.). 7. ὀρυκ-τήρ m. ‘Minen- arbeiter’ (Zeno Stoic.), -της m. ‘Gräber, Werkzeug zum Graben’ (Aesop., Str.); (δι-) ορυκτρίς f. Beiwort von χελώνη ‘Minenschirmdach’ (Poliork.). 8. ὀρυγεύς· fossorium (Gloss.). — Als gemeinsame urspr. Grundlage sämtlicher Verbalformen und davon abgeleiteter Nomina dient ein Stamm ὀρυχ-; die Media in ὀρυγ- ist sekundär (vgl. Schwyzer 715 u. 760); sekundär ebenfalls das Präsens ὀρύχω (Schw. 684 f.). — Ohne genaue außergriech. Entsprechung. Da ὀ- prothetisch sein kann (Laryngalhypothese bei Austin Lang. 17, 88), läßt sich das primäre Jotpräsens ὀρύσσω aus *ὀ-ρυχ-ι̯ω mit der nasalinfizierten Sekundärbildung lat. runcō, -āre ‘jäten, ausjäten’, wozu u.a. runcō, -ōnis m. ‘Reut-, Jäthacke’, ebenso wie mit lett. rūkēt ‘wühlen, scharren’ vergleichen; auch das primäre aind. luñcati ‘rupfen’ (mit l aus idg. r) kann hierhergehören. In Betracht kommen ferner mehrere isolierte Verbalnomina, bes. aus dem Keltischen, z. B. ir. rucht (aus *ruq-tu-) ‘Schwein’, eig. *"Wühler"; aus dem Alban. rrah ‘Ausholung, Rodeland’ idg. *rouq-so- (Restelli Ist. Lomb. 91, 475). Die nur für das Griech. bezeugte Aspirata kann expressiv oder analogisch sein. — Wenn man anderseits den Guttural als formantisches Element abtrennt, bieten sich οὐροί m. pl. ‘Laufgräben’ (s.d.), ὅρος ‘Grenze’ (’-furche’?), der Gerätename ὀρυα, evtl. auch ὀρύα f. ‘Darm’ (eig. *"Loch"?) zum Vergleich. Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 2, 351 ff., Pok. 868ff. — Vgl. ῥυκάνη. II-430-431
ὀρφανός ‘verwaist, Waise’, übertr. ‘beraubt, verlassen’ (seit υ 68). Als Vorderglied u.a. in ὀρφανο-δικασταί m.pl. "Waisenrichter" (Leg. Gort.; Fraenkel Nom. ag. 1, 185). Davon 1. Adj. ὀρφαν-ικός ‘zu den ὀρφανοί gehörig’ (Il., Pl., Arist. u.a.; Fraenkel 1, 211 f., Chantraine Études 101 f.), -ιος ‘verlassen, einsam’ (AP). 2. Subst. ὀρφαν-ία f. ‘Waisenstand, Beraubung’ (Pi., att.), -ότης f. ‘ds.’ (Kappadokien). 3. Verba. a) ὀρφαν-ίζω (ἀπ- ~) ‘verwaisen (tr.), zur Waise machen, berauben’ (vorw. poet. seit Pi.); davon formal -ιστής m., aber im Sinn von ‘Vor- mund’ (S. Aj. 512), N. einer Behörde (Selymbria); b) -εύω ‘Waisen erziehen’, Med. ‘verwaist sein’ (E.) mit -ευμα n. ‘Verwaisung’ (E.), -εία f. (wenn nicht itazistisch für -ία) ‘ds.’ (Pap.); c) -όομαι ‘beraubt werden’ (AP, Sch.). — Aus den H.glossen ὀρφοβόται· ἐπίτροποι ὀρφανῶν mit ὀρφο-βοτία· ἐπιτροπή und ὤρφωσεν (: ὀρφόω)· ὠρφάνισεν ergibt sich ein Nomen *ὀρφος, von dem das gleichbedeutende ὀρφανός eine rein formale Erweiterung nach anderen Adj. auf -ανός zu sein scheint. Zu *ὀρφος stimmen genau arm. orb, -oy ‘Waise’ und lat. orbus ‘verwaist, beraubt’, idg. *orbho-s. Eine i̯o-Ableitung wird in dem kelt. und (daraus entlehnten?) germ. Wort für ‘das Erbe’ (somit eig. *"Waisengut" ?; anders, nicht überzeugend, Porzig Gliederung 121f.) vermutet, z.B. air. orb(b)e, orpe n., got. arbi, ahd. arbi, erbi n.; davon ‘der Erbe’, z.B. air. orb(b)e m., got. arbja, ahd. arpeo, erbo m. Weitere, ganz hypothetische Anknüpfungen bei WP. 1, 183 f., Pok. 781 f., W.-Hofmann s. orbus (m. reicher Lit.); dazu noch Benveniste Hitt. et indoeur. 11 f., der in heth. ḫarp-zi etwa ‘ab-, aussondern, gesondert hinstellen’ das zugehörige primäre Verb erkennen will und gleichzeitig (nach Collinder) an anklingende fi.-ugr. Wörter, z.B. fi. orbo, orvo ‘Waise’ erinnert. II-431
ὄρφνη, dor. -ᾶ f. ‘Finsternis, Dunkel, Nacht’ (vorw. poet. seit Thgn. u. Pi.). Davon ὀρφν-αῖος ‘finster, dunkel’ (ep. poet. seit Il.), -ώδης ‘ds.’ (Hp. u.a.) und mehrere Ausdrücke für ‘dunkelfarben, dunkelrot’: ὄρφν-ινος (Pl., X. u.a.), -ιος ‘ds.’ (Arist., Plu.), -ήεις (Q. S., Man.), -ός (Nik.); unklar ὀρφν-ίτας m. (dor.), Beiwort von τάλαρος (AP), vgl. Redard 114. — Etymologie umstritten. Die Ähnlichkeit mit ἔρεβος ist längst beobachtet worden (Curtius 480; danach u.a. Hirt IF 12, 226); dabei wäre eine Grundform *orgʷ-s-no- (mit dem- selben Suffix wie im Oppositum λύχνος aus *luq-s-no-) anzusetzen; zum Ablaut vgl. νέφος : ὄμβρος. — Von Persson Stud. 218 f. dagegen mit einem germ. Adj. für dunkle Farbentöne verglichen, z.B. ahd. erpf ‘fuscus’, ags. eorp, earp ‘dunkelfarbig, schwärzlich’, urg. *erpa-; dazu noch mit anderem Ablaut Benennungen des Rebhuhns, z.B. ahd. repa-huon; mit Nasal viele slav. Wörter, z.B. russ. rǰáb ‘bunt’ (aksl. *rębъ), ksl. jerębь ‘Rebhuhn’. — Wieder anders Scheftelowitz BB 29, 17: zu arm. arǰn ‘dunkelbraun’ (idg. *argʷhen-, allenfalls *orgʷhen-). — Mehrdeutig sind toch. B erkent-, A arkant-’schwarz’ ebenso wie B orkamo ‘dunkel, finster, Finsternis’, A orkäm ‘Finsternis’ (ural. LW?; s.v. Windekens Orbis 11, 605 m. Lit.). — Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 1, 146 u. 2, 367, Pok. 334 u. 857, Vasmer s. rjabína und rjabój, auch W.-Hofmann s. rōbus. Ält. Lit. auch bei Bq. II-431-432
ὀρφώς (-ῶς), -ώ, -ών usw. (Kom., Arist. u.a.), sekundär ὀρφός od. ὄρφος (Arist. u.a.; nach Hdn. Gr. 1, 224 ὄρφος κοινῶς, ὀρφῶς δὲ ’Αττικῶς) N. eines großen Meerfisches des Barschgeschlechts, ‘Serranus gigas’ od. ‘Polyprion cermum’. Davon ὀρφ-ίσκος m. = κίχλη als Fischart (Pankrat. Ep. ap. Ath.), -ακίνης m. ‘junger ὀρφώς’ (Dorio ap. Ath.), von *ὄρφαξ (vgl. δέλφαξ u.a.) mit ινη-Suffix wie δελφακ-ίνη, ἐλαφ-ίνης u.a.), -εύς m. = ὀρφώς (Marc. Sid., Alex.) mit Anspielung auf den PN (Bosshardt 94). — Einzelheiten bei Thompson Fishe s.v. und Strömberg Fischnamen 21 f. — Bildung wie die Fischnamen λαγώς, -ός (eig. Komp.), ἀχαρνώς u. a. Oft mit Beziehung auf die Farbe zu ὄρφνη gestellt (s. Strömberg a.a.O.), aber im einzelnen unklar. Unwahrscheinliche Vermutung (für *ὀρφνο-φος o. d. ?) bei WP. 2, 367 (m.Lit.). Andere Etymologien von Sütterlin IF 29, 126 (s. Bq und WP. a.O.) und Specht Ursprung 267 (schwed. sarv ‘Rotauge’, lat. sorbus ‘Sperberbaum’?). Von Bechtel Namenst. 32 ohne semantische Begründung zu ὀρφός in ὀρφο-βόται (s. ὀρφανός) gezogen; ob wegen seiner isolierten Lebensweise (von Arist. als μονήρης beschrieben) ? — Lat. LW orphus, nhd. Orf. II-432
ὄρχαμος m. bei Hom. nur in den formelhaften ὄρχαμος ἀνδρῶν, ἄρχαμε λαῶν, später ὄ. στρατοῦ (A. Pers. 129 [lyr.]) u.a. — Etymologie und Bed. strittig. Seit alters (s. Curtius 189f.) oft als ‘Anführer’ zu ἄρχω gezogen m. superlat. μο-Suffix; der ο-Vokal, wenn nicht ablautlich bedingt (z. B. ὄγμος : ἄγω). kann äolisch sein (Kretschmer KZ 36, 268, Brugmann Grundr.2 II: 1, 226). Anders Bechtel BB 30, 270 u. Lex. s.v. (zustimmend u.a. Specht Ursprung 252 u. 255, Fraenkel KZ 72, 195) : wie ἕρκος ’Αχαιῶν eig. als "schützender Zaun (der Männer)" zu ὄρχατος u. Verw. (s. ὄρχος). Noch anders (zu ὄρχος ‘Reihe’) Wright ClassRev. 29, 111 f. II-432
ὀρχάς 1. f. ‘Art Olive’ s. ὄρχις. II-432
ὀρχάς 2. · περίβολος, αιμασιά H. und ὄρχατος s. ὄρχος. II-433
ὀρχέομαι (seit Il.), Aor. ὀρχήσασθαι (seit Od.), ‘tanzen’, Akt. ὀρχέω ‘tanzen machen’ (Ion Trag.). auch m. Präfix wie ὑπ-, κατ-, ἐξ-, Davon 1. die Nom. actionis ὀρχ-ηθμός m. ‘Tanz’ (Hom., h. Ap. u.a.), -ησμός m. ‘ds.’ (A. in lyr. u.a.), -ηστύς f. ‘ds.’ (Hom., E. Kyk 171; wie κιθαριστύς); jünger -ησις f. ‘ds.’ (nachhom.; Holt Les noms d’action en -σις 127; semantisch trotz Benveniste Noms d’ag. 86 von -ηστύς nicht zu trennen), -ημα (ὑπ- ~ ) n. ‘ds.’ (Simon., S., Pl. u.a.); 2. die Nom. agentis -ηστήρ (ep. seit Il.), -ηστής, dor. -ηστάς (Il., Thera, altatt. usw.) m.’Tänzer’ mit f. -ηστρίς(Kom.,Pl.u.a.), -ήστρια(Moer.); 3.das Nom. loci -ήστρα f. ‘Tanzraum, Orchestra’ (Pl., Arist. u.a.); 4. das Adj. -ηστικός ‘zum Tanz, Tänzer gehörig, zum Tanz passend’ (Pl., Arist. usw.). Einzelheiten bei Fraenkel Nom.ag. 1, 28f. (u.a. zum analog. -σ-), Benveniste Origines 201, Noms d’ag. 65 f. u. 86, Porzig Satzinhalte 183 u. 236. — Iterativintensive Bildung, formal zum primären ἔρχομαι; s.d. und Schwyzer 719 u. 702. Aind. r̥ghāyáti ‘beben, tosen, rasen’, seit alters damit verglichen (Bq s.v. m. Lit., WP. 1, 147, Pok. 339, Mayrhofer s.v.) kann höchstens indirekt damit zusammenhängen. II-433
ὀρχίλος (zum Akz. Schwyzer 485; Hss. auch -ιλος) m. N. eines kleinen Vogels, wohl ‘Zaunkönig’ (Ar., Arist., Thphr. u.a.); Einzelheiten bei Thompson s.v. — Bildung wie κορθ-, τροχ-ίλος u.a. (Schwyzer a. O., Chantraine Form. 249); viell. zu ὀρχέομαι wegen der Lebhaftigkeit des Vogels (ähnlich Robert, s. Bq). II-433
ὄρχις, -εως, ion. -ιος, meist pl. -εις, -ιες m. ‘Hoden’ (ion. att.), auch als Pflanzenname ‘Orchis, Orchidee’ (wegen der Wurzelform; Thphr., Dsk.), ‘Art Olive’ (nach der Form der Frucht; Colum.; Strömberg 37 u. 55). Kompp., z.B. ὀρχί-πεδα n. pl. ‘Hodensäcke, Hoden’ (Ar.; vgl. Risch IF 59, 15) mit -πεδίζω (Ar., H.); ἔν-ορχις ‘mit H. versehen, unverschnitten’ (Hdt., Luk.), auch ἔν-ορχ-ος (Ψ 147, Hp. u.a.; zur Stammbild. Sommer Nominalkomp. 111 f.), ἐν-όρχ-ης auch ‘Bock’ (Ar., Arist., Theok.; -ης substantivierend, Schwyzer 451), -ής (MiletosVIa, mit Umbiegung in die σ-Stämme, Schw. 513). Davon das Demin. ὀρχίδια pl. n. (Dsk.) und ὀρχάς, -άδος f. ‘Art Olive’ (Nik., Verg.; wie κοτινάς u.a., Chantraine Form. 353). — Altes Erbwort, in mehreren Sprachen erhalten. Zu ὄρχις stimmen, von Erweiterungen im Auslaut abgesehen, arm. orj-ik‘ pl. ‘Hoden’, Gen. -woc̣ (idg. *orĝhi-i̯o-), alb. herdhë f. ‘Hode’, mir. uirgge f. ‘ds.’ (beide idg. *orghi-i̯ā?); nur im Ablaut weicht ab aw. ərəzi m. du. ‘Hoden’ (idg. *r̥ĝhī). Eine l-Ableitung liegt vor in balt., z.B. lit. er̃žilas, dial. ar̃ž- m. ‘Hengst’. — Einzelheiten m. Lit. bei WP. 1, 182f., Pok. 782, Fraenkel Wb. s.v. II-433-434
ὄρχος ὀρχός m. ‘Rand des Augenlids, ταρσός’ (Poll. 2, 69); ὀρχάς· περίβολος, αἱμασιά H., ὀρχάδος στέγης (S.Fr.812); ὀρχηδόν (Hdt. 7, 144), nach H., = ἡβηδόν, gew. als ‘der Reihe nach, männiglich’ erklärt. m. ‘Reihe von Weinstöcken od. Obstbäumen’ (η 127, ω 341, Hes. Sc. 296, B., Ar., X., Thphr.); Daneben ὄρχατος m. ‘geordnete Pflanzung, Garten’ (η 112, ω 222, AP), pl. ‘Reihen von Gartenpflanzen, Obstbäumen, Weinstöcken’ (Ξ 123, E. Fr. 896, 2, Moschio Trag. 6, 12), übertr. ὀδόντων, κιόνων ὄρχατος (AP, Ach. Tat.). Mit μ-Suffix: ὀρχμαί· φραγμοί, καλαμῶνες, φάραγγες, σπῆλυγξ H.; ὀρχμούς· λοχμῶδες καὶ ὄρειον χωρίον οὐκ ἐπεργαζόμενον (Lex.); in derselben Bed. ὀρχάμη (Poll. 7, 147). — Wenn das ἅπ. λεγ. ὀρχηδόν richtig als ‘der Reihe nach’ verstanden wird, ist für ὄρχος auch die allgem. Bed. ‘Reihe’ anzunehmen; davon, wohl als kollektives Abstraktum, ὄρχατος eig. ‘Reihenfolge (von Pflanzen)’. Dann scheint es kaum möglich, die obigen Wörter unter einem Begriff ‘Gehege, Zaun’ zusammenzufassen, der, obwohl für ὄρχατος im Sinn von ‘Garten’ naheliegend und für die seltenen ὀρχός, ὀρχάς zutreffend, sich mit ὄρχος schlecht verträgt (trotz Porzig Satzinhalte 310). Dadurch wird die Anknüpfung an idg. u̯er-ĝh- ‘drehen, zusammenwinden, einengen’ in lit. veržiù ‘einengen, schnüren’ (anders s. εἴργω), germ., z.B. awno. virgill ‘Strick’, nhd. er- würgen u.a. (Brugmann IF 15, 84ff., WP. 1, 272f., Pok.1154 f.) erschüttert; zweifelhaft ebenfalls der Vergleich mit lit. sérgmi ‘behüten, bewachen’ (Fraenkel KZ 72, 193 ff. mit Prellwitz). Ansprechend Mann Lang. 26, 385: zu alb. varg ‘Reihe, Kranz, Kette’. — Nach allg. Annahme hierher auch der Stadtname ’Ορχομενός (älter ’Ερχ-, vgl. Schwyzer 255; illyr. ’Οργομεναί, Krahe ZNF 7, 25 A. 4 u. 11, 81). S. auch εἴργω, ἔρχατος, ὄρχα-μος. II-434
ὅς 1. ἥ, ὅ Relativpron. ‘welcher, -e, -es; der, die, das’ (seit Il.). Davon ὄτερος ‘welcher von beiden’ (kret.), auch ὅσ-τις, ὅ-τε, οἷος, ὅσος u.a. — Altererbt und mit aind. yás, yā́, yád, aw. yō, yā, yat̃, phryg. ιος identisch, idg. *i̯os, i̯ā, i̯od. Alt auch ὄ-τερος = aind. ya-tará-, aw. ya-tāra- ‘ds.’. Die urspr. Funktion war nicht relativ, sondern eher demonstrativ; s. zuletzt Gonda Lingua 4, 1ff., auch Moods 96 f., 126; weitere Einzelheiten m. reicher Lit. bei Schwyzer 614f., auch WP. 1, 98, Pok. 283. II-434
ὅς 2. Demonstr.pron. in καὶ ὅς u.a. s. ὁ. II-434
ὅς 3. Possessiv pron. ‘suus’ s. ἕ. II-434
ὅσιος, (τὸ) ὅσιον, (τὰ) ὅσια ‘von den Göttern od. der Natur geboten od. erlaubt, gottgefällig, gerecht (= lat. fas), fromm, rituell rein’ (Thgn., ion. att.; vgl. ὁσίη unten). Als Hinterglied in ἀν-όσιος (ion. att.), wohl eig. Bahuvrihi ‘dem τὸ ὅσιον, ἡ ὁσία fremd ist’ (Frisk Adj. priv. 10 f.), ἀφ-όσιος = ἀν-όσιος (ägypt. Inschr. Ia; Strömberg Prefix Studies 41). Davon ὁσία, ion. -ίη f. ‘das göttliche od. natürliche Recht, Gesetz, heilige Sitte, heiliger Dienst’ (seit Od.), wohl für ὁσι-ία (Frisk Eranos 43, 220 m. Lit.; anders Porzig Satzinhalte 208); ὁσιό-της f. ‘gött- licher Gehorsam, Frömmigkeit’ (Pl., X. usw.). Denominativum ὁσιό-ομαι, -ω, bes. m. ἀφ-, auch m. καθ- u. ἐξ-, ‘(sich) entsühnen, weihen’ (ion. att.) mit (ἀφ-, καθ-)οσίωσις f. ‘Entsühnung, Weihung’ (D.H., Plu. u.a.), ἀφοσιώματα· καθάρ-ματα, καθάρσια H., ὁσιωτήρ m. "der Einweihende", Bez. eines Opfertiers in Delphi (Plu.). — Zur Bed. von ὅσιος, -ίη s. außer d. Lit. zu ἱερός noch W. J. Terstegen Εὐσεβής en ὅσιος. Diss. Utrecht 1941, Jeanmaire REGr. 58, 66ff., van der Walk REGr. 64, 417ff. Keine überzeugende Etymologie. Seit Brugmann Grundr.2 II: 1,401 gewöhnlich als ιο-Ableitung eines Ptzs. *s-o-to-(von es- ‘sein’) erklärt neben angeblichem *s-e-to- in ἐτά· ἀληθῆ (s. ἐτάζω). Als unwahrscheinlichere Alternative erwägt B. Umbildung eines *ἁτιος = aind. satyá- ‘wahr’ (aus idg. *sn̥t-ii̯o-) nach *ὁντ-. Schwyzer 344 hält äolischen Ursprung (ὁ- für ἁ-) für möglich. — Wohlbegründete Kritik bei v. Windekens Le Pélasgique 124 mit pelasgischer Erklärung (zu lat. iūs ‘Recht’ usw.). Von Merlingen Das "Vorgriechische" (Wien 1955) S. 18 ebenso unerschrocken mit ἅγιος identifiziert; ablehnend Chantraine Rev. de phil. 82, 285. II-435
ὀσμή = ὀδμή s. ὄζω. II-435
ὅσος, ep. ὅσσος, -η, -ον relat. Pron. ‘wie groß’ (seit Il.). — Vom Relativ ὅς; s.d. und τόσος. II-435
ὄσπριον (sp. auch -εον) n., meist pl. ‘Hülsenfrucht’ (ion. att.). Kompp., z.B. ὀσπριο-πώλης m. ‘Hülsenfruchthändler’ (att. Inschr.), ὀσπρ-ηγός (< *ὀσπρε-ηγός, Schulze Kl. Schr. 430A.4) ‘der ὄ. transportiert’ (Abydos V—VIp) Davon ὀσπρι-ώδης ’ὄ.-ähnlich’ (Aq., Orib.), -γίτης m. (-γ- spirantischer Hiatustilger) ‘Hülsenfruchthändler, -pflanzer’ (Pap. VIp); ὀσπρ-εύω ‘m. ὄ. besäen’ (att. Inschr.). — Ohne Etymologie; wohl LW (Chantraine Form. 55). Idg. Hypothesen von Ehrlich Betonung 120f. (zu σπεῖρον ‘Hülle’), von Strömberg Wortstud. 47 f. (zu σπείρω ‘säen’). II-435
ὄσσα, att. ὄττα f. ‘(vorbedeutende) Stimme, Gerücht’ (vorw. ep. poet. seit Β 93). Davon ὀττεύομαι ‘Vorzeichen abwarten, deu- ten, weissagen’ (Ar., Plb., D. H., Plu. u.a.) mit ὀττεία f. ‘Weissagung’ (D.H.); wohl nach μαντεύομαι. — Bildung wie γλῶσσα (: γλῶχ-ες) u.a., mit ια-Suffix zu ὄπ- ‘Stimme’ in ὄπ-α usw. (s. 1. *ὄψ), zunächst personifiziert als übermenschliches (göttliches) Wesen; s. Schwyzer 474, Schulze Kl. Schr. 210, Specht Ursprung 329, Porzig Satzinhalte 349, Chantraine Fondation Hardt. Entretiens I (1952) S. 59. II-435-436
ὄσσε n. du. ‘die beiden Augen’ (ep. poet. seit Il.; vgl. Treu Von Homer zur Lyrik 69 f.). Als Hinterglied in τρι-οττ-ίς f. ‘mit drei Augen (augenähnlichen Verzierungen) versehener Halsschmuck’ (vgl. τρίγλημα ἕρματα) mit dem Demin. -ιον (Hdn. Gr., Eust.); auch -ης m. (Phot., EM). — Altererbter Dual, bis auf das analog. hinzugefügte -ε (*ὀκι̯-ε) mit aksl. oč-i ’die beiden Augen’, arm. ač̣-k‘ pl. ‘Augen’ identisch : idg. *oqʷ-ī (Brugmann-Thumb 271, Schwyzer 565). Andere Erklärung der Endung von J. Schmidt KZ 26, 17 u.a.; wieder anders Benveniste Origines 7 3 f. — Weiteres s. ὄμμα, ὄπωπα, ὄσσομαι, ὀφθαλμός. II-436
ὄσσομαι, V. ‘(geistig) schauen, ahnen, ahnen lassen’ (ep. seit Il.). auch m. προτι-, ἐπι-, κατ-, — Altes Jotpräsens, zunächst für *ὄκ-ι̯ομαι aus idg. *oqʷ-i̯o / e- von *oqʷ- ‘sehen, Auge’, s. ὄπωπα, ὄμμα, ὄσσε. Das Präsens ὄσσομαι hat sich von den außerpräs. Formen ὄπωπα, ὄψομαι usw. semantisch entfernt, vgl. Treu Von Homer zur Lyrik 62 f. — Att. ὀττεύομαι gehört eher zu ὄσσα (s.d.). II-436
ὀστακός s. ἀστακός. II-436
ὀστέον (ion. hell.), att. ὀστοῦν, äol. pl. -ια, dor. (Theok.) -ία n. ‘Knochen’ (seit Il.), auch ‘Kern einer Frucht’ (Pap. IIIa usw.; vgl. unten). Einige Kompp., z.B. ὀστ(ε)ο-κόπος m. Bez. einer Knochenkrankheit (Hp., Thphr., Gal. u.a.), ὁλ-όστεον n. ‘Plantago Bellardi’, eig. subst. Bahuvrihi "aus lauter Knochen bestehend, wegen der Heilkraft; vgl. ὀστεο-κόλλος f. und Strömberg Pflanzenn. 88 f. u. 32. Ableitungen: Deminutiva: ὀστ-άριον n. (Mediz. u.a.), -αρίδιον n. (Pall.); Adj. -έϊνος (ion. att.), -ινος (Ar. Ach. 863 [böot.], Arist. u.a.), -όϊνος (Aq.) ‘knöchern’, -ώδης (X., Arist. usw.), -εώδης (Plu.) ‘knochenhaft’; -ίτης m. ‘zu den Knochen gehörig’ (Ruf.; Redard 101). — Altes Wort für ‘Knochen, Bein’, in mehreren Sprachen in wechselnder Gestalt erhalten. Ein urspr. Konsonantstamm, der in aw. ast- (z.B. Gen. ast-ō, Akk. as-ča aus *ast-ča) und in lat. os ( = oss, wohl aus *ost), Gen. oss-is vorhanden ist, wurde in anderen Sprachen verschiedentlich umgestaltet, z.B. in aind. Nom. Akk. ásth-i, Gen. asth-n-ás mit i : n-Wechsel, in heth. ḫašt-ai, Gen. ḫaštii̯-as mit Ablaut ai : i. Griech. ὀστ-έον erinnert zunächst an aind. hŕ̥d-ayam ‘Herz’ neben hā́rd-i ‘ds.’ (s. καρδία) und geht somit am ehesten auf -ειον zurück (zu heth. hašt-ai?; Sommer Sprachgesch. u. Wortbed. 426f.); vgl. noch venet. ostiiakon ‘ossuarium’. — Weitere Formen aus verschiedenen Sprachen m. überreicher Lit. bei WP. 1, 185 f., Pok. 783, W.-Hofmann s. os; dazu noch v. Windekens ZDMG 110,314ff. (über toch.B āst) und Hamp Word 9, 138ff. (Laryngalbetrachtungen); zu ὀστέον bes. Schwyzer 518 u. 298. Die Bed. ‘Kern einer Frucht’ liegt durch parallele Neuerung auch bei aind. ásthi vor; vgl. Mayrhofer s.v. — S. auch ὄστρακον, ἀστράγαλος, ἀστακός, ὀστρύα, ὀσφύς. II-436-437
ὄστλιγξ, -ιγγος (auch ἄστλ-) f. ‘Haarlocke, Ranke, Weinrebe, ringelnde Feuerflamme, Fangarrn des Tintenfisches’ (Thphr., Kall., A. R., Nik., Hdn. Gr. u.a.). — Bildung wie die sinnverwandten εἶλιγξ, στρόφιγξ, θῶμιγξ, πύλιγγες usw. (Chantraine Form. 399 f., Schwyzer 498); sonst dunkel. Zum Anlaut Winter Prothet. Vokal 21 f. II-437
ὄστρακον n. ‘knöcherne, harte Schale von Schnecken, Muscheln, Schildkröten usw.’ (h. Merc., A., Hp., Arist. u.a.), ‘irdene Scherbe (zum Aufschreiben, u.a. bei einer Abstimmung). irdenes Gefäß’ (Hp., att.). Einige Kompp., z.B. ὀστρακό-δερμος ‘eine knöcherne Schale als Haut habend, mit harter Haut’ (Batr., Arist. u.a.), μαλακ-όστρακος ‘mit weicher Schall (Arist.). Mehrere Ableitungen. A. Subst. 1. Demin. ὀτράκ-ιον n. (Arist., Str.); 2. -ίς, -ίδος f. ‘Pinienzapfen’ (Mnesith. ap. Ath.); 3. -εύς m. ‘Töpfer’ (APl.; Bosshardt 68). 4. -ᾶς m. ‘ds.’ (Inschr. Korykos, Hdn. Gr.); 5. -ίτης m. Bez. eines Steins (Dsk., Plin.), eines Kuchens (Ath.), f. -ῖτις ‘Art Galmei’ (Dsk., Plin.), Redard 59 u. 90; 6. -ίας m. Bez. eines Steins (Plin.). — B. Adj. 7. -ινος, 8. -ε(ι)ος, 9. -όεις (AP), -οῦς (Gal.) ‘irden, tönern’; 10. -ώδης ‘schalen-, scherbenartig, voll Scherben’ (Arist., LXX, Pap.). 11. -ηρά n. pl. ‘Schaltiere’ (Arist.). — C. Adv. 12. -ίνδα ‘mit Scherbenspiel’ (Ar. u.a.; Taillardat Rev. et. anc. 58, 189ff.). — D. Verba. 13. -ίζω jmds. Namen auf eine Tonscherbe schreiben und dadurch für seine Verbannung stimmen, verbannen’ (att., Arist. usw.) mit -ισμός m. ‘Verbannung durch das Scherbengericht’ (Arist.); 14. -όομαι ‘in Scherben zerspringen’ (A.), ‘von einer Schale bedeckt werden’ (Lyk., Gal.), -όω ‘in eine Schale verwandeln, verhärten’ (Arist.), ‘mit Scherben bedecken’ (att. Inschr. IVa). — Bildung auf -ακο- (Schwyzer 497, Chantraine Form. 384), wie ὄστρεον (s.d.) zunächst von einem r-Stamm ὀστ-ρ-, der mit dem in aind. ásth-i, asth-n-ás vorliegenden i : n-Stamm (s. ὀστέον) in Wechsel zu stehen scheint (s. auch ἀστακός, ἀστράγαλος); Schwyzer 518 m. Lit., WP. 1, 185f., Pok. 783 W.-Hofmann s. os; ält. Lit. auch bei Bq. II-437-438
ὄστρειον, -εον n. ‘Auster, Muschel, Meeresschnecke; Purpurfarbe’ (A., Epich., att. usw.). Kompp. ὀστρειο-γραφής ‘m. Purpurfarbe bernalt’ (Eleg. ap. Plu.), λιμν-όστρεα pl. ‘Teichaustern’ (Arist.). Davon ὀστρ-έϊνος ‘muschelig, mit Schale versehen’ (Pl.), -ῖνος ‘purpurn’ (POxy. 109, 5; III—IVp),wohl aus lat. ostrīnus ‘ds.’ (seit Varro), vgl. unten; -ε(ι)ώδης ‘austerartig, -ähnlich’ (Arist., Str. u.a.), -ειακός ‘zur Auster gehörig’ (Zonar.), -ίτης m. Art Stein (Orph. L.; Redard 59). — — Eig. "Knochentier", mit ε(ι)ο-Suffix von einem Nomen ὀστρ-’Knochen’, worüber s. ὄστρακον. Lat. LW ostreum n., ostre- f. (aus ὄστρεα n. pl.) mit ostr-īnus (wovon gr. ὀστρῖνος, s. ob.), -eātus, -eārius u. a.; daraus nhd. Auster usw. II-438
ὄστριμον n. ‘Stall, Hürde’ (Antim., H.), Ὄστριμα pl. als Gebirgsname (Lyk.). — Unerklärt. Ganz unwahrscheinliche Vermutung von Bezzenberger BB 27, 174: aus idg. *odh-troneben *edh-ro- in germ., z.B. asächs. edor ‘Zaun, Umfriedigung’, *odh-ro- in slav., z.B. aksl. odrъ ‘Bett’ (anders Vasmer s. odr); nicht besser Petersson IF 24, 265 (zu idg. u̯es- ‘wikkeln’). — Wohl eher als *’Schirmdach’ zu ὄστρακον, ὄστρεον wie lat. lestūdō ‘Schildkröte’, auch ‘Schutzdach’. II-438
ὀστρύα (-ύη), ὀστρύς, -ύος (-υς, -υος?), ὀστρυϊς, -ίδος f. N. eines Baumes mit hartem weißem Holz, ‘Hopfenhainbuche, Ostrya carpinifolia’ (Thphr., Plin.). — Begrifflich mit ὄστρεον (s.d.) vereinbar, läßt sich das Wort in seinen verschiedenen Formen mit ὀξύα, δρῦς, (βότρυς?), ἀχερωΐς vergleichen; die Annahm einer Silbendissimilation für *ὀστρο-δρυς (Brugmann IF 19, 399) ist jedenfalls ganz fraglich (vgl. Schwyzer 263). Heubeck Praegraeca 37 betrachtet mit Neumann Glotta 37, 110f. ὄστρυς als vorgr.; daraus durch Erweiterung -ύα, -υΐς. II-438
ὀσφραίνομαι (ion. att.), Aor. ὀσφρ-έσθαι (att.; ὤσφραντο Hdt. 1, 80), Fut. ὀσφρ-ήσομαι (att.), auch ὀσφραν-θῆναι (Hp., Arist. u.a.), -θήσομαι (LXX), jünger Präs. ὀσφρ-ᾶται (Paus., Luk. u.a.), Aor. ὠσφρ-ήσαντο, -ήθη (Arat., Ael. u.a.), ‘riechen, wittern’; selten u. sp. kaus. ὀσφραίνω, auch m. ἀπ-, συν-, παρ- u.a., ‘zu riechen geben, riechen machen’ (Gal., Gp. u.a.). sehr vereint m. περι-, ὑπ-, κατ-, Davon 1. ὄσφρ-ησις f. ‘Geruchssinn, -organ’ (Pl., Arist. usw.), 2. -ασία f. ‘Geruch, das Riechen’ (LXX, Arr.), 3. -ανσις f. ‘Geruchssinn’ (Klearch.). 4. Rückbildung ὄσφραι f. pl. ‘Düfte, Geruch’ (Ach. Tat.) mit ὀσφράδιον n. ‘Blumenstrauß’ (Eust.). 5. ὀσφρ-αντήριος ‘rie chend, witternd’ (Ar.), 6. -αντικός ‘riechend, des Riechens fähig (Arist. usw.), -ητικός ‘ds.’ (Gal., D. L.); 7. -αντός (Arist. u.a.). -ητός (S. E., Gal. u.a.) ‘riechbar’. Zusammenbildung καπν-οσφράν-της m. "Rauchriecher" (Kom. Adesp., Alkiphr.) u.a. — Der Formenkomplex ist offenbar nach Muster ähnlicher Bildungen ausgebaut worden, aber die Belege lassen keine sicheren Schlüsse über ihre relative Chronologie zu. Zu ὀσφρέσθαι : ὀσφρήσομαι : ὀσφρητός stimmen die sinnverwandten, weit geläufigeren αἰσθέσθαι : αἰσθήσομαι : αἰσθητός. Daran konnte sich ὀσφραίνομαι schließen nach formalen Vorbildern wie ἀλιτέσθαι : ἀλιταίνομαι, βήσομαι : βαίνω, πεφήσεται : φαίνω u.a.m.; des weiteren ὀσφρανθῆναι nach εὐφρανθῆναι; ὤσφραντο (Hdt.) wohl nach ἠνείκαντο u.a. (vgl. Wackernagel Verrn. Beitr. 48 = Kl. Schr. 1, 809). Man hat somit keinen Anlaß, die verschiedenen Formen als altererbt zu betrachten (so z.B. Fraenkel Nom. ag. 2, 82f.). — Daß die Anfangssilbe mit ὄζω, ὀδμή, ὀσμή zusammenhängt, ist schon längst angenommen worden (s. Curtius 244 m. Lit.); seit Wackernagel KZ 33, 43 (Kl. Schr. 1, 722) wird darin ein schwundstufiger σ-Stamm *ὀδσ- (vgl. -ώδης u.a. s. ὄζω) vermutet. Gegen W.s weitere Gleichsetzung von ὀσ-φραίνομιαι mit ἀ-, εὐ-φραίνω (zu φρήν) sprechen namentlich die außerpräs. Formen ὀσ-φρέσθαι, -φρήσασθαι, zu denen ἀ-, εὐ-φραίνω nichts Vergleichbares bieten. Dafür suchen Brugmann (z.B. IF 6, 100ff.) u.a. Anschluß an aind. jí-ghr-ati, ghrā-ti ‘riechen’ ghrāṇa-m n. ‘Geruch, Nase’ ( = toch. A krāṃ ‘ds.’; vgl. Duchesne-Guillemin BSL 41, 154). Die Einzelheiten bleiben indessen unklar; Schwyzer 644 A. 5 ist geneigt, mit Brugmann4 302 A. 1 u.a. von einem Nomen *ὄσ-φρ-ος ‘einen Geruch witternd’ auszugehen; dagegen mit triftigen Argumenten Debrunner IF 21, 42 . — Ältere Lit. bei Bq. II-438-439
ὀσφῦς, -ύος (Hdn. Gr.; codd. oft -ύς) f. ‘Hüfte, Lende’ (ion. att.). Als Vorderglied u.a. in ὀσφυ-αλγής (A.Fr. 361 = 111 M., Hp.) ‘an Lendenkrankheit (lumbago) leidend’ mit -έω, -ία (Hp.); Demin. ὀσφύδιον n. (Theognost.). — Unerklärt; zur Bildung vgl. ἰξύς (Strömberg Wortstud. 67), νηδύς u.a. Gewöhnlich, aber ohne eigentlichen Grund (Benveniste Origines 7), mit ὀστ-έον verbunden unter Annahme verschiedener Hinterglieder: φῡ- in ἔ-φυ-ν usw. (Kretschmer KZ 31, 332); zu σφυ- in σφυδῶν· ἰσχυρός ... H. u.a. (Persson Beitr. 1, 415 u. 2, 717; zögernd). Andere, ebenfalls unbefriedigende Hypothesen bei Bq s.v., W.-Hofmann s. os, WP. 1, 175, Pok. 783, Schwyzer 302; auch Prellwitz s.v. (zu ψόαι, ψύαι ‘Lendenmuskeln’; ebenso mit neuer Etymologie Grošelj Živa Ant. 7, 44). Anl. ὀ-prothet. nach Meillet BSL 27, 131 (wegen des Zirkumflexes). II-439
ὄσχη 1. f. ‘scrotum, Hodensack’ (Hp.), in ders. Bed. auch ὀσχ-έα f., -εος m. (Arist. u.a.), -εον n. (Poll., H.); ἀν-οσχ-ήν· ἄνανδρος H. — Metaphorischer Gebrauch von 2. ὄσχη. II-440
ὄσχη 2. auch ὤσχη· κληματίς (EM, Suid., H.); m.pl. ὠσχοί· τὰ νέα κλήματα σὺν αὐτοῖς τοῖς βότρυσι H. (ähnl. u.a. EM 619, 32, wo οἰ- nach οἶνος?); sg. Aristodem. ap. Ath. 11, 495 f.; f. ‘Weinrebe mit Trauben’ in ὄσχαι· κλήματα βοτρύων γέμοντα H. (ähnl. Harp.; unklar Nik. Al. 109); meist in ὠσχο-φόρια n. pl. N. eines athen. Festtages mit -φόροι m. pl., -φορικός (seit IVa; zur Bed. Rutgers van der Loeff Mnem. 43, 404ff.); codd. auch ὀ- (ebenso ὄσχος als Konj. Ar. Ach. 997). Hypostase ἐπ-όσχ-ιον n. ‘Auswuchs der Weinrebe’ (Gal.); weitere Einzelheiten bei Strömberg Wortstud. 53 f. — Nicht sicher erklärt. Von Brugmann IF 19, 379 A. 1, Grundr.2 II: 2, 816 und von Bloomfield Lang. 3, 213f. zu σχ-εῖν ‘festhalten’, σχ-εδόν gezogen mit präfig. ὠ-, ὀ-; semantisch alles andere als einleuchtend (vgl. zu 1. ὄζος). Scheftelowitz IF 33, 141, 144f. vergleicht, ebenso hypothetisch, das isolierte mpers. azg ‘Ast’, npers. azaɣ ‘Zweig, Knospe’; Einzelheiten bei WP. 1, 185 u. 2, 301. — Das Abhandenkommen des Wortes in seiner urspr. Bed. hängt wohl mit dem übertragenen Gebrauch (s. 1) zusammen. II-440
ὅτε (ion. att. ark. kypr.), ὅτα (äol.), ὅκα (dor.); myk. o-te? Konj. ‘wenn, da’ (meist temporal) — Nach gewöhnlicher, wohl richtiger Annahme aus dem Relativum ὅ- (idg. *i̯o-) und den Part. -τε, -τα, -κα (vgl. zu εἶτα, ἡνίκα und Schwyzer 629). Anders über ὅτε Wackernagel KZ 67, 1ff. (Kl. Schr. 1, 257ff.): ὅ-τε = aind. sa ca in sa ced (aus ca-id), pāli sace ‘wenn’ (meist kondit.). II-440
ὄτλος m. ‘Bürde, Last, Beschwerde’ (A. Th. 18, S. Tr. 7 Sch.) mit ὀτλ-έω (Kall., A. R., Lyk.), -εύω (A. R., Babr.) ‘ertragen, er- dulden’, -ημα n. ‘Mühsal’ (H., Theognost.). — Verbalnomen zu τλῆ-ναι ‘(er)tragen’ mit anlaut. ὀ-, wohl eher rhythmisch bedingte Vokalprothese als (mit Kretschmer KZ 36, 268) Präfix; vgl. Schwyzer 412 m. Lit. Laryngalbetrachtungen bei Austin Lang. 17, 88. II-440
ὄτοβος m. ‘Lärm, scharfer Ton’ (Hes., A., S., Antim.) mit ὀτοβ-έω ‘lärmen, hell tönen’ (A. in anap. u. lyr.). — Onomatopoetisch mit βο-Suffix wie in θόρυβος, κόναβος u.a. — Daneben die reduplizierte Interj. ὀτοτοῖ ‘ach!, weh!’ (Trag. in lyr.; Schwyzer-Debrunner 600 f.) mit ὀτοτ-ύζω ’ὀτοτοῖ rufen, wehklagen’ (A. in lyr., Ar. u.a.; Schw. 716). II-440
ότραλέως — ὀτρηρός ‘ds.’ (Hom., Ar. in lyr. u.a.). Adv. ‘hurtig, rasch’ (Γ 260, Τ 317, τ 100, Hes. Sc. 410, Sapph. 44, 11, A. R. 1, 1210), -λέος Adj. ‘ds.’ (Opp., Q. S.). ὀτρύνω, Aor. ὀτρῦναι, Fut. ὀτρυνῶ, auch (in d. Prosa immer) m. Präfix, bes. ἐπι-, ‘antreiben, aufmuntern, auffordern, betreiben’ (seit Il.). — Davon ὀτρυν-τύς, -ύν f. ‘Aufforderung’ (T 234f., Antim. 91), -τικός ‘auffordernd’ (Eust.), -τεύς m. N. eines Lydiers mit -τείδης (Υ 383f., 389; Bosshardt 99); ἐργ-ότρυς· κατάσκοπος ἔργων H. (Rückbildung). — Einzelheiten bei Debrunner IF 23, 12f., 31 u. 38. — Wie in κλί̄νω (aus *κλῐ-ν-ι̯ω) ist in ὀτρύ̄νω (aus *ὀτρῠ-ν-ι̯ω) einer älteren Nasalbildung ein präsentisches Jotsuffix hinzugefügt worden. Zu ὀτρύ-νω : ὀτρα-λέως stimmt τρῠ-φάλεια : τράπεζα (letzteres jedoch umstritten, vgl. s.v.); dazu noch das langvok. ὀτρη-ρός wie, mit ω-Qualität, τε-τρώ-κοντα ? Aber ὀτρηρός zweifellos eher Neubildung auf -ηρός (wozu Schwyzer 482, Chantraine Form. 23 1ff.); ὀτρ-αλέος zu ὀτρ-ύνω etwa nach θαρσ-αλέος : θαρσ-ύνω ?— Für ὀτρύνω aus *ὀ-τρῠ-ν-ι̯ω (vgl. 2. ὀ-) laßt sich sowieso ein schwundstuf. idg. tu̯r̥- ansetzen, wodurch eine Brücke zu aind. tvár-ate (Med.) ‘eilen’ und zu germ., z.B. ahd. dweran ‘schnell herumdrehen’ (idg. tu̯er-) hergestellt wird. Weitere Kombinationen, fürs Griechische belanglos, bei WP.1, 749f. (m. Lit.), Pok. 1100f., W.-Hofmann s. trua; 2dazu noch Schwyzer 694 u. Schw. -Debrunner 491; ält. Lit. bei Bq. Vgl. τορύνη u. τύρβη. II-440-441
ὀτρύγη, -φάγος s. τρύγη. II-441
ὀττεύομαι s. ὄσσα. II-441
οὐ, antevok. οὐκ, οὐχ (seit Il.), οὐκί (ep.), οὐχί (vorw. Trag., auch Hom. u. att. Prosa), myk. ou-qe ‘(und) nicht’? ‘nicht’ — Unerklärt. Vorgr. Ursprung wird von Wackernagel Syntax 2, 257 und Kretschmer Glotta 14, 230 erwogen. Mehrere vergebliche od. anfechtbare idg. Etymologien: aind. úd, got. ūt ‘aus’; lat. au- und haud; arm. oč̣ ‘nicht’ (zuletzt Cowgill Lang. 36, 347 ff. mit weiterem Anschluß an αἰών u. Verw.); s. die Übersicht bei Schwyzer-Debrunner 591 A. 5 (m. Lit.). Nicht besser Carnoy Ant. class. 24, 20 u. Rev. belge de phil. 33,492. — Hom. οὐ-κί enthält wie οὔ-τι das idg. Indef. *qʷi-d (s. τίς; zum Lautl. Schwyzer 299); davon durch Elision οὐκ, mit Aspiration οὐχ, falls nicht aus οὐ-χί elidiert, wie ναί-χι, ἧ-χι u.a. = aind. hí (in na-hí ‘denn nicht’ u.a.), aw. zi, idg. *ĝhi hervorheb. Part. (WP. 1, 542, Pok. 417f.). — Aus οὐδὲ εἷς ergaben sich οὐδείς, jungatt., koine οὐθείς ‘niemand’ (zum Lautl. Schwyzer 408); ebenso οὐδ-αμοῦ, -αμοῖ, -αμῶς, -αμός, -άμινος zu *ἁμός (s.d.), ἅμα. — Zum Gebrauch von οὐ usw. außer Schwyzer-Debrunner 592 f. m. Lit. noch A. C. Moorhouse Studies in the Greek Negatives. Cardiff 1959 (bespr. von Risch IF 66, 312ff., Humbert BSL 56, 82ff., Whatmough ClassPhil. 56, 65). ältere Lit. auch bei Bq. II-441-442
οὖδας, -εος, -ει n. ‘Erd-, Fußboden’ (ep. poet. seit Il.; zur Flexion Schwyzer 242 u. 515, Chantraine Gramm. hom. 1, 210f.). Davon οὐδαῖος ‘auf od. unter dem Erdboden befindlich’ (Lyk., Orph., AP) und mehrere Hypostasen: κατ-, ὑπ-ουδ-αῖος ‘unterirdisch’ (Hes.Fr. 60, h. Merc.. Kall. bzw. Plu., Opp.), ἐπουδαῖοι· ἐπιχθόνιοι H.; προσ-ουδ-ίζω, -ίσαι ‘zu Boden werfen’ (Hdt., Plu., D. C.), ἐποτούδιξε· κατέβαλεν ἐπὶ γῆν II. — Ohne sichere Etymologie. Semantisch ansprechend aber lautlich schwierig ist die Zusammenstellung mit arm. getin ‘Erdboden’ (Scheftelowitz BB 29, 27 u. 44), wozu vielleicht heth. utne ‘Land’ (idg. *u̯eden-o- bzw. *udn-; [Götze-]Pedersen, s. Friedrich Wb. s.v.); dabei bleibt οὐ- (ὀ-ϝοδ-?) unerklärt. Auch οὐδός ‘Schwelle’ und ἔδαφος ‘Grund, Boden’ sind herangezogen worden, s. dd. m. Lit. II-442
οὐδός (ep. ion. seit Il.), ὀδός (att.), ὠδός (Kyrene, H.) ‘Schwelle’ (vorw. poet.). — Unerklärt. Eine vermutliche Grundform *ὀδϝός (Schwyzer 301; vgl. Schulze Q. 113 m. A. 9 u. Add., Chantraine Gramm. hom. 1, 162) ermöglicht Anknüpfung an οὖδας, wenn man dies als eine verallgemeinerte ion. Form (att. *ὄδας) betrachten darf (J.Schmidt Pluralbild. 341; dagegen Schulze Q. 114 A. 1). Bei weiterer Einbeziehung von arm. getin, heth. utne (s. οὖδας) ist man genötigt, für οὖδας und οὐδός von ὀ-ϝοδ- (mit Vokalprothese) auszugehen, woneben ὀδός aus *ϝοδ-ός (WP. 1, 254; Belardi Doxa 3, 217, wo *ὀ-ϝεδας angesetzt wird); wenig verlockend. Abzulehnende Vermutungen (ὁδός, ἔδαφος) von Brugmann IF 13, 85 u.a.; dagegen Solmsen KZ 32, 286. II-442
οὐδών, -ῶνος m. (Poll. 10, 50) ‘Art Filzschuh aus Ziegenhaar’; lat. ūdō (odō), -ōnis m. mit den Demin. -ώνιον (Edict. Diocl. [Asine]), -ωνάριον (Charis., Gloss.) — Nach Martial 14, 140 kilikisch, somit kleinasiat. Fremdwort; vgl. W.-Hofmann s.v. und Neumann Heth. u. luw. Sprachgut 33. II-442
οὖθαρ, -ατος n. ‘Euter’, auch übertr. (seit Il.). Davon οὐθάτ-ιος (AP), -όεις (Nik., Opp., Orph.) ‘zum Euter gehörig, fruchtbar’. — Altererbte Bez. des Euters, in mehreren Sprachzweigen erhalten. Der urspr. r-n-Stamm ist außer in οὖθαρ auch in aind. ū́dhar, Gen. ū́dhn-as vorhanden. In lat. ūber, -eris n. (sekundär Adj. ‘reichlich, fruchtbar’) hat sich der r-Stamm durchgesetzt, ebenso in germ., z.B. mhd. ūter, awno. jūgr (aus *ǰūdr; im Anlaut abweichend, s.u.), lit. ūdr-óju, -óti ‘eutern, trächtig sein’, pa-ūdróti ‘ein immer größeres Euter bekommen’ von trächtigen Schweinen und Hündinnen. Das Slav. hat das alte Wort nach den zahlreichen Nomina auf -men umgebildet, z.B. skr. vȉme, russ. výmja n. Die Schwankungen im Anlaut verraten alten Ablaut ē̆udh-, ō̆udh-, ūdh- (anders über ου in οὖθαρ Pisani KZ 72, 216). Wurzelbetrachtungen bei Szemerényi Glotta 34, 2 72 ff.; dazu noch (bes. über anklingende Flußnamen) Krahe Beitr. z. Namenforsch. 5, 35ff. u. 108f., Kilian ebd. 134 ff. Ältere und weitere Lit. bei Bq, W.-Hofmann s. ūber, WP. 1, 111, Pok. 347, Vasmer s. výmja. II-442-443
οὐλαί (ep. ion. seit γ 441),. ὀλαί (att.), ὀλοαί (ark. IIa) f. pl. ‘(ungeschrotete) Gerstenkörner, die geröstet zwischen die Hörner des Opfertieres geschüttet wurden’, lat. mola salsa (zur Bed. Buttmann Lexil. 1, 191ff.). Als Vorderglied in οὐλο-χύτας Akk. pl. f. ‘ds.’ (Hom.); οὐλό-χυτα· τὰ κατάργματα H.; Zusammenbildung von οὐλαί und χέω (s.d.) mit το-Suffix (vgl. z.B. ἀκμό-θε-τον); οὐλο-χύτας hat sich bzgl. des Genus nach οὐλαί gerichtet (anders Schwyzer 439: für *οὐλὰς χυτάς); davon οὐλοχυτ-έομαι ‘mit οὐ. bestreuen’ (Thphr. ap. Porph.). Auch οὐλο-χόϊον (-χοεῖον?)· ἀγγεῖον, εἰς ὅ αἱ ὀλαὶ ἐμβάλλονται πρὸς ἀπαρχὰς τῶν θυσιῶν H.; wie von *οὐλο-χόος, -χοέω. Davon (mit ὀλβ- = ὀλϝ-) ὀλβ-άχνιον n. ‘Korb für die ὀλαί’ (EM 257, 53 [syrakus.]; zur Bildung vgl. πέταχνον und Chantraine Form. 195); auch ὀλβάχιον· κανοῦν. Δεινόλοχος H.; ὀλβακήϊα ‘ds.’ (dor. nach H. s. εὔπλουτον κανοῦν). Unklar ὀλαγμεύειν· ὀλὰς βάλλειν Phot. mit ὀλαιμεύς· ὁ (cod. τὸ) τὰς ὀλὰς βάλλων H.; zu γ ~ ι s.v. Blumenthal Hesychst. 22. — Da in ark. ὀλοαί ο für ϝ stehen kann (Brugmann-Thumb 44; vgl. δοάν = δϝάν s. δήν), ergibt sich als gemeinsame Grundform ὀλϝαί. — Technisches Wort ohne überzeugende Anknüpfung. Der Vergleich mit ὄλυραι und ἔλυμος ‘Hirse’ (s.d.) ist ganz hypothetisch. Noch fraglichere Kombinationen bei Specht Ursprung 114, 127 u. 146. II-443
οὐλαμός m. ‘Gedränge, Getümmel, Gewühl’ (Il.; οὐ. ἀνδρῶν); übertr. von Bienen (Nik.); technisch = ‘Reitertrupp’ (Plb., Plu.; Solmsen Unt. 79, Fraenkel Nom. ag. 2, 208 A. 2); als Vorderglied in οὐλαμη-φόρος, οὐλαμ-ώνυμος (Lyk.); Einzelheiten bei Trümpy Fachausdrücke 159. — Aus γόλαμος (=ϝόλ-)· διγμός H. (zum Akz. Bechtel Dial. 1, 120) ergibt sich urspr. (ϝ)ολαμός m. metr. Dehnung (vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 124 f.). Von 1. εἰλέω ‘zusammendrängen’ mit ο -Abtönung wie in ποταμός, πλόκαμος u.a. II-443
οὔλαφος · νεκρός H. s. 3. οὖλος. II-443
οὖλε ‘salve’ (ω 402) s. ὅλος. II-443
οὐλή f. ‘vernarbte Wunde, Narbe’ (seit Od.); οὐλο-πρόσωπος ‘mit narbigem Antlitz’ (Cat. Cod. Astr.). Davon οὐλόομαι, -όω ‘vernarben, Narben verursachen’ (Arist. u.a.) mit -ωσις (Gal.). -ωμα (Suid.) ‘Vernarbung’. — Aus *ϝολσά od. *ϝολνά (Forbes Glotta 36, 242; zum Digamma Chantraine Gramm. hom. 1, 125); ohne unmittelbare außergriech. Entsprechung. Am nächsten steht lat. volnus n. ‘Wunde’ mit strittiger Grund. form. Unsicher kelt., z.B. kymr. gweli m. ‘Wunde’, auch ‘Blut’ (Loth Rev. celt. 41, 208), air. fuil f. ‘Blut’, mir. fuili ‘blutige Wunden’. Als gemeinsame Grundlage dieser und mehrerer anderer Nomina wird ein Verb u̯el- ‘(an sich) reißen’ in lat. vellō ‘rupfen’ u.a. angenommen, wozu noch ἁλίσκομαι ‘gefangen werden’ gezogen wird. Weitere mehr oder weniger fragliche, für das Griech. jedenfalls belanglose Verwandte bei WP.1,305ff. (m. reicher Lit.), Pok. 1144f., W.-Hofmann (m. reicher Lit.) u. Ernout-Meillet s. volnus. II-443-444
οὔλιος ‘verderblich’ s. 3. οὖλος. II-444
οὖλον, gew. pl. -α, n. ‘Zahnfleisch’ (Hp., A., Pl., Arist. u.a.). — Grundform unsicher: *(ϝ)όλσον, *(ϝ)όλνον oder sogar (falls ion. LW im Att.) *(ϝ)όλϝον? Etymologisch ebenfalls mehrdeutig: sowohl Anknüpfung an εἰλέω, εἴλομαι ‘zusammendrängen, -pressen’ mit Beziehung auf die kompakte, massige Struktur des Zahnfleisches wie an εἰλέω ‘drehen, winden’, εἰλύω ‘umwinden, umhuflen’ (eig. *"Wulst, Umhüllung"; Bq, WP. 1, 299, Pok. 1141, W.-Hofmann s. gingīva) scheint an und für sich denkbar. II-444
οὖλος 1. ‘ganz, vollständig’ s. ὅλος. II-444
οὖλος 2. A. von κόμη, λάχνη, χλαῖνα, τάπητες usw. (vorw.ep.poet. seit Il.), entsprechend als Vorderglied in οὐλό-θριξ, -κάρηνος, -κομος u.a. (Od., Hdt., Alex., Arist. u.a.); auch von Pflanzen wie ἕλιξ, σέλινον (Simon., Hdt. usw.), ‘kraus, zottig, wollig, gewunden’; B. später von ξύλον, δένδρον u.a. (Thphr. u.a.), auch von der Stimme (Plu., AP), von Bewegungen (Kall.) ‘kompakt, dicht, gedrungen, πυκνός, συνεστραμμένος’. Zu A. οὐλάς f. von χαίτη (Nik.), οὔλιος von χλαμύς (B.); οὐλάς auch als Subst. = πήρα, θύλακος (Kall., AP, H. u.a.). — Im Sinn von ‘kraus usw.’ läßt sich οὖλος mit εἰλέω ‘rollen, drehen, winden’ ohne weiteres verbinden (Bechtel Lex. mit Buttmann). Die später belegte Bed. ‘kompakt, dicht usw.’ paßt eigentlich besser zu εἰλέω ‘zusammendrängen, -drücken’, es kann sich aber sehr wohl um eine semantische Verschiebung (’gewunden’ > ‘gedrungen’; vgl. συστρέφειν) handeln, wie sich die beiden betreffenden Verba überhaupt nicht immer scheiden lassen (vgl. s.vv.). — Morphologisch schwierig; die (trotz Bechtel s.v.) wohl lautlich möglichen Grundformen *ϝόλσος od. *ϝόλνος eignen sich besser für ein Subst., ebenso das von B. dafür vorgeschlagene *ὄ-ϝλ-ος (Schwundstufe mit Prothese wie in ὄ-τλ-ος); auch ein redupl. *ϝό-ϝλ-ος ist denkbar (zum Digamma Chantraine Gramm. hom. 1, 125). Vgl. ἴουλος. II-444-445
οὖλος 3. ‘verderblich’ Beiw. des Ares und des Achilles, auch des Ὄνειρος (Il.; vgl. unten); des Eros (A. R.), auch von χεῖμα (Bion), von στόμιον (Nik.); wohl auch in οὖλον κεκλήγοντες (P 756, 759; nach den Sch. und McKenzie ClassQuart. 21, 206 ‘dicht, laut, heftig’; zu 2.); mit ιο-Sufflx in derselben Bed. οὔλιος von ἀστήρ (Λ 62), von Ares u.a. (Hes. Sc., Pi., S. in lyr.); auch von Apollon u. Artemis (Delos, Miletos), wohl urspr. als Sender der Pest und des Todes ( = λοίμιος), dann auf Apollon als Heilgott bezogen und mit ὅλος verbunden (woher ’Απ. Ὄλιος in Lindos; vgl. zu ὅλος). — Mit φο-Suffix erweitert in οὔλαφος· νεκρός H., οὐλαφη-φόρος ‘Leichenträger’ (Kall. Iamb. 1, 234); vgl. Chantraine Form. 263 (abzulehnen Bechtel Dial. 3, 323). — Zu ὄλλυμι, aber im einzelnen unklar; vielleicht aus *ὄλ-ϝος (eig. Subst.?), wie ὀλοός aus *ὀλο-ϝός, *ὀλε-ϝός (Bechtel Lex. mit Fick); andere Versuche von Brugmann IF 11, 266 ff. (s. Bq). — Als Beiwort von Ὄνειρος wird οὖλος von Fick und Bechtel Lex. 259 f. als ‘täuschend’ verstanden und zu lit. vìlti ‘duschen, betrügen’ gezogen; verlockend aber überflüssig. Anders über οὖλος Ὄ. Thieme Studien 12A.1 (zögernd: eig. ‘vergänglich’?). II-445
οὖλος 4. m. ‘Korngarbe’, sek. ‘Lied zu Ehren der Demeter’ (Ath. 14, 618d); οὖλοι· δράγματα H. Davon Οὑλώ f. Bein. der Demeter (Semus 19). — Mit ἴουλος bis auf die Reduplikation identisch; s.d. II-445
οὖν (Hom., att.), nachhom. ion. ὦν (auch οὖν überliefert), lesb. böot. dor. ὦν, thess. οὖν (< ὦν?) postpositive Part. ‘nun, also’, auch (urspr. ?) affirmativ ‘in Wahrheit, in der Tat, gewiß’. — Schon wegen des unklaren Verhältnisses von οὖν zu ὦν schwierig zu beurteilen. Viele ganz hypothetische und wenig überzeugende Deutungsversuche bei Brugmann-Thumb 633 und bei Schwyzer-Debrunner 586 f.; daselbst auch reiche Lit. Über οὖν bei Hom. noch Reynen Glotta 36, 1ff. u. 37, 67 ff. II-445
οὕνεκα, -κεν rel. Adv. u. Konj. ‘weswegen, weshalb, (deswegen) weil’ (ep. poet. seit Il.), Präp. ‘wegen’ = ἕνεκα (vorw. att. Dichtung, Herod.). — Als Relat. aus οὗ ἕνεκα zusammengezogen, als Präp. aus ἐκείνου ἕνεκα > ἐκεινούνεκα u.ä. durch falsche Zerlegung entstanden. Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer 413, Schw.-Debrunner 552 u. 661 f. II-445
οὖνον, οὔνει — Nach Mayer Acme 14, 233ff. aus ägypt. wny (vgl. kopt. ου(ε)ινι) ‘laufen’ (?). s. ἐριούνης. II-445
οὐρά, ion. -ή f. ‘Schwanz, Schweif’ (seit Il.), später oft übertr. ‘Nachtrab, Nachhut’ (X., Plb. usw.). Kompp., z.B. οὐρ-ᾱγός m. ‘der Anführer des Nachtrabs’ mit -έω, -ία (X., Plb.. LXX usw.), κόλ-ουρος (s. κόλος), κόθ-ουρος, πάγ-ουρος (s. dd.). Davon 1. das Demin. οὐράδιον (Gp.); 2. das Adj. οὐρ-αῖος ‘zum Schwanz gehörig’ ( Ψ 520, Hp. u.a.) mit -αία f. (wie κεραία u.a.) ‘Schwanz’ (Aret. u.a.), -αῖον n. ‘ds.’ (E. u.a.). 3. οὐρ-αχός m. ‘auslaufende Spitze’, z.B. des Herzens, der Augenbrauen, eines Stengels (Mediz., Ael. u.a.), -ίαχος m. ‘unteres Speerende’ (Il., A. R., AP u.a.; metr. bedingt?); vgl. κύμβ-αχος, στόμ-αχος u.a. 4. οὐρώδης ‘zum Schwanz gehörig’ (Hp. v.l.). 5. auch οὖραξ, -αγος att. Bez. des Vogels τέτριξ (Arist.)? — Wie κουρά neben κόρρη, κόρση kann οὐρά neben ὄρρος, -ορσος stehen; Grundform somit am ehesten *ὀρσά (zum Lautlichen s. zu κουρά); zu beachten bes. air. err f. ‘Schwanz’ < idg. *ersā. Die Ansetzung von *ὀρσι̯ά (WP. 1, 138; auch Forbes Glotta 36, 237 f. als Alternative) oder *ὀρσϝά (Brugmann-Thumb 148 u.a. mit Hinweis auf aind. r̥ṣvá- ‘hoch’) erübrigt sich (vgl. Schwyzer 286 Zus. 1 m. reicher Lit.). S. auch ὄρρος. II-446
οὐρανός, dor. böot. ὠρανός, äol. ὤρανος, ὄρανος (beide wohl für ὄρρ-, s.u.) m. ‘Himmel’ (seit Il.), auch personifiziert (Hes. usw.). Oft als Vorderglied, z.B. οὐρανο-μήκης ‘himmelhoch’ (seit ε 239); in Hypostasen wie ἐπ-ουράν-ιος ‘im Himmel befindlich’ (seit Il.). Davon 1. das Dentin. οὐρανίσκος m. ‘Zeltdach, Gaumen’ (hell. u. sp.), auch N. eines Sternbildes (Sch.; Scherer Gestirnnamen 193); 2. οὐράν-ιος ‘himmlisch’ (Pi., ion. att.), -ίς f. (AP); -ία f. N. einer der Musen (Hes. usw.); 3. Οὑραν-ίωνες (θεοί) m. pl. ‘die Himmlischen (Götter)’ (Hom., Hes.), auch ‘die Titanen’ (Ε 898; von Οὑρανός); -ίδης, dor. -ίδᾱς ‘S. des Uranus’, pl. ‘die Titanen’, auch ‘die Himmlischen’ (Hes., Pi. u.a.; Fraenkel Nom. ag. 2, 20); 4.Οὑραν-ιάς f. ‘Spiel zu Ehren der Urania’ (Sparta); 5. οὐραν-ίζω od. -ίζομαι ‘in die Höhe steigen’ (A.Fr. 766 M.), -ιάζω ‘in die Höhe wer- fen’ (H. s. οὐρανίαν), -οῦσθαι ‘in den Himmel hinaufgehoben, vergöttlicht werden’ mit -ωσις (Eust.). — Da das äol. Schwanken ὠρ-, ὀρ- wahrscheinlich ein geminiertes ὀρρ- repräsentiert (Wackernagel Unt. 136 A. 1), ergibt sich als Grundform *(ϝ)ορσανός mit Akz. wie ὀρφανός und somit vielleicht von einem Nomen *(ϝ)ορσό- = aind. varṣá- n. m. ‘Regen’ (vgl. Wackernagel KZ 29, 129 = Kl. Schr. 1,632). Wie sich aber z.B. ὄχανον, ξόανον auf ἔχω, ξέω beziehen lassen, kann οὐρανός als Nom. ag. zu einem primären Verb *ϝερσ-= aind. várṣati ‘regnen’ gehören; es läßt sich aber auch an das iterative οὐρέω (s. d.) anschließen, wie indoir. Nomina auf -anazu sekund. Verba auf -ayati ( = gr. -έω) in Beziehung stehen (Wack.-Debrunner II: 2, 198ff.); Bed. somit "Regenmacher" od. übertr. "Befeuchter, Befruchter" (Wackernagel a. O.; vgl. ἕρση). — Nach Specht KZ 66, 199ff. (mit Schulze), Fraenkel (s.Wb. s. viršùs) u. a. als "der zur Höhe in Beziehung stehende" zu aind. varṣman- m. n. ‘Höhe’, lit. viršùs ‘Oberes, höchste Sitze’, wozu noch Ἔρρος· ὁ Ζεύς H. (idg. u̯er-s- WP. 1, 267, Pok. 1151f.); weder sachlich noch formal vorzuziehen. —Gegen die alte, oft wiederholte aber sicher unrichtige Identifikation mit dem aind. Gottesnamen Varuṇaḥ s. außer Wackernagel a.O. auch Thieme Mitra and Aryaman (Trans. Connecticut Acad. 41 [1957]) 60. II-446-447
οὖραξ, -αγος f. s. οὐρά. II-447
οὐρέω, Ipf. ἐούρουν, Aor. οὐρ-ῆσαι, Fut. -ήσω, -ήσομαι, Perf. ἐούρηκα, ‘harnen’ (ion. att. seit Hes.). auch m. Präfix wie ἐν-, ἐξ-, προσ-, κατ-, Davon (ἐξ-, ἀπ-)οὔρησις f. ‘das Harnen’, -ητήρ m., -ήθρα, ion. -η ‘Harnröhre’, -ημα n. ‘Harn’, -ητικός ‘oft harnend, harntreibend’ (Hp., Arist. u.a.); auch als Rückbildung οὖρον n. ‘Harn’ (Hdt., Hp., Thphr.), wozu u.a. δυσουρ-έω ‘schwer harnen’, -ία f. ‘Harnbeschwerde’ (Mediz. u.a.) wie von *δύσ-ουρος. Von οὖρον od. οὐρέω : οὐράνη f. ‘Nachttopf’ (A.Fr., S.Fr.), = οὐρητήρ (Poll.) — Iterativ-intensive Bildung *ϝορσέω zum primären Wz.präs. in aind. várṣati ‘regnen’ (idg. *u̯érseti), euphemistischer Ausdruck für ὀμείχω (Wackernagel KZ 29, 129 = Kl. Schr. 1, 632); vgl. οὐρανός und ἕρση. Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 1, 268f., Pok. 80f., W.-Hofmann s. ūrīna. Zu ūrīna noch Scheller Mus. Helv. 18, 140ff. II-447
οὐρία f. N. eines entenähnlichen Wasservogels (Alex. Mynd. ap. Ath. 9, 395 e). — Nach allgemeiner Annahme zu einem alten Wort für ‘Wasser’ in lat. ūrīna usw., mit dem auch οὐρέω verbunden wird; s.d. m. Lit. und W.-Hofmann s. ūrīna. II-447
οὐροί m. pl. ‘Laufgräben od. Kielfurchen, in denen die Schiffe ins Meer gezogen werden’ (Β 153). — Morphologisch und etymologisch mehrdeutig. In Betracht kommen sowohl die s. ὅρος ‘Grenze’ besprochenen Wörter als auch ὀρύσσω (Kretschmer Glotta 12, 187, Bechtel Lex., der gleichzeitig an aksl. rovъ ‘Graben, Grube’ erinnert). Weitere Hypothesen m. Lit. bei WP. 2, 352 f., W.-Hofmann s. aperiō, dazu noch Forbes Glotta 36, 247; ält. Lit. auch bei Bq. II-447
οὖρον 1. n. ‘Harn’ s. οὐρέω. II-447
οὖρον 2. n. in οὖρον, -α ἡμιόνοιϊν, -νων (θ 124, Κ 351) und δίσκου οὖρα (Ψ 431, δίσκουρα Ψ 523) als Längenmaß; danach nur οὖρα (A. R. 2, 795). — Wegen des unbekannten konkreten Hintergrundes nicht sicher erklärt. Viel für sich hat die Vermutung Wackernagels, Akzent 13 (Kl. Schr. 2, 1082) A.1 (S. 14), οὖρα sei urspr. ein kollektiver Plural zu οὖρος ‘Grenz-(furche)’ (od. zu οὐροί?), wozu der Sing. οὖρον als Neubildung. Einzelheiten bei Bechtel Lex. 261 f. Ältere Versuche bei Bq (abgelehnt). II-447-448
οὖρος 1. m. ‘günstiger Fahrwind’ (ep. poet. seit Il.) mit οὔριος ‘unter günstigem Winde, günstig’, auch als Bein. des Zeus, ἡ οὐρία (sc. πνοή) = οὖρος (ion. att.; vorw. poet., vgl. u.); οὐρίζω ‘unter günstigen Wind bringen’ (Trag.), οὐριοω ‘ds.’ (AP); öfter in Hypostasen wie ἐπουρ-ίζω ‘ds.’, auch intr. ‘günstig wehen usw.’ (att. usw.); vgl. ἔπ-ουρος ‘günstig wehend’ (S. in lyr.). — Wenn für *ὄρϝος, viell. mit Prellwitz2 (fragend) von ὄρνυμαι, ὀρούω (somit *ὄρϝ-ος?); s. dd.; οὔριος muß dann Homerismus sein. II-448
οὖρος 2. m. ‘Wächter, Hüter’ (ep. poet. seit Il.; bei Hom. fast nur in οὖρος ’Αχαιῶν, von Nestor). Davon kret. οὐρεύω ‘bewachen, hüten’ mit οὐρεῖα n. pl. ‘Kastelle’ (IIIa), ὠρεῖα (Ia); ὀρεύειν· φυλάσσειν H. Da von ὁράω schwerlich zu trennen, ist urspr. *ϝόρ-ϝος anzusetzen; vgl. Bechtel Lex. s.v. Zu den kret. Formen Bechtel Dial. 2, 691 u. 791; auch Thumb-Kieckers Hb. 1, 153. — Vgl. ἐπίουρος. II-448
οὖρος 3. m. ‘Grenze’ s. ὅρος. II-448
οὖρος 4. n. ‘Berg’ s. ὄρος. II-448
οὖς (ion. att. seit Il.), ὦς (Theok., hell.). Gen. ὠτός, Nom. Akk. pl. ὦτα usw. (ion. att.), οὔατος, -ατα usw. (ep. poet.), wozu N. A. sg. οὖας (Simon.); daneben ἆτα (cod. ἄτα)· ὦτα. Ταραντῖνοι H., wohl auch sg. αὖς (Paul. Fest. 100, 4; Wackernagel IF 45, 312ff. = Kl. Schr. 2, 1252ff.); weitere flexivische Einzelheiten bei Schwyzer 520. n. ‘Ohr’, übertr. ‘Henkel’, Kompp., z.B. ὠτ-ακουστέω ‘horchen, lauschen, aufpassen’ (Hdt., X., D., Plb.), Zusammenbildung von ὠτὶ ἀκουστόν (Gegensatz ἀν-ηκουστέω : οὐκ ἀκουστόν; vgl. ἀμνηστέω und Schwyzer 726; nicht richtig Fraenkel Nom. ag. 2, 68), wozu ὠτακουστής m. ‘Horcher, Lauscher’ (Arist. u.a.); ἀν-ούατος ‘ohne Ohren, ohne Henkel’ (Theok.), ἄ-ωτος ‘ds.’ (Philet., Plu.), myk. a-no-wo-to; auch a-no-we wie ἀμφ-ώης ‘zweiöhrig, -henkelig’ (Theok.; ἄμφ-ωτος Od.)?; μυόσ-ωτ-ον (μύ-ωτον) n., -ίς f. ‘Mauseohr, Asperugo’, aus μυὸς ὦτα ‘ds.’ (Dsk.; Strömberg Pfl.namen 42). Zu λαγώς s. bes. Davon ὠτ-ίον n. ‘Henkel, Ohr’ (Theopomp. Kom., LXX, NT usw.), -άριον n. ‘ds.’ (Kom. IVa usw.); οὐατ-όεις ‘mit Ohren, Henkeln’ (Simon., Kall. u.a.; auch bei Hom. u. Hes. für ὠτώεις wiederherzustellen; Wackernagel Unt. 168f.), ὠτ-ικός ‘zum Ohr gehörig’ (Gal., Dsk.). Auch ὠτ-ίς, -ίδος f. ‘Trappe’ (X., Arist. u.a.; nach den Backenbüscheln od. dem Schopf?; Thompson Birds s.v.); daneben ὦτ-ος m. ‘Horneule’ (Arist. u.a.; nach den Ohrenbüscheln). — Zu ἐνῴδιον, ἐνώτιον s. bes. — Das Formenpaar οὖς, ὦς (wie βοῦς, βῶς) läßt sich auf idg. *ōus zurückführen; dazu Schwachstufe in lat. aur-is, aus-cultō u.a., weshalb ἆτα für *αὔσ-ατα stehen kann; s. auch ἀάνθα. Zu bemerken altatt. ΟΣ, das zunächst auf eine Kontraktion hinzudeuten scheint; man hat darum (seit J. Schmidt Pluralbild. 407) eine Grundform *ous-os postulieren wollen, wofür ein Anhalt in aksl. ucho n. ‘Ohr’, Gen. ušes-e, gesucht wird; eine Lesung ὦς (nach ὠτός usw.) ist ebensogut möglich. Die übrigen Formen lassen sich ohne Zweifel aus idg. *ōus-n-tos usw. mit verschiedenartiger Lautentwicklung erklären, s. die ausführliche Erörterung bei Schwyzer 520 u. 348, WP. 1,18 m. reicher Lit. Die in οὔ-α-τος eingebaute n-Erweiterung ist auch in arm. un-kn (mit -kn nach akn ‘Auge’; somit nicht mit ὠκίδες· ἐνώτια H. vergleichbar) und in germ., z.B. got. auso, ausin-s zu belegen. — Aus dem übrigen Formenbestand sind insbesondere zu bemerken die alten Duale aw. uš-i (idg. *us-ī, mit Schwundstufe); aksl. uš-ī (idg. *aus-ī od. *əus-ī wie lat. aur-i-s, lit. aus-ì-s). Weitere Einzelheiten aus verschiedenen Sprachen m. reicher Lit. bei WP. (s. ob.), Pok. 785, W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. auris, Vasmer s. úcho; ältere Lit. auch bei Bq. — Vgl. ἀκούω, ἀκροάομαι, auch παρειαί, παρήϊον. II-448-449
οὐσία (att.), ion. -ίη f., dor. ὠσία f. ‘Wesen, Anwesen, Eigentum, Sein, Wirklichkeit, Substanz’ (zur Bed. Hirzel Phil. 72, 42ff.); oft m. Präfix (von ἄπ-ειμι usw.), z.B. ἀπ-, ἐξ-, μετ-, παρ-, συν-ουσία, -ίη (meist att.). Kompp. ἐξ-ούσιος ‘des Eigentums beraubt’ (Ph.), ὑπερ-, μετ-ούσιος ‘über, bzw. nach dem Sein stehend’ (Them., Arist-.Komm. u.a.). Ableitungen, meist sp.: οὐσ-ί̄διον n. ‘kleines Eigentum’, -ιότης f. ‘Wesensheit’; -ιώδης ‘wesentlich, wirklich’ (Epikur. u.a.), -ιακός ‘zum Eigentum gehörig’; συν-, ἐξ-ουσιάζω ‘zusammensein’ bzw. ‘Macht haben’ (seit IVa; οὐσιάζω nur PMag. Lond.), wovon u.a. συνουσι-αστής m. (Pl., X. u.a.), -αστικός (Ar. usw.); οὐσι-όω, -όομαι ‘mit Substanz versehen (werden)’, συν- ~ ‘mit etw. verbunden sein’ mit (συν-) -ωσις (sp.). — Abstraktbildung auf -ία vom Ptz. ὤν, οὖσα, ὄν (vgl. γερουσία : γέρων); danach dor. ὠσία, auch ἐσσία, zu dor. äol. f. ἔσσα, pl. ἔντες (Pl. Kra. 40 1c); näheres bei Chantraine Form. 117; s. auch ἐστώ. II-449
οὐτάω (nur Ipv. οὔταε χ 356; 3. sg. οὐτᾷ A. Ch. 640 [lyr.] coni. Hermann), οὐτάζω, Aor. οὐτ-άσαι, -ῆσαι, -ηθῆναι, Fut. -άσω, -ήσω, Prät. 3. sg. οὖτα, Inf. οὐτ-άμεν(αι), Ptz. -άμενος, Perf. Pass. οὔτασται ‘verwunden, verletzen’ (ep. seit Il., auch Trag.). Davon ἄ-ουτος, ἀν-ούτατος ‘unverwundet’, νε-ούτατος ‘frisch verwundet’ (ep. seit Il.), später auch -ητος (Nik., Nonn.). ἀν-ουτητί Adv. ‘ohne zu verwunden, ohne Wunde’ (Χ 371 Q.S.). — Als gemeinsame Grundlage der obigen Formen sind wahrscheinlich die athematischen οὖτ-α, -άμεν(αι), -άμενος anzunehmen, die jedenfalls als Aoriste fungieren. Daran schlossen sich einerseits οὔταε und (wenn richtig) οὐτᾷ, wozu οὐτ-ῆσαι, -ηθῆναι, -ήσω, anderseits der σ-Aorist οὐτ-άσαι, wozu -άσω, -άζω, -ασται. Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer 682 u. 734, Chantraine Gramm. hom. 1, 356, 380, 410 f.; zum Gebrauch bei Hom. noch Trümpy Fachausdrücke 92 ff. — Morphologisch und etymologisch dunkel. Oft (Fick, Curtius u.a.) mit ὠτειλή (οὐταμένην ὠτειλήν Ξ 518, P 86) und mit ἀάω verbunden, s. dd. m. Lit. (u.a. Solmsen Unt. 298f.). Für nivhtgr. Herkunft u.a. Meister HK 229. II-449-450
οὐτιδανός ‘nichtswürdig, geringfügig’ (ep. seit Il., auch A. Th. 361 [lyr.]). — Ableitung von οὔτι wie ἠπεδανός, πευκεδανός usw. (Chantraine Form. 362), aber δ kann zum urspr. *οὔ-τιδ (= lat. quid) gehören (seit Schulze Q. 376); vgl. zu ἀλλοδαπός, ἡμεδαπός. II-450
οὗτος, αὕτη, τοῦτο ‘dieser, der hier, der da, iste’ (seit Il.). — Expressive Erweiterung von ὁ, ἁ (ἡ), τό mit der hervorhebenden Partikel u in aind. sṓ aus sá u = gr. οὐ- (idg. *só u), vielleicht auch in πάνυ (s. πᾱ͂ς); dazu das Demonstrativum το-. Über die unklaren Einzelheiten Schwyzer 611 m. Lit.; ausführlich zum Gebrauch Schw.-Debrunner 208ff. II-450
ὀφείλω (ion. att., auch Il.), ὀφέλλω (äol., ark., auch Hom.), ὀφήλω (kret., ark., arg.), Aor. 1. ὀφειλ-ῆσαι, Pass. -ηθῆναι, Fut. -ήσω (hell. auch -έσω), Perf. ὠφείληκα (att.), Aor. 2. ὤφελον, ὄφελον (ep. seit Il., att.), ‘schuldig sein, zu bezahlen haben, verpflichtet sein, sollen’; auch m. Präfix, z.B. προ-, προσ-, daneben ὀφρλισκάνω, Fut. ὀφλ-ήσω, Aor. 1. -ῆσαι, Perf. ὤφληκα (att.), Ptz. Dat. pl. ϝοφληκόσι, 3. pl. [ϝο]φλέασι (ark.), Aor. 2. ὀφλεῖν (ion. att.), auch mit ἐπ-, προσ-, ‘schuldig sein, eine Strafe verwirken, verurteilt werden’. — Ableitungen. A. Vom Präsens ὀφείλω : ὀφειλ-έτης m., -έτις f. ‘Schuldner(in)’ (S., Pl. usw.; Fraenkel Nom. ag. 1, 62 u. 241 f.) mit -έσιον n. ‘kleine Schuld’ (Eust.), -ημα n. (Th., Pl., Arist. usw.; ὀφήλωμα [kret.] nach ἀνάλωμα), -ησις f. (Pap. IIIa) ‘Schuld, geschuldete Summe’; -ή f. ‘Schuld, Verpachtung’ (Pap., NT u.a.). B. Vom Aorist ὀφλεῖν : ὄφλ-ημα n. (D., Arist., Pap. u.a.), -ησις f. (LXX) ‘Buße, Geldstrafe’; -ητής m. ‘Schuldner’ (Gloss.), ὀφλοί· ὀφειλέται, ὀφειλαί H. — Der Reihe ὀφλεῖν : ὀφλισκ-άνω : ὀφλήσω : ὤφληκα entspricht (bis auf das erweiternde -άνω; Schwyzer 700) die Reihe εὑρεῖν : εὑρίσκω, εὑρήσω, εὕρηκα; dazu gesellte sich der Aorist ὀφλῆσαι (Lys. u. spät); auch [ϝο]φλέ-ασι zeigt dieselbe erweiterte Schwundstufe ohne sekund. κ. Neben diesem auf einem schwundstufigen themat. Aorist aufgebauten System steht ein anderes, das von dem hochstufigen Aorist ὤφελον ausgeht, wozu das Nasalpräsens *ὀφέλ-νω ( > ὀφείλω, ὀφέλλω, ὀφήλω) wie ἔτεμον : τέμνω. Da sich die Bildung des Präsens ὀφείλω durch die Lautentwicklung verdunkelte, konnte es als Grundlage einer anderen Formenreihe dienen. Auch begrifflich haben sich die Formenpaare gewissermaßen voneinander getrennt. — Ein altes Problem steckt in dem nur auf einer arkad. Inschrift (Va) erscheinenden ϝο-. Während einige, z.B. Brugmann IF 29, 241 (vgl. zu οἴγνυμι), darin ein Präfix sehen wollen (zu lat. au-, vē-, aind. áva ‘herab, weg von’ u.a.; anders Vollgraff Mél. Bq 2, 339), neigen andere, z.B. Solmsen KZ 34, 450f., Fraenkel Phil. 97, 162, dazu, ϝο- als umgekehrte Schreibung für ὀ- zu betrachten (Näheres bei Schwyzer 226 A. 1). —Sonst ganz isoliert und dunkel; ein Versuch ὀφείλω usw. mit ὀφέλλω ‘vermehren’ zu verbinden bei v. Windekens Ling.Posn. 8, 35 ff. — Zur Erklärung der einzelnen Formen Schwyzer 709 und 746 m. A. 9 (z.T. abweichend), auch Chantraine Gramm. hom. 1, 314 (m. Lit.) u. 394; zu myk. o-pe-ro usw. Lejeune Rev. ét. anc. 58, 19f. m. A. 58, BSL 52, 197 A. 5. II-450-451
ὀφέλλω 1. ‘schuldig sein’ s. ὀφείλω. II-451
ὀφέλλω 2. Aor. Opt. ὀφέλλειεν (Π 651, β 334), woneben die zweideutigen ὀφέλλωσιν (Α 510), ὄφελλε(ν) (Β 420, Theok. 25, 120), ὤφελλε (π 174), ‘mehren, vermehren, vergrößern, fördern’ (ep., auch Pi., A., Theok.). auch m. ἐξ- (ο 18), Davon ὄφελ-μα n. (S.Fr. 1079), -μός m. (Inschr. Lydien) ‘Vermehrung, Vorteil’, -σιμος ‘förderlich, nützlich’ (Kall., Orph., Opp.; nach χρή-, ὀνή-σιμος, Arbenz 37); auch ὀφέλλιμος ‘ds.’ (Max.) mit dir. Beziehung auf ὀφέλλω. — Daneben ὄφελος n. ‘Förderung, Nutzen, Vorteil, Gewinn’ (seit Il.); sehr oft als Hinterglied m. komp. Dehnung, z.B. ἀν-ωφελής ‘nutzlos’ (ion. att.); sekund. Simplex ὀφελής (Pap. IIp); Οφελέσ-της m. PN (Il.); vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 211 (abzulehnende illyr. Kombination bei Mayer Spr. d. alten Illyr. 1, 248; 2, 23); ’Οφέλ-ανδρος m.(VIa) nach ’Αλέξ-ανδρος?, Sommer Nominalkomp. 198 A. 1. Denominativum (mit ὠ- aus den Kompp.) ὠφελ-έω ‘nützen, halfen, unterstützen’ (ion. att.) mit -ίη, -ία, sekund. -εια f. ‘Nutzen, Hilfe’ (ion. att.), -ημα n. (Trag. u.a.), -ησις f. (S.) ‘Wohltat, Nutzen’, -ήσιμος ‘nützlich’ (S., Ar.); weit gewöhnlicher ὠφέλ-ιμος ‘ds.’ (att.), wohl von ὠφελ-έω, -ία (Arbenz 36f.). Näheres bei Leumann Hom. Wörter 120 ff. mit Versuch, die Anlautdehnung weiter zu begründen. — Anders über ὠφελέω (Iter.-Intens. zu ὀφέλλω) Schwyzer 720. — Zum primären Jotpräsens ὀφέλλω aus *ὀφελ-ι̯ω, woneben mit äol. Lautentwicklung der σ-Aor. ὀφέλλειεν (aus *ὀφελ-σ-), gehört als Verbalnomen das weitverbreitete und alte ὄφελος, das sich mit arm. *awel in awel-i ‘mehr’ und dem Denom. y-awel-um ‘hinzufügen, vermehren’, in aṙ-awel ‘mehr’ und aṙ-awel-um ‘vermehren’ direkt identifizieren läßt : "idg." *obhel- (Pedersen KZ 39, 336). —Abzulehnen Brugmann IF 29, 410ff. (m.Lit.): zu aind. phála-m n. ‘Frucht’ (s. Mayrhofer s.v.); über weitere verfehlte Kombinationen WP. 2, 102f., W.-Hofmann s. polleō m. Lit. II-451-452
ὀφέλλω 3. ‘fegen, kehren’ (Hippon. 51) mit ὄφελμα n. ‘Besen’ (ibid., Eust.), ὀφέλμασι· σαρώμασιν H., ὄφελτρον· κάλλυντρον H., wovon ὀφελτρεύω (Lyk. 1165). — Mit arm. awelum ‘fegen’ bis auf die Bildung identisch (Pedersen KZ 39,336); vgl. zu 2. ὀφέλλω. II-452
ὀφθαλμός m. ‘Auge’ (seit Il.). Oft als Hinterglied, z.B. μον-όφθαλμος (μουν-) ‘mit einem einzigen Auge, einäugig’ (Hdt., Plb., Str. usw.), ἑτερ-όφθαλμος ‘des einen Auges beraubt’ (D., Arist. u.a.); auch als Vorderglied, z.B. ὀφθαλμ-ωρύχος ‘die Augen ausgrabend’ (A.). Davon 1. ὀφθαλμ-ίδιον n. Demin. (Ar.); 2. -ία, ion. -ίη f. ‘Augenkrankheit’ (s. Scheller Oxytonierung 42f.) mit -ιάω ‘an einer A. leiden’ (ion. att.), wovon -ίασις f. (Plu., H.); 3. -ίας m. N. einer Adlerart (Lyk.), auch eines Fisches (Plaut.; wegen des starren Blickes, Strömberg Fischnamen 42); 4. -ικός ‘zu den Augen gehörend’, m. ‘Augenarzt’ (Gal., Dsk. u.a.); 5. -ηδόν ‘augenweise’ (Gloss.). —6. Verba. ὀφθαλμίζομαι ‘okuliert werden’ (Thphr.), ‘an ὀ-ία leiden’ (Plu.); mit Präp. ἐν-ὀφθαλμ-ίζω ‘okulieren’ (Thphr. u.a.), -ίζομαι Pass. (Delos) mit -ισμός (Thphr. u.a.); auch -ιάζομαι (Plu.); ἐξ-οφθαλμ-ιάζω ‘außer acht lassen, geringschätzen’ (Pap.IVp); ἐπ-οφθαλμ-ίζω (Pherekyd., Plu.), -ιάω (Plu., Pap. IIIp u.a.), -έω (Pap.IVp u.a.) ‘beäugeln, anschielen’. — Wegen der Bildung ist ὀφθαλ-μός als ein primäres Verbalnomen *’das Blicken, das Sehen’ (vgl. ὄμμα) aufzufassen, sofern es nicht seinen Ausgang von einem anderen Nomen bezogen hat (vgl. Schwyzer 492 A. 7; noch anders Specht KZ 62, 210ff.). Über *ὀφθάλλομαι (vgl. ἰνδαλμός, ἴνδαλμα : ἰνδάλλομαι; s.d.) gelangt man zu einem Nomen *ὄφθαλ(λ)ος, das sich als eine lautliche Variante zu böot. ὄκταλλος, epid.lak. ὀπτίλ(λ)ος bietet. Die Gruppe κτ : πτ : φθ (mit altem κτ, analogischem πτ und expressivem φθ [Schwyzer 299 bzw. Benveniste Origines 48]?) wurde schon längst mit der Gruppe kṣ in aind. ákṣi ‘Auge’ in Verbindung gebracht Schwyzer 317 m. Lit.); anders, wenig glaubhaft, Specht Ursprung 240 (s ~ t alter Wechsel), 254 (θ = idg. th). Mit dem suppletivischen n-Stamm z.B. im Gen. akṣ-ṇ-ás, Plur. akṣ-ā́ṇ-i kann der l-Stamm in ὀφθ-αλ-μός usw. korrespondieren (Specht 351A.1). Die lautlichen Einzelheiten sind indessen nicht endgültig und eindeutig aufgeklärt; zu bemerken noch die expressive Geminata in ὄκκον· ὀφθαλμόν H. (zu arm. akn? Meillet BSL 26, 15f.; s. auch Lejeune Traité de phon. 72 A. 1). Laryngalbetrachtungen von Hamp Word 9, 139, Deroy Ant. class. 23, 314. Die wiederholten Versuche, ὀφθαλμός als Kompositum zu erklären, sind alle verfehlt (zu θάλαμος Brugmann, s. Bq und WP. 1, 864; zu θάλλω ‘blühen’ Strömberg Wortstud. 56). — Weitere Vertreter des alten Wortes für ‘Auge, sehen’ s. ὄμμα, ὄσσε, ὄπωπα; dazu WP. 1, 169ff., Pok. 775ff., W.-Hofmann s. oculus usw. usw. II-452-453
ὄφις, -ιος, -εος, -εως m. ‘Schlange’ (seit Μ 208). Als Vorderglied u.a. in ὀφι-οῦχος m. Sternbild, ‘Schlangenhalter’, lat. Angui-tenens (Eudox., Arat. u.a.; Scherer Gestirnnamen 184 f.). Davon ὀφ-ίδιον (ι und ι) n. Demin. (att. Inschr., Arist. u.a.); -ίασις f. (: *ὀφιάω) "Schlangenkrankheit", N. einer Hautkrankheit (Gal.); -ιώδης ‘schlangenreich, -artig’ (Pi., Arist. usw.); -ιόεις ‘reich an Schlangen’ (Antim.), ’Οφιοῦς m. FlN, ’Οφιοῦσσα f. N. verschiedener Inseln (Antim., Arist. u.a.; Krahe Beitr. z. Namenforsch. 2, 233 f., 3,161), einer Pflanze (Plin.); -ιακός ‘zu den Schlangen gehörig’, τὰ ὀφιακά Buchtitel (Sch. Nik.); -ῑόνεος ‘schlangenartig’ (Opp.), aus *-ι-ίνεος differenziert? (Schwyzer 491 A.1; vgl. Kretschmer Glotta 11, 228 m. Lit.); -ίτης (λίθος) m., -ιῆτις πέτρη f. ‘Serpentin’ (Orph. L. u.a.; wegen der Farbe, Redard 59), ‘Rotlauf’ (Gal.; Redard 104). — Wahrscheinlich mit aind. áhi-, aw. aži- m. ‘Schlange’ identisch: idg. *ógʷhi-s; daneben mit efarbiger Dehnstufe arm. iž, Instr. -iw ‘ds.’. Die Dehnung des ὀ- in Μ 208 (wonach Hippon. 49, 6 u.a.) ist metrisch bedingt; s. Masson zu Hippon. l.c. — Anders Specht KZ 64, 13 und Schwyzer 302. Vgl. zu ἔχις und ἔγχελυς m. Lit.; auch WP. 1, 63 ff. und Mayrhofer s. áhiḥ. Weitere hypothetische Annahmen über uralte Kreuzungen bei Porzig Gliederung 202. II-453
ὀφλισκάνω s. ὀφείλω. II-453
ὀφνίς · ὕννις, ἄροτρον H. — Kann mit apreuß. wagnis ‘Pflugmesser’ gleichgesetzt werden: idg. *u̯ogʷhni-s; daneben mit unklarer Grundform lat. vōmis (-er), -eris m. ‘Pflugschar’ u.a., s. W.-Hofmann s.v. mit weiteren Formen u. reicher Lit.; dazu Specht KZ 66, 43. Hierher wohl noch ὄφατα· δεσμοὶ ἀρότρων. ’Ακαρνᾶνες H. (Schwyzer 495 m. A. 6, Bechtel Dial. 2, 76 m. Lit.). — Vgl. ὕνις. II-453-454
ὄφρα relat. Adv. und Konj. ‘solange als, bis; damit’; damit in Korrelation τόφρα ‘solange, unterdessen’ (ep. poet. seit Il.; zum Gebrauch bei Hom. Bolling Lang. 25, 379ff.). — Vom Relat. ὁ- (mit Hauchdiss.) bzw. Demonstr. το- und einem dem Ursprung nach unklaren Hinterglied; wohl zu arm. erb ‘wann?’ (idg. *e-bhr-), toch. A ku-pre ‘wenn’, tä-preṃ ‘so viel’ u.a. — Lit. bei Schwyzer 631, dazu v. Windekens Lex. etym. s. kospreṃ. Ält. Lit. auch bei Bq. II-454
ὀφρῦς, -ύος f., meist im Plur. ‘die Augenbrauen’, übertr. ‘erhöhter Rand, Hügelrand’ (seit Il.; Einzelheiten zur Flexion Schwyzer 571 β). Als Hinterglied u.a. in σύν-οφρυς ‘mit zusammengewachsenen Brauen’ (Arist. u.a.). Davon ὀφρύ-διον n. Demin. (H. s. ἐπισκύνιον, Theognost.), ngr. (ὀ)φρύδι; ὀφρύη, -α ‘Erhöhung’ (Hdt., Argos u.a.) wie ἰχθύ-η, -α u.a. (Schwyzer 463); -όεις ‘am Rand gelegen, terrassiert’ (Χ 411 u.a.; Bowra JHSt. 80, 18f.), -ώδης ‘vorspringend’ (Gal. u.a.). Denom. Verba: 1. ὀφρυ-όομαι ‘hochmütig sein’ (Timo, Luk. u.a.) mit -ωσις f. ‘Erhöhung, Rand’ (Paul. Aeg.), älter συν-οφρυόομαι ‘die Brauen zusammenziehen’ (S., E. u.a.); κατ- ~ in κατωφρυωμένος ‘mit Brauen versehen sein’ (Philestr. VA, Luk.); 2. -άζω ‘mit den Brauen winken’, auch als Ausdruck des Hochmuts (Amips. Kom. V—IVa u.a.); 3. -άω ‘hügelig sein’ (Str.); 4. ὀφρυγνᾷ· ὁμοίως (d.h. = -άζει). Βοιωτοί H. (unklar; nach ὀριγνάομαι? fragend Schwyzer 695 A. 2). — Alte Benennung der Augenbrauen, bis auf das anlaut. ὀ- (worüber Schwyzer 411 f.) mit aind. bhrū́-h, Akk. bhrúv-am f. identisch : idg. *bhrū́-s f.; ebenso aus dem Kelt. u. Germ. air. for-bru Akk. pl., ags. brū. Verschiedene Erweiterungen: aksl. brъv-ь, lit. brùv-ė, -ìs, awno. brū-n, mpers. brū-k, toch. B pärw-ā-ne (Du.); auch mit Dental in aw. brvat̃-byąm Dat. pl. f., mir. brūad Gen. du. und in ἀβροῦτες· ὀφρῦς. Μακεδόνες H. (Kretschmer Einleitung 287 m. A. 1 dafür unwahrscheinlich ἀβροῦϝες). — Fern bleibt ahd. brāwa f. ‘Braue’, wint-prāwa ‘Wimper’, das mit asächs. brāha ‘ds.’ zu ags. brǣw m. ‘Augenlid’, awno. brā f. ‘Wimper’ gehört (weiteres bei WP. 2, 169, Pok. 142). Abzulehnende Kombinationen bei Specht Ursprung 83 u. 162. — WP. 2, 206f., Pok. 172f., Mayrhofer s. bhrū́ḥ, Fraenkel s. briaunà (ganz fraglich), Vasmer s. brovь (m. Lit. u. vielen Einzelheiten). Ältere Lit. auch bei Bq. II-454
ὄχα Adv. ‘weitaus’, steigernd vor ἄριστος (Hom.). — Aus ἔξοχα ‘ds.’ (ἔξοχος, ἐξέχω) rückgebildet; s. Leumann Hom. Wörter 133ff. II-455
ὀχάνη, ὄχανον, ὀχή usw. s. ἔχω. II-455
ὀχεή f. ‘Höhle, Grotte’ (Arat., Nik., Orph.). — Hellenistisch für χειή (s.d.) nach ὀκρυόεις (s.d.) für κρυόεις (vgl. Schwyzer 434, Schw.-Debrunner 491 A. 6); evtl. durch Kreuzung mit dem sinnverwandten ὀχετός. II-455
ὀχεύω, -εῦσαι, ‘decken, bespringen’, Med. ‘sich begatten’ (ion. att.). auch m. ἐπ-, κατ-, παρ- u.a., Davon ὀχ-εῖος ‘zur Bedeckung dienend’ (Din.), -εῖον n. ‘Beschälungsplatz, Beschä- ler’ (Lykurg., Arist. usw.); -εία f. (X., Arist., Pap. u.a.), ὀχή f. (Arat.), -ευσις f. (J.) ‘das Bespringen, Befruchtung’, -ευμα n. ‘Leibesfrucht’ (Arist.); -ευτής m. ‘Beschäler’ (Pap. IIIa u.a.), -ευτικός ‘brünstig’ (Arist., Thphr. u.a.); -εύτριαν H. s. ψόαν. —Auch ὀχῶν· ὀχευτικῶς ἔχων H., ὀχέωνται (Arat. 1070 Versende) = ὀχεύωνται. — Etymologie strittig. Nach älterer Auffassung (Curtius u.a.) zu ὀχέομαι ‘fahren, reiten’, wobei (von -εύω abgesehen) die aktive Diathese auffällt. Nach Prellwitz (auch Bq, WP. 2, 481f. u.a.) dagegen von ἔχω im Sinn von ‘überwältigen’. Ansprechender sieht Bosshardt 30 in ὀχεύ-ω ein Denorninativum von ὀχεύς, u.a. ‘Türriegel’ (von ἔχω), eig. vom Holzpflock, der zum Schließen der Türe in ein Loch in der Mauer hineingesteckt wurde; die ἅπ. λεγγ. ὀχῶν, ὀχέωνται sind sekundäre Neubildungen. II-455
ὀχέω (seit Od.), -έομαι (seit Il.), Aor. u. Fut. (nicht att. Prosa) Akt. ὀχῆ-σαι (Kall.), -σω (A., E.), Med. -σασθαι, -σομαι (seit Hom.), Pass. -θῆναι (Hp.), ‘tragen, ertragen, aushalten, hegen’, ‘aufsitzen od. reiten lassen’, ‘verankern’ (E. Hel. 277); Med. (häufiger) ‘fahren, reiten, schwimmen, vor Anker liegen’. auch m. Präfix, bes. ἐπ-οχέομαι, Akt. Davon 1. ὀχ-ετός m. (von ὄχος?; vgl. Schwyzer 501) ‘Kanal, Rinne’ (Pi., ion. att.) mit -ετεύω ‘durch einen Kanal leiten’, wovon -ετεία, -έτευμα u.a.; ὀχετ-ηγός ‘einen Kanal ziehend’ (Φ 257 u.a.; Chantraine Études 90); 2. ὄχετλα· ὀχήματα H.; 3. ὄχ-ημα n. ‘Fahrzeug’, auch übertr. (Pi., ion. att.) mit -ηματικός; 4. -ησις f. ‘das Fahren, Reiten’ (Hp., Pl. u.a.). — Im Med. Iterativ zu 2. ἔχω ‘hintragen, darbringen’ (Schwyzer 717); zur Bed. ‘fahren, reiten’ vgl. bes. lat. vehō usw. Auch die selteneren Aktivformen lassen sich im ganzen unschwer so verstehen, aber durch die formal mögliche Anknüpfung an 1. ἔχω ‘halten, besitzen usw.’ (ἔχειν τε καὶ ὀχεῖν Pl. Kra. 400a) hat sich die Bed. des Akt. mitunter verschoben, so in ὀχέοντας ὀϊζύν (η 211) neben πόνον τ’ ἐχέμεν καὶ ὀϊζύν (Ν 2, θ 529). — Weiteres s. 2. ἔχω; s. auch ὄχος und ὄχλος. II-455-456
ὀχθέω, nur Aor. Ptz. ὀχθήσας und 3. pl. ὤχθησαν (Hom.), Fut. ὀχθήσω (Q. S.), ὀχθεῖ· στένει, στενάζει H.; vgl. ὀχθᾶσθαι· ἀπὸ τοῦ ὄχθη. οἱ γὰρ στένοντες ἑαυτοὺς μετεωρίζουσιν H.; erweitert ὀχθ-ίζω (Opp. H.), προσ-οχθ-ίζω, -ίσαι, -ιῶ, -ώχθικα (LXX) ‘Unwillen hegen, sich entrüsten, ergrimmen’ (vgl. Audiat Rev. ét. anc. 49, 41 ff.). Davon ὄχθησις· θόρυβος, τάραχος H., προσόχθισ-μα n. ‘Gegenstand des Unwillens, der Entrüstung’ (LXX), προσοχθισμός· πρόσκρουσις, δεινοπάθεια usw. H. — Wohl mit Prellwitz, Bq (fragend) und Schwyzer 719 A 13 als Kausativ oder Iterativ-Intensiv zu ἔχθομαι, ἔχθω (s. ἔχθος) wie φοβέω : φέβομαι, σοβέω : σέβομαι, θροέω : θρέομαι; ποτάο-μαι : πέτομαι u. a. — Nach L. Meyer (zögernd) und Hermann Gött. Nachr. 1918, 286 f. zu ἄχθος, -ομαι; lautlich, wohl auch semantisch weniger glaubhaft. II-456
ὄχθη f., gew. pl. -αι ’hoher und felsiger Rand am Wasser, Uferrand, Gestade’ (ep. poet. seit Il.); ὄχθος m. ‘Anhöhe, Hügel’ (ion. poet. seit h.Ap.17), ‘Buckel, Auswuchs, Tuberkel’ (Mediz.) mit ὀχθ-ηρός ‘hügelig’ (hell. u. sp.), -ώδης ‘voller Auswüchse, tuberkulös’ (D. H., Mediz.). — Ausgang (Suffix) wie in μόχθος, βρόχθος u.a. (Schwyzer 510f., Chantraine Form. 366f.), aber die gewöhnliche Anknüpfung an ἔχω überzeugt sachlich nicht. Wenig überzeugend auch Grošelj Živa Ant. 5, 229 f.: zu aw. vaγδana- ‘Kopf’ (vgl. zu ὄχθοιβος). — Zu εὔοχθος, -έω s. bes. II-456
ὄχθοιβος m. ‘purpurner Streifen od. Rand am Chiton’ (Ar., Pherekr.); ‘Bommelhalsband’ (att. Inschr.; vgl. Kretschmer Glotta 16, 169 m. Lit.). — Technisches Wort mit β-Suffix wie z.B. in κόσυμβος, κόλλαβος (s. dd. m. Lit.). Beziehung zu ὄχθη ‘hoher Rand’ scheint an sich möglich; ähnlich Grošelj (s. zu ὄχθη) mit unwahrscheinlichem Anschluß an aw. vaγδana-’Kopf’. Nicht besser Kretschmer a. O. Vgl. auch οἶβος (Luk. Lex. 3) ?; nach Poll. τοῦ τραχήλου τοῦ βοὸς τὸ κάλλιστον. II-456
ὀχλεύς, -έω, -ίζω s. ὄχλος. II-456
ὄχλος m. 1. ‘(ungeordnete, bewegte) Menschenmenge, (gemeiner) Volkshaufe, große Masse, Gedränge’, pl. ‘Volksmassen, Leute’; 2. ‘Beunruhigung, Störung, Belästigung’ (Pi., ion. att.). Kompp., z.B. ὀχλο-κρατία f. ‘Pöbelherrschaft’ (Plb., Plu. u.a., s. Lit. zu δημοκρατία), ἄ-οχλος ‘ohne Störungen, nicht störend’ (Hp.). Ableitungen. Adj. 1. ὀχλ-ηρός ‘belästigend, lästig’ (ion. att.) mit -ηρία f. (LXX); 2. -ικός ‘zum großen Haufen gehörig, pöbelhaft’ (hell. u. sp.); 3. -ώδης ‘belästigend’ (ion. att.), ‘volkstümlich, gemein’ (Plu.). Subst. 4. ὀχλεύς· μοχλός- στρόφιγξ, δεσμός ... H.; ἐποχλεύς m. ‘Hemmschuh am Wagen’ (Ath.), wohl für *ἐποχεύς; ἐποχλίζομαι ‘verriegelt sein’ (Apollon. Lex.). — Denominative Verba. 5. ὀχλέω ‘in (rollende) Bewegung setzen, wegwälzen’ (Φ 261; ἀν-οχλέω = ἀν-οχλίζω S. E.), ‘beunruhigen, stören, belästigen’ (ion. poet. hell. u. sp.; m. Präfix, bes. ἐν-, auch att.); davon ὄχλ-ησις (ἐν- ~) f. ‘Belästigung, Beeinträchtigung, Störung’ (Demokr., hell. u. sp.), (ἐν-)ὄχλ-ημα ‘ds.’ (Epikur., Mediz. u.a.), ὀχλητι-κός = ὀχλικός (Prokl.); 6. ὀχλεύονται = ὀχλεῦνται· κυλινδοῦνται H.; 7. ὀχλ-ίζω, auch m. μετ-, ἀν- u.a., ‘von seinem Platz rücken, heben’ (ep. seit Il.); 8. ὀχλ-άζω ‘beunruhigt, verwirrt sein’ (LXX). — Die urspr. Bed. des Verbalnomens ὄχλος, die sich in ‘Haufe, Menge’ konkretisiert hat, läßt sich nicht sicher ermitteln; im Sinn von ‘Beunruhigung usw.’ kann es übrigens von ὀχλέω beeinflußt sein (vgl. Bosshardt 78). Wenn man von *ϝόχ-(σ)λο-ς ausgeht (zum evtl. Schwund des ϝ- bei Hom. s. Chantraine Gramm. hom. 1, 125), schließt sich ὄχλος bequem an das wohlbekannte Verb für ‘fahren, führen, tragen, bringen, bewegen’ in ϝέχω (s. 2. ἔχω), ὀχέομαι, lat. vehō usw., idg. *u̯oĝh-(s)lo-; vgl. die Ausführungen bei Sealey Glotta 37, 281 ff. Die weite Bed.sphäre öffnet leider mehrere Möglichkeiten: *’das Fahren, das Tragen, das Bewegen’, bzw. als Nom. agentis od. instr. *’der Fahrer, der Träger, der Beweger’. — Formal damit identisch ist awno. vagl m. ‘Hahnenbalken, Hühnerstange’ (eig. *’Tragstange, Träger’). Zum denominativen ὀχλ-ίζω ‘heben’, ὀχλ-έω ‘wegwälzen’ und zu ὀχλ-εύς ‘Hebel usw.’ stimmen semantisch die primären Nomina lat. vec-tis und awno. vǫg (idg. *u̯oĝhā) ‘Hebel’. Von *‘Bewegen, Bewegung’ gelangt man selbstverständlich nur allzu leicht sowohl an ‘bewegte Masse, Volkshaufe’ wie an ‘geistige Bewegung, Unruhe’; dasselbe gilt für das denominative ὀχλέω (vgl. turba, -āre). Wenn man vorzieht, einen Begriff wie ‘schwere Masse, Last’ (wovon ὀχλέω ‘belästigen’) zugrunde zu legen, ließe sich ὄχλος zur Not als *’Fuhre, Fuder, Last’ ( = lat. vehes) verstehen. — Unsichere Vermutung über Kreuzung mit μοχλός, -έω bei Güntert Reimwortbildungen 161 f. Ältere Hypothese bei Bq (ablehnend). Neue verfehlte Deutung bei Belardi Doxa 3, 217. — Weitere Lit. s. ὄχος. II-456-457
ὄχμα, ὀχμάζω, ὄχμος s. 1. ἔχω. II-457
ὄχος oft pl. -οι (seit h. Cr.), ὄχεα, -εσφι n. pl. (Hom., Pi.) m. (Pi. O. 6, 24 [ὄκχος, s.u.], Hdt., A. usw.), ‘Wagen, Fuhrwerk, Fahrzeug’. — Altes Verbalnomen zu ϝέχω ‘hintragen’ (s. 2. ἔχω), ὀχέομαι ‘fahren’, somit für *ϝόχος (zum Schwund des ϝ-bei Hom. Chantraine Gramm. hom. 1, 125) und mit slav., z.B. aksl. vozъ m. ‘Wagen’ identisch, idg. *u̯óĝho-s. Der im σ-Stamm erwartete ε-Vokal ist in ἔχεσφι· ἅρμασιν H. erhalten; ὄχεα nach ὄχος, ὀχέομαι (vgl. zu ὄρος). Zu *ϝέχος (und [ϝ]όχεα) stimmt bis auf die Vokallänge aind. vā́has- n. ‘Fahrzeug’ (bildlich für das Loblied); daneben vāhá- m. ‘Zugtier’, auch ‘Fahrzeug’, aw. vāza- m. ‘Zugtier’ (: ὄχο-ς). Eine gleichbedeutende n-Ableitung hat sich im Westen ausgebildet, kelt., z.B. air. fēn ‘Art Wagen’ (idg. *u̯egh-no-), germ. z.B. ahd. wagan ’Wagen’ (idg. *u̯oĝh-no-). Wieder anders lat. vehi-culum n. ‘Fahrzeug’, aind. vahi-tra- n. ‘Schiff’ mit tlo-Suffix; ebenso ὄχε-τλα· ὀχήματα H., das indessen wahrscheinlich aus -θλα dissimiliert ist (Schwyzer 533). Die Geminata in ὄκχος, ὀκχέω (Pi. u.a.) ist unerklärt; Hypothesen bei Schwyzer 717 A.4 und Meillet BSL 26, 15 f. — Weitere Formen m. reicher Lit. WP. 1, 249f., Pok. 1118ff., W.-Hofmann s. vehō, Fraenkel s. vèžti; dazu noch Porzig Gliederung 120, 158 u. 170 (vgl. die kritischen Bemerkungen von Humbach Gnomon 30, 622). — Vgl. ὀχέω, ὄχλος, γαιάοχος. II-457-458
*ὄψ 1. nur in ὄπα, -ός, -ί f. ‘Stimme, Laut, Wort’ (ep. poet. seit Il.). Als Hinterglied wahrscheinlich in εὐρύοπα, s. bes. Davon ὄσσα f., s. bes. — Suffixloses Nomen zum athem. Verb aind. vák-ti ‘er spricht’, idg. *u̯óqʷ-s bzw. *u̯éqʷ-ti; mit Dehnstufe lat. vōx. Daneben ein s-Stamm in ἔπος (s.d.). — Vgl. ἐνοπή. II-458
ὄψ 2., ὀπ-ός f. ‘Auge, Gesicht’ s. ὄπωπα. II-458
ὀψέ (seit Il.), ὄψι (äol., Lyr. Adesp. 57) Adv. ‘hinterdrein, nach langer Zeit, spät (am Abend), zu spät’. Oft ὀψι- als Vorderglied (nach ἀγχι-, ἠρι- u.a.), z.B. ὀψί-γονος ‘nachgeboren, jünger’ (ep. poet. seit Il., Hdt., Arist.); auch ὀψ-, z.B. ὀψ-αρό-της m. ‘Spätpflüger’ (Hes. Op. 490); vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 111 f. Als Hinterglied in ἀπ-οψέ (A. D.), κατ-οψέ (Alex. Trall.) ‘spät (am Abend)’, vgl. κατ-όπιν, ἀπο-πρό u.a. Davon 1. ὀψι-αίτερος, -αίτατος (att.; nach παλαίτερος u.a.). 2. ὄψ-ιος ‘spät’ (Pi., Arist. usw.) mit ὀψιό-της f. (Thphr.), wie πρώϊ-ος; -ιμος ‘ds.’ (X., hell. u. sp.), wie πρώϊ-μος (durch Umdeutung von ὄψιμος ‘sichtbar’ [Β 325]?; s. Arbenz 22 f.); -ινός ‘ds.’ (Kaiser- zeit; nach ἑωθι-νός u.a.; Chantraine Form. 200 f., Wackernagel Unt. 105 A. 1). 3. ὀψ-ίχα· ὀψέ. Βυζάντιοι H. (deminuierend wie ὁσσ-ίχος u. a.). 4. ὀψ-ία f. ‘Abend’ (ion. att.). 5. ὀψ-ίζω ‘spät kommen, sich verspäten’ (Lys., X. usw.) mit -ισμός m. ‘Verspätung’ (D. H.). Zu ὀψ-έ mit oxytoniertem -έ gibt es überhaupt kein Gegenstück. Am nächsten kommt τῆλ-ε (s. d.); vgl. noch -δε, -θε, -σε, -τε (Schwyzer 631). — Zu ὄψ-ι stimmt ὕψ-ι ‘in der Höhe’. Unerweitertes *ὄψ wie ἄψ (s.d. m. Lit.); damit identisch lat. ops- neben op, ob ‘auf — hin, nach — hin’ in o(b)s-tendō u.a. Ohne -ς in ὄπισθεν, ὀπίσ(σ)ω, ὀπώρα; s. dd. m. weiterer Lit. II-458-459
ὀψείοντες m. pl. ‘zu sehen verlangend’ (Ξ 37), desideratives Ptz. (zu ὄπωπα usw.) unklaren Ursprungs. — Hypothese von Wackernagel KZ 28, 141 ff. (Kl. Schr. 1. 623ff.): aus ὄψει ἰόντες, wonach Ind. ὀψείω und die übrigen, nachhom. Desiderativa auf -σείω. Weiteres bei Schwyzer 789; auch Chantraine Gramm. hom. 1, 453. II-459
ὄψις, ὄψομαι s. ὄπωπα. II-459
ὄψον n. ‘Zubrot, Zukost, bes. Fleisch’, in Athen usw. bes. ‘Fisch’ (seit Il.). Kompp., z.B. ὀψο-ποιός m. ‘Koch’ (ion. att.), εὔ-οψος ‘reich an Zukost, bes. Fisch’ (mittl. Kom. usw.). Zusammenbildungen: ὀψ-αρτυ-τής m. ‘Koch’ mit -τικός, -σία (Kom. usw.), Rückbildung ὀψαρτύ-ω (hell.); ὀψ-ών-ης m. ‘Zukostläufer, -händler’ (Ar.Fr.503 u.a.) mit -ία, -έω (Kritias, Ar. u.a.), -ιον n. "zum Einkaufen von ὄψον bestimmt", ‘barer Sold, Lohn’ (hell. u. sp.) mit -ιάζω usw.; lat. LW opsōnium m. ‘Zukost’, opsōnāre ( : ὀψωνέω) mit -ātor (> ὀψωνάτωρ), vgl. W.-Hofmann s.v. m. Lit. Demin. ὀψάριον n. (Kom., Pap. u.a.), ngr. ψάρι ‘Fisch’. — Nicht sicher erklärt. Von Schulze Q. 498 f. in ὄ-ψ-ον als "das Zugekaute" zerlegt, zu ψῆν, ψω-μός; Bildung wie ὄ-ζ-ος ‘Ast’; Einzelheiten bei Bechtel Lex. s.v. — Früher (s. Curtius 709) mit ἕψω und ὀπτός verbunden. II-459
πάγη f. ‘Schlinge, Fallstrick’ (ion. att.); Als Vorderglied z.B. in πάγ-ουρος m. ‘Taschenkrebs’, s. bes.; als angebl. Hinterglied in ἐπίπαγος m. ‘harte gefrorene Kruste’ (Pln., Mediz.), Rückbildung von ἐπι-πήγνυμι, -μαι. Demin. παγίς, -ίδος f. ‘ds.’ (Ar. Fr. 666, hell. u.. sp.) mit -ιδεύω, -ίδευμα (LXX u.a.). — πάγος m. 1. ‘Felsspitze, Klippe, Hügel’ (ep. ion. poet. seit s. 405, 411); 2. (sp. auch n. nach ῥῖγος, κρύος) ‘Eis, Reif, Frost’, auch von Salzablagerungen und vom geronnenen Blut usw. (A., S., Pl., Arist. usw.). — Davon (oder von παγ-ῆναι, πήγνυμι) 1. παγ-ετός m. = πάγος 2 (Pi., ion. att.) mit παγετ-ώδης ‘eisartig, eiskalt’ (Hp., S., Arist. u.a.); 2. παγ-ερός ‘eisig, eiskalt’ (D. Chr., Arist.: κρυερός); 3. παγώδης = παγετώδης (Thphr.). — Eig. "das Festmachen, Feststecken" (auch von der festen) Klippe im Gegensatz zum beweglichen Meer od. zur losen Erde; anders Porzig Satzinhalte 318 f.), "das Erstarren, Gefrieren"; nach Havers Sprache 4, 27 "der Fest-, Starrmacher", jedenfalls Verbalnomina von πήγνυμι, s.d. Vgl. πάξ, πάσσαλος, πάχνη. II-459-460
πάγουρος m. ‘Taschenkrebs, Krabbe, Cancer pagurus’ (Ar., Arist. u.a.). — Eig. "dessen οὐρά aus πάγος besteht" mit Beziehung auf die Härte des kurzen Hinterkörpers (im Gegensatz zum weicheren Schwanze anderer Arten). II-460
πάγχυ Adv. = πάνυ, ‘ganz und gar’ (ep. poet. seit Il., Sapph., Hdt.). — Zu πᾶν mit unklarem Ausgang. Gewöhnlich mit Osthoff MU 4, 253 f. als Umbildung von *πάγ-χι (wie ἧ-χι u.a. nach πάν-υ betrachtet. Dagegen Lagercrantz GHÅ 1925: 3, 137 f. und Schwyzer 624 A. 8 mit anderen Hypothessen: Haplologie aus *πὰν ἀγχύ (Lagercrantz; zu aind. aṃhú- ‘eng’; s. ἄγχω, ἄγχι); Dissimilation aus *πάγχνυ nach πρόχνυ oder zu χέω (Schwyzer mit?). Thesleff Intensification 144 f., wo weitere Einzelheiten, läßt die Frage unentschieden. II-460
πάθνη f. ‘Krippe’ s. φάτνη. II-460
πάθος n. ‘Leid’ usw. s. πάσχω. II-460
παιάν, -ᾶνος (dor., Trag., hell.), παιήων, -ονος (ep. seit Il.). παιών, -ῶνος (ion. att.; vgl. Wackernagel Glotta 14, 61ff. = Kl. Schr. 2, 869 ff.), πάων, -ονος (äol.) m. Bez. eines Heil- und Lobgesangs, vorw. an Apollon, "Päan", auch personifiziert als Götterarzt (Hom.), später Bein. des Apollon, appellat. ‘Arzt, Heiland’; auch N. eines Versfußes (Arist., Heph. u.a.). Davon 1. παιών-ιος ‘zum Päan gehörig, heilend, rettend’ (A., S., Ar. u.a.), f. -ιάς (AP), -ίς (S. E.); auch -ία f. Bein. d. Athena (Paus.), appellat. Pflanzenname ‘Pfingstrose’ (Thphr., Ps.-Dsk.; Strömberg 99); παιαν-ίδες pl. Beiw. von ἀοιδαί (Pi.); Παιηόν-ιος = Παιώνιος (APl.); παιαν-ίας m. ‘Päansinger’ (Sparta). 2. παιων-ικός = παιώνιος (Plu., Gal. u.a.), παιαν-ικός ‘päanähnlich’ (Ath.). 3. παιηοσύνη· ἰατρεία H. 4. παιων-ίζω (ion. att.), -αν-ίζω (dor.) ‘einen Päan anstimmen, mit einem P. ehren’ mit -ισμός m. (Th., Str., D. H.), -ισταίm. pl. ‘Gilde der Päansinger’ (Rom, Piräus, II—IIIp). Zum unklaren att. Demosnamen Παιανία Wackernagel a. O. — Wahrscheinlich aus dem Ausruf ἰὴ παιήων, ἰὼ παιάν (als Anfang eines Gesangs) ausgelöst, zunächst als Appellativ, Grundform *παιά-(ϝ)ων wie Ιά(ϝ)ονες, κοινά(ϝ)ων (s. Ἴωνες u. κοινός m. Lit.), aber sonst dunkel. Nach Schwyzer IF 30, 445 f. zu παίω ‘schlagen’ über *παῖϝα, *παϝίᾶ ‘Schlag’ als "der die Krankheiten dutch Zauberschlag heilende (Apollon)". Ebenso zu παίω, aber mit anderer (unwahrscheinlicher) Begründung Diehl RhM 89, 90 u. 109 ff. Anders (zu παύω) Pisani Rend. Acc. Lincei 6:5, 208. — Die Ähnlichkeit mit dem VN Παίoνες ist vielleicht nicht zufällig (nach Macurdy Glotta 6, 297ff. Stammgott der P.; dazu Kretschmer Glotta 21, 176f.). II-460-461
παιπάλη f. 1. ‘feines Mehl, Mehlstaub’ (Ar. Nu. 262, Apollon. Med.), 2. ‘geriebener Mensch, Schläuling’ (Ar. Nu. 260). Daneben viele formal sich eng anschließende, aber semantisch umstrittene Bildungen. A. Kompp. : 1. δυσ-παίπαλος Beiw. von βῆσσα (Archil.), κύματα (B.), Ὄθρυς (Nik.) u.a.; 2. δυσοδο-παίπαλα n. pl. (A. Eu. 387 [lyr.]), Les. nicht sicher; nach Sch. δυσπαράβατα καὶ τραχέα; 3. πολυ-παίπαλος, von Φοίνικες (ο 419), von αἰθήρ (Kall. Fr. anon. 225). B. Ableitungen: Adj. 1. παιπαλ-όεις von Inseln, Bergen, Wegen (ep. seit Il.); 2. -ιμος ‘gerieben, schlau’ (Theognost., Sch.); 3. -ώδης ‘ds.’ (EM, Suid.); 4. -εος von πιπώ ‘Specht’ (Antim.), Bed. unbekannt. Verba. 1. παιπαλᾶν· περισκοπεῖν, ἐρευνᾶν H., wozu formal παιπάλημα n. (Ar., Aeschin. u.a.) = 2. παιπάλη; wohl nur Erweiterung davon; 2. παιπάλλειν· σείειν H.; 3. παιπαλώσσω· τὸ παίζω καὶ τὸ παροινῶ (Theognost.). C. παίπαλά τε κρημνούς τε (Kall. Dian. 194), wohl Rückbildung aus A oder B 1. — Das Adj. παιπαλόεις, dessen urspr. Bed. offenbar früh vergessen worden ist und das schon von den ep. Dichtern als schmückendes Beiwort ohne fixierte Bed. benutzt wurde, wird meist als ’τραχύς, σκολιώδης’, d.h. ‘rauh, schroff’ bzw. ‘gewunden’ erklärt; dementsprechend δυσ-παίπαλος ‘mit schlimmen παίπαλα (Schroffheiten, Windungen)’. Von ‘Windung’ ausgehend hat es Fick KZ 44, 148 f. (zustimmend Bechtel Lex. s.v.) zu einer angeblichen Wz. pele- ‘wenden’, auch ‘falten’ ziehen wollen; παιπαλόεις somit ‘reich an Windungen od. Falten’ (vgl. πολύ-πτυχος), πολυ-παίπαλος = πολύ-τροπος (mit den Alten). Die Ansetzung von pele- im Sinn von ‘wenden’ ruht aber auf einer falschen Eingliederung von πόλος, πάλιν (s. vielmehr πέλομαι); es bleibt somit nur die Bed. ‘falten’ (s. ἁπλόος). Ähnlich Worms Herm. 81, 31 A. 2: eig. ‘geschwungen, gewunden’, zu πάλλω, woraus ‘zackig, sich schlangelnd, zerklüftet’ (?). Bei dieser Auffassung von παιπαλόεις wird παιπάλη davon getrennt und als ein besonderes Wort mit πάλη ‘Mehl’ (s.d.) zu πόλτος usw. gezogen. — Andere verbinden παιπαλόεις als ‘mehlig, staubig’ (zunächst von Wegen) mit παιπάλη; s. Leumann Hom. Wörter 236 ff. mit ausführlicher Begründung und reicher Lit. Dabei will L. im Gegensatz zu den Früheren παιπάλη ‘Schläuling’ nicht als Metapher aus παιπάλη ‘feines (geriebenes) Mehl’ sondern aus πολυ-παίπαλος erklären, dessen Ähnlichkeit mit πολυ-δαίδαλος in die Augen springt, aber noch der Erklärung bedarf. — Noch anders Palmer Glotta 27, 134 ff. (von Leumann mit Recht abgelehnt). Den Ursprung von παιπάλη will L. in παιπάλλειν = σείειν (’schütteln’ = ‘Mehl sieben’) finden; ebenso πάλη ‘Mehl’ von πάλλω. Vgl. πασπάλη. II-461-462
παῖς, παιδός (ep. lesb. böot. auch πάϊς) m. f. ‘Kind, Knabe, Sohn, Sklave, Diener’, seltener ‘Mädchen, Tochter’ (seit Il.). Viele Kompp., z.B. παιδ-αγωγός m. "Kinderführer", ‘Kinderaufseher, Schulmeister’, ἄ-παις ‘kinderlos’ (ion. att.). Ableitungen. A. Subst. Mehrere hypokoristische Deminutiva, die z. T. das Grundwort ersetzt haben. 1. παιδ-ίον n. (ion. att.) mit -ιότης f. ‘Kindheit’ (Aq.), -ιώδης ‘kindisch’ (D.H.). 2. παιδ-ίσκος m., gewöhnlicher -ίσκη f. (att. usw.) mit -ισκι-ωρός m. (Sparta) eig. "Mädchenwart" ?, (s Leumann Hom. Wörter 224 Ziff. 2d), -ισκάριον n. (hell. u. sp.), -ισκεῖος (IVa), -ισκεῖον n. ‘Bordell’ (Ath.); zu παιδίσκη, -ος gegenüber παῖς, κόρη, υἱός usw. Wackernagel Glotta 2, 6ff. (= Kl. Schr. 2, 838ff.), 130 u. 315, Immisch ebd. 218f., Fraenkel Nom. ag. 1, 210 A.3, Locker Glotta 22, 52f., Le Roy BCH 85, 226f. 3. παιδ-άριον n. (att.) mit -αρίσκος (Hld.), -αρίδιον (Gloss.), -αριήματα· παιδάρια H., -αρίων H. s. προυνικοί, -αριώδης ‘kindisch’ (Pl., Arist. usw.), -αρικός ‘zum Sklaven gehörig’ (Pap. VIp), -αριεύομαι ‘sich kindisch benehmen’ (Aristox. u.a.). 4. πάϊλλος m. ‘männliches Kind’ (Tanagra; zu -ιλλος Schwyzer 485; nach v. Blumenthal 43 aus *παιδ-λος). 5. Dazu παιδ-ία f. ‘Kindheit’ (Hp. u.a.), -ιά f. ‘Kinderspiel, Scherz, Zeitvertreib’ (att.; vgl. Koller Mus. Helv. 13, 123 f.); zu -ία, -ιά, die nicht immer zu trennen sind, Scheller Oxytonierung 78 ff.; -ιώδης ‘spielerisch’ (Ion Hist., Arist. u.a.). 6. παίγνιον, -ίη s. unten zu παίζω. B. Adj. 1. παιδ-νός ‘im Kindesalter, kindisch’ (ep. poet. seit Od.). 2. παίδ-ειος, -εῖος, -ήϊος ‘kindlich’ (Pi., Trag., Pl. u.a.); τὰ -ήϊα N. eines Festes (Delph. V—IVa). 3. παιδ-ικός ‘das Kind betreffend, kindlich’; τὰ παιδικά ‘Liebling’ (B., att.; Chantraine Études 115 usw.). 4. παιδοῦς, -οῦσσα ‘kinderreich, schwanger’ (Kall., Hp.). C. Verba. 1. παίζω, Aor. παῖσαι, analog. auch παῖξαι (Krates. Korn., Ktes., hell.), auch mit ἐν- (ἐυπαίκ-της, -γ-μός, -γ-μονή LXX, NT), κατα-, συν- u.a., ‘sich wie ein Kind benehmen, spielen, scherzen’ (seit Od.; zur Bed. und Verwendung Meerwaldt Mnem. 56, 159 ff.) mit παῖγ-μα n. ‘Spiel, Scherz’ (E. u.a.) und φιλο-παίγμων ‘Scherz liebend’ (seit ψ 134), -μοσύναι pl. ‘ds.’ (Stesich.); auch παιγ-νίη f. ‘Spiel’ (Hdt. u.a.) mit -νιήμων ‘spielerisch’ (Hdt., vgl. Schwyzer 522), -νιον (att.), -χ-νιον (Erinna, Theok. in Pap. Antin., Kall.) n. ‘Spiel, Scherz’; wohl urspr. für παιδ-ν- mit -γν- aus -δν-, aber früh mit παίζω verbunden (s. Schwyzer 208, Lejeune Traité de phon. 68 A. 1, Scheller Oxyton. 80; zu παίχνιον Scheidweiler Phil. 100, 43f.); (συμ-)παίκ-της m. ‘(Mit)spieler, Spielgenosse’ (AP). -τρια f. (Ant. Lib.), daneben (συμ-)παίσ-της m. (Pl. Min., Pap. u.a.), -τικός ‘scherzhaft’ (Klearch.), -τρη f. ‘Spielplatz’ (Herod.); συμπαίκ-τωρ, -παίσ-τωρ m. (X.,AP). 2. παιδ-εύω ‘erziehen, (aus)bilden, unterrichten’, auch m. ἐκ-, συν- u.a. (ion. att.), mit παιδ-εία f. ‘Erziehung, Ausbildung, Bildung’ (A., Demokr., att.; auch ‘Kindheit, Jugend’, s. Scheller 78 A. 1), -ευσις f. ‘Erziehung(ssystem), Ausbildung’ (Pi., Trag., Pl. u.a.; Holt 129), -ευμα n. ‘Gegenstand, Ergebnis der Er- ziehung, Zögling’ (att.; zum Bed.inhalt Kerényi Paideuma 1, 157 f.. Röttger Substantivbild. 20 f.), -ευτής m. ‘Erzieher, Lehrer’ (Pl.), -ευτικός ‘zur Erziehung gehörig’ (Pl. usw.), -ευτήριον n. ‘Schule’ (D. S., Str.). 3. *παιδ-όω in παίδ-ωσις f. ‘Adoption’ (Elis), s. Bechtel Gött. Nachr. 1920, 248. — Aus dem zweisilbigen πάϊς (zu Hom. Chantraine Gramm. hom. 1,29) ergibt sich ein urspr. *παϝ-ι-δ-; zum (dissimilatorischen?) Schwund des ϝ Schwyzer 260 m. Lit., zur Bildung 465 u. 578. Der unerweiterte Stamm ist noch in att. παῦς (Vaseninschr.) und im kypr. Gen. Φιλό-παϝ-ος zu belegen; unsicher kypr. διπας, = δί-παις ? Eine parallele Erweiterung zeigt παῦρος; s.d. m. weiteren Kombinationen. Außerhalb des Griech. bietet sich zunächst zum Vergleich das Vorderglied in lat. pau-per, wenn aus *pau̯(o)-par-o-s ‘wenig erwerbend’ (Grundform bezweifelt; s. W.-Hofmann s.v.); idg. *pau̯owird auch in germ., z.B. got. faw-ai pl. ‘wenige’ vermutet. —Neben pau- (idg. *pəu-?) steht mit Dehnstufe πῶλος (s.d.); mit Schwundstufe lat. puer (Neubildung nach gener, socer; Risch Μνήμης χάριν 2, 109 ff.), ebenso, mit altem tlo-Suffix, ital., z. B. osk. puklum ‘filium’, aind. putrá-, aw. puϑra-’Sohn’. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 75f. (z.T. veraltet), Pok. 842 f., W.-Hofmann s. puer, pullus und pauper, Mayrhofer s. putráḥ; ält. Lit. auch bei Bq. II-462-463
παιφάσσω. nur Präsensstamm, Bed. unsicher: ‘zucken, schwingen, sich heftig bewegen?’ (πυκνὰ ἀπ’ ἄλλου ἐπ’ ἄλλον ὁρμᾶν, ἐνθουσιαστικῶς ἔχειν, σπεύδειν, θορυβεῖν, πηδᾶν H.), ‘blitzen, schimmern?’ (Β 450, Ε 803, A. R., Q. S., Opp.); vgl. παραιφάσσει· τινάσσει, πηδᾷ, παρακινεῖ. διαφάσσειν· διαφαίνειν. παιπάσσουσα (Β450)· παντὶ φαινομένη H.; dazu Bechtel Lex. s.v. und Erbse Herm. 81, 171. vereinzelt mit ἐκ-, περι-, — Reduplizierte Intensivbildung (Schwyzer 647); schon wegen der unsicheren Bed. ohne feststellbare Etymologie. Gewöhnlich mit Fick(-Bezzenberger) BB 8, 331 u.a. mit lat. fax ‘Fackel’ verbunden, das anlaut. ĝhu̯- voraussetzt, da zu lit. žvãkė ‘Kerze’ gehörig. Bedenken bei WP. 1, 645 m. Lit. und anderen (abzulehnenden) Vorschlägen (darüber auch Bq). Reiche Lit. auch bei W.-Hofmann s. fax. Vgl. φάσσα. II-463-464
παίω, böot. πήω (Hdn.), Aor. παῖσαι, Pass. παισθῆναι, Fut. παί-σω, -ήσω, Perf. πέπαι-κα, -σμαι, ‘schlagen, hauen, stoßen, anschlagen, an- stoßen’ (ion. att., kret.; verhältnismäßig selten in att. Prosa); in den außerpräs. Tempora, namentlich im Aor., oft von anderen Verba, z.B. πατάξαι, τύψαι, πλῆξαι, ersetzt; vgl. Bloch Suppl. Verba 83 ff. oft m. Präfix, z.B. παρα-, ἀντι-, ἐν-, συν-, ὑπερ-, Wenige Ableitungen: παῖμα n. ‘Prä- gung’ (Kreta), παραπαί-σματα pl. ‘Anfälle des Wahnsinns’ (Oenom.), παραίπαιμα· παρακοπή H.; ἀνάπαι-στος ‘zurückgeschlagen’, metr. m. ‘Anapäst’ (Kom., Arist. u.a.); ἔμπαι-στος ‘bossiert, geprägt’, -σμα n. ‘Bossierung’ (Delos IIa). -στικὴ τέχνη ‘Bossierkunst’ (Ath.); Rückbildungen ἔμπαι-ος, πρόσπαι-ος (: ἐμ-, προσ-παίω) ‘hereinbrechend, plötzlich’ (A. u.a.). — Nicht sicher erklärt. Der ganze Formenbestand geht vom Präs. παίω aus, das für *πάϝι̯ω stehen kann und seit alters mit lat. paviō ‘schlagen, stampfen’ gleichgesetzt wird; das fragliche kypr. παϝιω ist jedoch dafür eine trügerische Stütze (s. Schwyzer 713 A. 6 m. Lit.). Die Etymologie setzt indessen voraus, daß man mit Schwyzer IF 30, 443 ff. die zu erwartenden außerpräs. παῦ-σαι, -σω usw. zusammen mit παύω ein neues System bilden läßt, was auf erhebliche Schwierigkeiten stößt; s. zu παύω. — Unwahrscheinlich Ehrlich Betonung 99 und (zögernd) Sommer Lautst. 78 : aus *παίσω zu lat. pinsō ‘zerstoßen’, mit Ablaut pais- : pis-, da lit. paisýti ‘die Grannen abschlagen, enthülsen’ als iterative Sekundärbildung kein altes pais- erweist. Einzelheiten m. weiterer Lit. bei WP. 2, 12, Pok. 827, W.-Hofmann s. paviō. — Vgl. παιάν und πταίω, auch 2. ἔμπαιος. II-464
παλάθη f. ‘Kuchen aus eingemachten Früchten’ (Hdt. 4, 23, Thphr., LXX u.a.). Demin. παλαθ-ίς f. (Ph. Bel., Str.), -ιον n. (Polem. Hist.), auch παλάσ-ιον (Ar. Pax 574 [lyr.]; v.l. -θιον); -ώδης ’π.-ähnlich’ (Dsk.). — Wenn, wie wahrscheinlich, zu πλάσσω (s.d.), nur im Ablaut vom Hinterglied der Syntheta κορο-, πηλο-πλάθος und von πλάθανον (s.d.) abweichend. Dieselbe zweisilbige Schwundstufe in παλά-μη, παλα-στή; daneben das hochstufige πέλα-νος ? Vgl. auch πλάξ. Nach Prellwitz dagegen zu πλῆθος, πίμπλημι; schon formal bedenklich. —Oder zurechtgelegtes Fremdwort (ganz hypothetische Etymologie bei Lewy Fremdw. 77; s. auch Grimme Glotta 14, 17)? Abzulehnen Specht Ursprung 255 : θ aus idg. th. II-464
πάλαι Adv. ‘vor alters, ehedem, schon lange, längst, früher’ (seit Il.; Vermutungen über die Bed.entw. bei Treu Von Hom. zur Lyrik 127). Kompp., z.B. παλαι-γενής ‘vor langer Zeit ge- boren, hochbejahrt’ (ep. poet. seit Il.). ἔκ-παλαι ‘seit od. vor langer Zeit’ (hell. u. sp.). Davon παλαιός ‘alt, altertümlich, ehemalig’ (seit Il.) mit παλαι-ότης f. ‘Alter, Altertümlichkeit’ (att.), -όομαι, -όω ‘altern, alt machen, für veraltet erklären’ (Hp., Pl., Arist. usw.); davon παλαί-ωσις f. ‘das Altern’ (Hp., LXX, Str. u.a.), -ώματα pl. ‘das Altertum’ (LXX). Steigerungsformen παλαί-τερος, -τατος (Pi. usw.), auch παλαιό-τερος (Ψ 788 [metr. bedingt] usw.; Schwyzer 534 m. A.6), -τατος (Pl. usw.). — Bildung (bis auf den Akz.) wie χαμαί, παραί; somit eig. eine erstarrte Kasusform (Dat.?, s. Schwyzer 548 m. Lit.). Damit ablautend τῆλε ‘in der Ferne, weit’ (s. d.), böot πήλυι ‘ds.’; die örtliche Bed. ist selbstredend die ältere. Das damit verbundene aind. caramá- ‘der äußerste, der letzte’ schlägt eine Brücke zu τέλος ‘Ende, Ziel’; πάλαι somit urspr. ‘am Ende’ (eig. ‘am Wendepunkt der Laufbahn’), ‘in der Ferne’, ‘in ferner Zeit’. Ein besonderes qʷel- ‘fern’ anzunehmen (WP. 1, 517, Pok. 640) ist nicht notwendig. — Vgl. πάλιν und πέλομαι. II-465
παλαίω. äol. -αιμι, böot. -ήω (Hdn. Gr.). Aor. -αῖσαι, -αισθῆναι, Fut. -αίσω, ‘ringen, den Ringkampf bestehen’ (seit Il.). auch mit προσ-, κατα-, συν- u.a., Davon 1. Παλαίμων, -ονος m. "Ringer", nur als N. eines Meergottes und Bein. des Herakles (E., Kall., Lyk., Inschr.); vom unbelegten Appellativ παλαι-μον-έω = παλαίω (Pi.) und παλαι(σ)μο-σύνη f. ‘Ringkunst’ (Hom., Simon. u.a., Wyss -σύνη 24; viell. mit anal. -(σ)μο-direkt von παλαίω nach Porzig Satzinhalte 223). 2. πάλαι-σμα n. ‘das Ringen, Ringerstück, Kunstgriff’ (ion. att.), 3. -σις f. ‘Wettkampf’ (Ptol.); 4. -στής m. ‘Ringe’, Kämpfer’ (seit θ 246) mit -στικός ‘zum Ringer, Ringen gehörig’ (Arist. usw.); 5. -στρᾱ f. ‘Ringschule, Turnhalle, Kampfplatz’ (ion. att.) mit -στρίδιον, -στρίτης, -στρικός, -στριαῖος. — Für sich steht πάλη f. ‘das Ringen, Ringkampf’ (seit Il.) als Rückbildung (Schwyzer 421 A. 3) mit ἀντί-παλος m. ‘Gegner, ebenbürtig’ (Pi., ion. att.), δυσ-παλής ‘schwer zu bekämpfen’ (Pi. u.a.; mit Übergang in die σ-Stämme) u.a.; ebenso διαπάλ-η f. (Pln.) von δια-παλαίω (Ar., Ph. usw.). — Wenn sich παλαίω mit κεραίω (: κερά-σαι), λαγαίω (: λαγάσαι) u.a. vergleichen läßt (Schwyzer 676), müssen die außerpräs. Tempora sekundär hinzugebildet sein; das ebenfalls dunkle παίω und die bei Schw. a.O. angeführten einsilbigen Präsensstämme helfen auch nicht weiter. Die Beurteilung wird durch die etymol. Unklarheit und Mehrdeutigkeit erschwert; vgl. zu πάλλω und πέλομαι, auch πελεμίζω. — Ältere Versuche bei Bq. II-465-466
παλάμη f. ‘(flache) Hand, Handhabe, Mittel, Veranstaltung’ (ep. poet. seit Il.). Als Hinterglied u.a. in δυσ-πάλαμος ‘übeltätig, hilflos’ (A. in lyr.). Davon πάλαμις (cod. -ίς)· τεχνίτης παρὰ τοῖς Σαλαμινίοις H. (vgl. γάστρις u.a., Bechtel Dial. 1,452), παλαμίς f. ‘Maulwurf’ (Alex. Trall.). Denom. παλαμ-άομαι, -ήσασθαι (παλαμήσας· τεχνάσας, ἐργάσας H.) ‘hantieren, verrichten, planen’ (Alk., E., Ar., X. u.a.) mit -ημα n. ‘Verrichtung, Plan’ (Kom. Adesp., Ael.). — Daneben ἀ-πάλαμν-ος (auch ἀ-πάλαμος) "ohne Hand", ‘ungeschickt, hilflos, unbesonnen, rücksichtslos’ (ep. poet. seit Ε 597); παλαμν-αῖος ‘der mit eigener Hand etw. verübt’, euphem. = ‘mörderisch, Mörder, Rächer’ (Trag. u.a.); beide von *πάλαμα n., s. zu ἀτέραμνος m. Lit. — Zu παλά-μη, woneben *πάλα-μα wie γνώ-μη : γνῶ-μα ( : γνώ-μων), μνή-μη : μνῆ-μα (:μνή-μων) u.a., stimmt bis auf die Silbenzahl lat. palma f. ‘flache Hand’, wozu noch aus dem Westen germ., z.B. ahd. folma, kelt. z.B. air. lām ‘Hand’, die alle eine alte schwachstufige m-Ableitung eines verschollenen Verbs ‘ausbreiten’ repräsentieren; zum nicht ganz klaren Ab- laut s. Schwyzer 343 und 362, Ernout-Meillet s. palma; das μη-Suffix noch in den sinnverwandten δραχ-μή, πυγ-μή usw., s. Porzig Satzinhalte 289 u. 284. — Andere Ableitungen desselben Verbs sind παλαστή, πέλαγος; s. noch πέλανος, πλάσσω und πλανάω, auch ἐπιπολῆς. Weitere Formen m. Lit. Wp. 2, 61 ff., Pok. 805ff., W.-Hofmann s. palma. II-466
παλάσσομαι ‘losen’ s. πάλλω. II-466
παλάσσω, Fut. Inf. παλαξέμεν, Perf. Ptz. πεπαλαγμένος, Plqu. πεπάλακτο ‘bespritzen, beflecken, besudeln’ (ep. seit Il.) ἐμ-παλάσσομαι ‘eingemischt, verstrickt werden’, frz. s’embour- ber (Hdt., Th. u.a.), ἐμπαλάξαι· ἐμπλέξαι H., mit ἐμπαλάγματα pl. ‘Verstrickungen, Umarmungen’ (A. Supp. 296). mit πάλαξις f. ‘das Bespritzen’ = ‘die Grundierung’ (Epid. IIIa); — Von Curtius 288 mit παλύνω zu πάλη ‘feines Mehl’ gezogen, was trotz Bechtel Lex. s.v. semantisch einwandfrei scheint; Bildung nach σταλάσσω, αἱμάσσω u.a.; zum anal. -άσσω Schwyzer 733. Nach Fick 1, 478 dagegen zu πάλκος· πηλός H., wozu ferner lit. pélkė ‘Sumpf, Torfmoor’ u.a.; anders über πάλκος Schulze BerlAkSb. 1910, 788 (Kl. Schr. 112): zu lit. pálšas ‘fahl’. Weitere hypothetische Kombinationen bei Bq. WP. 2, 65 f., W.-Hofmann s. 2. palūs, wo auch reiche Lit.; dazu noch Krahe Beitr. z. Namenforsch. 3, 232 f. (über den hispan. FlN Palantia, angebl. "Sumpffluß"). II-466
παλαστή (ion. att.), -άστα (äol.), sekundär -αιστή (nach παλαίω; Hp., Arist., Pap.), auch -αιστής m. (LXX, Hero Deff. u. Geom. usw.; nach μετρητής u.a.) f. ‘Handfläche, Breite von vier Fingern’. Als Hinterglied z.B. in τρι-πάλα(ι)στος ‘drei Handbreiten messend’ (ion. att., hell.). Davon παλα(ι)στ-ιαῖος ‘eine Handbreite messend’ (ion. att., hell.). — Zum selben Verb für ‘ausbreiten’ wie παλάμη (s.d.), u. zw. mit demselben alten st-Suffix wie in mehreren sinnverwandten Wörtern, z.B. ἀγοστός; s.d. m. weiteren Hinweisen. II-467
παλεύω ‘als Lockvogel auftreten, in das Garn od. in die Falle locken, ködern’ (Ar. Av., Ph., Plu. u.a.). Davon παλ-ευταί· οἱ τὰ λίνα ἱστῶντες, οἷς τὰ θηρία παλεύεται, -ευτικόν (cod. πατ-)· θηρευτικόν H., -ευτά· τὰ λίνα οἷς τὰ θηρία ἁλίσκεται Phot., -εύτρια f. ‘Lockvogel’ (Eub., Arist. u.a.), -ευτρίς f. Phot., -ευμα n. ‘Köder, Lockspeise’ (Anon. ap. Greg. Kor. p. 1017 S.). — Technisches Wort ohne Etymologie. Über frühere Versuche s. Bq und W.-Hofmann s. calumnia u. 1. squalus. Neue Hypothese von Machek. Μνήμης χάριν 2, 20ff.: zu slav., z.B. russ. polevátь ‘jagen’ (gewöhnlich zu póle ‘Feld’ gestellt). II-467
παλέω nur Aor. Opt. παλήσειε von einer kampfunfähigen Flotte (Hdt. 8,21; vgl. Weber Glotta 25, 267ff.), Ind. ἐπάλησεν· ἐφθάρη und Perf. πεπαληκέναι· ἐκπεσεῖν, πεπαλημέναι· βεβλαμμέναι H.; daneben (wie von πάλλω) πεπαλμένος· βεβλαμμένος, ἔξαρθρος γεγονώς H., πεπαλκέναι λέγεται τὸ ἐκπίπτειν τὰ πλοῖα Phot. Daneben ἐκπαλής ‘ausgerenkt’ (Hp., H.) mit ἐκπαλ-έω ‘aus dem Gelenk springen, sich ausrenken’ (Hp.), ἐκπάλ-ησις, -εία f. ‘Ausrenkung’ (Mediz.). — Wohl zu πάλλω. Das vereinzelt, meist nur lexikalisch belegte Simplex kann Rückbildung aus ἐκπαλέω sein, das als ἐκ-παλέω aufgefaßt wurde, obwohl Denominativ von ἐκπαλ-ής eig. ‘ausgesprungen’, von ἐκ-πάλλομαι ‘ausspringen’ als mediz. Fachausdruck von einem ausgerenkten Glied; s. πάλλω. II-467
πάλη 1. f. ‘Ringkampf’ s. παλαίω. II-467
πάλη 2. f. ‘feines Mehl, feiner Staub’ (Hp. u. and. Mediz., Pherekr.); erweitert πάλημα n. ‘ds.’ (Nik.) mit -ημάτιον n. (Ar.Fr. 682). — Davon das reduplizierte παιπάλη (s.d.); wohl auch παλάσσω und παλύνω (s. dd.). — Mit πάλη werden gewöhnlich mehrere Wörter für ‘Staub, Mehl’ zusammengehalten, z.B. lat. pulvis, pollen, aind. palalam n. ‘zerriebene Sesamkörner’; s., außer Bq, WP. 2, 60, Pok. 802, W.-Hof- mann, Ernout-Meillet u. Mayrhofer s.vv. mit weiteren For- men u. reicher Lit.; gewiß denkbar. Ganz anders Leumann Hom. Wörter 239 : von πάλλω ‘schütteln’ = ‘Mehl sieben’; vgl. zu παιπάλη. — S. auch πόλτος. II-467
πάλιν (hell. Dicht. u.a. auch πάλι) Adv. ‘rückwärts, in umgekehrter Richtung’ (seit Il.), ‘wiederum, von neuem’ (seit 5.Jh.). Als Hinterglied in urspr. präpositionellen Ausdrücken wie ἔμ-παλιν ‘umgekehrt, im Gegenteil’, ἀνά-παλιν ‘rückwärts, zurück’ mit ἀναπαλ-εύω ‘zurücknehmen, aufheben’ (sp. Pap.). Sehr oft als Vorderglied, z.B. παλίν-ορσος (s. ὄρρος), παλί̄ωξις f. ‘Rückwärtsverfolgung, Gegenangriff’ (Il., App.) aus *παλι-ϝίωξις (παλι nach anderen Vordergliedern auf -ι, nicht alte Stammform), Zusammenbildung aus πάλιν ϝιώκειν (Schwyzer 644, Porzig Satzinhalte 191 f., Benveniste Noms d’agent 77 u. 81; abzulehnen Bechtel Lex. s.v.). — Erstarrter Akk. eines Subst. *πάλις ‘Drehung, Wendung’ (von πέλομαι; s. auch πάλαι), zunächst als Akk. des Inhalts in Fällen wie πάλιν ἰέναι, βαίνειν, διδόναι. Ausführlich Solmsen Wortforsch. 157 ff. (wo auch über das analog. entstandene πάλι); dazu Schwyzer 621. Zum α-Vokal vgl. ἅλις, σπάνις. II-468
παλλακ-ή (ion. att., hell.; im Hexam. unbrauchbar), -ίς (Hom., X., hell.) f. ‘Kebsweib, Konkubine’. Davon παλλακ-ίδιον n. (Plu.), -ῖνος m. ‘Sohn einer π.’ (Sophr.), -ία (auch -εία zu -εύω; Scheller Oxytonierung 34 f.) f. ‘Konkubinat’ (Is., Str. u.a.). -εύομαι, -εύω ‘sich zur Konkubine nehmen, Konkubine sein’ (Hdt., Str., Plu. u.a.). Dazu, wohl als Rückbildung (vgl. Lommel Femininbild. 52), πάλλαξ f. (Gell. als Erklärung von paelex), auch m. ‘Jüngling’ (Gramm.) mit -άκιον = μειράκιον (Pl. Kom., Ael. Dion.), thematisch παλλακός· ἐρώμενος (ἐρρωμένος cod.) H., Phot.; πάλληξ m. (Samos III—IIa, Ar.Byz. u.a.) mit παλληκάριον (Pap., geschr. -ι-), wozu ngr. παλληκάρι (vgl. Schwyzer 497); im Suffix ganz abweichend πάλλᾱς, -αντος m. ‘Jüngling’ (Philistid.; nach γίγᾱς), aus dem Titanen- und Gigantennamen (Hes. usw.). — Für sich steht Παλλάς, -άδος (wie μαινάς, δρυάς u.a.) f. Bein. der Athena (seit Il.), bei den Griechen im ägypt. Theben noch als sakraler Ausdruck = παρθένος (Str. 17, 1,46, Eust.), mit -άδιον n. ‘Pallasbild’, eig. ‘Püppchen, weibliches Idol’ (Hdt., Ar., Inschr.). — Altes Wanderwort unklarer Herkunft. Zum Vergleich eignen sich 1. lat. paelex ‘Kebsweib’, viell. griech. LW durch etrusk. Vermittlung (Ernout BSL 30, 122); 2. aus dem Semit. hebr. pīlegeš (-ll-), aram. pīlaqtā (aus dem Griech.?); 3. unsicherer aus dem Altiran. aw. pairikā f. ‘dämonische, durch Liebeszauber verführerische Frau’, mpers. parīk, npers. parī ‘Peri’, urir. *parī̆kā, womit irisch airech, Gen. airige f. ‘Kebse’ (mit kelt. Schwund des p-?) eine auffallende Ähnlichkeit zeigt (Thurneysen IF 42, 146f.). Kritisches Referat verschiedener Ansichten m. reicher Lit. bei W.-Hofmann s. paelex; ält. Lit. auch bei Bq und WP. 2, 7. Pelasgische Erklärungen von Παλλάς bei v. Windekens Le Muséon 63, 102f., Beitr. z. Namenforsch. 5, 221 ff. II-468-469
παλλω, -ομαι, Aor. πῆλαι (seit Il.), Med. πήλασθαι (Kall.), πάλτο (ἀν-, κατ-έπαλτο, s.u.), redupl. ἀμ-πεπαλών (Hom.; auch πεπάλ-εσθε, -έσθαι für -ασθε, -άσθαι bzw. -αχθε, -άχθαι? s.u.), Aor. Pass. ἀνα-παλείς (Str.), Perf. Med. πέπαλμαι (A.), ‘schwingen, schütteln, Lose schütteln, losen’, Med. ‘sich schwingen’, auch ‘springen, hüpfen’ (s.u.). auch m. Präfix, bes. ἀνα- (ἀμ-). — Als Hinterglied in ἐγχέσ-, σακέσ-παλος ‘speer-, schildschwingend’ (ep. poet. seit Il.; Trümpy Fachausdrücke 28). Ableitungen: 1. πάλος m. ‘(geschütteltes) Los’ (Sapph., Hdt., Trag.), ἄμπαλ-ος m. ‘erneuertes Schütteln’ (des Loses, Pi.); ἀναπάλ-η f. N. eines Tanzes (Ath.); 2. παλτόν n. ‘Wurfspieß’ (A., X. usw.) mit ἐπάλταξα· παλτῷ ἔβαλον H., -ός Adj. (S.); 3. παλμός m. ‘Schwingung, Pulsschlag’ (Hp., Arist., Epikur. u.a.) mit -ώδης ‘voll Schwingungen’ (Hp. u.a.); παλματίας σεισμός ‘heftiges Erdbeben’ (Arist.; vgl. βρασματίας s. βράσσω); 4. πάλσις (ἀνά-, ἀπό- ~) f. ‘das Schwingen usw.’ (Arist., Epikur. u.a.). — Intensivbildung παι-πάλλειν· σείειν H. Auf eine Gutturalerweiterung *παλ-άσσομαι scheinen πεπάλ-αχθε, -άχθαι (H 171, ι 331) zurückzugehen; für diese schwerverständlichen Perfekte sind indessen vielleicht redupl. Aor. -εσθε, -έσθαι einzusetzen (Chantraine Gramm. hom. 1, 396 mit Döderlein; anders Bechtel Lex. 266). — Als gemeinsame Grundlage sämtlicher Formen dient ein schwachstufiges παλ- (*πάλ-ι̯ω, *πάλ-σαι); durch falsche Zerlegung der Komposita κατ-επ-αλτο, ἀν-επ-αλτο (zu ἅλλομαι ‘springen, hüpfen’) in κατ-, ἀν-έπαλτο ergab sich ein scheinbar augmentiertes ἔ-παλτο, woraus πάλτο und rückgebildetes πάλλομαι = ἅλλομαι (Geiss Münch. Stud. 11, 62ff. mit Leumann Hom. Wörter 60 ff., wo Lit. u. weit. Einzelheiten). — Ohne sichere außergriech. Verwandte. Die Verbindung mit lat. pellō, pe-pul-ī ‘mit einem Stoß in Bewegung setzen’ (Curtius 268 mit Fick, Ernout-Meillet u.a.) scheint trotz Solmsen Wortforsch. 18 f., Bq und WP. 2, 57 erwägenswert; vgl. παλμός = pulsus; des weiteren s. πελάζω, auch ἀπελλαι. Hierher noch slav., z.B. russ. polóch ‘Aufruhr, Unruhe, Verwirrung’ (Solmsen PBBeitr. 27, 364, WP. 2, 52; weitere Lit. bei Vasmer s.v.) ? Nicht mit Fraenkel Mél. Bq 1, 358 und Pok. 801 zu pel- ‘fließen, schwimmen’ (vgl. πολύς, πλέω, πίμπλημι); noch anders, ebenfalls abzulehnen, Palmer Glotta 27, 134ff., Richardson Trans. Phil. Soc. 1936, 101 ff. — Davon erweitert πελεμίζω, πόλεμος, s. dd. II-469
πάλμυς, -υδος, -υν m. ‘König’ (Hippon., A.Fr. 437 = 623 M., Lyk., AP 15, 25), auch N. eines Troers (Ν 792). — Lydisches Wort (+aλmλuś; Anfangszeichen = ku̯, qʷ o. ä.?), s. Masson Hipponax (Ét. et Comm. 43, Paris 1962) 103m. Lit.; dazu noch Kammenhuber ZDMG 112, 383. II-469-470
πάλος m. ‘Los’ s. πάλλω. II-470
παλύνω, Aor. παλῦναι, ‘Mehl usw. streuen, mit Mehl, Staub, Schnee u.a. bestreuen’ (ep. poet. seit Il.). ganz vereinzelt m. ἀμφι-, δια-, ύπερ-, — Ohne Zweifel mit 2. πάλη ‘feines Mehl’ verwandt; ob als direkte Ableitung davon auf -ύνω oder von einem unbelegten v -Stamm, muß dahingestellt bleiben, vgl. Fraenkel Denom. 38 f. u. 286, Schwyzer 733. Andere Hypothesen bei WP. 2, 59 u. 55, W.-Hofmann s. palea und puls. II-470
παμπήδην (Thgn., A., S.), -ηδόν, -ηδονίς (Theognost.) ‘gänzlich, ganz und gar’, = πάμπαν. — Expressive Erweiterung von πάν (πᾶς) mit suff. -δην, -δόν, -δονίς (letzteres für -δίς?); die Mittelsilbe gewöhnlich zu πᾶ-μα ‘Besitz’, πέ-πᾶ-μαι ‘besitzen’ (s.d.) gestellt (Schwyzer 301 u. 620 m. Lit.; s. auch ἔμπης). Aber vielleicht eher Umbildung von πάμπαν nach den Adv. auf -ήδην, -ηδόν. — Zu παμπησία s. πέπαμαι. II-470
παμφαίνω nur Präsensst. ‘hell leuchten, strahlen’ (ep. seit Il., παμφαίνεσκε Eratosth.); daneben Ptz. παμφαν-όων, -όωσα, -όωντα wie von *παμφανάω; vgl. ἰσχανάω u.a., bes. ὑφανάω neben ὑφαίνω usw. (Schwyzer 700, Chantraine Gramm. hom. 1, 360). — Redupliziertes Intensivum zu φαίνω; s.d. II-470
παμφαλάω (Lyk. -ώμενος), παμφαλῆσαι ‘erstaunt umherschauen’ (Hippon., Anakr., Herod. u.a.), ἐπαμφάλησεν· ἐθαύμασε, περιεβλέψατο H. — Redupliziertes Intensivum auf -άω (vgl. zu παμφαίνω) mit Dissimilation aus *φαλ-φαλ-άω (Bechtel Dial. 3, 324), wohl zu φαλός· λευκός H. u.a., s. φαλακρός. Zur Bed. vgl. z.B. λευκός : λεύσσω. II-470
Πάν, -νός, -νί (h. Hom., Pi., Hdt. usw.; Πάονι ark. VIa), pl. Πᾶνες (Ar. u.a.) m. Hirtengott arkad. Ursprungs. Davon 1. Demin. Πανίσκος (Cic.); 2. Πάνιος ‘zu P. gehörig, panisch’ (A.Fr. 98 = 143 M.), -ιον n. ‘Heiligtum des P.’ (Epid.IIIa), -ειον n. ‘ds.’ (Str. u.a.), τὰ Π. ‘Fest des P.’ (Delos IIIa), f. Πανιάς (Nonn.); 3. Πανικός ‘ds.’ (hell. u. sp.); 4. Πανιασταί m. pl. ‘Verehrer des P.’ (Rhod., Perg.; wie ’Απολλωνιασταί u.a.; Πανισταί Konj. Men. Dysk. 230); 5. πανεύω ‘nach Art des P. behandeln’ (Herakl. Paradox.). — Nicht sicher gedeutet. Seit Schulze KZ 42, 81 u. 374 (Kl. Schr. 217 f.) gewöhnlich als urgr. *Πᾱύσων mit aind. Pūṣán- m. ‘Gott, der die Herden beschützt und mehrt’ identifiziert; idg. *pāus- : *pūs- (zu púṣyati ‘gedeihen’?). Zweifelnde Stimmen bei Mayrhofer s. v. Ablehnend ebenfalls v. Wilamowitz Glaube 1, 247 A. 1. Unhaltbar über Πάνειον, Πανικόν (zu πανός ‘Feuersignal’) Harrison ClassRev. 40, 6 ff. (vgl. Wahr- mann Glotta 17, 261 f.); nicht besser Kerényi Glotta 22, 37f. (zu angebl. illyr. pā-ne-u- ‘schwellen’). II-470-471
πάνθηρ, -ηρος m. ‘Panther’ (Hdt., X., Arist. usw.) λυκο-πάνθηρος m. "Wolfpanther" (Hdn. Ep im.). mit Demin. -ηρίσκος (Hero); — Fremdwort östlichen Ursprungs. Schon von Benfey Wurzellex. 2, 88 mit aind. (Lex.) puṇḍarīka- m. ‘Tiger’ verglichen; starker Zweifel bei Mayrhofer s.v. (m. Lit.), wo ein urspr. *πάρθηρ erwogen wird; daraus volksetym. πάνθηρ (πᾱν-θήρ, θηράω ) ? (Thierfelder briefl.). — Lat. LW panthēr, f. -a. Vgl. zu πάρδαλις. II-471
πᾱνός m. ‘Fackel’ (A. Ag. 284 [codd. φαν-], S.Fr. 184, E. Ion 195 u. 1294 [codd. πταν-], Men. u.a.). — Unerklärt. Abzulehnen Ehrlich Betonung 99 und Fick KZ 18, 416 (s. Bq und WP. 2, 14 f.); ganz hypothetisch Kretschmer KZ 31, 444 f.: zu germ. *spēnu- in nhd. Span usw. Vgl. φᾶνός s. φαίνω. II-471
πανσῠδί (-εί), assim. πασσ- ‘insgesamt od. gemeinsam einherstürmend, mit der ganzen Heeresmacht’ (Th., Pherekr., X. u.a.), -δίῃ (Il., A. R.), -δίᾳ (E., X. u.a.) ‘ds.’, auch ‘in aller Eile’ (vgl. Leumann Hom. Wörter 190), -δίην (EM, H. s. πασσύριον); -δόν ‘zusammen’ (Nonn.). Denom. Vb. πασ<σ>υ-διάζω ‘versammeln’ (Kyme; Kaiserz.). — Zusammenbildung von πᾰ́ν und σεύομαι (σύ-το) mit adv. -δί (vgl. σύ-δην), -δίᾳ, -δίην, -δόν; zu den Suffixen Schwyzer 623 u. 626. II-471
πάξ Adv. ‘genug, nun gut’ (Men., Diph., Herod.). — Wohl von πήγνυμι, παγῆναι mit einem mehrdeutigen -ς, s. ἅπαξ m. Lit. Oder Schallwort mit Kretschmer Glotta 17, 240 (zögernd)? —Lat. LW pax. II-471
παπαῖ (zum Akz. Hdn. Gr. 2, 933) Ausruf des Schmerzes und der Verwunderung (ion. att.); erweitert παπαιάξ (Ar., E., Luk.) u.a. — Elementarschöpfung wie βαβαί, -άξ, ὦ πόποι, s. dd. m. Lit. Lat. LW papae. II-471
πάππᾰ mit Akk. -ᾰν (πάππαν καλεῖν Ar.), Vok. ‘Papa!’ (ζ 57 u.a.), Kompp., z.B. πρό-παππος ‘Urgroßvater, proavus’ (att.), ἐπί-παππος ‘Urgroßvater, abavus, Urahn im allg.’ (Jul., Lib., Poll.); vgl. Schwyzer 435, Schw.-Debr. 473, 505, Risch IF 59, 16 f. Abl.: παππ-ῷος ‘zu πάππος gehörig’ (Ar.), -ικός ‘ds.’ (Pap. IIp), -ώδης ‘flaumig’ (Thphr.). denom. Vba παππ-άζω (Ε 408, Q. S.), -ίζω (Ar.) ‘Papa nennen, sagen’ mit -ασμός m. ‘das Papasagen’ (Suid.); hypokoristische Erweiterungen παππ-ίᾱ, -ίδιον (Ar. u.a.). Mit durchgeführter Flexion πάπας, -αν, -ᾳ (hell. u. sp.). — πάππος m. ‘Großvater, Ahn’ (ion. att.), übertr. ‘(grauer) Flaum an Samen’ (S. Fr. 868, Thphr. u.a.), ‘Bartflaum’ (Ruf. Med. u. a.), N. eines unbekannten Vogels (Ael., H.; vgl. Thompson Birds s.v.). — Redupliziertes Kinderlallwort; vgl. μάμμη m. Lit. II-471-472
πάπραξ, -ακος N. eines Fisches im thrakischen See Prasias (Hdt. 5, 16). — Zwei unsichere Hypothesen: zu πέρκη ‘Barsch’, περκνός ‘gesprenkelt’, πρακνόν· μέλανα H. (Fick BB 29, 235 u.a.); onomatopoetisch nach der vermuteten Lautgebung. vgl. βαβράζειν ‘zirpen’ (Strömberg Fischnamen 75 f.). II-472
παπταίνω, Aor. παπτῆναι (-ᾶναι Pi.), Fut. -ανέω, ‘sich umschauen, nach etwas blicken’ (ep. poet. seit Il.). ganz vereinzelt m. ἀπο-, δια-, περι-, Daneben πεπτήνας· περιβλεψάμενος II. und, durch Kreuzung mit παμφαλώμενος (s. παμφαλάω), παπταλώ-μενος (Lyk.). — Intensive Reduplikationsbildung πα-πτ-αίνω (wozu analog. -ανέω, -ῆναι; Chantraine Gramm. hom. 1, 375). Schon längst (Legerlotz KZ 8, 417) mit einigen kyprischen H.glossen verbunden: ἰμπάταον· ἔμβλεψον. Πάφιοι, ἰνκαπάταον· ἐγκατάβλεψον. Der daraus sich ergebende Aor. πατά-σαι kann auch in καπατάς· καθορῶν. παρὰ Εὔκλῳ H. (cod. κάπατας· καθαρόν ... Εὐηλῶν) stecken, wenn aus *πατάσας kontrahiert (Hoffmann Dial. 1, 118); anders Bechtel Lex. 270 (mit M. Schmidt) : vom Präs. *πάτᾱμι. Das daneben stehende ἀνεπά-ταξεν· ἐξ ὕπνου ἀνέβλεψεν ist man geneigt, als ‘(die Augen) aufschlagen’ mit πατάσσω zu verbinden; dazu ferner καπατᾶ· κατακόψεις. Πάφιοι H., wohl mit Hoffmann a. O. von *πατά-ω ‘schlagen’ (in πάτα-γος, πατά-σσω). Ist auch πατά-σαι ‘blicken’, letzten Endes auch πα-πτ-αίνω damit semantisch vereinbar? Oder letzteres zu πέτομαι vom Umherflattern des Blickes? II-472
πάπῡρος m. f. ‘Papyrusstaude, Leinwand, Papier’ (Thphr., Dsk., Pap. usw.). Davon παπύρ-ιον n. Demin. (Dsk. u.a.), -(ε)ών m. ‘Papyruspflanzung’ (Aq., Inschr.), -ινος ‘aus P.’ (Delos IIa, Plu., Pap.), -ικός ‘ds.’ (Pap.), -ώδης ‘P.-ähnlich’ (Gal., Sch.). — Fremdwort unbekannter Herkunft. Ganz fragwürdige Hypothesen von Lagarde bei Lewy Fremde. 172 und Schrader-Nehring Reallex. 2, 153, von Grilli bei Belardi Doxa 3, 217. Aus dem Griech. lat. papȳrus. Ein älterer Name des Papyrus ist βύβλος (s. βίβλος). Vgl. Mayser Pap. 1, 35. II-472
πάρα, παρά, ep. auch παραί (Παραι-βάτᾶς in Dial.inschr.), nichtion.-att. meist πάρ, myk. pa-ro Adv. u. Präp. (m. Gen., Dat. u. Akk.). ‘daneben, dabei; von — her, neben (— hin), entlang, wider’ (seit Il.); — Zu παραί stimmt bis auf den Reduktionsvokal α ital., z.B. lat. prae (idg. *pr̥rai : *prai); πάρ kann mit ital., z.B. lat. por- (por-tendō u.a.), auch mit got. faur ‘entlang usw.’ identisch sein; πάρα wie κάτα, ἄνα, μέτα u.a. (vgl. Schwyzer 622). Zu arm. aṙ ‘bei, an, neben’, oft mit πάρα gleichgesetzt, s. πόρρω; zu heth. parā ‘vorwärts, hervor, hinaus’ s. πρό. In παραί, prae kann ein alter Dat. erhalten sein, s. zu πάλαι. Weitere Einzelheiten m. Lit. Schwyzer-Debrunner 491 ff., W.-Hofmann s. prae, WP. 2, 32f., Pok. 811 f.; alt. Lit. auch bei Bq. — Vgl. πάρος, πέρα, πέρι, πρίν, πρό, πρός. II-472-473
παράδεισος m. ‘eingefriedigter Park, Tiergarten’ (X. u.a.), ‘Garten’ (LXX, hell. u. sp. Pap. u. Inschr.), ‘Garten Eden’ (LXX), ‘Garten der Seligen, Paradies’ (NT). — Von X. immer von den Parken der pers. Könige und Adligen gebraucht als Gräzisierung eines dem aw. pairi-daēza- m. ‘Umwallung, Ummauerung’ ( = gr. *περι-τοιχος) entsprechenden mitteliran. *pardēz, np. pālēz ‘Garten’ (Schwyzer 193 m. Lit.). Aus dem Gr. lat. paradīsus. — Vgl. zu τεῖχος. II-473
παρδακός (vv. ll. πορ-, -δοκός) ‘naß, feucht’ (Archil., Semon., Ar. Pax 1148); πάρταξον (-ζον cod.)· ὕγρανον. Λάκωνες H. (vgl. Schulze Kl. Schr. 711). — Bildung wie μαλ(θ)ακός, σαβακός u.a.; ohne Etymologie. Wertlose Hypothesen sind bei Bq, Hofmann Et. Wb. und WP. 2, 50 referiert. II-473
πάρδαλις (πόρδ-), -ιος, -εως f. ‘Pardel, Panther, Leopard’ (seit Il.); auch als N. eines Raubfisches (Ael., Opp.; nach der Farbe, Strömberg Fischn. 107), eines Vogels, viell. ‘Neuntöter, Lanius’ (Thompson Birds s.v.; Arist. [-λος], H.). Einige Kompp., z.B. παρδαλή-φορος ‘von einem P. getragen’ (S. Fr.11), καμηλο-πάρδαλις f. ‘Giraffe’ (Agatharch., LXX u.a.). Davon παρδαλ-έη, -έα, -ῆ f. ‘Pantherfell’ (seit Il.), -ια n. pl. ‘Panthertiere’ (Arist.), -ιδεύς m. ‘junger P.’ (Eust.; Bosshardt 79), -ε(ι)ος ‘zum P. gehörig, P.-ähnlich’ (Arist. u.a.), -ώδης ‘P.- ähnlich’ (Ath.), -ωτός ‘wie ein P. gefleckt’ (Luk.). — πάρδος m. ‘ds.’ (Ael. NA 1,31 [v.l. πάρδαλος]); als Hinterglied in λεόπαρδος, s.d. Bildung wie δάμαλις; entfernter κνώδαλον, ἔταλον, ἴξαλος u.a. — LW aus unbekannter orientalischer Quelle. Hierher gehören u.a. mehrere iranische Wörter für ‘Panther, Leopard’, z.B. sogd. pwrδnk, pashto pṛāng, np. palang; aus dem Iran. wahrscheinlich aind. (Lex.) pr̥dāku- m. ‘ds.’. Zu dem späten und seltenen πάρδος stimmt lat. pardus (seit Lucan.), das lat. Rückbildung aus πάρδαλις sein kann (πάρδος somit aus dem Lat.?). Aus lat. pardus, πάρδος russ. pardus ‘Panther’; daneben auch russ. bars ‘ds.’ (aus dem Turkotatar.). Einzelheiten m. Lit. bei W.-Hofmann, Mayrhofer, Vasmer s. vv. und bei Schrader-Nehring Reallex. 2, 147. — Vgl. πάνθηρ. II-473
παρειαί selten (für -ιᾰ?; vgl. ἀγυιαί. -ιᾰ) sg. -ιά (Trag. u.a.), äol. παραῦαι pl. (Theok. 30, 4 [cod. -αύλαις], Hdn.) f. pl. (vorw. poet. seit Il.), ‘Wangen’. Als Hinterglied z.B. in καλλι-πάρῃος (-ηος, -ειος) ‘schönwangig’ (ep. poet. seit Il.), μαλο-πάραυος (äol.) = λευκο-πάρειος (Theok., H.; eig. "apfelwangig"), εὐ-πάραος = εὐ-πάρειος (Pi.). Daneben παρήϊον, -α n. sg. u. pl. ‘Wange(n), Backenstücke’ (Hom.; Keos Va?), myk. pa-ra-wa-jo du. ‘Backenstücke’ ? (vgl. Gallavotti Riv. fil. class. 89, 171 f.). — Ableitungen: 1. παρηΐς, -ίδος (-ῄς, -ῇδος) f. ‘Wange’ (Trag., AP; Schwyzer 465); 2. παρειάς (-ηϊάς), -άδος f. ‘Wange, Wangenbinde’ (hell. Ep., Mediz.); 3. παρείας (ὄφις) m. ‘Art Schlange’ (nach den hellen Flecken an beiden Seiten des Nackens; att.); auch παρούας (Apollod. ap. Ael.; nach οὖς). — Aus *παρ(α)-αυσ-ια, -ιον (auch -ᾱ?), nach Pott, Curtius Bechtel Lex. u.a. eig. "das (die) neben den Ohren Befindliche(n)", alte Hypostase von παρά und der Schwundstufe von οὖς (in lit. aus-ìs u.a.) mit ια-, ιο-Suffix. Nach J. Schmidt Pluralbild. 407 A. 1 eher als "das (die) neben dem Munde Befindliche(n)", zu lat. ōs ‘Mund’, aw. aošta ‘die beiden Lippen’ usw.; nicht vorzuziehen. Für Potts Deutung spricht air. aras m. ‘Schläfe’ aus *par-ausi̯os; dazu der gall. O N Arausio ‘Orange’ (Thurneysen KZ 59, 13)? — Die gr. Wörter sind lautlich nicht ganz aufgeklärt; vgl. Schwyzer 258 u. 349, Bechtel Lex. s.v., Wackernagel Unt. 60 A. 1, Adrados Emer. 18, 411. S. auch WP. 1, 168, Pok. 785. II-474
παρήορος (ep. ion. seit Il.), -άορος (A. Pr. 363; v.l. -ή-), -ᾱρος (Theok. 15, 8), -ῶρος (Tryph., AP). ‘beigeschirrt(es Pferd)’ übertr. ‘neben der Spur laufend, unvernünftig’, auch etwa ‘ausgestreckt’ (durch falsche Interpretation von Π 471?; s. Leumann Hom. Wörter 222 ff.). Rhythmische Nebenform παρηόριος ‘aus der Bahn geschlagen’, von einem Schiff (A. R.), ‘unvernünftig’ (AP). — Davon παρηορίαι f. pl. ‘Beigeschirr’ (Il.), übertr. ‘abseits liegende Flußarme’ (Arat. 600); παρηρία (für -ηορία?)· μωρία H. — Verbalnomen von παρ-αείρω, s. 2. ἀείρω m. Lit.; zum Lautlichen noch Björck Alpha impum 112f., 231, zum Sachlichen Delebecque Cheval 99f., 144f. II-474
παρθένος f. ‘Jungfrau, Mädchen, junge Frau’ (seit Il.). Kompp., z.B. παρθεν-οπῖπα (Λ 385), s. ὀπιπεύω; καλλι-πάρθενος ‘mit schönen Jungfrauen, einer schönen J. gehörig’ (E.). Mehrere Ableitungen. A. Nomina. 1. Demin. παρθεν-ίσκη, -ισκάριον (Hdn. Gr., Gloss.); 2. παρθένιος (analog. -ειος, -ήϊος) ‘jungfräulich’ (seit Il.); 3. -ική f. ‘Jungfrau’ (ep. poet. seit Il.; Fraenkel Nom. ag. 1, 210ff., Chantraine Études 101f., Specht Ursprung 210), -ικός ‘jungfräulich’ (LXX, D. S. u.a.; Chantraine op. cit. 121 u. 151); 4. -ιον, -ικόν, -ίς N. verschiedener Pflanzen, ‘Artemisia’ u.a. (Hp., Dsk. usw.; zum Ben.motiv Strömberg Pfl. 100); 5. -ώδης ‘jungfräulich’ (St.Byz.); 6. -ιανός ‘unter dem Zeichen der Virgo geboren’ (Astr.); 7. -ίας m. ‘Jungfrauensohn’ (Arist., Str.); 8. -ών (-εών AP u.a.), -ῶνος m. ‘Jungfrauengemach’, gew. Name des Tempels der Athene παρθένος (att.). 9. παρθεν-ία (-εία), -ίη f. ‘Jungfrauschaft’ (Sapph., Pi. usw.). B. Verba. 1. παρθεν-εύομαι, -ω, auch (in aufhebender Bed.) mit ἀπο-, δια-, ἐκ-, ‘Jungfrau sein, wie eine J. behandeln’ (ion., A., E. usw.) mit -ευμα n. ‘jungfräuliche Beschäftigung, Jungfrauensohn’ (E.), -ευσις f. = -ία (Luk.), -εία ‘ds.’ (E.), z.T. graphisch mit -ία zusammengeflossen, s. Scheller Oxytonierung 34 f. 2. ἀπο-παρθενόω ‘entjungfern’ (LXX). — Morphologisch und etymologisch isoliert. Mehrere Versuche : zu εὐθενέω (Brugmann Sächs. Ges. Ber. 1906, 172ff.; m. Lit.); zu πτόρθος (Cuny REIE 1, 102 ff.); zu θῆσθαι ‘saugen’ (Pedersen REIE 1, 192ff.); zu air. ainder ‘junge Frau’ (Pedersen JCeltStud. 1, 4ff.); zu lat. virgō (Schwyzer 297 m. Hirt u.a.; s. Messing Lang. 30, 108); zu σκυρθάλιος· νεανίσκος H. (Grošelj Živa Ant. 1, 125 f.). Pelasgische Erklärungen bei v. Windekens Le Muséon 63, 102f. (zu arm. harsn ‘Braut’, lat. procus usw.; mit Georgiev), Le Pél. 125 f. (zu πόρτις). II-474-475
Πάρις, -ιδος, ion. -ιος m. Sohn des Priamos, auch ’Αλέξανδρος genannt (Il. usw.); als Hinterglied in Asso-, Voltu-paris (Pannon. sup.). — Wohl illyrisch, aber etymologisch selbstverständlich mehrdeutig, s. Krahe Die Spr. d. Illyrier 52 u. 64f. m. Lit. Anders Carnoy Beitr. z. Namenforsch. 7, 117ff. (pelasgisch?). II-475
Παρνᾱσ(σ)ός, ep. ion. -ησ(σ)ός m. Gebirge in Phokis (Pi., Od., Hdt. usw.). — Von der Angabe alter Gewährsmänner (St. Byz., EM. Sch. A. R.) ausgehend, der ältere Name des Gebirges habe Λαρνασσός gelautet, will Kronasser Indogermanica 51 ff. in Πα- bzw. Λα- kleinasiat. (protohatt.) Präfixe sehen; darüber wie über das Element -αρν- stellt er ebenso weitgehende wie unsichere Betrachtungen an. Anders v. Blumenthal ZNF 13, 157: zu πρανής; abzulehnen. II-475
πάρνοψ (Ar. u.a.), äol. böot. (Str. 13, 1,64) πόρνοψ, auch κόρνοψ (Str. l.c.), -οπος m. ‘Heuschrecke’. Davon Παρνόπιος(-πίων) ’Απόλλων (Paus., Str.), als Abwehrer von Heuschrecken, ebenso Κορνοπίων, -ωνος als Beiname des Herakles in Oitaia (Str.); danach der äol. Monatsname Πορνόπιος, -πίων (Kyme, Str.). — κορνώπιδες· κώνωπες H. — Bildung wie δρύοψ, σκάλοψ und andere Tiernamen (Chantraine Form. 259, Schwyzer 426 m. A. 4); sonst dunkel. Die Form mit κ- kann aus π- dissimiliert sein (vgl. Schwyzer 29 8 f.). Abzulehnende Vermutungen (von Solmsen, Bally, Sturtevant) bei Bq; nicht besser Strömberg Wortstud. 16 f. II-475-476
παροιμία f. ‘Sprichwort, Spruch’ (att. usw.), auch ‘Nebenbemerkung’ (Herod.2,61; vgl. Headlam z. St.), ‘Gleichnis’ (Ev. Jo.; vgl. Wackernagel IF 31, 265 [= Kl.Schr.2, 1242 A.1). Davon παροιμ-ιώδης ‘sprichwörtlich’ (Plu. u.a.), -ιακός ‘ds.’, auch N. eines Versmaßes (Plu., Heph. u.a.), -ιάζομαι, -ω ‘in Sprichwörtern reden usw.’ (Pl., Arist. usw.). — Abstraktbildung von πάρ-οιμος od. παρ’ οἰμον, οἴμην; semantisch unklar. Von den Alten zu οἶμος ‘Gang, Weg’ gezogen, z.B. H.: βιωφελὴς λόγος, παρὰ τὴν ὁδὸν λεγόμενος (vgl. πάροιμος· γείτων, παροιμώσαντες· ἐκτραπέντες τῆς ὁδοῦ); ähnlich Bieler RhM 85, 240ff. : "die Rede, die παρ’ οἶμον, den Weg entlang, geht, die Wegbegleitung" (?). Nach Osthoff BB 24. 161 ff. dagegen von οἴμη ‘Lied, Rede’ mit Hinweis auf nhd. Bei-spiel, ahd. mhd. bī-spel (das dt. Wort eher Lehnübersetzung?). II-476
πάρος Adv. ‘vorher, früher, vorn’, Präp. m. Gen. ‘vor’ (seit Il.). Daneben πάροι-θε(ν) ‘vorher, vorn, vor’ (seit Il.), -τερος ‘der vordere, frühere’ (ep. seit Il.), -τατος (A. R.) nach alten Lok. auf -οι, vgl. Schwyzer 534 u. 549. — Altes Adv., mit aind. purás ‘voran, vor’ (neben purā́ ‘früher’) und aw. parō ‘vorn, früher’ identisch; idg. *pr̥rós (zum gr. Akz. Schwyzer 387). Hierher noch πάρα, πέρι, πρό, πρός u.a. — WP. 2, 34, Pok. 812, Schw.-Debrunner 656, Mayrhofer s. puráh. II-476
πᾶς, πᾶσα, kret. thess. ark. πάνσα, äol. παῖσα, ntr. πᾶν (neben πᾰν-, ἅ-πᾰν u.a.), dor. äol. πᾰ́ν f. ‘ganz, all, jeder’ (seit Il.). Sehr oft als Vorderglied πᾰν- (Schwyzer 437, Hoenigswald Lang. 16, 183ff., Leumann Hom. Wörter 98ff.), z.B. παν-ῆμαρ ‘den ganzen Tag’ (ν 31; Sommer Nominalkomp. 65, Risch Mus. Helv. 2, 18, Ruijgh L’élém. ach. 120f.); seltener παντο-, z.B. παντο-μισής ‘allverhaßt’ (A.), παντο-κράτωρ, -ορος m. ‘der Allmächtige’ (LXX usw.; älter παγ-κρατής, s. zu κράτος). Davon παντ-οῖος ‘allerhand, mannigfaltig’ (seit Il.; nach ποῖος u.a.), -οδαπός ‘ds.’ (seit h. Cer.; nach ἀλλοδαπός u.a.); -οσε ‘nach allen Seiten hin’ (Il. u.a.), -οτε ‘immer’ (Arist., hell. u. sp.), -αχῇ, -αχοῦ, -αχόθεν, -αχόσε usw. ‘überall (her, hin)’ (ion. att.). Erweiterungen πάγχυ (s.d.), πάν-υ ‘ganz und gar, gar sehr’ (att., auch ion.) mit unerklärtem -υ, vgl. zu οὗτος; nicht besser v. Sabler KZ 31, 278f., Mahlow Neue Wege 460, Lagercrantz GHÅ 31 (1925): 3, 135 ff., s. Thesleff Intensification 57 A. 1 (mit ausführl. Behandlung), wo, ebenfalls unbefriedigend, als Grundform *πὰν εὖ erwogen wird. — Neben πᾶς aus *παντ-ς (zum Zirkumflex eine Hypothese von Borger Münch. Stud. 3, 7 ff.), wozu analog. πᾶν für πᾰ́ν (< *πάντ), steht seit alters ἅ-πᾱς (mit kopul. ἁ-), das mit aind. śáśvant-. wenn für *saśvant-, ‘sich stets wiederholend, ununterbrochen, vollständig, ganz, alle nacheinander, jeder’ identisch sein kann; weiteres s. πέπαμαι. Auch das verstärkende awno. hund- (z.B. hund-víss = πάν-σοφος) ist, allerdings mit sehr zweifelhaftem Recht, damit verbunden worden (Lit. bei WP. 1, 367, Persson Beitr. 1, 193). — Nicht mit Bopp, Curtius, Pedersen u.a. (s. Persson a.a.O.) zu lat. quantus. Bemerkenswert ist die gleiche Bildung in heth. ḫumant- ‘jeder, ganz, all’ (Mezger KZ 77, 82ff.). Abzulehnen Kerényi Glotta 22, 35 (s. W.-Hofmann s. pānis). II-476-477
πάσασθαι. πάσομαι (Aor. u. Fut.) ‘erwerben’ s. πέπαμαι. II-477
πασπάλη f. ‘feines Mehl usw.’ = παιπάλη, πάλη (Ar. V. 91 [übertr. von einem sehr kleinen Maß], H., Phot., Suid.); πασπαλη-φάγος ’π.-fressend’ (Hippon.); auch πάσπαλος mit πασπαλέτης = κέγχρος bzw. κεγχραλέτης (Gal.); PN Πασπαλᾶς. — Volkstürnliches Wort unklarer Bildung; urspr. *[σ]πα-σπάλη mit Dissim. (Schwyzer 260 u. 334 mit Bq u. Curtius) ist ganz hypothetisch. Vgl. Masson Hipponax 155 m. A. 2 (über vermeintliche lyd. Herkunft). II-477
πάσσαλος, att. πάτταλος; zu myk. pa-sa-ro, das schwerlich hierher gehören kann, Taillardat REGr. 73, 5 ff. m. ‘Pflock, Nagel, Haken, um etw. daran aufzuhängen’ (seit Il.) Davon die Demin. πασσαλ-ίσκος (Hp. u.a.) und -ιον (H.); -ιστής H. s. κυνδαλοπαίστης (s. κύνδαλος); -εύω, oft m. προσ-, auch m. δια-, κατα-, ‘annageln, aufhängen’ (Hdt., att.) mit dem Nom. instr. -εῖον (Plb., EM); -όομαι ‘mit π. versehen werden’ (Sch.), προσ-όω ‘annageln’ (Thphr.). — Daneben πάσσᾱξ, -ᾱκος m. ‘ds.’ (megar., Ar. Ach. 763; wie πόρπᾱξ, κνώδᾱξ u.a.; Chantraine Form. 381) mit -άκιον, -ακίζω (H.); πασσάριος· σταυρός H. — Zunächst aus *πάκι̯αλος mit λ-Suffix; letzten Endes zu lat. păc-iscor ‘einen Vertrag schließen’, eig. ‘festmachen’, παγ-ῆναι (mit Wechsel k : g); s. πήγνυμι. Als Zwischenglied muß ein unbekanntes Nomen angesetzt werden: *πάσσα (< *πακ-ι̯ᾰ), -πασσος oder *πάσσων (vgl. zu κνώδαλον) ?; anders Benveniste Origines 47 (s. auch Schwyzer 483 m. A. 8). Davon unabhängig, aber ebenfalls mit l-Suffix, lat. pālus (aus *pac-s-lo-s); hierher noch toch. A pyākäṣ (B pyāśi) ‘Pfahl, Säule’ (Duchesne-Guillemin BSL 41, 159)? — Lat. LW pessulus ‘Riegel’ (zur Bed. Rocco Glotta 32, 99); s. W.-Hofmann s.v. II-477
πάσσω (seit Il.), att. (Ar. u.a.) πάττω, Aor. πάσ-αι, -ασθαι, πασ-θῆναι (att. usw.), Perf. Med. πέπασμαι (LXX, A. R. u.a.). ‘streuen, sprengen’, auch von Figuren auf ein Kleid ‘hineinweben’ (zur Bed. Bowra JHSt. 54, 70 f., Wace AmJArch 52, 51 ff). sehr oft m. Präfix, z.B. κατα-, ἐπι- (προ-επι-, παρ-επι-, προσ-επι-), ἐν- (συν-εν-, παρ-εν-, προσ-εν-), — Neben πάσσω aus *πάτ-ι̯ω steht πῆ-ν in πῆ καὶ πῆν ἐπὶ τοῦ κατάπασσε καὶ καταπάσσειν H.; zu bemerken besonders ἐπιπῆν φάρμακον (Insc. Epid.) und ἐπι ... φάρμακα πάσσεν (Ε 900). Mit πῆ-ν : *πάτ-ι̯ω lassen sich vergleichen: λή-θω : lat. lăt-eō; aind. dā́-ti ‘abschneiden’, δᾶ-μος : δατ-έομαι (s.d. und δαίομαι, δῆμος); wohl auch πῆ-μα : lat. păt-ior; s. noch zu πατέομαι und Bechtel Lex. s.v. (m. älterer Lit.). Hierher vielleicht auch πήτεα· πίτυρα, πητῖται· πιτύρινοι ἄρτοι. Λάκωνες H. — Sonst isoliert. Die Verbindung mit lat. quatiō ‘schütteln’ ist sowohl lautlich wie semantisch unbefriedigend; weitere abzulehnende Kombinationen bei Bq, WP. 1, 511 und W.-Hofmann s. quatiō, überall m. reicher Lit. Semantisch gut, aber lautlich natürlich sehr unsicher ist der Vergleich mit toch. AB kat-, kät- ‘streuen’ (s. v. Windekens Orbis 12, 464 m. Lit.). Davon πασ-τός ‘bestreut, besprengt’ (Hp. u.a.), χρυσό-παστος ‘goldgewirkt, -gestickt’ (A.), κατά-παστος ‘(mit Figuren) bestreut, geschmückt’ (Ar. u.a.); Subst. m. παστός ‘gestickter Vorhang, Decke, Brautbett’, auch ‘Brautkammer’ (hell. u. sp.), vgl. παστάς und Solmsen Wortforsch. 4 A. 2, IF 31, 485ff.; παστόω ‘eine Brautkammer bauen’ (Aq.); (κατά-, ἐπί-, διά-, σύμ-)πάσμα n. ‘(Arznei )pulver, Puder’ (Thphr., Mediz. u.a.); πάστρια f. ‘Stickerin’ (Sch.). II-478
παστάς, -άδος f., oft im Plur. ‘Anbau, Säulenhalle, Vorhalle’, auch ‘inneres Gemach, Brautkammer’ (durch Assoziation mit παστός, s.d.; ion. poet., delph.). — Aus *παρ-στάς = παρα-στάς, pl. -άδες f. ‘Türpfosten, Pfeiler, Vorhalle usw.’; mit anderer Lautentwicklung παρτάδες (-άδαι cod.)· ἄμπελοι H.; von παρ-ίσταμαι ‘danebentreten’. Solmsen Wortforsch. 2ff., 11 f.; Schwyzer 336 u. 507. Eine ähnliche Bed.entwicklung zeigt das davon unabhängig gebildete lat. postis ‘(Tür)-pfosten’, s. W.-Hofmann s.v. m. weiteren Einzelheiten. II-478
πάσχω, Fut. πείσομαι, Aor. παθεῖν, Perf. πέπονθα (πέποσχα Stesich., Epich., Pap. IIIa), ‘einen Eindruck empfangen, erfahren, erdulden, leiden’ (seit Il.). auch m. ἀντι-, συν-, προ- u.a. Davon 1. πένθος n. ‘Leid, Trauer’ (seit Il.) mit mehreren Ablegern : πενθέω, -ῆσαι ‘klagen, trauern’ (seit Il.; Chantraine Gramm. hom. 1, 349) mit πένθ-ημα, -ήμων, -ητήρ (Benveniste Noms d’agent 42), f. -ήτρια u.a.; auch πένθ-ιμος ‘zur Trauer gehörig’ (poet. u. sp.; nach θανάσιμος? Arbenz 79 f.), -ικός ‘ds.’ (X., LXX usw.), -ηρός ‘ds.’ (Anaxil. u.a.); Πενθεύς m. PN Umbildung von Τενθεύς (Schwyzer 295 m. Lit.). 2. πάθος n. ‘Erfahrung, Leid(enschaft)’ (ion. att.); auch πάθ-η f., -ημα n. ‘ds.’ (Chantraine Form. 22 f., 190), -ησις, -ητικός, -ικός u.a.; mit Beziehung auf ἀντι-, συμ-παθεῖν ‘Abneigung, bzw. Mitgefühl haben’ : ἀντι-, συμ-παθής mit -εια, -έω (Ar., hell. u. sp.). Denominativum παθ-αίνομαι, -αίνω ‘von π. erfüllt werden, π. erwecken’ (hell.). 3. Vom Präsens: πασχ-ητιάω ‘eine (unnatürliche) Lust empfinden’ (Luk., D. C. u.a.; Schwyzer 732) mit -ητιασμός (Luk.). — Zur Bed.entwicklung von παθεῖν u. Verw. s. H. Dörrie Leid und Erfahrung. Die Wort- u. Sinnverbindung .. im griech. Denken. Mainz 1956. — Die Schwundstufe in πάσχω (aus *πάθ-σκ-ω; el. πάσκω mit wiederhergestelltem σκ) und παθεῖν bildet mit der Hochstufe in πείσομαι (aus *πένθ-σ-ομαι) und πένθος und der ο-Abtönung in πέ-πονθ-α ein altes Ablautsystem; Einzelheiten zur Lautlehre und Morphologie bei Schwyzer 337, 708, 747, 769 u. 781. — Nicht sicher erklärt. Seit Fick BB 8, 331 (weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 513) gewöhnlich mit lit. kenčiù ‘leiden, ertragen’ und air. cēss(a)im ‘ds.’ verbunden; die dabei anzusetzende idg. Grundform *qʷenth-i̯ō bzw. *qʷenth-tō od. qʷenth-sō (Pok. 641), wobei πένθος für *τένθος nach παθεῖν usw., ist wegen des th nicht einwandfrei. Formal sehr naheliegend, aber begrifflich schwierig ist die Anknüpfung an idg. *bhendh- ‘binden’ (s. πενθερός); nach Pedersen REIE 1, 192 ff. und E. Leumann ZII 6, 10 wäre das Leiden als eine (zauberische) Bindung aufgefaßt; ‘leiden’ aus ‘gebunden sein’. Die dabei anzunehmende intransitive (passive) Bed. ist nicht hinlänglich begründet. — S. auch πῆμα. II-478-479
πάταγος m. ‘durch Aneinanderschlagen, Brechen usw. entstandenes Geräusch, Krachen, Getöse’ (ep. ion. poet. seit Il.). Daneben 1. παταγ-έω, auch m. ἀντι-, ὑπο- u.a., ‘ein Geräusch machen, plätschern, tosen’ (vorw. poet. seit Alk. [πατάγεσκε]), -ή f. (D. P., Longos), -ημα n. (Men.) = πάταγος. 2. πατάσσω, Aor. πατάξαι, auch m. ἐκ-, συν- u.a., ‘klopfen, schlagen, verwunden’ (seit Il.; im Att. meist Aor. u. Fut. Akt. zum Präs. τύπτω; Bloch Suppl. Verba 83ff.). 3. πατάξ Interj. (Ar. Av. 1258; vgl. zu εὐράξ). 4. καπατᾷ· κατακόψεις. Πάφιοι H. — Mit πάταγ-ος : -έω sind mehrere Schallwortpaare zu vergleichen: κτύπ-ος : -έω, ἄραβ-ος : -έω, κέλαδ-ος : -έω, ῥοῖβδ-ος : -έω usw.; s. dd. m. Lit. Es ist nicht immer zu entscheiden, ob das Subst. gegenüber dem Verb primär ist oder umgekehrt. Das γ-Suffix wie in den sinnverwandten λαλαγή, σμαραγέω (Σμάραγος), οἰμωγή u.a. Zu πατάσσω stimmt das synonyme ἀράσσω; ähnlich σπαράσσω, τινάσσω usw. (Schwyzer 733). Einzelheiten zur Bildung bei Porzig Satzinhalte 25. — Der onomatopoetische Charakter dieser expressiven Wörter ist unverkennbar; die außergriech. Anknüpfungen (lat. quatiō u.a.; s. Bq und W.-Hofmann s.v.) überzeugen nicht. II-479-480
πατάνη dor. -ᾱ f. ‘Schüssel’ (Sophr. 13, Poll.), Als Vorderglied in πατάν-εψις Ben. des (eingekochten) Aals (Epich. 211). -ον n. ‘ds.’ (Poll. v.l., H.); Demin. -ιον n., -ίων m. N. eines Hahns (Kom. IVa). — Bildung wie λεκάνη, οὐράνη u.a. Zu lat. patera f. ‘flache Trinkschale’, wohl mit altem r-n-Wechsel (andere Hypothese bei Ernout-Meillet s.v.), der noch in heth. pattar, Dat. Lok. paddan-i (daraus lyk. patara) bewahrt sein kann (Bed. allerdings nicht ganz sicher: ‘Tablett?’, ‘Korb?’). Anders über pattar, gewiß nicht besser, Neumann Heth. u. luw. Sprachgut 56 f. — Verbalnomen von πετάννυμι (somit für *πετάνᾱ mit Assim. nach J. Schmidt KZ 32, 355ff., Bechtel Dial. 2, 286?). — Wegen sizil. βατάνη erwägt André Rev. de phil. 83, 93 illyr. Herkunft. Entlehnt lat. patina. II-480
πατέομαι (Hdt. u.a.), Aor. πάσ(σ)ασθαι und Perf. Med. πέπασ-μαι (seit Il.), Fut. πάσομαι (A.) ‘speisen, genießen, essen und trinken’ (ep. ion. poet.); ἄ-πασ-τος ‘ungegessen, nüchtern’ (ep. poet. seit Il.). Rückbildung πάτος = τροφή (Sch.). — Neben kurzvokal. πατ-έομαι, πάσ(σ)ασθαι (aus πατ-σ-) stehen im Germ. langvokal. Formen, z.B. got. fodjan ‘ernähren, τρέφειν’; Kürze nur in ahd. ka-vat-ōt ‘pastus’. Dazu ohne Dental lat. pā-vi, pāscō ‘weiden lassen, füttern’, pā-bulum ‘Futter, Nahrung’, wohl auch slav., z.B. aksl. pasǫ, pasti ‘weiden lassen, hüten’ (vgl. zu ποιμήν). Zu πατ- neben pā-(und pā-t- > got. fodjan) s. δατέομαι und πάσσω m. Lit. —Weitere Formen aus verschiedenen Sprachen m. reicher Lit. bei Bq, WP. 2, 72f., Pok. 787, W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. pāscō, Vasmer s. pasú, Feist Vgl. Wb. s. fodjan. Unbefriedigend über πατέομαι Bechtel Lex. s.v. II-480
πατέω, Aor. πατῆσαι usw., ‘treten, betreten, häufig besuchen, mit Füßen treten = geringschätzen’ (vorw. poet. und sp. seit Pi.), ‘Trauben, Getreide treten’ = ‘keltern, dreschen’ (LXX, Pap. u.a.). auch m. Präfix, bes. περι-, κατα-, ἀπο-, Von πατέω : πατ-ησμός m. ‘das Betreten’ (A.), ‘das Dreschen’ (Pap.); -ησις f. ‘das Keltern’ (Corn. u.a.); -ημα n. ‘Abfall, Kehricht, Auswurf’ (LXX); -ητής m. ‘Kelterer’ (Pap.), -ητή-ριον n. ‘Kelterplatz’ (Mylasa); πατηνόν· πεπατημένον, κοινόν H. Von περι-πατέω : περιπάτ-ησις f. ‘das Umherwandeln’ (sp.), -ητικός ‘umherwandelnd’ N. einer Philosophenschule (hell. u. sp.). Von κατα-πατέω : καταπάτ-ησις f. ‘das Treten’ (LXX), ‘das Umherwandern, Besichtigung’ (Pap.), -ημα n. ‘das mit Füßen getretene’ (LXX). Von ἀπο-πατέω ‘abtreten’ = ‘seine Notdurft verrichten’ (ion. att.): ἀποπάτ-ημα, -ησις (Kom., Gal.), auch -ος m. ‘Abtritt, Kot’ (Hp., Ar. u.a.). Von πηλοπατέω ‘im Schlamm treten’ (Pap., Sch.): πηλοπατ-ίδες f. pl. "Schlammtreterinnen" = Art Schuhe (Hp.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 243 u. 2, 116f. mit unrichtiger Analyse). — Daneben πάτος m. 1. ‘Weg, Pfad’ (Hom., A. R. u.a.) mit ἐκ-πάτ-ιος ‘vom Wege abirrend, außergewöhnlich’ (A.); 2. ‘das Treten, Ort wo man tritt, Fußboden’; ‘das Zertreten, zertretener Stoff, Dresche, Staub, Schmutz’ (hell. u. sp.); περί-πατος m. ‘das Umherwandern, Spazierplatz, Gespräch’, N. e-r Philosophenschule (att. usw.). — In Bed. 2. ist πάτος offenbar Rückbildung von πατέω (Frisk Eranos 38, 43 ff.), ebenso περίπατ-ος von περι-πατέω u. entsprechend ἀπόπατ-ος. Im Sinn von ‘Weg, Pfad’ kann es dagegen eine alte Nebenform von πόντος sein; πατέω ist dann als dessen Denominativum zu betrachten. Schwyzer 726 (u. 705) läßt die Frage unentschieden. Verfehlt Moorhouse Class Quart. 35, 90ff. — Weiteres s. πόντος. II-480-481
πατήρ, πατρός, πατέρα usw. (Schwyzer 567) myk. pa-te. m. ‘Vater’ (seit Il.); Zahlreiche Kompp., z.B. πατρο-φόνος ‘vatermordend, Vatermörder’ (Trag., Pl.) mit metr. bedingtem Akk. -ῆα (Od.), auch -φόντης m. f. ‘ds.’ (S.; Fraenkel Nom. ag. 1, 24 A. 4 u. 239 A. 1), πατρ-αλοίας s. ἀλωή; ἀ-πάτωρ ‘vaterlos’ (Trag., Pl. u.a.); ’Απατούρια s. bes. Zu den Kompp. Sommer Nominalkomp. 141 ff. (bes. ὄ-πατρος u. ὀβριμο-πάτρη; vgl. s. vv.), Risch IF 59, 17. Ableitungen. 1. Demin.: πατρ-ίδιον n. (Kom.), auch πατέρ-ιον (Luk.) mit -ίων m. (sp.; vom Vok. πάτερ; -ίων wie μαλακ-ίων u.a.), Georgacas Glotta 36, 175f., Maas Mél. Bq 2, 130 f. — 2. πάτρ-α, ion. -η f. ‘väterliche Ab- stammung, Sippe; Vaterstadt, -land, Heimat’ (ep. poet. seit Il.; Wackernagel Festg. Kaegi 57ff. = Kl. Schr. 1, 485ff.). — 3. πατρ-ιά, ion. -ιή f. ‘väterliche Abstammung, Geschlecht, Familie’ (Hdt., el., delph., LXX, NT usw.; Wackernagel a.a.O., Scheller Oxytonierung 71 f.) mit -ιώτης, dor. -ιώτας, f. -ιῶτις ‘aus demselben Geschlecht, einheimisch, Landsmann’ (att., Troizen, Delphi Va), -ιωτικός ‘zu den Landsleuten, zur Heimat gehörig’ (Delphi IVa, Arist. u.a.). — 4. πάτρ-ιος ‘väterlich, althergebracht, gebräuchlich’ (Pi., ion. att.), f. πατρ-ίς ‘väterlich, Vaterland’ (seit Il.); jünger πατρ-ικός ‘väterlich’ (Demokr., att., hell. u. sp.); in ders. Bed. auch πατρώϊος s. zu 7. πάτρως. — 5. πατρ-όθεν ‘vom Vater her’ (seit IL). — 6. εὐ-πατρ-ίδης, dor. -ίδας, f. -ις ‘von edlem Vater, vor- nehm’, gew. als Ben. der altatt. Adeligen (Trag. in lyr., att.), Gegensatz κακο-πατρ-ίδας, f. -ις (Alk., Thgn.; Waekernagel Glotta 14, 50f. = Kl. Schr. 2, 858f.). — 7. πάτρως, -ωοςu. -ω m. ‘männlicher Verwandter, bes. Bruder des Vaters, Oheim’ (Pi., kret., ion. att.); Bildung wie μήτρως (s.d.); lat. patruus, aind. pitr̥vyà- ‘ds.’ u.a. (z.B. Schmeja IF 68, 22) scheinen damit entfernt verwandt zu sein. Davon πατρώ-ϊος, πατρῷος ‘der väterlichen Sippe gehörig, väterlich’ = πάτρως, πατρικός (seit Il.), vgl. μητρώ-ϊος und Wackernagel Festg. Kaegi 50ff. = Kl. Schr. 1,478ff.; zu πατρικός noch Chantraine Études (s. Index). — 8. πατρωός m. ‘Stiefvater’ (hell. u. sp.; Bildung unklar (πατρ-ωός zu μητρ-υιά nach -ώς: -υῖα? Thierfelder briefl.); auch πατρυιός (sp., nach μητρυιά, s.d.). — 9. Verba: πατερ-ίζω (Ar. V. 652) ‘Vater nennen’ (vom Vok.), -εύω ‘das Amt des πατὴρ πόλεως (πατερ-ία) besorgen’ (Miletos VIp); πατρ-ῴζω ‘dem Vater (den Vätern?) nacharten’ (Philostr., Alkiphr. u.a.; vgl. μητρ-ῴζω), -ιάζω ‘ds.’ (Poll.); auch *πατρίζω > lat. patrissāre ‘ds.’ (Leumann Die Sprache 1, 207 = Kl. Schr. 174). — Zu πατήρ m. Ableitungen auch Chantraine REGr. 59—60, 219ff. — Altes, auf das Lallwort in πάππα (s.d.) zurückgehendes Erbwort für ‘Vater’ (als Oberhaupt der Familie), in den meisten idg. Sprachen erhalten, z.B. aind. pitár-, lat. pater, germ., z.B. got. fadar. Zu πάτριος stimmen noch aind. pítriyaund lat. patrius; zu ὁμο-πάτωρ, -πάτριος ‘von demselben Vater’ (att. bzw. ion. att.) apers. hama-pitar- bzw. awno. sam-feðr; über mögliche Verwandte von πάτρως s. oben 7. — Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 2, 4, Pok. 829 und in den Spezialwörterbüchern. II-481-482
πάτος 1. m. ‘Weg, Pfad’ s. πόντος und πατέω. II-482
πάτος 2. = ‘Nahrung, τροφή’ s. πατέομαι. II-482
πάτος 3. n. = ἔνδυμα τῆς Ἥρας (Kall.Fr. 495, H.). — Nach Bq und WP. 2, 661 (als Vermutung) zu spinnen, got. spinnanusw.; slose Formen in lit. pinù ‘flechten’, aksl. pьnǫ ‘spannen’(vgl. zu πένομαι). Aber vielleicht nur Rückbildung von πατέω als "das Getretene" = ‘langes, bis an die Füße hinabreichendes Kleid, Schleppe’, das Ntr. nach φᾶρος, εἷμα u.a. (FriskEranos 38, 46). II-482
παῦρος f. παυράς (Nik.); ‘klein, gering’, pl. ‘wenige’ (vorw. ep. poet. seit Il.); Adv. παυράκις· ὀλιγάκις H.; daneben παυρακίς· τὴν πέμπτην Σαμοθρᾷκες καλοῦσιν H. Dentin. παυρ-ίδιος (Hes. Op. 133); s. Fraenkel Nom. ag. 2, 181 A. 1, Chantraine Form. 39. — Mit lat. parvus ‘klein’ uridentisch (vgl. νεῦρον : nervus). Daneben mit anderen Suffixen lat. pau-cus ‘wenig’, paul(l)us ‘klein, wenig’ (Grundform unklar). Ohne Suffix att. παῦ-ς = παῖς (s.d.). II-482-483
παύω, -ομαι. Aor. παῦσαι, -ασθαι usw., ‘ab-, zurückhalten, Einhalt gebieten, aufhören machen’, Med. ‘ablassen, aufhören, zu Ende gehen’ (seit Il.); zur Bed. Porzig Satzinhalte 48 ff. oft m. Präfix, bes. ἀνα-, κατα-, Ableitungen: 1. ἀνά-, κατά-, διά-παυμα n. ‘Ruhe, Rast, Beschwichtigung’ (Il., Hes. usw.), ἀνα-παυμα auch ‘Brache, Brachfeld’ mit -ματικός (Pap.). —2. ἀνά-, κατά-, διά-παυσις f. ‘Ruhe, Rast, Erholung’ (Pi., ion. att.), selten παῦσις (Hp., LXX). — 3. παυσ-ωλή, μετα- ~ f. ‘ds.’ (Β 386, Τ 201; vgl. Leumann Hom. Wörter 93 A. 55), wohl vom Aor. παῦσαι (Frisk Indogerm. 15, Porzig 235; vgl. lat. pausa unten), der bei Hom. gewöhnlicher ist als das Präs. (Chantraine Gramm. hom. 1, 374). — 4. παῦλα, ἀνά- ~ f. ‘ds.’ (Hp., att.); zur Bildung Solmsen Wortforsch. 262f. — 5. παυστήρ, -ῆρος m. (S.), παύστωρ, -ορος m. (Isyll.; Fraenkel Nom. ag. 1, 160) ‘Endemacher, Beender’ mit παυστήριος ‘beendigend’ (S.), ἀνα- ~ ‘zum Ausruhen geeignet’ (Hdt., X. u.a.). — 6. ἀνα-, κατα-παυστικός ‘Ruhe schenkend, beschwichtigend’ (Phld., Ptol. u.a.). — 7. παυσι- in verbalen Rektionskompp., z.B. παυσί-πονος ‘schmerzstillend’ (E. u. Ar. in lyr.), παυσ-άνεμος ‘windstillend’ (A. in lyr.). — 8. Lat. pausa f. ‘Pause, Stillstand, Ende’ (seit Enn.) mit -s- wie in παυσωλή, παῦσαι; schwerlich vom seltenen Simplex παῦσις; Einzelheiten bei W.-Hofmann s.v. — Unerklärt. Nach Schwyzer IF 30, 443 ff. eig. "jmdn. von etw. wegschlagen", zunächst im Aor. παῦ-σαι, wozu das Präs. παύω als Neubildung. Urspr. Präs. wäre παίω (s.d.) für *παϝι̯ω = lat. paviō. Semantisch sehr wenig überzeugend; vgl. Kretschmer Glotta 6, 308, Porzig Satzinhalte 50. Nicht besser Solmsen IF 31,483: zu apreuß. pausto ‘wild’, aksl. pustъ ‘öde, wüst’ usw. WP. 2, 1ff., Pok. 790 u. 827, W. -Hofmann s. paviō und pausa, Vasmer s. pustítь und pustóĭ. II-483
παφλάζω, äol. -άσδω (Alk.), ‘brodeln, brausen, Blasen werfen’ (vorw. ep. poet. seit Ν 798). ganz vereinzelt m. ἐκ-, ἐπι- u.a., Davon παφλάσματα pl. n. ‘Blasen, schwülstige Worte’ (Ar.), ἐκπαφλασμός m. ‘das Überbrodeln’ (Arist.). — Onomatopoetische Reduplikationsbildung wie καχλάζω, βαβράζω u.a. (Schwyzer 647). Daneben der unreduplizierte Aor. φλαδεῖν (intr.) ‘zerkrachen, zerreißen’ (A. Ch. 28 [lyr.]); mit ε-Vokal φλεδών, -όνος f. ‘Geschwätz’ (Plu. u.a.), φλέδων, -ονος ‘Schwätzer(in)’ (A., Timo); mit Dehnung φληδῶντα· ληροῦντα H. (Schwyzer 719). Eine genaue Analyse erübrigt sich; ähnliche Bildungen sind toch. A plāc, B plāce ‘Wort, Rede’ (Holthausen IF 39, 66), lat. blatiō, -īre ‘schwätzen, plappern’ (vgl. Pedersen Tocharisch 103). Weiteres Material, z.T. mit anderer Auffassung, bei WP. 1, 210 u. 216, Pok. 155, W.-Hofmann s. flēmina und floccus. S. auch φλέω, φλύω. II-483-484
πάχνη f. ‘gefrorener Tau, Reif’, auch übertr., z.B. vom geronnenen Blut (seit ξ 476). Davon παχν-ήεις (Nonn.), -ώδης (Gp., Hymn. Is.) ‘reifig’; -όομαι (auch m. περι-), -όω ‘mit Reif bedeckt werden bzw. bedecken, gerinnen (machen)’ (ep. poet. seit P 112, auch sp. Prosa). — Bildung wie ἄχνη, λάχνη, λύχνος u.a. (Schwyzer 327), somit aus *πάκ-σν-ᾱ od. *πάγ-σν-ᾱ von πᾰγ-ῆναι, πήγνυμι; zur Bed. usw. s. πάγος; vgl. noch νὺξ ... πηγυλίς neben πάχνη (ξ 475 f., dazu Bechtel Lex. m. Lit.). Vermutung zur Bildung bei Porzig Satzinhalte 347. II-484
παχύς ‘dick, feist, wohlgenährt, dicht, gedrungen’ (seit Il.; zum Gebrauch bei Hom. Treu Von Hom. zur Lyr. 47 ff.). Einige Kompp., z.B. παχυ-μερής ‘aus dichten Teilen bestehend, grob, massiv’ (Ti. Lokr., Arist. u.a.); ὑπέρ-παχυς ‘allzu dick’ (Hp.). Ableitungen. 1. Steigerungsformen : πάσσων, nur Akk. -ονα (Od.), πάχ-ιστος (Il., Kall.), -ίων (Arat.), -ύτερος, -ύτατος (ion. att.); Seiler Steigerungsformen 40 f. 2. πάχετος (eher mit den Hp.hss. -ετός) = παχύς (θ 187, ψ 191, Hp.); auchals Subst.n. (Nik., Opp.; auch ψ 191 möglich), für *πάχεθος nach μέγεθος? (Benveniste Origines 199); vgl. Schwyzer 512, Chantraine Form. 300, Seiler 75. 3. πάχητες· πλούσιοι, παχεῖς H. (nach πένητες); Πάχης, -ητος m. als PN (Th. u.a.; Schwyzer 499). 4. παχυλῶς ‘in groben Zügen’ (Arist.). 5. πάχος n. ‘Dicke, Stärke, Wucht’ (seit ι 324). 6. παχύτης (-υτής? Wackernagel Phil. 95, 177) f. ‘Dicke’. 7. παχύνω, vereinzelt m. ἐπι-, ἐκ-, συν-, ὑπερ-, ‘dick machen, mästen’ (ion. att.) mit πάχυν-σις f. ‘Verdickung’, -τικός ‘dick machend’ (Mediz.), -υσμός m. (Hp.), -υσμα n. (Aët. u.a.). 8. Aor. παχῶσαι ‘dick machen’ (Mediz., Herm. 33, 343). — Zu παχύς, wenn aus *φαχύς (s. πῆχυς), stimmt formal genau aind. bahú- ‘viel, reichlich, groß, ausgedehnt’; aus dem hochstufigen Komp. báṃhīyān (wofür mit sekundärer Schwundstufe πάσσων) ergibt sich als idg. Grundform *bhn̥ĝh-; daraus vielleicht noch heth. panku- ‘gesamt, vereint, allgemein’. Semantisch vorzüglich stimmt das im Anlaut abweichende lat. pinguis ‘fett’; vielleicht für *finguis durch Kreuzung mit dem alten Wort für ‘fett’ in πιμελή, πίων (s. dd.); anders (pinguis "frühitalisch") Haas, s. Leumann Glotta 42, 75. In Betracht kommen noch lett. bìezs ‘dicht, dick’ und germ., z.B. awno. bingr m. ‘Haufe, Gelaß (für Getreide usw.)’; unsicher toch. B pkante (-atte) ‘Größe’. — Auf paralleler Neubildung beruht die Gleichung aind. bahu-lá- ‘dick, dicht, ausgedehnt’ = παχυ-λῶς (s. oben). — Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 2, 151, Pok. 127 f., W.-Hofmann s. pinguis, Mayrhofer s. bahúḥ, bahuláḥ. II-484-485
πέαρ · Γλαυκίας λιπαρόν H. — Kreuzung von πῖαρ und στέαρ (v. Blumenthal Hesychst. 43 f.). II-485
πεδά ‘nach, mit, inmitten’ = μετά (äol., dor., ark.); als Vorderglied z.B. in Πεδα-γείτνιος m. Monatsname (Rhodos usw.) = att. Μεταγειτνιών. — Ausgang wie μετά, ἀνά, διά usw. Erklärung unsicher; vgl. Schwyzer 622 m. Lit.). Vom Wort für ‘Fuß, Fußspur’ in πούς, πέδον (s. dd.); sonnt eig. ‘auf dem Fuße, in den Spuren o. ä.’; vgl. z.B. arm. y-et, z-het ‘nach’ von het ‘Spur’ (= πέδον). Ausführlich zum Gebrauch usw. m. Lit. Schwyzer-Debrunner 498f.; vgl. noch W.-Hofmann s. pedisequus (m. Lit.). — Das vereinzelt belegte πετά ist wohl Kreuzung m. μετά (Lit. und Referat anderer Auffassungen bei Schw.-Debr. a. O.). II-485
πέδη, dor. -α, meist pl. -αι, f. ‘Fußfessel, Fessel’ (seit Il.). Oft als Hinterglied, namentlich bei den Dichtern und in sp. Prosa, z.B. ἱστο-πέδη; s. zu ἱστός mit Lit. Davon die Demin. πεδ-ίσκη f. (Theben IIIa), -ιον n. (EM); πεδή-της m. ‘mit Fesseln Versehener, Gefangener’ (Kom., Herod., LXX u. a.), πέδων, -ωνος m. ‘ds.’ (Ar. Fr. 837); Denonminativum πεδ-άω, -ῆσαι, vereinzelt m. κατα-, ἀμφι-, συν- ‘fesseln, binden, hemmen’ (vorw. poet. seit Il.), mit πεδα-τάς m. (dor.) ‘der Fesseler’ (AP). — Ableitung des alten Wortes für ‘Fuß’, das im Griech. nur mit o-Abtönung in πούς (s. d.) vorliegt; vgl. πέδον, -ίον, -ιλον, πέζα. Ähnlich lat. ped-ica ‘Fessel’, im-ped-iō ‘hindern’, germ. z.B. awno. fjǫturr m. ‘Fessel’ (urg. *fetura-); s. W.-Hofmann s. v., WP. 2, 24f., Pok. 792. II-485
πέδῑλον, meist pl. -α n. ‘Sohle unter dem Fuß, Sandale’, sek. von anderer Fußbekleidung (ep. poet. seit Il.; auch Hdt. und Plu., s. Ruijgh L’élém. ach. 151 f.), myk. pediro nach Gallavotti Riv. fil. class. 89,174ff.; oft als Hinterglied, z.B. χρυσο-πέδιλος ‘mit goldenen Sandalen’ (Od. u.a.). Mit ῑλο-Suffix vom Wort für ‘Fuß’ (in πέδον u.a.); s. πούς. Zur Bildung Chantraine Form. 249; ob ein vermittelnder ῑ-Stamm anzunehmen ist (WP. 2,23, Specht Ursprung 147; vgl. zu πέζα), steht dahin. — Die Form mit Geminata -λλ- (nach Gramm. äol.) will Schwyzer 439 A. 6 aus *πέδ-ι-ϝλον angebl. "Fußwickel" erklären; vom Sachlichen abgesehen, ist sie nicht unbedingt zuverlässig, s. Hamm Grammatik, par. 26. II-485
πέδον n. ‘Fuß-, Erdboden, Boden’ (ep. poet. seit Ν 796 πέδον-δε). Als Hinterglied in δά-πεδον, κράσ-πεδον u.a.; s. dd. und Risch IF 59, 14 f. Adjekt. Hypostase ἔμ-πεδος ‘auf dem Erd. boden befindlich, fest’ (ep. poet., sp. Prosa) mit ἐμπεδ-όω ‘befestigen, unverbrüchlich halten’ (att. usw.); Bahnvrihi m. α copul. ἄ-πεδος ‘eben’ (Hdt., Th., X.); als Vorderglied u.a. in πεδο-βάμων ‘auf dem Erdboden gehend’ (A. in lyr.). Adverbia πεδ-όσε, -όθεν, -οι (ep. poet.). Daneben mit ιο-Suffix πεδίον n. ‘Fläche, Ebene, Feld’ (seit Il.) mit mehreren Ableitungen: 1. πεδι-άς, -άδος f. ‘flach, eben, auf der Ebene befindlich’ (Pi., ion. att.); 2. πεδι-εινός, auch πεδ-εινός, -ϊνός, ‘flach, eben’ (ion. att.; nach αἰπεινός, bzw. πυκινός u.a.); 3. πεδι-ακός ‘zur Ebene gehörig’, pl. ‘Bewohner des Flachlandes von Attika’ (Lys. Fr. 238 S., Arist., Pap.); 4. πεδι-εῖς m. pl. ‘ds.’ (Plu., D. L., Bosshardt 74); 5. πεδι-άσιος ‘auf der Ebene befindlich’ (Str., Dsk.; wohl nach Φλειάσιος u.a.); 6. πεδι-ασι-μαῖος = campester (Gloss.); 7. πεδι-ώδης ‘flach’ (Sch.); 8. Πεδι-ώ f. ‘Göttin der Ebene’ (Hera; Sizilien). — Kypr. πεδίjα f. ‘Ebene’ (vgl. Bechtel Dial. 1, 423); nach χώρα, γῆ? — Altes Erbwort, mit heth. pedan ‘Platz, Stelle’, umbr. peřum ‘Boden’, ebensowie mit arm. het, -oy ‘Fußspur’, awno. fet n. ‘Schritt’, aind.padá- n. ‘Schritt, Tritt, Fußstapfe’, aw. paδa- n. ‘Spur’ uridentisch: idg. *pedo-m n. Urspr. Bed. ‘Fußspur, Fußboden’, vom Wort für ‘Fuß’, s. πούς m. Lit. II-485-486
πέζα f. ‘Spann am Fuß’, gewöhnl. übertr. ‘Fußende, unterer Rand, Saum eines Kleides, einer Küste, eines Gebirges, eines Netzes usw.’ (Ω 272, Mediz., hell. u. sp.). Davon unabhängig in dichter. Kompp., z.B. ἀργυρό-πεζα Adj. f. ‘mit silbernen (d.h. weißen) Füßen’, von Thetis u.a. (seit Il.), m. -πεζος (AP). Zu τράπεζα s. bes. Unklar διά-πεζος, von Frauenkleidern (Kallix.) — Erweitert πεζ-ίς, -ίδος f. ‘Saum’ (Ar., att. Inschr.). — Ableitung mit ι̯α-Suffix vom Wort für ‘Fuß’ (s. πούς), somit Bez. eines zum Fuß gehörigen oder auf den Fuß bezüglichen Gegenstandes. Bildung wie γλῶττα u.a. (Schwyzer 473 f., Chantraine Form. 97 ff.). Zu πέζα mit ι̯α-Suffix gesellt sich im Germ. eine entsprechende Bildung mit ī-Suffix (vgl. zu λύσσα; s. auch πέδῑλον): urg. *fet-ī f. in awno. fit, Gen. fit-jar ‘Schwimmhaut’; viell. auch in ahd. fizza, nhd. Fitze ‘Gewinde, Garn’, ahd. auch von den Enden der Kettenfäden, ebenso norw. fit. II-486
πεζός ‘zu Fuß gehend, auf dem Lande lebend’, von Menschen und Tieren, ‘Fußgänger, Fußsoldat’, koll. ‘Landtruppen, Landheer’ (seit Il.); übertr. ‘alltäglich, prosaisch’ (hell. u. sp.). Oft als Vorderglied, z.B. πεζο-μάχ-ᾱς, -ος ‘als Fußsoldat kämpfend’ mit -έω, -ία (Pi., ion. att.). Davon πεζ-ικός ‘zum πεζός gehörig’ (att. usw.: ἱππικός, ναυτικός; Näheres bei Chantraine Études 126 m. A. 1), -ίτης m. = πεζός (Suid.: ὁπλίτης), -ότης, -ητος f. ‘das πεζός-Sein’ (Arist. -Komm.); πεζ-εύω ‘Fußgänger sein, zu Fuß gehen’ (att., Arist. usw.) mit -ευτικός ‘zu Fuß gehend’ (Arist.). — Bis auf den Akzent mit aind. pád-ya- ‘den Fuß betreffend’ formal identisch, idg. *ped-i̯o-; das Suffix soll nach Schulze und Brugmann ein Verb für ‘gehen’ (εἶ-μι o.a.) enthalten (s. Schwyzer 472). Dagegen lat. acu-ped-ius ‘schnellfüß-ig’ mit i̯o -Erweiterung wie norw. fior-fit ‘Eidechse’ (eig. "vierfüß-ig, Vierfüß-ler"). Weiteres s. πούς. II-486-487
πεῖ (ει = geschlossenes ē) n. — indekl. Buchstabenname = semit. pē; später πῖ. Schwyzer 140 m. Lit. II-487
πείθομαι, Fut. πείσομαι, Aor. πιθέσθαι, πεπιθέσθαι, Perf. πέποιθα (alles seit Il.), Aor. Pass. πεισθῆναι, Fut. -θήσομαι, Perf. πέπεισ-μαι (att.), Med. πείσασθαι (hell. u. sp.), Aor. Ptz. πιθήσας (Il. u.a.) m. Fut. πιθήσω (φ 369; zur Erklärung unten s. ἀπιθής); Akt. πείθω, πείσω, πεπιθεῖν m. Fut. πεπιθήσω, πεῖσαι (alles seit Il.), πιθεῖν (Pi., A. u.a.), πέπεικα (jungatt.) ‘überreden, überzeugen’; ‘(ver)trauen, sich verlassen, gehorchen, sich überreden lassen’ auch m. Präfix, z.B. ἀνα-, ἐπι-, παρα-, συν-. Als Vorderglied in verbalen Rektionskompp. wie πείθ-αρχ-ος ‘der Obrigkeit gehorchend’ (A.) mit -ία, -έω u.a. (att.), Πεισί-στρατος PN; als Hinterglied nach den σ-Stämmen u.a. in ἀ-, εὐ-π(ε)ιθής (Thgn., A., att.) mit Aor. ἀπίθ-ησε (Il. u.a.), Fut. ἀπιθ-ήσω (Κ 129, Ω 300); danach das metrisch bequeme πιθήσας mit πιθήσω (anders Chantraine Gramm. hom. 1, 446). Ableitungen. A. Vom Wz.aorist: 1. πιστός ‘treu, verlässig, glaubwürdig’ (seit Il.) mit πιστό-της f. ‘Treue’ (ion. att.), πιστ-εύω (δια-, κατα- u.a.) ‘sich verlassen, vertrauen, glauben, anvertrauen’ (ion. att.), wovon -ευμα, -ευσις, -ευτικός; πιστ-όομαι (κατα-, συν-, προ-), -όω ‘fest vertrauen, sich verbürgen, versichern; zuverlässig machen’ (seit Il.) mit -ωμα, -ωσις, -ωτής, -ωτικός. 2. πίστις f. ‘Treue, Vertrauen, Beglaubigung, Bürgschaft’ (ion. att.) mit πιστι-κός ‘treu’ (Plu., Vett. Val. u.a.; wenn nicht für πειστικός; s. unten). 3. πιθανός ‘vertrauenswürdig, zuverlässig, glaubhaft, gehorsam’ (ion. att.) mit πιθαν-ότης, -όω (Pl., Arist. usw.). 4. πί-συνος ‘vertrauend auf jmdn. od. etw.’ (vorwiegend ep. poet. seit Il.), wohl nach θάρσυνος (Schwyzer 491, Wyss -συνη 13ff.). — B. Vom Präsens: 1. Πειθώ f. ‘(Göttin der) Überredung, Überzeugung, Gehorsam’ (seit Hes.), davon böot. Aor. ἐπί-θωσε, -σαν (IIIa)?; Bechtel Dial. 1, 308 m. Lit. 2. πειθός ‘leicht überredend’ (Ep. Kor.). 3. πειθήμων ‘gehorsam, überredend’ (sp. Epik). — C. Vom Präsens bzw. σ-Aor. (jünger): 1. πεῖσα f. ‘Gehorsam’ (ἐν πείσῃ υ 23), wie δόξα?; Chantraine Form. 100 u. 435, Schwyzer 516. 2. -πειστος als Hinterglied εὔ-, δυσανά-, ἀμετά-πειστος u.a. (att.) gegenüber älterem ἄπιστος. 3. πειστ-ικός ‘zum Überreden geeignet, überzeugend’ (Pl., Arist.), -ήριος ‘ds.’ (E.). 4. πεῖσ-μα n. ‘Überzeugung, Zuversicht’ (Plu., Arr., S. E.), -μονή f. ‘ds.’ (Ep. Gal., Pap. u.a.). 5. πεῖσις (παρά-, κατά- ~) f. ‘Überzeugung usw.’ (Plot., Hdn., Sch.); vgl. älteres πίστις und Fraenkel Glotta 32, 27 m. Lit. 6. πειστήρ m. ‘Gehorsamer’ (Suid.) 7. Πειστίχη f. Bein. der Aphrodite (Delos; zum χ-Suffix Chantraine Form. 404).—D. Vom Perfekt: πεποίθ-ησις f. ‘Vertrauen’ (LXX, Phld. u.a.), -ίαν· ἐλπίδα, προσδοκίαν H.; vgl. Scheller Oxytonierung 40. — Mit πείθω deckt sich formal genau das lat. themat. Wz.-präsens fīdō, -ere, idg. *bheidh-ō; semantisch stimmt dagegen das lat. Verb zum Medium πείθομαι (vgl. confīsus sum). Formale Identität liegt auch vor mit dem germ. Verh für ‘warten’ in got. beidan, ahd. bītan usw.; die semantische Kluft (’warten, harren’ aus ‘vertrauen’ oder ‘sich fügen, bezwingen’ ?) ist indessen noch nicht überbrückt worden. Auch das Kausativ got. baidjan ‘zwingen’, ahd. beitten usw. ‘drängen, fordern’ weicht semantisch ab; nach Specht KZ 66, 205 ff. wäre ein entspr. gr. *ποιθέω (wozu der reduplizierte Aor. πεπιθεῖν) durch das Akt. πείθω ersetzt worden. — Das griech. System einschließlich der nominalen Formen ist ganz aus sich selbst erklärbar; die zahlreichen hierhergezogenen Nomina, namentlich aus dem. Lat., wie fīdus (formal = die Neubildung πειθός), fĭdēs, foedus (nicht zu εὐ-πειθής oder zu πεῖσα), wozu vielleicht noch alb. bē f. ‘Eid, Schwur’ und aksl. běda ‘Not’ (idg. *bhoidhā), tragen zum Verständnis der gr. Formen nichts bei. Ganz fraglich ist die Zusammenstellung von πιστός mit alb. besë f. ‘Glaube, Vertrag, Treue’, angebl. aus *bhidh-tā f. (= *πιστη; Hamp KZ 77, 252f.); besë vielmehr Neubildung (Jokl bei W.-Hofmann). — Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 2, 139f., 185, Pok. 117, W.-Hofmann s. fīdō. Einzelheiten zur Form und Bed. von πείθομαι nebst Ableitungen bei S. Schulz Die Wurzel πειθ- (πιθ-) im älteren Griechischen. Diss. Bern 1952. II-487-488
πείνη (ο 407, Pl.), — Nicht sicher erklärt. Hypothetische Vergleiche mit lat. paene, pēnūria und mit πένομαι bei Curtius 271, Prellwitz und Bq; auch WP. 2, 8 u. 661, Pok. 988, Hofmann Et. Wb. s.v.; dazu noch Georgacas ’Αφιέρ. Τριανταφυλλίδη 512 f. Die Zurückführung von πεινῆν auf πενι̯-ᾱσ-ι̯ω zu lat. āreō (Schulze Kl. Schr. 328f.) ist abzulehnen. Vgl. δίψα m. Lit. Zur Bildung noch Scheller Oxytonierung 39 A. 3 (m. Lit.). jünger πεῖνα (Pl. R. 437d, Arist. u.a.) f. ‘Hunger, Hungersnot’. Als Hinterglied in γεω-πείνης ‘nach Land hungernd, arm an Land’ (Hdt.) mit beibehaltenem -η-ς (vgl. Schwyzer 451; nicht mit Fraenkel Nom. ag. 2, 101 von πεινῆν); mit Übergang in die ο-Stämme ὀξύ-πεινος ‘sehr hungrig’ (Arist. u.a.), πρόσ-πεινος ‘hungrig’ (Mediz., Act. Ap. 10, 10). Davon πειν-αλέος ‘hungrig’ (Kom., Plu., AP; nach διψαλέος u.a.), -ώδης ‘ds.’ (Gal.). — Neben πείνη, -α steht ein Verb ‘hungern, hungrig sein’ in πεινά̄ων Ptz. (Il.), πεινήμεναι Inf. (υ 137), πειν-ῆν, -ῇς, -ῇ (Ar., Pl.). -ήσω, -ῆσαι, πε-πείνηκα (Hdt., att.); später πειν-ᾶν, -ᾷ, -ά̄σω, -ᾶσαι (LXX usw.); vereinzelt mit δια-, ὑπο-, ὑπερ-, ἀνα-. Das Wortpaar πείνη, -α: πεινῆν geht dem sinnverwandten δίψα, -η: διψῆν parallel. Wie δίψα zu διψῆν dürfte auch πείνη Rückbildung zu πεινῆν sein; dabei ist mit wechselseitiger Angleichung zu rechnen, was ein richtiges Urteil erschwert. II-488-489
πεῖρα f. ‘Versuch, Untersuchung, Erfahrung’ (Alkm., Thgn., Pi., ion. att.). Als Hinterglied u.a. in ἔμ-πειρος (s.d.); mit ā-Stamm (vgl. Schwyzer 451) in ἱππο-πείρης m. ‘Pferdekenner’ (Anakr. 75, 6), μονο-πεῖραι (λύκοι) ‘allein jagend’ (Arist., Men.), letzteres mit Beziehung auf πειράομαι (Fraenkel Nom. ag. 2, 101 f.); ἀ-πείρων ‘unerfahren’ (S.) für gew. ἄ-πειρος nach ἀπείρων von πεῖραρ (s. d.) ? Rückbildungen wie ἀνά-, ἀπό-, διά-πειρα (Pi., ion. att.) von ἀνα-πειράομαι usw. Zu ταλαπείριος s. bes. Davon drei Denominativa: 1. πειράομαι, seltener -άω, oft m. Präfix wie ἀνα-, δια-, ἀπο-, ἐκ-, ‘versuchen, auf die Probe stellen, erproben’ (seit Il.). Davon πειρᾱ-τής m. ‘Seeräuber’ (hell. u. sp.) mit -τικός zum Seeräuber hörend’ (Str., Ph. usw.), -τεύω ‘als Seeräuber auftreten’ (LXX usw.); πειρατήριον, ion. -ητ- n. ‘Gerichtsverhandlung’ (Hp., E. u.a.). ‘Seeräuberbande, -nest’ (LXX, Str. u.a.), πειρητήριος ‘ausforschend, probierend’ (Hp.); πείρασις f. ‘Versuchung, Angriff’ (Th., D. C.; kann auch zu 2. gehören). — 2. πειράζω, Aor. -άσαι, -ασθῆναι (Od., Arist., hell. u. sp.), Kret. Fut. πειράξω, κατα-πειράσω Lys., auch m. κατα-, ἐκ-, ἀπο- u.a., ‘versuchen, auf die Probe stellen, angreifen’. Davon πειρ-ασμός m. ‘Versuchung’ (LXX, NT u.a.), -αστής m. ‘Versicher’ (Ammon. Gramm.), -αστικός ‘zum Versuchen, Probieren gehörig, geeignet’ (Arist. usw.), ἀ-πείρασ-τος ‘unerfahren, unversucht’ (hell. u. sp.); zu πείρασις s. zu πειράομαι. — 3. πειρη-τίζω (nur Präsensst.) ‘versuchen, ausforschen, angreifen’ (ep. seit Il.; zur Bildung Schwyzer 706). — Wie στεῖρα, σπεῖρα, μοῖρα usw. gebildet, somit aus *πέρ-ι̯α (äol. πέρρα nach Choerob. An. Ox. 2, 252), ι̯α-Ableitung eines Grundwortes unbekannter Funktion (Schwyzer 474, Chantraine Form. 98 f.). Rückbildung aus πειράομαι (Sommer Nominalkomp. 118 als Alternative) ist gewiss möglich, aber die Bildung des Verbs bleibt dann unverständlich. —Sichere Verwandte bietet nur das Latein in perī-tus ‘erfahren’, perī-culum ‘Versuch, Gefahr, Prozeß’, ex-perior, -īrī ‘versuchen, erproben’, deren ī-Element mit dem griech. Suffix zusammenzuhängen scheint. Arm. p’orj ‘Versuch’, wenn mit Meillet BSL 36, 110 hier einzureihen, muß einen aspirierten (expressiven) Anlaut repräsentieren. Weitere unsichere oder unwahrscheinliche Anknüpfungen aus dem Kelt. und Germ. bei WP. 2, 28f., Pok. 818, W.-Hofmann s. perī-culum. Beziehung zur großen Sippe in πείρω, περάω (s. dd.) ist sehr wahrscheinlich. II-489-490
πεῖραρ, -ατος, meist pl. -ατα n. (ep. lyr. seit Il., περ(ρ)άτων Alk.) jünger πεῖρας (Pi.), πέρας (att.) n. ‘Ende, Grenze, Ausgang, Ziel, Entscheidung’; ep. auch ‘Tau, Seil’ (aus ‘Tau-, Seilende’?; auch ‘Knoten’?; s.u.). Als Hinterglied in ἀ-πείρων (ep. poet. seit Il.), mit Übergang in die ο-Stämme ἄ-πειρος (Pi., ion., Trag., auch Pl., Arist. u.a.) ‘end-, grenzenlos’, auch ἀ-πε(ί)ρατος ‘ds.’ (Pi., Ph.); hierher noch ἀπειρέσιος, ἀπείριτος mit Suffixübertragung (anders s.v.)?; ἀπέρονα· πέρας μὴ ἔχοντα H.; πολυ-πείρων ‘mit vielen (weiten) Grenzen’ (h. Cer. 296, Orph.). Davon 1. πειραίνω (Hom. usw.), περαίνω (att.), Aor. πειρῆναι, περᾶναι, auch m. δια-, συν- u.a., ‘zu Ende bringen, vollenden, einen Schluß ziehen, folgern’ mit ἀ-πέραντος (-εί-) ‘unbegrenzt’ (Pi., att.), περαντικός ‘einen Schluß ziehend’ (Ar., Arist. u.a.), συμπέρασ-μα n. ‘Abschluß, Schluß, Folgerung’ (Arist. u.a.) mit -ματικός (Arist. usw.). 2. περατόομαι, -όω, auch m. ἀπο-, συν-, ‘enden, zu Ende bringen, begrenzen’ (Arist. usw.) mit ἀποπεράτ-ωσις (Mediz. u.a.). 3. ἀπο-περατίζω ‘beenden’ (Sch.). 4. περατεύει· ὁρίζει H. — Auch περάτη f. ‘die äußerste Himmelsgegend’ (ψ 243, Arat., Kall.), nach den Superlativen (vgl. Schwyzer 503 c); dazu περάτ-ηθεν ‘von der Grenze aus, von jenseits her’ (A. R. u.a.). — Grundform *πέρϝαρ mit alter ρ / ν-Flexion; vom ν-Stamm ἀ-πείρων; durch Neubildung πεῖρας, πέρας (vgl. Schwyzer 514). — Eine auffallende Ähnlichkeit zeigt aind. pár-van- n. ‘Knoten, Gelenk, Abschnitt’. Schulze Q. 109f., 116ff. folgert daraus ein besonderes Wort πεῖραρ im Sinn von ‘Knoten’ (μ 51 u.a., h. Ap. 129), wozu das Ptz. πειρήναντε ‘knotend, knüpfend befestigende’ (χ 175, 192); sehr verlockend, aber mit der an anderen Stellen (z.B. Ν 358) kaum abzuweisenden Bed. ‘Tau, Seil’ (aus ‘Tau-, Seilende’?) kommt man auch so nicht ganz ins reine. Nach Krause Glotta 25, 148 steht neben πεῖραρ ‘Ende’ ein besonderes πεῖραρ ‘Seil’ zu σπεῖρα, σπάρτον; abzulehnen. Für ein einheitliches πεῖραρ (s. Bq m. älterer Lit.) u.a. Niedermann Glotta 19, 7, Björck Mél. Bq 1, 143ff. — Im Sinn von ‘Ende, Grenze’ gehört πεῖραρ aus *πέρ-ϝαρ jedenfalls zu der großen Sippe πείρω, πέρᾱ usw. (wohl auch πεῖρα); die urspr. Funktion des Elements περ-, ob verbal oder nominal, läßt sich nicht mehr ermitteln. Auch πεῖραρ = pár-van- ‘Knoten’ läßt sich vielleicht damit vereinigen (eig. ‘Ende, Abschnitt, Knoten eines Halms’?; WP. 2, 32; Zweifel bei Mayrhofer s. páruḥ). II-490-491
πείρινθα Akk. sg. (ο 131, Ω 190), -ινθος Gen. (A. R. 3, 873), wozu Nom. πείρινς (Gramm.) f. ‘Wagenkorb’. — Wie viele Wörter auf -νθ- wahrscheinlich vorgr. Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 126 f. (m. Lit.). Mehrere ON sind damit verbunden worden : Πειρήνη, Πειραιεύς usw. (Bosshardt 141, Deroy Glotta 35, 191, v. Windekens Beitr. z. Namenforsch. 7, 312 f.); auch sogar Πειρίθοος (?; Grumach OLZ 1931, 1011). Anders über Πειραιεύς, -αιός Χάτζῆς (s. Kretschmer Glotta 17, 262) : eig. "Fährmann", zu περάω usw.; nicht überzeugend. II-491
πείρω, Aor. πεῖραι, Perf. Med. πέπαρμαι (Il. usw.), Aor. Pass. παρῆναι (Hdt. usw.), ‘durchbohren, durchstechen, durchdringen’; als Simplex ep. poet., m. Präfix auch (vorw. sp.) Prosa. Zum Aorist πορεῖν s. bes. oft m. Präfix, z.B. δια-, ἀνα-, κατα-, περι-. Ableitungen (sehr gedrängte Übersicht) : A. Von der Hochstufe: 1. διαμπερ-ές Adv. ‘ganz hindurch, ununterbrochen’ (ep. poet. seit Il., Schwyzer 513). 2. περ-όνη f. ‘Spange, Schnalle’ (seit Il.; wie βελ-όνη, ἀκ-όνη u.a.) mit -ονίς, -όνιον, -ονίδιον, -ονάω, -όνημα, -ονητήρ, -ονητρίς. — B. Von der Hochstufe m. o-Abtönung (1. und 2. vom Verb semantisch freistehend): 1. πόρος m. ‘Durchgang, Furt, Verenge, Fahrt, Weg, Straße; Mittel, Ausweg’, pl. ‘Einkünfte’ (seit Il.) mit a. πορ-εύς, -ιμος; b. πορ-εύομαι, -εύω ‘fahren, verschaffen’ (ion. att.), wovon -εία, -εῖον, -ευμα, -ευσις, -ευτικός; c. πορ-ίζω, -ίζομαι ‘zuwege bringen, sich verschaffen’ (ion. att.), wovon -ισμός, -ισμα, -ιστής, -ιστικός. Als Hinterglied u. a. in ἄ-πορος ‘ohne Ausweg, unwegsam, mittellos’ (Pi., ion. att.) mit ἀπορ-έω, -ία. 2. πορ-θμός m. ‘Überfahrt (-sort, -sweg), Meerenge, Sund’ (ion. att.; wie στα-θμός u.a.) mit -θμίς, -θμιος, -θμικός, -θμεύς, -θμεύω, -θμεία, -θμεῖον, -θμευμα u.a. 3. πόρπη f. ‘Spange, Schnalle’ (ep. poet. seit Il.; Reduplikationsbildung, Schwyzer 423) mit πορπ-ίον, -άω, -ημα, -όομαι, ωμα; mit κ-Suffix πόρπᾱξ, -ᾱκος m. ‘Schnallenriemen an der inneren Schildwölbung’ (B., S., E., Ar. u.a.) mit -ᾱκίζομαι (Ar.); eig. dorischer Fachausdruck, s. Chantraine Form. 381, Björck Alpha impurum 296 f. — Zum Jotpräsens πείρω stimmt lautlich und begrifflich aksl. na-perjǫ ‘durchbohren’; der Aorist πεῖραι hat eine formale Entsprechung im aind. Aor. Konj. párṣat(i) ‘er möge hinüberführen’ (idg. per-s-); dazu das redunlizierte Präs. pí-par-ti. Die Bed. ‘hinüberführen, übersetzen’ lebt im Griech. in πόρος, πορθμός weiter. Neben πόρος steht im Germ. ein entsprechender idg. ā-Stamm, awno. fǫr, ags. faru f. ‘Reise, Fahrt’ (wäre gr. *πορά); hinzu kommen thrak. ON auf -παρος, -παρα. Die Sippe hat überdies eine Unmenge von Vertretern in verschiedenen Sprachen, z.B. im Latein por-ta, -tus, -tāre, im Germ. ahd. usw. faran ‘fahren’, im Armen. heriwn ‘Pfrieme’, die für πείρω u. Verw. nichts lehren; s. indessen noch πορεῖν und πέρνημι. — WP. 2, 39 f., Pok. 816f., W.-Hofmann s. porta, Mayrhofer s. píparti2 m. weiteren Einzelheiten u. Lit. II-491-492
πεῖσμα n. ‘Tau, Seil’ (seit Il.) mit πεισμάτ-ιον ‘Nabelschnur’ (Sch.), -ιος ‘mit Seilen beschäftigt’ (Orph.); auch -ικός ‘seil-ähnlich’ = ‘anhaltend, unnachgiebig’ (Pap., Eust.)?; wohl eher von πεῖσμα ‘Überzeugung’ (s. πείθομαι). — Aus *πένθ-σμα (zum Lautl. Schwyzer 287) von dem im Griech. verlorengegangenen Verb ‘binden’ mit isolierten Ablegern auch in πενθερός, φάτνη; s. dd. m. weiteren Einzelheiten. Mit Schwundstufe wohl πάσμα· ᾧ συνήρτηται πρὸς τὸ φυτὸν τὸ φύλλον H.; Mischform πέσμα· ἢ πεῖσμα, ἢ μίσχος. ἔστι δὲ ἐξ οὗ τὸ φύλλον ἤρτηται H. (Brugmann I F 11, 104 f.). II-492
πέκω (πείκετε σ 316 u. πείκειν Hes. Op. 775 metr. Dehnung), Aor. πέξαι, -ασθαι, ‘kämmen, sich kämmen, krempeln, scheren’ (poet. seit Il.). auch m. ἀπο-, Davon 1. πόκος m. ‘abgerupfte, abgeschorene Schafwolle, Vlies’ (poet. seit Μ 451, hell. u. sp. Prosa); myk. po-ka?? (Killen Par. del Pass. 17, 26ff.). Kompp., z.B. πόκ-υφος m. ‘Wollenweber’ (Pap. IIa); εἰρο-πόκος (s. εἶρος), εὔ-ποκος ‘schön wollig’ (A.); mit Beziehung auf das Verb νεό-ποκος ‘neugeschoren’ (μαλλός, S.). Abl.: ποκ-άριον (Sammelb. III—IVp u.a.), -άδες pl. f. ‘Wollflocken, Haarzotten’ (Ar.), Πόκιος m. "Schurmonat", lokr. Monatsname (Inschr.); Verba: ποκ-ίζομαι ‘Wolle scheren’ (Theok.) mit -ισμός, -ιστί (Pap.); -άζω ‘ds.’ (Sch., Suid.); -όομαι ‘wie mit einem Vlies bedeckt werden’ (AP). 2. πόκτος m. ‘ds.’ (Lyr. Adesp. 73, Hdn.), wie φόρτος (Schwyzer 704 A. 6), wenn nicht zu πεκτέω. 3. πέκος n. ‘ds.’ (An. Ox. 3, 358), πεῖκος· ἔριον, ξάμμα H. (vgl. πείκ-ετε, -ειν oben). 4. πεκτήρ (Suid.), ποκτήρ (Pap.IIp; nach πόκος) m. ‘Scherer’. —Erweiterte Form πεκ-τέω ‘ds.’ (Ar.; nicht πέκτω, Peruzzi Par. del Pass. 18, 396 A. 2); zur Bildung Schwyzer 705f. — Zu κτείς s. bes. — Mit lit. pešù, pèšti ‘rupfen, ausreißen, an den Haaren ziehen’ identisch; die τ-Erweiterung in πεκτ-έω auch in lat. pectō ‘kämmen, krempeln’; formal = gerrn., z.B. ahd. fehtan ’fech-ten’ (eig. *’sich raufen’ ?). Das sehr seltene πέκος stimmt lautlich zu lat. pecus n. ‘Vieh, Kleinvieh, Schaf’, das somit ein konkretisiertes Verbalabstraktum wäre (Porzig Satzinhalte 292; auch Specht KZ 66, 36f.). Der alte weitverbreitete u-Stamm in lat. pecu n., germ., z.B. ahd. fihu n., aind. páśu- n., -úḥ m. usw. ‘Vieh’ fehlt im Griech.; umgekehrt steht πόκος isoliert, somit wohl Neubildung. Idg. o -Vokal auch in arm. asr, Gen. asu ‘Schafwolle, Vlies’ (idg. *poḱu-). Awno. fær, aschwed. fār n. ‘Schaf’, oft mit πόκος gleichgesetzt, ist mehrdeutig. — Urspr. Bed. wohl ‘rupfen, krempeln’, woraus ‘scheren, kämmen’ (anders Peruzzi Par. del Pass. a. O. A. 3 gegen Specht KZ 68, 206). — WP. 2, 16f., Pok. 797, W.-Hofmann s. pectō und pecū, Fraenkel s. pèšti ‘zupfen’ m. weiteren Formen u. reicher Lit. II-492-493
πέλαγος n. ‘offene, hohe See, Meeresfläche, Meer’, lat. aequor (seit Il.; zur Bed. usw. Lesky Herm. 78, 260ff.). Vereinzelte sp. Kompp. wie πελαγο-δρόμος ‘über das Meer fahrend, fliegnd’ (Orph., PMag. Par.), εὐ-πελαγής ‘am schönen Meer gelegen’ (Orph.). Davon πελάγ-ιος ‘zum Meer gehörig’ (Trag., Th., X., Arist. usw.; nach ἅλ-ιος, θαλάσσ-ιος), -ικός ‘ds.’ (Plu.), -ῖτις f. ‘ds.’ (AP); -αῖος Bein des Poseidon (Paus.; nach ’Αγοραῖος usw.). Verba: πελαγ-ίζω, auch mit ἐν-, ‘ein Meer bilden, überschwemmt sein, auf hoher See sein, übers Meer fahren’ (Hdt., X., Str. usw.) mit -ισμοί pl. ‘Erlebnisse zur See’ od. ä. (Alkiphr.); -όομαι ‘ein Meer bilden, überstr ömen’ (Ach. Tat.). — Neben πέλαγος steht mit auslautender Tenuis das einsilbige und kurzvokalische πλάξ, -ακός f. ‘Ebene, Fläche, Meeresfläche usw.’ (s. d.); mit Media πλάγ-ιος ‘waagrecht, quer, schief’, s. d. m. weiteren Anknüpfungen, u.a. lat. plag-a ‘Fläche, Gegend’. Eine hochstufige zweisilbige Form ist sonst nicht belegt, findet sich aber vielleicht mit anderem Suffix in πέλανος (s. d.); dazu die Tiefstufe in παλάμη, παλαστή u.a. (s. dd.). Zur Bildung von πέλαγος vgl. noch τέναγος, σελαγέω (Schwyzer 496). S. auch Πελασγοί. II-493
πέλανος (-ός Hdn. Gr. 1, 178) m. ‘(dick)flüssiger Mehlteig, Brei, von Mehl, Honig und Öl’, oft als Opfer dargebracht, ‘Opferkuchen’ (A., E., Pl., att. Inschr., Herod. u.a.); Bez. eines Gewichts od. einer Münze (delph., arg. V—IIIa), = ὀβολός (Nik. Al. 488); vgl. πέλανορ· τὸ τετράχαλκον, πέλαινα· πόπανα, μειλίγματα H. — Zu πελάχνιν· τρύβλιον ἐκπέταλον H. s. πέτα-χνον (s. πετάννυμι). — Da die urspr. Bed. dieses alten Wortes unsicher ist, bleibt auch die Etymologie strittig. Wenn eig. ‘flacher Kuchen, flacher Teig’, wofür besonders πέλανος als Münzenbez. zu sprechen scheint (Solmsen KZ 42, 213), besteht die alte Verbindung (seit Fick 1, 477) mit lat. plānus ‘flach, platt’ = lit. plónas ‘dünn’, plóne ‘Fladen, Kuchen’ zu Recht. Zum Ablaut vgl. πέλαγος. — Andere Vorschläge : zu aind. párīṇas- n. ‘Fülle, Reichtum’ (: πίμπλημι, πολύς; Specht KZ 61, 284ff. mit Zustimmung von Kretschmer Glotta 26, 67, Fraenkel Mél. Bq 1, 358 A. 1, Havers Sprachtabu 135; ablehnend W.-Hofmann s. pulpa); zu lit. pilù, pìlti ‘schütten, gießen’ (Persson Beitr. 2, 748 A. 1); zu πόλτος (Lidén Stud. 87f. mit Lagercrantz); zu lit. pel̃nas ‘Verdienst, Lohn’ (Mann Lang. 28, 31; abzulehnen). — Weitere Einzelheiten bei Bq und WP. 2, 61, Pok. 805 f., W.-Hofmann s. plānus, Mayrhofer s. páriman-. II-493-494
πελᾱργός Zur Quantität des α s. u. m. ‘Storch’ (Ar., Pl. Alk. 1, 135 d, Arist.); auch = ἄγγος τι κεράμεον H. (nach der Form). Davon πελαργ-ιδεύς m. ‘junger Storch’ (Ar., Plu.; Bosshardt 46), -ικός ‘zum Storch gehörig’ (H., Suid.), -ώδης ‘storchähnlich’ (Str.), -ῖτις f. ‘Art ἀναγαλλίς und γεράνιον’ (Ps.-Dsk. u.a.), nach der schnabelähnlichen Form der Frucht (Strömberg Pflanzennamen 54). Denom. ἀντι-πελαργ-έω ‘Gegenliebe erzeigen (nach Art der Störche)’ (Aristaenet., Iamb. u.a.; zum Sachlichen Thompson Birds s. πελαργός); ἀντιπελάργ-ωσις, -ησις, -ία (Kom. Adesp. 939, 1570). — Zu Πελαργικόν (τεῖχος) s. Πελασγοί. — Nicht sicher erklärt. Schon von EM 659, 7 auf das schwarzweiße Gefieder bezogen und demgemäß von Kretschmer Glotta 3, 294 f. in πελαϝ-αργός zerlegt; von ἀργός ‘weiß’ und *πελαϝός ‘schwärzlich’ (zu lit. pal̃vas ‘falb’, πελιός usw.). Die Länge des α wird von Phrynichos 88 erwähnt (von ihm allerdings gleichzeitig mit Berufung auf eine falsche Etymologie verworfen); vgl. Schulze KZ 44, 353 f. = Kl. Schr. 268 f. — Anders Risch IF 59, 33: Vorderglied *πέλα- ‘Haut’ in ἐρυσί-πελας; nicht vorzuziehen. II-494
πέλας Adv. ‘nahe, nahe bei’ (seit Od.); ὁ πέλας ‘der Nahestehende, Nachbar, Nächste’ (ion. att.). Daneben 1. das Nasalpräsens πίλναμαι (πίλ-ν-α-μαι), -νάω, auch m. ἐπι-, προσ-, ‘sich nähern’ (ep. seit Il.; zur Bildung vgl. κίρνημι s. κεράννυ-μι); 2. der athem. Aor. πλῆ-το (ep. seit Il.), wozu ἐπλά̄-θην (Trag. in lyr.), πέ-πλη-μαι (Od. usw.), πλά̄-θω (Trag. m lyr.); 3. der σ-Aor. πελά-σ(σ)αι ‘sich nähern’, ep. poet. auch ‘nähern’, Med. -σασθαι, Pass. -σθῆναι (seit Il.), wozu als neue Präsentia πελάζω, auch m. ἐμ-, ἐπι-, προσ- (seit Ε 766), πελάθω (Trag. in lyr.), πελάω, ἐμ- ~ (h. Hom. 7, 44, hell. n. sp. Epik); Fut. πελῶ (att.). — Ableitungen. 1. πελά-της, dor. -τας m. ‘der sich Nähernde, der Hörige, Lohnarbeiter’ (Trag., Pl. u.a.; Fraenkel Nom. ag. 1, 42), f. -τις (Plu.), mit -τικός (D.H.); ἐμπελά-τειρα f. = πελάτις (Kall., Euph.); 2. πέλα-σις f. (ἐμ-, προσ-) ‘die Annäherung’ (S.E., Prokl.); 3. ἄ-πλη-τος (ep. poet.), ἄ-πλᾱ-τος (dor., Trag.) ‘unnahbar, entsetzlich’; 4. πλᾶ-τις, -ιδος f. ‘Gattin’ (Ar., Lyk.); 5. τειχεσι-πλῆτα Vok. Bein. d. Ares (Ε 31, 455; Bed. unklar, vgl. unten und Fraenkel a. O.); 6. πλήτης· πλησιαστής H. (aus 5. erschlossen?). — Zu δασπλῆτις s. bes. — Altes Adv. πλησίον (seit Il.), äol. πλά̄-σιον, dor. πλᾱτίον ‘nahe’, woneben das Adj. πλησίος ‘nahesehend, benachbart’ (ep. ion. poet. seit Il.); als Vorderglied z.B. in πλησιό-χωρος ‘benachbart’ (ion. att.). Davon πλησι-ότης f. ‘Nachbarschaft’ (A. D. u.a.); πλησι-άζω (dor. πλᾱτι-) ‘sich nähern, verkehren, Umgang haben’ (att.) mit -ασμός, -ασμα, -ασις (Arist. u.a.). — Ohne sichere außergriech. Anknüpfung. Nach Lobeck bei Curtius 278 urspr. "anstoßend, anstoßen" (vgl. ἴκταρ mit mehreren Bed.parallelen); des weiteren zu lat. pellō ‘stoßen’, kelt., z.B. air. ad-ella (aus *pel-nā-t = lat. appellat) ‘besucht’, Fut. eblaid aus *pi-plā-seti ‘wird treiben’ (Froehde BB. 3, 308 bzw. Vendryes MSL 16, 301 f.). Spuren dieser handgreiflicheren Bed. sind vielleicht noch zu finden in Ausdrücken wie πέλασε χθονί ‘warf zu Boden’, ὀδύνησι πελάζειν ‘in Trauer versenken’; auch in τειχεσι-πλῆτα als Bein. des Ares ("Mauerstürmer ?). Somit πέλας als alter Nom. (— Akk.; Schwyzer 516 n. 620) eig. "Anstoß"; ähnlich πλᾱτίον, πλησίον aus einem adverbiellen *πλᾱ-τ-ί erweitert (Schw. 621, 623)? Die Schwäche dieser an sich sehr wohl möglichen Erklärung liegt im Mangel sicherer morphologischer Kriterien; die kelt. Formen scheinen immerhin ablautmäßig zu den griech. zu stimmen (idg. pelə-, plā-); vgl. noch air. adella ‘besucht’ und πλησιάζει ‘verkehrt mit’. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 57f., Pok. 801 f., W.-Hofmann s. pellō. Vgl. πλήν, πλήσσω. II-494-495
Πελασγοί m. pl. Bez. einer älteren vorgriech. Bevölkerungsschicht der Agäis, sg. -ός ‘Pelasger, -isch’ (seit Il.). Davon Πελασγ-ικός ‘pelasgisch’ (Il., Hdt. usw.), -ιος ‘ds.’ (A. u. E. m lyr.), f. -ίς (Hdt., A. R.), -ιάς (Kall.); -ίη f. = ‘Ελλάς (Hdt.); -ιῶται m. pl., -ιῶτις f. sg. Bewohner der Πελασγιῶτις f. Landschaft in Südthessalien (Hdt. usw.). — Davon auch Πελαργικὸν τεῖχος n. Bez. des Terrains am nördl. Fuß der Akropolis in Athen (Hdt., att.) mit altem Übergang von σγ (= zg) zu ργ (Schwyzer 218)? — Ohne Etymologie. Wiederholte Zustimmung hat eine Hypothese von Kretschmer (zuerst Glotta 1, 16 f.) gefunden, laut der Πελασγοί aus *Πελαγσ-κοί als "Flachlandsbewohner", von πέλαγος im urspr. Sinn von ‘Fläche’, zu verstehen wäre. Diese semantisch unsichere, formal anfechtbare Deutung wurde auch mehrfach beanstandet; s. F. Lochner-Hüttenbach Die Pelasger (Arb. Inst. Sprachw. 6. Wien 1960) 143ff. mit Referat auch anderer Vorschläge und ausführlicher Behandlung des ganzen Problems (zu Πελαργικόν ebd. 116 m. A. 74); vgl. dazu die Besprechung Kronassers, Sprache 7, 218ff. II-495-496
πέλεθος m. ‘Kot’ s. σπέλεθος. II-496
πέλεθρον n. Längen- und Flächenmaß s. πλέθρον. II-496
πέλεια πελειάς, -άδος, meist pl. -άδες f. f. (ep. poet. seit Il.), ‘wilde Taube’, als Vorderglied in πελειο-θρέμμων ‘Tauben nährend’ (A.); auch übertragen als Ben. der Priesterinnen des Heiligtums von Dodona (Hdt., S., Paus.). Daneben πελείους· Κῶοι καὶ οἱ ’Ηπειρῶται τοὺς γέροντας καὶ τὰς πρεσ-βύτιδας H. — Wie so viele Tiernamen (Chantraine Form. 98, Schwyzer 474) Bildung mit ια-Suffix; davon mit dem in Tiernamen ebenfalls geläufigen αδ-Suffix (Chantraine 354 u. 356, Schw. 508, Sommer Münch. Stud. 4,6f.) πελειάς. Das mask. πελείους ist sekundäre Neubildung. — Offenbar wie z.B. lat. palumbēs nach der Farbe genannt und zu πελιός. πολιός, πελιτνός gehörig, aber im. einzelnen nicht ganz klar. Akz. wie λίγεια, ἐλάχεια (s. dd.) u.a., somit von einem υ-Stamm *πελύς ‘grau’ ? — Wegen ihrer grauweißen Haarfarbe wurden die Priesterinnen in Dodona (ebenso wie die Alten in Kos und Epeiros) "die Tauben" genannt; eig. Bed. somit nicht mit Bq, WP. 2, 53, W.-Hofmann s. palleō "die Grauköpfigen Alten". — Vgl. περιστερά. II-496
πελεκάν, -ᾶνος m. ‘Pelikan’ (Anaxandr. Kom., Arist. u.a.); πελεκᾶς, -ᾶντος m. ‘Grünspecht’ (Ar. Av.); πελεκῖνος m. ‘Pelikan’ (Ar. Av., Dionys. Av.); gewöhnlicher als N. verschiedener Pflanzen, "Beilkraut", bes. ‘Securigera Coronilla’ (Hp., Thphr., Dsk.) und als bautechnischer Ausdruck ‘Schwalbenschwanz, Zinke’ (Ph. Bel., Hero Bel. u. a.). — Von πέλεκυς wegen der funktionellen bzw. äußeren Ähnlichkeit des Schnabels, der Frucht (Strömberg Pfl.namen 56) usw. mit einem. Beil. Zur Bildung: πελεκ-ῖνος wie κορακ-ῖνος, σταφυλ-ῖνος, ἀτταγ-ῖνος u.a.; πελεκᾶς wie ἀλλᾶς, -ᾶντος (vgl. s.v. und Schwyzer 528), somit aus *πελεκᾰ-ϝεντ- (Björck Alpha impurum 271)? Eher nach Kretschmer Glotta 14, 101 mit Anschluß an πελεκάω wie z.B. Φείδας: φείδομαι. Zu πελεκάν vgl. zunächst die Völkernamen auf -άν (’Ακαρνάν u.a.); zur nichtion.-att. Form Björck 62 u. 288. II-496-497
πέλεκυς, -εως, ion. -εος m. ‘Axt, Doppelaxt, Beil’ (seit Il.). Als Hinterglied in ἑξα-πέλεκυς = lat. sexfascalis (Plb. u.a.), σφυρο-πέλεκυς ‘Hammeraxt’ (att. Inschr.; Risch IF 59, 57 f.; vgl. Schwyzer RhM 79, 314ff.); ἡμι-πέλεκκον n. "Halbaxt", ‘Axt mit éiner Schneide’ (Ψ 851), aus adj. *ἡμι-πέλεκϝ-ος ‘aus einer halben Axt bestehend’ (Risch IF 59, 51); myk. pe-re-ku-wa-na-ka ?? (Puhvel KZ 73, 221 f.). — Mit aind. paraśú- m. ‘Beil, Axt, Streitaxt’ bis auf den Akzent als Erbwort identisch; idg. *peleḱu-; dazu noch iran. formen, z.B. osset. færæt ‘Axt, Beil’; als iran. LW toch. A porat, B peret ‘Axt’. — Lange als idg. LW mit akkad. pilakku angebl. ‘Beil’ identiflziert (z.B. Kretschmer Einleitung 105 f.). Das akkad. Wort bedeutet aber nie ‘Beil’ (eher ‘Spindel’), weshalb diese an sich verlockende Gleichung aufzugeben ist. Entlehnung aus einer südöstlichen Sprache in ein idg. Teilgebiet hat jedoch viel für sich, obwohl nähere Anhaltspunkte fehlen. Vgl. Mayrhofer s. paraśúḥ mit weiteren Einzelheiten und Lit.; auch Porzig Gliederung 160 und Thieme Die Heimat d. idg. Gemeinspr. 52 f. Davon πελέκ-ιον n. Demin. (att. Inschr.), πέλεκκ-ον (-ος) n. (m.) ‘Axtstiel’ (Ν 612, Poll., H.; aus -κϝ-ον wie πελεκκ-άω unten), πελεκυ-νάριον ‘ds.’ (Theo Srn.); πελεκ-ᾶς, -ᾶτος m. ‘Axtschmied’ (Ostr. Ia; Olsson Arch. f. Pap. 11, 219). Zwei Denominativa: 1. πελεκ-άω (-εκκάω ε 244 aus *-εκϝ-άω; Schwyzer 227 u. 731), vereinzelt m. ἀνα-, ἀπο-, ἐκ-, κατα-, ‘mit einem π. be- hauen’ (seit ε 244) mit -ημα, -ησις, -ητής, -ήτωρ, -ητρίς, -ητός (hell. u. sp.); 2. πελεκ-ίζω (ἀπο- AB) ‘mit einem π. abhauen’, bes. ‘enthaupten’ (Plb., Str. usw.) mit -ισμός (D. S.). — Durch Umbildung nach den Gerätenamen auf -υξ (Chantraine Form. 383) πέλυξ ‘ds.’ (LXX, Pap. u.a.) mit πελύκ-ιον (Peripl. M. Rubr., Pap.). II-497
πελεμίζω, Aor. -ίξαι, -ιχθῆναι ‘schwingen, erschüttern’, Pass. ‘erzittern’ (ep. seit Il.; Trümpy Fachausdrücke 130 ff., Ruijgh L’élém. ach. 8 1 f. ). — Denominative Bildung auf -ίζω (nach den sinnverwandten ἐλελίζω, στυφελίζω, δνοπαλίζω u.a.; Chantraine Gramm. hom. 1, 340) von einem unbekannten Nomen, etwa *πέλεμα o.a., das im Germ. nahe Verwandte haben kann, u.a. in den Kompp. got. us-film-a ‘erschrocken, entsetzt’ (nnt usfilm-ei ‘Erschrockenheit, Entsetzen’), awno. felms-fullr ‘schreckensvoll’, die ein Nomen urg. *felma- ‘Schrecken’ voraussetzen. Bei Abtrennung des m-Suffixes ist Anschluß zu erreichen an die Gruppe von πάλλω (seit Fick KZ 19, 262; weiteres bei WP. 2, 52f.). Auch arm. al̃m-uk ‘Verwirrung, Unruhe’ (: παλμ-ός, πελεμ-ίζω) läßt sich hier einreihen (Adjarian MSL 20, 160). — Hierher wohl auch πόλεμος; s.d. II-497-498
πελιδνός Daneben πελιτνός, von Gramm. als att. bezeichnet, somit bei Th. 2, 49, Alex. 110, 17 u.a. wiederherzustellen? ‘blauschwarz, dunkelfarben, fahl, blutunterlaufen’ (Hp., Arist., Nik. u.a.; auch Th. u. Kom.?; s.u.) — Nach ὀπιδνός, ἀλαπαδνός, ὀλοφυδνός u.a. gebildet, u. zw. entweder als Erweiterung von πελιός oder als Umbildung des älteren πελιτνός, das dieselbe urspr. nur dem Fem. zukommende Suffixkombination aufweist wie aind. pálikī f. aus *pali-t-n-ī ‘grau’ zu m. pali-t-á- (= gr. *πελιτός; daraus πελιτ-νός nach dem Fem.?). Bei Abtrennung des t-Suffixes (vgl. aind. hári-, hári-t-a- ‘grüngelb, falb’; s. χλόη, χλωρός) kommt man auf einen i-Stamm zurück, der auch in πελιός (wohl für *πελι-ϝό-ς; vgl. zu πολιός), πελι-γόνες, -γᾶνες, vielleicht auch in πελλός (wenn aus *πελι̯ός) erhalten ist. Letzteres kann aber auch für *πελ-νός stehen, wofür besonders πιλνόν· φαιόν H. (mit wiederhergestellten -λν-) zu sprechen scheint. Noch eine andere Bildung zeigt πέλεια, wohl auch πελαγρός (s. dd.). — WP. 2, 53f., Pok. 804f., W.-Hofmann s. palleō m. reicher Lit. Zur Stammbildung (z.T. hypothetisch) Specht Ursprung 117, 187, 194. — Vgl. πολιός m. weiteren Anknüpfungen. mit den Erweiterungen πελιδν-ήεις (Marc. Sid.), -αῖος (Nonn.). Davon -ότης f. ‘blauschwarzer Fleck’ (Aret., Gal.), -όομαι ‘blauschwarz werden usw.’ (Hp., Arist.) mit -ωμα, -ωσις (Mediz. u.a.). — Auch πελιός ‘ds.’ (Hp., D., Thphr., Nik. u.a.; zur Bed. Capelle RhM 101, 38ff.) mit πελι-ώδης (Sch.), -ότης f. (Mediz.). -όομαι (Hellanik., Hp., LXX usw.), wovon -ωσις, -ωμα (Mediz., Sch.), -αίνομαι (Hp.); πελλός (πέλλος?) ‘ds.’ (S.Fr.?, Arist., Theok. u.a.) mit -ᾱ͂ς m. ‘ein Alter, Greis’ (Hdn., H.). Mit γ-Erweiterung πελιγόνες m. pl. = γέροντες (lak., massal.), = οἱ ἐν τιμαῖς (maked.; nach Str. 7 Fr. 2); πελιγᾶνες· οἱ ἔνδοξοι. παρὰ δὲ Σύροις οἱ βουλευταί H. — Auch Πέλ-οψ (Kretschmer Glotta 27, 5 u. 28, 236f.)?; ganz unsicher. II-498
πέλλα 1. (-η nach Ark. 108, 1) f. ‘Melkeimer’, auch ‘Trinkschale, Becher’ (Π 642, Hippon., Theok., Nik. u.a.; zur strittigen Bed. Leumann Hom. Wörter 267 f.). Davon πελλίς, -ίδος f. ‘ds.’ (Hippon., hell. Dicht.; wie ἀμίς, ἀργυρίς, χρυσίς u.a.); dazu noch πέλιξ, -ικος f. = κύλιξ od. προχοΐδιον (Kratin.); -ίκη, äol. -ίκα f. = χοῦς, λεκάνη (Poll.); -ίχνη f. = πέλλα (Alkm., hell. Dicht.); nach κύλ-ιξ, -ίχνη; vgl. noch ἑλίκ-η von ἕλιξ. Ebenso πέλυξ ‘ds.’ (Poll.) nach κάλυξ. Auch πελλητήρ, -ῆρος m. ‘Melkeimer, Trinkschale’ (hell. Autoren bei Ath. 11, 495 e). wie ἀντλητήρ (: ἀντλέω); πελλαντῆρα· ἀμολγέα H. (: *πελλαίνω). — Die Synonyme lat. pēluis f. ‘Becken, Schüssel’, aind. pālavī f. ‘Art Gefäß, Geschirr’ legen für πέλλα eine Grundform *πέλϝι̯ᾰ (aus *πηλϝι̯ᾰ gekürzt, Schwyzer 279) nahe; ein einfacheres *πέλι̯ᾰ könnte wegen aind. pārī f. ‘Melkeimer’ auch in Betracht kommen (Schulze Q. 83f.). — Anders Kretschmer Glotta 30, 171 : aus *πελ-νᾱ wegen φelna auf einer raet. Inschr. Die Zugehörigkeit der aind. Wörter (klass., z.T. ganz spät) wird von Mayrhofer s. vv. abgelehnt oder jedenfalls in starken Zweifel gezogen. — Vgl. πήληξ. II-498-499
πέλλα · λίθος H. — Seit Fick 1, 83 u.a. als urgr. *πελσᾱ zu einem Wort für ‘Fels, Stein’ gezogen in ahd. felis ‘Fels’, mir. all ‘Klippe’ (urkelt. *palso-, idg. *pl̥so-), aind. pāṣāṇá- m. ‘Stein, Fels’, psht. parṣ́a ‘ds.’ (indoir. *pars-, idg. *pels-). WP. 2, 66 f. u. Mayrhofer s. v. m. weiteren Einzelheiten und reicher Lit., Pok. 807; alt. Lit. auch bei Bq. Zur Stammbildung (anfechtbar) Specht Ursprung 24, 153, 156 u. 234. Damit wohl identisch Πέλλα Stadt in Makedonien (Kretschmer Einleitung 286 m. A. 1, Pisani Ist. Lomb. 73:2, No. 3). II-499
πέλλῡτρα n. pl. ‘Fußwickel, Fußbinden’ (A. Fr. 259 = 435 M., S. Fr. 1080; H., der auch die verdächtigen Formen πελλασταί, πελλύτα und πελλύτεμα gibt). — Aus *πεδ-ϝλῦ-τρα, Zusammenbildung aus πεδ- ‘Fuß’ (s. πούς) und εἰλύω ‘umwinden’ mit dem instrumentalen τρο-Suffix (Schulze Q. 317, 336 m. A. 1, Solmsen Unt. 233). II-499
πέλμα n. ‘Sohle am Fuß oder Schuh’ (Hippon., Hp., LXX, hell. u. sp.). Als Hinterglied in βαθύ-, δί-, μονό-πελμος (AP, Edict. Diocl.). Davon κατα-πελματόομαι ‘besohlt werden’ (LXX), πελματίζω ‘besohlen’ (Pap. VIp), ‘die Sohle glätten’ (Anon. zu EM 659, 43). — Bildung wie δέρμα und andere hochstufige Verbalnomina mit μα-Suffix, mit einem westgerm. Wort für ‘Haut, Häutchen’ in der Hauptsache formal identisch: ags. filmen, afries. filmene, ags. æger-felma ‘Eihäutchen’. Daneben, im Suffix ganz abweichend, andere Wörter für ‘Haut, Häutchen, Fell’ wie lat. pellis (wozu πελλο-φόρος ‘pellarius’ Gloss.), germ., z.B. ahd. fel, -lles, alle wohl mit n-Suffix wie mehrere damit ablautende slav. und balt. Wörter, z.B. russ. plená, lit. plėnė̃. Noch anders z. B. lit. plėvė̃ ‘feine dünne Haut’. Aus dem Griech. kommt noch in Betracht ἐρυσί-πελας n. ‘N. einer Hautkrankheit’ (s. d.); somit πέλμα: πέλας wie δέρμα: δέρας? Ein entsprechendes primäres Verb ist indessen nicht bekannt. — Weiteres, z. T. ungesichtetes und unsicheres Material m. Lit. bei WP. 2, 58f., Pok. 803f., W.-Hofmann s. pellis; morphologische Spekulationen bei Specht Ursprung 141 u. 182. Vgl. πέλτη, auch ἐπίπλοον und σπολάς. II-499-500
πέλομαι, seltener πέλω, Aor. 2. u. 3. sg. ἔπλε-ο, -το, Akt. ἔπλε (Μ 11; v. l. ἦεν), ‘sich regen, sich bewegen’ (in Kompp.). ‘werden, stattfinden, sein’ (ep. poet. seit Il.). auch m. Präfix (bes. im Aor. Ptz. περι-, ἐπι-πλόμενος) Davon l. πόλος m. ‘Achse, Weltachse, Pol, Himmelsgewölbe, runde Scheibe der Sonnenuhr usw.’ (ion. att.); denom. Ptz. ὁ πολεύων vom waltenden Planeten (Cod. Astr., PMag. u.a.). 2. -πόλος in synthetischen Kompp. wie αἰ-πόλος, δικας-πόλος (s. dd.), ἱππο-πόλος ‘rossezüchtend’ (Il.), νυκτι-πόλος ‘in der Nacht wandelnd’ (E. in lyr.); τρί-πολος ‘dreimal gepflügt’ (Hom., Hes.); daneben von den präfigierten Verben ἀμφίπολ-ος (s. d.: ἀμφι-πέλομαι, -πολέω), περίπολ-ος u.a.; vgl. unten. 3. Deverbativa: a. πολέω, -έομαι, oft m. Präfix, z.B. ἀμφι-, ἀνα-, περι-, προσ- ‘sich umherbewegen, umwandern, besorgen usw.’ (Pi., att. usw.); auch m. nominalem Vorderglied, z.B. πυρ-πολέω ‘Wachtfeuer halten’ (Od., X. u.a.), ‘mit Feuer heimsuchen, verwüsten’ (ion. att.); daneben, z.T. als Rückbildungen, περί-, πρόσ-πολος, πυρ-πόλος, πύρ-πολος u.a.; trans. ‘umwenden (von der Erde), umwühlen, pflügen’ (Hes. Op. 462, Nik. Al. 245). b. πολεύω (χ 223, trans. S. in lyr.) ‘ds.’, aus ἀμφι-πολεύω (ep. seit Od., Hdt.), wo metrisch bedingt für -έω (Chantraine Gramm. hom. 1, 368, vgl. auch Schwyzer 732); zum denom. Ptz. ὁ πολεύων s. zu 1. oben. c. πωλέομαι, auch m. ἐπι-, ‘häufig wohin kommen, gehen’ (ep. poet. seit Il.) mit ἐπιπώλη-σις f. ‘Musterung, Heeresschau’ (Ben. von Il. 4, 250ff. bei Gramm., Str., Plu.). — Das themat. Präsens πέλομαι, -ω deckt sich formal genau mit lat. colō, -ere (aus *quelō: in-quil-īnus, Es-quil-iae) ‘bebauen, bewohnen, pflegen, ehren’, mit aind. cárati, -te ‘sich herumtreiben, wandern, (auf die Weide) treiben, weiden’ und mit alb. siell ‘umdrehen, wenden, bringen’: idg. *qʷélō. Eine Erweiterung davon ist toch. B klautk-, A lotk- ‘sich (um)drehen, umkehren, werden’ (v. Windekens Orbis 11, 195 f.); s. τελευτή. Wegen der Erhaltung des π- vor ε muss πέλομαι äolisch sein (Schwyzer 300, Chantraine Gramm. hom. 1, 114); das sonst zu erwartende τ- liegt in τέλομαι, τέλλομαι, τελέθω, τέλος vor (s. dd.). Die alte Beziehung auf Viehzucht und Ackerbau kommt auch im Griech., wo die Bed. des Verbs sonst früh verblaßte, in Kompp. wie αἰ-πόλος, βου-κόλος (s. dd.), τρί-πολος zum Vorschein. Mit dem Deverbativum πολέω deckt sich ebenfalls formal alb. kiell ‘bringen, tragen’ (*qʷolei̯ō). Die formale Identität von πωλέομαι und dem aind. Kausativum cāráyati ist sekundär. Der schwundstufige themat. Aor. ἔ-πλ-ετο steht überhaupt isoliert. — Zum primären Verb wurde, namentlich im Latein und Indoiranischen, eine Reihe neuer Nomina gebildet. Alt sind indessen ἀμφίπολος (s. d.) = lat. anculus und mehrere Wörter für ‘Rad, Wagen’ (s. κύκλος). Zu bemerken noch περίπολος m. ‘patrouillierender Wächter’ (Epich., att.) = aind. (ved.) paricará- m. ‘Diener’; zum Akz. (griech. Neuerung?) Schwyzer 379 u. 381. Die regelrechte o-Ableitung πόλος kann ein Gegenstück haben in lat. colus -ūs od. -ī ‘Spinnrocken’; der Vergleich ist jedoch nicht ohne Bedenken (s. W.-Hofmann s. v.). Auch toch. B kele ‘Nabel’ könnte damit identisch sein; anders darüber v. Windekens Orbis 11, 602 (ural. LW). — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 514ff., Pok. 639f., W.-Hofmann s. colō und collus, Mayrhofer s. cárati; dazu noch Ernout-Meillet s. colō m. sehr wichtigen Beobachtungen. — Hierher noch πάλαι, πάλιν, τῆλε (s. bes.). Vgl. auch ἐμπολή und ἔπιπλα. II-500-501
πέλτη, dor. -ᾱ f. ‘kleiner leichter Schild ohne Rand, meist aus Flechtwerk mit einem Überzug von Leder’ (Hdt., Tab. Heracl., att.). Als Vorderglied in πελτο-φόρος (X., Plb.), böot. -φόρας, -α-φ. = πελταστής. Demin. πελτ-ίον (Men.), -ίδιον (Sch.), -άριον (Kallix., Luk.). Denominatives Verb πελτάζω ‘eine π. tragen’ (X., App.) mit πελτ-αστής m. ‘Träger einer π., Peltast, Leichtbewaffneter’ (att.), -αστικός ‘zum P. gehörig’ (att.). Oder πελταστής von πέλτη (nach ἀσπιστής : ἀσπίς) und πελτάζω Rückbildung wie wohl in κατα-πελτάζω ‘mit Peltasten (m. πέλτη?) niederkämpfen’ (Ar. Ach. 160)? — Nach Hdt. 7, 75 u. A. von den Thrakern getragen; somit der Entlehnung verdächtig. Gewöhnlich zu πέλμα (s. d.), lat. pellis usw. als t-Ableitung gezogen; semantisch unzweifelhaft sehr wohl möglich. Die bei WP. 2, 58f. und Pok. 803 angeführten Wörter mit t-Suffix (Formans) sind aber alle aus verschiedenen Gründen anfechtbar; zu aind. paṭa- m. ‘gewebtes Zeug, Gewand, Decke’ s. Mayrhofer s.v. — Lat. LW pelta, peltastae (s. W.-Hofmann s.v.). II-501
πέλτον n. ‘Basis eines Altars, Grabmal’ (Inschr. Lykaonien). — Kleinas. Fremdwort, zu heth. palzaḫḫa- ‘Sockel, Grundfläche’. Haas Jb. f. kleinas. Forsch. 3, 132; zustimmend Neumann Heth. u. luw. Sprachgut 99 f. II-501
πέλυξ s. πέλεκυς und 1. πέλλα. II-501
πέλωρ pl. πέλωρα neben sg. πέλωρον n. n., ‘Ungeheuer, Ungetüm’ (Hom., Hes., h. Ap., Nonn.). Davon Adj. πέλωρ-ος (sicher erst Hes.), älter und gewöhnlicher -ιος (ep. poet. seit Il.) ‘ungeheuer, gewaltig’. Demin. πελωρ-ίς (Xenokr. Med. u.a.), -άς (hell. u. sp. Dicht.) f. ‘Art Muschel’. — Alte Bildung auf -ωρ, wozu vielleicht mit Ablaut der PN πελάρης (Styra; Schwyzer 519). Zu den verschiedenen Formen vgl. Risch ̨6b und Egli Heteroklisie 89ff. (nicht in allem überzeugend). Daneben τέλωρ· πελώριον, μακρόν, μέγα und τελώριος· μέγας, πελώριος H. (auch Grabschrift Memphis Ia); πέλωρ usw. also äolisch. Kann mit Dissimilation für idg. *qʷerōr stehen und somit zu τέρας ‘Wunderzeichen, Ungeheuer’ gehören (Osthoff Arch. f. Religionswiss. 8, 51 ff.); s.d. mit weiteren Anknüpfungen. — Abzulehnen Bechtel Lex. s. v. (wo wichtige Einzelheiten): nach Benfey, Solmsen u.a. zu ahd. (h)wal usw. ‘Walfisch’. II-501-502
πέμπω, Aor. πέμψαι, Fut. πέμψω (seit Hom.), Aor. Pass. πεμφθῆναι (seit Pi.), Perf. πέπομφα (ion. att.), Med. πέπεμμαι (att.), ‘schicken, senden, geleiten, begleiten’, Med. (meist m. Präfix) auch ‘nach jmdm. schicken, holen’. sehr oft m. verschiedenen Präfixen, z.B. ἀπο-, ἐκ-, ἐπι-, μετα-, προ-, Ableitungen: 1. πομπή (ἀνα-, ἀπο-, ἐκ-, προ- u.a.) f. ‘Sendung, Geleite, Festzug, pompa’ (seit Il.). 2. πομπός m., auch f. ‘Geleiter, Überbringer einer Botschaft’ (ep. poet. seit Il.), auch Adj. ‘geleitend, Kunde bringend’ (A., Ael.); von den Präfixkompp. z.B. προπομπ-ός ‘Geleiter(in), Begleiter(in), zum Geleite, zur Begleitung’ (A., X. u.a.); als Hinterglied in Zusammenbildungen, z.B. ψυχο-πομπ-ός m. ‘Seelenbegleiter’ (E. u.a.). Von 1. od. 2. (nicht immer unterscheidbar): a. πομπ-αῖος ‘geleitend, führend’ (Pi., Trag.) ἀπο- ~ (LXX, Ph.); b. -ιμος ‘ds.’ (Pi., Trag.), ‘entsendet’ (S.), ἀνα-, δια- ~ u.a. (D. S., Luk. u.a.); Arbenz 78 u. 89; c. -ικός ‘zum Festzug gehörig’ (X., hell. u. sp.); d. -ιος ‘geleitet’ (Plot.); e. -ίλος m. N. eines Fisches, der die Schiffe begleitet, ‘Naucrates ductor’ (Erinna, A. R. u.a.; Strömberg Fischnamen 58f., Thompson Fishes s. v.); f. πομπεύω (προ-, συμ-, ἐπι-, δια- u.a.) ‘geleiten, begleiten, an einem Festzug teilnehmen’ (seit Il.; auch von πομπεύς?, s.u.); davon πόμπευ-σις, -τής, -τήριος, -τικός; -εῖα pl., -εία f.; wohl auch, als Rückbildung, πομπεύς m. ‘Geleiter, Teilnehmer eines Festzuges’ (Od., att., Bosshardt 26f.). — 3. πέμψις (meist mit ἀπό-, ἔκ-, ἐπι-, μετά-usw.) f. ‘Absendung’ (ion. att.). 4. πεμπτήρ m. ‘Geleiter’ (S.Fr. 142 II 10 [lyr.]); προπεμπτήρ-ιος ‘begleitend’ (Philostr. VA), ἀπο-, προ-πεμπ-τικός (Men. Rh. u.a.); 5. εὐπέμπελος, s.d. — Das obige Formensystem einschließlich der nominalen Bildungen folgt wohlbekannten Mustern und macht keinen altertümlichen Eindruck. Semantisch liegt indessen die Annahme einer Entlehnung nicht besonders nahe; Neubildung mit innergriech. Mitteln ist auch nicht nachweisbar. Etymologisch somit ganz dunkel; vergebliche Versuche von Fick BB 18, 137 (s. Bq), von Carnoy Ant. class. 24, 21 ("pelasgisch") und v. Windekens Sprache 7, 52f. (zu κομψός u. lit. švánkus). Abzulehnen ebenfalls Deroy Ant. class. 32, 439 ff. (mit Heranziehung des dunklen myk. peqota). II-502-503
πέμφιξ, -ῑγος f. poet. Wort schwankender Bed., die z.T. auf die Künsteleien der hell. Dichter zurückgeht (s. Wenkebach Phil. 86, 300ff.): ‘Blase aus Luft od. Wasser’ (sekundär von der Seele, s. Nehring IF 40, 100ff.), ‘Blase an der Haut, Tropfen (von Wasser und Blut), Sprühregen, Sprühfunke, auch vom Licht der Sonne’ (Ibyk., Trag., hell. Dicht.). Davon πεμφιγώδης ‘voll Blasen’ (Hp.). Daneben πεμφίς, nur Gen. pl. -ίδων (Lyk. 686; v. 1. -ίγων). — Mit ο-Vokal: πομφός m. ‘Blase an der Haut’ (Hp.); gewöhnlicher mit λ-Suffix in πομφρολύζω (-ύσσω?), nur Aor. 3. pl. πομφόλυξαν ‘quollen hervor’ (δάκρυα; Pi.), und πομφόλυξ, -ῠγος f. (auch m.) ‘Wasserblase’ (Hp., Pl., Arist., Thphr.), übertr. von einem weiblichen Haarschmuck (Ar., att. Inschr.), von einem architekton. Schmuck (att. Inschr.), von Schildbuckeln (H.), vom Zinkoxyd (Mediz.); als Vorderglied in πομφολυγο-παφλάσματα pl. scherzhafte Bildung (Ar. Ra. 249). Davon πομφολυγ-ωτός ‘mit Buckeln versehen’ (Ph. Bel.), -ώδης ‘blasenähnlich’, -ηρόν n. ‘Pflaster mit Zinkoxyd’ (Mediz.), -όω ‘brodeln machen’ (Arist.), -όομοι, -ίζω ‘brodeln’ (Mediz.). — Expressive Wörter, die dem Kern nach alt sein können aber im Griech. jedenfalls ihr besonderes morphologisches Gepräge erhalten haben. Das nächste Vorbild von πέμφιξ ist nicht erkennbar (μάστιξ und τέττιξ liegen weit ab; Chantraine Form. 397); das einmalige πεμφίς nach den zahlreichen Wörtern auf -ῑ̆δ- (vgl. Fraenkel Nom.ag. 2, 201 A. 2; zu weitgehend Specht Ursprung 212 u. 228). Das ablautende πομφός hat sich den o-Stämmen angepaßt; dazu mit λ-Suffix πομφο-λύξαι, -υξ (s. zu μορμώ); vgl. auch φλύζω, οἰνό-φλυξ, φλύκταινα und Persson Beitr. 1, 58 u. 2, 879; ähnlich βομβυλίδας· πομφόλυγας H. — Zu einer Gruppe volkstümlicher und lautmalender Ausdrücke für ‘aufblasen usw.’, die besonders im Baltischen vertreten sind, z.B. lit. pam̃p-ti ‘aufschwellen, aufdinsen’, pempùs ‘fettleibig’, pumpùlis ‘rundliches, dick- bäuchiges Ding’, mit Media, z.B. bum̃balas ‘Knopf, Blase’, mit Aspirata arm. p’amp’ušt ‘Harnblase’. — Vgl. βέμβιξ und βόμβος m. Lit., auch W.-Hofmann s. pampinus. II-503
πεμφρηδών, -όνος f. ‘Art Wespe, Baumwespe’ (Nik.). — Bildung wie die synonymen τενθρηδών, ἀνθρηδών (s. dd.), aber im einzelnen mehrdeutig. Hypothesen über Dissimilation und Reduplikation bei Bq (m. Lit.) und Schwyzer 259 u. 423. Zu einer Gruppe Schallwörter für ‘brummen, summen’ in slav., z.B. skr. bȕmbar ‘Hummel’, aind. (Lex.) bambhara m. ‘Biene’, arm. boṙ, -oy ‘Hummel, Hornisse’; auch aind. bhramará- ‘Biene’, germ., z.B. ahd. breman ’brummen’ u.a.m. WP. 2, 161 f., 202f., Pok. 135f., 142f., W.-Hofmann s. fremō (vgl. noch βρέμω), Mayrhofer s. bambharaḥ und bhramaráḥ m. weiteren Formen und Lit. II-504
πενέσται m. pl., selten sg. N. der leibeigenen Bevölkerung Thessaliens, als Appellat. ‘Hörige, Knechte, arme Landarbeiter’ (att., Arist. usw.). Davon πενεστ-ικός ‘zu den P. gehörig’ (Pl.), -εία f. ‘die Klasse der P.’ (Arist.). — Kann mit dem illyr. VN Penestae (vgl. noch die Apenestae in Apulien) identisch sein (Fraenkel KZ 43, 193 A. 1 mit Fick u.a.). Von den Alten (vgl. D. H. 2, 9) zu πένης, πένομαι gezogen; an und für sich möglich. Noch anders Solmsen Wortforsch. 20: zu lat. penus, -oris ‘das Innere des Hauses, des Vestatempels’, penātēs usw. als "die im Hause Tätigen, Sklaven". II-504
πένης ‘arm’, πενία ‘Armut’ s. πένομαι. II-504
πενθερός m. ‘Schwiegervater = Vater der Frau’ (vgl. ἑκυρός), auch ‘Schwager, Schwiegersohn’ (seit Il.; vgl. Chantraine Études 15). Davon πενθερ-ά, ion. -ή f. ‘Schwiegermutter’ (D., Kall. u.a.), -ιδεύς m. ‘Schwager’ (Inschr. Kleinas., Kaiserz.), -ίδης m. ‘ds.’ (Pap. VIp; Schwyzer 510); -ιος (Arat.), -ικός (Man. u.a.) ‘zum π. gehörig’. — Alte Verwandtschaftsbez., die formal fast ganz zu lit. beñdras ‘Teilhaber, Genosse’ stimmt; daneben mit u-Suffix aind. bándhu- m. ‘Verwandter’; zum Wechsel ero: u s. Schwyzer 482 A. 3 m. Lit., Leumann Hom. Wörter 115. Ableitungen vom Verb für ‘binden’ in aind. badhnā́ti, Perf. ba-bándh-a, aw. bandayeiti, germ., z.B. got. bindan; somit eig. "der Verbundene". Das Verb ist im Griechischen wie in den meisten idg. Sprachen verlorengegangen, hat aber mehrere Nomina hinterlassen, s. πεῖσμα, φάτνη und W.-Hofmann s. offendix. — Die Oxytonierung in πενθερός nach ἑκυρός; s. d. und Schwyzer 381. II-504
πένθος n. ‘Leid’ s. πάσχω. II-504
πένομαι nur Präs. u. Ipf., ‘sich anstrengen, sich abmühen, bearbeiten, bereiten, besorgen’ (ep. seit Il.), ‘sich anstrengen, harte Arbeit tun (müssen), unbemittelt sein, Mangel haben’ (Sol., Trag., Pl. u.a.). oft m. ἀμφι-, auch m. συν-, Ableitungen: 1. πενία, ion. -ίη f. ‘Armut, Mangel’ (seit ξ 157; Scheller Oxytonierung 23 u. 39); 2. πενιχρ-ός ‘arm, ermangelnd’ (poet. seit γ 348; vgl. zu μελιχρός s. μέλι) mit -ότης f. (S. E.). -αλέος ‘ds.’ (AP). 3. πένης, -ητος m. (f. πένησσα· πτωχή H.) ‘der von seiner Hände Arbeit leben muß, unbemittelt, arm’ im Gegensatz sowohl zu πλούσιος wie zu πτωχός = ‘bettelnd, bettelarm’ (ion. att.) mit πενέσ-τερος, -τατος (X., D.); nach ἀσθενέσ-τερος u.a.; nicht mit Schwyzer 535 aus *πενετ-τερος); davon πενητ-εύω ‘arm sein’ (Emp. u.a.), -υλίδας m. "Sohn der Armut" (Kerk.), von einem hypokor. *Πενητ-ύλoς (wie Φειδ-ύλος, Πενθ-ύλος u.a.). — 4. πόνος m. ‘(harte) Arbeit, Anstrengung, Kampf, Leid, Schmerz, Frucht der Arbeit’ (seit Il.; zur Bed. Trümpy Fachausdrücke 148 ff.); auch als Hinterglied, z.B. παυσί-πονος ‘Schmerz stillend’ (E. u. Ar. in lyr.); aber ματαιο-πόνος u.a. zu πονέομαι, s. d. Davon πον-ηρός ‘mühselig, unbrauchbar, schlecht, böse’ (ion. att.) mit -ηρία, -ηρεύομαι, -ήρευμα; πονόεις ‘ds.’ (Man.). — 5. Iteratives Deverbativum πονέομαι, auch m. ἀμφι-, δια- u.a. (seit Il., vorw. in der älteren Sprache), πονέω, auch m. δια-, ἐκ-, κατα- u.a. (nachhom.) ‘sich anstrengen, besorgen, leiden’, trans. ‘Schmerz verursachen’. Als Hinterglied u.a. in ματαιο-πονέω ‘vergebliche Arbeit tun’ (Demokr. u.a.) mit -πονία (Str.), -πόνημα (Iamb.), -πόνος (Plu., Gal.). Davon πόν-ημα (δια-) n. ‘Arbeit, Werk’ (Pl., E. u.a.), -ησις (δια-, κατα-) f. ‘Arbeit, Mühe’ (Plu., D. L. u.a.); als Rückbildung z.B. διάπον-ος ‘hart arbeitend, ermüdet’ (Plu.) von δια-πονέω. 6. Daneben πονάω nur in ἐπονάθη (Pi.) und ἐπόνασαν (Theok.); s. Schwyzer 719 m. A. 1. — Nicht sicher erklärt. Das primäre Präsens πένομαι, das von seinem eigenen Iterativum πονέομαι, -έω und von Synonymen, z.B. κάμνω, δέω, zurückgedrängt und ersetzt wurde, wird im Epos besonders von der häuslichen Arbeit gebraucht (vgl. Porzig Satzinhalte 15). Die Bed. ‘Mangel haben, arm sein’ (wovon πενία und πενιχρός schon seit Od.) hat sich daraus auf ähnliche Weise entwickelt wie bei lat. laborare ‘sich anstrengen’, auch ‘in Not sein, bedrängt sein’ (unbegründeter Zweifel bei WP. 2, 661). Dunkel ist dagegen die frühere Bed.geschichte. Möglich ist, daß πένομαι ursprünglich eine gewisse Art der häuslichen Arbeit bezeichnete und von da aus verallgemeinert wurde. Zum Vergleich bieten sich dann Ausdrücke für ‘spannen, flechten, weben’ in lit. pìnti ‘flechten’, aksl. pęti ‘spannen’, arm. hanum und henum ‘weben’, dazu noch nhd. usw. spinnen. Da die Grundbedeutung dieses Verbs ‘ausspannen’ gewesen zu sein scheint, kann man aber auch davon über ‘sich anspannen’ zu ‘sich anstrengen’ gelangen (vgl. noch arm. y-enum ‘sich mit Schultern od. Händen an etw. stemmen od. stützen’?). So (nach Schleicher, Benfey, Fick; s. Curtius 271f.) Pedersen KZ 39, 414 und Persson Beitr. 1, 411 ff.; weitere Kombinationen bei WP. 2, 66off., Pok. 988, W.-Hofmann s. pendeō. Weil sich aber der semantische Verlauf verschieden auffassen läßt, entbehrt diese Etymologie, obgleich sehr wohl möglich, der beweisenden Kraft. An Entlehnung ist jedenfalls schwerlich zu denken. —Zur Bed. von πένητες und πλούσιοι nebst Synonymen und von πενία und πλοῦτος s. J. Hemelrijk Πενία en Πλοῦτος. Diss. Utrecht 1925. Vgl. πεῖνα und σπάνις. II-504-506
πέντε, äol. πέμπε, pamph. πέ(ν)δε ‘fünf’. Als Vorderglied neben πεντε-, πεμπε- meist πεντα- (seit Il.,; nach ἑπτα-, δεκα-, τετρα-usw.); zu πεντή-κοντα s.u. Davon das Ordinale πέμπτος, ark. πέμποτος (nach δέκοτος), gortyn. πέντος, mit πεμπταῖος ‘zum fünften (Tag) gehörig, am fünften (Tag) eintreffend’ (seit ξ 257); das Zahladv. πεντάκις (Pi. usw.) neben πενπάκι (Sparta; Kretschmer Glotta 3, 305), πεμπτάκις (D.S.); das Kollektivum πεμπάς f. ‘Fünfzahl’ (Pl., X. u.a.) neben πεμπτάς (? Pl. Phd. 104a), πεντάς (Arist.) mit πεντάδ-ιον n. ‘Fünfzahl’ (Pap. II-IIIp), πεμπαδ-ικός ‘fünffältig’ (Dam.). Adv. πέντα-χα (Μ 87), -χοῦ, -χῇ, -χῶς; Adj. πενταξός ‘fünffältig’ (Arist.; διξός usw.); Subst. πεντάχα· ἡ χείρ H. (vgl. ngr. lak. πεντόχτη ‘Hand’, Κουκσυλές ’Αρχ. 27, 61 ff.). Denom. Verb, wohl von πεμπάς (Schwyzer 734 m. A 4) : πεμπάζομαι, -ω ‘(in Fünfzahl. an den fünf Fingern) zählen’ (δ 412, A. u.a.), ἀνα- ~ ‘überschlagen, berechnen, überdenken’ (Pl., Plu., u.a.) mit πεμ-παστάς m. (dor.) ‘der Zählende’ (A. in lyr.; Fraenkel Nom. ag. 2, 33 ff.). — Von πεντήκοντα: πεντηκοσ-τύς f. ‘Fünfzigschaft’, Teil eines spart. λόχος (Th., X.) mit πεντηκοστήρ, sek. -κοντήρ m. ‘Befehlshaber einer πεντηκοστύς’ (Kos, Th., X., att. Inschr.; Schwyzer 597 u. 531, Fraenkel Nom. ag. 1, 201, Benveniste Noms d’ag. 74). — Nicht-äol. πέντε, woraus pamph. πέ(ν)δε mit Erweichung der Tenuis hinter dem (schwindenden) Nasal, äol. πέμπε und die übrigen Wörter für ‘fünf’, z.B. aind. páñca, lat. quīnque, lit. penkì, got. fimf, gehen alle auf idg. *pénqʷe zurück. Daneben πέμπτος (sekund. πέντος; lautgesetzlich oder nach πέντε) wie lat. quīntus, lit. peñktas, got. fimfta aus *penqʷtos. Sowohl in πέμπτος wie in πεμπάς, -άζομαι vertritt π vor τ und α lautgerecht den Labiovelar. Die Dehnung in πεντή-κοντα (urgr. η) erscheint nicht nur in aind. pañcā-śát- f., sondern auch in arm. yi-sun (i aus idg. ē); parallel damit lat. quinquā-gintā (nach quadrā-gintā?). — Weiteres zu den griech. Formen bei Schwyzer 590, 592, 596, 598 und Sommer Zum Zahlwort 15 u. 19f.; zu den anderen Sprachen WP. 2, 25f., Pok. 808, W.-Hofmann s. quīnque, Mayrhofer s. páñca usw.; überall m. reicher Lit. II-506-507
πέος n. ‘das männliche Glied’ (Ar. Ach.); πεοίδης ‘mit geschwollenem Glied’ (Kom. Adesp.; Fraenkel Nom. ag. 2, 109 m. A.2), auch πεώδης ‘ds.’ (Luk. Lex.). — Mit aind. pásas- n. ‘ds.’ identisch: idg. *pésos n. Dazu mit n-Erweiterung lat. pēnis aus *pes-n-is; wohl ähnlich wie κρᾱνίον neben κέρας usw. (s. dd. u. Ernout-Meillet s. v.). Weitere, ganz unsichere Kombinationen bei WP. 2, 68, Pok. 824, W.-Hofmann s. v. —Vgl. πόσθη. II-507
πέπᾱμαι. Aor. πά̄σασθαι, Fut. πά̄σομαι ‘besitzen, erwerben’ (dor., ark., poet. seit Pi., Sol., auch X.). Präs. ἐμ-πιπάσκομαι ‘erwerben’ (Argos Va). Davon 1. πᾶμα n. (ark., arg., kret.), ἔππαμα n. (< ἐμ-π-; böot.) ‘Besitz’ mit mehreren Ablegern: πολυ-πάμων ‘reich begütert’ (Δ 433), ἐχέ-πᾱμον (γένος) ‘Besitz innehabend, Erbe’ (lokr.), ἔκ-παμον· ἀκλήρωτον H; mit Übergang in die o-Stämme: ἐμ-πάμῳ (cod. ἐμπαγμῶ)· πατρώχῳ; ἐπι-<πα>ματ-ίδα· τὴν ἐπίκληρον H.; παμῶχος· ὁ κύριος H. mit παμωχέω ‘besitzen’ (Tab. Heracl.). 2. ἔμπᾱσις (kork., meg.), ἴνπ. (ark.), ἔππ. (böot.) f. ‘Erwerb’, πᾶσις· κτῆσις H. 3. παμ-πη-σία f. ‘Vollbesitz’ (A., E., Ar.); vgl. παρ-ρη-σία (Schwyzer 469). 4. πάτορες· κτήτορες Phot., πᾱτήρ ‘Besitzer’ (Kritias; Fraenkel Nom.ag. 1, 182). 5. Mit analog. -σ- (Solmsen KZ 29, 114; anders Fraenkel a.a.O.): πάστας m. ‘Besitzer, Herr’ (gort.); auch PN: Εὔ-παστος (argiv.), Γυνο-, Θιό-ππαστος (böot.), wohl auch πέπασται (Thgn. 663). — Aus τὰ ππάματα (böot.), Γυνό-ππαστος u.a. ergibt sich ein ursprüngl. idg. ḱu̯, woraus -ππ- (vgl. zu ἵππος), anlaut. π-(dazu πέ-παμαι usw.). Somit πέ-πᾱ-μαι, πά̄-σασθαι, πά̄-σομαι mit einsilbiger Hochstufe (idg. ḱu̯ā-) wie μέ-μνη-μαι, (dor. -μνᾱ-), μνή-σασθαι, μνή-σομαι. Zum Perfektum des erreichten Zustandes und zum ingressiven Aorist trat ganz vereinzelt das reduplizierte Präs. ἐμ-πι-πά-σκομαι wie μιμνήσκομαι (vgl. Kretschmer Glotta 4, 320). — Eine genaue außergriech. Entsprechung fehlt. Wie neben μέμνημαι das Nomen μένος steht, läßt sich zu πέπᾱμαι ein Nomen *κέϝος denken, das tatsächlich in aind. Form als śávas- n. ‘Stärke, Kraft, Übermacht’ vorliegt. Zu den Nomina πά̄-τωρ, πᾱ-τήρ bietet das Aind. ebenfalls ein Gegenstück in dem themat. erweiterten śvā-tr-á- ‘gedeihlich, kräftig’, n. ‘Kraft, Stärkung’. Die dem idg. ḱu̯āentsprechende Schwundstufe ḱū- hat Vertreter in ἄ-κῦ-ρ-ος, κύ̄-ρ-ιος ‘Herr, Besitzer’; s. d. m. weiteren Hinweisen. Die Wortgruppe πέπᾱμαι u. Verw. hat sich also aus einem unverkennbaren idg. Ursprung sowohl formal wie semantisch (’Macht haben über etw.’ = ‘Herr sein, besitzen’) selbständig entwickelt. Einzelheiten bei Brugmann Totalität 60ff., Persson Beitr. 1, 192ff. gegen J. Schmidt Pluralbild. 411f., der wie Hoffmann Dial. 2, 503, Kretschmer KZ 31, 424 u.A. πέπᾱμαι mit ion. att. ἔκτημαι, κέκτημαι (s. κτάομαι) identifizieren will. — Hierher auch πᾶς (s. d.). II-507-508
πεπαρεῖν redupl. Aor. Inf. ‘vorzeigen, zur Schau tragen’, nach H. = ἐνδεῖξαι, σημῆναι (Pi. P. 2, 57; v. l. πεπορεῖν) mit πεπαρεύσιμον· εὔφραστον, σαφές H. (vgl. Arbenz 103). — Seit langem als Kausativum zu dem ebenfalls isolierten lat. pāreō ‘erscheinen, sichtbar sein’ betrachtet; s. W.-Hofmann s. v. (mit Vaniček und Prellwitz). Von Ernout-Meillet wegen des unerklärten ā in pāreō angezweifelt. II-508
πέπερι (vereinzelt πί-), -ιος, -εως auch -ις, -ιδος m. n., ‘Pfeffer’ (seit IVa); Einige Kompp., z.B. πιπερό-γαρον n. ‘gepfefferte Fischbrühe’, μακρο-πέπερι n. ‘langer Pfeffer’ (Mediz.), -ις, -ιδος f. ‘Pfefferbaum’ (Philostr. VA). — Davon πιπερῖτις f. PflN ‘siliquastrum’ (Plin. usw.; nach dem Geschmack, Strömberg Pfl. 63); πεπερίζω ‘nach Pf. schmecken’ (Dsk.) — Orient. LW, zunächst aus mind. pipparī (aind. [ep. kl.] -lī) f. von unbekannter Herkunft; s. Mayrhofer s. píppalam m. weiteren Einzelheiten u. Lit. — Lat. LW piper, woraus nhd. Pfeffer u sw. II-508
πέπλος m. ‘gewebtes Tuch, Decke’ (Hom., Trag.), gew. ‘weibliches, auch männliches Gewand, Frauenrock’ (seit Il.), Einige Kompp., z.B. εὔ-πεπλος (ἐΰ- ep.) ‘mit schönem Gewand’ (ep. poet. seit Il.), poet. Erweiterung πέπλωμα n. (Trag.; Chantraine Form. 186 f.). — Reduplizierte Bildung πέ-πλ-ος (vgl. zu κύκλος), wohl mit ἁ-πλ-ός (s. u. ἁπλόος) stammidentisch; somit entweder von einem Nomen ‘Falte’ oder einem Verb ‘falten’ (Fick KZ 44, 148f., Prellwitz s. v., Bechtel Lex. 265, Schwyzer 423). — Nach Persson Beitr. 1, 225ff. und Bq dagegen zu lat. pellis, slav., z.B. russ. pelená ‘Windel, Decke’, auch πέλμα (s. d.) usw. usw. II-508
πέπνῡμαι Perf. ‘besonnen, klug sein, bei Besinnung sein’, sehr oft im Ptz. πεπνῡμένος ‘besonnen, klug, bei Besinnung’ (ep. seir Il., auch sp. Prosa; Einzelheiten bei Ruijgh L’élém. ach. 134f.); auch Aor. Pass. Opt. 2. sg. πνῡθείης (Nik.) und πνυτός· ἔμφρων, σώφρων H., oft in kypr. PN, z.B. Πνυτ-αγόρας (Masson Beitr. z. Namenforsch. 7, 238ff.). Daneben Präs. πινύσκω, -ομαι (Simon., A., Kall., Orph.), -ύσσω (sp. Epik), Aor. Ind. ἐπίνυσσεν Ξ 249), Ptz. Pass. πινυσθείς (Pythag.) ‘besonnen machen, zur Besinnung mahnen’ mit πινυ-τή f. ‘Klugheit, Verstand’ (Η 289, υ 71 u. 228, Hp. Ep.), -τός ‘klug, verständig’ (ep. poet. seit Od.), mit -τότης f. (Eust.); daneben -τάς, -τᾶτος f. (dor., AP), nach ταχυ-τής u. a. (Schwyzer 529 A. 1); πίνυσις· σύνεσις, πινυμένην· συνετήν H. Dazu ἀπινύσσω ‘unbesonnen, ohne Besinnung sein’ (Ο 10, ε 342 = ζ 258), = ἀπινυτέω (Apollon. Lex.), von *ἀ-πίνυτος; Adv. ἀπινύτως H. s. ἀπινύσσων. — Das Verhältnis der obigen Formen zueinander ist nicht befriedigend aufgeklärt. Wenn man πινυ-τή als Abstraktbildung auf *πενυ-τή mit Übergang von ε zu ι zurückführen darf (Schulze Q. 323 A. 3), kann πενυ- eine zweisilbige Ablautstufe neben dem einsilbigen langvokalischen πνῡ- in πέ-πνῡ-μαι, πνῡ-τός enthalten wie θάνα-τος neben θνη-τός, γενε-τή neben lat. nā-tus. Dazu πῐνῠτός für πνῡτός wie gĕni-tus für nātus? (Frisk Eranos 43, 215 ff.). Anderseits liegt es nahe, in πι-νύ-σκ-ω eine Präsensbildung mit kombinierten νυ- und σκ-Suffixen zu sehen (Schwyzer 708). Unter Annahme einer Dissimilation πι- aus πυ- oder einer Grundform *πε-νε-υ-μι (Nehring ClassPhil. 42, 108 ff.) wurde seit Fick 2, 152 Anknüpfung gesucht an lat. pŭ-tāre, aksl. py-tati ‘scrutari’ (auch an νήπιος, νηπύτιος). Vom Präsens πινύσκω wäre das νυ-Suffix auf πινυ-τή, -τός, -σις übertragen worden. Will man πέπνυμαι, πνυτός nicht davon fernhalten, muß man auf ähnliche Weise das ν dieser Formen als späteres Einschiebsel betrachten. Von πέπνυμαι läßt sich indessen πνέω nicht trennen, s. d. m. weiterer Analyse. Einzelheiten m. Lit. bei Frisk a. O.; ältere, abzulehnende Etymologien auch bei Bq s. πινυτός. — Anders über πέπνυμαι, πινυτός u. Verw. Szemerényi Syncope in Greek and Indo-European (Napoli 1964) 56 ff. (m. ausführl. Behandlung) : πέπνῡμαι aus *πεπῐνῠμαι synkopiert (m. metr. Dehnung), ebenso πνυτός aus πινυτός. II-508-509
πέπρωται ‘es ist vom Schicksal bestimmt’ s. πορεῖν. II-509
πέπων, -ονος m. f. (ion. att.; Hom. nur Vok. πέπον, s.u.), f. auch πέπειρα (Anakr., Hp., S., Ar.) mit neuem m. πέπειρος (Hp., Thphr., LXX usw.); Komp. u. Superl. πεπαί-τερος, -τατος (nach πεπαίνω [Schwyzer 535]?), auch πεπειρό-τερος, -τατος (vgl. Leumann Mus. Helv. 2, 9f. = Kl. Schr. 223f.), ‘reif’, übertr. ‘weich, mild’. — Alte Primärbildung mit n-Suffix vom idg. Verb für ‘kochen, reif machen’ (s. πέσσω); somit wohl aus idg. *peqʷ-on-; vgl. zunächst πίων (πέπειρα jedenfalls nach πίειρα). Parallel damit geht die u̯o-Bildung in aind. pak-vá-, pasht. pox ‘gekocht, gar, reif’. An und für sich steht nichts im Wege, πέπων, wenn aus *πέπ-ϝων, damit direkt zu verbinden (zum Lautlichen vgl. Schwyzer 301). — Der ep. Vok. πέπον ‘Trauter, Lieber !’ (darüber Brunius-Nilsson Δαιμόνιε [Diss. Uppsala 1955] 55ff.) will Specht KZ 55, 18 f. von πέπων ‘reif’ trennen und zu lit. pẽpinti ‘verzärteln’ ziehen; ebenso über πεπαίνω im Sinn von ‘erweichen’ Fraenkel Arch. Philol. 7, 21 ff.; alles von Fraenkel Wb. s. v. und s. paĩkas stark angezweifelt oder abgelehnt. —Weiteres s. πέσσω. Davon πεπαίνω, Aor. πεπᾶν-αι, -θῆναι mit -θήσομαι, Perf. Inf. πεπάνθαι (Arist.), auch m. ἐκ-, κατα-, ὑπερ-, ‘reif machen, reifen’, übertr. ‘erweichen, lindern, besänftigen’ (ion. att.) mit πέπαν-σις f. ‘das Reifen’ (Arist. u.a.), -τικός ‘reif machend’ (Hp., Dsk. u.a.); Rück- bildung πέπαν-ος (-ός) ‘reif’ (Paus., Artem. u.a.); πέπανα πλακούντια H. (= πόπανα, s. πέσσω). II-509-510
περ hervorhebende enklit. Partikel (vorw. ep. poet. seit Il.). — Mit lat. -per in nu-per, parum-per usw. funktionell, wohl auch formal identisch, s. πέρι. II-510
πέρᾱ Adv., auch als Präp. m. Gen. ‘darüber hinaus, weiter, länger, mehr, jenseits’ (att.); Komp. περαι-τέρω (att.), -τερον mit Adj. -τερος (Pi.). Daneben πέρᾱν, ion. -ην Adv., auch Präp. m. Gen. ‘drüben, hinüber, jenseits, gegenüber’ (seit Il.). — Abgeleitetes Adj. περαῖος ‘jenseitig’, bes. ἡ περαία (χώρα, γῆ) ‘das jenseitige Land’, auch als EN (Hdt., A. R., Plb., Str. u.a.). Davon 1. Περαΐτης m. ‘Bewohner der Περαία’ (J.; Redard 26 und 239 A. 24); 2. περαιόθεν ‘von jenseits her’ (A. R., Arat.); 3. περαιόομαι, -όω, auch m. δια- u.a., ‘hinüberfahren, -bringen’ (seit ω 437), ‘vollenden’ (gort.), ‘zu Ende gehen’ (Mediz.) mit περαίωσις f. ‘Überfahrt’ (Str., Plu.). —Denominatives Verb περάω, Aor. -ᾶσαι, ion. -ῆσαι, auch m. Präfix, bes. δια- und ἐκ-, ‘durchdringen, -schreiten, -fahren, überschreiten, ans Ende gelangen’ (seit Il.) mit (δια-)πέρ-αμα n. ‘Überfahrt’ (Str. u.a.), ἐκπέρ-αμα n. ‘das Hinaustreten’ (A.), πέρ-ασις f. ‘das Durchschreiten’ (S.), -άσιμος ‘zu durchschreiten, passierbar’ (E., Str. u.a.); -ατός, ion. -ητός ‘ds.’ (Pi., Hdt. u.a.); -ατής m. ‘Fährmann’ (Suid., Prokl.); aber im Sinne von ‘Fremder, Emigrant’ (LXX) wohl von πέρᾱ(ν); ebenso περᾱ-τικός ‘aus fremdem (jenseitigem) Lande kommend, auswärtig’ (Peripl. M. Rubr.), und -τός ‘ds.’ (Pap. IIIa). — Oft m. verstärkendem ἀντι- : ἀντι-πέραια n. pl. ‘die gegen-überliegenden Küstenstriche’ (Β 635), -αια f. sg. (A. R., Nonn. u.a.); ἀντι-πέρας ‘gegenüber’ (Th., X.; zum Ausgang unten), -πέραν, -ην (hell.), -πέρᾱ (Ev. Luk.) ‘ds.’; -πέρηθε(ν) ‘von der gegenüberliegenden Küste’ (A. R., AP). — Sowohl πέρᾱ wie πέρᾱν sind erstarrte Kasusformen, letzteres Akk. eines Nomens *πέρᾱ f. (Schwyzer 621), ersteres mehrdeutig (Instr. f. od. Nom. pl. n.?). Daran schlossen sich, wohl als Neubildungen, der Gen. in ἀντι-πέρας und in ἐκ πέρας Ναυπακτίας (A. Supp. 262) ebenso wie der nominale Akk. in Χαλκίδος πέραν ἔχων (A.Ag. 190 [lyr.]) und in πέρανδε (Argos Va). — Mit πέρᾱ lassen sich aind. párā und aw. para ‘fort, weg, zur Seite’ formal gleichsetzen; sie gehören ihrerseits zum Adj. aind.pára-, aw. ap. para- ‘ferner, jenseitig’. Unsicher ist die Zusammenstellung von πέρᾱν mit lat. per-peram ‘verkehrt, fälschlich’, s. W.-Hofmann s. v. Vgl. πέρι und πάρος m. weiteren Anknüpfungen und Lit. II-510-511
πέρας, -ατος n. ‘Ende, Grenze’ s. πεῖραρ. II-511
Πέργαμος, -ον, -α ‘die Burg, insbes. die von Troja’, auch ON, s. πύργος. II-511
πέρδιξ, -ῑ̆κος kret. πήριξ (H., mit -ηρ- aus -ερδ-, s. Schwyzer 286). m. f. ‘Rebhuhn’ (Archil., Epich., S., Ar., X. usw.), Einige Kompp., z.B. περδικο-θήρας m. " Rebhuhnjäger", Art Habicht, συρο-πέρδιξ = Σύρος πέρδιξ (Ael.). Davon περδίκ-ιον n. Demin. (Kom.), auch Pfl.n. (Thphr., Dsk.; Strömberg Pfl.n. 118), -ιδεύς m. ‘junges Rebhuhn’ (Eust.), -ειος ‘vom Rebhuhn’ (Poll.), -ιάς, -ιάδος f. Pfl.n. (Gal.), -ίτης m. N. eines Steins (Alex. Trall.; Redard 59). — Mit ικ-Sufflx (vgl. βέμβιξ u.a.; Schwyzer 497, Chantraine Form. 382; auch Specht Ursprung 204) von πέρδομαι nach dem schwirrenden Aufflug (Schwentner KZ 65, 118). Abzulehnen Charpentier KZ 47, 175ff.: als Erbwort zu aind. pŕ̥dāku- m. ‘Natter, Schlange’ (vgl. Mayrhofer s. v.). II-511
πέρδομαι, Perf. πέπορδα (mit Präs.bed.), Aor. (nur m. Präflx) -παρδεῖν, Fut. -παρδήσομαι ‘furzen’ (Ar. u.a.). auch m. ἀπο-, κατα-, προσ-, ὑπο-, Davon 1. πορδή f. ‘Furz’ (Ar.) mit πόρδων, -ωνος m. Spottname der Kyniker (Arr.); 2. πράδησις f. ‘das Furzen’ (Hp.); 3. πραδίλη f. ‘ds.’ (Theognost.; σπατ-ίλη, κον-ίλη u.a.); redupliziert πεπραδῖλαι pl. ‘ds.’, auch N. eines Fisches (H., Phot.) wie πεπρίλος· ἰχθῦς ποιός H. (nach der Lautgebung; Strömberg Fischn. 76). 4. Erweiterung πήραξον· ἀφόδευσον H.; kret. für *πέρδαξον wie von *περδ-άζομαι; daneben ἀποπαρδακᾷ (-κα?)· τοῦτο εἴρηται παρὰ τὸ ἀποπαρδεῖν H.; vgl. Specht KZ 66, 201. — Hierher noch σιληπορδέω und πέρδιξ, s. bes. — Zum themat. Wz.präsens πέρδομαι stimmt das ebenfalls mediale aind. párdate; dem akt. Wz.aor. ἀπ-έ-παρδον entspricht der ebenfalls akt. Aor. aw. pərədən; Akt. πέπορδα wie δέδορκα (Wackernagel Unt. 224 m. A. 2). Auch sonst ist dies alte, der Vulgärsprache angehörige Verb erhalten: germ., z.B. ahd. ferzan, slav., z.B. russ. perdětь, lit. pérdšu, pérsti usw.; s. WP. 2, 49, Pok. 819. Eine lautliche Variante (idg. *pezd- neben *perd-) liegt u.a. in lat. pēdō vor, s. W.-Hofmann m. reicher Lit.; vgl. auch βδέω. — Mit bask. eperdi, ipurdi ‘Hinterer, After’ hat πέρδομαι nichts zu tun; vgl. Lafon BSL 54 c. r. 52 f. (gegen Elderkin A comp. study of Basque and Greek vocabularies [Princeton 1958]). II-511-512
πέρθω, Aor. πέρσαι, πραθεῖν, Fut. πέρσω (ep. poet. seit Il.). Inf. Pass. πέρθαι (Π 708), wohl sigmat. Aor. *περθσ-(σ)θαι (Wackernagel Unt. 90 A. 2, Schwyzer 751), wenn nicht einfach haplologisch für πέρθεσθαι mit Meillet MSL 22, 262 (zustimmend Kretschmer Glotta 13, 263), unklar πέρθετο (Μ 15 u.a.), dem Sinn nach jedenfalls aoristisch (Schwyzer 746 und Chantraine Gramm. hom. 1, 389f.), ‘zerstören, verwüsten’. auch m. δια-, ἐκ-, συν-, Als Vorderglied im verbalen Rektionskomp. περσέ-π(τ)ολις ‘Städte zerstörend’ (A. in lyr. u.a.); als Hinterglied in πτολί-πορθος ‘ds.’ (ep. poet. seit Il.). auch -ιος (ι 504), -ης (A. in lyr.). Verbalnomen πέρσις f. ‘Zerstörung’ als Titel mehrerer Dichtungen (Arist., Paus.). Deverbativum πορθέω, Aor. πορθῆσαι, auch m. δια-, ἐκ- u.a. ‘zerstören, verwüsten, plündern’ (seit Il.) mit (εκ-)-πόρθησις (D. usw.), -ημα (Pl.), (ἐκ-)-ήτωρ (A., E.), -ητής (E. u.a.), *ητήριος (Tz.), -ητικός (H. u.a.). — Ohne überzeugende Etymologie. Von Uhlenbeck Et. Wb. d. aind. Spr. 187 und PBBeitr. 30, 276 mit aind. bardhaka- ‘abschneidend’, m. ‘Zimmermann’ und mit mehreren germ. Wörtern für ‘Brett, Tisch’, z.B. ags. bred u. bord (eig. *’Schnitt, das Geschnittene’?) verbunden; mehr als ungewiß; vgl. auch Benveniste Origines 192 A. 1. Weitere Anknüpfung an idg. bher- in φάραγξ (s. d.) u.a. von Persson Stud. 45. Lat. perdō ist fernzuhalten. — WP. 1, 174, Pok. 138; s. auch W.-Hofmann s. forceps. II-512
πέρι, περί, dial. auch πέρ Adv. u. Präp. (m. Gen., Dat., Akk.) ‘ringsum, um (— herum), überaus, durchaus, neben, bei, in betreff’ (seit Il.). Davon mit κ-Suffix (Schwyzer 496 u. 620) πέριξ Adv., auch Präp. ‘ringsherum, rund um’ (vorw. ion. poet.), wozu mit ιο-Suffix περι-σσός, -ττός ‘übermäßig, außergewöhnlich, überflüssig’ mit -σσεύω, -ττεύω usw. (seit IIes.). — Mit aind. pári, aw. pairi ‘ringsum, überaus, von — her usw.’ identisch. Daneben stehen in anderen Sprachen einsilbige Formen, die z.T. ein auslautendes -i eingebüßt haben können, z.B. lat. per ‘(hin)durch, über —hin, überaus, sehr’, germ., z.B. got. fair-, nhd. ver-, lit. per- ‘hinüber, hindurch, sehr’, slav., z.B. aksl. prě-, russ. pere- ‘ds.’. Alter idg. Lokativ *péri, z.T. endungslos *per, mit πέρᾱ, πάρα, πρό usw. zusammengehörig, auch mit πείρω nahverwandt; ursprüngliche Bed. allerdings ungewiß ("im Hinaus-, Hinübergehen, im Durchdringen"?). Auch das enkl. -περ (s.d.) ist hierherzustellen. — Weitere Formen aus den verschiedenen Sprachen m. sehr reicher Lit. bei WP. 2, 29ff., Pok. 810, W.-Hofmann s. per, Mayrhofer s. pári usw. usw. Fürs Griech. noch Schwyzer-Debrunner 499 ff. m. ausführl. Dokumentation. II-512-513
περιάγνυται von ὄψ (Π 78), danach von ἠχώ (Hes. Sc. 279). — Nach Fick 1, 124 von ἄγνυμι ‘brechen’ ("wird ringsum gebrachen") zu trennen und zu aind. vagnú- m. ‘Ton, Ruf, Zuruf’, lat. vāgiō ‘wimmern’ ("hallt ringsum wider") zu ziehen; verlockend und eigentlich nur prinzipiell bedenklich. Oder ist die vermutlich späte Iliasstelle Π 78 nach einem unbekannten Vorbild durch Mißverständnis eines ähnlichen Ausdrucks geschaffen? II-513
περιβᾱρίδες auch περίβαρα n. pl. ‘ds.’ (Poll., H., Phot.). f. pl. ‘Art Frauenschuhe’ (Kom.); — Bildung wie περισκελίδες ‘Fuß-spangen, -ringe’, aber sonst dunkles Fremdwort. Scherzhaft nach βᾶρις ägypt. Ben. eines Nachens ? Abzulehnende illyrische Hypothese bei v. Blumenthal Hesychst. 5 A. 1. II-513
περιημεκτέω ‘heftigen Unwillen empfinden, aufgeregt sein’ (Hdt.), daraus ἠμεκτεῖ· δυσφορεῖ H. — Expressive Bildung wie das synonyme ἀγανακτέω (s. d.) und ὑλακτέω; sonst unklar. Hypothese von Frisk Eranos 50, 8 ff. (mit Kritik früherer Vorschläge): aus *περι-εμέω erweitert mit kompositioneller Dehnung wie in εὐ-ημέτης? II-513
περίναιος (-εος) -ον n. m., ‘Perinäum, der Raum zwischen dem After und dem Hodensack’ (Mediz., Arist.), pl. ‘männliche Geschlechtsteile’ (Arist.). Zweifelhafte Nebenformen περινῷ· περινέῳ Gal.; περίνα (für πηρῖνα?)· περίναιον. τὸ αἰδοῖον und περίνος· τὸ αἰδοῖον ... ἢ τὸ τῶν διδύμων δέρμα, ἤγουν ὁ ταῦρος H. — Anatomischer Fachausdruck, von περί und ἰνάω, -έω ‘ausleeren’, mit ιο- (εο-) Suffix gebildet, also eig. "Ausleerungsgegend". Meister KZ 32, 139ff. (im einzelnen abweichend und verfehlt); vgl. zu ἰνάω. Das Wort wurde teilweise mit πηρίς, -ίνα zusammengeworfen; s. πήρα. II-513
περίνεως, -ω m. Adj. u. Subst. eig. "über das Schiff (die Schiffsausrüstung, -mannschaft) hinausgehend", ‘überzählig’, m. ‘Mitfahrer, Passagier’ (att. Inschr., Th.). — Hypostase aus περὶ νᾱϝός wie περί-αλλος, -εργος u.a. (Sommer Nominalkomp. 123 f.); zum Sachlichen auch Morrison Class Quart. 41, 131 f. II-513-514
περιρρηδής ep. ion. Adj. unsicherer Bed., gewöhnlich als ‘umfallend, hintaumelnd’ (χ 84, A. R. 1, 431), ‘verbogen, aus der Lage gebracht’ (Hp. Art. 16, Mul. 2, 158) erklärt; davon περιρρήδην (A. R. 4, 1581). — Bildung wie περι-καλλής, somit wohl von einem Nomen *ῥῆδος. Wegen der unklaren Bedeutung etymologisch schwierig. Von Düntzer KZ 13, 6 f., wozu Bechtel Lex. s. v. (m. weiterer Lit.), mit ῥαδινός, ῥάδαμνος (s. dd.) u.a. verbunden. — Die Annahme Leumanns, Hom. Wörter 3 14 f., περιρρηδής wäre von der mediz. Fachsprache aus dem Epos entlehnt, überzeugt kaum. II-514
περισκελής 1. ‘sehr spröde, sehr hart, unbiegsam’ (S., Hp., Thphr. usw.; zur Bed. bei S. vgl. Grose ClassRev. 32, 168f.). Davon περισκέλ-εια, -ία f. ‘Härte, Sprödigkeit’ (Arist., Porph. u.a.), -ασία f. ‘ds.’ (Orib.); nach θερμασία, φλεγμασία u.a. erweitert. — Wohl eig. als ‘ringsum’, d.h. ‘völlig getrocknet’ (vgl. σκληρός) von *σκέλος ‘Dürre’, das auch in ἀσκελής (s. d.) vermutet wird; s. σκέλλω. II-514
περισκελής 2. 1. ‘um die Schenkel gehend’ in τὰ περισκελῆ ‘Beinkleider’, sg. τὸ -ές (LXX). Davon περισκελίς f. ‘Fuß-spange, -ring’ (hell. u. sp.) mit -ίδιον (Delos IIa). —. 2. ‘mit den Schenkeln ringsherum’, d.h. ‘mit auseinandergestellten Beinen’ (Sch.). — S. σκέλος. II-514
περισσός, -ττός s. πέρι. II-514
περιστερά f. ‘Taube’ (ion. att.), sekund. -ός m. ‘Täuberich’ (Kom.; Schwyzer-Debrunner 31 A. 5, 32). Als Vorderglied u.a. in περιστερο-πώλης m. ‘Taubenhändler’ (hell. Pap.). Demin. περιστερ-ίς f. und -ιον n. (auch als Weiberschmuck gebraucht), -ίδιον n. (Kom., Pap. u.a.), -ιδεύς m. (hell. Pap.; Bosshardt 65); -(ε)ών m. ‘Taubenschlag’ (Pl., Pap.). Zu -ιον, -εών als Pfl.namen ‘Verbena officinalis, supina’ (Dsk., Ps.-Dsk.), weil von Tauben aufgesucht und beliebt, s. Strömberg 118 und Moorhouse (s. u.). — Nicht sicher erklärt. Vielleicht mit Schwyzer 258 zu πελιός, πέλεια durch falsche Restitution eines angebl. dissimilierten *πελιστερά (vgl. ngr. πελιστέρι) mit oppositivem τερο-Suffix (Benveniste Noms d’agent 119 m. iran. Parallele). — Abzulehnen Moorhouse Class Quart. 44, 73ff., AmJPh 73, 299 und Richardson Hermathena 73, 74f. (zu περί), Assmann Phil. 66, 312f. (semit.), Carnoy Ant. class. 24, 21 (pelasgisch; zu φορκός). II-514
περιώσιον, -ια Adv. ‘übermäßig, maßlos’, auch m. Gen. (ep. seit Il... Pi.); -ιος Adj. ‘ds.’, auch ‘außergewöhnlich’ (poet. seit Sol. u. Emp.); περώσιον· μέγα H. — Von πέρι mit derselben Bildung wie ἐτώσιος, vielleicht nach diesem geschaffen (Chantraine Form. 42). Ein Zwischenglied *περι-ο- (Brugmann Grundr.2 2: 1, 164) läßt sich schwerlich rechtfertigen. Danach ὑπερώσιος ‘ds.’ (EM 665, 29). — Abzulehnen Prellwitz s. v. II-515
περκνός ‘gesprenkelt, dunkelfleckig’, auch als N. einer Adlerart (Ω 316, Hp., Arist. u.a.); ἐπί-περκνος ‘etw. gesprenkelt’ (X.,; Strömberg Prefix Studies 105). Daneben πέρκος m. ‘Adlerart’ (Arist.), πέρκη f. ‘Flußbarsch, Perca fluviatilis’ (Emp., Kom., Arist. u.a.) mit -ίς, -ίον, -ίδιον (Kom., Pap., Dsk.); περκάς Adj. f., Attr. von κίχλη, wohl als Fischname (Eratosth.). Denominativa. a. περκάζω, -ομαι, auch m. ὑπο-, ἐπι-, ἐν-, ‘dunkelfleckig werden, zu reifen beginnen’, Akt. auch ‘dunkel färben’ (η 126, Thphr., LXX u.a.); b. περκαίνω, -ομαι (ἐμ-) ‘ds.’ (E., H.); c. ἀπο-περκόομαι ‘dunkel werden’, von reifenden Trauben (S. Fr. 255, 6). Dazu περκώματα· τὰ ἐπὶ τοῦ προσώπου ποικίλματα H.; nach Krahe IF 58, 225 auch Περκώτη f. Stadt in Mysien. — Daneben 1. mit Schwundstufe: πρακνόν· μέλανα H.; 2. mit andersartiger, wohl sekundarer Hochstufe: πρεκνόν· ποικιλόχροον ἔλαφον H., wozu 3. mit o-Abtönung πρόξ, -κός f. (s. d.) und προκάς f. ‘reh- od. hirschartiges Tier’, Πρόκνη EN "die Nachtigall" oder "Schwalbe", Radke P.-W. 23, 250; 4. mit Dehnstufe πρώξ, -κός f. ‘Tautropfen’ (s. d.). — Die substantivischen πέρκος, πέρκη setzen ein Adj. *περκός voraus, wozu f. περκάς, wie λεῦκος, λεύκη von λευκός, f. λευκάς. Von *περκός auch περκ-άζω, -αίνω, -όομαι (wie λευκ-αίνω u.a.). Daneben mit ν-Suffix περκ-νός wie die synonymen ἐρεμ-νός, κελαι-νός u.a. (Chantraine Form. 194; vgl. unten). — Altererbte Wortsippe mit Vertretern in mehreren Sprachen, wobei bes. die vielen Tierbenennungen zu bemerken sind. Zu πρακνόν stimmen bis auf den Auslaut sowohl aind. pŕ̥śni-’gefleckt, bunt’ wie ein germ. Name der Forelle, ahd. forhana (wozu mit l-Suffix das Demin. Forelle), ags. forn(e) f., idg. *pr̥ḱ-n-. Ein hochstufiges Gegenstück bietet der schwed. Fischname färna f., idg. *perḱ-n- wie περκ-ν-ός. Mit *περκός, πέρκος läßt sich ein kelt. Wort identifizieren: mir. erc (kymr. erch) ‘gefleckt, dunkelrot’, als Subst. ‘Lachs, Forelle’, auch ‘Kuh, Eidechse’. — Ein anderer Ableger ist das germ. Wort für ‘bunt, farbig’ und ‘Farbe’ in ahd. faro, farawa, idg. *porḱ-u̯ó-; ernstlich in Betracht kommt auch lat. pulc(h)er ‘schön’ aus *pelc-ro-s od. *polc-ro-s (mit Dissim.); idg. *perḱ-, bzw. *porḱ- od. *pr̥ḱ-. Zur Bildung noch Borgström NTS 16, 141 f. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 45 f., Pok. 820f., W.-Hofmann s. pulc(h)er und 2. porcus. Ält. Lit. auch bei Bq. Vgl. auch πάπραξ. II-515-516
πέρνᾰ, -ης durch ep. Einfluß bzw. Überlieferungsfehler auch πτέρνα (Batr., Poll-2, 193). f. ‘Schinken’ (Str., Pap. IIp, Ath.); — Aus lat. perna ‘ds.’ entlehnt; Wackernagel Unt. 195ff. Vgl. πτέρνη. II-516
πέρνημι, πέρναμαι (vorw. ep. poet. seit Il.), Aor. περασ(σ)αι (ep. seit Il., auch äol. u. ion. Inschr.) m. Fut. Inf. περάαν (Φ 454), Pass. πρᾱθῆναι, ion. πρηθ-, m. Fut. -ήσομαι, Perf. Med. πέπρᾱμαι, -ημαι (ion. att.), m. Fut. πεπράσομαι (Ar., X.); dazu als jungatt. Neubildungen Akt. πέπρᾱκα und Präs. πιπράσκομαι, später -ω (Thphr. [?], Luk., Plu.), -ήσκω (Kall.). weitere Formen: ἔπρησα (Samos VIa; zu ἐπήθην), πέρνησον· πώλησον H. (vom Präsens); πεπερημένος (Φ 58; für πεπρημένος nach περάσαι). ‘zum Verkauf ausführen, verkaufen’; auch m. ἀπο-, παρα-, συν- u.a., Ableitungen. 1. πρᾶσις, ion. πρῆσις f. (διά-, ἀπό- ~ u.a.) ‘Verkauf’ (ion. att.) mit πράσιμος ‘verkäuflich’ (Pl., X.; Arbenz 64 u. 66). 2. ἀπόπραμαn. ‘Afterpacht’ (hell. Pap.). 3. πρατήρ, ion. πρη- m. ‘Verkäufer’ (ion. att.) mit -ήριον n. ‘Verkaufstelle, Markt’ (Hdt.; hell. u. sp.); auch πράτωρ, -ορος m. ‘ds.’ (hell. Inschr. u. Pap.; προ- ~ Din. u. Is. bei Poll.) mit πρατορεύω ‘als Verkäufer auftreten’ (Tenos IIIa). 4. πράτης, -ου m. ‘ds.’ (auch συμ-, προ- ~; att. Redner bei Poll., Pap.); in späten Papp. usw. oft in Zusammenbildungen wie ἐλαιο-, οἰνο-πρά-της; vgl. noch Fraenkel Nom. ag. 1, 43 f. u. 214. 5. πρατικός in -ή, -όν ‘Verkaufsteuer’, bzw. ‘Kommissionsverkauf’ (Pap.). — Das System περᾰ́-σαι : πέ-πρᾱ-μαι, πρᾱ-θῆναι stimmt zu κερᾰ́σαι : κέ-κρᾱ-μαι, κρᾱ-θῆναι; auch zu πελᾰ́-σαι : πέ-πλη-μαι, πλῆ-το (s. κεράννυμι und πέλας) usw.; dazu πέρ-νη-μι, περ-να-μαι mit analog. ε für die urspr. Schwundstufe, die indessen in πορνάμεν· πωλεῖν, πορνάμεναι· πωλούμεναι H. (äol.) zum Vorschein kommt. Das Alter dieser Präsensbildung ist durch die damit identischen Formen im Kelt., air. renim ‘verkaufe’ (idg. *pr̥-nā- : *pr̥-nə-) bezeugt (vgl. κίρνημι, πίλναμαι). Im übrigen ohne genaue außergr. Entsprechung. Das Wort stellt eine alte Verzweigung der großen Sippe in πείρω, πορεῖν, πέρᾱ (s. dd.) dar; zur Bed.entwicklung Schulze Kl. Schr. 203 A. 3, Benveniste BSL 51, 38. — Als Präsens und Aor. Akt. traten für die zurückweichenden und außer Gebrauch kommenden πέρνημι, πέρναμαι und περάσαι, namentlich im Ion. und Att., andere Verba ein: πωλεῖν (πωλῆσαι) und ἀποδόσθαι (ἀποδίδοσθαι), ebenso im. Fut. πωλήσω und ἀποδώσομαι; s. Chantraine Rev. de phil. 66, 11ff. m. weiteren Einzelheiten u. Lit. S. auch πόρνη. II-516-517
πέρπερος Subst. m. u. Adj. ‘eitler Windbeutel, Geck, Prahler, eitel, prahlerisch’ (Plb., Arr., S.E.); davon περπερ-ότης f. ‘Prahlerei’ (Chrysost.), -εύομαι ‘windbeuteln, prahlen’ (1. Ep. Kor. 13, 4, M. Ant.; ἐμ- ~ Arr. u.a.) mit -εία f. (Clem. Al.); ῥωπο-περπερ-ήθρα f. ‘Kleinprahlerei’ (Kom. Adesp.). — Reduplikationsbildung, deren formale Identität mit lat. per-peram, -us ‘verkehrt, fehlerhaft’ um so mehr den Gedanken an eine Entlehnung aus dem Latein nahelegt, als πέρπερος erst seit hellenist. Zeit belegt ist. — W.-Hofmann s. v. mit Ablehnung anderer Hypothesen. II-517
περσέα (-αία, -ία, -είη) f. N. eines ägyptischen Baums, ‘Cordia myxa’, der ursprünglich aus Persien stammte (Hp., hell. u. sp.), mit περσέ-ϊνος ‘zurn P.-baum gehörig’ (Pap.) und πέρ-σ(ε)ιον n. ‘die Frucht desselben’ (Thphr. u.a.); Demin. -ίδιον n. (Pap.). — Bildung wie μηλέα u.a. Zur Benennung nach der ursprüngl. Heimat s. Strömberg Pflanzennamen 123 m. Lit. und weiteren Einzelheiten. II-517
Περσεύς m. Sohn des Zeus und der Danaë (seit Il.); davon das Adj. Περσ-εῖος, ep. -ήϊος (E. in lyr., Theok.) und die Patron. -είδης, -ηϊάδης (Hdt., Th. usw., Il.), f. -ηϊς = Alkmene (E. in lyr.) u.a. — Herkunft unbekannt. Von den Alten (EM u.a.) auf πέρθω bezogen; von Ramat VII Congr. Intern. di Sc. Onomastiche (1961) III 261ff., ebenso willkürlich, mit dem idg. Verb für ‘schlagen’ in aksl. perǫ usw. (WP. 2, 42, Pok. 818 f.) verbunden. Andere Hypothese bei Bosshardt 135 f., wo auch weitere Einzelheiten. II-517
περσεύς m. N. eines unbek. Fisches im roten Meere (Ael. NA 3, 28); auch πέρσος· ὁ ἰχθῦς ποιὸς ἐν ’Ερυθρᾷ γινόμενος H. — Nach Ael. a. O. mit dem EN identisch, was Strömberg Fischn. 96 zu begründen versucht. Eher umgebildetes Fremdwort (vgl. Bosshardt 71). Thompson Fishes s. v. erwägt, den περσεύς mit dem arab. Fische bohar begrifflich, evtl. auch sprachlich (?) zu identifizieren. II-517
Περσεφόνη (ion. seit h. Cer. und Hes.), -φόνεια (Il. u. Od.). Mehrere Nebenformen: Φερσε-φόνα (Simon., Pi., thess.), -φόνεια (H.), Πηριφόνα (lokr.), Πηρεφόνεια (lak. nach H.); mit anders geformtem Ausgang: Περσέ-φασσα (A.), Περσέ-φασσα (S., E.), Φερρέ-φαττα (Pl., Ar., att. Inschr.) u.a. (P.-W. 19, 945ff., Kretschmer Glotta 24, 236) mit dem Heiligtum Φερ(ρ)εφάττ-ιον n. (D., AB). f. Gemahlin des Hades (Pluton), Königin der Unterwelt, als Tochter der Demeter mit Κόρη identifiziert. Davon der Pfl.n. Περσεφόνιον, Φερ- (Ps.-Dsk.), s. Strömberg Pfl. 100 m. Lit. — Als gemeinsame Grundlage des "Vorderglieds" läßt sich Φερσε- ansetzen; daraus durch Hauchdissimilation, Ersatzdehnung usw. die verschiedenen Formen; Πηρι- nach ’Αρχι- u.a. (vgl. Schwyzer 281 u. 444). Urspr. Περσε- ist jedoch ebensogut denkbar; dann Φερσε- durch Assimilation an -φασσα. Zu -φόνεια neben -φόνη vgl. Πηνελόπει neben -η; -φασσα, -φαττα aus *-φατ-ι̯α kann einen urspr. Nasal (-n̥-t-i̯ə) enthalten haben, wodurch -φασσα näher an -φόνη (und -φόν-της) rücken würde. — Ohne überzeugende Etymologie. Das "Hinterglied" wird oft mit φόνος ‘Totschlag’, θείνω ‘töten’ verbunden (Eust. zu κ 491, Fick-Bechtel PN 465, Kretschmer Glotta 24, 236 f.) unter verschiedener Auffassung des Anfangsteils. Nach Ehrlich KZ 39, 560 ff. dagegen "die Ertragreiche", von einem Nomen *φέρος und idg. *gʷhen- ‘schwellen, strotzen’ (das u.a. in εὐθενέω [s. d.] gesucht wird); trotz der Zustimmung von Fraenkel Lexis 3, 61 ff. und Heubeck Beitr. z. Namenforsch. 5, 28 ff. (wo auch Lit.) nicht zu empfehlen. Pelasgische Hypothese, z.T. sich an Ehrlich anschließend, von v. Windekens Beitr. z. Namenforsch. 8, 168 ff. — Solange keine besseren Erklärungen aus dem Idg. vorgebracht werden, muß das Wort als vorgriechisch gelten; so u.a. v. Wilamowitz Glaube 1, 108f. m. A. 3, Nilsson Gr. Rel. 1, 474. II-517-518
πέρυσι(ν) (ion. att.), dor. πέρυτι(ς) Adv. ‘im vorigen Jahre’ (zum Auslaut Schwyzer 619) mit περυσινός ‘vom vorigen Jahre, vorjährig’ (att.); myk. pe-ru-si-nu-wo ? (mit unerklärtem ϝ; vgl. Lejeune Rev. de phil. 81. 164, Risch Ét. Myc. 1956, 170). Nebenform πέρσυ mit περσυνός (Inschr., Pap.), wohl zunächst aus πέρισυ, περισυνός (Gal.) durch Vokalsynkope; Vokalmetathese auch in περ(ι)σύας m. ‘Wein vom vorigen Jahre’ (Hp. ap. Gal. 19, 130); s. Schwyzer Glotta 5, 196, Kapsomenakis Voruntersuchungen 64 m. A 2. — Altes Zeitadverb, mit arm. heru formal und semantisch identisch, idg. *peruti; auf dieselbe Grundform lassen sich auch germ. u. kelt. Formen zurückführen: awno. i fjorð, mhd. vert ‘ds.’, air. ónn-urid ‘ab anno priore’. Daneben ohne auslaut. -i aind. parút ‘im vorigen Jahre’. Wahrscheinlich Kompositum: idg. *per-ut(i), von der Tiefstufe des Wortes für ‘Jahr’ (s. ἔτος) im Lok. (Akk.?) sg. (s. Brugmann Grundr.2 2: 2, 708; vgl. Schwyzer 622 m. A. 3) und einem Wort für ‘vorig’ od. ähnl., das u.a. auch in lit. pérnai ‘im vorigen Jahre’, mhd. vern ‘ds.’ vorliegt und letzten Endes mit idg. per- in πέρᾱ (s. d.) usw. identisch ist. WP. 1, 251 und 2, 31, Pok. 810f. und 1175. II-518-519
πέσκος n. ‘Haut, Rinde’ (Nik. Th. 549); πεσκέων· δερμάτων H.; ἀ-πεσκής ‘ohne Hülle, Futteral’ (τόξα; S. Fr. 626; nicht ganz sicher). — Reimwort zu μέσκος (s. d.); nach Güntert Reimw. 145 f. durch Kreuzung mit πέκος; oder mit πέλμα u. Verw.? Nicht mit Prellwitz u. A. aus *πέκ-σκ-ος. II-519
πεσσός, att. πεττός m. ‘der länglichrunde Stein im Brettspiel’, meist pl. ‘Spielsteine, Brett-, Damenspiel’, oft übertr. in verschiedenen Bedd. (seit α 107). Als Vorderglied in πεσσο-νομέω ‘die Spielsteine ordnen’, auch übertr. (A., Kom.). Davon πεσσάριον n. ‘Pessar’ (Mediz.); πεσσ-ικός, -ττ- ‘zum Brettspiel gehörig’ (Apion); -εύω, vereinzelt m. δια-, μετα-, ‘mit den Steinen im Brett spielen’ (ion. att.) mit -εία, -ευτής, -ευτικός, -ευτήριον (Pl., Pap. u.a.). — Fremdwort unbekannter Herkunft; semit. Etym. (aram. pīs(s)ā ‘Stein, Täfelchen’) bei Lewy Fremdw. 159f., Grimme Glotta 14, 18. Aind. pāśaḥ m. ‘Würfel’, pāśī f. (eher pāṣī; vgl. zu πέλλα) ‘Stein’ bleiben fern; s. Mayrhofer s. vv. m. Lit. Über weitere abzulehnende Vorschläge s. Lidén Arm. Stud. 55 ff., wo, ebenfalls unwahrscheinlich, auch arm. yesan ‘Wetzstein’ herangezogen wird. II-519
πέσσω, att. πέττω, Aor. πέψαι (seit Il.), Fut. πέψω (Ar.), dazu als Neubildung Präs. πέπτω (Arist. usw.); Pass. Perf. πέπεμ-μαι, Aor. πεφθῆναι mit πεφθήσομαι (Hp., att. usw.), ‘zur Reife bringen, backen, kochen, verdauen’. auch m. κατα-, περι-, συν-, Davon 1. πέμμα n. ‘Gebäck, Kuchen’ (ion. att.) mit -άτιον (Ath.); 2. πέψις f. ‘die Verdauung, das Kochen, das Reifen’ (Hp., Arist. usw.). 3. πεπτός (E. Fr. 467, 4, Pap., Plu.), weit gewöhnlicher in Kompp., z.B. ἄ-, δύσ-πεπτος ‘unverdaut’, bzw. ‘schwer verdaulich’ (Hp., Arist. u.a.) mit ἀ-, δυσ-πεψ-ία f. (Arist., hell. u. sp.); vgl. Ammann Μνήμης χάριν 1, 18; 4. πεπτ-ικός ‘zum Verdauen geeignet’ (Arist. usw.), -ήριος ‘ds.’ (Aret.). 5. πέπτρια f. ‘Bäckerin’ H. s. σιτοποιός. Mit o-Abtönung: 6. πόπανον n. ‘Gebäck’ (att., hell.) mit -ώδης ‘gebäckähnlich’ H. s. φυσακτήρ, -ευμα n. ‘ds.’ -εῖον· panificium Gloss. (: *-εύω); vgl. ὄχανον, πλόκανον u.a., Chantraine Form. 198. 7. ποπάς, -άδος f. ‘ds.’ (AP); vgl. πλοκάς usw., Chantraine 353. — Zusammenbildungen: 1. ἀρτο-κόπος s. ἄρτος; 2. δρυ-πεπ-ής ‘auf dem Baume reifend’ (Kom., AP). — Zu πέπων s. bes. — Das Jotpräsens πέσσω deckt sich genau mit aind. pácyate (Med.) ‘reift’, idg. *peqʷ-i̯o/e-; dafür sonst ein themat. Wz. präsens *peqʷ-o / e- in aind. pácati = lat. coquō = aksl. pekǫ, lit. kepù (mit Umstellung, vgl. ἀρτοκόπος) usw. Ebenso stimmt der Aor. πέψαι zu aind. pákṣat (Konj.) und lat. coxī. Auch die Verbalnomina finden sich mehrfach außerhalb des Griech. wieder; es kann sich aber dabei um parallele Neubildungen handeln: πέψις = aind. (ved.) paktí-, pákti- f. ‘das Kochen, gekochtes Gericht’ = lat. cocti-ō ‘ds.’ (Vitr.) = aksl. peštь f. ‘Ofen’; πεπτός (vgl. oben) = lat. coctus = kymr. poeth ‘heiß’ = lit. kèptas ‘gebacken’ (aber aind. nicht *paktá-, sondern pakvá-; vgl. zu πέπων); πέπτρια f. : aind. paktár- m. = lat. coctor (Petron usw.). — WP. 2, 17f., Pok. 798, W.-Hofmann s. coquō, Mayrhofer s. pácati usw. m. Lit. und weiteren Einzelheiten. II-519-520
πετάννυμι, -ύω (att.), πίτνημι, -άω (ep. poet. seit Il.; ἔπιτνον Hes. Sc. 291), πετ-άζω (LXX), -άω (Luk.), Aor. πετά-σ(σ)αι. Pass. -σθῆναι, Perf. Med. πέπταμαι (alles seit Il.), πεπέτασμαι (Orac. ap. Hdt., D. S.), Akt. πεπέτακα (D. S.), Fut. πετ-άσω (E. in lyr.), -άσσω (Nonn.), -ῶ (Men.), ‘ausbreiten, entfalten, öffnen’. oft m. Präfix, bes. ἐκ-, ἀνα-, κατα-, Ableitungen: 1. πέταλον n. ‘Blatt’ (vorw. ep. poet. seit Il.), ‘Metall-, bes. Goldblech’ (att. Inschr. u. a.); auch -ηλα pl. (Hes. Sc. u.a.; metr. bedingt, Leumann Hom. Wörter 123 m. A. 91); davon πετάλ-ιον, -ια (zum Akz. usw. Scheller Oxytonierung 46f.), -ίς, -ειον, -ῖτις, -ώδης, -όω, -ωσις, -ίζω, -ισμός; Hypostase ἐμπεταλ-ίς· ἔδεσμα διὰ τυροῦ σκευαζόμενον H. (: ἐν πετάλῳ). 2. πέτασος m. (f.) ‘breiter Hut’, auch übertr. (hell. u. sp.), mit πετάσ-ιον, -ώδης, -ών, -ῖτις. 3. (κατα-, παρα-, ὑπο- usw.) πέτασμα n. ‘Decke, Vorhang usw.’ (ion. att.). 4. ἐκπέτασις f. ‘Ausbreitung’ (Plu.). 5. πετασμός m. ‘ds.’ (LXX). 6. πέταχνον (-ακνον H.) n. ‘offene Trinkschale’ (Alex.; wie κυλίχνη u.a.; Chantraine Form. 195). 7. πέτηλος (-λός) ‘angewachsen’ (μόσχος, βοῦς; Ath., H. ["ἀναπεπταμένα τὰ κέρατα ἔχων"]). 8. ἀναπετ-ής ‘ausgebreitet’ mit -εια f. ‘Ausbreitung’ (Mediz.). 9. ἐκπέτα-λος ‘offen, flach’ (Mosch., ἀγγεῖον). — Für sich stehen mit unklarer Bed.entwicklung : πετήλας· τοὺς μικροὺς καὶ θαμνώδεις φοίνικας; πετηλίς· ἀκρίς H.; πετηλίας καρκίνος (Ael.). — Das Formenpaar πετά-σαι : πίτ-νη-μι stimmt u.a. zu κερά-σαι : κίρ-νη-μι, πελά-σασθαι : πίλ-να-μαι (s. dd.); dazu πέ-πτᾰ-μαι mit sekundärer Kürze (Schwyzer 770 m. A. 6) gegen-über κέ-κρᾱ-μαι, πέ-πλη-μαι; nach πετά-σαι das Präsens πετά-ννυμι usw. (wie κερά-σαι : κερά-ννυμι u.a.). — Ohne direkte außergriech. Entsprechung aber mit mehreren Verwandten. Mit reduziertem a-Vokal das intr. lat. pateō, -ēre ‘offen stehen’, wozu patulus ‘weit ausgebreitet’; vielleicht auch das Nasalpräsens pa-n-d-ō ‘ausbreiten’. In anderen Sprachen zahlreiche Verbalnomina, z.B. aw. paϑana- ‘weit, breit’, lit. petỹs m. ‘Schulter, Achsel’, germ., z.B. awno. faðmr m. eig. *’Ausstreckung (der Arme)’, ‘Umarmung, Busen’. Mit l-Suffix wie πέτα-λον ahd. fedel-gold n. ‘Blattgold’. Weitere Anknüpfungen m. reicher Lit. bei W.-Hofmann s. pateō und pandō, Fraenkel s. petỹs; auch WP. 2, 18 u. Pok. 824. — S. noch πατάνη. II-520-521
πέτευρον (-αυρον, s. u.) n. ‘Hühnerstange, Akrobatenstange, -gerüst, hohes Gerüst, Anschlagbrett’ (Ar. Fr. 839, Inschr. IVa, hell. u. sp.). Davon πετεύρ-ιον n. ‘kleines Anschlagbrett’ (Erythrae IVa), -ίζομαι ‘ein π. benutzen’ = ‘als Akrobat auftreten’ (Phld.), mit -ισμός, -ιστής, -ιστήρ (Plu., Man. u.a.). — Technischer Ausdruck ohne sichere Etymologie. Nach Kretschmer KZ 31, 449 von πετα- (= πεδα-, s.d.) und αὔρα ‘Luft’; ähnlich Baunack Phil. 70, 469 und Schwyzer 198 (Schw.-Debr. 498 A. 2; vgl. auch Prellwitz): aus *πετᾱ(ϝ)ορον als Nebenform von πεδα(ϝ)ορον = μετέωρον. Dagegen sucht Persson Beitr. 2, 825 A. 7 mit Lobeck Anschluß an πέτομαι (eig. *"Flugvorrichtung"[?]); Bildung dann wie ἄλευρον (Benveniste Origines 112). Das Schwanken ευ : αυ wird ebenfalls verschieden beurteilt; ευ hyperkorrekt für αυ (Schwyzer a.O.); aus -ᾰϝορον bzw. -ηϝορον (Baunack a. O.). — Lat. LW petaurum, -aurista mit -auristānus, -aurārius (W.-Hofmann s.v.; daselbst auch Lit.). II-521
πέτομαι, Aor. πτάσθαι, πτέσθαι (alles seit Il.); dazu Präs. πέταμαι (poet. seit Sapph., Arist. u.a.) mit Aor. πετασθῆναι (Arist., LXX u.a.), ἴπταμαι (sp.; s. bes.); Aor. Akt. πτῆναι, Ptz. πτάς usw. (poet. seit Hes., auch hell. u. sp. Prosa); Fut. πτήσομαι (ion. att.), πετήσομαι (Ar.), Perf. κατ-έπτηκα (Men.), ‘fliegen’. sehr oft m. Präfix, z.B. ἀνα-, ἀπο-, δια-, εἰσ-, ἐκ-, κατα-, ὑπερ-, Ableitungen: 1. ποτή f. ‘das Fliegen, der Flug’ (ε 337, h. Merc. 544 [v. l. πτερύγεσσι]); 2. πτῆσις f. ‘ds.’ (A., Arist. u.a.) mit πτήσιμος (Jul. u.a.; Arbenz 61); πτῆμα n. ‘ds.’ (Suid.). 3. Adj. m. νο-Suffix: a. πτηνός, dor. πτᾱνός ‘beflügelt, flügge’ (Pi., Trag., Pl. u.a.); b. πετεινός, -ηνός ‘ds.’ (ep. ion. poet. seit Thgn.; Πετήνη att. Schiffsname [Inschr.]), kaum von *πέτος (vgl. Chantraine Form. 196, Benveniste Origines 14), sondern eher direkt von πέτομαι nach φαεινός, ὀρεινός u.a.; πετηνός nach πτηνός?; c. πετε-ηνός, -εινός ‘ds.’ (ep. poet. seit Il.), zerdehnte Form (Risch ̨ 35 d); d. ποτᾱνός ‘ds.’ (Pi., Epich., Trag. in lyr.; -ηνός ep. Dicht. bei Pl. Phdr. 252 b), wohl eher nach ποτάομαι als mit Detschew KZ 63, 228 von dem seltenen ποτή. — 4. Deverbativa: ποτάομαι, -έομαι, auch m. ἀμφι-, περι-, ἐκ- u.a., ‘fliegen, flattern’ (ep. poet. seit Il.); πωτάομαι, auch m. ἐκ-, ἐπι-, ὑπερ-, ‘ds.’ (Μ 287, h. Ap. 442 u.a.; vgl. Schwyzer 719 A. 3); dazu πωτήεις ‘flatternd’ (Nonn.), auch πωτήματα pl. ‘Flüge’ (A. Eu. 250; gew. mit Dindorf in ποτ- geändert). — 5. Komposita (Zusammenbildungen): a. -πέτης, dor. -πέτας m.., z.B. ὑψι-πέτης, -ας m. ‘hochfliegend’ (Hom., Pi. u.a.), erweitert -ήεις (Hom.); b. -πετής, z.B. ὑπερπετ-ής ‘darüber hinfliegend’ (hell. u. sp.); c. ἐκπετ-ήσιμος ‘flugfertig’ (Ar. u.a.; Hypothese zur Bildung bei Arbenz 60); d. ἀερσι-πότης und -πότη-τος ‘hochfliegend’ (Hes., AP, Norm.); trotz Fraenkel Nom. ag. 2, 95 eher zu ποτάομαι als von ποτή. — Zu πτερόν, πτέρυξ s. bes. — Neben den thematischen πέτ-ο-μαι, πτ-έ-σθαι steht der athematische schwachstufige Wz.-aorist πτά-σθαι, ἔ-πτα-το, πτά-μενος wie φθά-μενος (φθί-μενος, φθί-σθαι, ἔ-φθι-το u.a.). Die entsprechende Hochstufe in πτῆ-ναι, ἔ-πτᾱ-ν, πτή-σομαι kann alt sein (s. indessen unten). Zweifelhafter ist die Ursprünglichkeit des zweisilbigen πέτα-μαι, da Analogiebildung zu πτά-σθαι nach πτέ-σθαι : πέτο-μαι ernst in Betracht kommt. Sichere Neubildungen sind ἴπταμαι (nach ἵσταμαι) und πετή-σομαι (nach πέτομαι). Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer 742 u. 681 m. A. 9. — Zu πέτομαι stimmen formal, z.T. auch begrifflich, aind., air., lat. u. kelt. Formen, z.B. aind. pátati, aw. pataiti ‘fliegen, fallen, anfallen, eilen usw.’, lat. petō ‘sich wohin begeben, eilen, (auf)suchen, verlangen’, akymr. hedant ‘volant’; fraglich dagegen das jedenfalls anders gebildete heth. piddāi- (pittii̯ami, pittāizzi usw.) ‘laufen, eilen, fliehen’. Ebenso decken sich ποτέομαι und aind. patáyati ‘fliegen, eilen’; dagegen ist πωτάομαι von aind. pātáyati ‘fallen lassen, niederwerfen’ unabhängig. Sonst gehen die griech. u. aind. Systeme auseinander. Neben dem schwundstufigen thematischen Aorist πτ-έσθαι, ἐ-πτ-όμην steht im Aind. ein ebenfalls schwundstufiger und thematischer aber reduplizierter Aor. a-pa-pt-at. Das schwundstufige πτᾰ- in πτά-σθαι findet sich in Formen wie pa-pti-ma (Pf. 1. pl.) wieder (idg. ptə-); die entsprechende Hochstufe ptā- ist dagegen im Aind. nicht vertreten (πτῆ-ναι somit analogisch nach φθῆ-ναι, στῆ-ναι u.a.?, Schwyzer 742). Ebenso gehen die zweisilbigen πετᾰ- in πέτα-μαι und pati- (z.B. Fut. pati-ṣyáti) ohne geschichtlichen Zusammenhang nebeneinander her. — Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 2, 19ff., Pok. 825f., W.-Hofmann s. petō. Vgl. πίπτω, auch πίτυλος. II-521-522
πέτρᾱ, -η f. ‘Fels, Felsgebirge, Klippe, Riff; Felsenhöhle, Grotte’ (seit Il.), sekund. ‘Felsblock, Stein’ (hell. u. sp.). Daneben πέτρος m. (f.) ‘Felsblock, Stein’ (vorw. poet. seit Il.). Kompp., z.B. πετρ-ηρεφής ‘mit Felsen bedeckt’ (A., E.), πετρο-βόλος ‘Steine werfend’ mit -ία (X., Plb. u.a.); ὑπό-πετρος ‘felsig’ (Hdt., Thphr. u.a.; Kretschmer Glotta 21, 221; nicht besser Sommer A. u. Sprw. 20 f.). — Davon mehrere Adj. der Bed. ‘felsig, zum Felsen gehörig usw., steinig’ : πετρ-αῖος (poet. seit μ 231), auch als Bein. des Poseidon (Pi.; Nilsson Gr. Rel. 1, 447), -ήεις (ep. poet. seit Il.), -ινος (ion. poet.), -ώδης (ion. att.), -ήρης (S.), -ώεις (Marc. Sid.). Demin. -ίδιον n. (Arist. usw.); Adv. -ηδόν (Luk.). Ortsbez. πετρών, -ῶνος m. ‘felsiger Platz’ (Priene IIa). Denom. πετρόομαι, -όω, auch m. κατα-, ὑπο-, ‘gesteinigt werden, in Stein verwandelt werden, verwandeln’ (E., X., Lyk. usw.) mit πέτρωμα n. ‘Steinigung’ (E.), auch ‘Steinhaufen’ (Paus.; aus πέτρος erweitert, vgl. Chantraine Form. 187). Mehrere Pflanzennamen, nach dem Standort: πετρ-ίνη, -αία, -αῖον, -ώνιον, -ίς, ἐπί-πετρον usw. (Strömberg 116). — Zu πέτρα als Kollektiv neben πέτρος Wackernagel Syntax 2, 14. — Unerklärt. Nach Porzig Satzinhalte 349 eig. *’Sturz’ (zu πίπτω); hypothetisch. Nicht besser Wood ClassPhil. 3, 74ff. (zu lat. impetīgō; vgl. W.-Hofmann s.v.); Güntert Labyrinth 20 f. (aus *τέπρα umgestellt, zu taberna; s. W.-H. s. v., Kretschmer Glotta 22, 253); noch anders (zu πετάννυμι Groselj Živa Ant. 5, 111 f. Pelasgische Erklärungen bei v. Windekens Jb. f. kleinas. Forsch. 2, 349 ff. und Carnoy Ant. class. 24, 21. Ältere Versuche bei Bq. II-522-523
πεύθομαι s. πυνθάνομαι. II-523
πευκάλιμος, πευκεδανός s. πεύκη. II-523
πεύκη f. ‘Fichte’ insbes. ‘Pinus Laricio’ (seit Il.), übertr. ‘Fackel’ (Trag.). Davon πευκ-ήεις, dor. -άεις ‘fichten, zur Fackel gehörig, steckend, scharf’ (Trag. in lyr., D. P., Opp. u.a.); -ινος ‘fichten’ (S., E., Plb. u.a.); -ών, -ῶνος m. ‘Fichtenwald’ (Hdn. Gr.); -ία f. ‘Pechgeschmack’ (Tz.; wohl nach πικρία, Scheller Oxytonierung 40). — Daneben πευκάλιμος Beiw. von φρένες (ep. poet. seit Il.), auch von πραπίδες, μήδεα (Orac. ap. D. L., Inschr.); πευκεδανός Beiw. von πόλεμος (Κ 8), von βέλεμνα, ἀσπίς (Orph.), von θάλασσα (Opp.); mit opposit. Akz. πευκέδανον N. einer bitteren Doldenpflanze ‘Schwefelwurz’ (Thphr. u.a.; Strömberg 147). — Anklingende Namen der Fichte und der Kiefer begegnen im Balt., Germ. und Kelt.: apreuss. peuse f. (idg. *peuḱ-), lit. pušìs (idg. *puḱ-); Unsicheres zur Stammbildung Specht KZ 63, 96; nach Skardzius IF 62, 162 altes Wz.nomen; mit t-Erweiterung ahd. fiuhta, mir. ochtach f. (idg. *peuḱ-t- bzw. *puḱ-tākā). Wenn, wie wahrscheinlich, zum Hinterglied in ἐχε-πευχής, περι-πευκής ‘stechend, scharf’ (eig. *’mit einer Stachel, Spitze versehen’), läßt sich πεύκη als ein subst. Adj. f. "die Scharfe, die Stechende" von *πευκός ‘scharf, stechend’ verstehen wie λεύκη f. ‘Weißpappel’ von λευκός; dazu im Germ. ahd. fiuhta ‘Fichte’ wie lioht ‘Licht’. Hierher noch der Inselname Πεύκη (im Donaudelta; Skymn. u.a.; Mayer Glotta 24, 195) und der illyr. VN Peucetii (Illyrien, Unteritalien; Krahe Die Spr. d. Illyr. 1, 112 f.) mit Bildung wie gall. Leucetius Bein. des Mars, lat.-osk. Lūcetius Bein. des Iupiter. — In ἐχε-πευκής mag ein Nomen *πεῦκος n. ‘das Stechen, der Stachel’ enthalten sein (vgl. s.v.); Bildung dann wie aw. raočah- n. ‘Licht’ (idg. *leuqos-). Dazu die Adj. πευκάλιμος und πευκεδανός, für die eine Bed. ‘scharf, eindringend’ bzw. ‘scharf, stechend, bitter’ anzusetzen ist; vgl. z.B. εἰδάλιμος (: εἶδος) u.a. (Arbenz 28, Benveniste Origines 45 f.); λ-Suffix noch in πευκαλέον· ξηρόν (wie αὐαλέος u.a.), πευκαλεῖται· ξηραίνεται H.; zu πευκεδανός vgl. ῥιγεδανός (: ῥῖγος) u.a. (Chantraine Form. 362 m. Lit., Specht Ursprung 199 u. 345). — WP. 2, 15, Pok. 828, Fraenkel s. pušìs m. weiteren Formen u. Lit., Porzig Gliederung 118f.; alt. Lit. auch bei Bq s. ἐχε-πευκές. — Eine Nebenform mit Media liegt in πυγμή (s. d.) u.a. vor. II-523-524
πήγανον n. ‘Raute, Ruta graveolens’ (Diokl. Gr., Kom., Thphr. u.a.); ἀγριο-πήγανον ‘Wildraute’ (H., Aët.), πηγαν-έλαιον ‘Rautenöl’ (Mediz.). Davon πηγάν-ιον n. ‘ds.’ (Thphr., Nik.); Adj. -ινος, -ειος (Gal.), -όεις (Nik.) ‘zur R. gehörig’, -ώδης ‘rautenähnlich’ (Thphr.); -ίτης οἶνος (Gp.), -ῖτις χολή (Sopat.; Redard 98); -ηρά f., -ηρόν n. ‘Rautenpflaster’ (Mediz.); -ίζω ‘einer R. ähnlich sein’ (Dsk., Gal.). — Bildung wie λάχανον, βάκανον, πλάτανος, ῥάφανος u. andere Pfl.namen; mit lat. pāgina formal identisch, aber mutmaßlich davon unabhängig. Gewöhnlich (seit Plu.; Prellwitz, Bq, Benveniste Origines 47, Strömberg Pfl.namen 144) mit πήγνυμι verbunden, was (trotz Strömberg a. O., der von πήγνυμι in der okkasionellen Bed. ‘pflanzen’ ausgeht) noch nicht semantisch hinlänglich begründet ist. In Erwartung einer überzeugenden Begründung dieser formal nächstliegenden Herleitung muß man mit Entlehnung rechnen (Chantraine Form. 200, Schwyzer 490). II-524
Πήγασος, dor. Πάγ- m. N. eines mythischen Rosses, das von Poseidon in Roßgestalt mit Medusa erzeugt wurde (seit Hes.). Davon Πηγάσ-ειος, f. -ίς ‘zu P. gehörig’ (Ar., Mosch., AP). — Appellativische Bed. unbekannt; mithin ohne sichere Etymologie. Morphologisch sowohl mit Appellativa wie πέτασος, κόμπασος als auch mit Kosenamen wie Ἔλασος, Δάμασος vergleichbar, läßt es sich formal auf πηγαί, πηγή (Hes. Th. 282, Prellwitz, Bq, Nilsson Gr. Rel. 1, 451) oder auf πηγός ‘fest, stark, kräftig’ (ἵππους π. I 124; Kretschmer Glotta 31, 95 ff.) beziehen. Das Farbenadj. πηγός ‘weiß’ (auch ‘schwarz’), wovon nach Malten (s. Wahrmann Glotta 17, 262), Schachermeyr Poseidon (1950) 179, v. Wilamowitz Glaube 1, 275 Πήγασος stammen soll (vgl. Λεύκιππος), fußt auf falscher Homerinterpretation (Lit. s. πήγνυμι). — Vorgr. Herkunft ist selbstverständlich gut denkbar; vgl. Schwyzer 62 m. Lit. II-524-525
πηγή, dor. παγά f. ‘Quelle’, bes. ‘Springquelle’ (vgl. κρήνη m. Lit.), auch, bes. im Plur., ‘Gewässer, Ströme’ (seit Il.). Davon die Demin. πηγ-ίον (Pap. IIa), -ίδιον (Suid.); die Adj. -αῖος ‘zur Q. gehörig’ (ion. att.), -ιμαῖος ‘ds.’ (Hdn. Epim.); das Verb -άζω, auch m. ἀνα-, κατα-, ‘hervorquellen’ (Ph., AP), παγάσασθαι Aor. Inf. ‘in einer Q. baden’ (Dodona; sp.). — Bildung wie πληγ-ή, λήθ-η, ζω-ή u.a.; ohne sichere Erklärung. — Mit Hinweis auf die vielen Benennungen für ‘Quelle’ aus ‘kalt’ (z.B. aksl. studenьcь : studenъ, lit. šaltìnis : šáltas, νίβα [= νίφα]· χιόνα, καλεῖται δὲ οὕτως καὶ κρήνη ἐν Θρᾴκῃ Phot.) von Grošelj Živa Ant. 4, 173 f. zu πήγνυμαι im Sinn von ‘erstarren, gefrieren’, πηγυλίς ‘eiskalt’ (vgl. noch παγετώδης ‘eiskalt’, vom Wasser: παγετός ‘Eis’) gezogen; sehr erwägenswert. Vgl. auch zu Στύξ. Ält. Lit. m. abzulehnenden Deutungen bei Bq. II-525
πήγνυμι (seit Il.), dor. äol. πάγ-, auch -ύω (X., Arist. u.a.), πήσσω, -ττω (hell. u. sp.), Aor. πῆξαι (ἔπηκτο Λ 378; Schwyzer 751; Chantraine Gramm. hom. 1, 383), Pass. παγῆναι, πηχθῆ-ναι, Fut. πήξω, Perf. Akt. intr. πέπηγα (alles seit Il.), trans. Plqu. ἐπεπήχεσαν (D. C.), Med. πέπηγμαι (D. H., Arr. usw.), ‘befestigen, feststocken, zusammenfügen, gefrieren od. gerinnen machen’. oft m. Präfix, z.B. ἐν-, συν-, κατα-, παρα-, Ableitungen. A. Von der Hochstufe : 1. πηγός ‘fest, dicht, stark’ (ep. poet. seit I 124), wohl eig. ‘festmachend’ (vgl. Schwyzer 459, Chantraine Form. 13); sekund. ‘weiß’, auch ‘schwarz’ (sp. Bicht.; aus Hom. falsch erschlossen, Kretschmer Glotta 31, 95ff., Leumann Hom. Wörter 214 A. 8 , dazu noch Reiter Die griech. Bez. der Farben weiß, grau und braun 74 f.). 2. πηγάς, -άδος f. ‘Reif, Frost’ (Hes.); 3. πηγυλίς f. ‘frostig, eiskalt’ (ξ 476, A. R.), ‘Reif, Frost’ (AP u.a.). 3. πῆγμα (διά-, παρά-, σύμ-, πρόσ- ~ u.a.) n. ‘das Zusammengefügte, Gerüst, Gestell usw.’ (Hp., hell. u. sp.; coni. ap. A. Ag. 1198), -μάτιον (Ph., Prokl.); 4. πῆξις (σύμ-, ἔκ-, ἔμ- ~ u.a.) f. ‘das Festmachen, Befestigen, Gerinnen’ (Hp., Arist. u.a.); πήγνυσις f. ‘ds.’ (Ps.-Thales). 5. πηκτός, dor. πᾱκ- (κατά-, σύμ-, εὔ- ~ u.a.) ‘fest usw.’ (im. att.); πηκτή f. ‘aufgestelltes Netz, Stellbauer’ (Ar., Arist.), πακτά f. ‘frischer Käse’ (Theok. u.a.; vgl. Rohlfs ByzZ 37, 47); ἐμπήκτης m. ‘Anstecker (der athen. Gerichtstäfelchen)’ (Arist.; Fraenkel Nom. ag. 2, 74); πηκτίς (dor. äol. πακ-), -ίδος f. N. einer lydischen Harfe (ion. att.); πηκτικός (ἐκ- ~ ) ‘gefrieren, gerinnen machend’ (Thphr.. Dsk.). 6. πηγετός m. = παγ- (D. P.). — B. Von der Tiefstufe: πάγος, -ετός, -ερός, πάγη, πάξ, πάσσαλος, πάχνη, s. bes.; auch πάγιος ‘gedrungen, fest’ (Pl., Arist. usw.) und παγεύς m. ‘Fußgestell’ (Hero). Dazu noch πᾰκ-τός in καταπακ-τός, (Hdt.) und πακτό-ω (ἐπι-, ἐμ- ~) ‘befestigen’ (ion. att.; πακτός für überlief. πηκτός bei Hom.?; Wackernagel Unt. 11 f.). — Komposita (Zusammenbildungen) : πηγεσί-μαλλος ‘dichtwollig’ (Γ 197; -εσι- wohl nur erweiternd, Schwyzer 444m. A. 4); -πηξ, z.B. in ἀντί-πηξ, -γος f. ‘Art Kiste’ (E.; Bergson Eranos 58, 12 ff.); ναυ-πηγ-ός m. ‘Schiffsbaumeister’ (att. usw.); -πηγ-ής und -παγ-ής, z.B. εὐ-πηγ-ής. εὐ-παγ-ής ‘festgebaut’ (φ 334, Pl. u.a.), περιπηγ-ής ‘ringsum gefroren’ (Nik.); συμπαγ-ής ‘zusammengefügt’ (Pl. u.a.). — Neben dem νυ-Prasens πήγ-νυ-μι (mit sekundärer Hochstufe) steht im Latein und Germ. eine tiefstufige Bildung mit Nasalinfix: lat. pa-n-g-ō ‘befestigen, zusammenfügen’ (zur semant. Übereinstimmung zwischen Griech. und Lat. Schulze KZ 57, 297 = Kl. Schr. 217), germ., z.B. got. fahan, ahd. fāhan aus urg. *fa-n-χ-an (idg. *paḱ- neben *paĝ-) ‘festnehmen, fangen’. Ein analoges Präsenspaar ist ζεύγ-νυ-μι: iu-n-g-ō. Auch das reduplizierte Perfekt πέ-πηγ-α hat ein formales Gegenstück in lat. pe-pig-ī mit Tiefstufe wie im Opt. πεπαγοίην (Eup.). Lautlich identisch sind ferner πηγός und pāgus m. ‘Landgemeindeverband, Dorf, Gau’; auch, mit sekundärer Hochstufe, πηκτός und com-pāctus, πῆξις und com-pācti-ō. Die ursprüngliche Tiefstufe ist in πακτός und păctus (sum, neben păciscor) erhalten. Tiefstufe ebenfalls, ohne direkten Zusammenhang mit den griech. Bildungen πάγος usw., in germ., z.B. asächs. fac n. ‘Umfassung, Umzäunung’, nhd. Fach. — Eine aspirierte Nebenform will MeilletBSL 36, 110 in arm. p’akem ‘zumachen, verschließen’ finden. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 2 f., Pok. 787f., W.-Hofmann s. pangō und pacīscō. S. auch πήγανον. II-525-526
πηδάω (hyperdor. παδ-), Aor. πηδῆσαι, ‘springen, hüpfen’, vom Herzen od. Puls ‘klopfen, schlagen’ (seit Il.). sehr oft m. Präfix, z.B. ἀνα-, κατα-, ἐκ-, ἀπο-, Davon (ἀνα-, ἐκ-)πήδ-ημα n. ‘Sprung’ (Trag. u.a.; auch als Sportterminus, s. Jüthner Wien Stud. 53, 68ff.), -ησις (ἀνα-, ἐκ-, ἀπο- usw.) f. ‘das Springen, das Hüpfen’ (ion. att.), -ηθμός m. ‘Schlag des Pulses’ (Hp.), -ητής (ἐπεισ- ~ ) m. ‘Springer’ (Ptol., Gloss.), -ητικός (ἐκ- ~) ‘zum Springen geeignet’ (Arist. u.a.). Rück- bildung τρί-πηδος od. -ον " Dreisprung", ‘Trab’ (Hippiatr.). — Sekundäre Verbalbildung expressiven Charakters, u. zw. entweder deverbativ (Schwyzer 719) oder denominativ. Als Grundwort kommt im ersten Fall zunächst in Betracht ein Verb für ‘fallen usw.’ in aind. pád-ya-te (ā-pad- ‘eintreten’, apa-pad- ‘entrinnen’ usw.), germ., ags. fetan; daneben awno. feta, Prät. fat ‘den Weg zu etw. finden’, alles wahrscheinlich mit uralter Beziehung zum Wort für ‘Fuß’ (s. πούς). — Wenn denominativ, schwerlich von πηδόν zu trennen, s.d. Unhaltbar über πηδάω Deroy Les ét. class. 16, 351 ff., Ant. class. 32, 429ff. II-526-527
πηδόν n. ‘Ruderblatt’ (Od., hell. Epik). Davon πηδ-άλιον n. ‘Steuerblatt, Steuerruder’ (seit Od.) mit πηδαλι-ώδης ‘steuerblattähnlich’, -ωτός ‘mit S. versehen’ (Arist.), -όομαι ‘mit S. versehen werden’ (Simp.). Suffix wie in πέταλον, σκύταλον, -ιον u.a. (Schwyzer 483 f., auch KZ 63, 62, Chantraine Form. 245 ff., 253; vgl. auch Hermann Gött. Nachr. 1943, 8, wo Anlehnung an Fremdes ohne Grund erwogen wird). — Vom Wort für ‘Fuß’ (s. πούς) mit Dehnstufe und thematischer Erweiterung wie in lit. pėdà, dial. auch pė́das ‘Fußsohle, -spur’; nach der flachen Form und der Befindlichkeit unten am Ruder. Die urspr. Bed. schimmert vielleicht noch durch in πηδάω; s. d. II-527
πηδός (πῆδος) m. N. eines unbek. Baumes (Thphr. HP 5, 7, 6, EM 669, 40). Davon πήδινος, alte v. l. für φήγινος Ε 838 (nach Eust., EM, H.); nach Schwyzer KZ 63, 65ff. viell. auch πηδήεσσα (v. l. Λ 183 für πῑδ-). Daneben πάδος als Baumname (Thphr. HP 4, 1, 3). — Etymologie unbekannt; nach Plin. HN 3, 16 war padus ein gallischer Name der Fichte. Abzulehnender Versuch, πηδός mit πηδόν, πηδάω (und myk. Padajeu) zusammenzubringen, bei Deroy Ant. class. 32, 429 ff. II-527
πηΐσκος m. ‘Nachkomme, Sohn’ (Kreta Va). — Nicht sicher erklärt. Nach Specht KZ 66, 221 aus *πηϝ-ίσκος (nach Sp. -ιδ-κος) mit Abtönung zu πωϝ- in πῶλος. Nicht von πηός (dor. äol. παός). II-527
πηλαμύς, -ύδος f. ‘(junger) Thunfisch’ (S.Fr. 503, Phryn. Kom., Arist. usw.); -υδεία f. ‘Thunfang’, -υδεῖον n. ‘Platz des Thun- fanges’ (Str.). — Wohl von πηλός ‘Schlamm’ nach dem Aufenthaltsort, s. Strömberg Fischnamen 79ff. (auch 128ff.) mit ausführlicher Begründung; als Hinterglied wird ἀμύς = χελώνη λιμναία (s. d.) angenommen. — Sonst (z.B. Chantraine Form. 348) gewöhnlich als Fremdwort betrachtet. II-527-528
πήληξ, -ηκος f. ‘Helm’ (vorw. Il.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 46, Rodrigues Adrados Emer. 25, 109). — Bildung wie θώρηξ (-ᾱξ), οἴᾱξ u.a.; sonst dunkel. Wie so viele andere Waffen- und Rüstungsausdrücke viell. LW (Nehring Glotta 14, 184). Gewöhnlich, aber ohne eigentlichen Grund, zu 1. πέλλα ‘Melkeimer, Trinkschale’ u. Verw. gezogen; Lit. bei Bq s. v. und WP. 2, 56f. II-528
πηλίκος ‘wie groß?, wie alt?’ (ion. att.), — daneben τηλίκος, dor. τᾱλ-, ‘so groß, so alt’ (seit Il.), ἡλίκος ‘wie groß, wie alt’ (s. d.). — Mit κ-Sufflx aus idg. *qʷāli-, *tāli- in lat. qʷālis, tālis zu interr. *qʷo-, demonstr. *to-; s. πόθεν und τό. Daneben, mit kurzem Stammvokal und langvokal. Suffix, aksl. kolikъ, tolikъ (: kolь ‘quantum’, tolь ‘tantum’). Einzelheiten bei Chantraine Études 152 ff. II-528
πηλός, dor. (Sophr., Inschr. u. a.) πᾱλός m. ‘Lehm, Ton, Schlamm, Kot, Morast’ (ion. att.). Kompp., z.B. πηλο-φορέω ‘Lehm tragen’ (Ar.), ἀκρό-πηλος ‘mit Schlamm oben’ (Plb.). Davon πήλ-ινος ‘aus Ton’ (D., Arist. usw.), -αῖος ‘ds., in Schlamm lebend’ (Man., Paus.), -ώδης ‘lehmig schlammig’ (ion. att.), -ώεις ‘ds.’ (Opp.; nach εὐρώεις u.a.; Chantraine Form. 274, Schwyzer 527); -όομαι, -όω, vereinzelt mit περι- u.a., ‘von Lehm. usw. bedeckt werden, mit Lehm beschweren’ (sp.) mit -ωσις f. ‘das Beschmieren’, -ωμα n. ‘Schlamm’ (Charis.). — Expressives Denominativum προ-πηλακίζω eig. "vor sich in den Kot treten" = ‘schmählich behandeln, beschimpfen’ (att.) mit -ισμός m. ‘Schimpf, Schmach’ (ion. att.), -ισις f. ‘das Beschimpfen’ (Po.); zur Bed.differenzierung Röttger Substantivbildungen 19. Wahrscheinlich direkt von πηλός nach anderen Verba auf -ακ-ίζω (πῆλαξ nur als Erklärung von πηλακίζω EM 669, 49; letzteres auch Pap. IIIa; πηλακισμός Suid.). — Ohne überzeugende Etymologie. Mehrere Hypothesen: zu lat. palūs f. ‘stehendes Wasser’ usw. (Curtius 275 u. A. nach Bopp usw.; von Bq abgelehnt); zu aksl. kalъ ‘Schlamm, Kot’, lat. squālus ‘schmutzig’ (Meillet MSL 13, 291 f.; dagegen W.-Hofmann s.v.); zu lat. palleō ‘blaß sein’, πελιός usw. (Schulze Kl. Schr. 112; hierher nach Sch. auch palūs usw.); zu πλίνθος, -πλάθος, lit. balà ‘Sumpf’ usw. als pelasgisch (v. Windekens Ant. class. 19, 145ff., Le Pélasgique 127ff.). Nebenformen πάλκος· πηλός H. (an lit. pélkė f. ‘Sumpf, (Torf)-moor’ erinnernd), πάσκος· πηλός H. (πηλός somit auch *πασ-λός?; Sommer Lautst. 74). Zum Lautlichen noch Forbes Glotta 36, 242; weitgehende Vermutungen zur Morphologie bei Specht Ursprung 64, 117, 187, 234 (alles ganz unsicher). —Weitere Einzelheiten m. Lit. bei Bq, W.-Hofmann s. 2. palūs und 2. squālus, WP. 1, 441 u. 2, 53. II-528-529
πῆμα n. ‘Unheil, Leid, Not’ (seit Il.). Oft als Hinterglied, z.B. ἀ-πήμων ‘ohne Unheil, unbeschädigt’ (seit Il.); daraus πήμων ‘unheilvoll’ (Orph.). Denominativum πημαίνω ‘ein Leid zufügen, beschädigen’ (seit Il.). Daneben die Erweiterungen :πημον-ή f. ‘ds.’ (Trag., Vertrag ap. Th. 5, 18), πημο-σύνη f. ‘ds.’ (A. u. E. in anap., Orph.), ἀπημο-σύνη f. ‘Leidlosigkeit’ (Thgn. u.a.) = ἀπημον-ίη f. (Kall.); vgl. Wyss -σύνη 33 u. 39. — Primäres Verbalnomen, im Griech. isoliert. Ein genaues formales Gegenstück kann in aw. pāman- n. Ben. einer Hautkrankheit vorliegen; dazu, nur im Genus abweichend, aind. pāmán- m. ‘Art Hautkrankheit, Krätze’. Semantisch viel besser stimmt dazu aind. pāpmán- m. ‘Unheil, Schaden, Leid’, das eine Umbildung von pāmán- nach pāpá- ‘schlecht, schlimm, böse’ zu sein scheint. Weitere Anknüpfungen sind unsicher, s. Mayrhofer s. pāpáḫ und pāmā́ m. weiterer Lit., W.-Hofmann s. paeminōsus (ebenfalls m. Lit.). — Vgl. πηρός und ταλαίπωρος. II-529
πῆ, πῆν ‘streuen’ s. πάσσω. II-529
Πηνελόπεια (ep. seit Od.), -όπη (nachhom.), Πανελόπα (AP 6, 289) f. Gemahlin des Odysseus. — Wohl mit Solmsen KZ 42, 232f. von πηνέλοψ (vgl. Μερόπ-η : μέροψ; zu -εια Risch ̨ 50c) als alte Göttin in Vogelgestalt; andere, abzulehnende Begründung von Carnoy Les ét. class. 22, 345 f. — Nach Kretschmer WienAkAbh. 82, 80ff. (zustimmend Lesky AnzAltWiss. 4, 209) a.ls "Einschlagauszupferin" von πήνη und ὀλόπτω(?). II-529
πηνέλοψ, -οπος äol. dor. πᾱν-, m. ‘Ente oder Wildgans mit buntem Hals’ (Alk., Ibyk., Ar., Arist. u.a.). — Vgl. δρύοψ, κέρκοψ, πάρνοψ und andere Tiernamen (Chantraine Form. 259, Schwyzer 426 A. 4); sonst dunkel. Seltsame Etymologie von Carnoy Les ét. class. 22, 346 A. 19. Der Stamm findet sich auch in Πηνέλ-εως m. N. eines böotischen Führers (Il.).— Näheres über πηνέλοψ Thompson Birds s. v. — Davon wahrscheinlich Πηνελόπεια, -η; s. bes. II-529
πήνη f. ‘der auf die Spule gewickelte Faden des Einschlags, Gewebe’ (E. in lyr., AP); πῆνος· ὕφασμα H. Davon πηνίον, dor. πᾱν-, n. ‘Spule mit dem aufgehaspelten Garn’ (Ψ 762, Thphr., AP u.a.), auch übertr. von einer Art Puppe (Ar. Fr. 377, Arist.); Πηνῖτις (Πᾱν-), -ίτιδος f. "Weberin", Bein. der Athena (Ael., AP), Πανίτης m. N. eines Messeniers (Hdt.; Redard 193 u. 211). Denominativum πηνίζομαι, dor. πανί-σδομαι (Theok.), auch m. ἀνα-, ἀπο-, ἐκ-, ‘haspeln, auf-, abhaspeln’ (Kom., Arist., Thphr. u.a.) mit πήνισμα n. ‘gehaspelte Wolle’ (Ar. Ra. 1315 [A. parodierend], AP u.a.). — Mit πήνη, πῆνος werden seit Curtius und Fick einige lat. und germ. Wörter für ‘Stück Zeug, Tuch, Lappen’ verglichen: lat. pannus (-nn- expressiv?), got. ags. fana, ahd. fano m., nhd. Fahne, alle mit idg. a (germ. auch idg. ŏ) gegenüber ā in πήνη. Wenn schon die Verwandtschaft zwischen pannus und den germ. Wörtern wegen der Form in Zweifel gezogen worden ist (Ernout-Meillet), scheint die Heranziehung von πήνη wegen der ebenfalls abweichenden Bed. noch zweifelhafter. Weitere Beziehung zum. Verb für ‘spinnen’ (s. πένομαι) ist auch ganz hypothetisch. — Reiche Lit. und zahlreiche Einzelheiten bei WP. 2, 5, Pok. 788, W.-Hofmann s. pannus; vgl. noch Vasmer Russ.et.Wb. s. opóna. II-529-530
πηός, dor. äol. πᾱός m. ‘Verwandter durch Verschwägerung’ (ep. poet. seit Il.). Davon erweitert (nach πατριῶται?) παῶται· συγγενεῖς, οἰκεῖοι. Λάκωνες H. Auch im Patronymikon Πολυ-παΐδης (Thgn.). Denom., παόομαι ‘verschwägert werden’ in παώθεις (Alk.). Abstraktbildung πηοσύνη f. (A. R.; Wyss -σύνη 71). — Altertümliches Verwandtschaftswort ohne sichere Anknüpfung. Gewöhnlich (seit Froehde BB 8, 164) als *πᾱσός mit lat. par(r)i-cīda m. verbunden. Das lat. Wort ist aber weder formal (parri- od. pāri-?) noch semantisch (’Sippentöter’ od. ‘Menschentöter’ ?) eindeutig bestimmbar; s. W.-Hofmann m. Lit.; besondere Beachtung verdient die abweichende Auffassung Wackernagels, Gnomon 6, 449ff. (= Kl. Schr. 2, 1302ff.). — Fern bleibt πηϊσκος; s.d. und Wackernagel a. O. 454 A. 3. II-530
πήρα, ion. -η f. ‘Ledersack, Ranzen’ (Od., Ar. u.a.). Als Vorderglied in πηρό-δετος (ἱμάς) ‘den Ranzen bindend’ od. ‘um den Ranzen gebunden’? (AP; zur ev. akt. Bed. des Hintergliedes vgl. ὀδυνή-φατος). Davon das Deminutivum πηρίδιον n. (Ar., Men. u.a.); auch πηρ-ίς od. -ίν, -ῖνος f. ‘Hodensack’ (Nik.; zur Bildung Schwyzer 465); erweitert -ίνα f. (Gal.) = περί-ναιον (in der Bed. davon beeinflußt; vgl. s. v.). — Unerklärt; vgl. zu θύλακος und σάκκος. II-530
πηρία · ’Α<σ>πένδιοι τὴν χώραν τοῦ ἀγροῦ H. — Zu der ganz fraglichen Anknüpfung an got. fera, ahd. fiara f. ‘Seite, Gegend’ (Bezzenberger BB 5, 329 A. 8, Bechtel Dial. 2, 823) und der ebensowenig glaubhaften Verbindung mit air. īriu ‘Land’ (Stokes KZ 40, 248) s. WP. 2, 40. Ob der thess. ON Πηρείη (Β 766) hierher gehört, steht dahin. II-530-531
πηρός Kompp., z.B. πηρο-μελής ‘verkrüppelt’ (AP), ἄ-πηρος ‘unverstümmelt’ (Hdt. u.a.; Frisk Adj. priv. 13), Gegensatz ἔμ-πηρος ‘verstümmelt, verkrüppelt’ (Hdt., Hp.; Strömberg Prefix Studies 122), ἔμπαρος· ἔμπληκτος H.; mit Übergang in die σ-Stamme ἀπηρής (A. R.), ἀπαρές· ὑγιές, ἀπήρωτον. H. (att. πῆρος nach Hdn. Gr. 1, 190; vgl. Schwyzer 383) ‘an einem Gebrechen leidend’, von den Augen ‘blind’ (dazu Fraenkel KZ 72, 182), von den Gliedern ‘gelähmt’ usw. (B 599, Semon., Hp., Luk. u.a.). Erweiterung πηρώδης H. s. γυιός (neben νοσώδης). Denominativ πηρόομαι, -όω, dor. πᾱρ-, ‘verstümmelt werden, verstümmeln’ (ion. att., Gortyn) mit πήρ-ωσις f. ‘Verstümmelung’ (ion. att.), -ωμα n. ‘ds.’, auch ‘verstümmeltes Tier’ (Arist., Gal.). Rückbildung πᾶρος n. ‘Gebrechen’ (Alk.; unsicher); vgl. κῦρος, μάκρος. — Isoliert. Die gewöhnliche Verbindung mit πῆμα (z.B. Bq, WP. 2, 8, Pok. 792), scheitert, wie Wackernagel Unt. 235 A. 2 bemerkt, an dem Vokalismus: dor. παρόω (Gortyn) usw. gegenüber πῆμα (Pi., S. in lyr.). II-531
πῆχυς, dor. äol. πᾶχυς, -εος, -εως m. ‘Unterarm, Arm’ (vgl. βραχίων), auch als Maß = ‘Elle’ und übertr. in verschied Bedd. (seit Il.). Oft als Hinterglied, z.B. δί-πηχυς ‘zwei Ellen messend’ (ion. att.). Davon 1. das Demin. πηχίσκος m. (Anon. ap. Suid.); 2. die Adj. πηχυ-αῖος (ion. att., παχυ- Epich.), -ιος (Mimn., A. R.) ‘ellenlang’; 3. die Verba: πηχίζω ‘mit Ellenmaß messen’ (LXX u.a.) mit πηχ-ισμός m. ‘Messung mit Ellenmaß’ (LXX, Pap. u.a.), -ισμα n. ‘das Ellenmaß’ (Sm.); πηχύνω (περι-~) ‘umarmen’ (hell. u. sp. Epik). — Altererbte Körperteilbezeichnung, in mehreren Sprachen erhalten: aind. bāhú-, aw. bāzu- m. ‘Unterarm, Arm, Vorderfuß, -bein beim Tier’, germ., z.B. awno. bōgr, ahd. buog m. ‘der obere Teil des Vorderbeins, Bug’; idg. *bhāĝhu-; dazu, mit unklarer Umbildung des Stamms, toch. A poke, B Obl. pokai ‘Arm’ (zum Lautlichen v. Windekens Orbis 11, 191 f. u. 12, 190). Auch auf italischem. Boden war das Wort einmal lebendig, wenn mit Pisani KZ 71, 44 lat. trifāx, -ācis ‘eine drei Ellen lange Waffe’ als oskisches LW hierher gehört. —Ein zugrunde liegendes Verb, idg. *bhaĝh-, will Benveniste BSL 52, 60 ff. auf iran. Boden in oss. i-væz- ‘ausstrecken’ (iran. *băz-) sehen; nicht besonders glaubhaft, vgl. Mayrhofer s. bāhúḥ m. Lit. II-531
πῖαρ Nom. Akk. n. ‘Fett, Talg’ (ep. ion. seit Il). Daneben πίων, n. πῖον, f. πίειρα ‘fett, fruchtbar, reich’ (seit Il.), wozu als Neubildung πιερός, πιαρός ‘ds.’ (Hp., Arist.); Steigerungsformen πιό-τατος, -τερος (seit Hom.) mit neuem Posit. πῖος (Epich., Nik. u.a.; vgl. Leumann Mus. Helv. 2,5f. = Kl. Schr. 219); davon πιότης f. ‘Fettigkeit’ (Hp., Arist. usw.) Poet. Erweiterung πιήεις ‘ds.’ (AP). Denom. Verb πιαίνω, Aor. πιᾶναι, auch m. δια-, κατα- u.a., ‘fett machen, mästen, bereichern’ (Pi., ion. att.) mit πία-σμα n. ‘Mästung, Mast’ (A.), ποτι-πία-μμα n. ‘(auf dem Altar) gebliebenes Fett’ (Kyrene; zum Lautlichen vgl. Schwyzer 524 m. A. 2), -σμός m. ‘Mästung’ (Ael.); -ντήριος (Hp.), -ντικός (Apoll. Lex.) ‘fett machend, mästend’. — Mit entsprechendem λ-Suffix: πιαλέος ‘fett’ (ion. poet., sp. Prosa; Chantraine Form. 253), vereinzelt πίαλος ‘ds.’ (v. l. für σίαλος [Hp.], wohl danach umgebildet; vgl. Güntert Reimwortbild. 127 f., wo unrichtig über πιαλέος). — Für sich steht πιμελ-ή f. ‘Fett, Schmalz’ (ion. att.) mit -ώδης ‘fettartig’ (Hp., Arist.), -ής ‘ds.’ (Aq., Luk. u.a.). — Zu πίων, πίειρα aus *πίϝων, *πίϝειρα stimmen aind. pī́van-, pī́varī ‘fett, strotzend’; dem. r-Stamm in πῖ[ϝ]αρ entspricht im Indoiran. ein s-Stamm aind. pī́vas- = aw. pī́vah- n. ‘Fett, Speck’ (der übrigens aus einem älteren r-Stamm hervorgegangen sein könnte). Dazu, als ind. Neubildung, pīvaráwie πιερός zu πίειρα. Hierher noch myk. PN pi-we-ri-di, -si (Heubeck Praegraeca 42) ? Eine alte r-Ableitung ist auch in air. īriu ‘Erdboden, Land’ (lautlich mehrdeutig) vermutet worden. Der l- Stamm in πιαλέος läßt sich dagegen außerhalb des Griechischen nicht belegen. Eine alte athemat. Nebenform kann im. epeirotischen Gen. sg. Πείαλ-ος vorliegen (Schwyzer 484 m. Lit.). — Neben dieser Gruppe mit der wohlbekannten Suffixvariation u̯er : u̯en : u̯es : u̯el (z.B. Benveniste Origines 45 f.; idg. *pī-u̯er-, -u̯r̥- usw.) steht mit mel- Suffix πῑ-μελ-ή (Frisk Eranos 41, 50ff.). Die darin enthaltene m-Bildung scheint auch in lat. opīmus ‘fett, wohlgenährt’ vorhanden zu sein; eine überzeugende Erklärung des anlaut. o- steht indessen noch aus. — Alle diese Bildungen gehen auf ein Verb zurück, das im Altind. erhalten ist, z.B. Präs. páyate ‘strotzen, übervoll sein’, besonders von Fett oder Milch, Ptz. pīná- ‘feist, dick’. Zu den aind. Wörtern ausführ- lich Mayrhofer II 212 u. 297 f. m. Lit.; zur Sippe im allg. WP. 2, 73ff., Pok. 793f., auch W.-Hofmann s. opīmus und pinguis (vgl. auch παχύς); ebenfalls m. Lit. — Vgl. πῖδαξ. II-532
πίγγαλος · σαῦρος ὁ καλούμενος χαλκίς H. — Mit dem auch semantisch nahestehenden aind. (ved.) pingalá- ‘rötlich, braungelb’ formal identifizierbar (griech. Barytonese substantivierend; Prellwitz Glotta 19, 118). Eine Variante davon ist aind. piñjára- ‘rötlich gelb, goldfarben’; nähere Auskünfte bei Mayrhofer s. vv. Ein anklingendes Wort (πίγγα?, πίγγαν?) scheint in der drauf folgenden Glosse zu stecken: πιγγανεόσ-σιον. ’Αμερίας γλαυκόν. — Weitere Beziehungen s. ποικίλος. II-532-533
πῖδαξ, -ᾰκος m. ‘Erguß, Springquelle’ (ep. ion. poet. seit Π 825); πολυ-πῖδαξ ‘mit vielen Quellen’ (ep. seit Il.; zur Form des Hintergliedes Sommer Nominalkomp. 69f.). Davon πιδακ-ῖτις f. ‘zu einer Quelle gehörig’ (Hp. Ep.; Redard 25), -όεις ‘quellenreich’ (E. u.a.), -ώδης ‘ds.’ (Plu.). — Daneben πιδήεσσα f. ‘ds.’ (Ἴδη Λ 183; gut bezeugte v.l. πηδ-; s. π ηδός); πιδυλίς (cod. πηδ-)· πέτρα, ἐξ ἧς ὕδωρ ῥέει H. — Verba: πιδάω auch m. δια-, ‘hervorquellen, -sprudeln’ (Arist. u.a.); πιδύω auch m. ἀνα-, ἀπο-, δια-, ‘ds.’ (Hp., Arist., Thphr. u.a.); πίδυσις f. ‘das Durchsickern’ (Hp.). — Bei der sehr starken Produktivität und formalen Variation der Nomina auf -ᾰξ (Chantraine Form. 276ff., Schwyzer 497) läßt sich die Grundlage von πῖδαξ nicht sicher bestimmen. Ein Nomen *πίδ-η, -ος liegt wegen πιδάω, -ήεσσσα nahe; daneben lassen πιδ-ύω, -υλίς am ehesten auf einen υ-Stamm *πῖδυς schließen. — Sichere außergriech. Verwandte fehlen; zum Vergleich werden seit Fick (1, 482; 3, 241; vgl. auch Curtius 655) die germ. Wörter für ‘fett’ herangezogen, z.B. awno. feitr, mhd. veiz, urg. *faita-, awno. fita f. ‘Fett’, urg. *fitō-n-; idg. poid-: pĭd-. Bei Abtrennung des -d- kommt man auf pi- in πῖαρ usw. (s. d.) zurück; eine Verbindung, die sich semantisch besser für die germ. als für die griech. Wörter eignet. Vgl. auch πίσεα und πίτυς. II-533
πιέζω (seit Il.), -έω (Hom. u.a. als v.l.; Hp., Herod., Plb. u.a.), Aor. πιέσαι (ion. att.), Pass. πιεσθῆναι (seit θ 336), auch πι-έξαι, -εχθῆναι (Hp., Epidaur. u.a.); Fut. πιέσω, Perf. Med. πεπίεσμαι (Arist. u.a.; -ίεγμαι Hp.), Akt. πεπίεκα; daneben πιάζω (Alkm., Alk., hell. u. sp.). πιάσαι (-άξαι Theok.), πιασθῆναι, πεπίασμαι (hell. u. sp.), vereinzelt m. ἐπ-, ἀπο- u.a., ‘drücken, pressen, bedrängen’. oft m. συν-, ἐκ-, ἀπο- u.a.; Davon 1. πίε-(πία-)σις (συν-, ἀπο-~ u.a.) f. ‘das Drücken, der Druck’ (Pl., Arist. u.a.); 2. -σμός (ἐκ-, συν- ~ u.a.) m. ‘ds.’ (Hp., Arist. u.a.); 3. -σμα (ἀπο-, ἐκ- ~ u.a.) n. ‘Druck, gepreßte Masse’ (Hp., Eub. u.a.); 4. -στήρ m. ‘Presser, Presse’ (att. Inschr., Mediz.) mit -στήριος ‘pressend’, n. ‘Presse’ (Dsk. u.a.); 5. -στρον n. ‘ds.’ (Hp., Gal.). — Zu πιεζ-έω als Neubildung neben älterem πιέζ-ω vgl. κυρ-έω neben κύρ-ω u.a. (Schwyzer 721). Auch πιάζω ist Neubildung (nach den Verba auf -άζω; viell. auch lautlich zu erklären; s. Schwyzer 244 m. Lit., u.a. Wackernagel IF 25, 336f. = Kl. Schr. 2, 1032 f.). — Nicht sicher gedeutet. Große semantische und lautliche Ähnlichkeit zeigt aind. pīḍáyati ‘drücken, pressen, verletzen’, das zunächst für *pizd- steht und somit gr. *πίζω entsprechen würde. Dafür πιέζω nach ἕζω (Schwyzer 721 A. 5)? Anders, sehr hart, Kuiper Acta Or. 12, 227f.: πιέζω aus *pii̯es-dō als Hochstufe von *pis-d- in aind. pīḍ-. Weitere Kombination hypothetisch: *piz-d- aus *pis-d- als d-Erweiterung von idg. pis- in lat. pīnsō ‘zerstoßen’ u.a. (Fick, Curtius u. A.; vgl. πτίσσω). — Früher (Brugmann, Osthoff usw.; s. Bq s.v. und WP. 2, 486 [Pok. 887]) aus *(e)pi-sed-i̯ō bzw. *(e)pi-zd- (> pīḍáyati) eig. *"draufsitzen" = ‘drücken’ erklärt; dagegen Kuiper a. O. und Mayrhofer s. v. m. reicher Lit. und zahlreichen Einzelheiten. II-533-534
πίθηκος (ion. att. seit Archil.), dor. -ᾱκος (Ar. Ach., ägypt. Inschr.) m. ‘Affe’. Einige Kompp., z.B. πιθηκο-φαγέω ‘Affen-(fleisch) essen’ (Hdt.), χοιρο-πίθηκος m. "Schweinsaffe", ‘Affe mit Schweinsrüssel’ (Arist.). Ableitungen: 1. Deminutiva: πιθήκ-ιον n. (Plaut.), auch übertr. als Pflanzenname (Ps.-Apul.) und als Bez. eines zwischen zwei Kriegsschiffen aufgehängten Gewichts (Ath. Mech.); -ιδεύς m. (Ael.; Bosshardt 72). 2. Adj.: -ώδης ‘affenähnlich’ (Arist., Ael.), -ειος ‘zum Affen gehörig, affen-’ (Gal. u.a.); -όεις, f. -όεσσα in Πιθηκοῦσσαι νῆσοι f. pl. ‘die Affeninseln’ vor der Küste Kampaniens (Arist., Str.). 3. Verb -ίζω, auch m. ὑπο-, δια-, ‘den Affen spielen’ mit -ισμός m. ‘Affenstreich’ (Ar. u.a.). — Mit Umbiegung ins Fem. und übertragener Bed. πιθήκη f. = ψύλλα, ‘Floh’ (Ael.); als Konsonantstamm πίθηξ, -ηκος (Aesop. u.a.), sekundär nach φύλακος : φύλαξ u.a. Für sich steht πίθων, -ωνος m. ‘kleiner Affe’ (Pi., Babr.), wohl Kose- und Kurzname; zu -ων Chantraine Form. 161, Schwyzer 487. — Zum κ-Suffix vgl. ἱέρᾱξ, μύρμηξ u.a.; thematischer Vokal wie in ψιττακός. — Seit Solmsen RLM 53, 141 gewöhnlich zu lat. foedus ‘häßlich’ als damit urverwandt (idg. bhidh-: bhoidh-) gestellt mit Hinweis auf das Oppositum καλλίας (s. d.). Eher LW; s. Nehring Glotta 14, 184 und Schrader-Nehring Reallex. 1, 16f.; vgl. noch WP. 2, 186. II-534
πίθος m. ‘großes, oben offenes, meist irdenes Gefäß zur Aufbewahrung des Weines usw.’ (seit Il.). Einige Kompp., z.B. πιθ-οίγ-ια n. ‘Faßöffnungsfeier’ (Plu.); vgl. zu οἴγνυμι. Davon πιθάκνη (Thasos Va, auch in Hss. d. Att. neben) φιδάκνη (A., D., Thphr., Moer. u.a.), dor. πισάκνα (H.) f.; deminutivisch wie κυλίχνη, πελίχνη u.a. (Chantraine Form. 195); -άκνη für -ίκνη (aus -ίχνη n-. Hauchdissim.) wohl wegen ι in πιθ-; att. φιδ- für φιτ- (vgl. χιτών) nach φείδομαι?; πιθάκνιον n. (Eub., Hyp., Luk.), -νίς f., φιδ- (Poll.). — Andere Ableitungen: 1. Deminutiva πιθ-ίσκος n.-. (Plu. Cam. 20), -άριον n. (H., EM); 2. πιθ-(ε)ών, -ῶνος m. ‘Keller’ (Kom., Inschr. IV—IIIa); 3. -ίας m. ‘Faßkomet’ (Seneca u.a.; Scherer Gestirnnamen 107); 4. -ῖτις, -ιδος f. ‘Art Mohn’ (Dsk.; Redard 75); 5. -ώδης ‘faßähnlich’ (Arist.). — Ohne genaue außergriech. Entsprechung. Große Ähnlichkeit zeigen lat. fidēlia f. ‘Gefäß aus Ton, Glas usw.’, das für *fides-liā stehen kann, und einige nordgerm. Wörter, z.B. awno. biða f. ‘Milchkübel’. Es würde sich also um eine uralte Faßbezeichnung handeln; gemeinsame idg. Grundform *bhidh-. Einzelheiten m. reicher Lit. (und abzulehnender weiterer Anknüpfung an angebliches *bheidh- ‘binden’) bei W.-Hofmann s.v.; auch WP. 2, 185 und Pok. 153. — Lat. fiscus weicht begrifflich ab und ist lautlich mehrdeutig. II-534-535
πικρός ‘scharf, spitz, stechend, bitter, schmerzhaft’ (seit Il.; zur Bed. Treu Von Homer zur Lyrik 78 u. 273). Kompp., z.B. πικρό-χολος ‘voll bitterer Galle’ (Hp. u.a.), γλυκύ-πικρος ‘süßbitter’ (Sapph.; Risch IF 59, 32). Davon 1. Abstrakta: πικρ-ότης f. ‘Schärfe, Bitterkeit usw.’ (ion. att.), -ία f. ‘ds.’ (D., Arist., hell. u. sp.). 2. Pflanzennamen: πικρ-άς, -ίς, -ίδιον (Arist., Thphr., Ps.-Dsk. u.a.); Strömberg Pfl.namen 63; -άς f. auch ‘saurer Boden’ (Pap. IIIa); -ίδιος als Adj. ‘etwas bitter’ (Ath.). 3. Verba: a. πικρ-αίνομαι, -αίνω, auch m. ἐκ-, ἐν-, παρα- u.a., ‘bitter werden, erbittern; bittermachen’ (ion. att.) mit -ασμός (παρα-~) m. ‘Erbitterung’ (LXX, Ep. Hebr.), -αντικῶς Adv. ‘in erbitternder Weise’ (S.E.); b. πικρ-όομαι, fast nur mit ἐκ-, ‘ds.’ (Hp., Arist., Thphr. u.a.) mit -ωσις f. (Gal.); Rückbildung ἔκπικρος ‘sehr bitter’ (Arist.; Strömberg Prefix Studies 73); c. πικρ-άζομαι, -άζω, auch m. ἐκ-, ‘ds.’ (S. E. u.a.). 4. Substantivierung πίκρα f. Ben. eines Gegengifts (Alex. Trall.). 5. PN Πρίκων m. (Eretria, Tanagra) mit Metathese wie in ngr. πρικός (Kretschmer Glotta 6, 304; anders Bechtel KZ 45, 155). — Mit einem slav. Wort für ‘bunt’, z.B. aruss. kslav. pьstrъ formal identisch: idg. *piḱros, von einem Verb ‘stechen, schneiden, sticken, malen’ in aind. piṃśáti (Nasalpräs.) ‘aushauen, zurechtschneiden, schmücken’, slav., z.B. aksl. pьsati ‘schreiben’; weitere Verwandte s. ποικίλος. — Mit πικρός sind auch ein paar indoiran. Wörter identifiziert worden: pashto p(u)šəī f. ‘Art Rhabarber, Rheum emodi’ (Morgenstierne Sarūpa-Bhāratī [Hoshiarpur 1954] 1; zweifelnd), aind. śilpá- ‘bunt’ (aus *piślá- umgestellt; Tedesco Lang. 23, 383ff [?]). Nach Machek Zeitschr. f. Slawistik 1, 36 hierher noch slav. prikrь ‘widerlich, herb, scharf’; dagegen Vasmer Wb. s. príkryj. II-535-536
πῖλος m. ‘Filz, Filzhut’, auch ‘Filzschuh, -decke usw.’ (seit Κ 265); als Pfl.name ‘Zunderschwamm, Polyporus igniarius’, auch ‘Lotuskeim’ (Thphr.). Einzelne Kompp. wie κραταί-πιλος ‘mit hartem Filz’ (A. Fr. 430 = 624 M.). Davon 1. Deminutiva: πιλ-ίον (Arist., hell.), -ίδιον (att.), -άριον (Mediz.), -ίσκος (Dsk.). 2. Adj. -ινος ‘aus Filz’ (Andania Ia, Poll.) -ωτός ‘ds.’ (Str.), -ώδης ‘filzähnlich, zusammengepreßt’ (Ptol.). 3. Verba. a. πιλέω, auch m. Präfix, bes. συν-, ‘filzen, zusammenpressen, dicht machen, kneten’ (att., hell. u. sp.) mit πίλ-ησις f. ‘das Filzen, Dichtmachen, die Zusammenziehung vor Kälte’ (Pl., Thphr. usw.), -ημα n. ‘Filzung, geflizter Stoff’ (Arist. usw.), -ητικός, -ή (τέχνη) ‘zum Filzen gehörig, die Kunst des Filzens’ (Pl., Arist. u.a.; Chantraine Études 135, 137, 140); b. -όομαι, -όω, auch m. συν-, προσ-, ‘(sich) ver- dichten, (sich) zusammenziehen’ (Thphr. u.a.) m. -ωσις (v.l. zu -ησις, Thphr.). — Anklingende Ausdrücke für ‘Filz usw.’ begegnen im Latein, Germ. und Slav. : lat. pilleus, -eum ‘Filzkappe, -mütze’, germ., z.B. ahd. filz m., ags. felt m. (n.?), slav., z.B. aruss. pъlstъ f. ‘Filzdecke’, russ. pólstь f. ‘Decke, Teppich, Filz’. Die germ. Wörter gehen auf urg. *filti-, *felta- zurück (urspr. s-Stamm *filtiz- : *feltaz- aus idg. *peldos- n. ?) und können zu ahd. nhd. falzen ‘anfügen, an-, einlegen’ usw. gehören; sie würden dann ausscheiden. Die slav. Wörter sind mehrdeutig: sie können vor dem ausgehenden -ti- sowohl d wie s enthalten. Auch lat. pilleus läßt mehrere Deutungen zu: um einerseits eine Brücke zu πῖλος zu schlagen, anderseits eine Verbindung mit pilus ‘Haar’ zustandezubringen, setzt man seit J. Schmidt KZ 32, 387 f. (so noch Brüch IF 63, 237) ein urspr. *pil-s- an, das Schwundstufe von idg. *pilos- n. neben *pilo- m. ‘Haar’ sein soll, eine für ihre Entstehungszeit charakteristische aber wenig befriedigende papierene Konstruktion. —Wohl am ehesten ein altes Kulturwort aus unbekannter Quelle (vgl. Ernout BSL 30, 115). — Einzelheiten m. reicher Lit. bei W.-Hofmann s. pilleus und Vasmer Wb. s. pólstь; auch WP. 2, 71 und Pok. 830. Zum Lautlichen noch Forbes Glotta 36, 243, zur Wortbildung Specht Ursprung 233 u. 239, zur Sache Schrader-Nehring Reallex. 1, 311. II-536
πίμπλημι, -αμαι (seit Il.), -άνεται 3. sg. (I 679), selten -άω, -έω (Hp. u.a.), auch πλήθω (intr., sp. auch tr.; vorw. ep. poet. seit Il.). Aor. πλῆ-σαι, -σασθαι, -σθῆναι, (seit Il.), intr. πλῆ-το, -ντο (ep.), ἐν-έπλητο usw. (att.), Fut. πλή-σω, -σομαι (seit Od.), -σθήσομαι (att.), Perf. Med. πέπλησμαι (ion. att.), Akt. πέπληκα (att.), intr. πέπληθα (poet.); ‘füllen, vollmachen’, intr. ‘sich füllen, voll werden od. sein’. Ableitungen: 1. πλέως (auch m. ἐν-, ἀνα-, ἐκ-u.a. zu ἐμ-πίμπλημι usw.), ion. πλέος, ep. πλεῖος = *πλῆος, ntr. πλέον ‘voll’ (seit Il.). Zum Komp. πλείων mit Sup. πλεῖστος s. bes. — 2. πλή-μη f. ‘Hochwasser, Flut’ (Plb., Str. u.a.), -σμη f. ‘ds.’ (Hes. Fr. 217), -μα· πλήρωμα H., -σμα n. ‘Befruchtung’ (Arist.); -σμιος ‘sättigend, Überdruß erregend’ (Epikur., Mediz. u.a.); -σμονή f. ‘Fülle, Überfüllung, (Über)-sättigung’ (ion. att.; Schwyzer 524, Chantraine Form. 207) mit -σμονώδης (Hp., Gal.), -σμονικός (Pythag. Ep.) ‘(über)-sättigend’. Zu πλήμνη s. bes. — 3. πλή-ρης ‘voll’ (ion. att. usw.); als Vorderglied z.B. πληρο-φορέω ‘erfüllen’ (Ktes., LXX, NT, Pap.); davon πληρό-της f. ‘Vollheit’ (Plu. u.a.), πληρ-όω, sehr oft m. Präfix, z.B. ἀνα-, ἐκ-, ἀπο-, συν-, ‘voll machen, (er)füllen, vollenden, voll bezahlen’ (ion. att. usw.) mit -ωμα (ἀνα-, συν- u.a.) n. ‘Füllung, Füllstück, Vollzahl, volle Bezahlung, (volle) Bemannung’ (ion. att.), -ωσις (ἀνα-, ἐκ- u.a.) f. ‘Erfüllung, Vervollständigung, Befriedigung’ (ion. att.; Holt Les noms d’action en -σις 128), -ωτής (ἐκ-, ἀπο-) m. ‘Vollender, Vollstrecker, Einsammler’ (att. usw.), -ωτικός (ἀνα-, συν- u.a.) ‘erfüllend, vollendend’ (Epikur., Mediz. u. a.). — 4. πλῆ-θος n. ‘Fülle, (Volks)menge, Haufe’ (seit Il., dor., ark.); oft als Hinterglied, z.B. παμ-πληθής ‘aus einer ganzen Menge bestehend, sehr zahlreich’ (att.); -θᾱ f. ‘ds.’ (lokr., böot.); -θύ̄ς, -θύος f. ‘ds.’ (ion. kret. lokr. hell. usw.; Bechtel Diab. 2, 791f., auch Ruijgh L’élém. ach. 110 gegen Leumann Hom. Wörter 294 f.) mit -θύω ‘voll sein, voll werden, zunehmen’, -θύνομαι, -θύνω ‘der Menge angehören, ihr zustimmen, sich verrnehren; voll machen, vermehren’ (A., Arist., LXX, NT u.a.); davon -θυσμός m. ‘Vermehrung’ (Prokl., Simp. u.a.), -θυντικός ‘pluralisch’ (Gramm. u.a.); 5. πληθ-ώρα, ion. -η f. ‘Fülle’, rnediz. ‘Plethora, Vollblütigkeit’ (ion. hell.; zur sekundären Barytonese Wackernagel-Debrunner Phil. 95, 181 f.) mit -ωριάω ‘an P. leiden’. -ωρικός ‘plethorisoh’ (Gal.), -ωρέω ‘voll sein’ (Suid.). sehr oft m. Präfix, z.B. ἀνα-(συν-ανα-, προσ-ανα- u.a.), ἐν- (ἀντ-εν-, παρ-εν- u.a.), Als Vorderglied in einigen verbalen Rektionskompp., z.B. πλησίτιος ‘die Segel füllend’ (Od., E. in lyr.), ‘mit vollen Segeln’ (Ph., Plu.). — Der sigmatische Aorist 3. sg. ἔ-πλησ-ε ist (bis auf das hinzugefügte -ε) mit aind. á-prās identisch: idg. *é-plēs-t; zur 1. pl. Präs. πίμ-πλα-μεν stimmt ebenfalls, von der sekundären Nasalierung des Präsens abgesehen, aind. pi-pr̥-más : idg. *pi-pl̥-mé(s). Auch 3. sg. πίμ-πλη-σι hat ein außergr. Gegenstück, u. zw. in aw. ham-pā-frāi-ti ‘füllt an’ gegenüber aind. pí-par-ti aus idg. *pi-pel-ti. Sowohl im Griech. wie im Iran. trat im Sing. die langvokalische Hochstufe plē- nach anderen Formen (z.B. dem Aor. *é-plēs-) für das wohl ältere aind. pí-par-ti ein. Nach Muster von τίθημι : τίθεμεν bildete man gelegentlich Formen wie Ptz. pl. f. πιμπλεῖσαι (Hes.: τιθεῖσαι). Zu πέ-πλη-θ-α vgl. noch aind. pa-prā́[u] (zu θ unten). — Das r-Suffix in πλή-ρης (für älteres *πλη-ρο-ς? Schwyzer 513) ist sowohl in arm. li-r ‘Fülle’ (aus *plē-r-i-) wie in lat. plē-rus ‘zum größten Teil’, plērī-que ‘die meisten’ (s. W.-Hofmann s. v.) zu belegen. Auch πλέως aus *πλῆος (= hom. πλεῖος), *πλη-(ι)ος läßt sich mit arm. li ‘voll’ gleichsetzen (bessert als li aus *plē-tos = lat. -plētus u.a.). Das m-Suffix in πλή-μη. -μα scheint auch in lat. plēminābantur· replēbantur (Gloss.; von *plēmen = πλῆμα) vertreten zu sein. — Wie πλῆ-θος : πλή-θω, πέ-πλη-θα auch βρῖ-θος : βρί-θω : βέ-βρι-θα (s. d. und Schwyzer 511 u. 703); mit πλῆθος, -θύ̄ς (worüber Schwyzer 463f. und Frisk Eranos 43, 221) wird lat. plēbēs aus idg. *plēdhu̯ēs verglichen (vgl. W.-Hofmann s. v.); wohlbegründeter Zweifel bei Ernout-Meillet s. v. — Weitere Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 2, 63f., Pok. 799f., W.-Hofmann s. pleō, Mayrhofer s. píparti1; ältere Lit. auch bei Bq. Zu den griech. Formen noch Schwyzer 689. — Vgl. πολύς, πλείων, πλήμνη. II-537-538
πίμπρημι, Inf. -άναι (ion. att.), auch -άω (X., Plb. u.a.), Ipf. ἐν-έπρηθον (I 589), Fut. πρήσω, Aor. πρῆσαι (seit Il.), Pass. Aor. πρησθῆναι, Perf. πέπρησμαι, -ημαι (ion. att., auch epid.), Perf. Akt. πέπρηκα (Hp., sp.), ‘(an)- blasen, aufblasen, anfachen, anzünden, verbrennen’. oft m. Präfix, bes. ἐν-, Davon 1. πρηστήρ, -ῆρος m. ‘Sturmwind, Orkan, zündender Blitzstrahl, Blitz’ (seit Hes.), auch ‘Blasebalg, Halsader’ und N. einer Entzündung verursachenden Schlange (Arist., Dsk. u.a.; Fraenkel IF 32, 108 f. u. 120) mit πρηστηριάζω ‘mit Blitz verbrennen’ (Hdn. Epim.); ἐμπρηστής m. ‘Brandstifter’ (Aq., Ptol.). 2. πρῆσις (meist ἔμ-~) f. ‘Aufblasung, Entzündung, Verbrennung’ (ion. att., Aret.); 3. ἐμπρησμός m. ‘Entzündung, Verbrennung’ (hell. u. sp.); 4. πρῆσμα n., -μονή f. ‘ds.’ (Gal., Hippiatr.); παραπρή(σ)ματα n. pl. ‘Entzündungen an den Beinen des Pferdes’ (Pap. u.a.). 5. πρηστικός ‘aufblasend’ (Hp. ap. Gal.). Auch 6. πρηδών, -όνος f. ‘ent- zündliche Geschwulst’ (Nik., Aret.; Chantraine Form. 361) und, mit μ-Suffix, πρημαίνω ‘heftig blasen’ (Ar. Nu. 336 [lyr.], Herod.), πρημονάω etwa ‘schnauben, toben’ (Herod.). wie von *πρῆ-μα, *πρη-μονή. — Als Hinterglied in βού-πρηστις, -ιδος. -εως f. "Rinderentzünderin" N. eines giftigen Insekts (Hp. u.a.); zur Bildung vgl. βού-βρωστις. Zum Simplex πρῆστις, das u.a. als Fischname neben πρίστις belegt ist, s. Strömberg Fischn. 44 m. Lit., auch Thompson Fishes s. v. — Die Reihe πίμπρημι : πιμπράναι : πρήσω : πρῆσαι : πρησθῆναι : πρήθω stinnnt genau zu der entsprechenden Reihe πίμπλημι : πιμπλάναι usw.; s.d. und Schwyzer 688f., 703 u. 761 m. weiteren Einzelheiten. Wie die einzelnen Formen zu beurteilen sind und wie sich das System herausgebildet hat, läßt sich mangels entsprechender außergriechischer Bildungen nicht ermitteln. Zum Vergleich sind allerlei Wörter mit anlautendem pr- herangezogen worden, z.B. aind. próthati ‘keuchen, schnauben’, pruṣṇóti ‘besprengen’, germ., z.B. awno. frūsa, frysa, schwed. frusta ‘schnauben’, heth. parāi-(prāi-?) ‘hauchen, blasen, anfachen’. Ursprünglich lautnachahmend wie noch (mit beibehaltenem pr-) nd. prusten. —Zahlreiche weitere Formen m. Lit. bei Bq s. v., WP. 2, 27 f., Pok. 809. II-538-539
πίναξ, -ακος m. ‘hölzernes Brett, Teller, Schreibtafel, öffentliches Verzeichnis, Karte, Gemälde’ (seit Il.). Einige Kompp., z.B. πινακο-θήκη f. ‘Gemäldesammlung’ (Str.), λειχο-πίναξ m.. ‘Tellerlecker’ als Scherzname (Batr.). Mehrere Deminutiva: πινάκ-ιον (att. usw.), -ίς (Kom. u.a.), -ίδιον (Hp., Arist. u.a.), -ίσκος (Kom.), -ίσκιον (Antiph.). Sonstige Abl.: πινακ-ι-κός ‘zur Tafel gehörig’ (Vett. Val. u.a.), -ιαῖος ‘dick (groß) wie ein πίναξ’ (Hippiatr.), -ωσις f. ‘Brett-, Tafelwerk’ (Plu.); -ιδ-ᾶς m. ‘Verkäufer von πινακίδες’ (Hdn. Gr.); -ηδόν ‘brettweise’ (Ar.). — Technisches Wort wie κάμαξ, κλῖμαξ, στύραξ, πύνδαξ u. a. m. (Chantraine Form. 377f., Schwyzer 497). Seit Fick 1, 83 u. 482 mit aind. pínākam n. ‘Stab, Stock’, slav., z.B. ksl. pьnь, russ. penь m. ‘Baumstumpf, Klotz, Stamm’ zusammengestellt, was gewiß möglich ist; zur Bed. vgl. lat. caudex (-o-) ‘Baumstamm, Klotz, hölzerne Tafel, Buch’. Die suffixale Übereinstimmung zwischen Griech. und Aind. (bis auf die Quantität) ist kaum alt. — WP. 2, 71, Pok. 830, Vasmer s.v.; von Mayrhofer s.v. mit Rückhalt empfohlen. II-539
πίνη, jünger πῖνα (Solmsen Wortforsch. 255; codd. meist -νν-gegen -ν- in Pap. u. Inschr.) f. ‘Steckmuschel’, spät auch ‘Perlmutter, Perle’ (Kom., Arist., Pap. u.a.). Einige Kompp., z.B. πινο-τήρης m. "Steckmuschelwächter", N. einer Krebsart (S., Ar., Arist. u.a.), ἀληθινό-πινος ‘aus echten Perlen be- stehend’ (Pap. IIp). Davon πιν-άριον ‘Perlmutter, Perle’ (Pap.), -ικόν ‘Perle’ mit -ίκιος ‘perlen’ (Peripl. M. Rubr.), -ινος ‘zur πίνη gehörig’ mit λίθος = ‘Perlmutter’ (LXX), -ώτιον ‘Ohrring aus Perlen’ (Pap. IIIp); wohl haplologisch für *πιν-[εν]ώτιον. — Mittelmeerwort unbek. Ursprung. Lewy KZ 55, 28 denkt an hebr. pĕnin ‘Koralle’. II-539-540
πῖνον n. ‘Bier’ (Arist.). — Wohl Fremdwort, nach πίνω umgeformt (vgl. Schwyzer 693 A. 8). II-540
πίνος m. ‘Schmutz an Kleidern, am Körper, im Haar, der fettige Schmutz der Wolle’ (Trag., Paul. Aeg.), ‘Überzug, Patina auf Bronze, Metallen’, übertr. vom altertümlichen Stil (D. H., Plu. u.a.). Als Hinterglied (mit Umbiegung in die σ-Stämme) u.a. in ἀ-πινής ‘ohne Schmutz, rein’ (Ath.), δυσ-, κακο-πινής ‘übel beschmutzt’ (S., Ar. u.a.); Gegensatz εὐ-πινής ‘sauber, schön, einfach’ (Kratin., E., Cic. u.a.). Davon πιναρός ‘schmutzig’ (Kom., E., Inschr. Delos u.a.) mit πιναρ-ότης f. (Eust.), -όομαι in πεπιναρωμένα (Suid.); πιν-ηρός (Hp. ap. Erot.), -όεις (Hp., A. R., AP), -ώδης (Hp., E., Lyk.) mit -ωδία· ἀκαθαρσία H. Denominativa : πιν-όομαι in πεπινω-μένος ‘beschmutzt usw.’ (hell. Dicht., D. H., Cic., Plu.), ἀ<πο>πινοῦται· ἀπορυποῦται H.; -άω in πινῶν (Ar. Lys. 279). nach ῥυπῶν. — Unerklärt. Von Curtius 276 u. A. mit σπίλος, čech. špina ‘Schmutz’ (ebenso Machek Zeitschr. f. Slaw. 1, 38) verbunden; dazu nach Prellwitz auch οἰσπώτη; weitere, ganz unhaltbare Kombinationen bei Petersson Glotta 4, 297 (vgl. WP. 2, 683). Abzulehnen ebenfalls Meillet MSL 13, 39 (mit L. Meyer): zu lat. caenum, inquināre. II-540
πινύσκω, πινυτή, πινυτός s. πέπνυμαι. II-540
πίνω, äol., auch dor. (Kall. Cer. 95) πώνω, Fut. πίομαι, Aor. ἔπιον, πιεῖν (alles seit Hom.; später πεῖν), Ipv. πῖθι (Kom. u.a.), äol. πῶθι, Pass. ἐπόθην mit Fut. ποθήσομαι, Perf. Akt. πέπωκα (alles att.), Med. πέπομαι (seit Od.); daneben als Kausat. πιπίσκω, Fut. πίσω, Aor. πῖσαι, πισθῆναι, auch m. προ-, ἐν-, συν- u.a. ‘zu trinken geben, tränken’ (Pi., Hp., Nik. u.a.). ‘trinken’ sehr oft m. Präfix, z.B. κατα-, ἐκ-, προ-, ὑπο-, ἐν-, Zahlreiche Ableitungen (gedrängte Übersicht): A. Von der Schwachstufe πο-, meist mit τ-Sufflx: 1. ποτόν n. ‘Trank’ (seit Il.), ποτός ‘trinkbar’ (Trag., Th.; ἔμποτος Aret.), πότος m. ‘das Trinken, der Trank’ (att., Theok.); davon πότ-ιμος ‘trinkbar, frisch, angenehm’ (ion. att.; Arbenz 50f.), -ικός ‘zum Trinken geneigt usw.’ (Alk. Kom., Plu. u.a.), meist συμ- ~ ‘zum Trinkgelage gehörig, Zechgenosse’ (att.: συμπό-της, -σιον, s. u.); -ίζω, dor. -ίσδω, auch mit προ- u.a., ‘trinken lassen, tränken’ (ion. att., Theok.) mit -ισμός, -ισμα, -ιστές, -ιστήριον, -ιστρίς, -ίστρα. 2. ποτή f. ‘Trank, Schluck’ (Pap.). Gen. u. Akk. -ῆτος, -ῆτα (Hom.; metr. erweitert, urspr. am Versende; Schwyzer 529 m. A. 1 u. Lit.; nicht haplologisch aus *ποτο-τη-τος, -τη-τα mit Fraenkel Gnomon 21, 40 u.a.); πότ-ημα n. ‘(Arznei)trank’ (Mediz.; erweiterte Form, Chantraine Form. 178). 3. πόσις f. (auch m. προ-, κατα- u.a. in verschiedenen Sinnfärbungen) ‘Trinken, Trank, Trinkgelage’ (seit Il.) mit πόσιμος ‘trinkbar’ (Pap. IVp, Ps.-Kallisth.; vgl. πότιμος oben); πόμα s.u. 4. ποτήρ m. ‘Trinkbecher’ (E.), -ήριον n. ‘ds.’ (äol. ion. att.); πότης m. ‘Trinker’ (nur in πότης λύχνος Ar. Nu. 57), f. πότις (Kom.); beide aus den gewöhnlichen Kompp., z.B. συμπό-της (seit Pi.), οἰνο-πό-της, -τις (Anakr. usw.), losgelöst? (Leumann Mus. Helv. 2, 12 = Kl. Schr. 226); Superl. ποτίστατος (Ar. u.a.); dazu Ableitungen wie συμπόσ-ιον ‘Trinkgelage’ (seit Pi., Alk.), καταπότ-ιον ‘Pille’ (Mediz. u.a.; καταπότης ‘Schlund’ H., Suid.); οἰνοποτ-ά-ζω ‘Wein trinken’ (Hom. u.a.). 5. καταπό-θρα f. ‘Schlund(gegend)’ (Paul. Aeg.). — B. Von der Hochstufe: πῶμα n. ‘Trunk, Trank, Getränk’ (att.), ἔκπω-μα n. ‘Trinkgeschirr’ (ion. att.), neben πόμα (πρό-, κατά-, ἔκ- ~) n. ‘ds.’ (Pi., ion. hell. u. sp.); ἔκπωτις = ἄμπωτις (Cat. Cod. Astr.); εὔπωνος ὄμβρος· εὔποτος H., γακου-πώνης· ἡδυπότης H. — C. Von der Schwachstufe πῑ-: 1. πίστρα f., πῖστρα n. pl. ‘Tränke’ (E. Kyk., Str.), auch πισμός, πιστήρ, πιστήριον H.; mit analog. -σ- wie 2. πιστός ‘trinkbar, flüssig’ (A.; nach χριστός, Leumann Mus. Helv. 14, 79 = Kl. Schr. 264), πιστικός ‘ds.’ (Ev. Mark., Ev.Io.); 3. böot. πιτεύω ‘tränken, bewässern’ mit ἀ-πίτευτος ‘unbewässert’ (Thespiae IIIa), von einem Nomen *πῑτ(ο)-; vgl. unten. Abzulehnen Brugmann IF 39, 149 ff. (zu πίων, aksl. pitati ‘ernähren’ usw.); vgl. Benveniste BSL 51, 29 f. m. Lit. — Das obige Formensystem hat sich von einer idg. Grundlage aus innerhalb des Griechischen selbständig entwickelt. Aus den Imperativen πῖ-θι und πῶ-θι lassen sich zwei athematische Wurzelaoriste *ἔ-πῑ-ν und *ἔ-πω-ν wahrscheinlich machen; zum letztgenannten liefert aind. á-pā-m (mit pā-hí = πῶ-θι) ein genaues Gegenstück: idg. *é-pō-m. Als Schwachstufe war pī- im Plur. zuhause: idg. *é-pī-me, das im Aind. vom hochstufigen á-pā-ma ersetzt wurde aber in griech. πῖθι eine Spur hinterlassen hat; zu beachten noch aksl. 2. u. 3. sg. Aor. pi. Im übrigen wurden im Griech. die athemat. Formen von dem themat. ἔ-πι-ον mit durchgeführter Schwachstufe ersetzt. Der kurzvokalige Konj. dieses Wz.aoristes lebt noch weiter im Fut. πί-ο-μαι (wie ἔδ-ο-μαι; s. ἔδω); zum Aorist noch die Nasalpräsentia πί-ν-ω und πώ-ν-ω; vgl. ἔ-δῡ-ν : δύ̄-ν-ω. Zu *ἔ-πῑ-ν gesellte sich das faktitive ἔ-πῑ-σα ‘ich tränkte’ nach ἔ-στη-ν : ἔ-στη-σα, ἔ-φῡν : ἔ-φῡ-σα u.a.; dazu das reduplizierte Präs. πι-πί-σκω (vgl. δι-δά-σκω : δα-ῆναι, βι-βά-σκω : ἔ-βη-σα : ἔ-βη-ν). Die stark um sich greifende Schwachstufe πο- (πέποται, ἐπόθην, πόσις usw.) ist griech. Neuerung nach δο- (δέδοται, ἐδόθην, δόσις). Das Perf. Akt. πέ-πω-κα. stimmt zu aind. pa-páu, kann aber auch zu *ἔ-πω-ν neugeschaffen sein. Der Nominalstamm πῑτ- in πιτεύω ist altererbt und findet sich noch in aind. pī-tá- ‘getrunken’, pī-tídas’ Trinken, Trunk’. Ebenso stimmt das Hinterglied in εὔ-πωνος und γακου-πώνης zu aind. pā́-na-m n. ‘Trunk’. Im Ablaut unterschieden sind πο-τήρ ‘Trinkbecher’ (nur E.; οἰνο-ποτῆρας Akk. pl. θ 456 metr. für -πότας) und aind. pā-tár-’Trinker’, ebenso πό-σις und pī-tí- (s. ob.); eher parallele Neubildungen als altes Erbgut. — Unter den übrigen zahlreichen Vertretern dieser Sippe seien nur genannt das reduplizierte schwundstufige themat. Präs. aind. pí-b-ati, lat. bi-b-ō, air. 2. pl. Ipv. i-b-id (lautlich im einzelnen umstritten) und die lat. Nomina pō-tus, pō-culum. Die Schwachstufe pī- erfordert als Hochstufe ein langdiphthongisches pōi-, das tatsächlich im. aind. Kaus. pāy-áyati belegt werden kann. — Zur Geschichte der griech. Formen s. bes. Leumann Mus. Helv. 14, 75ff. (= Kl. Schr. 260ff.); weiteres Material aus den übrigen Sprachen nebst reicher Lit. bei WP. 2, 71 f., Pok. 839 f., W.-Hofmann s. bibō, Mayrhofer s. píbati und pā́ti 2. — Zu ἄμπωτις und πῖνον s. bes. II-540-542
πιπ(π)ίζω ‘piepen’ (Ar. Av. 306), — Schallwort wie lat. pīp(il)āre, nhd. piepen u. a. m. (W.-Hofmann s.v.); vgl. πιπώ. II-542
πιπράσκομαι, -ω s. πέρνημι. II-542
πί̄πτω (seit Il.), Fut. πεσέομαι (ep. ion.), -οῦμαι (att.), Aor. πετεῖν, ἔπετον (dor. äol.), πεσεῖν, ἔπεσον (ion. att.), Perf. Ptz. Akk. πεπτ-εῶτ’, -εῶτας (ep.), Nom. -ηώς (ion.; auch von πτήσσω), -ώς (Trag.), Ind. πέπτωκα, Ptz. -ωκώς (att.), ‘fallen, herabfallen, hinsinken, ausfallen’. sehr oft m. Präfix, z.B. εἰσ-, ἐκ-, ἐμ-, ἐπι-, κατα-, μετα-, περι-, προ-, συμ-, ὑπο-, Zahlreiche Ableitungen. 1. πότ-μος m. ‘das (fallende) Los, Geschick, Tod(eslos)’ (ep. poet. seit Il.). 2. πτῶ-μα n., oft m. Präfix (σύμ-~ usw. von συμ-πίπτειν usw.) in wechselnden Bedd., ‘Fall, Sturz, das Gefallene, die Leiche’ (att. seit A., hell. u. sp.) mit Demin. -μάτιον (Inschr. Kleinas.), -ματίς f. ‘Tummelbecher’ (Mosch. ap. Ath.), -ματικός ‘zum Fallen geneigt usw.’ (hell. u. sp.), -ματίζω ‘zu Falle bringen’ (hell. u. sp.) mit -ματισμός m. ‘Fallsucht’ (Ptol. u.a.). 3. πτῶ-σις (σύμ-~ usw.) f. ‘Fall’ (Hp., att.), u.a. ‘Fall des Würfels’, woraus als gramm. Terminus ‘Flexionsform, Kasus’ (Arist. usw.), mit -σιμος ‘zu Falle gebracht’ (A.; nach ἁλώσιμος? Arbenz 80), -τικός (μετα-~ u.a.) ‘flektierbar’ (Gramm.). 4. πέσ-ος n. ‘Leiche’ (E. in lyr.), -ημα n. ‘der Fall, das Herabgefallene, die Leiche’ (Trag.; Chantraine Form. 184, v. Wilamowitz Eur. Her. zu v. 1131), -ωμα n. ‘Sturz’ (Vaseninschr.; nach πτῶμα). 5. -πετής u.a. in περι-, προ-πετής ‘herumfallend, hineingeraten’ bzw. ‘vorüberfallend, bereit, voreilig’ mit περι-, προ-πέτ-εια f. (ion. att.); auch in Zusammenbildungen wie εὐ-πετής ‘gut ausfallend, bequem, günstig’ mit -εια f. (ion. att.); διι-πετής s. bes. 6. -πτώς in ἀ-πτώς, -ῶτος ‘nicht fallend’ (Pi., Pl. u.a.); auch -πτης in ἀπτης (Inschr. Olympia)? — Zu ποταμός s. bes. — Das auffallende σ für τ in ion. att. πεσέομαι, -οῦμαι und πεσεῖν ist sekundär und nicht befriedigend erklärt; vgl. Schwyzer 271 Zus. 2 m. Lit., 746 A. 6 und Chantraine Gramm. hom. 1, 451. — Das Formenpaar πί̄πτω (mit ī nach ῥί̄πτω) : πετεῖν deckt sich mit γίγνομαι : γενέσθαι; dazu das zweisilbige Fut. πεσέ-ομαι für *πετέ-[σ]ομαι und die dehnstufigen πτω-, πτη- in πέ-πτω-κα, πτῶ-μα, -σις, πε-πτη-ώς wie γενέ-τωρ, γνή-σιος (γνωτός?; s. zu γίγνομαι), s. Schwyzer 746, 784 u. 360. Eine Neubildung ist πίτ-νω (-νῶ) mit ι wie in mehreren ν-Präsentia (Schwyzer 695). — Das ganze System stellt eine spezifisch griechische Abzweigung des auch in πέτομαι ‘Riegen’ vorliegenden alten Verbs dar; die Bed. ‘fallen’ findet sich noch u.a. in aind. pátati. Einen Berührungspunkt zeigen die Fut. *πετέ-[σ]ομαι: aind. pati-ṣyáti; morphologisch benachbart sind auch πότμος und aind. pát-man- n. ‘Flug, Bahn, Pfad’ (wäre gr. *πέτμα). — Weiteres s. πέτομαι; vgl. auch πτήσσω und πίτυλος. II-542-543
πῑπώ, -οῦς f. ‘Specht, Picus maior und minor’ (Arist. [vv. ll. πίπος, πίπρα usw.], Lyk. u.a.). — Bildung wie ἀηδώ, τυτώ u.a. (Chantraine Form. 115 f.); wohl onomatopoetisch wie πιππίζω (s. d.), aind. píppakā f. N. eines Vogels usw., obwohl eine solche Benennung gerade für den Specht wenig einzuleuchten scheint. Ein ähnlicher Vogelname, πίππος od. πῖπος wird Ath. 9, 368 f. für überl. ἵππους vermutet. — Vgl. πίφιγξ. II-543
πίσος auch -ον n. m., ‘Erbse’ (Kom., Thphr. u.a.) mit πίσινος ‘aus Erbsen gemacht’ (Ar. u.a.). — LW aus unbekannter Quelle (thrakophryg. nach Boisacq MSL 17, 58). Damit identisch, wohl als Entlehnung, lat. pisum; vgl. W.-Hofmann s. v. II-543
πῖσος nur pl. πίσεα n., ‘Auen, Wiesen’ (Υ 9 = ζ 124, Kall. Fr. anon. 57, A. R. 1, 1266). — Ausgang wie ἄλσος u.a.; ohne sichere Etymologie. Von Curtius 280 (mit Bopp u.a.; zustimmend noch Solmsen Wortforsch. 245) zu πίνω u. Verw. gezogen. Anders, semantisch besser, Fick 3, 241 (auch Bq, WP. 2, 75, Pok. 794): aus *πῖδ-σ-ος zu πῖδαξ, πιδύω usw.; s. dd. II-543-544
πίσσα, att. πίττα f. ‘Pech’ (seit Il.). Kompp., z.B. πισσο-, πιττο-κοπέω ‘mit Pech beschmieren, enthaaren’ (att. Inschr., Kom., Thphr. u.a.), κηρό-πισσος f. ‘Mischung von Wachs und Pech’ (Hp.). Davon 1. als Deminutivum πισσάριον n. (Mediz.); 2. mehrere Adj. (att. Formen nicht besonders notiert): πισσ-ηρός (Hp.), -ήρης (A.), -ινος (att.), -ήεις (Nik.) ‘pechig’; -ώδης ‘pechartig’ (Arist., Thphr.); -ίτης (οἶνος) ‘nach P. schmeckend’ (Str. u.a.; Redard 98); 3. die Verba πισσ-όω, πιττ-όω, -όομαι ‘(sich) mit P. beschmieren, enthaaren’ (seit IVa) mit -ωσις, -ωτής, -ωτός (hell. u. sp.); -ίζω ‘nach P. schmecken’ (Sch.); *-άω in πίσσᾱσις f. ‘das Pichet (Epid. IVa). — Alte Benennung des Pechs und des Harzes, als Erbwort auch im Lat. und im Slav. erhalten. Die älteste Form zeigt lat. pix, pic-is f., idg. *piq-; davon mit ι̯α-Suffix, wie in νῆσσα, μυῖα u.a. nur formal erweiternd (Schwyzer 474), πίσσα, πίττα; mit l-Suffix slav., z.B. russ.-ksl. pьkъlъ, aksl. pьcьlъ m. Abweichend über die Stammbildung Specht Ursprung 146. —Durch Entlehnung hat sich das Wort weiter verbreitet: aus lat. pix germ., z.B. ahd. pëh, aus dem Germ. lit. pìkis. russ. pek u.a. WP. 2, 75, Pok. 794, W.-Hofmann und Fraenkel s. vv., Vasmer s. pëklo 1. — Weitere Beziehungen s. πίτυς. II-544
πιστάκη f. ‘Pistazienbaum’ (Alkiphr.), πιστάκιον (βιστ-, ψιττ-, φιττ-) n. ‘Pistazie’ (Nik., Posidon., Dsk. u.a.). — Fremdwort orient. Ursprungs; vgl. npers. pista ‘Pistaziennuß’ und Schrader-Nehring Reallex. 2, 521 f. Zum (α)κ-Suffix Nehring Glotta 14, 181 f. und Chantraine Form. 376. II-544
πίστις, πιστός s. πειθομαι. II-544
πί̄συγγος (-σσ-) m. ‘Schuhmacher’ (Sapph., Alex. Aet., Herod., Kom. ap. Poll. u.a.) mit -ύγγιον n. ‘Schuhmacherei’ (Kom. ap. Poll., Hdn. Gr.). Daneben πέσσυμπτον· σκυτεῖον und πεσσύπη· σκυτεύ<τ>ρια H. Vgl. πεττύκια n. pl. ‘kleine Lederstücke’ (Moer.). — Fremdwort unbekannter Herkunft. Vgl. Bechtel Dial. 1, 61, Schwyzer 300 A. 1 u. 498 m. A. 9, Hamm Grammatik ̨ 150 m. A. 100, Friedmann Die jon. u. att. Wörter 53 f. (mit Referat der Diskussion). — Deutungsversuche bei Bq (abgelehnt). II-544
πιτεύω ‘tränken, bewässern’ s. πίνω. II-545
πιττάκιον n. ‘Schreibtafel, Blättchen, Zettel, Brief, Etikette usw.’, auch ‘Mitgliedsverzeichnis, Verein’ (Dinol., Plb., hell. u. sp. Pap. u. Inschr. usw.) mit πιττακι-άρχης m. ‘Vorsitzender eines Vereins’; davon das Demin. -ίδιον n. und -ίζω ‘mit Etikette versehen’ (Pap.). — Herkunft strittig; Vermutung bei Friedmann Die jon. u. att. Wörter 51 ff.: zunächst aus Lesbos (vgl. Πίττακος), letzten Endes thrakisch. Sowohl πίσσα (Bq) wie πεττύκια (s. πίσυγγος) bleiben fern. Lat. LW pittacium; vgl. W.-Hofmann s.v. II-545
πίτυλος m. ‘Ruderschlag’, übertr. ‘rhythmischer, heftiger Schlag, Anfall usw.’ (Trag. u.a.) mit πιτυλ-εύω ‘einen Ruderschlag machen’, auch übertr. (Ar. V. 678, Kom. Adesp. 3 D.), -ίζω ‘ds.’ (Gal. u.a.). — Unerklärt. Die herkömmliche Anknüpfung an πίπτω, πέτομαι (Curtius 712 mit Fick, WP. 2, 19 u.a.) hat (trotz lat. petulans) sehr wenig für sich. Vgl. zu πίτυρα. II-545
πίτῡρα selten -ον sg. n. pl., ‘Schalen der Getreidekörner, Kleie’, auch übertr. = ‘kleiähnlicher Ausschlag, Niederschlag’ (Hp., D., Thphr. u.a.). Davon πιτῡρ-ίς (-ις) f. ‘kleifarbige Olive’ (Kall.), -ίας m. ‘aus Kleie gebackenes Brot’ (Gal., Poll.), -ίτης (ἄρτος) ‘ds.’ (Philem. Gloss. ap. Ath., Gal.), -ώδης ‘kleienähnlich’ (Hp., Thphr. u.a.), -όομαι ‘an Kleie leiden’ (Hp.), -ίζω ‘mit Kleie besetzt sein’ (Pap.) mit -ισμα n. ‘Schorf’ (Hdn. Gr.); -ίασις f. ‘Kleie, Schorf’ (Mediz.: *-ιάω; nach ψωρίασις u.a.). — Zum EN Πιτυρεύς Bosshardt 119. — Bildung wie das sinnverwandte λέπῡρον; nicht sicher erklärt. Zu beachten das synonyme πήτεα· πίτυρα, πητῖται· πιτύρι<ν>οι ἄρτοι H., das zu πῆν, πάσσω (s. d.) gezogen wird. Damit läßt sich πίτυρα wegen des ĭ nicht ohne Gewalt zusammenbringen. Ob aus *πύτῡρον mit Dissimilation (vgl. Schwyzer 258, Specht KZ 61, 277 ff.) zu lat. pŭtus ‘rein’ mit putāre ‘reinigen usw.’, aind. pávate ‘reinigen’, u.a. von Getreide, ‘läutern’ mit pávanam n. ‘Getreideschwinge, Sieb’, ahd. fowen ‘sieben, Getreide reinigen’ usw. (WP. 2, 13, Pok. 827)? Für Anschloß an πίτυλος (mit semant. Parallelen) Thumb KZ 36, 180. — Vgl. πτύον. II-545
πίτυς, -υος, ep. Dat. pl. -υσσιν f. ‘Fichte, Kiefer, Pinie’ (Hom., Hdt., Thphr. usw.). Einige Kompp., z.B. πιτυο-κάμπη f. ‘Fichtenraupe’ (Dsk. u.a.; Strömberg Wortstud. 9), χαμαί-πιτυς f. Pflanzenname (Nik., Dsk. u.a.; Strömberg Pfl. 61f., 109). Davon das Demin. πιτύ-διον n. (Plin., Theognost.). -ίς, -ίδος f. ‘Fichtensame’ (Dsk. u.a.), -ινος ‘fichten’ (Hp. Thphr. u.a.), -ώδης ‘fichtenreich’ (Alkm., Str. u.a.); -ουσα (v. l. -οῦσσα) f. ‘Art Wolfsmilch, Euphorbia’ (Dsk. u.a.; zur Bildung Strömberg Pfl. 43); -οῦσσαι f. pl. N. einer Inselgruppe an der hispanischen Küste; -οῦς, -οῦντος m. N. einer Stadt am Schwarzen Meer (Str.), -εια f. Stadt in Mysien (Β 829), -ασσος f. Stadt in Pisidien (Str.); vgl. v. Blumenthal ZONF 13, 155 u. 158. — An πίτυς erinnern einerseits lat. pīnus f. ‘Fichte, Föhre, Kiefer, Pinie’ und alb. pishë ‘Fichte, Kien(fackel)’, beide mit unklarer Grundform, anderseits aind. pī́tudāru-, pūtúdruusw. m. N. eines Baumes. Weitere Analyse ganz unsicher; vgl. die ausführliche Erörterung bei Mayrhofer s. v. m. Lit. Ältere Lit. mit unhaltbaren od. ganz fraglichen Schlüssen bei Bq, WP. 2, 74f., (Pok. 794), W.-Hofmann s.v.; s. bes. Benveniste BSL 51, 29 ff. mit wohlbegründeter Kritik des herkömmlichen Zusammenwerfens mehrerer lautähnlichen aber semantisch zu trennen den Wörter (πίων, πίνω, πίτυς usw.). II-545-546
πίφιγξ (-φιξ, -φηξ) N. eines unbek. Vogels (Arist., Ant. Lib., EM u.a.), nach H. = κορυδαλλός; auch πιφαλλίς (nach κορυ-δαλλίς) H. — Schallwort; aspirierte Nebenform zu πιπ(π)ίζω, πιπώ (s. dd.); Bildung wie σάλπιγξ, πέρδιξ u.a. (Chantraine Form 397ff., 382). Einzelheiten bei Thompson Birds s. πιφαλλίς. II-546
πίφρημι nur Inf. ἐσ-πιφράναι (Arist.), daneben -φρέω in εἰσ-έφρουν (D.), -εφρούμην (E.). Sonst nur Futur- und Aoristformen, immer m. Präfix, bes. εἰσ- (ἐπ-εισ- u.a.) und ἐκ-, aber auch δια- und ἀπο- : εἰσ-, ἐκ-, δια-φρήσω; ἀπο-, εἰσ-, ἐξ- έφρησα, ἐκ-φρησθῆναι; auch (ἐπ-)εισ-, ἐξ-έφρηκα mit Konj. ἐπ-εσ-φρῶ, Ptz. ἐπ-εισ-φρείς, Inf. εἰσ-φρῆναι (für -φρεῖναι? II.), Ipv. ἔκ-φρες (Ar. V. 162 mit Buttmann; codd. ἔκφερε); dazu Ipf. ἐξ-εφρίομεν (Ar. V. 125; für -εφρίεμεν?) ‘ein-, aus-, durch- lassen, -bringen’, intr. ‘eindringen, -treten usw.’ (Kom., E., auch Th., D., Arist., Plb. u.a.). — Der obige Formenbestand hat offenbar seinen Schwerpunkt in den Futur- und Aoristformen. Die seltenen Präsensformen sind Analogiebildungen. So εἰσ-έφρουν, -εφρούμην nach dem Typus ἐφίλουν, das einmalige ἐσ-πιφράναι nach ἱστάναι, πι(μ)πλάναι u.a. Schon dadurch erledigt sich die auch semantisch nicht einwandfreie Gleichsetzung von πιφράναι mit dem redupl. aind. bí-bhar-ti ‘tragen’ (1. pl. bi-bhr̥-más: *πί-φρα-μεν; Brugmann, z.B. Brugmann-Thumb 331, mit Curtius; danach Bq, WP. 2, 153 f., Pok. 128 f. u. A.). Die Aoristformen ἐπεισ-έφρηκα, -φρῶ, -φρείς, ἔκ-φρες stimmen zu ἐφ-ῆκα, -ῶ, -είς, -ες. Somit -φρήσω, -έ-φρηκα aus -πρ(ο)-ἥσω, -πρ(ο)-ἧκα, wozu das Ipf. ἐξ-εφρίομεν (-εμεν?) nach (ἀφ)-ἵομεν (-εμεν); dazu -έ-φρησα nach ἔ-στησα usw. (Schwyzer 689 mit Nauck u.A.)? Die Ausmerzung des -o- und die daraus erfolgende Verdunkelung der Komposition sind durch die vorantretenden Präfixe begünstigt worden. II-546-547
πίων, f. πίειρα s. πῖαρ. II-547
πλάγγος m. Ben. einer Adlerart (Arist.; v. l. πλάνος), plancus (Plin.). — Von πλάγξασθαι, πλάζομαι als "der Umherschweifer". II-547
πλαγγών ‘Wachsfigur, -puppe’ (Kall. Cer. 91) mit πλαγγόνιον n. ‘Art Salbe’ (Polem. Hist. ap. Ath. 15, 690e, Sosib., Poll.). — Letzteres laut Polem. nach der Erfinderin Πλαγγών; ob auch πλαγγών als Appellat. aus dem PN (D. u. a.)? II-547
πλάγιος ‘waagerecht, quer, schief’, τὰ πλάγια ‘die Seiten, Flanken’ (Pi., ion. att.). Einige Kompp., z.B. πλαγιό-καυλος ‘mit Seitenstengeln’ (Thphr.; Strömberg Theophrastea 108 f.), παρα-πλάγιος ‘seitlich, schräg’ (Thphr.). Davon πλαγι-άζω ‘in die Quere, seitwärts richten, irre führen’ (LXX, Ph., Plu. usw.) mit -ασμός m. ‘Querrichtung, Verirrung’ (Epikur. u.a.); -όω ‘ds.’ (X.) mit -ωσις H. als Erklärung von λόξωσις. —Außerdem, entweder als Rückbildung (nach πλάτος u.a.) oder als unabhängiges Verbalnomen (vgl. u.), πλάγος n. ‘Seite’ (Tab. Heracl.). — Bildung mit ιο-Suffix (Schwyzer 466) von einem Nomen ‘horizontale Fläche, Quere’ (vgl. lat. plag-a ‘Fläche, Gegend usw.’) oder von einem Verb ‘flach ausbreiten’, das auch in πέλαγος (s. d.) eine Spur hinterlassen hat; hierher aus dem Germ. z.B. ahd. flah ’flach’, asächs. flaka f. ‘Fußsohle’; mit einsilbiger Hochstufe noch awno. flōki m., ags. flōc n. ‘Flunder’ (idg. *plāg- gegenüber *peləg- in πέλαγος). — WP. 2, 90f., Pok. 832, W.-Hofmann s. plaga m. weiteren Formen u. Lit. — Vgl. πλάξ, auch πλήσσω. II-547
πλαδαρός ‘feucht, wässerig, schwammig, weich, schlaff, geschmacklos’ (Hp., A. R., Dsk. u.a.) mit πλαδαρ-ότης f. ‘Schlaffheit’ (Epikur. u.a.), -όομαι ‘aufgeweicht werden’ (Aq.), -ωοσις f. (Mediz.), -ωμα n. (Suid.). Daneben πλαδάω ‘wässerig, weich sein’ (Hp., Arist., Ph. usw.) mit -ησις f. (Sor.); auch -ωοσις f. (Aët.) wie von *-όω; πλάδος m. ‘Feuchtigkeit, Schwammigkeit’ mit -ώδης (Hp. u.a.), -όεις (Sch.); πλάδη f. ‘ds.’ (Emp.), vielleicht von πλαδάω rückgebildet. — Expressive Wörter, die vorwiegend in der mediz. Lit. anzutreffen sind. Zu πλαδ-αρός : -άω : -ος stimmen die semantisch nahestehenden Reimwörter κλαδ-αρός : -άω : -ος, μαδ-αρός : -άω : -ος; ebenso ῥυπ-αρός : -άω : -ος u.a.; s. Chantraine Form. 227. Das genetische Verhältnis der Bildungen untereinander bleibt unklar; vgl. zu κραδάω, κράδη. — Genaue außergriech. Entsprechungen fehlen; formal am nächsten kommt ein balt. Verb für ‘schwimmen’, z.B. lit. példu (példžiu), peldė́ti. Bei Abtrennung des d (vgl. κλαδαρός : κλάω) gewinnt man Anschluß an Ausdrücke für ‘gießen, schütten usw.’ in lit. pilù pìlti (mit Schwachstufe) und arm. heɫum (*pel-nu-mi) u.a.; s. WP. 2, 54f. u. 66, Pok. 798f., Fraenkel s. vv. Frühere, überholte Versuche bei Bq (auch Specht Ursprung 171 u. 228). — Vgl. noch πλέω, auch πολύς. II-547-548
πλαδδιάω (lakon.) nur Inf. πλαδδιῆν und Ipv. πλαδδίη (Ar. Lys. 171 u. 990) etwa ‘faseln’; vgl. H.: πλαδ<δ>ιῇ ματαί̄ζει, σοβαρεύεται. — Nach den Krankheitsverba auf -ιάω (Schwyzer 732) gebildet, vielleicht onomatopoetisch; vgl. z.B. mnd. pladderen ‘plappern’. Oder aus *πλάδδω = πλάζω (s. d.) erweitert? Grammatische Analyse bei Bechtel Dial. 2, 378: Von *πλάδδα ‘Gefasel’ = att. *πλάζα wie ἄζα, μάζα, φύζα(?). II-548
πλάζω, -ομαι, Aor. πλάγξαι, Pass. πλαγχθῆναι, Fut. πλάγξομαι, ‘verschlagen, zurückschlagen, von der rechten Bahn abbringen, irremachen’, Med.-Pass. ‘verschlagen werden, abirren, umherschweifen’ (vorw. ep. poet. seit Il.). auch m. παρα-, ἀπο- u.a., Davon πλαγκτός ‘verschlagen, irre, verwirrt’ (ep. poet. seit φ 363; Ammann Μνήμης χάριν 1, 21), Πλαγκταί f. pl. (sc. πέτραι) "die Schlagfelsen" (μ 61 usw.; zur nicht ganz klaren Bed. P.-W. 20, 2193ff.); πλαγκτο-σύνη f. ‘das Umher- schweifen’ (ο 343, Nonn.; Wyss 26); πλαγκ-τύς, -ύος f. ‘ds.’ (Kall.); -τήρ m. Bein. des Dionysios (AP), ‘Verwirrer’ (’Umherschweifer’?), -τειρα ἀτραπιτός ‘der Tierkreis’ (Hymn. Is.). Hierher noch πλάγγος; s. bes. — Zu πλάγξαι, πλαγκτός stimmen formal lat. plānxi, plānctus (Vokallänge sekundär); dazu πλάζω als Jotpräsens aus *πλάγγ-ι̯ω gegenüber plang-ō. Weitere, unsichrere Vergleiche aus dem Alb., Kelt. und Germ., für das Griech. ohne Interesse, bei W.-Hofmann s. v. Urspr. Bed. somit ‘schlagen’, die an einigen Stellen, z.B. Φ 269, und in Πλαγκταί noch durchschimmert. Die weit vorherrschende Bed. ‘verschlagen usw.’ hat sich wahrscheinlich in den sehr gewöhnlichen Redewendungen mit ἀπό und anderen separativen Ausdrücken ausgebildet. — Von der inneren Nasalierung abgesehen, die entweder als verallgemeinertes Präsensinfix oder als Schallwortelement zu erklären ist (vgl. κλάζω, κλάγξαι und Schwyzer 692), stimmt dazu der Aorist πλαγ-ῆναι; s. πλήσσω mit weiteren Anknüpfungen und Lit. II-548-549
πλάθανον n. s. πλάσσω. II-549
πλά̄θω (dor.) ‘sich nähern’ s. πέλας. II-549
πλαίσιον n. ‘längliches Viereck, Rechteck, rechteckiges Gerüst’ (att.) mit πλαισιόομαι ‘in einem πλαίσιον eingefaßt werden’ (Delos). — Technisches Wort ohne Etymologie; zu beachten die Übereinstimmung im Anlaut mit dem synonymen πλιν-θίον (somit davon beeinflußt?). Nicht mit Prellwitz u.a. (s. WP. 2, 100) zu lit. plaitaũs, plaitýtis ‘sich breitmachen, prahlen’, da lit. ai durch Ablautentgleisung (zu plintù, plìsti ‘sich ausbreiten’) entstanden ist; s. Fraenkel Wb. s. pleitóti. II-549
πλανάομαι, -άω, Fut. πλανήσομαι, -ηθήσομαι, Aor. -ηθῆναι, Perf. πεπλάνημαι, ‘irre gehen, umherirren, sich herumtreiben, schwanken’; ‘irre führen, herumführen, duschen’ (seit Ψ 321). auch m. περι-, ἀπο- u.a., Davon 1. πλάν-ημα n. ‘das Herumirren, die Verirrung’ (A., S.), -ησις f. ‘das in die Irre Treiben, Vorschlagen’ (Th.), ἀπο-~ ‘das Abschweifen’ (Pl., LXXu.a.); weit gewöhnlicher die Rückbildung 2. πλάνη f. ‘das Herum- irren, das (zwecklose) Umherwandern, Irrfahrt, Irrtum’ (ion. att.); 3. πλάνης, -ητος m. (Chantraine Form. 267; nicht von πλάνη mit Fraenkel 1, 27 oder von πλάνος mit Schwyzer 499) ‘der Herumschweifende, Wanderer’, auch ‘Irrstern, Planet’ (Scherer Gestirnnamen 40 f.), mediz. ‘erratisches Fieber’, Adj. ‘herumschweifend’ (ion. att.); davon erweitert πλαν-ήτης, dor. -άτας m. ‘ds.’ (Trag. usw.), -ῆτις f. (Lyk. u.a.) mit -ητικός ‘unterwandernd, irreführend’ (Str., Sch.), -ητεύω ‘umherwandern’ (AB). Von πλανάω als Rückbildung wohl auch 4. πλάνος m. = πλάνη, auch ‘Landstreicher, Vagabund, Betrüger’, als Adj. ‘umherirrend, irreführend’ (Trag., Pl. usw.) mit πλαν-ώδης ‘unstet, unregelmäßig, entgleitend’ (Mediz.), -ιος ‘umherirrend’ (AP); auch ἀπόπλαν-ος, -ίας; περιπλάν-ιος, -ίη (AP u.a.). 5. Expressiv-volkstümliche Erweiterung πλα-νύττω ‘umherschweifen’ (Ar. Av. 3); vgl. Debrunner IF 21, 242. — 6. Als Hinterglied sehr oft -πλανής und -πλανος, -πλάνος, z.B. ἀ-πλανής (ἀστήρ) ‘Fixstern’ (Pl., Arist. usw.), ἁλί- πλανος ‘seewandernd’ (Opp.), λαο-πλάνος ‘das Volk irreführend’ (J.). — Wegen der Bedeutung am ehesten als Iterativ-Intensivum auf -άομαι (wie ποτάομαι u.a.) zu beurteilen, sofern nicht Primärbildung auf -(α)νάω (Schwyzer 694). Weitere Geschichte dunkel; hypothetisch die Anknüpfung an idg. pelā-’ausbreiten’ in lat. plānus, πέλαγος, πλάγιος, πλάξ (s. dd.) u.a. mit Hinweis auf πλάζω : πλήσσω (Bq, WP. 2, 62 [fragend], Pok. 806). Auf den Vergleich mit dem isolierten nord. flana ‘umherschweifen, -fahren’ (WP. u. Pok. a. O. mit Falk-Torp) ist wenig Verlaß; ebenso fraglich die Zusammenstellung mit lat. pālor ‘umherschweifen’ (Prellwitz), s. W.-Hofmann s. v., und die Heranziehung von πέλομαι (Specht bei W.-Hofmann a. O.). — Lat. LW planus m. ‘Landstreicher’, planētæ f. pl. ‘Planeten usw.’, implanō, -āre ‘verführen’ (: πλανάω). II-549-550
πλάξ, -ακός f. ‘Fläche, Flachland, Meeres-, Bergfläche’ (Pi., Trag.), ‘flacher Stein, Platte, Tafel’ (hell. u. sp. Prosa). Als Hinterglied wahrscheinlich in δί-πλαξ (s. d. und Fraenkel Nom. ag. 1, 37 A. 4) und τρί-πλαξ. Mehrere Ableitungen 1. Demin. πλακ-ίον n. (Troizen IVa u. a.), -ίς· κλινίδιον ... H. 2. -άς f. ‘Flur eines Weinkellers’ (Pap. IIp). 3. -ίτας ἄρτος ‘platter Kuchen’ (Sophr.), -ῖτις f. ‘Art Galmei od. Alaun’ (Gal.). 4. Adj. -ερός ‘platt’ (Theok.), -όεις ‘ds.’ (D.P.), -ινος ‘aus Marmorplatten gemacht’ (Inschr. u.a.), -ώδης ‘mit Platten, Kruste überzogen’ (Arist. usw.). 5. -οῦς, -οῦντος (aus -όεις) m. ‘(platter) Kuchen’ (Kom. usw.) mit -ούντ-ιον, -ικός. -ινος, -ᾶς u.a. 6. -όω ‘mit Marmorplatten bekleiden’ (Syrien) mit -ωσις f. (Kleinasien), -ωτή f. ‘Art Galmei’ (Dsk.). 7. ON: Πλάκος m. N. eines Seitenarms des Idagebirges (Il.) mit ὑποπλάκ-ιος (Z 397), -ος (Str.); Πλακίη f. N. einer pelasg. Kolonie an der Propontis (Hdt.) mit πλακιανόν n. Ben. einer Augensalbe (Aët.). — Mit pl. πλάκ-ες deckt sich genau ein nordgerm. Wort, awno. flær f. pl. ‘Felsenabsätze’, urg. *flah-iz, idg. *pláq-es; dazu der neugebildete sg. flā, urg. *flah-ō (wäre gr. *πλάκ-η). Dazu noch mehrere germ. Wörter: mit grammatischem Wechsel nord. flaga f., mnd. vlage f. ‘dünne (Erd)schicht, Fläche’; mit langem Vokal: awno. flō f. ‘Schicht, Lage’ (urg. *flōh-ō), ahd. fluoh, nhd. Flüche, schweiz. Fluh f. ‘Felswand, -platte’ usw. Aus dem Balt. noch z.B. lett. plaka f. ‘niedrig gelegene Stelle, Ebene, Fläche’, auch ‘Kuhfladen’, plakt ‘flach werden’, Hierher wohl noch mit übertrag. Bed. lat. placidus ‘sanft, ruhig, still’ (urspr. Bed. ‘eben, flach’ noch in aqua placida u.a.?), placeō ‘gefällig sein, gefallen’. — Neben idg. plaqsteht mit auslaut. Media plag- in πλάγιος, zweisilbig (peləg-) πέλαγος (s. dd.), alles Gutturalerweiterungen eines in keiner Sprache erhaltenen Verbs pelā- ‘ausbreiten’; s. noch πλάσσω, παλάμη, παλαστή und vgl. πέλανος, πλανάομαι; dazu WP. 2, 90 f., Pok. 831 f., W.-Hofmann s. placeō m. weiteren Formen und reicher Lit. — Aus πλακοῦς, -οῦντος mit umstrittener Lautentwicklung lat. placenta ‘eine Art flacher Kuchen’; s. W.-Hofmann s. v. (vgl. noch pollenta ‘Gerstengraupen’). -πλάσιος in δι-, τρι-, πολλα-πλάσιος u.a., jungatt. hell. -πλασίων, s. διπλάσιος; dazu noch Schwyzer Mus. Helv. 2, 137 ff., Seiler Steigerungsformen 103 f., Egli Heteroklisie 7 8 f. II-550-551
πλάσσω, att. -ττω, Fut. πλάσω, Aor. πλάσ(σ)αι (seit Hes.), Pass. πλασθῆναι, Perf. πέπλασμαι (ion. att.), Akt. πέπλακα (hell. u. sp.) ‘(eine weiche Masse) kneten, formen, bilden, gestalten; erdichten, ersinnen, vorgeben’; sehr oft m. Präfix in verschiedenen Sinnfärbungen, z.B. κατα-πλάσσω ‘bestreichen, beschmieren’, ἐμ-πλάσσω ‘einschmieren, zustopfen’ (vgl. u.). Zahlreiche Ableitungen. Nom. actionis: 1. πλάσμα n. ‘Bildung, Gebilde, Erdichtung’ (ion. att.) mit -ματίας m. ‘erdichtet’, -ματώδης ‘ds.’ (Arist.), -ματικός ‘ds.’ (S.E. u.a.); ἔμ-, ἐπί-, κατά-πλασμα n. ‘Pflaster’ (Mediz.). 2. πλάσις (ἀνά-~, κατά-~ usw.) f. ‘das Bilden, Bildung, Gestaltung’ (Hp., Arist. usw.). 3. ἀνα-πλασμός m. ‘Gestaltung’ (Plu.), μετα-πλασ-μός m. ‘Umformung’ (Gramm.) u.a. 4. κατα-πλαστύς f. ‘Beschmierung’ (Hdt. 4, 175). Nom. agentis u. instr.: 5. πλάστης m. ‘Bildner, Former, Schöpfer’ (Pl. usw.), oft in synthet. Kompp., z.B. κηρο-πλάστης m. ‘Wachbildner’ (Pl. u.a.) mit -έω (Hp. u.a.) usw.; f. πλάσ-τις (Ael.), -τειρα (Orph., APl.), -τρια (Theol.Ar.). 6. πλάστρον n. ‘Ohrring’ (att. Inschr. u.a.), ἔμπλασ-τρον n., -τρος f. ‘Salbe’ od. ‘Pflaster’ (Dsk., Gal., Pap. u.a.). Adj. : 7. πλαστός ‘geformt, gebildet, erdichtet’ (seit Hes.), ἔμπλασ-τον n., -τος f. ‘Salbe, Pflaster’ (Hp. u.a.); πλαστή f. ‘Lehmwand’ (Pap.) mit περι-, συμ-πλαστεύω ‘eine π. ringsum od. zusammen aufführen’, πλαστευτής m. ‘Erbauer einer π.’ (Pap.). 8. πλαστικός (προσ-, ἐν-, ἀνα- u.a.) ‘zur Formung geeignet, plastisch’ (Pl. usw.). — Für sich stehen 9. πλάθ-ανον n. ‘Kuchenbrett, -form.’ (Theok., Nik. u.a.) mit -ανίτας ἄμυλος ‘in Form gebackener Kuchen’ (Philox. 3, 17; nicht ganz sicher); πλαθ-ά f. ‘Abbild, εἰκών’ (dor. bei Plu.); synthet. Kompp. wie κορο-πλάθος m. ‘Bildner weiblicher Figuren, Puppenmodellierer’ (Pl., Isok. u.a.; κορο-πλάστης hell.). — Gemeinsamer Verbalstamm πλαθ-; daraus einerseits das Jotpräsens *πλαθ-ι̯ω > πλάσσω (zum Lautlichen Schwyzer 320), anderseits die außerpräsentischen Formen (die an und für sich auch auf πλα- zurückgehen könnten mit analog. bedingten πλάσσαι, πλασθῆναι, πλαστός; vgl. zu κλάω). — Außergriech. Entsprechung fehlt. Da θ (idg. dh) wohl urspr. präsensbildende, jedenfalls formantische Funktion hat (πλή-θω, βρί-θω usw.; Schwyzer 703), reiht sich πλά-θω unschwer in die große Sippe pelā- ‘ausbreiten’ (s. πλάξ) ein; man muß dabei eine urspr. Bed. ‘dünn aufstreichen, flach klatschen’ ansetzen; s. WP. 2, 63. Zur Bed. ‘bestreichen, beschmieren’ (in κατα-, ἐμ-πλάσσω) und ‘kneten, formen, bilden’ vgl. dieselbe Doppelheit bei aind. déhmi ‘bestreichen, beschmieren’ und lat. fingō ‘kneten, formen, bilden’ (vgl. zu τεῖχος). — Aus ἔμπλαστρον lat. emplastrum, frz. emplâtre usw.; mlat. plastrum ‘Pflaster, Gips’, frz. plâtre, ahd. pflastar usw. — Weiteres s. πλάξ; vgl. auch παλάθη und πλάστιγξ. II-551-552
πλάστιγξ, -ιγγος f. ‘Waagschale’ (att.), auch ‘die Scheibe des Kottabosständers’ (Kritias, Hermipp. u.a.), übertr. ‘Austernschale’ (Opp.), ‘Kummet’ (das vom Jochholz herabhängt wie die Schale vom Waagebalken; E. Rh. 303), auch (im Plur.) ‘chirurgische Schienen’ (Hippiatr.); πλήστιγγες pl. ‘ds.’ (Hp. ap. Gal. 19, 131). — Bildung auf -ιγγ- (Chantraine Form. 398ff., Schwyzer 498) von einem unbekannten Nomen. Da die Bez. der Waagschale und der Kottabosscheibe allem Anschein nach von der flachen Gestalt derselben herzuleiten ist, hat man ohne Zweifel an die weitverzweigte Sippe pelā- ‘ausbreiten’ (s. πλάξ) anzuknüpfen. Als nächste Grundlage bietet sich ein Nomen *πλαστ(ο)-, das sowohl für *πλατ-τ(ο)- (vgl. zu πλάτη), wie für *πλαθ-τ(ο)- (s. πλάσσω) stehen kann. Die gemeiniglich als "ion." bezeichnete einmalige Form πλήστιγ-γες, die nur in einer übrigens nicht ganz klaren Spezialbed. vorkommt, kann, wenn keine Entgleisung vorliegt, ein dehnstuf. πλᾱ- (neben πελᾰ-) repräsentieren. — Über das umstrittene πλάστιγξ A. Ch. 290 (für μάστιγξ?) s. Gentili Stud. itfilcl. N. S. 21, 105ff. II-552
πλαταγέω, -ῆσαι, ‘rasseln, krachen, (mit den Händen) klatschen’ (Ψ 102 συμπλατάγησεν [v. 1. -πατ-], hell. u. sp. Dichter) auch mit συν-, ὑπο- u.a., mit -ημα n. ‘Knall’ (Theok.). — Daneben πλαταγ-ή f. ‘Rassel, Klapper’ (Hellanik., Pherekyd., Arist., A. R. u.a.), -ών ‘ds.’ (Sch. Theok.), -ώνιον n. ‘Klatschrosenblatt, Mohnblatt’ (Theok. u.a.), -ωνίσας· ἀποληκυθίσας καὶ ψοφήσας H. — Auch πλατάσσω = -αγέω (Suid.). — Umbildung von παταγέω usw. (s. d.) nach πλήσσω, πληγή; s. Güntert Reimwortbildungen 120 f. — Vgl. πλατυγίζω. II-552
Πλάταια, gew. pl. -αί f., πλαταμών, πλάτη s. πλατύς. II-552
πλάτανος f. ‘Platane’ (Ar., Pl., Thphr. u.a.) mit -ών, -ῶνος m. ‘Platanenhain’ (Dsk. u.a.), -ιον n. ‘Art Apfel, ähnlich der Frucht der Platane’ (Diph. Siph.). Daneben, früher belebt, πλατάνιστος f. ‘ds.’ (Β 307 u. 310, Hdt., Theok.) mit -ιστοῦς, -οῦντος m. ‘Platanenhain’ (Thgn.), lakon. -ιστάς (-ιστᾶς?), Dat. -ιστᾷ ‘ds.’ (Paus.), -ίστινος Attribut eines Apfels (Gal.). Lat. platanista m. Ben. eines großen Delphins im Ganges (Plin.); vgl. Thompson Fishes s. πλατανιστής. — Da die belegmäßig älteste Form πλατάνιστος der Bildung nach dunkel ist (abzulehnen Osthoff Etym. parerga 1, 194 ff.; nicht wahrscheinlich Niedermann Glotta 19, 10 ff.; vgl. noch Chantraine Form. 302 und oben zu ἄκαστος), bleibt zu erwägen, ob nicht der Name dieses asiatischen und südosteuropäischen Baumes entlehnt ist und erst nachträglich an πλατύς u. Verw. (als "breitästig, -blättrig, -wüchsig, -schattig" oder sogar "plattrindig" ? Schrader-Nehring Reallex. 2, 194, Strömberg Pflanzennamen 39, WP. 2, 99) angeschlossen ist; vgl. Chantraine Form. 199 f. Die kürzere Form πλάτανος könnte nach λίβανος (: λιβανωτός) geschaffen sein. II-552-553
πλάταξ, -ακος m. alexandrin. N. des Fisches κορακῖνος ‘Sciaena nigra, Meerrabe’ (Ath. 7, 309 a) mit πλατάκιον n. ‘ds.’ (Pap. II—IIIp). — Nach Ath. "ἀπὸ τοῦ περιέχοντος", d.h. nach der überragenden Größe, somit von πλατύς, was möglich sein wird (s. u.). Nicht mit Strömberg Fischnamen 75 wegen der Lautgebung zu πλαταγέω ‘klatschen’, da dies zum krächzenden Geräusch des κορακῖνος nicht paßt (darüber Strömberg 70 f.). — Daneben πλατίστακος (-κός) m., nach Dorio ap. Ath. 3, 118c die größte Art des μύλλος genannten Fisches; nach Parmeno ebd. 7, 308 f. dagegen synonym mit σαπέρδης und mit κορακῖνος; übertr. = τὸ γυναικεῖον αἰδοῖον (H., Phot.). — Anscheinend aus *πλάτιστος volkstümlich erweitert (vgl. Strömberg Fischnamen 31 f. mit unbefriedigender Analyse); nicht recht überzeugend. πλᾶτις, -ιδος f. ‘Gattin’ s. πέλας; πελάζω. II-553
πλατυγίζω ‘das Wasser mit den Flügeln schlagen, plätschern’, auch übertr. von einem eitelen Getöse (A., Eub.). — Umbildung von πλαταγέω (*-γίζω) nach πλατύς, wenn nicht vielmehr nach πτερυγίζω (Thierfelder briefl.). II-553
πλατύς 1. ‘weit, breit, flach, eben’ (seit Il.). Oft als Vorderglied, z.B. πλατύ-φυλλος ‘breitblättrig’ (Arist., Thphr.). Davon πλατύτης f. ‘Weite, Breite’ (Hp., X. u.a.); πλατύνω, auch m. δια-, ἐν- u.a., ‘erweitern, breit machen’ (X., Arist. usw.) mit πλάτ-υσμα (-υμμα) n. ‘Platte, Ziegel usw.’ (Herod., Hero, Pap. u.a.), -υσμός m. ‘Verbreiterung’ (Arist., LXX usw.). Auch πλατεῖον n. ‘Platte, Tafel’ (Plb.), nach den Gerätenamen auf -εῖον; von πλατεῖα (χείρ, φωνή u. a.) πλατειάζω ‘mit der flachen Hand schlagen’ (Pherekr.), ‘breit aussprechen’ (Theok.). — Daneben mehrere Bildungen: πλάτος n. ‘Weite, Breite, Umfang’ (Simon., Emp., Hdt., Ar. usw.) mit ἀ-πλατής ‘ohne Breite’ (Arist.) usw.; πλατ-ικός (v.l. -υκός) ‘die Weite, Breite betreffend, umfassend, weitschweifig’ (Vett. Val., Arist.-Komm. u.a.); vgl. γεν-ικός zu γένος. — πλαταμών, -ῶνος m. ‘platter Stein, Felsenplatte, flacher Strand usw.’ (h. Merc. 128, hell. u. sp.) mit -αμώδης ‘platt’ (Arist.). — πλάτη f. ‘Ruderschaufel, Ruder’, meton. ‘Schiff’, auch ‘Schulterblatt’ (gew. ὠμο-πλάτη Hp. u.a.) usw. (Trag., Arist. usw.); πλάτης, dor. -ᾱς m. ‘Untersatz eines Grabdenkmals’ (Inschr. Kleinas., vgl. γύης, πόρκης); πλάτιγξ· τῆς κώπης τὸ ἄκρον H. — ON Πλάταια (Β 504 u.a.), gew. pl. -αί f. (ion. att.) Stadt in Böotien mit -αιίς, -αιεῖς usw.; Akz.wechsel wie in ἄγυια : -αί (s. d.). — Mit πλατύς sind aind. pr̥thú-, aw. pərəϑu- ‘weit, breit’ unmittelbar identisch (zum Dental unten). Dazu πλάτος wie z.B. βάρος zu βαρύς (s. d.) mit Tiefstufe statt der älteren Hochstufe in aind. práthas- = aw. fraϑah- n. ‘Breite’, kelt., z.B. kymr. lled ‘ds.’. Auch πλαταμών hat — von der sekundären Tiefstufe abgesehen — ein genaues aind. Gegenstück, u. zw. prathi-mán- m. ‘Ausdehnung, Breite’; vgl. unten. Mit dem bei O N immer gebotenen Rückhalt läßt sich ebenfalls Πλάταια mit aind. pr̥thivī́ f. ‘Erde’, eig. "die weite (Erdflächen gleichsetzen; dazu noch eine keltische Entsprechung z.B. in gall.-lat. Letavia, kymr. Llydau ‘die Bretagne’? Die an und für sich mögliche Identifikation von πλάτανος mit kelt., z.B. air. lethan, kymr. llydan ‘breit’ ist dagegen höchst unsicher; vgl. s. v. Dasselbe Suffix noch in heth. paltana-’Arm, Schulterstück’, das sich semantisch mit πλάτη eng berührt (Laroche Rev. de phil. 75, 38, Benveniste BSL 50, 42). Zu πλάτη neben πλάτος vgl. βλάβη : βλάβος, πάθη : πάθος u.a.; nach κώπη? — Ein entsprechendes primäres Verb ist nur in aind. práthati, -te ‘ausbreiten, ausdehnen’ bzw. ‘sich verbreiten, sich ausdehnen’ erhalten, wozu als Verbalnomen prathi-mán- : πλατα-μών eig. "der sich Ausdehnende" (vgl. τελα-μών eig. "der Träger"). Die daraus und aus pr̥thi-vī: Πλάτα-ια sich ergebende zweisilbige Wz.form *pletə- : *pl̥təhat nach einer allgemein akzeptierten Theorie die aind. Aspirata, zunächst in vorvokaliger Stellung hervorgerufen: pr̥thúaus *pl̥tə̯-ú-, práthas- aus *plétə̯os-. — Fern bleibt arm. layn ‘breit’ (zu lat. lātus ‘breit’), s. W.-Hofmann s. v. m. Lit. Weitere Einzelheiten mit reicher Lit. bei Mayrhofer s. pr̥thúḥ, pr̥thvī́, práthati, práthaḫ, prathimā́, W.-Hofmann s. 1. planta, Fraenkel s. platùs; ält. Lit. bei WP. 2, 99f. (Pok. 833f.). II-553-554
πλατύς 2. ‘salzig’ (Hdt. 2, 108 [πόματα], Arist. Mete. 358f. [ὕδωρ, ὕδατα]). — Ohne Zweifel aus πλατὺς ‘Ελλήσποντος (Hom.; vgl. A. Pers. 875) durch Mißverständnis entstanden, indem der ‘breite H.’ als der ‘salzige H.’ aufgefaßt wurde. Das schmückende Epithet ‘breit’ erschien wohl für eine Meerenge wenig angemessen. Bei Hdt. 7, 35 wird der Hellespont als "θολερός τε καὶ ἁλμυρὸς ποταμός" charakterisiert. Heubeck Glotta 37, 258 ff. mit Passow, Pape u.a. — Dadurch wird die auch sonst nicht unbedenkliche Zusammenstellung mit aind. paṭú- ‘scharf, stechend’ (s. Bq) hinfällig; vgl. Mayrhofer s. v. m. Lit., auch Bibl.Orient. 18, 22. II-554-555
πλέθρον (ion. att.), πέλεθρον (Hom., auch delph. u. kork.) n. Längenmaß von 100 Fuß. Flächenmaß von 10000 Quadratfuß; später (Plu.) = lat. iugerum; auch ‘Rennbahn’ (Syrak.). Als Hinterglied z.B. in ἀ-πέλεθρος ‘unermeßlich’ (Hom., Nonn.), δί-πλεθρος ‘zwei πλ. messend’, -ον n. ‘Länge od. Fläche von zwei πλ.’ (hell. u. sp.). -ία f. ‘ds.’ (kork.). Davon πλεθρ-ιαῖος ‘ein πλ. messend’ (X., Pl. u.a.). -ιον n. Bez. eines Teils des Gymnasiums in Olympia (Paus., Luk.), -ίζω etwa ‘durchmessen, sich über etw. verbreiten’ (Thphr. Char. 23, 2; ἐκ- ~ Gal) mit -ισμα = δρόμημα (H., Phot.). — Bildung wie βέρεθρον u.a. (Schwyzer 533); etymol. unklar. Hypothese von Lobeck (s. Curtius 277 u. Bq; vgl. Persson Beitr. 2, 663): zu πίμπλημι ‘füllen’; von Kretschmer Glotta 9, 225 f. (mit Hultsch): eig. ‘Erdumwendung, Pflügung, Furche’ zu πέλομαι ‘wenden’ (eher ‘Pflugwende’; Thierfelderbriefl.); vgl. auch WP. 1, 516. Nach Hermann IF 34, 340 Fremdwort. —Zu den Wechselformen πέλεθρον : πλέθρον noch Schwyzer 259 und Szemerényi Syncope in Greek and Indo-European (Napoli 1964) 214f., der πλέθρον als griechische Synkopierung von πέλεθρον betrachtet. II-555
Πλειάδες sekundär-άς sg., f. (att.), ep. (ion.) Πληϊάδες, poet. auch Πελειάδες (Alkm., Pi. u. a.) pl., ‘die Plejaden’. — Bildung wie ‘Υάδες u. a., Πλη- wohl metr. Dehnung (Schulze Q. 174f.), Πελ- volkselym. nach πελειάδες (wie Υάδες zu ὗς) ? (Anders v. Wilamowitz Glaube 1,261). An Πλειάδες erinnert eine iranische Ben. der Plejaden, z. B. npers. parvīn pl., psht. pērūne f. pl., wozu noch aw.paoiryaēinyas (Akk. f. pl.) N. einer Sterngruppe, aber eine gemeinsame Grundform läßt sich nicht ansetzen. Wahrscheinlich liegen in beiden Sprachen volksetymol. Umbildungen vor, im Aw. und Pers. (psht. pērūne weicht lautlich ab) nach aw. paoirya- ‘der erste’, im Griech. nach πλέω ("die Schiffahrtssterne"). Weitere Erklärungsversuche tappen ganz im Dunkeln: zu lat. pulvis, πάλη feines Mehl, feiner Staub’ usw.; zu πολύς, πλείων; zu aind. palāva- m. ‘Spreu, Hülse’; s. dazu wie über andere Namen der Plejaden Scherer Gestirnnamen 141 ff.; auch WP. 2, 60 u. Pok. 800. II-555
πλείων πλέων, n. πλεῖον, πλέον (seit Il.), ep. äol. pl. auch πλέες, kret. πλίες usw. (weitere Formen bei Seiler Steigerungsformen 113, Schwyzer 537 A. 6; vgl. auch unten); Superl. πλεῖστος (seit Il.) ‘meist, der längste, der größte’. ‘mehr, länger, größer’ Als Vorderglied u.a. in der Zusammenbildung πλεον-εξ-ία f. ‘Habsucht, Vorteil’, πλεον-εκτέω mit -έκτημα, έκτης, -εκτικός (ion. att.; von πλέον ἔχειν, vgl. εὐεξία u.a. s. 1. ἔχω und Fraenkel Nom. ag. 1, 166); πλειστό-μβροτος ‘sehr volkreich’ (Pi.). Von πλε(ί)ων, πλέον : πλειότης f. ‘Pluralität’ (Theol. Ar.), πλειονότης f. ‘die überragende Länge der Saite’ (Nikom. Harm.); πλεον-άκις ‘öfter’ (ion. att.), -αχός, -αχῶς ‘mannigfach, in mannigfacher Weise’ (Arist. usw.), -αχῇ ‘in mehreren Hinsichten’ (Pl.); -άζω ‘Überfluß haben, übermäßig sein, an Zahl wachsen, zunehmen’ (ion. att.) mit -ασμός, -ασμα, -ασις (Arist., hell. u. sp.). Von πλεῖστος: πλειστ-άκις ‘am öftesten, sehr oft’ (ion. att.), -αχόθεν ‘von den meisten (sehr vielen) Orten’ (Ar.), -ήρης ‘der meiste (χρόνος), der längste’ (A. Eu. 763), -ηρίζομαι etwa ‘sich auf jmdn. als die höchste Autorität berufen’ (A. Ch. 1029), -ηριάζω ‘den höchsten Preis (in Auktionen) bieten, überbieten’ (Lys., Pl. Kom., Them.) mit -ηριασμός· ὑπερθεματισμός H. — Als Grundlage der obigen Steigerungsformen können urgr. *πλή-[ι̯]ων, *πλή-ιστος angesetzt werden; daraus πλέων, πλεῖστος; zu πλεῖστος analogisch πλείων (vgl. auch μείων). Die anscheinend altertümlichen πλέες, πλίες (s. darüber Schwyzer 537 A. 6 m. reicher Lit.) sind am ehesten als Neubildungen zu πλέον, pl. πλέα zu betrachten (Leumann Mus. Helv. 2, 1f. = Kl. Schr. 214f.). Unklar att. πλεῖν = πλέον und ark. πλος (πλως?) ‘plus’, s. Schwyzer a. O. (auch A. 1) und Leumann a. O. Die sporadischen Belege mit η, z.B. πλῆον (Milet u.a.), Πλήστ-αρχος (Tegea) sind als Zeugnisse alter Zustände kaum verwertbar (s. Seiler a. O.). — Einen entsprechenden Komp. bietet aw. frāyah- ‘mehr, sehr viel’, aind. Adv. prāyaḥ. Da der Superlativ ursprünglich tiefstufig war und eine tiefstufige Form. tatsächlich in aw. fraēštəm ‘am meisten’, awno. fleistr ‘meist’ (mit Komp. fleiri) vorzuliegen scheint (idg. *plə-isto-?), hat man auch in πλεῖστος eine urspr. Tiefstufe sehen wollen; dann muß jedenfalls ein urspr. *πλαῖστος nach πλέων u.a. umgefärbt sein. Der Stamm πλη- ist vor allem in πίμπλημι (s. d.) zu Hause; zum Positiv πολύς s. bes. — Einzelheiten in der oben genannten Lit. und bei WP. 2, 65 (Pok. 800), W.-Hofmann s. plūs, Mayrhofer s. prāyaḥ. II-556
πλειών, -ῶνος (Hes. Op. 617, Kall. Jov. 89, Lyk. 201, AP 6, 93, IG 9:1. 880, 16 [Versinschr.]), m. von den hellenist. Dichtern im Sinn von ‘Jahr’ gebraucht (vgl. H.: πλειών· ὁ ἐνιαυτός. ἀπὸ τοῦ πάντας τοὺς καρποὺς τῆς γῆς συμπληροῦσθαι); Bed. bei Hes. unklar, vgl. Troxler Spr. u. Wortsch. Hesiods 186 f. — Als "Vollperiode, Volljahr" allgemein und wohl richtig zu πλέως, ep. πλεῖος ‘voll’ gezogen mit ών- Suffix (nach αἰών od. den Monatsnamen?; vgl. Schwyzer 488). II-556-557
πλέκω (πλεγνύμενος Opp.), Aor. πλέξαι (seit Il.), Pass. πλεχθῆναι (Od. usw.), πλακῆναι (ion. att.), Neubildung πλεκῆναι (Tim. Pers. u.a.), Fut. πλέξω, Pass. πλεχθήσομαι, πλακήσομαι, Perf. πέπλοχα (Hp., att.), auch πέπλεχα (Hp.), -εκα (Kall.), Med. Pass. πέπλεγμαι (ion. att.), ‘flechten, stricken, drehen, schlingen’. oft m. Präfix, bes. περι-, ἐν(ι)-, συν-, Zahlreiche Ableitungen. A. Mit ε-Stufe: 1. πλεκτός (σύμ-, εὔ-~ usw.) ‘geflochten, gedreht’ (seit Il.; Ammann Μνήμης χάριν 1, 17). 2. πλεκτή f. ‘Windung, Strick, Tau, Fischreuse’ (A., E., Pl. u.a.; zur Bildung Frisk Eranos 43, 222). 3. πλεκτάνη f. ‘Flechtwerk, Schlinge, Windung’ (ion. att.); Erweiterung von πλεκτή nach δρεπάνη u.a. wie βοτάνη zu βοτόν (Schwyzer 490; vgl. Benveniste Origines 108), mit -άνιον (Eub.), -ανάομαι (A.), -ανόομαι (Hp.) ‘umflochten werden’. 4. πλέγμα (ἔμ-, σύμ-~ u.a.) n. ‘Geflecht, Flechtwerk u.a.’ (ion. att.) mit -μάτιον (Arist.), -ματεύεσθαι· ἐμπλέκεσθαι H. 5. πλέκος n. ‘Flechtwerk, Korbarbeit’ (Ar.). 6. πλέξις (περί-, ἔμ-, σύμ-~) f. ‘das Flechten, Umschlingen usw.’ (Pl., Arist. u.a.) mit -είδιον (Suid.), (περι-, συμ-)πλεκτικός ‘zum Flechten usw. gehörig’ (Pl. u.a.; Chantraine Études 135). 7. πλέκτρα n. pl. ‘Flechtwerk’ (Samos IVa). 8. πλέκωμα = δράγμα (Sch.). 9. ἐμπλέκ-της, f. -τρια ‘Haarflechter(in)’ (Gloss., EM). 10. (περι-, ἐμ-)πλέγδην ‘verflochten, verschlungen’ (hell. u. sp.). 11. ἀμφι-, περι-, συμ-πλεκ-ής ‘ds.’ (Nonn., Orph.; Verbaladj. nach den ες-Stämmen) mit περιπλέκ-εια f. (Jamb.). 12. Desider. πλεξείω (Hdn. Epim.). — B. Mit ο-Stufe: 1. πλόκος m. ‘Geflecht, Locke, Kranz, Halsband’ (Pi., Trag. u.a.); Adj. διά-, σύμ-~ (AP, Nonn. u.a.) von δια-, συμ-πλέκω; πλόκιον n. ‘Halskette’ (hell. Inschr. u.a.), ἐμ-~ ‘Haarspange usw.’ (hell.), auch (pl.) = ἑορτὴ παρὰ ’Αθηναίοις H.; πλόκ-ιμος ‘zum Flechten geeignet’ (Thphr.; Arbenz 20, Strömberg Theophrastea 171), διαπλόκ-ινος ‘geflochten’ (Str.), περιπλοκ-άδην ‘in enger Umarmung’ (AP); πλοκ-ίζομαι ‘das Haar flechten lassen’ (Hp. u.a.). 2. πλοκή f. (Epich., Arist. u.a.) ‘Geflecht, Gewebe, Verflechtung, Verwicklung usw.’, sehr oft von den Präfix- kompp. (περι-, ἐμ-, κατα-, συμ- usw.) in verschiedenen Bedd. (ion. att.). Von πλοκή od. πλόκος : πλοκάς f. ‘Haarflechte, Locke’ (Pherekr.; nach γενειάς u.a.); πλοκεύς m. ‘Haarflechter’ (Epich., Hp.; Bosshardt 47). 3. πλόκαμος m. ‘Haarlocke’ (ep. poet. seit Ξ176, sp. Prosa) mit -ίς, -ῖδος f. ‘ds.’ (hell. u. sp. Dicht.); aus ἐυπλοκάμιδες (’Αχαιαί Od.) ausgelöst nach ἐυκνήμιδες (’Αχαιοί) : κνημίς (Leumann Hom. Wörter 122f.); πλόκαμα· τὰ περιόστεα νεῦρα H., -ώδεα· τὸν οὖλον βόστρυχον H. 4. πλόκανον n. ‘Flechtwerk, Strick usw.’ (Pl., X. u.a.); nach ξόανον, ὄργανον usw. — 5. πλοχμός, meist pl. -οί m. ‘Haarlocken’ (P 52, A. R., AP u.a.), Suffix -σμο-(Schwyzer 493); Beziehung zum σ-Stamm im seltenen πλέκος (wahrscheinlich Neubildung) nicht glaubhaft; zu beachten dagegen die s-Ableitung im germ. Wort für ‘Flachs’, ahd. flahs, ags. fleax n. (urg. *flahsa-). — Das thematische Wz.präsens πλέκω, auf dem das ganze Formensystem einschließlich der Nomina aufgebaut sein kann (zum Aorist πλέξαι Schwyzer 754; πλακῆναι usw. dann analog. Neubildungen), hat außerhalb des Griechischen keine genaue Entsprechung. Demgegenüber stehen teils im Lat. ein intensives Deverbativum in plicō, -āre ‘(zusammen)-falten’ (für *plecō nach den weit gewöhnlicheren Kompp. ex-plicō usw.), teils im Lat., Germ., vielleicht auch im Slav. eine t-Erweiterung in lat. plectō = germ., z.B. ahd. flehtan ’flechten’, slav., z.B. aksl. pletǫ, plesti ‘συρράπτειν’, russ.pletú, ptestí (-tь) ‘flechten’, auch ‘lügen, aufschneiden’. Ein isoliertes Verbalnomen hat sich in aind. praśnaḥ m. ‘Turban, Kopfbinde’ (idg. *ploḱ-no-s) erhalten; über weitere denkbare Vertreter im Indoiran. Mayrhofer s. v. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 97f., Pok. 834f., W.-Hofmann s. 1. plectō und plicō, Ernout-Meillet s. plectō; slav. Formen bei Vasmer s. pletú. II-557-558
πλεονεκτέω, πλεονεξία usw. s. πλείων. II-558
πλεύμων, -ονος (sekund. πνεύμων nach πνέω, πνεῦμα) m., meist pl. ‘Lunge(n)’ (seit Il.), übertr. ‘Qualle’ (Pl., Arist. u.a.). Vereinzelte Kompp., z.B. πλευμο-ρρωγής ‘mit einem Riss in der Lunge’ (Hp.), ἁλι-πλεύμων m. ‘Qualle’ (Marcell. Sid.). Davon πλευμον-ώδης (πν-) ‘lungenähnlich’ (Arist.), -ία f. ‘Lungenentzündung, Pneumonie’ (Kom. Adesp., Mediz.; weit gewöhnlicher die Hypostase περι-πλευμον-ία, -ίη ‘ds.’ [ion. att.]), -ίς f. ‘ds.’ (Hp.). Berufsmäßige Kurzform πλεῦμος m. ‘Lungenkrankheit’ mit πλευμ-άω, v. l. -όω ‘an Lungenkrankheit leiden’ (Hp., Gal.). — Mit πλεύμων läßt sich aind. klomán- m. ‘die rechte Lunge’, pl. ‘die Lungen’ unter Annahme einer Dissimilation k-m aus p-m identiflzieren : idg. *pleu-mon-, Lat. pulmō ‘Lunge’, wenn aus *plu-mon-, ist davon nur im Ablaut unterschieden. Urspr. Bedeutung "Schwimmer", weil die Lungen (im Gegensatz zu Herz und Leber) beim Werfen ins Wasser nach dem Schlachten oben schwimmen bleiben. Eine ganz abweichende Bildung zeigt eine verwandte baltoslav. Gruppe, z.B. lit. plaũčiai m. pl., aksl. pljušta n. pl., idg. *pleu-ti̯o-. — Einzelheiten m. Lit. bei WP. 2, 95f., Pok. 837f., W.-Hofmann, Mayrhofer, Fraenkel s. vv., Vasmer s. pljuče; auch Benveniste BSL 52, 40. Weiteres s. πλέω. II-558-559
πλευρά, gew. pl. -αί; -όν, gew. pl. -ά n. f. ‘Rippe(n), Seite des Leibes’, übertr. ‘Seite eines Geländes, einer geometrischen Figur, Flanke eines Heeres’ (seit Il.). Sehr oft als Hinterglied, z.B. περί-πλευρος ‘um die Rippen herumgehend, die Seite deckend’ (E. in lyr.). Davon das Demin. πλευρ-ία pl. (Hp., delph. Inschr.), -ιάς f. ‘Seite eines Geländes’ (Tab. Heracl.; nach πεδι-άς u.a.; vgl. Chantraine Form. 354); -ιαῖος ‘an der Seite gelegen’ (böot. Inschr.), -ικός ‘zu den Rippen gehörig’ (Sch.); -ίτης m. ‘mit den Rippen verbunden’, Ben. eines Wirbelknochens (Poll.), -ῖτις (νόσος) f. ‘Rippenfellentzündung’ (Hp., Ar. u.a.), auch als Pfl.name = σκόρδιον (Ps.-Dsk.; wegen der Wirkung, vgl. Redard 75); -ώματα n. pl. = πλευρά (A.; poetische Erweiterung, Chantraine Form 186); -ισμός m. Bed. unklar, ‘Damm’? (Pap.); -ών, -ῶνος m. ätol. ON (Β 639 u.a.), Krahe ZONF 8, 159. — Hypostase παρα-πλευρ-ίδια n. pl. ‘Seitenharnische’ (X., Arr.). — Bildung wie νευρά u.a., somit in πλε-υρ-ά, -όν zu zerlegen (Benveniste Origines 112 f.). Ohne sichere Erklärung. Wenn ursprünglich ‘Seite’, empfiehlt sich mit Benveniste a. O. Anknüpfung an pelā- ‘ausbreiten’ (πέλαγος, πλάξ, παλάμη u.a.). Wenn aber, was weit wahrscheinlicher ist, eig. ‘Rippe(n)’ scheint diese Etymologie hinfällig. Oder eig. "die zur Seite (*πλῆ-ϝαρ) gehörige(n)"? — Ältere Hypothesen bei Bq (abgelehnt). II-559
πλέω (seit Il.), Aor. πλεῦσαι (att.), Fut. πλεύ-σομαι (seit Il.), -σοῦμαι (att.), -σω (hell. u. sp.), Perf. πέπλευκα (S. usw.), Pass. πέπλευσμαι (jungatt.), πλευ-σθῆναι, -σθήσομαι (Arr. u.a.), ‘zur See fahren, segeln, schiffen’, m. Präfix auch ‘schwimmen, fiießen’. sehr oft m. Präfix, z.B. ἀνα-, κατα-, ἐπι-, Davon πλόος, kontr. πλοῦς (ἀνά-, ἐπί-, περί-~ usw.) m. ‘Schifffahrt, Seefahrt’, auch ‘Fahrzeit, Fahrwind’ (ion. att.); Kompp., z.B. εὔ-πλοος ‘mit schöner Seefahrt, schön fahrend’ (Erinn., Theok.) mit -ίη, -ια f. (ep. poet. seit Il.), περί-πλους Adj. ‘umschiffbar’ (Th. u.a.), ‘umsegelnd’ (AP), auch ‘umhüllend’ (Hp.; vgl. ἐπίπλοον). Von πλόος 1. die altererbte i̯o- Ableitung πλοῖον n. ‘Fahrzeug, Schiff’ (ion. att.; vgl. unten) mit πλοι-άριον (A.r., X. usw.), -αρίδιον (Pap. u.a.); 2. πλόϊμος ‘schiffbar’ (att. usw.), oft πλώϊμος geschrieben nach πλώω usw. (vgl. Arbenz 48 f.); 3. πλοώδης ‘schwimmend, fließend’, d.h. ‘nicht fest, beweglich’ (Hp.), s. Strömberg Wortstud. 25; 4. πλοϊκός ‘ds.’ (Suid.); aber 5. πλοί̄ζω ‘Schifffahrt treiben’ (hell. u. sp.) eher für älteres deverb. πλωΐζω (s. πλώω). — Von πλέω noch das sehr seltene πλεῦσις (Simplex nur H. s. νεῦσις), u.a. in ἐπίπλευσις f. ‘Angriff zur See’ (Th. 7, 36 neben ἀνάκρουσις; sonst ἐπίπλους). Zu πλεύμων, πλοῦτος s. bes. — Das primäre themat. Wz.präsens πλέ(ϝ)ω deckt sich mit aind. plávate ‘schwimmen, fließen’, aksl. plovǫ, pluti ’πλέω’, wohl auch mit lat. pluit ‘es regnet’ (aus *plovit < *plevit; vgl. Ernout-Meillet s. v.); zu πλεύσομαι stimmt, wahrscheinlich als parallele Neubildung, aind. ploṣyati. Neben dem Nom. actionis πλό(ϝ)ος steht im Aind. mit erwarteter Oxytonese das Nom. agentis plavá- m.; damit identisch russ. plov ‘Boot, Kahn’ und toch. B plewe ‘Schiff’ (idg. *plou̯os). Ebenso πλοῖον (für *πλόϝιον) = awno. fley n. ‘Schiff’. Weitere Formen, fürs Griech. belanglos, mit reicher Lit. bei WP. 2, 94f., Pok. 835ff., W.-Hofmann s. pluō, Mayrhofer s. plávate und plaváḥ, Fraenkel s. pláuti; über hierhergehörige Flußnamen, z.B. nhd. Fliede(n), Krahe Beitr. z. Namenforsch. 9, 1ff. — S. noch πλώω, πλύνω; auch πολύς. II-559-560
πλέων Komp. ‘mehr’ s. πλείων. II-560
πλέως ‘voll’, πλῆθος ‘Menge’ s. πίμπλημι. II-560
πλημμελής ‘fehlerhaft, voll Versehen, ungerecht’ (Demokr., att.) mit πλημμελ-έω ‘fehlen, sich vergehen’, -εια f. ‘Fehler, Vergehen, Irrtum.’ (att.). — Eig., "außer dem μέλος, der Tonweise stehend, das μέλος verfehlend"; Gegensatz ἐμμελής. — Vgl. πλήν und μέλος. II-560
πλήμνη f. ‘Radnabe, Radbüchse’ (Il., Hes. Sc., Hp., A. R.); πλημνό-δετον n. ‘Reif, womit die Speichen in der Nahe befestigt werden’ (Poll.). — Seit Pictet (s. Curtius 277) als "die Fülle des Rades" zu πίμπλημι gezogen; so schon H. mit der Erklärung : ἀπὸ τοῦ πληροῦσθαι ὑπὸ τοῦ ἄξονος. Morphologisch einleuchtend (Schwyzer 524; auch Brugmann Grundr.2 II: 1, 244), mag die Etymologie richtig sein, obwohl eine bessere Begründung wünschenswert wäre. Zweifel bei Chantraine Form. 215. II-560
πλημῡ̆ρίς, -ίδος, Akk. auch -ιν (vgl. unten) f. ‘Meeresflut, Überschwemmung’ (ι 486, ion. poet., hell. u. sp. Prosa). Dazu πλημύ̄ρ-ω ‘Flut haben, überfluten, überschwemmen’ (Archil., B., Kall. u.a.) mit πλήμῡρα f. = πλημυρίς (hell. u. sp.); Nebenform -έω ‘ds.’ (Hp., Plu. u.a.; wie κύρ-ω : -έω usw., Schwyzer 721) mit -ίη, -ία f. (Aret., Sch.). — Wie ἁλμ-ῠρίς von ἅλμη gebildet ist, geht πλημ-ῠρίς auf πλήμ-η (erst hell., aber πλήσμη schon Hes.; vgl. noch πλήμνη) zurück. Davon (oder von *πλημυρός wie ἁλμυρός?) πλημύ̄ρω mit weiteren Ablegern. Aus πλημύ̄ρω u.a. wurde die Vokallänge auch in πλημῡρίς eingeführt. Bechtel Lex.s. v. — Die in Hss. gewöhnliche Geminata μμ ist aus πλημμελής und anderen Kompp. eingedrungen (Schwyzer 280). Die Betonung πλήμυρις, -ιν (Sch. als Alternative, EM; vgl. Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 107 [Kl. Schr. 2, 1164] A. 1) kann vom Oppositum ἄμπωτις (und von πλήμῡρα?) stammen. — Die gewöhnliche Anknüpfung an μύρομαι ist abzulehnen. II-560-561
πλήν (seit θ 207), dor. äol. πλάν Präp. m. Gen. ‘außer’, Adv. u. Konj. ‘außer, außerdern, außer daß, indessen’. — Wie das Oppositum δήν (s. d.) ein erstarrter Akk. eines Nomens *πλᾱ-, *πλη- (zu πέλας, πλησίον), also eig. ‘in die Nähe (von), nahe (hin)’; vgl. ἔμπλην. Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer-Debrunner 542 f. Abzulehnen Prellwitz Glotta 19, 116. II-561
πλήρης ‘voll’ s. πίμπλημι. II-561
πλησίον ‘nahe’ s. πέλας. II-561
πλήσσω, att. -ττω (ἐκ-πλήγνυμαι Th.), Aor. πλῆξαι (seit Il.), dor. πλᾶξαι, redupl. (ἐ-)πέπληγον (Hom.), Pass. πληγῆναι (seit Il.), dor. äol. πλᾱγῆναι, mit Präfix -πλᾰγῆναι (ion. att.), πληχθῆναι (E., sp.), Fut. πλήξω (seit Il.), Pass. πληγήσομαι, -πλᾰγήσομαι (att.), Perf. πέπληγα (seit Il.: πεπληγώς), πέπληχα (hell.), Pass. πέπληγμαι (ion. att.), oft (im Präs. in der älteren Sprache immer) mit Präfix in verschiedenen Sinnfärbungen, z.B. ἐκ-, ἐπι-, κατα-, παρα-, ‘(zu)schlagen, stoßen, treffen’, Pass. ‘geschlagen, gestoßen, getroffen, betroffen werden’ (ἐκ- ~ ‘erschrecken’, ἐπι- ~ gew. ‘tadeln, schelten’, παρα- ~ im Pass. ‘verrückt werden’ usw.). Als Vorderglied in Rektionskompp., z.B. πλήξ-ιππος ‘Rosse peitschend’ (ep. poet. seit Il.). Mehrere Ableitungen. Nom. actionis: 1. πληγή, dor. πλαγά f. ‘Schlag, Wunde usw.’ (seit Il.). 2. πλήγανον· βακτηρία, πληγάς· δρέπανον H. 3. πλῆγ-μα n. = πληγή (S., E., Arist.), -μός m. ‘ds.’ (Mediz., κατά- ~ LXX). 4. ἀπό-, ἔκ-, ἔμ-, ἐπί-, κατά-πληξις f. ‘Schlagfluß, Erschütterung usw.’ (ion. att.); πλῆξις, dor. πλᾶξις f. ‘das Schlagen’ (Ti. Lokr. u.a.). Nom. agentis u. instr. 5. πλῆκτρον, dor. πλᾶκτρον n. ‘Werkzeug zum Schlagen, Schlägel’ (h. Hom., Pi. usw.). 6. πληκτήρ m. ‘ds.’ (Hdn. Gr.); πλακτήρ· τὸ τοῦ ἀλεκτρυόνος πλῆκτρον H.; πλάκτωρ m. (dor.) ‘Schläger’ (AP), πλήκτης m. ‘ds.’ (Hp., Arist. usw.), ἐπι- ~ ‘Tadler, Züchtiger’ (Gloss.), -πλήκτειρα f. ‘Antreiberin’ (AP). Adj., vorwiegend als Hinterglieder: 7. -πληξ, z. B. παραπλήξ, -γος ‘seitwärts geschlagen’ (ε 418), ‘verrückt’ (ion. att.), ‘gelähmt’ (Hp.) mit -ηγία, -ηγικός (Hp.), οἰστρο-πλήξ ‘von der Bremse gestochen’ (Trag.); πλήξ als Simplex nur als Ben. eines Verbandes (Sor.); 8. -πληκτος, z.B. ἀπόπληκτος ‘vom Schlage gerührt’ mit -ηξίη, -ία (ion. att.); 9. ἐκ-, κατα-πλαγής ‘erschrocken’ (Plb., Luk.). 10. πληκτικός ‘schlafend, treffend’ (Pl. usw.; Chantraine Études 134 u. 138), ἐκπληκτι-κός (Th. usw.) u.a. Verb 11. πληκτίζομαι ‘sich schlagen’ (Φ 499 u.a.), meist ‘schäkern’ (Ar., Herod. usw.) mit -ισμός m. (AP), wohl eher Erweiterung des primären Verbs (vgl. λακτίζω und Schwyzer 706) als von einer nominalen τ-Ableitung. — Zum primären Jotpräsens πλήσσω aus *πλᾱκ-ι̯ω stimmt ein slav. Wort für ‘weinen, klagen’ (eig. ‘sich an die Brust schlagen’), z.B. aksl. plačǫ (sę), russ. pláču; dazu das Verbalnomen lit. plókis m. ‘Schlag, Streich’. Auslautende Media wie in πλᾱγ-ά̄, πληγ-ή u.a. findet sich auch im Germ., z.B. ags. flōcan ‘Beifall klatschen’, got. redupl. Prät. faí-flokun ’ἐκόπτοντο’, ahd. fluohhon ‘verfluchen’ (idg. plāg-). Die Schwundstufe in πλᾰγ-ηναι ist auch in dem nasalierten πλάζω (mit lat. plangō) vertreten; daneben mit -k- lit. plakù, plàkti ‘schlagen, züchtigen’. Neben diesen auf idg. plā̆q-, plā̆g- zurückgehenden Formen stehen mit abweichendem Vokalismus lit. plíek-iu, -ti ‘schlagen, peitschen’ (Kreuzung mit einem anderen Verb?), lat. plectō, -ere ‘strafen, züchtigen’ (ē od. ĕ). — Beziehung zur Sippe von πλάξ (eig. ‘breit schlagen’?) ist erwägenswert. Weitere Formen m. reicher Lit. WP. 2, 91 ff., Pok. 832f., W.-Hofmann s. 2. plectō, Vasmer s. plákatь, Fraenkel s. plíekti 2. Zum Perf. πέπληγα gegenüber τύπτω, πατάξαι s. Bloch Suppl. Verba 83ff. II-561-562
πλίνθος f. ‘Ziegel, Luftziegel, Backstein’, übertr. ‘quadratförmiger Baustein, Metallbarren, Säulenplatte’ (ion. att.). Kompp., z.B. πλινθο-φόρος ‘ziegeltragend, Ziegelträger’ (Ar. u.a.), ἡμι-πλίνθ-ιον n. ‘halbziegelförmiger Barren’ (Hdt., att. Inschr.). Mehrere Ableitungen. 1. Deminutiva: πλινθ-ίον (att.), -ίς f. (hell. u. sp.), beide vorwiegend in übertragenen Sonderbedd.; -άριον (LXX u.a.), -ίδιον (Iamb.). 2. Adj.: -ινος ‘von Ziegeln gemacht, aus Ziegeln’ (ion. att.), -ικός ‘ds.’ (Pap.), -ιακός ‘mit Ziegeln beschäftigt’ (D. L.; nach βιβλι-ακός, θηρι-ακός u.a.), -ωτός ‘ziegelförmig’ (Paul. Aeg.). 3. Subst.: -ῖτις f. ‘Art στυπτηρία’ (Gal.). 4. Adv.: -ηδόν ‘dach- ziegelförmig’ (Hdt.). 5. Verba: πλινθ-εύω ‘Ziegel streichen ziegeln’ (ion. att.) mit -εία f., -εῖον n., -ευσις f., -ευμα n., -ευτής (hell. u. sp.); -όομαι ‘mit Ziegeln bedecken’ (AP). — Technischer Ausdruck des Ziegelsteinbaus und schon aus diesem Grunde (vgl. zu κέραμος) wie auch wegen des Suffixes der Entlehnung stark verdächtig: Chantraine Form. 371, Güntert Labyrinth 22, Kretschmer Glotta 23, 12 u.a.m.; daazu Alessio Studi etr. 18, 139, Belardi Doxa 3, 218. Über idg. Hypothesen s. Bq s. v., W.-Hofmann zu 3. pila und later; auch Lidén Stud. 18. Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pél. 128f. (zu πηλός usw.; s.d.). II-562-563
πλίσσομαι Aor. ἀπεπλίξατο ‘machte sich in großen Sprüngen davon’ (Ar.), πλίξαντα· διαναβάντα H., Perf. δια-πεπλιγμένος ‘mit gespreizten Beinen’ (Archil.), περι ~ ‘mit ringsherumgelegten Beinen’ (Stratt.), περιπεπλίχθαι· διηλλαχέναι τὰ σκέλη ἀσχημόνως H., Akt. δια-πεπλιχός (στόμα) ‘offenstehend’ (Hp.), Fut. Pass. καταπλιγήσει (Ar. Fr. 198, 3), nach H. = κατακρατηθήσῃ. ‘die Beine ausspreizen, ausschreiten’ (ζ 318), ἐκ- ~ ‘auseinanderklaffen, von einer Wunde usw.’ (Hp.), ἀμφι-πλίσσω (Poll.), διαπλίσσοντες (v. l. Ψ 120), Davon πλίξ = βῆμα (Sch.; dor.), πλιχ-άς, -άδος f. ‘die Spreize, die Stelle zwischen den Schenkeln’ (Mediz.), πλίγμα n. ‘das Spreizen, die Spreize’ (Hp., H., EM); ἀμφι-πλίξ Adv. ‘mit gespreizten Beinen’ (S. Fr. 596), περι- ~· περιειληφώς H., περιπλίγδην· περιβάδην H. — Unerklärt. Unbefriedigende Hypothesen von Prellwitz KZ 47, 188 (s. WP. 2, 91 und W.-Hofmann s. placeō); von Peder- sen Vergl. Gramm. 1, 84: zu air. sliassait f. ‘Schenkel’ und aind. (Dhātup.) plehate ‘gehen’; dazu (außer WP. 2, 684 und Pok. 1000) auch Mayrhofer s. v. (ablehnend); von Pisani Mél. Boisacq 2, 181 ff. (m. ausführlicher Beh.): zu aksl. plęsati, russ. pljasátь usw. ‘tanzen’. Ält. Lit. auch bei Bq und Schwyzer 692. II-563
πλοῖον, πλόος, πλοῦς s. πλέω. II-563
πλοῦτος m. (sp. auch n.; Schwyzer 512) ‘Reichtum, Vermögen’ (seit Il.), auch personifiziert (Hes. u.a.; vgl. Πλούτων unten). Kompp., z.B. πλουτο-δότης m. ‘Reichtumspender’ (Hes. u.a.), καλλί-πλουτος ‘mit schönen Reichtümern’ (Pi.). Davon 1. πλούσ-ιος, lak. πλούτιος (EM) ‘reich, begütert’ (seit Hes., h. Merc.; Zumbach Neuerungen 13) mit -ιακός ‘dem Reichen gehörig’ (Alex. Kom. u.a.), -ιάω = πλουτέω (Alex. Aphr.). 2. πλουτ-ηρός ‘Reichtümer bringend’ (X.); -ᾱξ, -ᾱκος m. ‘ein reicher Kauz’ (Kom.). 3. -ίνδην Adv. ‘nach dem Vermögen’ (Arist. u.a.). 4. πλουτ-έω ‘reich sein’ (seit Hes.); -ίζω ‘reich machen, bereichern’ (Trag., X. u.a.; κατα- ~ Hdt. u.a.) mit -ιστής, -ιστήριος, ισμός (sp.). 5. Πλούτων, -ωνος m. Gott des Reichtums, d.h. des in die Erde vergrabenen Getreidevorrats (Trag. usw.); zum Benennungsmotiv s. Nilsson Gr. Rel. I 471 ff.; vgl. H. s. εὔπλουτον κανοῦν: "πλοῦτον γὰρ ἔλεγον τὴν ἐκ τῶν κριθῶν καὶ τῶν πυρῶν περιουσίαν". 6. Πλουτεύς ‘ds.’ (Mosch., AP u.a.), wohl nach Ζεύς; anders Bosshardt 126. — Bildung mit το-Suffix wie die z.T. sinnverwandten νόστος, βίοτος, ἄροτος, φόρτος; von πλέω in der Bed. ‘fließen’, mithin eig. "Fluß, Flut", zunächst übertr. von einem reichen Getreideertrag (vgl. oben). Anders Porzig Satzinhalte 261: eig. "Schwemme", von der Überflutung der Felder durch den Regen. — Vgl. die Lit. zu πένομαι. II-563-564
πλύνω (πλύνεσκον Χ 155), Aor. πλῦναι (seit Od.), Fut. πλῠν-έω (ep. ion.), -ῶ (att.), Pass. Perf. πέπλυμαι (ion. att.), Aor. πλυθῆναι (hell. u. sp.), Fut. -θήσομαι (Kom. Adesp.), ‘waschen, reinigen’, von Kleidern u. ä. (vgl. λούω, νίζω). auch m. ἀπο-, ἐκ-, κατα- u.a., Mehrere Ableitungen. Adj. 1. νεό-, ἔκ-πλυ-τος ‘frisch-, ausgewaschen’ (ζ 64 u.a. bzw. A., Pl. u.a.), πλυτός ‘gewaschen’ (Hp.); 2. ἐϋ-πλυν-ής ‘wohlgewaschen’ (Od.); 3. πλυν-τικός ‘zum Waschen gehörig’ (Pl., Arist.; Chantraine Études 135), πλυ-τικός ‘ds.’ (Alex. Aphr.). Subst. 4. πλυνοί m. pl. ‘Waschgruben, -tröge, -platz’ (Hom., hell. u. sp.; Chantraine Form. 192) mit dem Demin. πλύνιον n. (Inschr. Sizilien); mit Barytonese 5. πλύνος m. ‘die Wäsche’ (Pap., Ostr.; Mayser Pap. I: 3, 3); unklar Ar. Pl. 1061; dazu πλυνεύς m. ‘Wäscher’ (att. Inschr., Poll.; vgl. Bosshardt 81). Weitere Nom. actionis : 6. πλύσις (περί-, κατά-, ἀπό- ~ ) f. ‘das Waschen’ (ion. att.), sp. ἀπόπλυν-σις (Sophon.); πλύσιμος ‘zur Wäsche gehörig’ (Pap. IIIa); 7. πλύμα (ἀπό-, περί- ~; πλύσμα Phot., auch Hss.) n. ‘Wasch-, Spülwasser, Spülicht’ (Hp., Pl. Kom., Arist., Pap. usw.); 8. πλυσμός· πλυτήρ H. Nom. agentis u. istr. : 9. πλύν-τρια f. ‘Wäscherin’ (att. Inschr., Poll.), -τρίς f. ‘ds.’ (Ar.), auch ‘Spülerde’ (Botaniker bei Thphr. u.a.; Capelle RhM 104, 58), mask. πλύν-της (Poll.), πλύ-της (EM, Choerob.); auch πλυτήρ (H.; s. ob.) und *πλυν-τήρ in Πλυν-τήρ-ια n. pl. N. eines Reinigungsfestes (att. Inschr., X. usw.) mit -ιών, -ιῶνος m. Monatsname (Thasos usw.), wenn nicht vielmehr analogisch nach anderen Subst. auf -τήρια, -τήριον (s. Chantraine Form. 63 f.); ebenso κατα-πλυντηρ-ίζω übertr. ‘mit Schimpfworten überschütten’. eig. ‘in Spülwasser eintauchen, mit Spülwasser durchnässen’?; 10. πλύν-τρον n. = πλύμα (Arist.). pl. ‘Wäschelohn’ (Pap. IIIa, Poll.). — Wie in κρί̄νω aus *κρί-ν-ι̯ω hat sich in πλύ̄νω aus *πλύ-ν-ι̯ω an ein Nasalpräsens ein weiteres Jotsuffix gefügt; dabei drang der Nasal auch in außerpräs. Formen ein; vgl. Schwyzer 694. Als Ganzes ist πλύνω eine griechische Schöpfung, aber auf idg. Grundlage (zum Armen. unten). So deckt sich πλυτός formal mit aind. pluta- ‘schwimmend, überschwemmt’ (zuerst in Kompp., z.B. uda-plu-t-á- ‘im Wasser schwimmend’ [AV]), auch mit russ. plot ‘Floß’, lett. pluts ‘ds.’ (russ. LW?). Ebenso πλύσις = aind. pluti- f., als gramm. Ausdruck ‘Vokaldehnung’, sp. auch ‘Flut’; wenigstens im letztgenannten Falle ist mit paralleler Neubildung zu rechnen. Sowohl diese tiefstufigen Formen wie Perf. Med. pu-plu-v-e u.a. reihen sich indessen an das hochstufige Präsens plávate = πλέω; ein tiefstufiges Präs., zumal mit Nasalsuffix, liegt dagegen in arm. lua-na-m (Aor. lua-c̣i) vor, das auch semantisch (’waschen, baden’) zu πλύνω stimmt. — Weiteres s. πλέω und πλώω. Vgl. auch πύελος. II-564-565
πλώω (ep. ion. seit Il.), Aor. πλῶ-ναι (ἐπ-έπλων usw., Hom., Hes.), πλῶσαι (Γ 47: Ptz. ἐπι-πλώσας; Hdt., Arr.), Fut. πλώσ-ομαι (Hdt.), -ω (Lyk.), Perf. πέπλωκα (Hdt., Lyk.; auch E. Hel. 532 und Ar. Th. 878 [Parodie]), ‘schwimmen’, Aor. usw. auch ‘segeln, zur See fahren’ (neben Präs. πλέω; zu πλώω: πλέω Bechtel Dial. 3, 196ff., 208). auch m. Präfix, z.B. ἐπι-, ἐκ-, κατα-, παρα-, Mehrere Ableitungen, wohl alle aus dem Ion. (Fraenkel Nom. ag. 2, 3 f.). Adj. 1. πλω-τός (πρόσ-, ἔκ-~) ‘schwimmend, schiffbar’ (κ 3 [zur Erklärung Giusti Il. mondo class. 7, 63ff.], Hp., Hdt., Arist. usw.) mit -τίς f. etwa ‘Floß’ (Demetr. Astrol.), -τεύομαι ‘beschifft, befahren werden’ (Plb.); 2. πλω-τικός ‘seefahrend’ (hell. u. sp.); 3. -σιμος ‘schiffbar, seetüchtig’ (S., Diogenian.), eher von πλῶσαι als von *πλῶσις; ebenso πλώ-ϊμος neben und für πλόϊμος (s. zu πλέω m. Lit.). Subst. 4. κατάπλω-σις f. ‘Heimkehr zur See’ (Herod.); 5. πλωτήρ m. ‘Seemann’ (vereinzelt bei E., Ar., Pl., oft bei Arist. usw.), ‘Schwimmer’ (Opp., Nonn.); 6. πλω-άδες, -ϊάδες (Thphr.), -ίδες (A. R.) f. pl. ‘schwimmend, fließend’; auch 7. πλώς, pl. πλῶτες N. eines Fisches, = κεσ-τρεύς, wenn eig. "Schwimmer" (vgl. Thompson Fishes s. πλῶτα); aber δακρυπλώειν (τ 122) nicht Denominativ von *δακρυ-πλώς, sondern nach δάκρυ χέων, χέουσα als Univerbierung gebildet; vgl. Leumann Hom. Wörter 36 m. A. 1 u. Lit. 8. Verb: πλω-ΐζω (-ῴζω) ‘zur See fahren’ (Hes., Th. u.a.) mit -ϊσις f. ‘Seefahrt’ (Just.). — Die obigen Formen sind nicht eindeutig. Der Aorist ἔπλων (ἐπ-έπλων, ἀπ-έπλω u. a.) stimmt zu ἔγνων und sieht somit zunächst wie ein athem. Wz.aorist aus (Ptz. ἐπιπλώς Z 291 falsch für -πλούς?); dazu als Neubildungen ἔπλωσα-(ἔγνων : aind. ájñāsam) und πλώω (vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 365)? Oder umgekehrt (mit Schwyzer 743 A.5 [fragend]) : ἔπλων sekundär zu älterem ἔπλωσα und dies ursprünglich zu πλώω? Bei der ersten Alternative haben wir keinen Anlaß, ἔπλων usw. mit πλέω zusammenzuhalten; bei der zweiten wird πλώω aus *πλώϝ-ω als dehnstufiges Deverbativ aufgefaßt (z.B. Schwyzer 722 und 349); dazu analogisch die übrigen Formen (vgl. Schwyzer 346). Dieselbe Dehnstufe findet sich im slav. Iterativ, z.B. aksl. plavati, russ. plávatь ‘(hin und her) schwimmen’. Ein Gegenstück zu πλω- bietet dagegen das Germ. in awno. flōa, ags. flōwan (w sekundär) mit got. flodus m. ’ποταμός (wäre gr. *πλω-τύς) u. a.; auch dies kann auf ein reduziertes idg. plō[u̯]- zurückgehen. Wenn man sich für ursprüngliches πλω- aus idg. plōentschließt, muß dies mit πλη- in πίμ-πλη-μι ablauten (Brugmann-Thumb 325 u. 327) mit weiterem Anschluß an pel- in aind. pí-par-ti ‘füllen’, was sich semantisch schlechter als πλέω mit πλώω verträgt. Aus diesem. Grunde scheint die Erklärung aus *πλώϝ-ω den Vorzug zu verdienen. — Vgl. πλέω, auch πλύνω. II-565-566
πνεύμων ‘Lunge’ s. πλεύμων. II-566
πνέω, ep. πνείω (metr. gedehnt), Aor. πνεῦσαι (seit Il.), Ipv. ἄμπνυε, Med. -ῡτο, -ύ̄(ν)θη (Hom.), Fut. πνεύ-σομαι (ion. att.). -σοῦμαι (Ar., Arist. u.a.), -σω (hell. u. sp.), Perf. πέπνευκα (att.), Pass. πνευσ-θῆναι (Thphr. u.a.), -θήσομαι (Aret.), ‘wehen, hauchen, atmen, riechen’. sehr oft m. Präfix, z.B. ἀνα-, ἀπο-, εἰσ-, ἐκ-, ἐν-, ἐπι-, προσ-, Ableitungen: 1. πνοή, dor. πνο(ι)ά, ep. πνοιή (-οι- metr. bedingt nach πνείω, Risch 119; über andere, nicht vorzuziehende Erklärungen Scheller Oxytonierung 83 A. 2 m. Lit.) f. ‘Wind, Hauch, Atem’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa); ἀνα-, δια-, ἐκ-~ usw. usw.; sehr oft als Hinterglied, z.B. ἡδύ- (ἁδύ-)πνοος, -πνους ‘mit angenehmem Wind, Hauch’ (Pi., S., E. u.a.), ἐπί-πνοος, -πνους ‘begeistert’ mit ἐπίπνο-ια f. ‘Begeisterung’ (A., Pl. u.a.); -πνοια auch neben -πνοή in ἀνά-, ἀπό-, διά- ~ u.a.; dazu ἀναπνο-ϊκος ‘die Atmung betreffend’ (Ptol.). 2. πνεῦμα (ἄμ-, πρόσ- ~) n. ‘Wind, Hauch, Atem, Geist’ (Pi., ion. att.) mit πνευμά-τιον (hell. u. sp.), -τικός ‘den Wind usw. betreffend’ (Arist. usw.; zum Nachleben in den westeur. Spr. Chantraine Studii clasice 2, 70f.), -τιος ‘Wind bringend’ (Arat.), -τώδης ‘wind-, hauchartig, windig’ (Hp., Arist. usw.), -τίας m. ‘Asthmatiker’ (Hp.) mit -τιάω ‘keuchen’ (Sch.); -τόω, -τόομαι ‘aufblasen, verdunsten (machen)’ (Anaxipp., Arist. usw.) mit -τωσις, -τωτικός; -τίζω (ἀπο-) ‘anwehen’ (Antig., H.) mit -τισμός. 3. πνεῦσις f. ‘das Wehen’, weit gewöhnlicher von den Kompp., z.B. ἀνάπνευ-σις ‘Auf-, Einatmung, Erholung’ (Il. u.a.). 4. Mit sekund. σ und τ-Suffix wie in ἄ-πνευσ-τος, -τί, -τία u.a.: πνευσ-τικός ‘zum Atmen gehörig’ (Gal.), gewöhnlicher ἀνα-~ (Arist. usw.) u.a.; -τιάω ‘keuchen’ (Hp., Arist. u. a.). 5. εἴσπν-ηλος, -ήλας ‘liebend, Liebhaber’ (Kall., Theok., EM), von εἰσ-πνέω ‘(Liebe) einhauchen’ mit analog. -ηλος; vgl. Chantraine Form. 242. — Die regelmäßige Struktur der obigen Formen ist offenbar das Ergebnis einer ausgleichenden Entwicklung, die auch grundsätzlich tiefstufige Bildungen wie πνεῦσις, ἄπνευστος umfaßt hat. Aus dem Rahmen fallen nur die vereinzelt belegten ep. Formen ἄμ-πνυ-ε usw. ‘aufatmen’ = ‘wieder zum Bewußtsein kommen’, die gleichzeitig eine Brücke schlagen zu den semantisch etwas abweichenden aber sicher hierhergehörigen πέ-πνυ-μαι, -μένος, πνυ-τός ‘geistig rege, beseelt, besonnen sein’; vgl. Ruijgh L’élém. ach. 134 f. In Betracht kommen dann auch πινυ-τή, -τός u. Verw., die sich aber nur unter Annahme eines älteren *πενυ-τή damit zusammenbringen lassen : πενυ- : πνῡ- : πνευ-; s. πέπνυμαι, πινύσκω mit anderen Erklärungsversuchen. Jedenfalls sind ἄμπνυε, πέπνυ-μαι nicht mit Schulze Q. 322 ff. von πνέω zu trennen. — Aus anderen Sprachen bieten sich nur einige germ. Bildungen zum Vergleich: awno. fnýsa ‘schnauben’, ags. fnēosan ‘niesen’, die wie πνευ- einen idg. eu-Diphthong enthalten können; daneben stehen aber mehrere Wechselformen, z.B. awno. fnasa, ahd. fnehan, die den schwankenden Charakter dieser ursprünglich schallmalenden Wörter veranschaulichen. Unsicher ist die Heranziehung von aind. abhi-knū́yate ‘feucht sein, tönen, stinken’ (Dhātup., Lex.) mit Dissim. aus *abhi-pn- (Mayrhofer s. knū́yate). — Die weitere Zerlegung von πνέ(ϝ)-ω in *p-ne-u-mi mit Nasalinfix zu Wz. pu- (Vermutung von Schwyzer 696 α nach Pedersen IF 2, 314) ist bei einem Worte dieser Bed. kaum. überzeugend. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 85, Pok. 838f. Hierher noch ποιπνύω; vgl. auch πνί̄γω. II-566-567
πνί̄γω, Aor. πνῖξαι, Intr. u. Pass. πνῐγ-ῆναι m. Fut. -ήσομαι, sp. πνιχθῆναι, Perf. Med. πέπνιγμαι, ‘den Atem beengen, durch Zusammendrücken, Wasser od. Dampf ersticken, erwürgen, ertränken, ertrinken’, auch ‘dämpfen, schmoren’ (Epich., Sophr., ion. att.); zur Bed. ‘ertränken, ertrinken’ Schulze BerlAkSb. 1918, 320ff. = Kl. Schr. 148 ff. auch m. Präfix, bes. ἀπο-und κατα-, Davon mehrere Nom. actionis : 1. πνῖγος n. ‘erstickende Hitze’ (ion. att.; Gegensatz ῥῖγος); 2. πνῖγ-μα n. ‘das Ersticken’ (Hp.), -μός m. ‘ds.’ (Hp., X., Arist. usw.) mit -μώδης ‘erstickend’ (Hp.), -μονή f. ‘ds.’ (Hdn. Epim. u.a.: φλεγμονή, πημονή); 3. πνῖξις (κατά- ~) f. ‘Erstickung, Erwürgung’ (Arist., Thphr.), ‘das Ertrinken’ (PMag.Par.); 4. πνίξ, -γός f. ‘Erstickung, Erwürgung’ (Hp., Dsk.; wie φρίξ u.a.; Chantraine Form. 2 f.); 5. πνιγετός m. = πνῖγος (Ptol.; H. s. ἀγχόνη); wie πυρ-, παγ-ετός; 6. περιπνιγ-ή f. ‘Erstickung’ (Vett. Val.). Nom. agentis: 6. πνῐγεύς m. "Ersticker", ‘Deckel zum Ersticken der Kohle’ (Ar., Arist.), ‘Luftkammer’ od. ä. (Hero, Ph. Bel.), ‘Maulkorb’ (Kom.), wohl analog. von πνίγω, πνῐγῆναι nach τρῑ͂βω, τρῐβ-ῆναι : -ή : -εύς u.a.; vgl. Bosshardt 48; 7. πνικτήρ m. ‘Ersticker, -end’ (Nonn.). Außerdem 8. πνιγ-ῖτις (sc. γῆ) ‘Art Ton’ (Dsk., Plin.; Redard 109; wohl von πνῖγος); 9. -αλίων, -ωνος m. ‘Nachtmahr, Alp’ (Mediz.); wie αἰθαλ-ίων : αἰθ-άλη : αἴθω; 10. πνῑ-γηρός ‘erstickend’, bes. ‘erstickend heiß’ (Hp., att.; von πνῖγος od. πνίγω); 11. πνῐγόεις ‘ds.’ (Nik., AP; ῐ metr. be- dingt); 12. περι-, συμ-πνῐγ-ής ‘erstickt’ (Nik., J., D.S. u.a., nach πνῐγ-ῆναι); 13. πνικτός ‘gedünstet, geschmort’ (Kom.), ‘luftdicht’ (Hero), ‘erstickt, erwürgt’ (Act. Ap.); 14. erweitert πνιγ-ίζω ‘erwürgen, erdrosseln’ (AP; von πυγ-ίζω beeinflußt). — Volkstümlichexpressives Verb ohne sichere Anknüpfung; man hat zunächst den Eindruck einer Kreuzung verschiedener Wörter. Der Anlaut erinnert an πνέω, der Auslaut an φρύγω, φώγω, der Vokal an κνίψ u. Verw., auch an mnd. knīpen (s. Κνίφων), aber es fehlt jeder Anhalt für ein sicheres Urteil. Der Vergleich mit einigen germ. Wörtern für ‘schnauben’, z.B. ahd. fnaskazzen (Fick BB 7, 95 usw.; s. Bq und WP. 2, 85), ist sowohl semantisch wie vor allem lautlich und formal (πνῑγ- aus *pnezg- [mit Reduktionsvokal]??; aber fnaskazzen zu awno. fnasa) ganz unbefriedigend. — Die Kürze in πνῐγ-ῆναι usw. kann analogisch sein. II-567-568
Πνύξ, Πυκνός usw. (sp. Dat. Πνυκί) f. ‘Pnyx’, Hügel westlich der Akropolis, wo sich die Athener versammelten (att. u. sp.). — Unerklärt; wohl vorgriech. Der Nom. Πνύξ ist gegenüber Πυκν-ός, -ί usw. sekundär, s. Schwyzer 269. Die Anknüpfung am πυκνός (Πυκναία = Πνύξ Ion Trag. 65) ist volksetymologisch. II-568
πόα (att.), ep. ion. ποίη (seit Il.), dor. (Pi. u.a.) ποία f. ‘Gras, Kraut, Rasenplatz’, sp. auch ‘Heuernte(zeit), Sommer’. Einige Kompp., z.B. ποιο-νόμος ‘grasweidend’, ποιό-νομος ‘mit grasigen Wiesen’ (A. in lyr.), λεχε-ποίης (s. λέχος). Davon 1. Demin. πο-άριον (ποι-) n. (Thphr.); 2. ποι-ήεις, dor. -άεις ‘grasreich’ (Hom., Pi., S. in lyr.); -ηρός ‘ds.’ (E. in lyr.); 3. -άζω ‘grasreich sein, Gras tragen’ (Str.); 4. -ασμός m. ‘das Krauten, Jäten’ (Thphr.), -άστρια f. ‘Jäterin’ (Archipp.), -άστριον n. ‘Jäthacke’ (Poll.), von ποάζω = ‘krauten, jäten’ (nur als Konj. bei Philem. Korn. 116, 4). Über angebl. böot. *πύας ‘Wiese’ s. Finley Glotta 33, 311. — Urgr. *ποίϝᾱ (zum Lautlichen Schwyzer 188 u. 189 A. 1) stimmt genau zu lit. píeva f. ‘Wiese’ (Schulze Q. 45 A. 2); weitere Beziehungen ganz hypothetisch: zu πῖαρ usw. (Lit. bei Bq und WP. 2, 74); zu ποιμήν (Hermann Gött. Nachr. 1918, 282f.). Das abweichende ποινά· ποία. Λάκωνες H. kann Kreuzung mit κοινά· χόρτος H. sein. II-568-569
Ποδαλείριος PN (seit Il.) — Hypothese von Carnoy Les ét. class. 24, 105. s. λείριον; II-569
ποδαπός ‘woher gebürtig?, von woher?’ (Hdt., att.); auch ‘wie beschaffen?’ (D. u.a.); in dieser Bed. hell. u. sp. ποταπός (nach πότερος, πότε u.a.; nicht nach allg. Annahme durch Assim. an die beiden π). — Bildung wie ἀλλοδαπός (s. d.) u.a.; das Vorderglied aus idg. *qʷod = lat. quod (s. πόθεν und τίς), wenn nicht analogisch nach ἡμεδ-απός u.a. (Schwyzer 604 A. 1). — Unklar (ὁ)ποδαπός bei Hdt. gegenüber (ὁ)κότερος; vgl. Wackernagel Unt. 35 A. 2. II-569
ποδάρκης Beiw. des Achilles (ποδάρκης δῖος ’Αχιλλεύς Il.), auch von Hermes (B.), von δρόμοι und ἡμέρα (Pi.); auch als Bew. eines Heilmittels gegen Gicht (Gal.). — Eig. ‘mit den Füßen abwehrend od. helfend’, d.h. ‘schnellfüßig’ = ποδώκης; bei Gal. = ‘den Füßen helfend’; von ἀρκέω in der älteren ep. Bed. ‘abwehren, helfen’, nicht (mit Bechtel Lex. s. v.) in der jüngeren Bed. ‘ausreichen, genügen’. Zu ποδάρκης neben ποδώκης und πόδας ὠκύς Treu Von Homer zur Lyrik 6, Bergson Eranos 54, 69. II-569
ποδηνεκής ‘bis auf die Füße reichend’ (ep. seit Il., auch Hdt.); s. διηνεκής und ἐνεγκεῖν m. Lit. II-569
ποδοκάκκη f. ‘Fußblock’ s. κάκαλα. II-569
πόθεν Interr. ‘woher, von wo?’ ποθέν Indef. ‘irgendwoher’ (seit Il.), ion. κόθεν (Hdt. u.a.). Daneben πόθι, ποθί ‘wo?’, ‘irgendwo’ (ep. poet. seit Il.); ποῦ, που (att.), ion. κοῦ, κου ‘ds.’; ποῖ, ποι ‘wohin?’, ‘irgendwohin’ (att.), πόσε ‘wohin?’ (Hom.). — Bildungen vom Pronominalstamm πο-, ion. κο-, aus idg. *qʷo- mit Vertretern in den meisten idg. Sprachen, z.B. aind. ká-s ‘wer?’, got. ƕa-s ‘ds.’, lat. quo-d ‘was?’. Weitere Formen aus verschiedenen Sprachen m. Lit. bei Bq, W.-Hofmann s. quis, quid und quod, WP. 1, 519ff., Pok. 644 f., Mayrhofer s. káḥ usw. — Hierher noch ποῖος, πόσος, πότε, πότερος; s. auch τίς. Zu den Adverbialendungen -θεν, -θι, -σε Schwyzer 628 f.; zu den erstarrten Kasusformen ποῦ, ποῖ (Gen. bzw. Lok.) ebd. 621 f. II-569-570
ποθέω (seit Il.), Inf. -ήμεναι (Od.), Ind. -ήω (Sapph.), Aor. ποθ-έσαι (seit Il.), -ῆσαι (ion. att.), Fut. -έσομαι (att.), -ήσω (ion. att.), Perf. πεπόθ-ηκα, -ημαι (sp.), ‘verlangen, sich sehnen, vermissen’. vereinzelt m. Präfix, bes. ἐπι-, Davon (ἐπι-) πόθ-ησις, -ημα (Aq., Ep. Kor. u.a.), ἐπιποθ-ία (Ep. Rom.) ‘Sehnsucht’; auch ποθ-ητύς f. ‘ds.’ (Opp.; Benveniste Noms d’agent 73), -ήτωρ m. ‘der Sehnsüchtige’ (Man.). — Daneben πόθος m. ‘Verlangen, Sehnsucht, Liebe’ (seit Il.), auch als Pflanzenname (Thphr.; vgl. Strömberg Pfl.namen 107 m. Lit.), ποθή f. ‘ds.’ (Hom., sp. Prosa), mit ποθεινός ‘ersehnt’ (Lyr., Trag., auch att. Prosa), nach ἀλγεινός u.a.; -ινός ‘ds.’ (AP); zu πόθος: ποθή Bolelli Stud. itfllcl. N. S. 24, 111ff. — Neben dem Präsens ποθέω steht ein primäres Verb, das vor allem durch den Aorist θέσσασθαι (s. d.) vertreten ist; es liegt deshalb nahe, ποθέω als ein urspr. Iterativ-Intensiv aufzufassen und einer entsprechenden kelt. Bildung, air. guidiu ‘bitte’ gleichzusetzen (Schwyzer 719, Chantraine Gramm. hom. 1, 348 f.). Vom primären Verb wurden auch die Nom. actionis πόθος, ποθή abgeleitet, idg. *gʷhódh-os/, -ā́, zu denen ποθέω wegen der starken lautlichen Differenzierung vom Hauptverb als Denom. empfunden wurde. —Die genannten Verbalnomina haben außerhalb des Griechischen kein Gegenstück; zu bemerken jedoch eine kelt. i̯ā-Ableitung, air. guide f. ‘Gebet’ (aus *gʷhodh-i̯ā; vgl. ἐπιποθ-ία). Zu den s. θέσσασθαι erwähnten kelt. und iran. Wörtern gesellen sich mehrere, fürs Griech. belanglose Verwandte im Baltoslav., z.B. die Nasalverba lit. pa-si-gendù, -gedaũ, -gèsti ‘vermissen, sich sehnen’, aksl. žęždǫ, žędati ‘begehren, sich sehnen, dürsten’, s. Fraenkel s. gèsti 2 und Vasmer s. žadátь m. Lit.; zum Ganzen noch WP. 1, 673, Pok. 488. II-570
ποι Präp. (arg., phok., lokr.) = ποτί s. d. II-570
ποιέω, Aor. ποιῆσαι, Fut. ποιήσω, Perf. Med. πεποίημαι (alles seit Il.), Akt. πεποίηκα, Aor. Pass. ποιηθῆναι (ion. att.), Fut. ποιηθήσομαι (D.), πεποιήσομαι (Hp.), ‘machen, herstellen, erzeugen, dichten, tun, handeln’, im Med. auch ‘wählen, für etw. halten, schätzen’. oft m. Präfix in verschied. Bedd., z.B. ἀντι-, ἐκ-, ἐν-, περι-, προσ-, Davon 1. ποίημα (προσ-, περι-) n. ‘Erzeugnis, Werk, Gedicht’ (ion. att.) mit -ημάτιον (Plu. u.a.), -ηματικός ‘dichterisch’ (Plu.); 2. ποίησις (προσ-, περι-, ἐκ- u.a.) f. ‘Schöpfung, Herstellung, Dichtung’ (ion. att.); zur Bed. von ποί-ημα, -ησις Ardizzoni Riv. fil. class. 90, 225 ff.. Chantraine Form. 287. 3. ποιητός (προσ-, ἐκ- usw.) ‘gemacht, hergestellt’ (seit Il.), auch ‘künstlich gemacht, nicht natürlich’ = ‘adoptiert’ (Pl., Arist. usw.); Ammann Μνήμης χάριν 1, 19 f. 4. ποιητής m. (ion. att.), f. -ήτρια (hell. u. sp.), ‘Schöpfer, Hersteller, Dichter’, bes. von Homer, mit -ητικός ‘schaffend, dichterisch’, ἡ -ητική (τέχνη) ‘Dichtkunst’ (Pl., Arist. usw.), -ητικεύομαι ‘poetisch sprechen usw.’ (Eust., Sch.). 5. ποιησείω Desid. ‘zu machen wünschen’ (Hdn.). —Als Hinterglied -ποιός in unbeschränkt produktiven Syntheta, z.B. λογοποιός m. ‘Geschichtsschreiber, Fabeldichter, Neuigkeitskrämer’ (ion. att.) mit λογοποι-έω, -ία, -ικός, -ημα. — Entscheidend für die morphologische Beurteilung von ποιέω sind einige dialektische Aoristformen: arg. ποιϝέ̄σανς, ἐποίϝε̄hε, ἐποιϝέ̄θε̄, böot. ἐποίϝε̄σε, wozu Präs. Opt. el. [πο]ιϝέοι (neben mehrmaligem ποιέοι). Nach gewöhnlicher Auffassung (Lit. bei Bq und WP. 1, 510) ist ποιϝέω von einem Nomen *ποιϝός abgeleitet, das in ἀρτο-ποιός u.a. vorliegen soll. Ein selbständiges Nomen *ποιϝός läßt sich aber dem Hinterglied nicht ohne weiteres entnehmen, da die betreffenden Kompp. als Syntheta (Zusammenbildungen) auf verbale Ausdrücke zurückgehen (τοξοφόρ-ος : τόξον φέρειν, λογογράφ-ος : λόγον γράφειν usw.). Denkbar wäre, im Simplex eine Verselbständigung der Kompp. auf -ποιέω zu sehen (Schwyzer 726 A. 7). Da aber diese ihrerseits Ableitungen der Syntheta auf -ποιός sind, kommt man aus dem Zirkel nicht heraus; übrigens spricht die Chronologie der Belege gegen eine solche Verselbständigung. Somit ist das Simplex ποιέω von den gleichlautenden Ableitungen wie das hypothetische *ποιϝός vom synthetischen Hinterglied genetisch zu trennen. — Die allg. Bed. ‘machen, herstellen’ kann aus den verschiedenartigsten konkreten Spezialbedd. hervorgegangen sein. Nichts hindert, ein Verbalnomen *ποι-ϝός mit u̯o-Suffix (Schwyzer 472) mit einem Verb ‘schichten, anhäufen, zusammenfügen’ zu verbinden, das im Indoiran., z.B. aind. cinóti, erhalten ist und auch im Slav., z.B. aksl. činъ ’τάξις’ mit činiti ‘ordnen, reihen, bilden’, Vertreter hat; idg. qʷei- (WP. 1, 509f., Pok. 637f.). Es liegt aber dabei nahe, das u̯-Element in *ποιϝός mit dem u̯-Element in cinóti zu kombinieren : somit ποιϝέω aus *qʷoi̯-u̯-éi̯ō neben cinóti aus *qʷi-n-éu̯-ti ungefähr wie got. straujan ’streuen’ aus *strou̯-éi̯ō neben aind. str̥ṇóti ‘streuen’ aus *str̥-n-éu̯-ti (s. στόρνυμi) oder got. -walwjan ‘wälzen’ neben aind. vr̥ṇóti ‘umhüllen’ und εἰλύω ‘ds.’ (*u̯ol-u-éi̯ō : *u̯l-n-éu̯-ti). Bei einer solchen Analyse würde sich ποιέω wie got. straujan, walwjan als ein iteratives Deverbativ enthüllen und man würde des nicht ganz vertrauenswürdigen Nomens *ποιϝός überhoben sein. Selbstredend könnten dann die Syntheta auf -ποιός auf ein primäres Verb bezogen werden (δρῠ-τόμ-ος : δόρυ τάμνειν). — Zur Bed. von ποιέω und anderen Verba faciendi noch Braun Stud. itfllcl. N. S. 15, 243 ff.; auch Valesio Quaderni dell’Istituto di Glottologia (Bologna) 5 (1960) 97 ff. Vgl. noch die Lit. zu δράω und πράσσω. Ältere Lit. bei Bq. II-570-572
ποικίλος ‘bunt (farbig), bunt gearbeitet (gestickt, gewirkt, gewebt), mannigfaltig, gewandt, listig’ (seit Il.). Viele Kompp., z.B. ποικιλό-θρονος (s. θρόνα und Bolling AmJPh 79, 275ff.), πολυ-ποίκιλος ‘sehr bunt’ (E. usw.; vgl. unten). Davon 1. ποικιλ-ία f. ‘Buntheit, Mannigfaltigkeit, bunte Arbeit’ (ion. att.); 2. -ίας m. Fischname (Paus. u.a.; Strömberg Fischn. 25, Thompson Fishes s. v.), -ίς f. Vogelname, "Buntfink" (Arist.; Thompson Birds s. v.); 3. -εύς m. ‘Buntwirker, Sticker’ (Alex. Kom.). 4. Denominativa : a. -ίλλω, auch m. δια-, κατα- u.a., ‘bunt machen, kunstreich arbeiten usw.’ mit -ιλμα n. ‘bunte Arbeit, Stickerei, Weberei’ (seit Il.; Wace AmJAreh 1948, 51 f., 452; Porzig Satzinhalte 188), -ιλμός m. ‘Ausarbeitung, Verzierung’ (Epikur., Plu.), -ιλσις f. ‘ds.’ (Pl.); -ιλτής m. ‘Buntwirker, Sticker’ (Aeschin., Arist. usw.), f. -ίλτρια (Str.), -ιλτικός ‘zur Stickerei usw. gehörig’ (LXX usw.); b. -ιλόω ‘sticken’ (A. Fr. 304 = 609 Mette); c. -ιλεύομαι ‘kunstvoll, gewandt sein’ (Vett. Val.). — Bildung wie κό-ϊλος (:κόοι), ναυτ-ίλος (:ναύτης), ὀργ-ίλος ( : ὀργή) usw.; wie die beiden letztgenannten mit sekundärer Paroxytonese (Schwyzer 379 u. 484f.); somit von einem Nomen unbekannten Stammes (vgl. Schwyzer 484 A. 5, auch Specht Ursprung 121). Zu einem Grundwort *ποῖκος stimmen mehrere Wörter aus anderen Sprachen: aind. péśa- m. ‘Schmuck, Zierat’ (mit peśalá- ‘verziert, schön’ : ποικίλος), aw. paēsa- m. ‘Aussatz’, auch ‘Schmuck’ in zaranyō-paēsa-’mit goldenem Schmuck’ u.a., lit. paĩšas m. ‘Ruß-, Schmutzfleck’. Damit formal identisch ein germ. Adj. für ‘bunt’, z.B. ahd. asächs. fēh, got. filu-faihs ‘πολυποίκιλος’; wohl durch sekundäre Adjektivierung wie aw. paēsa- auch ‘aussätzig’, Die morphologische Identität von got. filu-faihs und aind. puru-péśa- ‘vielgestaltig’ ist zufällig; die Annahme (Porzig Gliederung 136), πολυ-ποίκιλος wäre eine Kreuzung von ποικίλος und *πολύ-ποικος (= puru-péśa-), ist abzulehnen, da das verhältnismäßig späte gr. Wort nach πολυ-δαίδαλος gebildet sein dürfte, das, urspr. wahrscheinlich Bahuvrihi, als ‘sehr kunstvoll’ umgedeutet wurde (s. δαίδαλος). — Idg. *póiḱos m. gehört als Nomen actionis zu einem Verb ‘schneiden, stechen, mit einer Sticknadel stechen, sticken, einritzen, malen usw.’ in aind. piṃśáti ‘aushauen, zurechtschneiden, schmücken’, slav., z.B. aksl. pьsati ‘schreiben’ u. a. m.; idg. piḱ-; daneben mit auslaut. Media u.a. lat. pingō ‘mit der Nadel sticken, malen’. Eine alte r-Ableitung desselben Verbs ist πικρός eig. ‘einschneidend, stechend’ (s. d.). Ganz unsicher ist die H.-glosse πεικόν· πικρόν, πευκεδανόν; wenn richtig, der Bildung nach mit λευκός vergleichbar. — Weitere Formen m. Lit. bei Bq (bes. zur Bed.), WP. 2, 9f., Pok. 794f., W.-Hofmann s. pingō (sehr reichhaltig), Fraenkel s. paĩšas und piẽšti, Vasmer s. pisátь, Mayrhofer s. péśaḥ. — S. auch πίγγαλος. II-572-573
ποιμήν, -ένος m. ‘Hirt, Schafhirt’, übertr. ‘Hüter, Lenker, Gebieter’ (seit Il.); myk. po-me. Einzelne Kompp., z.B. ποιμ-άνωρ = ποιμὴν ἀνδρῶν mit ποιμανόρ-ιον n. ‘Männerherde, -schar’ (A. Pers. 241 u. 74; troch. u. lyr.); zur Erklärung Sommer Nominalbild. 182 f.; φιτυ-ποίμην ‘Pflanzenhüter’ (A. Eu. 911). Davon ποιμέν-ιος (AP, APl), früher u. öfter belegt -ικός (Pl., hell. Dicht.) ‘zum Hirten gehörig’; -ισσα f. ‘Hirtin’ (Pap. IIIa); ποίμν-η f. ‘Herde, Schafherde’ (seit ι 122) mit -ιον n. ‘ds.’ (ion. att.; -ένιον Opp.), -ιος ‘zur Herde gehörig’ (E.), -ήϊος (Β 470, Hes.; Risch ̨ 46), -ικός (Pap. IIIp), -ίτης (E. in lyr., Poll.), -ιώτης (Sch.) ‘ds.’; -ηθεν Adv. ‘von der Herde’ (A. R.). Denom. Verb ποιμαίνω, vereinzelt m. δια-, συν-, ‘Hirt sein, weiden, hüten’, Med. ‘weiden’, von der Herde (seit Il.) mit ποιμαν-τήρ = ποιμήν (S.), -τικός = ποιμενικός (Gal., H.), ποιμασία f. ‘das Weiden’ (Ph.). — Daneben πῶυ, -εος n. ‘Schafherde’ (ep. seit Il.). — Zu ποιμήν stimmt bis auf die Abtönung des Suffixes im Nom. (idg. ē : ō) lit. piemuõ, Gen. -meñs ‘Hirtenjunge’ (zum unbestrittenen Stammvokal s. Fraenkel Wb. s. v.). Neben dem Neutr. πῶυ steht als Nomen ag. aind. pāyú-, aw. pāyu- m. ‘Hüter, Schützer’. Als Grundlage dieser primären Bildungen dient ein Verb ‘(Vieh) weiden, hüten’ in aind. pā́-ti ‘hüten, schützen’, wovon go-pā́- m. ‘Kuhhirt’ u.a. Aus den Hintergliedern in nr̥-pā́y-(i)ya- ‘Männer schützend’, nŕ̥-pī-ti- f. ‘Männerschutz’ ergibt sich ein urspr. Langdiphthong pōi : pī, der in πῶυ, pāyú- aus *pōi̯-u- erhalten ist, in ποιμήν vor dem Nasal gekürzt wurde. — WP. 2, 72 m. Lit., Pok. 839, Mayrhofer s. pā́ti1; dazu noch W.-Hofmann s. pāscō. — Vgl. 1. πῶμα. II-573
ποινή f. ‘Wergeld, Buße, Strafe, Rache’ (vorw. ep. poet. seit II.). Kompp., z.B. ποιν-ηλατέω ‘mit Rache verfolgen’ (sp.; zur Bildung s. ἐλαύνω), νή-ποινος ‘straflos, ungerächt’ (Od. u.a.); zu ἄποινα s. bes. Davon 1. ποι[ν]ίον n. = ποινή (Delph. IVa; wie πεδ-ίον, χωρ-ίον u.a.); 2. die Adj. ποίν-ιμος ‘machend’ (S.; wie νόμιμος, αἴσιμος, Arbenz 77), -αῖος ‘strafend, rächend’ (sp.); 3. die Verba a. ποιν-άομαι ‘sich rächen’ (E.) mit -άτωρ (A., E.; Fraenkel Nom. ag. 2, 22f.), -ήτωρ (Nonn.), -ητήρ (Opp.) ‘Rächer’; f. -ῆτις ‘Rächerin’ (AP); b. -ίζομαι im Aor. -ίξασθαι ‘eine Strafe auferlegen’ (ark. VIa). Auch 4. ποι- νώματα· τιμωρήματα H.; nach μίσθωμα, κεφάλωμα, μηχάνωμα usw. (vgl. Chantraine Form. 187; Änderung in -ήματα nicht notwendig). — Mit aw. kaēnā f. ‘Strafe, Rache’ uridentisch; hierher noch die semantisch abweichenden lit. káina f. ‘Preis, Nutzen’ und slav., z.B. aksl. cěna f. ’τιμή’, russ. cěná f. ‘Preis, Wert’ (oxyton wie ποινή; Schwyzer 380); alles aus idg. *qʷoinā; zum Bed.unterschied vgl. τιμή neben ποινή und Heubeck Gymnasium 56, 252 ff.; auch Luther Weltansicht u. Geistesleben 64 f. — Alte nā-Bildung (Porzig Satzinhalte 345 f.) von einem Verb ‘vergelten, büßen’ in τίνω usw.; s. d. Dazu noch Fraenkel s. káina und Vasmer s. cěná mit weiteren Formen und reicher Lit. Lat. LW poena (woraus nhd. Pein usw.); s. W.-Hofmann s. v., ebenfalls m. Lit. und mit Ablehnung anderer Vorschläge. II-573-574
ποῖος (seit Il.), ion. κοῖος interrog. Pron. ‘wie beschaffen?, was für einer?’ — Vom interrog. *qʷo- ‘wer?’ (s. πόθεν) mit suffixalem -οῖος; s. τοῖος. II-574
ποιπνύω, wozu als Neubildung Aor. ποιπνῦσαι ‘schnaufen, keuchen, keuchend umhereilen, geschäftig sein’ (ep. seit Il.). Dazu der Dat. pl. [π]οιπνυτρ[ο]ισι (Antim. in PMilan. 17, 43 in unbek. Bed., vgl. Hrsg. zur Stelle; von H. mit σπουδαίοις erklärt. Im Ausgang verderbt ist ποιπνυός· θεράπων H. — Reduplizierte Intensivbildung ποι-πνύω (Schwyzer 647) zu πνέω, πέπνυμαι; s. dd. m. weiteren Anknüpfungen. Vgl. ποιφύσσω. II-574
ποιφύσσω, dor. Fut. -φυξῶ, ‘schnauben, zischen, aus-, aufblasen’ (hell. Dicht., Tit. bei Sophr.), ποιφύξαι· ἐκφοβῆσαι H. Davon ποίφυγμα n. ‘das Schnauben’ (A. Th. 280), ποιφύγδην Adv. ‘mit Zischen’ (Nik.). — Reduplizierte Intensivbildung onomatopoetischen Charakters; s. zu φῦσα. II-574
πόλεμος, ep. auch πτόλεμος m. ‘Kampf, Krieg’ (seit Il.). Einige Kompp., z.B. πολέμ-αρχος m. "Kriegsoberster", Ben. eines Beamten (ion. att., dor. usw.), φιλο-π(τ)όλεμος ‘Freund des Kampfes, kriegslustig’ (Il. usw.); myk. -po-to-re-mo-jo? Davon A. mehrere Adj.: 1. πολέμ-ιος ‘kriegerisch, feindlich’, auch Subst. ‘Feind’ (Pi., ion. att.); 2. -ήϊος ‘zum Kampf, zum Krieg gehörig’ (ep. lyr. seit Il.); metr. bedingt, wohl nach ’Αρήϊος (Trümpy Fachausdrücke 134 m. Lit.); 3. -ικός ‘zum Krieg gehörig, kriegerisch, feindlich’ (Hdt. 3, 4 als v. l., att.; Chantraine Études 123 usw.); 4. -ώδης ‘ds.’ (Olymp. in Grg.). B. Verba: 1. πολεμ-έω, oft m. Präfix, z.B. δια-, κατα-, ἐκ-, ‘kämpfen, Krieg führen’ (ion. att.) mit -ήτωρ (Antioch. Astr.), -ητής (Gytheion IIIp) m. ‘Kämpfer, Krieger’, -ητήριον n. ‘kriegerischer Stützpunkt, Operationsbasis, Hauptquartier’ (Plb.); διαπολέμ-ησις f. ‘das Beendigen des Krieges’ (Th.). 2. πολεμ-ίζω (πτολ-) ‘kämpfen’ (ep. poet. seit Il.; metr. für -έω, Chantraine Gramm. hom. 1, 95) mit -ιστής m. ‘Kämpfer, Krieger’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa), f. -ίστρια (Heraklit. Ep.), -ιστρίς (Tz.), -ιστήριος ‘zum Krieger gehörig’ (ion. att.). 3. πολεμ-όομαι, -όω, auch m. ἐκ- u.a., ‘verfeindet werden, verfeinden’ (Hdt., Th., X. u. a.) mit ἐκπολέμ-ωσις f. ‘Verfeindung’ (Plu.). 4. Desid. πολεμ-ησείω ‘den Krieg wünschen’ (Th., D. C.). — PN, z.B. Πολέμων, wovon der Pfl.name πολεμώνιον (Dsk.), s. Strömberg Pfl. 135; Πτολεμαῖος. — Urspr. Bed. ‘Kampf’ (neben μάχομαι ‘kämpfen’), daraus (schon Hom.) ‘andauernder Kampf, Krieg’ (neben μάχη ‘Kampf’); darüber und über andere Synonyme Trümpy Fachausdr. 122 ff., Porzig Satzinhalte 78 f. Zum ungelösten Problem des Anlauts πτ- : π- s. außer Schwyzer 325 m. Lit. noch Trümpy 131 ff., Ruijgh L’éIém. ach. 75f., Merlingen Μνήμης χάριν 2, 55 f. (vgl. noch zu πόλις). — Formal empfiehlt sich Anschluß an πελεμίζω ‘schwingen, erschüttern’ (Curtius 268 m. älterer Lit.); Versuch einer sachlichen Begründung bei Kretschmer Glotta 12, 54 ff. (πόλεμος eig. ‘Anstrengung, Mühe’ von πελεμίζω ‘sich heftig anstrengen, bemühen[ ?]’; ernste Bedenken bei Trümpy a. O.); πόλεμος urspr. vom Schwingen der Lanze? Sowohl das für πελεμίζω vorauszusetzende Nomen wie πόλεμος enthalten ein primäres μ-Suffix und gehen auf eine mit πάλλω verwandte Verbalform zurück. — Näheres über den Begriff πόλεμος bei D. Loenen Polemos. Een studie over oorlog in de griekse oudheid (VAWNied. N. R. 16:3; Amsterdam 1953). II-574-575
πολιός ‘weißlich grau’, bes. vom Haar, auch vom schäumenden Meere (vorw. ep. poet. seit Il., auch hell. u. sp. Prosa); myk. pariwo ? Kompp. z. B. πολιο-κρόταφος ‘mit weißgrauen Schläfen’ (Θ 518 u. a.), ὑπο-, ἐπι-πόλιος ‘ergraut, mit Grau gemischt’ (An- akr. bzw. D.), wahrscheinlich Rückbildungen (vgl. ἐπιπολιόομαι unten), s. Strömberg Prefix Studies 101 ff.; zu μεσαι-πόλιος s. μέσος. Davon 1. das Fem. πολιάς (Luk. Lex.); 2. der Pfl.name πόλιον n. ‘Teucrium polium od. creticum’ (Thphr., Nik., Dsk. u.a.), nach der Farbe des Blütenkopfes (Dsk. 3, 1 10); 3. die Abstrakta πολιότης f. ‘Graue’ (Arist.), πολιά (aus πολι-ιά) f. ‘ds.’, auch als Krankheit (Arist. usw.); 4. die Denominativa a. πολι-αίνομαι ‘weißlich werden’, von der See (A. Pers. 109; lyr.); b. -όομαι, -όω, auch m. ἐπι-, προ-, ‘grau werden, machen’ (Arist. u.a.) mit -ωσις f. ‘das Ergrauen’ (Arist. u.a.), -ωμα n. ‘Graue’ (Eust.); c. -άζω ‘ergrauen’ (Sch.). — Mit πολιός ist vielleicht das semantisch dazu genau stimmende arm. ali-k‘, Gen. ale-ac̣ pl. ‘die (weißen) Wellen(kämme), weißes Haar, weißer Bart’ auch formal identisch (idg. *polii̯o-, -ā), jedenfalls nahe verwandt. Als Grundform kommt auch *πολι-ϝός in Betracht (Schwyzer 472 m. Lit.); Weiteres s. πελιδνός, πελιός. Ausführlich über πολιός u. Verw. Reiter Die griech. Bez. der Farben weiß, grau und braun 54ff. II-575-576
πόλις, auch (ep. kypr. thess.) πτόλις, -εως, ion. -ιος, -ηος; myk. Gen. po-to-ri-jo? f. ‘Burg, Feste, Stadt, Stadtgemeinde, Staat’ (seit Il.; zur Bed. bei Hom. Hoffmann Festschr. Snell 153ff.) Als Vorderglied z.B. in πτολί-πορθος (-πόρθιος, -πόρθης) ‘Städte zerstörend, Stadtzerstörer’ (ep. poet. seit Il.); erweitert in ion. att. πολιοῦχος (aus -ιο-ουχ. ); dor. πολι-ά̄-οχος, -ιᾶχος, ep. πολι-ή-οχος ‘stadtbeherrschend, Stadtbeschützer(in)’; bei A. noch das unerklärte πολισσο- in πολισσοῦχος, πολισσο-νομέω; — sehr oft als Hinterglied, z.B. ἀκρο-πολις = πόλις ἄκρη ‘Oberstadt, Burg’ (seit Od.); dazu und zu den übrigen Kompp. Risch IF 59, 261 ff. Ableitungen: 1. expressive Erweiterung πτολί-εθρον n. (ep. seit Il.); vgl. μέλαθρον, θέμεθλα, ἔδεθλον (Schwyzer 533). 2. Deminutiva πολίχνη f., oft als ON (ion. att.) mit -ίχνιον (att.); πολίδιον (ῑ̆) n. (Str.). 3. Πολιεύς (-ηύς) m. ‘Stadtschirmer’ (Thera vor Va, Arist., hell.; Bosshardt 60); f. Πολιάς (ion. att., arg. usw.). 4. πολίτης (ῑ; ep., Sapph., att.), πολι-ά̄-τας, -ή-της (dor. äol., Β 806, ion.; nach οἰκιά-τας, -ιή-της u.a.) m. ‘Bürger, Stadtbewohner’, f. -ῖτις (S., E., Pl. u.a.); davon πολιτ-ικός ‘bürgerlich, politisch’ (Hdt. 7, 103, att.; Chantraine Études 123 u.a.); -εύομαι, -εύω ‘Bürger sein, an den Staatsgeschäften teilnehmen’ (att. usw.; πολιατεύω Gortyn) mit -εία, ion. -ηίη, -ευμα (Hdt., att.; zur Bed. Wilhelm Glotta 14, 78ff., 83f., Papazoglou REGr. 72, 100ff. bzw. Ruppel Phil. 82, 268ff., Engers Mnem. 54, 154ff.); auch πολιτισμός ‘Staatsverwaltung’ (D. L.; -ισμός analog., Chantraine Form. 143). 5. Denominativum πολίζω, Aor. -ίσ(σ)αι, vereinzelt u. sp. mit ἐν-, συν- u.a., ‘(eine Stadt) gründen, einen Ort durch Gründung einer Stadt anbauen’ (ep. ion., X., sp. Prosa) mit πόλ-ισμα ‘Stadt(gründung)’ (ion. poet., Th. u.a.; Chantraine Form. 189), -ισμάτιον (hell. u. sp.), -ισμός ‘Stadtgründung’ (D. H., Lyd.), -ιστής ‘Stadtgründer’ (Poll. 9, 6; verworfen). — Die Nebenform πτόλις (auch ark. Πτόλις, N. der Burg in Mantinea; thess. οἱ ττολίαρχοι m. Assim.) ist nicht überzeugend erklärt. Hypothesen m. weiteren Einzelheiten bei Schwyzer 325 (m. Lit.); dazu noch Kretschmer Glotta 22, 206, Deroy Ant. class. 23, 305ff., Merlingen Μνήμης χάριν 2, 57, Ruijgh L’élém. ach. 75ff., 112 A. 4 (vgl. noch πτόλεμος). Abzulehnen die Gleichsetzung von πόλις aus *pu̯olis mit arm. k’alak‘ ‘Stadt’ (Winter Lang. 31,8).— Altes Wort für ‘Burg, Fluchtburg’, außer im Griech. nur noch im Osten zu belegen (vgl. Kretschmer Glotta 22, 107, Porzig Gliederung 173) : aind. pū́r f., Akk. púr-am, lit. pilìs f. Sowohl das aind. wie das lit. Wort zeigen Schwachstufe, die auch für πόλις möglich ist (Schwyzer 344); der i-Stamm in πόλ-ις und pil-ìs ist sekundäre Erweiterung. Die wiederholten Vorschläge, dies uralte Wort für ‘Burg’ mit Verben für ‘füllen’ (πίμπλημι; seit Pott) oder für ‘schütten’ (lit. pìlti; Fick; zuletzt Fraenkel Zeitschr. slav. Phil. 6, 91) zu verbinden, haben als unbeweisbare Hypothesen kein größeres Interesse. — WP. 2, 51, Pok. 799, Mayrhofer und Fraenkel s. vv. m. weiteren Einzelheiten u. Lit. II-576-577
πόλτος m. ‘Brei aus Mehl’ (Alkm., Epich., Plu. u.a.). Davon πολτο-ποιέω ‘zu π. machen’ (Orib.), das Demin. πολτάριον n. (Dsk. u.a.), das Adj. πολτώδης ‘breiartig’ (Erot.). — Bildung wie χόρτος, φόρτος u. a. und im allg. an πάλη ‘feines Mehl’, πέλανος ‘Mehlteig, Brei’ (s. dd.) erinnernd, ohne daß sich die etwaige Verwandtschaft näher angeben läßt. — Dazu, wohl als LW, lat. puls, -tis f. ‘ds.’ mit pultārius ‘Geschirr’ (urspr. für Brei), woraus wiederum πολτάριος ‘ds.’ (Gal.) mit dem Bemin. βουλταρίδιον (PHolm.); vgl. W.-Hofmann s. v. m. Lit. II-577
πολύς, πολλή, πολύ, ion. poet. auch πολλός, πολλόν, ‘viel, zahlreich, häufig’ (seit Il.). Als Vorderglied unbegrenzt produktiv, z.B. πολύ-τροπος ‘vielgewandert, vielgewandt, verschlagen’ (von Odysseus, Hermes u.a.; Od., h. Merc. usw.), ‘vielgestaltig’ (Th. u.a.); zur Bed. Kakridis Glotta 11, 288 ff.; zu den πολυ-Kompp. bei Hom. im allg. Stanford ClassPhil. 45, 108ff.; daneben ganz vereinzelt πολλα-, z.B. πολλα-πλάσιος, -πλήσιος ‘vielfältig’ (ion. att.), wie δεκα-πλάσιος, πολλά-κις u.a.; s. auch δι-πλάσιος. Kompar. u. Superl. πλείων, πλέων, πλεῖστος, s. bes.; Neubildung πόλιστος (Tab. Heracl.), s. Soiler Steigerungsformen 61. Davon πολλότης f. ‘Vielheit’ (Damask.), πολλ-οστός "der vielmalste", ‘einer von vielen, gering’ (att.; nach εἰκοστός u. a.), -άκις (ep. lyr. auch -κι) ‘oft’ (seit Il.; wie δεκά-κις u.a.; Erklärung unsicher, s. Schwyzer 299 u. 597) u. a. — Neben πολύς, -ύ stehen das schwundstufige aind. purú- ‘viel’ (idg. *pl̥lú-) und die hochstufigen kelt., z.B. air. il ‘viel’, und germ., z.B. got. ahd. filu ‘viel’ (idg. *pelu-). Für die hochstufigen Formen liegt urspr. subst. Funktion am nächsten ("Vielheit, Menge, Fülle"); demgegenüber das sicher schwundstufige aind. Adj. purú-; auch für πολύς ist man geneigt, urspr. Schwundstufe anzusetzen (somit für *παλύς? Schmidt KZ 32, 382, Specht KZ 59, 111 m. wechselnden Erklärungen; vgl. auch πόλις). — Die geminierten πολλο-, πολλᾱ- stimmen zu den sinnverwandten μεγα-λο-, -λᾱ-. und erklären sich am einfachsten durch Silbenverlust aus *πολυ-λο-, -λᾱ-. Näheres bei Schwyzer 265 m.. Lit. u. Referat anderer Auffassung; zur Flexion usw. Schwyzer 584. Das Wort für ‘viel’ ist eine uralte Ableitung des Verbs für ‘füllen’ (s. πίμπλημι). — WP. 2, 64f., Pok. 800, W.-Hofmann s. plūs, Mayrhofer s. purú- m. weiteren Formen u. Lit. II-577-578
πολφοί pl., auch sg. -ός, m. Bez. eines Mehlgerichts, ‘Fadennudeln’ (Kom.); πολφο-φάκη f. ‘Gericht von Fadennudeln und Linsen’ (Poll. 6, 61). — Volkstümliche Reduplikationsbildung (zum. Typus Schwyzer 423) unbekannter Herkunft. Fick 1, 480 erinnert an πλεφίς· σησαμίς H. Unsichere Kombinationen bei Specht Ursprung 269. II-578
πομφόλυξ, πομφός s. πέμφιξ. II-578
πονέομαι, πόνος s. πένομαι. II-578
πόντος m. Davon 1. πόντ-ιος ‘zum Meer gehörig’ (h. Hom., Pi. usw.), f. -ιάς (Pi. u.a.); 2. -ικός ‘aus Pontos stammend’ (ion. att.; Chantraine Études 109 f., 122); 3. -ίλος m. N. eines Mollusken (Arist.; s. ναυτ-ίλος); 4. -εύς m. N. eines Phäaken (θ 113; Bosshardt 100); 5. ποντ-ίζω (A. u. S. in lyr.), sonst κατα- ~ (att., N. T. u.a.) ‘ins Meer versenken’ mit ποντίσματα pl. n. ‘ins Meer versenkte Spenden’ (E.), καταποντ-ισμός m. ‘Ertränkung’ (Isok., LXX u.a.), -ιστής m. ‘der ins Meer Versenkende, Ertränker’ (att. u.a.); 6. κατα-ποντ-όω ‘ds.’ (ion. att.); ποντ-όομαι ‘ein Meer bilden’ (Q.S.), -όω = -ίζω (Nik. Dam.) mit -ωσις f. (Tz.). ‘Meer, hohe See’ (ep. poet. seit Il.), oft in EN, z.B. ὁ Εὔξεινος πόντος ‘das Schwarze Meer’, wofür auch (ὁ) Πόντος (ion. att.), auch als N. der Südküste des Schwarzen Meeres und einer dortigen Staatsbildung (App. u.a.). Kompp., z.B. ποντο-πόρος ‘das Meer durchfahrend’ (ep. poet. seit Il.) mit ποντοπορ-έω, -εύω ‘das Meer durchfahren’ (Od. u.a.; zur Bildung Chantraine Gramm. hom. 1, 62, 95 u. 368, Sommer Sybaris 146ff.); zu ‘Ελλήσποντος s. bes. — Gegenüber dem ο- Stamm in πόντος stehen in anderen Sprachen andere Bildungen in abweichenden Bedd.: im Indoiran. ein ablautendes pant(h)ā- (z.B. Nom. sg. aind. pánthā-ḥ, aw. pantā̊) : path(i)- (z.B. Instr. sg. path-ā́, paϑ-a, pl. pathí-bhiḥ, padə-bīš) m. ‘Weg, Pfad’; in anderen Sprachen ein hochstufiger i-Stamm: arm. hun, Gen. hn-i ‘Furt’, lat. pons, Gen. pl. ponti-um m. ‘Brücke, Steg’, aksl. pǫtь m. ‘Weg’. Sowohl diese weitverbreitete i-Flexion wie die griech. o-Flexion sind aus einem älteren, im Indoiran. noch lebendigen, sehr komplizierten Paradigma entstanden. Ein Ableger der in aind. path-ā́ usw. erscheinenden Schwundstufe (idg. *pn̥th-) liegt indessen in πάτος ‘Weg, Pfad’ (und in apreuß. pintis ‘Weg’) vor; s. zu πατέω. Einzelheiten zur Morphologie m. reicher Lit. bei WP. 2, 26f., Pok. 808f., Mayrhofer s. pánthāḥ, W.-Hofmann s. pons, Vasmer s. putь. — Als urspr. Bed. ist ‘ungebahnter, durch Gelände, Wasser usw. führender Weg’ anzusetzen; vgl. Benveniste Word 10, 256 f.; πόντος somit eig. "Fahrwasser" (vgl. ὑγρὰ κέλευθα) mit Beziehung auf eine für ein seefahrendes Volk primäre Funktion des Meeres. Vgl. zu πέλαγος und θάλασσα. II-578-579
πόποι, ep. ὢ πόποι Ausruf des Staunens, des Unwillens usw. (ep. poet. seit Il.); πόπαξ (A. Eu. 143). — Elementarschöpfung wie παπαῖ, βαβαί, -άξ; s. dd. Über die Umdeutung von ὢ (ὦ) πόποι als ‘ihr Götter!’ bei Lykophr. und Euph. s. Leumann Hom. Wörter 33 und Ruijgh L’élém. ach. 101. II-579
ποπύζω, dor. -ύσδω ‘mit der Zunge schnalzen’, als Anruf usw. (Kom., Thphr., Theok. u.a.) mit ποππ-υσμός m. (X., Plu. u.a.), -υσμα n, (Dexipp. in Cat., Juv.) ‘das Schnalzen’; erweitert in ποππυ-λιάσδω ‘ds.’ (Theok.), vgl. βομβυλιάζω (s. βόμβος). — Redupliziertes Schallwort mit expressiver Gemination (Schwyzer 647 u. 315; zu -ύζω ebd. 716). II-579
πορεῖν πέπρωται Perf. ‘es ist (vom. Schicksal) gegeben, bestimmt’, Ptz. πεπρωμένος (ep. poet. seit Il., sp. Prosa). Aor. ‘verschaffen, schenken, darreichen, gewähren’ (ep. poet. seit Il.), — Bildung wie μολεῖν : μέμβλωκα (: βλώσκω), θορεῖν (: θρώσκω) u. a.; s. dd. und Schwyzer 747 u. 770, Chantraine Gramm. hom. 1, 391 u. 433. Neben πορεῖν, πέπρωται steht in abweichender Bed. das Jotpräsens πείρω mit einem besonderen Formensystem; s. bes. Zur Bed. von πορεῖν stimmen besser sowohl die Nomina πόρος, πορθμός (s. zu πείρω) wie das primäre πέρνημι ‘verkaufen’ (s. bes.); außerhalb des Griech. sind zu bemerken das reduplizierte athem. aind. pí-par-ti ‘hinübersetzen, hinüberbringen’ und das Frequentativum lat. portō, -āre ‘bringen, tragen’. Zur selben Wortgruppe gehören noch πέρᾱ mit περάω, πέρι u. a. m.; s. dd. m. Lit.; dazu noch Mayrhofer s. píparti2 und W.-Hofmann s. pars; ebenfalls m. Lit. — Vgl. noch πόρις. II-579-580
πόρις, -ιος (ep. poet. seit κ 410), etw. gewöhnlicher πόρτις, -ιος (ep. poet. seit Ε 162) f. ‘Kalb, Färse’, übertr. ‘junges Mädchen’; daneben πόρταξ f. ‘ds.’ (P 4) nach δέλφαξ, σκύλαξ u.a. Davon πορτι-τρόφος ‘Kälber ernährend’ (h. Ap., B.); πορ-τάκινον (-ιον?)· μοσχίον, πορτάζει (-ακίζει?)· δαμαλίζεται H. — Bildung wie τρόπις, τρόχις, κόρις u.a. (Solmsen Wortforsch. 160, Schwyzer 462); zu πόρτις vgl. μάντις, δόμορτις u.a. (Schw. 271 u. 504 A. 3). Mit πόρτις kann arm. ort‘ ‘Kalb’ bis auf den Stammauslaut (Gen. usw. ort‘-u) identisch sein; zu gr. τ für idg. th (= arm. t́) vgl. Fälle wie πλατύς und ὀστέον. Eine Bildung auf -thu- liegt tatsächlich vor in aind. pr̥thu-ka- m. ‘Junge, Kind, Tierjunges’, aber die Zusammenstellung mit ort́, πόρτις wird von Mayrhofer s. v. (s. auch dens. Sprache 7, 180 f.) mit Brugmann aus guten Gründen angezweifelt. Ein weiterer Verwandter wird auf germ. Gebiet in mhd. verse, nhd. Färse f. ‘junge Kuh’ (urg. *fársī < idg. *pór-s-ī) vermutet, wozu noch ahd. far, farro, ags. fearr m. ‘Farre, junger Stier’ (urg. *farzá(n)- < idg. *por-s-ó-). Das Wort kann zum idg. Verb für ‘gebären’ (eig. ‘hervorbringen’) in lat. pariō gehören (WP. 2, 41, Pok. 818, W.-Hofmann s. v.) und wäre somit letzten Endes auch mit πορεῖν, πέρᾱ usw. (s. dd.) verwandt. Nach Solmsen a. O. eig. "(neu)geborenes"; ob nicht vielmehr "die (Erst)gebärende" ? — Lit. periù, -ė́ti ‘brüten, auf den Eiern sitzen’ ist wahrscheinlich fernzuhalten; s. Lit. bei Fraenkel Wb. s. pẽras. Zu venet. Pora s. Mastrelli Par. del Pass. 15, 282ff. m. reicher Lit. II-580
πόρκης m. ‘Ring um den Speerschaft, der die Metallspitze festhält’ (Ζ 320 = Θ 495); πορκώδης ’π.-ähnlich’ (Eust.). — Bildung wie γύης u. a. (Chantraine Form. 30, Schwyzer 461); sonst unklar. Über eine Hypothese von Wiedemann BB 28, 17 ff. (zu lat. compescō usw.) s. Bq und W.-Hofmann s. vv., WP. 2, 44f. Vgl. πόρκος und πόρπη. II-580
πόρκος m. ‘Art Fischernetz’ (Pl., Kom. u. a.) mit πορκεύς m. ‘Netzfischer’ (Lyk.; Bosshardt 68). — Mit arm. ors ‘Jagd, Jagdbeute’ formal uridentisch (idg. *porḱos; Patrubány KZ 37, 428); weitere Anknüpfung fehlt. Vgl. πόρκης m. Lit. II-581
πόρνη f. ‘feile Dirne, Hure’ (ion. att.). Kompp., z.B. πορνο-βοσκός m. ‘Kuppler’ mit -έω, -ία, -εῖον (Herod., att.; Chantraine Études 17); πορνο-λύτας m. (Inschr. Tarentum), s. Parlangèli Glotta 40, 50. Davon 1. Demin. πορν-ίδιον n. (Kom.); 2. -ικός ‘zur Buhldirne gehörig’ (Aesch., LXX u.a.); 3. -εῖον n. ‘Hurenhaus’ (Ar., Antipho), 4. -οσύνη f. ‘Hurerei’ (Man.; Wyss 71); 5. -εύομαι, -εύω, auch m. κατα-, ἐκ- ‘als Dirne leben, sich zur Unzucht brauchen lassen; prostituieren’, auch übertr. ‘Götzendienst treiben’ (NT), mit -εία, -ευσις, -ευμα, -εύτρια (ion. att.). — Von πόρνη auch πόρνος m. ‘Buhlknabe, Buhler’ (att., LXX, NT u.a.). Bildung wie ποινή, φερνή, τόρνος u.a. (Chantraine Form. 192 f.), somit Verbalnomen von πέρνημι (zu beachten das gemeinsame ν-Suffix). Wohl eig. "Ausfuhr, Verkauf". Nach Schwyzer 489 u. 362 dagegen subst. Adj. "die in die Fremde Verkaufte" (mit -ορ- als Schwundstufe). Jedenfalls ein euphemistischer Ausdruck (Benveniste Sprache 1, 118). II-581
πόρος m., πόρπαξ m., πόρπη f. s. πείρω. II-581
πόρσω (Pi., Trag. in lyr.), πόρρω (att.) — Steigerungsformen : πόρσ-ιον, -ιστα (Pi.; Seiler 106f.); πορρω-τέρω, -τάτω (att.). Adv. πόρσω-θεν (Archyt.), πόρρω-θεν (att.) ‘von fern her’. ‘vorwärts, weiterhin, weit von etw., fort’. Davon wahrscheinlich, als Denominativa : 1. πορσ-ύνω, auch m. ἐπι-, συν-, eig. ‘vorwärts bringen’?, d.h. ‘vollbringen, besorgen’ (ep. ion. poet., auch X.); 2. -αίνω ‘ds.’ (Hom. als v. l., h. Cer., Pi. u.a.); ablehnend Forbes Glotta 36, 261; zur Bildung Debrunner IF 21, 65 u. 87. — Bildung wie ἄνω, κάτω u.a., wohl als erstarrter Instrumental (Schwyzer 550); kann mit lat. porrō (für *porsō), praen. porod ‘vorwärts’ uridentisch sein. Weitere Analyse unsicher; letzten Endes jedenfalls zur großen Sippe von πέρας, πείρω (s. dd.), πόρος u.a. — Daneben πρόσω, s. d.; auch πρός. II-581
πορφύρα, ion. -ρη f. ‘Purpurfarbe, -schnecke, -kleid’ (Sapph., Hdt., A. usw.). Kompp., z.B. πορφυρό-ζωνος ‘mit purpurnem Gürtel’ (B.), παμ-πόρφυρος ‘aus lauter Purpur bestehend, ganz purpurn’ (Pi.), ἐπι-, ὑπο-πόρφυρος ‘etw. purpurn’ (Thphr., Arist. u.a.; Strömberg Prefix Studies 104f., 138); auch ἁλι-πόρφυρος ‘meerpurpurn, mit echtem Purpur gefärbt, purpurrot’ (Od. u.a.); anders Marzullo Maia 3, 132 ff., Il problema Omerico 255. Ableitungen: 1. πορφύρ-εος, att. -οῦς, äol. -ιος ‘purpurn, purpurfarben’, von Stoffen, Kleidern, auch vom Blut usw. (seit Il.,; vgl. zu πορφύρω). 2. -εύς m. ‘Purpurschneckenfischer’ (Hdt., Arist.; Bosshardt 56) mit -ευτικός ‘zum. πορφυρεύς (-ευτής?) gehörig’ (E., Poll.; wohl nach ἁλιευ-τικός; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 63 A. 1, Chantraine Études 119), -εύω ‘Purpurschnecken fischen’ (Philostr. u.a.,), -ευτής m. = -εύς (Poll.). 3. -ίς f. ‘Purkurkleid’ (X. u.a.), auch N. eines Vogels (Ibyk. u.a.; Thompson Birds s. v.). 4. -ιον n. Demin. (Arist.), auch ‘purpurner Stoff’ (Pap.). 5. -εῖον n. ‘Purpurfärberei’ (Str.). 6. -ίτης (λίθος), f. -ῖτις ‘Porphyr, por- phyrartig, -haltig’ (Plin., Inschr., Ostr. u.. a.; Redard 59), -ιτικός ‘porphyrhaltig’ (Pap.). 7. -ίων m. ‘purpurnes Wasserhuhn, Fulica porphyrion’ (Ar., Arist. u.a.; Thompson s.v., Chantraine Form. 165). 8. -ική f. ‘Purpurzollsteuer’ (Pap. IIa). 9. -ώματα· τῶν ταῖς θεαῖς τυθέντων χοίρων τὰ κρέα H. 10. -ίζω, auch m. ἐπι-, ὑπο-, ‘purpurfarben sein’ (Arist., Thphr. u.a.). 11. ON, z.B. Πορφυρ- ίς, -εών. — Ob πορφύρα urspr. die Purpurfarbe oder die Purpurschnecke bezeichnete, sei dahingestellt; für die Priorität der ersten Bed. spricht entschieden das Alter der Belege. Wegen der technischen Natur des Wortes liegt Entlehnung aus einer Mittelmeersprache unzweifelhaft am nächsten (Schrader-Nehring Reallex. 2, 207), obwohl bisher keine befriedigende Anknüpfung gefunden ist (abzulehnen Lewy Fremdw. 128). Alte Beziehung zu πορφύρω (Curtius 303 m. Lit.) überzeugt sachlich nicht, aber sekundärer gegenseitiger Einfluß ist unverkennbar. Zu πορφύρα, -ύρεος, -ύρω Vieillefond REGr. 51, 403 ff.; dazu noch Castrignanò Maia5, 1 18 ff. und Gipper Glotta 42 ,39 ff. — Lat. LW purpura, woraus Purpur usw. II-581-582
πορφύρω (περι-~ Man.), nur Präs. u. Ipf., 1. ‘aufwallen, aufwogen, aufgeregt sein’, vom. Meer (Ξ 16, Arat., A. R. u.a.), übertr. vom Herzen (Od., A. R., Q. S.); 2. ‘sich purpurn färben, rot werden’ (hell. u. sp. Dicht.), ‘rot färben’ (Nonn.). Daneben πορφύρεος, äol. -ιος ‘wogend, aufgeregt’, vom Meer (Hom., Alk.); von πορφύρεος ‘purpurn’ zu trennen. — Intensivbildung wie μορμύρω (s. d. m. Lit.); dazu πορ-φύρεος wie μαρμάρεος neben μαρμαίρω (s. d.). Seit alters mit dem aind. Intensivum jár-bhurīti ‘zucken, zappeln’ verglichen (primäres Verb bhuráti ‘ds.’); des näheren s. φύρω. — Im Sinn von ‘sich purpurn färben’ hat sich πορφύρω an πορφύρα angelehnt. — Unhaltbar über πορφύρω Deroy Les ét. class. 16, 3ff. II-582
πός, vor Vok. auch πο- (ark. kypr., phryg. pisid.) = ποτί, πρός (s. dd.). — Mit lit. pàs ‘an, bei’, aksl. po ‘hinter, nach’ iden- tisch. Auch in lat. post, posterus, alb. pas ‘hinter, nach’ u. a.; s. Schwyzer-Debrunner 508, WP. 2, 78f., Pok. 841 f., W.-Hofmann s. post m. weiteren Formen u. reicher Lit. II-582-583
Ποσειδῶν, -ῶνος m. ‘Poseidon’ (att.). Daneben ep. poet. Ποσειδάων, -άωνος, ion. -έων, lyr., auch kret., epid., ark. u.a. Inschr. Ποσειδάν, ark. auch Ποσοιδάν, woraus lak. Ποhοιδάν (zum Akz. Hdn. 2, 914 u. 916). Mit -τ- in dor. Formen aus verschiedenen Gebieten: Ποτειδά(ϝ)ων, -δάν, auch (dor. u. att. Korn.) Ποτ(ε)ιδᾶς; dazu noch (äol.?) Ποτοιδαν (Pergam. Va). Myk. Po-se-da-o, Dat. -ne. — Davon 1. Ποσειδώνιος (auch als PN), -δαώνιος, -δάνιος, Ποτειδάνιος ‘dem P. geweiht’, bes. -ιον n. ‘Tempel des P.’. 2. Ποσιδήϊος (ep. ion. neben äol. Ποσειδάων, metr. bedingt; Chantraine Gramm. hom. 1, 20), -δεῖος, -δαῖος, -ιον n. ‘ds.’, myk. Po-si-da-i-jo, mit Ποσιδηϊών, -δεών ion. att. Monatsname. 3. Ποτείδαια f. N. einer korinth. Kolonie auf Chalkidike. 4. Ποτιδάϊχος böot. PN (Bechtel Dial. 1, 267). — Aus Ποτειδά̄ϝων (wie Μαχά̄-ων, ’Αρετά-ων u.a.; Schwyzer 521) entstand durch Kontraktion -δῶν, -δάν; daneben -δᾶς; vgl. ‘Ερμ-άων, -άν, -έας, -ῆς (Kretschmer Glotta 9, 217). Das Adj. Ποσιδήϊος wohl eher nach ’Οδυσήϊος, Νηλήϊος u.a. als (mit Schwyzer 271) von einem unbel. *Ποσιδᾶς. Die assibilierten Formen müssen aus Ποσι- neben älterem Ποτει- verallgemeinert sein. — Gott der Gewässer (Flüsse, Quellen, des Meeres); der Name ist nicht sicher gedeutet. Schon von Fick Curt. Stud. 8, 307 als Univerbierung aus einem Vok. *Πότει Δᾶς ‘o Herr (Gemahl) der Da, d.h. der Erde’ (s. Δήμητηρ) erklärt, eine Auffassung, die von Hoffmann aufgenommen und namentlich von Kretschmer wiederholt (z.B. Glotta 1, 27 f., 382f.; 13, 245; 22, 255, Wien. Stud. 24, 523ff.) begründet und vertreten wurde unter Zustimmung mehrerer Forscher (Schulze, v. Wilamowitz [s. Schwyzer 271], Mayrhofer AnzAltWiss. 5 [1952] 59 ff., Schachermeyr Poseidon und die Entstehung des griech. Götterglaubens [Bern 1950] 13 ff., Schwyzer 446 u. 572). Dabei wurde Ποσι- als eine jüngere Form des Vok., Ποτοι- bisweilen (z.B. Schwyzer a. O.) als alte Ablautform erklärt (ablehnend Kretschmer Glotta 1, 383). — Ablehnung od. Zweifel bei Bechtel Dial. 1, 64f., Fraenkel Lexis 3, 50 ff., ebenso bei mehreren anderen Forschern, die dafür andere, gewiß nicht bessere Hypothesen vorgetragen haben: Ehrlich Betonung 81 ff. (zu ποταμός und οἶδμα; von Kretschmer Glotta 6, 294 abgelehnt); Heubeck IF 64, 225 ff. (zu πόντος und δαῆναι); Carnoy Les ét. class. 22, 342 (Hinterglied zu aind. dā́nu- ‘Tropfen, Tau’); v. Windekens Beitr. z. Namenforsch. 9, 166 u. 11, 253ff. (pelasgisch). Ältere Versuche m. reicher Lit. bei Nilsson Gr. Rel. 1, 445 m. A. 2 u. 3. II-583-584
πόσθη f. ‘das männliche Glied’ (Ar. Nu. 1014), auch ‘Vorhaut’ (Mediz.). Demin. πόσθιον n. (Hp., Ar.); weitere Abl. -ία f. ‘Vorhaut’ (Ph.), übertr. ‘Gerstenkorn am Augenlid’ (Mediz.); aus ἀκρο-ποσθ-ία (s.u.) abgekürzt (Scheller Oxytonierung 43 A. 2) ?; -ων, -ωνος m. ‘mit π. versehen’, vulgäre Ben. eines Knaben (Ar. Pax 1300; Bed. unklar hei Luk. Lex. 12); auch PN (dafür Βόσθων [Halikarn.] ?; Masson Beitr. z. Namenforsch. 10, 162) wie -ίων, -ύλος; ebenso, mit familiärer λ -Erweiterung, -αλίων (dor. Inschr. um 200a); s. Taillardat Rev. de phil. 87, 249f.; -αλίσκος = -ων (Ar. Th. 291; coni. Dindorf, zustimmend Taillardat a. O.). — Zusammenbildung ἀκρο-ποσθ-ία f. (Hp., Arist.) -ιον n. (Poll., Ruf.) ‘Vorhaut’; dafür ἀκροβυστία f. ‘ds.’, koll. ‘die Unbeschnittenen’ = ‘das Heidentum’ (LXX, NT), wohl mit euphemistischer Volksetymologie nach βύω (EM 53, 47, Blass-Debrunner ̨ 120, 4). — Seit alters zu πέος gezogen; dabei wird ποσ- als mit πέ[σ]-ος ablautend erklärt. Zum Ausgang vgl. σάθη, auch κύσθος u.a. (Specht Ursprung 252). Andere Vorschläge von Sandsjoe Adj. auf -αιος 100 A. 1 (vgl. Schwyzer 425 Zus. 2) und von Szemerényi Arch. Linguist. 5, 13 ff. (idg. *ghu̯ozdh-ā, wozu noch, durch illyr. Vermittlung, aksl. gvozdь ‘Nagel’, lat. hasta ‘Stange, Wurfspieß’, air. bot ‘penis’[?]). II-584
πόσις 1., -ιος m. ‘Ehemann, Gatte, Gemahl’ (ep. poet. seit Il.; vgl. Chantraine REGr. 59—60, 219ff.). — Alte und weitverbreitete Ben. des (Haus)herrn und des Gatten: aind. páti-, aw. paiti- ‘Herr, Gebieter, Gatte’, balt., z.B. lit. pàts (älter patìs) ‘Ehemann, Gatte’, toch. A pats, B petso (Obl.) ‘Gatte’. lat. potis ‘vermögend, mächtig’; idg. *póti-s. Das Wort tritt sehr oft als Hinterglied oder mit einem Gen. auf, z.B. δεσπότης (s. d.), aind. viś-páti- ‘Hausherr’, lit. vieš-pats ‘Herr-(gott)’ (vgl. zu οἶκος), lat. hos-pes ‘Gastfreund’, slav., z.B. russ. gos-pódь ‘Herr, Gott’, got. bruþ-faþs ‘Bräutigam’.— Die Bed. ‘Herr, Gatte’ wird allgemein aus einer älteren Bed. ‘selbst’ in lit. pàts (und in dem angeblichen aw. *xvae-paiti-) ebenso wie in der Identitäts- und Verstärkungspartikel lit. pàt ‘selbst, sogar, eben’, heth. -pat (-pit, -pe) ‘eben(so), ebenfalls, gerade’ erklärt; s. die reiche Lit. bei Fraenkel Wb. s. v., dazu Benveniste Word 10, 260 ff.; diese Auffassung ist aber nach der ausführlichen und überzeugenden Kritik von Szemerényi Syncope in Greek and I.-Eur. 337 ff. nicht länger haltbar. — Abzulehnen Weisweiler Paideuma 3, 112 ff. (idg. *pótis aus dem Sumerischen); s. Mayrhofer s. pátiḥ. — Vgl. πότνια, auch Ποσειδῶν. II-584
πόσις 2. ‘Trank’ s. πίνω. II-585
πόσος, ion. (Hdt.) κόσος interr. Pron. ‘wie groß?, wie viel?’; ep. ποσσ-ῆμαρ ‘in wieviel Tagen?’ (Ω 657; s. zu ἦμαρ m. Lit.). Davon ποσό-της f. ‘Quantität’ (Arist. u.a.), ποσ-ώδης ‘quantitativ’ (Arist. -Komm.), -ίνδα Spieladv. (X.; Schwyzer 627), -άκι(ς) ‘wie oft?’ (Pl., Kall.), -όω ‘das Quanten berechnen, zusammenzählen’ (Thphr. u.a.); auch πόστος ‘welcher der Reihe nach?’ (ω 288, att.) aus *ποσ(σ)ο-στός dissimiliert mit Akz. nach πόσος; davon ποστ-αῖος ‘am wievielten Tage?’ (X. u.a.), nach δευτερ-αῖος usw. — Indef. ποσός (att., hell.), ποστός (sp.). — Aus *πότι̯-ος, Adjektivierung von idg. *qʷóti in aind. káti, lat. quot u.a. ‘wie viele?’; des weiteren s. πόθεν und τόσος. II-585
ποταίνιος ‘neu, frisch, unerwartet, unerhört’ (Pi., B., Trag., auch Hp.; nach Eust. und Phot. = πρόσφατος, dorisch); ποταινί = προσφάτως (Zonar.). — Kann von προταίνιον· πρὸ μικοῦ, παλαιόν H. und προταινί ‘vorn’ (E. Rh. 523), böot. προτηνί ‘früher’ schwerlich getrennt werden. Wie dies für πρὸ ταινί (sc. ἡμέραι) steht, würde ποταινί, -νιος auf ein adverbielles *ποτὶ ταινί zurückgehen (Prellwitz s. v., Bechtel Dial. 1, 309f., Schwyzer 612, Schw.-Debr. 507f., 517). II-585
ποταμός m. ‘Fluß’ (seit Il.). Einige Kompp., z.B. ποταμο-φύλαξ m. ‘Flußwächter’ (Pap.), καλλι-πόταμος ‘mit schönen Flüssen’ (E. in lyr.). Davon 1. Demin. ποτάμ-ιον n. (Kom., Str.), -ίσκος m. (Str.). Weitere Subst. 2. ποταμ-εύς m. Bez. des Ostwindes in Tripolis (Arist.), 3. -ίτης m. ‘Flußarbeiter’ (Pap.; Redard 36). Adj. 4. -ιος ‘dem Fluss angehörig’ (Pi., Hdt., Trag. usw.), -ιαῖος ‘ds.’ (Arist. [v. l. -ιος, Ruf.); -ήϊος (Nonn.), f. -ηΐς (A. R., Nik.) ‘ds.’, beide metr. bedingt. —5 -ώδης ‘flußähnlich’ (Eun.); 6. -ηνή f. ‘Beiwort zu Μήτηρ, ‘Flußgöttin’ (Inschr. Pisidien; vgl. Schwyzer 490 m. Lit.); 7. Adv. -ηδόν ‘wie ein Fluß, in Strömen’ (Luk., Aret.); 8. Verb -όομαι ‘einen Fluß bilden’ (Aq.). — 9. Spitzname Ποτάμιλλα m. (Sophr.; Schwyzer 561 m. Lit.). — Bildung wie οὐλαμός, πλόκαμος u. a. — Wohl mit L. Meyer, Prellwitz, Bq s. v. zu πίπτω, ἔπετον ‘fallen’; somit eig. "Wassersturz, Sturzbach" mit Beziehung auf den in Berggegenden reißenden Flußlauf; zu beachten das Beiwort διιπετής (Π 174, δ 477). Ebenso Persson Beitr. 2, 654. Kretschmer Glotta 22, 265 u. 27, 248f., Runes IF 50, 265, Havers Sprache 4, 24, WP. 2, 219, Pok. 825, W.-Hofmann s. petō. — Anders Fick 1, 473 (fragend) und Wackernagel Syntax 2, 30f. : zu πετάννυμι, πέτασμα als "Ausbreitung" und mit germ., z.B. asächs. fathmos, ags. fæðm ‘Ausspannung (der Arme), Umarmung, Klafter’ identisch (ags. flôdes fæðm). Dafür namentlich Specht KZ 63, 132, auch Risch ̨ 19b (mit Vorbehalt), Schwyzer 493 A. 11. — Abzulehnen Pisani Ist. Lomb. 73, 502 f. (für *τοπαμός zu lit. tekù ‘laufen’ usw.); v. Windekens Beitr. z. Namenforsch. 9, 166 u. 11, 251 (pelasgisch). II-585-586
ποτανός, ποτάομαι, ποτέομαι s. πέτομαι. II-586
πότε (att. ark. kypr.), ion. κότε, äol. πότα, dor. πόκα interr. Adv. ‘wann ?’; indef. ποτε, ποτέ usw. ‘irgend einmal’ (seit Il.). — Vom Pron.stamm πο- mit verschiedenen Part.; s. πόθεν und ὅτε. Hierher wahrscheinlich auch τίπτε; s. bes. II-586
πότερος (seit Il.), ion. κότερος ‘welcher od. wer von beiden?’. — Altes Pronomen, mit aind. katará-, got. hvaþar, lit. katràs usw. formal und begrifflich identisch, idg. *qʷo-teros (vgl. zu πόθεν); zum schwankenden Akz. Schwyzer 381. Weitere Formen aus anderen Sprachen m. Einzelheiten u. Lit. z.B. bei WP. 1, 521, Pok. 645 f. II-586
ποτί (ποτ’), myk. po-si? Präverb u. Präp. ‘zu — hin, gegen, bei’ (ep. poet. seit Il., dor.) — Mit aw. paiti, apers. patiy ‘(ent)gegen, bei’ uridentisch. Daneben πρότι, πρός und πός, s. dd. m. Lit.; dazu noch Bonfante Word 7, 250ff. II-586
πότνια myk. po-ti-ni-ja. Zu πότνα, zweisilbig = πότνι̯α (Od. u.a.), urspr. nur im Vok. πότνα θεά, wo vom Metrum bedingt, Schwyzer 559 Zus. 2, Chantraine Gramm. hom. 1, 170, Sjölund Metr. Kürzung 9 f. f. ‘Herrin, Herrscherin’, bes. von Göttinnen (ep. poet. seit Il.); Davon ποτνιάδες pl. ‘ds.’ (E.; nach μαινάδες u.a., Chantraine Form. 355 u. 357); ποτνι-άομαι ‘(eine Göttin) anflehen, wehklagen, jammern’, bes. von Frauen (sp. Prosa; zur Bed. Mras Glotta 12, 67f.) mit -ασμοί pl. (Str.), -ασις f. (Poll.) ‘Wehklage’, -αστής m. ‘der Wehklagende’ (Phld.); auch -άζομαι in ποτνιάζου· εὔχου, παρακάλει H. Zum myk. Adj. po-ti-ni-ja-we-jo Lejeune Par. del Pass. 17, 401 ff. — ON Ποτνιαί f. pl. böot. Stadtname (Paus.), nach den Πότνιαι (Demeter und Kore) benannt; davon Adj. Ποτν-ιάς (A. u.a.) und PN -εύς (Paus.; Bosshardt 108). — Mit aind. pátnī f. ‘Herrin, Göttin’, aw. paϑnī f. ‘Herrin’, alit. vieš-patni f. ‘(hohe) Frau, Herrin’ identisch: idg. *pótnī. Urspr. Fern. zu idg. *pótis ‘Herr, Gatte’ in πόσις ‘Gatte’, von dem sich πότνια ‘Herrin, Göttin’ sowohl lautlich wie begrifflich entfernt hat. Zum idg. Fem. auf -nī s. zuletzt (m. reicher Lit.) Szemerényi Syncope in Greek and I.-Eur. 391 ff., der die Ansetzung eines idg. Kons.stammes *pot- neben *poti- mit Recht ablehnt aber weit weniger glücklich *pótnī als eine spätidg. Synkopierung von *póti-nī betrachten will. II-586-587
πούς, ποδός (dor. πώς, πός; s.u.) m. ‘Fuß’, auch übertr. in versch. Bedd. Sehr oft in Kompp., z.B. Πόδ-αργος m. N. eines Pferdes (Il.; = myk. podako N. eines Ochsen [Chantraine Rev. de phil. 89, 13]?), auch appellativisch ‘schnell- (weiß-?)füßig’ (Lyk.; vgl. ἀργί-πους s. ἀργός); τρί-πους (-πος) ‘dreifüßig’, m. ‘Dreifuß’ (seit Il.; myk. ti-ri-po; zu ποδ- als Hinterglied ausführlich Sommer Nominalkomp. 28 ff.). Mit ιο-Suffix (Hypostasen), z.B. ἐμ-πόδ-ιος ‘vor den Füßen, im Wege, hinderlich’ (ion. att.), ὑπο-πόδ-ιον n. ‘Fußbank’ (LXX, hell. Inschr. u. Pap.). Ableitungen. 1. Demin. πόδ-ιον n. (Epich.. Hp. u.a.; zu ὑπο-πόδ-ιον ob.), -άριον n. (Kom.), -ίσκος m. (Herod. u.a.; myk. ti-ri-po-di-ko). Weitere Subst. 2. ποδ-εῖα n. pl. Ben. einer Fußbekleidung, etwa ‘Gamaschen’ (Kritias, Kom. u.a.); 3. -εών, -εῶνος m. ‘Fußstück einer Tierhaut, Zipfel, Schote’ (ion., Theok. u. a.); 4. -ία f. ‘Segelschote’ (Gloss., Serv. ad Verg.; Scheller Oxytonierung 29 A. 3, 54); 5. -ίδες f. pl. Ben. einer Schuhbekleidung (Poll.); 6. -ότης f. ‘die Eigenschaft mit Füßen versehen zu sein’ (Arist.; künstliche Bildung, s. Scheller a. O.); 7. -ωμα n. ‘Fußboden, Unterlage’ (Pap. u. a.; zur nomin. Abl. Chantraine Form. 187). Adj. 8. -ιαῖος ‘einen Fuß messend’ (ion. att.); -ικός ‘auf den Versfuß bezüglich’ (Aristid. Quint.). Verba 9. -ίζομαι ‘am Fuß angebunden werden’ (S., X. u.a.), auch metr. ‘in Versfüßen aufteilen, skandieren’ (Eust.), mit -ισμός m. ‘Abmessung nach dem Fußmaße’ (sp.), -ίστρα f. ‘Fußangel’ (AP); auch m. Präfix, z.B. ἐμ-ποδ-ίζω ‘die Füße binden’ (Hdt., A.), aber gew. = ‘verhindern, hemmen’ (att.) zu ἐμποδ-ών (s.d.), ἐμπόδιος (s. ob.); ἀνα-ποδ-ίζω ‘zurückgehen machen, zurückrufen, -gehen’ (ion. att.; Hypostase); 10. -όω, -όομαι mit -ωτός ‘die Schoten spannen, mit Füßen versehen werden’ (Lyk. u.a.). — Alte Ben. des Fußes, in den meisten Sprachzweigen entweder unverändert als Konsonantstamm oder in umgebildeter bzw. erweiterter Form erhalten: arm. ot-k‘ pl. = πόδες, wozu Akk. u. Nom. sg. ot-n, eig. Akk. = πόδα, idg. *pód-m̥; mit Dehnstufe germ., z.B. awno. fōtr, ags. fēt pl. aus urg. *fōt-iz, idg. *pṓd-es; dazu mit Neubildung nach den u-St. z.B. got. fōt-u-s (Akk. fōt-u < idg. *pṓd-m̥); mit e-Stufe lat. pēs, ped-is; mit unerkennbarer Qualität aind. pā́t, Akk. pā́d-am, Gen. pad-ás; somit alter qualitativer und quantitativ Ablaut idg. *pē̆d- : pō̆d-. Die e-Stufe hat sich im Griech. in einer Reihe Ableitungen erhalten: πέδη, πέζα, πεζός, πέδον, πέδιλον, πεδά (s. bes.); dazu noch alte Schwundstufe in ἔπιβδα (s. d.). — Thematische Erweiterung in lit. pãd-a-s ‘Fußsohle, Dreschboden usw.’, slav., z.B. russ. pód ‘Boden, Grund, Pritsche’, viell. auch in heth. pat(a)- (luw. pati-) ‘Fuß’. Auch toch. A pe, B paiyye ‘Fuß’ enthält eine Erweiterung, viell. ein i̯o-Suffix wie πεζός u. a. (v. Windekens Orbis 10, 383 f.). —Die urspr. Dehnstufe des Nom. sg. ist im Griech. nur in dor. πώς (nur H.) zu belegen; dafür dor. πός, hom. τρί-πος nach den obliquen Formen; att. usw. πούς wie δούς u.a.; nicht sicher erklärt (Schwyzer 565 A. 3). — Einzelheiten aus den verschiedenen Sprachen mit Lit. in den Spezialwb.; dazu WP. 2, 23ff., Pok. 790f. II-587-588
πράμος (Ar. Th. 50) = πρόμος. — Wenn überhaupt richtig überliefert, schwundstufige Form von πρόμος, s.d. Nach Steinhauser Wien. Prähist. Zeitschr. 19, 304 f. hierher der illyr. Stammesname Πάρμαι; Bedenken bei Krahe IF 58, 219. II-588
πρᾶος, -ον (att.; f. -εῖα, pl. -έων, -έσι u.a.), πραΰς, πρηΰς (ep. ion., lyr., hell.) — Steigerungsformen πραό-(πραΰ-, πρηΰ)τερος, -τατος (πράϋστος Phrygien); Adv. πρά-ως, ganz vereinzelt -έως; auch -όνως (Ar., Lys.; nach εὐδαιμόν-ως u.a.); ‘sanft, gelinde, zahm’ (seit Pi.). Auch als Vorderglied (meist sp.), z.B. πραΰ-μητις ‘sanftmütig’ (Pi.); zu πρευμενής s. bes. sonstige Abl.: πρα-ότης (att.), -ύτης (LXX u.a.) f. ‘Sanftmut’; πραΰνω, ion. πρηΰνω, auch m. κατα- (selten ἀπο-, δια- u.a.) ‘besanftigen, beschwichtigen’ (seit Hes., h. Merc. 417) mit πρά-(πρή-)υνσις f., -υσμός m. ‘Besänftigung’, -υντικός ‘besänftigend’ (Arist., Mediz.), -υντής m. (EM). — Unerklärt. Seit alters (Curtius 283 mit Bopp und Pott; s. Bq) zu einem idg.Verb ‘gern haben, lieben’ in got. frijōn Der o -Stamm πρᾶος ist aus dem älteren υ-Stamm πραΰς hervorgegangen, wahrscheinlich über das Adv. πράως, das, urspr. aus πραέως kontrahiert und zu πραΰς gehörig, zum Adj. πρᾶος, -ον Anlaß gab; s. Egli Heteroklisie 100 ff. m. ausführlicher Behandlung. Das nicht seltene ι subscriptum in πρᾷος ist sekundär (von ῥᾴων?; s. Debrunner IF 40 Anz. 13f.; alternative Erklärung bei Egli 105 f.). usw. gezogen, weder lautlich noch begrifflich einwandfrei. Nach Osthoff MU 6, 89ff. dagegen zu aind. á-prāyu- ‘unablässig, achtsam’, das aber zu aind. pra-yu- ‘fernhalten, geistig abwesend, fahrlässig sein’ gehört; s. Mayrhofer s.v. II-588
πραπίδες pl. (selten sg. -ίς) f. ‘Zwerchfell’, meist als Sitz des Verstandes und des Gefühls, ‘Sinn, Geist’ (ep. poet. seit Il.). Keine Kompp. od. Ableitungen. — Bildung auf -ίς (wie παρηΐς, σανίς, ἐλπίς, φροντίς) von einem unbekannten Grundw ort. Semantisch unzutreffend ist die Heranziehung der Wörter für ‘Leib, Gestalt’ in germ., z.B. ahd. (h)rëf, ags. hrif ‘Leib, Unterleib, Bauch’, lat. corpus, aind. kr̥p-ā́ (Instr.) ‘Gestalt, Schönheit’ (seit Havet MSL 6, 18; weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 486f.). Das Komp. ags. mid-hrif ‘Zwerchfell’ beweist selbstverständlich nichts, da die zu πραπίδες stimmende Bed. vom Vorderglied mid- abhängt (vgl. Brugmann IF 28, 363). Auch lautlich ist diese Etymologie wenig befriedigend, da sie anlaut. qʷ voraussetzt. II-588-589
Πραράτιος, auch -τριος m. Monatsname in Epidauros (Inschr.). — Aus προ-αρ-, eig. "der Monat vor dem Pflügen (bzw. dem Pflug)", Hypostase von πρό und *ἄρατος = ἄροτος (bzw. ἄρατρον = ἄροτρον); s. ἀρόω, ’Αράτυος und προηρόσιος; dazu Schwyzer Glotta 12, 1 f. II-589
πράσον n. ‘Lauch, Allium porrum’, auch von einem lauchähnlichen Meergras (Kom., Thphr. usw.). Kompp., z.B. πρασο-ειδής ‘lauchähnlich’, von der Farbe (Hp., Arist.), θαλασσό-πρασον N. eines Meergrases (Ath. Mech.). Davon 1. πράσ-ιος (Pl. u.a.), -ινος (Arist., LXX usw.), -ιανός (M. Ant.), -ώδης (Thphr. u.a.) ‘lauchfarben, blaugrün’ (Capelle RhM 101, 35); 2. -ῖτις f. N. eines Steins, nach der Farbe (Thphr.; Redard 59f.); 3. -ιον n. Pfl.name ‘Andorn, Marrubium usw.’ (Hp., Arist., Thphr. u.a.; Andrews ClassPhil. 56, 76); davon πρασίτης οἶνος? (v.l. bei Dsk. 5, 48; Redard 98); 4. πρασιά, ion. -ιή, meist pl. -ιαί, f. ‘Gartenbeet’, eig. "Lauchbeet" (Od., hell. u. sp.), pl. att. Demos und Stadt in Lakonien (Th.), mit -ιάζομαι, -ιόομαι ‘in Beeten geteilt werden’ (Aq. u.a.); Scheller Oxytonierung 67; 5. πρασίζω ‘lauchfarben sein’ (Dsk. u.a.); 6. Πρασσαῖος m. Scherzname eines Froschs (Batr.; -σσ- hypokoristisch). — Die herkömmliche Gleichsetzung mit lat. porrum (seit Fick und Curtius) ergibt idg. *pr̥som; die auffallende Bewahrung des -σ- erinnert an δασύς (s.d. m. Lit.) neben lat. densus. Für Entlehnung aus gemeinsamer Quelle (Schwyzer 58) können sachliche Gründe angeführt werden; vgl. Schrader-Nehring Reallex. 2, 710ff., dazu Vycichl Sprache 9, 21 f. (kleinas.-sum.[?]). Weitere Lit. m. anderen, abzulehnenden Hypothesen bei WP. 2, 84, Walde LEW2 und W. -Hofmann s. porrum. II-589
πράσσω, att. -ττω, kret. -δδω, ep. ion. πρήσσω, Fut. πράξω, ion. -ήξή, Aor. πρᾱ͂ξαι, -ῆξαι (alles seit Il.), Pass. πραχθῆναι (S., Th. u.a.), Perf. πέπρᾱγα, -ηγα (Pi., Hdt. usw.), -ᾱχα, -ηχα (att., Hdt.), Pass. πέπραγμαι (A. usw.), ‘durchfahren, zurücklegen’ (nur ep.), ‘ans Ziel bringen, vollbringen, tun, eintreiben’, intr. ‘zu Ende kommen, Erfolg haben, sich verhalten’. oft m. Präfix, z.B. δια-, εἰσ-, κατα-, συν-, Ableitungen (gedrängte Übersicht). Nom. actionis : 1. πρᾶξις, πρῆξις (auch m. δια-, κατα- u.a.) f. ‘Durchführung, Vollendung, Förderung, Handlung, Eintreibung’ (seit Il.) mit πραξ-είδιον n. Demin. (EM), -ιμος ‘durchführbar’ (Kypros II-IIIp), ‘eintreibbar’ (Delos I-IIp u.a.), auch πράκτιμος (von dor. *πρᾶκτις od. nach πρακτι-κός?) ‘mit einer Geldstrafe belegt’ (Delphi IIa). Dazu noch, mit Bildung nach den Adj. abstr. (vgl. Schwyzer 468 f.), die Kompp. προ-πραξ-ία f. ‘Vorrecht im Verhandeln’ (akarnan. Inschr. V-IVa), ὑπερ-πράξ-ιον n. ‘übergroße Beitreibung, Erpressung’ (Mylasa Vp); vgl. auch 10. unten. — 2. πρᾶγμα (nachhom.), ion. πρῆχμα (< -κσμ-; Inschr.), πρῆγμα (Hdt.; für πρῆχμα?, s. Schulze Festschr. Kretschmer 217 ff. = Kl. Schr. 409ff.) n. ‘durchgeführte Tat, Tatsache, Geschäft’, pl. ‘Tatsachen, Staatsangelegenheiten usw.’; als Hinterglied in ἀ-, πολυ-πράγμων usw.; davon πραγμά-τιον, -τικός, -τίας, -τᾶς, -τώδης, -τεύομαι mit -τευμα, -τεία, -τειώδης, -τευτής, -τευ-τικός. — 3. πρᾶγος n. poet. Ersatz für das abgenutzte πρᾶγμα (Pi., Trag.; Schwyzer 512). — 4. πρακτύς dor. = πρᾶξις (EM). — Nom. agentis : 5. πρακτήρ, πρηκτήρ, -ῆρος m. ‘Vollstrecker, Geschäftsmann’ (Hom.), ‘Eintreiber’ (hell. u. sp.) mit -τήριος ‘wirksam, entscheidend’ (A.). — 6. πράκτωρ, -ορος m. ‘Vollstrecker, Rächer’ (A., S., Antiph.), ‘Eintreiber, Steuerbeamter’ (att., Pap.) mit -τορ-ικός, -ειος, -εύω mit -εῖον, -εία (-ία?); zur Bed. usw. von πράκτωρ Fraenkel Nom. ag. 1, 220f., 2, 8 f. u. 49 f., Benveniste Noms d’agent 32; Versuch einer semant. Differenzierung von πρακτήρ und πράκτωρ ebd. 47. —7. εἰσ-, ἐκ-πράκτης m. ‘Beitreiber, Steuerbeamter’ (Aq.). — 8. πρηξών = ἀγοραῖος, d.h. ‘Notar’ (Sizil.; Theognost.); wohl von πρῆξις (Schwyzer 517). — 9. Adj. πρακτικός ‘das Handeln betreffend, gewandt, praktisch’ (att. usw.; Chantraine Études 140). — 10. Zusammenbildungen, z.B. εὐ-, κακο-πρᾱγ-ία f. ‘Wohlstand, Erfolg’, bzw. ‘Unfall, Unglück’ (Pi., att.) mit εὐ-, κακο-πρᾱγ-έω (att.); anal. δυσ-, κακο-πρᾱγής (Vett. Val., H., nicht von πρᾶγος); auch εὐ-πραξ-ία, ion. -πρηξ-ίη f. u.a., nach πρᾶξις, πρᾶξαι. — Sämtliche Formen gehen auf einen gemeinsamen Stamm πρᾱκ- (analog. πρᾱγ-; Schwyzer 715) zurück, der eine κ-Erweiterung des schwundstufigen πρᾱ- in πρᾱ-θῆναι, πέ-πρᾱ-μαι, πι-πρά̄-σκομαι usw. (s. πέρνημι) darstellt mit weiterem Anschluß an πέρᾱ, πείρω (s. dd.) u.a.m. Die Funktion des Gutturals (vgl. πλήσσω : πλη-γ-ή, τμή-γ-ω : τέμ-ν-ω, τέμα-χος u.a.) läßt sich als terminativ auffassen (Schwyzer 702 m. A. 5 u. Lit.). Die Ansetzung eines nominalen *πρᾱκ- (Schw. 496) ist überflüssig und wenig glaubhaft. Für den primären Charakter von πράσσω, πρᾶξαι spricht auch die alte Ableitung πρᾶξις, πρῆξις; darüber Schw. 505 (wo A. 6 mit einem "abgeleiteten πρήσσω" gerechnet wird). — Über Bed. und Gebrauch von πράσσω s. Snell Phil. 85, 141 ff., Braun Stud. itfilcl. N. S. 15, 243ff. II-589-591
πρατήνιον (προ-), auch πρητήν, ἐπιπρητήν -ῆνος m. n. Ben. von Ziegen bestimmten Alters (Ar. Byz., H., Phot.). — Dunkel; nach Solmsen Wortforsch. 140 f. kleinasiatisch. Anders Specht Ursprung 15 f.: zu dor. πρᾶτος ‘primus’, wozu angebl. ion. *πρῆτος ( ? ), und dem Pron. ἔνη (s. d.); nicht überzeugend. Unhaltbar über πρα-, προ- Prellwitz Glotta 19, 101. II-591
πρέμνον n. ‘Baumstumpf, Strunk, Stubben’, auch ‘Baumstamm’, übertr. von einer Säule usw. (seit h. Merc.; zur Bed. Strömberg Theophrastea 98 f.). Als Hinterglied u.a. in αὐτό-πρεμνος ‘samt dem Stubben, ganz und gar’ (A., S.). Davon πρέμνια· τὰ πάχος ἔχοντα ξύλα H.; πρεμν-ώδης ‘stumpfähnlich’ (Thphr.), -ίζω ‘den Stumpf entfernen, ausroden’ (Test. ap. D. u.a.; ἐκ- ~ D. u.a.), -ιάσαι· ἐκριζῶσαι H. — Unerklärt. Unsichere oder abzulehnende Hypothesen: zu kelt., z.B. air. crann ‘Baum’ (Stokes bei Brugmann Grundr. I 375 f.; dagegen WP. 1, 524); zu lat. quernus ‘eichen’ (Pisani Ist. Lomb. 77, 561 ff.); mit πρέπω (s.d.) zu idg. per- ‘schlagen’ (Grošelj Živa Ant. 6, 237f.). Noch anders Hofmann Et. Wb. s.v. (mit Specht Ursprung 55). Vgl. noch πρυμνός. II-591
πρέπω (seit Il.), selten Fut. und Aor. πρέψ-ω, -αι (A., Pl.), ‘in die Augen fallen, hervorstechen, sich auszeichnen’, auch, meist impers., πρέπει, ‘es ziemt sich, es ist angemessen’. oft m. Präfix, z.B. δια-, μετα- (vgl. Leumann Hom. Wörter 94f.), ἐν-, ἐπι-, Davon πρεπ-ώδης (att.), -όντως (Pi., att.) ‘angemessen, ziemlich’, -τός (εὔ- ~ ) ‘in die Augen fallend’ (A. u.a.); oft von den Präfixkompp.,z.B. μετα-, δια-, ἐκ-πρεπ-ής, auch εὐ-, ἀρι-πρεπ-ής ‘hervorstechend, ausgezeichnet, geziemend usw.’ (seit Il.) mit εὐπρέπ-εια (att.), -έω, -ίζω (Aq.) u.a. Hierher noch πρέπων, -οντος m. N. eines Fisches (Opp., Ael.) eig. "der sich (zum Essen) eignet"? (Strömberg Fischn. 33). — Zu θεοπρόπος s. bes. — Mit arm. erewim ‘sichtbar werden, erscheinen’ uridentisch : idg. *prep-. Eine alte selbständige Bildung ist arm. eres, gew. pl. eres-k‘ Gen. -ac ‘Gesicht, Antlitz’ : idg. *prep-s-ā. Auch das Keltische scheint einen Ableger dieses Verbs bewahrt zu haben in air. richt ‘Form, Gestalt’, kymr. rhith ‘species’ : idg. *pr̥p-tu-. Ganz unsicher ist die Heranziehung von ahd. furben ‘reinigen, säubern’. — Die weitere Zerlegung in *pr-ep- mit Anschluß an idg. per- in πείρω ‘durchbohren’ (wie frz. percer; Pott, Buttmann Lexil. 1, 20) oder sogar an idg. perin lit. periù ‘schlagen’ (wie frz. frapper, frappant; Grošelj Živa Ant. 6, 237 f. mit Einbeziehung von πρέμνον) bleibt offen (vgl. immerhin δρέπω : δέρω). Abzulehnen Specht KZ 68, 124: πρέ-πω eig. *‘ich bin der erste’ zu πρό-μος mit Wechsel π ~ μ. Der Vergleich mit lat. crepundia eig. *’geziemender Schmuck’ ? (Leumann Gnomon 9, 242 als unsichere Vermutung) ist mit arm. erewim unvereinbar. II-591-592
πρέσβυς, Gen. (selten) -εως, -εος, Akk. -υν, Vok. -υ m. ‘der Alte, Greis’ (poet. seit Pi., Trag.), ‘Vorsteher’ (Sparta); pl. πρέσβεις meist ‘Gesandte, Botschafter’ (att., dor. Inschr.); daneben πρεσβ-ῆες (Hes. Sc. 245), -εῦσιν (Lyk.), du. -ῆ (att.) u.a.; vgl. unten zu πρεσβεύω; als Vorderglied u.a. in πρεσβ-γενής ‘erstgeboren’ (A 249 u.a.). Ableitungen. 1. Steigerungsformen: πρεσβύ-τερος (mit -τέριον ‘das Kollegium der Ältesten’ [N.T.]), -τατος ‘älter, ehrwürdiger, der älteste, ehrwürdigste’ (seit Il.); auch πρέσβιστος ‘ehrwürdigst’ (h. Hom., A., S. u.a.) nach κράτιστος, κύδιστος, mit der Kreuzung πρεσβίστ-ατος (Nik.). 2. Feminina: πρέσβα (θεά) ‘die Ehrwürdige’, von Hera u.a. (ep. seit Il.), nach πότνα (θεά); πρέσβεα (μήτηρ; poet. Inschr. aus Karien II-Ia), metr. bedingt; πρέσβειρα (θεῶν u.a.; h. Ven. usw.), nach πίειρα, -άνειρα u.a.; πρεσβηΐς (τιμή h.Hom.), nach βασιληΐς u.a., vgl. πρεσβῆες oben. 3. πρεσβ-ήϊον n. ‘Ehrengeschenk’ (Θ 289), -εῖον ‘Vorrang des Alters, Privileg’ (att., hell. u. sp.). 4. -εία f. ‘das Recht, der Vorrang des Alters’ (A., Pl.), gew. ‘Gesandtschaft’ (att.; zu πρεσβεύω). 5. πρεσβύ̄της m. ‘der Alte, Greis’, Erweiterung von πρέσβυς nach πολίτης u.a. (nicht mit Fraenkel Glotta 34, 301 ff. Neubildung zu πρεσβῦτις; ion. att.) mit f. -ῦτις, Adj. -υτικός ‘greisenhaft’ (att. usw.). 6. πρεσβῠ́της, -ητος f., dor. -τας. -τατος ‘(höheres) Alter’ (Inschr. Messene Ia [ergänzt] u.a.; nach νεότης). 7. πρέσβις f. ‘Alter, Rang’, nur in κατὰ πρέσβιν (h. Merc., Pl. u.a.); nach κατὰ τάξιν u.a. 8. πρέσβος n. ‘(Gegenstand der) Verehrung’, nach κῦδος, κράτος u.a. 9. πρεσβ-εύω ‘der älteste sein, den Vorrang haben, Gesandter sein’, trans. ‘als πρέσβυς behandeln, ehren’, Med. ‘Gesandte schicken’, auch m. παρα-, συν-, ἀπο- u.a., mit -ευτής m. ‘Gesandter, Botschafter’ (att.; als Singulativ zu πρέσβεις). -ευτικός, -εύτειρα, -ευτεύω, -ευμα, -ευσις; z.T. auch πρεσβεία (s. ob. 4) und, als Rückbildung, πρεσβεῦσιν Dat. pl. (Lyk.; s. ob.; vgl. Bosshardt 63). — 10. Kurznamen wie Πρέσβων (zu πρέσβειρα nach πέπειρα : πέπων? Fraenkel KZ 43, 216 A.2). Πρέσβος u.a., s. Bechtel Hist. Personennamen 385. — Zu den verschiedenen Schreibungen und Bildungen s. Lejeune Mém. de phil. myc. 239ff. — An der Seite der obigen Formen stehen im Dorischen, namentlich in Kreta, und im Nordwestgr. mehrere Nebenformen mit γ für β und schwankender Anfangssilbe: πρεῖγυς, πρείγιστος mit Komp. πρείγων, πρειγ-εύω mit -ευτάς, -ήϊα, -εία; auch πρείγα f. ‘Ältestenrat’ (Lokris); πρεσγευτάς, πρεγγ-; später πρήγιστος mit (Kos) -ιστεύω; πρεσγέα = πρεσβεία (Argos), πρισγε(ι)ες (Böot.); auch σπέργυς· πρέσβυς und πέργουν· πρέσβεις H. Gemeinsame Grundlage wohl immerhin πρεσγ- (mit stimmhaftem σ; vgl. πρεζβευτάς Delphi); daraus durch rein lautliche, im einzelnen strittige Vorgänge die übrigen Formen, s. Schwyzer 276, Seiler Steigerungsformen 59, Thumb-Kieckers 158, Kapsomenos Glotta 40, 46ff., Masson Glotta 41, 65ff., Lejeune a. O. (mit Ablehnung mykenischer Interpretationen). — Nicht sicher erklärt. Aus dem Wechsel β : γ ergibt sich ein urspr. idg. Labiovelar gʷ; die vorangehende Silbe, vermutlich als Vorderglied eines Kompositums aufzufassen, enthält nach allgemeiner Annahme ein erstarrtes Adverb πρές ‘voran’ (s. πρός). Die Endsilbe bzw. das Hinterglied ist umstritten. Von Bezzenberger BB 4, 345, Bloomfield AmJPh 29, 79 ff. mit aind. puro-gavá- ‘Führer’ verglichen, dessen Hinterglied sowohl auf gaúḥ = βοῦς (somit eig. *"Leitstier"), wie, u.zw. mit besserem Recht, auf ein Wort für ‘gehen’ (in βαίνω, βῆναι bzw. aind. jávate ‘eilen’) bezogen worden ist (also eig. *"der Vorangehende"; s. zu πάρος). So u.a. Fraenkel Glotta 32, 17 u. 34, 301 ff., der auch lit. žmogùs ‘Mensch’ auf dieselbe Weise erklären will (eig. "auf der Erde gehend"; s. auch Wb. s.v. m. Lit.); zum aind. Wort besonders Mayrhofer s. puráḥ. — Sehr verlockend ist die Zusammensetzung mit arm. erēc̣, Gen. eric̣u ‘Ältester, Priester’ (Meillet bei Lejeune op. cit. 240 A. 9), dessen ē indessen einen Diphthong ei od. oi voraussetzt (idg. *preisgʷu-?) und gewöhnlich mit lat. prīscus verbunden wird. II-592-593
πρευμενής ‘sanftmütig, gnädig, angenehm, willkommen’ mit πρευμένεια f. ‘Sanftmut’ (A., E.). — Wohl aus *πρηϋ-μενής mit Diphthongierung und Kürzung des Langdiphthongs; somit Ionismus in der Tragikersprache. Anders Chantraine Maia N. S. 1, 17 ff. (mit Kritik der herkömmlichen Auffassung): aus *προ-ευμενής; formal nicht ohne Bedenken. II-593
πρηγορεών, -ῶνος m. ‘Kropf der Vögel’ (Ar., H., Poll.). — Eig. "Ort (Körperteil) des Vorversammelns (des Fraßes)", "ἔνθα προαθροίζεται ἡ τροφή" (Poll.); Bildung auf -εών wie ἀνθερεών, κενεών und andere Standort- und Körperteilbenennungen (Chantraine Form. 164 f., Schwyzer 488) von *προ-άγορος (zum Komp.vokal Schwyzer 398 u. 402) oder direkt von προ-αγείρειν. II-593
πρηδών, πρήθω (ἐν-έπρηθον), πρηστήρ u.a. s. πίμπρημι. II-594
πρημαδίη f. N. einer Olivenart (Nik. Al. 87). — Bildung auf -άδιος wie von *πρημάς (ἐρινάς, κοτινάς, ἰσχάς u.a.). Für weitere Anknüpfung an *πρῆμα, πρημαίνω, πίμπρημι fehlt jeder Anhalt. Vgl. auch πρημάς. II-594
πρημάς, πρημνάς auch πριμάδες, -άδιαι (Arist.), πρῆμναι (H.) pl. f. (Pl. Kom., Nikoch., Opp.), N. eines (jungen) Thunfisches. — Unerklärt. Über die vielen Namen des Thuns handelt Strömberg Fischn. 126ff.; s. auch Thompson Fishes s.v. Vgl. zum Vorherg. II-594
πρηνής (ep. ion. poet. seit Il., Arist. usw.), πρᾱνής (X. u.a.), ‘vorwärts geneigt, kopfüber, abschüssig, steil’. auch κατα-, προ-, ἐπι- ~ (dazu Leumann Hom. Wörter 77ff.), Davon πρην-ίζω, Aor. -ίξαι, auch m. ἀπο-, κατα-, ‘kopfüber werfen, niederwerfen, zerstören’ (hell. u. sp. Dicht.); ganz selten -όω, auch m. κατα-, ‘ds.’ (AP, H.); dazu (als Rückbildung?) πρανόν· τὸ κατωφερές, πρανές H. — Von ἀπ-, προσ-ηνής nicht zu trennen; es kann somit ein Subst. *ἦνος, *ἆνος n. ‘Antlitz’ enthalten (vgl. lat. prae-ceps); s. ἀπηνής m. Lit. Anders Bechtel Lex. mit Pott: zu lat. prōnus (dagegen W.-Hofmann s.v.). Ältere Lit. bei Bq. — Die ion. Form πρηνής hat sich wegen ἀπ-, προσ-, auch σαφ-ηνής in der späteren Sprache durchgesetzt (Schwyzer 189). II-594
πρητήν s. πρατήνιον. II-594
Πρίαμος lesb. Περ(ρ)αμος (Sapph., Alk.). m. König von Troia (Il. usw.), — Fremdwort. Zum Suffix -αμο-, das sowohl in Erbwörtern (κάλαμος) wie in Fremdwörtern (βάλσαμον, Πέργαμον, Τεύταμος) zuhause ist, Chantraine Form. 133f., Schwyzer 493 f. Aus dem Lydischen (mit idg. Etymologie) nach Carnoy Les ét. class. 22, 350. — Vgl. Πάρις und ‘Εκάβη. II-594
Πρίᾱπος, ion. Πρίηπος m. phallischer Gott, der die Gärten schützte (Mosch., D. S. usw.; böot. Priaposherme aus d. Ende Va, s. Nilsson Gr. Rel. 1, 594 A. 4). Davon Πριαπ- (Πριηπ-)ίσ-κος mit -ισκωτός, -ίδιον, -ειος, -ήϊον, -ώδης, -ίζω mit -ισμός, -ισταί (hell. u. sp.). — Wie der Gott aus dem nordwestlichen Kleinasien stammt (vgl. Πρίαπος Stadt an der Propontis), ist auch der Name gewiß kleinasiatisch; Lit. bei Herter P.-W. 22, 1915. Eine abzulehnende idg. Etymologie (von Osthoff Arch. f. Religionswiss. 7, 412ff.) wird bei Bq referiert. II-594
πρίασθαι, Ptz. πριάμενος, finite Formen ἐπριάμην, πρίωμαι, πριαίμην, Ipv. πρίασο (-ίω, -ίᾱ), ‘kaufen’ (seit Od.). vereinzelt m. Präfix, z.B. ἐκ-, συν- Dazu das neg. Vbaladj. ἀ-πρία-τος in ἀπριάτην Akk. sg. f. ‘nicht erkauft, ohne Lösegeld’ (A 99, h. Cer.132), als Adv. ‘unentgeltlich’ (ξ317, Agath.4,22), pl. ἀπριάτας (Pi. Fr. 169, 8); PN ’Απριάτη; vgl. Leumann Hom. Wörter 167 f. — Altererbter, im Griech. isolierter Aorist. Den gr. Formen am nächsten kommt der air. Konj. ni-cria ‘emat’ (idg. *qʷrii̯āt); dagegen fehlt auffallenderweise im Griech. das sowohl aus dem Aind. und dem Kelt. wie aus dem Slav. wohlbekannte Nasalpräsens, aind. krīṇā́ti (für älteres kriṇā́ti), air. crenim, aruss. krьnuti ‘kaufen’. Ein entsprechendes griech. *πρίνημι war wegen des anklingenden Oppositums πέρνημι, äol. πορνάμεν ‘verkaufen’ unbequem geworden (Meillet BSL 26, 14). Das Vbaladj. ἀ-πρία-τος läßt sich mit aind. krītá- ‘gekauft’ gleichsetzen (ια = aind. ī aus idg. ii̯ə; Schwyzer 363 m. Lit. und 743, wo auch zu den übrigen Formen). — Zu den sonstigen zahlreichen, in verschiedenen Sprachen erscheinenden Ableitungen, z.B. aind. krayá- m. ‘Kauf(preis)’, air. crīth ‘Bezahlung, Kauf’, alit. krienas ‘Kaufpreis’, toch. B karyor, A kuryar ‘Kauf, Handel’, bietet das Griech. überhaupt kein Gegenstück. — Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 1, 523 f., Pok. 648 ebenso wie in den einschlägigen Spezialwörterbüchern. II-594-595
πρίν (seit Il.), Hom. auch πρί̄ν, gort. πρειν (1mal neben mehrfachem πριν), lokr. φριν Adv. u. Konj., vereinzelt auch Präp. m. Gen. ‘vorher, bevor, vor’. — Ausgang wie in νῦν, νῠ́ν, πάλιν u.a. Offenbar zur Sippe von πρό (s.d.) mit ι wie in lat. prior, prīscus usw. (vgl. unten); weitere Analyse ganz unsicher. Nach Brugmann Grundr. 2 II : 1, 555 für *πρῖς aus *pri-is zu lat. prīs-cus, prīmus (aus *pris-mo-s) usw.; ebenso πρειν für *πρεις. Anders Pisani Stud. itfilcl. N.S. 12, 293f.: aus *πρεσίν. —Vgl. noch Schwyzer 631 m. Lit.; zum Gebrauch usw. Schw.- Debr. 654ff. II-595
πρῖνος πρίνη f. ‘ds.’ (Eup.). f. (m.) ‘Steineiche, Kermeseiche, Quercus ilex, coccifera’ (seit Hes.), Davon πριν-ίδιον n. Demin. (Ar., Ael.), -εύς m. ‘Steineichenhain’ (Erythrae IVa), -ινος ‘aus π. gemacht, hart, fest’ (seit Hes.), -ώδης ’π.-artig, hart’ (Ar.); Πρινόεσσα f. Inselname (Epeiros). — Unerklärt. Für kleinasiat. Herkunft spricht der karische ON Πρινασσός (Carnoy Beitr. z. Namenforsch. 10, 222). Abzulehnende "pelasgische" Etymologie bei Carnoy REGr. 69, 284. Nach Machek Ling. Posn. 2, 155 zu slav. brinъ ‘Lärchenbaum’ als Entlehnung aus gemeinsamer Quelle. Frühere, ebenfalls unbefriedigende Ver- suche bei Bq; vgl. noch WP. 1, 524 und W.-Hofmann s. cerrus und cornus (m. Lit.). II-595
πρί̄ω, selten u. sp. -ίζω, Aor. πρῖσαι, Pass. πρισθῆναι, Perf. Med. πέπρισμαι (alles ion. att.), Akt. πέπρικα (D. S.), ‘sägen’, mediz. ‘trepanieren’, ὀδόντας πρίειν ‘mit den Zähnen knirschen’, (ὀδὰξ) πρίειν ‘(mit d. Zähnen) beißen, packen’, Pass. übertr. ‘einen beißenden Schmerz empfinden’. auch m. δια-, ἐν-, ἀπο- u.a., Davon 1. πρίων, -ονος m. ‘Säge’ (ion. att.) mit πριόν-ιον n. (Ph. Bel.), -ῖτις f. Pflanzenname (Aret. u.a.; Redard 76), -ωτός (Ar., Arist. u.a.), -ώδης (Thphr. u.a.) ‘sägeförmig, zackig’. 2. πρῖσμα (παρά-, ἔκ- ~ ) n. ‘das Gesägte, Sägespäne’ (Hp., Thphr. usw.), ‘dreiseitige Säule, Prisma’ (Euk.) mit -μάτιον (Prokl.); πρισμοῖς· ταῖς βιαίοις κατοχαῖς H. 3. πρῖσις (ἀνά-, ἔκ-, ἀπό- ~ ) f. ‘das Sägen usw.’ (Hp., Arist.). 4. πρίστης m. ‘Säger, Säge’ (att. u. hell. Inschr. u. Pap., Poll.) mit f. πρῖστις ‘Sägefisch’ (Epich., Arist. u.a.; Strömberg Fischn. 44), auch Gerätename (att. u. epid. Inschr.) usw. 5. πριστήρ m. ‘Säge, Säger’ (LXX u.a.). 6. πριστός ‘gesägt’ (Od. u.a.; Ammans Μνήμ. χάρ. 16); εὔ-, δύσ-πριστος (Thphr.) u.a. 7. πριστικός ‘zum Sägen gehörig’ (Hero u.a.). — Daneben einige mit ω erweiterte Formen: πε-πριω-μένος, ἀ-, δια-πρίω-τος (Hp.), (δια-)πρίω-σις f. (delph., epid.), πριώμασι· πρίσμασι H., wozu Fut. πριωσεῖ und Konj. Präs. πριῷ (Tab. Heracl.), von *πριώω ? (Schwyzer 729 u. 738 A. 6 m.Lit.). — Wie das gewissermaßen sinnverwandte χρί̄ω ‘(ein)reiben’ fügt sich πρί̄ω in ein regelmäßig ausgebautes System ein. Wie lat. trī-vī, trī-tum, τρί̄-βω ‘(zer)reiben’ neben terō, τείρω ‘(auf)-reiben’ und scī-vī, scī-tum ‘entscheiden’ neben seeō ‘schneiden’ stehen, gesellt sich πρί̄ω zu πείρω ‘durchbohren, -stechen’ (vgl. Persson Beitr. 2, 738). Auf weitere Analyse muß verzichtet werden; der Vergleich mit alb. prish ‘verderben, zerbrechen, zerstören’ (G. Meyer Alb. Wb. 353) bleibt höchst ungewiß. Starker Zweifel an der hier referierten Auffassung bei WP. 2, 89, wo für πρίω eher schallnachahmender Ursprung angenommen wird. — Die ω-Formen sind wahrscheinlich durch Kreuzung entstanden: nach τετρωμένος, ἄτρωτος, τρώω, τρῶμα? II-596
πρό myk. po-ro-. Adv., Präfix und Präp. (m. Gen.) ‘voran, vorwärts, vorher, vor’ (seit Il.); — Ausgang wie in ἀπό, ὑπό. Altererbt und in den meisten idg. Sprachen, vorwiegend als Präfix, erhalten: aind. prá, aw. apers. fra-, lat. prŏ-, kelt., z.B. air. ro-, germ., z.B. got. fra- ‘ver-’, balt., z.B. lit. pra-, slav., z.B. aksl. pro-, russ. pro, idg. *pro. Daneben mit Vokaldehnung *prō in πρωΐ (s.d.) usw., mit unbek. Quantität heth. pa-ra-a ‘vorwärts, hervor’. — Zu πρόκα, πρόμος, πρότερος s. bes. Hierher noch πρίν, πρός, auch πρυ- in πρύτανις u.a.? Entfernter verwandt sind πάρα, πάρος, πέρᾱ(ν), πέρι usw.; s. die betreffenden Wörter. Ausführlich über πρό Schwyzer-Debrunner 505ff. m. Lit. II-596-597
προαλής von einem Gelände (χῶρος), worüber das Wasser rasch herabströmt, etwa ‘abschüssig, jäh’ (Φ 262), vom Wasser (ὕδωρ) selbst, etwa ‘hervorbrechend, herabströmend’ (A. R. 3, 73); übertr. ‘voreilig, unbesonnen’ (LXX, Str., A. D. u.a.); προαλεστάτην· προπετεστάτην, προχειροτάτην H. — Von προ-άλλομαι; Bildung wie προ-πετής. II-597
πρόαρον n. ‘großer Mischkrug aus Holz’ (Pamphil. ap. Ath. 11, 495 a). — Gemeiniglich als Zusammenbildung von πρό und ἀρύειν erklärt; somit eig. "Vorschöpfer, Vorschöpfe"? Als Benennung eines Kruges, aus dem der Wein in die Trinkbecher geschöpft wurde, nicht besonders einleuchtend. II-597
πρόβατα n. pl. ‘Weidevieh, Viehherde, Vieh’ (seit Il.), ‘Kleinvieh’, sg. -ον meist ‘Schaf’ (att., gort. usw.); auch N. eines unbek. Fisches (Opp., Ael.; wegen der Ähnlichkeit des Kopfes, vgl. Strömberg Fischn. 102). Kompp., z.B. προβατο-γνώμων m. ‘Kenner der Herde’ (A.), πολυ-πρόβατος ‘vieh-, schafreich’ (Hdt., X.). Mehrere Ableitungen. 1. Demin. προβάτ-ιον n. (att. usw.). 2. Adj. προβάτ-ειος (Arist. usw.), -ικός (LXX, N.T. u.a.) ‘zum Schaf (Kleinvieh) gehörig’, -ώδης ‘schaf-ähnlich’ (sp.). 3. -ών (-εών Hdn.), -ῶνος m. ‘Schafhürde’ (hell. Inschr. u. Pap.). 4. -ήματα· πρόβατα H. (nach κτήματα, βοσκή-ματα usw.; Chantraine Form. 178). 5. -εύς m. ‘Schafhirt’ (Titel einer Kom. des Antiph.). 6. -εύω ‘Vieh, Schafe halten, auf die Weide treiben’ (D. H., App. usw.) mit -ευτικός, -εύσιμος, -ευτής, -εία. 7. Pfi.namen: -ειον, -ειος, -αία (Ps.-Dsk.) "Schafkraut" (vgl. Strömberg Pfl. 137). — Zu πρόβειος, rhythmische Kürzung für προβάτειος (An. Ox. u.a.) Palmer Class Quart. 33,31ff. — Im selben Sinne wie πρόβατα steht einmal in kollektiver Bed. das Verbalabstraktum πρόβασις (β 75 κειμήλιά τε πρό-βασίν τε), das hier das bewegliche Vieh im Gegensatz zu dem leblosen ("liegenden") Besitz bezeichnet. Die Herkunft aus προβαίνειν (schon EM) wird dadurch bestätigt. Ebenso aisl. ganganda fé "gehendes Vieh" = ‘lebende Habe’ neben liggjanda fé ’κειμήλια’, heth. ii̯ant- ‘Schaf’ eig. "das Gehende", Ptz. von ii̯a- ‘gehen’, toch. A śemäl ‘Kleinvieh’, eig. Vbaladj. von käm-, śäm- ‘kommen’ (= βαίνειν). Dem Griech. eigen ist immerhin das Präfix προ-; πρόβατα also eig. "die Vorwärtsgehenden", ein Begriff, der zunächst eine andere Art von Bewegung als Gegensatz zu erfordern scheint, aber in aw. fra-čar- und aind. pra-car- ‘sich vorwärts bewegen’ (gegenüber ‘still bleiben’) ein Gegenstück hat; s. Benveniste BSL 45, 91 ff. mit ausführlicher Behandlung und Kritik abweichender Ansichten (Lommel KZ 46, 46ff.; s. auch Kretschmer Glotta 8, 269 f.). — Der Plural πρόβατα wird gewöhnlich, namentlich wegen des Dat. pl. πρόβασι (Hdn.) für das übliche προβατοις (seit Hes.), als urspr. Konsonantenstamm πρόβατ-α betrachtet, wozu sekundär πρόβατον (Bq s.v., Schwyzer 499 mit Risch 178, Benveniste a. O., Egli Heteroklisie 41 ff.); dagegen mit guten Gründen Georgacas Glotta 36, 178 ff., der u.a. auf andere infinite aktive το-Partizipia, z.B. στατός ‘stehend’ (s. ἵστημι) mit Recht hinweist. — Im sekundären Sinn von ‘Schaf’ hat das regelmäßige πρόβατον das frühere ὄις zurückgedrängt und allmählich ersetzt. II-597-598
προβοσκίς, -ίδος f. ‘Elefantenrüssel’ (Arist., hell.), auch übertr. vom Saugrüssel eines Insekts und von den zwei Tentakelarmen des zehnarmigen Tintenfisches (Arist.). — Bildung wie ἀγκαλίς, ἐπιγουνίς, κοπίς und andere Körperteil- und Gerätenamen, eher direkt von βόσκω als vom seltenen βοσκός (vgl. Chantraine Form. 338). Das Präfix hat lokalen Sinn wie in πρό-δομος ‘Vorraum’ u.a.; also wörtlich "vorn weidend". Dagegen προβοσκός (-ος) m. ‘Unterhirt’ (Hdt. 1, 113) wie πρόδουλος. — Lat. LW proboscis, promuscis. II-598
προηρόσιος in Προηροσία (sc. ἑορτή, θυσία) f., -ια (ἱερά) n. pl. N. eines Festes vor dem Pflügen (att.). Davon προηρόσιοι θεοί, -ία Δημήτηρ (Plu.). — Adjekt. Hypostase aus πρὸ ἀρότου mit kompositioneller Dehnung; vgl. Πραράτιος m. Lit. —Daneben (mit Dissim. und Krasis, bzw. Elision) πληροσία f. (att. Inschr.); Schwyzer 258 und 402, Lejeune Traité de phon. 295 A. 2. II-598
προΐκτης s. προίξ. II-598
προίξ, προικός f. ‘Gabe, Geschenk’ (ν 15, ρ 413 [Gen.]; vgl. unten), ‘Mitgift’ (att. [Sommer Nominalkomp. 94], auch sp. Pap. als archaisierender Ausdruck der Rechtssprache [Chantraine Mél. Maspero 2, 222 f.]); Akk. προῖκα als Adv. ‘unentgeltlich, umsonst’ (att.; ebenso wohl der Gen. προικός ν 15); ἄ-προικος ‘ohne Mitgift’ (att.; Sommer a. O.). Davon das Demin. προικ-ίδιον n. (Plu.); die Adj. -ίδιος ‘eine Mitgift bil- dend’ (Ph.), -ιμαῖος ‘ds.’ (Pap. VIp), ‘unentgeltlich’ (D. C.), -ιος ‘unentgeltlich’ (AP); das Verb -ίζω ‘mit Mitgift aus- statten’ (D. S., Ph. u.a.). — Daneben προ-ΐκτης m. ‘Bettler’ (ρ 352 u. 449), -ΐσσομαι ‘um eine Gabe bitten, betteln’ (Archil. 130). Hierher noch das Fut. κατα-προΐξομαι in οὐ καταπροΐξεται ‘er wird nicht umsonst davon kommen, nicht ungestraft bleiben’ usw. (ion., att. Kom.). — Altertümliche und früh absterbende Wörter, in der späten Lit. z.T. wiederbelebt. — Bildung wie ἄμ-πυξ, ἄν-τυξ, πρόσ-φυξ u.a., somit eig. πρό-ϊξ (πρόϊκα mit Diärese ion. nach EM 495, 33), von einem präfigierten Verb, das auch dem Nomen προΐκ-της zugrunde liegt; das Jotpräsens προ-ΐσσομαι kann entweder primär oder ein Denominativum von προίξ sein. —Eig. *"Hervorstreckung (der Hand), Darbringung", zu lit. síekiu, síekti u. a. ‘die Hand ausstrecken, (mit der Hand) langen, (er)reichen’; προΐκ-της eig. ‘der die Hand ausstreckt’; vgl. προτείνω χεῖρα καὶ προΐσσομαι (Archil. 130). — Weiteres s. ἵκω; abweichend Jacobsohn Gnomon 2, 385 (προίξ eig. *"das Erwünschte, Erflehte"; vgl. zu ἴκμενος). II-598-599
πρόκα (Hp., A. R.), -τε (Hdt., Kall.) Adv. ‘sofort, plötzlich’. — Bildung wie die ebenfalls temporalen αὐτί-κα, τηνί-κα, τό-κα; offenbar von πρό ‘vor(an), vorwärts’. Das Suffix kann indessen altererbt sein mit Gegenstück in aksl. prokъ ‘übrig’, lat. reci-procus ‘auf demselben Weg zurückkehrend’ (eig. *‘rückwärts und vorwärts gerichtet’), proc-erēs ‘die Hervorragendsten’, procul ‘in die (der) Ferne’. Das auslaut. -α ist mehrdeutig : wie ἅμα, τάχα usw. oder Akk. pl. ? Lit. bei Schwyzer 496 : 16,2 und bei W.-Hofmann s.vv., Vasmer s. prók, auch bei WP. 2, 37 (Pok. 815). — Das angehängte -τε wie in ἐπεί-τε, αὖ-τε u.a. II-599
προμηθής ‘vorbedacht, vorsichtig’ (ion. att.). Davon 1. προμήθ-εια (att.), auch -ία (Trag.), ion. -ίη, dor. -μά̄θεια f. ‘Vorsicht, Fürsorge’; 2. Προμηθ-εύς, dor. -μᾱθ-, m. "der Vorbedachte", ‘Prometheus’ (seit Hes., Pi.), sekundär appellativisch (A.); dazu als Oppositum ’Επιμηθεύς (vgl. Bosshardt 95 f.); mit -ειος ‘dem P. gehörig’ (Nik., AP), τὰ Π-εια ‘P.-fest’ (att.), -ικῶς ‘in einer dem P. angemessenen Weise’ (Ar.; mit gleichzeitiger Anknüpfung an προμηθής); 3. προμηθ-έομαι ‘vorbedacht, vorsichtig sein’ (ion. att.), auch -εύομαι ‘ds.’ (Alex. Aphr.) mit -ευτικός = προμηθής (Eust.); zu προμήθεσαι (Ipv. Aor.?, Archil.?) s. P. Maas KZ 60, 286. — Aus πρό und *μῆθος, *μᾶθος, das sich semantisch glatt an μαθεῖν anschließen läßt. Will man letzteres von μενθήρη, got. mundon sis usw. nicht trennen, bleibt somit nichts anderes übrig als in προμηθής eine Entgleisung zu sehen, etwa nach μήδομαι oder μῆτις; vgl. WP. 2, 271. — Anders Bq und Hofmann Et. Wb. s.v. II-599
προμνηστῖνοι (φ 230), -αι (λ 233) ‘einzeln hintereinander, einer nach dem andern’. — Bildung wie ἀγχιστ-ῖνος (s. ἄγχιστα), ἔνδῑνα (: ἔνδον); s. Meid IF 62, 274 A. 13. Von einem Nomen, etwa *πρόμνηστις ‘Brautwerbung’ ( : προ-μνάομαι ‘für einen werben’), somit eig. ‘zur Brautwerbung gehörig, darauf bezüglich’, nach dem alten Brauch, bei der Werbung dem Freiwerber mehrere Frauen einzeln hintereinander vor der μνηστή vorzuführen. Hoffmann RhM 56, 474f. — Abzulehnen Forssman KZ 79, 2 6 ff. (vgl. zu πρυμνός). II-599-600
πρόμος m. ‘Vorkämpfer’ (Hom.), ‘Führer’ (Trag.). — Gewöhnlich (seit Corssen KZ 3, 246, Curtius u.a.) mit umbr. promom ‘primum’, got. awno. fram ‘vorwärts’ als alte Superlativbildung von idg. *pro in πρό usw. identifiziert. Daneben mit Schwundstufe das einmalige πράμος (s.d.) wie got. fruma ‘erster, früherer’. — Wegen der bei Hom. alleinherrschenden Bed. ‘Vorkämpfer’ verdient die Hypothese Beachtung, dass πρόμος einfach aus πρόμαχος gekürzt sei (Hentze bei Fick Curt. Stud. 9, 196, Schulze KZ 32, 195 = Kl. Sehr. 310, Bechtel Lex. s.v., Risch ̨ 85) und die in der Trag. belegte Bed. ‘Führer’ durch Mißverständnis des ep. Wortes entstanden. — Das metrisch unbequeme ἅπ. λεγ. πρόμνοι A. Supp. 904 (ἀγοὶ ~; lyr.) beruht wohl auf Schreibfehler; anders Forssman KZ 79, 11 ff. (s. πρυμνός). II-600
προνωπής ‘vorwärts gebeugt, geneigt, niedergeschlagen, schwach’ (A., E.; zur Bed. Muller Mnem. 55, 101 ff.). Daneben προνώπιος ‘außerhalb, vor dem Hause befindlich’, τὰ ~ -ια, -τὸ ~ -ιον ‘Vorhalle, Fassade eines Hauses’ (E.), ἥρωες ~ -ιοι ‘Lares compitales’ (D.H.); νωπέομαι (s.d.) mit νενώπηται. — Zu νωπέομαι vgl. πωλέομαι, ὠθέω; somit wohl deverbativ. Davon vielleicht, mit verbalem Hinterglied, προνωπής, προνώπιος. Aber προνώπια erinnert auffallend an das synonyme ἐνώπια; also mit Eust., Bechtel Lex. s. νάπη und Ehrlich Betonung 126f. aus *προ-ενώπια oder nur semantische Angleichung? Für προνωπής und νωπέομαι, die sich mit ἐνώπιος nicht verbinden lassen, ist Anschluß an νάπη ‘Talgrund’ (Bq, Bechtel a.O.) allenfalls möglich (Ablaut wie κώπη : κάπτω), führt aber nicht weiter. II-600
πρόξ, προκός f. ‘reh- oder hirschartiges Tier’ (ρ 295, Archil., Arist. u.a.); auch προκάς, -άδος (wie δορκάς, κεμάς) f. (h. Ven. 71). — Tiername desselben alten Typus wie γλαῦξ, γύψ, αἴξ u.a.; s. περκνός. II-600
προοίμιον s. οἴμη. II-600
προπηλακίζω s. πηλός. II-600
πρός (ep. ion., att., äol.), ep. auch πρότι, προτί, mit Metathese πορτί (kret.), mit ε -Vokal περτ’ (pamph.), πρές (äol. nach Gramm.; s. auch πρέσ-βυς) Adv. u. Präp. m. Gen. (Abl.), Dat. (Lok.), Akk. ‘überdies, dazu; von — her, bei, an, zu — hin, gegenüber, angesichts’. — Mit πρότι (und *πρέτι) ist aind. práti ‘zu — hin, gegen’ identisch; dazu noch u.a. lat. preti-um ‘Preis, Wert’, eig. ‘gegenüberstehendes Äquivalent’, aksl. protivъ ‘(ent)gegen’ : idg. *próti, préti. Daraus kann, zunächst in antevokalischer Stellung (πρότι̯), durch Assibilierung das geläufige πρός (und πρές) entstanden sein; auslaut. -(ο)ς findet sich indessen auch in πάρος und πός. Ein altes pres will Pisani Sprache 7, 103 in messap. prespolis (Bed. unbekannt; nach P. ‘Hauptherr, Hauptpriester’) erkennen. Neben προτί, πρός stehen ποτί, πός; s. dd. Weitere Beziehung zu πρό möglich; vgl. zu πρόσω. — Schwyzer 400 f., Schw.-Debrunner 508 ff. mit ausführlicher Behandlung und reicher Lit.; W.-Hofmann s. pretium, ebenfalls m. Lit., WP. 2, 38, Pok. 815f. II-600-601
προσάντης ‘steil emporsteigend, abschüssig, schroff, rauh, widrig, feindlich’ (Pi., ion. att.). — Adjektivische Hypostase des Adverbs πρόσ-αντα (Dikaearch.) ‘aufwärts, bergauf’; wie ἔν-αντα von einem Nomen ‘Vorderseite, Front’, das auch in den erstarrten ἄντ-α, ἀντ-ί, ἄντ-ην (s. dd.) erhalten ist. Ebenso ἄν-αντα ‘bergauf’ mit ἀνάντης ‘emporsteigend’, κάτ-αντα ‘abwarts, bergab’ mit κατάντης ‘abwärts gehend’. II-601
πρόσθε(ν) (ion. att. seit Il.), πρόσθα (dor. äol.), daraus πρόθθα (kret.), πρόστα (delph.) Adv. u. Präp. m. Gen. ‘vorn, voran, vorher, vormals; vor’. Auch mit anderen Adv. (Präp.) kombiniert, z.B. ἔμ-προσθε(ν), -θα ‘vor(n), vorher’ (ion. att. bzw. dor. äol.) mit ἐμπρόσθ-ιος ‘vorn befindlich’, bes. von Körperteilen (Hdt., att., Arist. u.a.), -ίδιος ‘ds.’ (A. D., Pap.), ἐπι- προσθεν ‘dicht vor, nahe’ (att., hell.) mit ἐπιπροσθ-έω ‘davor, im Wege sein, hindern, verdecken’ (Hp., hell.), ὑπό-προσθε ‘gleich vorher’ (Hp.) mit ὑπαπροσθ-ίδιος ‘früher (eingewandort), älterer Bewohner’ (lokr.). Davon πρόσθ-ιος ‘vorn befindlich’, bes. von Körperteilen (Hdt. als v. l., Trag., Arist. u.a.; vgl. ἐμπρόσθιος oben), -ίδιος ‘ds.’ (Nonn.), προστ-ίζιος = προσθ-ίδιος ‘früher, der frühere’ (el.). — Bildung auf -θε(ν), -θα, wegen Bed. und Verbreitung schwerlich mit Kretschmer Glotta 1, 55 von πρός, sondern eher von πρό mit analog. -σ- (πρό-θεν nur Greg. Kor.). Vorbild kaum ὄπισθεν, weil dieses selbst für ὄπι-θεν eingetreten scheint (eher umgekehrt ὄπισθεν nach πρόσθεν). Somit nach ἔκτοσ-θε(ν), ἔντοσ-θε(ν) (vgl. Schwyzer 628) oder zu πρόσ(σ)-ω (vgl. WP. 2, 38)? Ausführlich Lejeune Adv.en -θεν 333 ff. II-601
προσκηδής s. κῆδος. II-601
πρόσφατος ‘unverwest’, von einer Leiche (Ω 757 [ἐρσήεις καὶ π.], Hdt.), ‘frisch’, von Pflanzen, Lebensmitteln, Wasser u.a. (Hp., Arist., hell. u. sp.), übertr. ‘frisch’ = ‘neuerlich, unlängst geschehen, unmittelbar darauffolgend, recens’, von Handlungen, Gemütsstimmungen usw. (A. in lyr., Lys., D., Arist. usw.). — Nach Phot. eig. = νεωστὶ ἀνῃρημενος, eine Deutung, die immer die beste Lösung bietet. Somit zu πεφ-νεῖν, φόνος, θείνω mit demselben Hinterglied wie in den Zusammenbildungen ’Αρηΐ-, ἀρεί-φατος, μυλή-φατος, ὀδυνή-φατος; die bemerkenswerte Bed.entwicklung wurde durch das Verblassen des Hinterglieds begünstigt (ebenso in ἀρείφατος : auch ‘kriegerisch’). Das Vorderglied kann nicht präverbal sein (wie von *προσ-θείνω), sondern hat eine ähnliche Funktion wie in den nominalen πρόσ-οικος, πρόσ-γειος usw.; also eig. "dem Töten (Totschlag) nahestehend, nahe folgend" mit univerbierendem το-Suffix. — Andere, abzulehnende Hypothesen bei Bq m. Lit.; abzulehnen ebenfalls Schwyzer 503 Zus. 2 (fragend: "zu *προσφα, vgl. μέσφα?"). II-601-602
πρόσω (ep. ion. poet.), ep. auch πρόσσω, ‘vorwärts, weiter, ferner’ usw. mit den Steigerungsformen προσω-τέρω, -τάτω. Adv. πρόσω-θεν ‘von fern her’ (ion. poet.), πρόσσοθεν (Ψ 533; nach den übr. Adv. auf -οθεν; Schwyzer 628). — Bildung wie ὀπίσ(σ)ω, somit wohl als erstarrter Instr. aus *πρότι̯ω, mit ti̯o-Suffix von πρό, eventuell als thematische Erweiterung von πρότι; s. Schwyzer 500 und zu μέτασσαι. Nach Lasso de la Vega Emer. 22. 93 aus πρόσ-ω, wie εἴσ-ω. — Vgl. πόρσω, πόρρω. II-602
πρόσωπον, ep. pl. auch -πατα (vgl. unten) n. ‘Gesicht, Antlitz, Maske, Rolle, Person’ (seit Il.). Vereinzelt als Vorderglied, z.B. προσωπο-λήπτης m. ‘der auf die Person Rücksicht Nehmende, Parteiische’ mit -ληπτέω, -ληψία (NT). Sehr oft als Hinterglied, meist sp., z.B. μικρο-πρόσωπος ‘mit kleinem Gesicht’ (Arist.). Davon das Demin. προσωπ-ίδιον (Ar. u.a.), -εῖον (-ιον) n. ‘Maske’ (Thphr., LXX u.a.), die Pfl.namen -ιον, -ίς, -ιάς, -ῖτις (Dsk. u.a.; wohl nach der Form der Blüte; Strömberg Pfl.namen 47), -οῦττα f. ‘gesichtsförmiges Gefäß’, " Gesichtsurne" (Polem. Hist., Poll.). — Wie μέτωπον ‘Stirn’ (s.d.) ist auch πρόσωπον eig. eine Hypostase, u.zw. aus *προτι-ωπ-ον, eig. "was gegenüber den Augen, dem Anhlick (des Partners) liegt"; vgl. Schwyzer-Debrunner 517 A 1. Ebenso z.B. got. and-augi n., auch ags. and-wlit-a m., ahd. ant-lizz-i n. ‘Antlitz’ (got. wlits ‘Ansehen, Gestalt’). Etwas anders Sommer Nominalkomp. 115A.1 (mit abweichender Deutung des Präfixes) : ‘der Teil des Kopfes, der augenwärts, auf der Augenseite liegt’. Durch Anknüpfung an ep. προτι-όσσομαι, προσ-όψομαι ‘ansehen’, ὄπωπα usw. konnte auch πρόσωπον als Verbalnomen umgedeutet werden (vgl. Angesicht). — Zu πρόσωπον stimmt fast genau aind. prátīkam n. ‘Gesicht, Antlitz, Erscheinung’ von práti = πρότι und einer schwachstufigen Form des idg. Wortes für ‘sehen, Blick’ (s. 2. ὄψ und ὄπωπα); πρόσωπον somit aus einer älteren Bildung nach (ἐν)ὦπα usw. verdeutlicht (Schwyzer 426 A. 4)? Ganz unsicher toch. A pratsak, B pratsāko ‘Brust’ (A ak, B ek ‘Auge’). Zu den idg. Ausdrücken für ‘Gesicht, Antlitz’ s. Malten Die Sprache des menschlichen Antlitzes im frühen Griechentum (Berlin 1961) 1ff. — Der ep. Plural προσώπ-ατα, -ασι läßt sich unschwer als eine vom Metrum begünstigte Erweiterung erklären (Schwyzer 515 A. 3); die Annahme eines alten n(t)-Stammes (Chantraine Gramm. hom. 1, 213 als Alternative) ist von der Auffassung von ὦπ-α, ὤψ abhängig; vgl. s.v. — Weitere Einzelheiten m. Lit. bei WP. 1, 170, auch Mayrhofer s. prátīkam. II-602-603
προταινί ‘voran, vor’ (E. Rh. 523 ), böot. Inschr. προτηνί ‘früher’; προταίνιον· πρὸ μικροῦ und παλαιόν (H.; Text unsicher). — Nach Bechtel Dial. 1, 309 f. (mit Meister u.a.; s. Bq) aus πρὸ ται-νὶ (sc. ἡμέραι; Lokat.) mit suffixalem -νι; dazu ποταίνιον. Anders Brugmann Grundr.2 II: 1, 284 A.1: Adverb zu *πρό-ταινος aus *προταν-ιο-ς mit Anschluß entweder an ταινία ‘Streifen, Band’ (?) oder an aind. pra-tná- ‘vormalig, alt’, πρότανις, πρύτανις. — Vgl. ποταίνιος m. Lit. II-603
πρότερος ‘der vordere, der vorige’, gew. von der Zeit ‘der frühere’ (seit Il.); Adv. πρότερον ‘früher’ (nachhom.), προτέρω ‘weiter (vorwärts), eher’ (ep. seit Il.), -ωσε ‘vorwärts’ (h.Hom., A. R.), -ωθε(ν) ‘von vorn her, von früher her’ (Theognost., EM); προτερη-γενής ‘früher geboren, älter’ (Antim. u.a.; nach ἀρχη-γενής usw.). Davon ἡ προτερ-αία (ἡμέρα) ‘der vorhergehende Tag’ (ion. att.: ὑστεραία u.a.), auch -εία f. ‘ds.’ (Tab.Heracl.; Schwyzer 258), -ικόν n. ‘Priorität’ (Pap.), -έω, auch m. κατα-, συν-, ‘voraus sein, haben, zuvorkommen’ (ion. att.) mit -ημα n. (hell. u. sp.), -ησις f. (Hld.) ‘Vorsprung, Vorteil’. — Alte Oppositionsbildung (: ὕστερος) von πρό (s. d.), mit aw. ap. fratara- ‘der vordere, frühere’, aind. pratarám ‘weiter, ferner, künftig’ uridentisch. II-603
πρότι, προτί s. πρός. II-603
πρότμησις f. ‘Nabel(gegend)’ (Λ 424, Q.S., Sinope IIIa, H., Poll.); bei H. auch προτμῆτις· ὁ περὶ τὸν ὀμφαλὸν κατὰ τὸν λαγόνα τόπος und προτμητόν· τὸν ὀμφαλόν. — Verbalnomen zu προτέμνω ‘vorn abschneiden’, eig. vom Abschneiden der Nabelschnur, dann auf den Nabel selbst (und die Nabelgegend bezogen (Porzig Satzinhalte 337). Oft als "Einschnitt am Leibe", ‘Taille’ o.a. erklärt (z.B. LSJ, Benveniste Noms d’agent 78); abzulehnen. — Die Form προτμῆτις bei H. (auch Sch. zu Λ 424 als v. l.; Akz. unsicher) muß, wenn man dem überlieferten Akz. wirklich trauen darf, als Fem. von *προτμής (wie προβλής) erklärt werden; vgl. z.B. δασπλῆτις und die allerdings sehr seltenen und späten προβλῆτις, ἀδμῆτις. Ein Proparoxytonon πρότμητις wäre sehr sonderbar und läßt sich kaum als Altertümlichkeit (so Wackernagel Unt. 236) rechtfertigen. II-603-604
προύμνη f. ‘Pflaumenbaum, Prunus’ (Thphr.), προῦμνον n. ‘Pflaume’ (Gal. u.a.). — Wie der Baum selbst wahrscheinlich aus einer unbekannten kleinasiat. Quelle; vgl. phryg. ON Πρυμνησσός und Schrader-Nehring Reallex. 2, 181 f. Lat. LW prūnus, -um; s. W.-Hofmann s.v. m. weiterer Lit.; daselbst auch über die germ. Formen, z.B. ahd. pfrūma, pflūma. Pelasgische Etym. von Carnoy Ant. class. 24, 22. II-604
προύνεικος (-ικος) m. nach den Lexx. ‘der gegen Bezahlung Waren vom Markte bringt’ (Kom. Adesp., Hdn. Gr., Ael. Dion., H., Eust.), auch als Bez. eines leichtfüßigen od. sozial niedrigstehenden Menschen (Herod., H.); auch Adj. (AP 12, 209) ?; davon προυνικία H. s. σκίταλοι. — Volkstümliches Wort, oft als Nom. agentis aus προ-ενεῖκαι abgeleitet (Eust. u.a., Nilsson Eranos 45, 169 ff. m. Lit.), was sowohl wegen der Bildung (vom Ipv.?) wie wegen des schwerverständlichen Präfixes etwas bedenklich scheint. Nach anderen (AB, EM als Alternative; vgl. noch D. L. 4, 6 θορυβώδεις καὶ προυνείκους) zu νεῖκος; abzulehnen. II-604
προυσελέω ‘verhöhnen, schmählich behandeln, mißhandeln’ (A. Pr. 438, Ar. Ra. 730). — Oft (H., Suid.) mit προπηλακίζειν erklärt; somit aus *προ-εσ-ελέω (: ἕλος) eig. ‘in den Sumpf senken’ (Schwyzer 724)? II-604
πρόφρων f. πρόφρασσα (Il., Od.). ‘aus eigenem Antriebe, in vollem Ernst, geneigt, gewogen’ (ep. poet. seit Il.), — Eig. "mit dem Sinne nach vorn gerichtet", Bahuvrihikomp. (vgl. Sommer Nominalkomp. 110 m. A. 3). Dazu πρόφρασσα nach dem synonymen ἑκασσα (Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 41 f. = Kl. Schr. 2, 1143f.); vgl. ἑκών m. Lit. II-604
προχάνη, dor. -ᾱ f. ‘Vorwand’ (Kall. Cer. 73, Fr. 26). — Altertümliches oder dialektales Wort, vom gelehrten Dichter aus unbekannter Quelle geschöpft. Nach Eust. 1109, 39 von (einem sonst unbelegten) προχαίνω, das mit προφασίζομαι übersetzt wird; nicht überzeugend. Nach Sch. zu S. Ant. 80 dagegen von προ-έχομαι ‘vorwenden’, offenbar richtig. Grundform *προ-οχάνη, mit Elision in der Kompositionsfuge. II-604
πρόχειρος ‘zur Hand, bereit, leicht zu beschaffen, gewöhnlich’ (ion. att.). Davon προχείρ-ιον (-ον) n. ‘Handtasche’ (Pap.), -ότης f. ‘Bereitschaft’ (hell. u. sp.), -ίζομαι, -ίζω ‘sich zur Hand schaffen, bereitstellen, bestimmen, wählen’ (att., hell. u. sp.) mit -ισις f. ‘Bereitstellung, Ausführung’, -ισμός m. ‘Bereitstellung, Wahl’ (hell. u. sp.). — Hypostase aus πρὸ χειρῶν, ev. auch Bahuvrihi "mit der Hand nach vorn, bereit" (Sommer Nominalkomp. 108, 112, 141, Schw.-Debrunner 508). II-605
πρόχνυ Adv. ‘knielings, auf den Knien’ (Ι 570 ~ καθεζομένη), etwa ‘völlig, von Grund aus, ganz und gar’ (Φ 460, ξ 69 ~ (ἀπ-)ολέσθαι; A. R. 1,1118; 2,249), Bed. unsicher Antim. Kol. 2 P. — Im Sinn von ‘knielings’ offenbar von γόνυ mit Schwundstufe wie in γνύξ u.a., somit eig. "die Knie vorn habend", erstarrter Akk. n. für *πρό-γνυ = aind. (Gramm.) pra-jñú- Bed nicht ganz sicher (Wackernagel Unt. 74) mit dunkler Aspiration, für die mehrfache Erklärungen versucht worden sind (s. Schwyzer 328). Die Bed. ‘völlig’ od. ä. muß, wenn überhaupt von ‘knielings’ ausgegangen, durch Umdeutung eines ep. Ausdrucks entstanden sein. Für unabhängige Herkunft Brugmann -Thumb 127A.1, der, wenig überzeugend, πρόχνυ ‘völlig’ zu χναύω ‘schaben, abnagen’ zieht; ein urspr. *πρό-γνυ ‘knielings’ wäre damit zusammengeworfen (zustimmend Wackernagel a. O.). — Einzelheiten bei Meringer WuS 11, 119f., Picard Rev. Archéologique 1959: T. 1, 211ff. II-605
προχῶναι f. pl. ‘die Hinterbacken, die Steißbeine’ (Archipp.41). — Scheint als Augenblicksbildung oder komische Wortverdrehung durch Kreuzung von κοχώνη und πρωκτός entstanden zu sein (Güntert Reimwortbildungen 122). II-605
πρυλέες, -έων m. pl. ‘schwerbewaffnete Krieger zu Fuß’ (Il., Hes. Sc. 193, gortyn.), übertr. von Vögeln (Opp.); προυλέσι· πεζοῖς ὁπλίταις H. Daneben πρύλις f. ‘(kretischer) Waffentanz’ (Kall.; nach Arist. Fr. 519 kypr. od. kret.); πρυλεύσεις· ἐπὶ τῆς ἐκφορᾶς τῶν τελευτησάντων παρὰ τῷ ἱερεῖ H. — Wie sich πρυλέες (sg. -λής [Hdn.] od. -λύς [Schwyzer 572]) und πρύλις formal und semantisch zueinander verhalten, bleibt unklar. Nach Leumann Hom. Wörter 286 f. wäre kret. πρύλις durch falsche Umdeutung von ep. πρυλέες entstanden; dagegen Ruijgh L’élém. ach. 96 f. (m. Lit.). Von πρύλις jedenfalls *πρυλεύω ‘eine π. aufführen’, wozu πρυλεύσεις f. pl. H. — Etymologisch dunkel. Überholte Hypothesen bei Bq. Wenn eig. ‘Vorkämpfer’ (vgl. Trümpy Fachausdrücke 178 f.), vielleicht mit πρύτανις verwandt (Misteli KZ 17, 174; vgl. Bechtel Lex. s. διαπρύσιος)? II-605
πρυμνός ‘der äußerste, hinterste, unterste’, von dem an den Rumpf anschließenden Teil eines Körperglieds o.a.; vom untersten Teil eines Baumstammes, eines Felsens usw. (ep. poet. seit Il.); als Hinterglied z.B. in πρυμν-ώρεια f. ‘der unterste Teil, der Fuß eines Berges (Ξ 307), von *πρυμν-ώρης (Solmsen Wortforsch. 249, Risch Mus. Helv. 2, 18). Daraus mit Akz.verschiebung πρύμνη, sekund. -νᾰ f. ‘der hinterste Teil des Schiffes, das Hinter-, Achterschiff, der Stern’ (ion. att. seit Il.; Hom. meist attributivisch πρύμνη νηῦς); Kompp. z.B. πρυμν-οῦχος ‘das Hinterschiff festhaltend’ (E., AP), ὑψί-πρυμνος ‘mit hohem Hinterschiff’ (Str.). Ableitungen: 1. πρυμν-όθεν ‘vom unteren Ende, vom Grunde aus’ (A.), auch (hell. Dicht.) = πρύμν-ηθεν, dor. -ᾱθεν ‘vom Stern aus’ (Il. usw.); 2. -ήτης m. ‘Steuermann’, als Adj. ‘am Hinterschiff befindlich’ (A., E.) mit -ητικός (Kallix., Pap.), -ήσιος (E.) ‘ds.’, τὰ -ήσια n. pl. ‘Hintertaue’ (Hom., AP); wohl zu πρύμνη analogisch gebildet oder jedenfalls darauf bezogen (Chantraine Form. 42, Schwyzer 466 m. Lit.); 3. -αῖος ‘ds.’ (A. R. u.a.); 4. -εύς m. PN (θ 112, Nonn.; Bosshardt 121). — Nicht sicher erklärt. — Oft zu πρό gezogen mit υ für ο wie in διαπρύσιος u.a.; s.d. und Forssman KZ 79, 11 ff. m. ausführl. Behandlung; semantisch nicht ganz befriedigend, da ja πρυμνός nicht den vordersten oder den obersten, sondern den hintersten und untersten Teil bezeichnet. Anders Schwyzer KZ 63, 59 f.: πρύμνη aus *πύμνη zu πύματος nach πρῷρα, wozu als Neubildung πρυμνός; schwerwiegende Bedenken bei Forssman a. O. Nach Bechtel Lex. s.v. (mit Curtius 715 u.a.) dagegen zu πρέμνον; semantisch besser, aber lautlich schwierig. Gegen die mehrfach befürwortete Anknüpfung an aksl. krъma ‘Schiffshinterteil’ (zuletzt Thieme Die Heimat d. idg. Gemeinspr. 30) s. Vasmer Wb. s. kormá. Das μν-Suffix findet sich auch in dem sinnverwandten aind. ni-mná- n. ‘Niederung, Tiefe’, Adj. ‘tief liegend’. — Zu πρόμνος und προμνηστῖνοι, von Forssman a. O. mit πρυμνός verbunden, s. πρόμος und s.v. II-606
πρύτανις, -εως (äol. πρό-) m. Bez. eines führenden Beamten, in Athen Mitglied des diensttuenden Ratsausschusses, ‘Obmann, Geschäftsleiter, Prytan’ (dor. ion. att.), auch N. eines Lykiers (Ε 678). Einige Kompp., z.B. ναυ-πρύτανις = ναύαρχος (Pi.). Davon 1. die Adj. πρυταν-ικός (ion. att. Inschr.), -ειος (Aristid.) ‘zum P. gehörig’; 2. das Subst. -εῖον, ion. -ήϊον n. ‘Amtshaus des P., Stadthaus’ (ion. att.), in Athen auch N. eines Gerichtshofes; τὰ πρυτανεῖα ‘Gerichtsgebühren’ (att.); dazu Πρυταν-ῖτις (Herm. Hist.), -εία (Syros) f. Bein. der ‘Εστία als Beschützerin des Prytaneion (vgl. Redard 212); 3. das Verb πρυταν-εύω ‘P. sein, etw. leiten’ (seit h. Ap. 68) mit -εία, ion. -ηΐη f. ‘Amt(szeit) eines P.’ (ion. att., Rhodos usw.), -ευμα = lat. principatus (Epigr. Ia), -εύς m. = πρύτανις (Rhodos; Rückbildung, Bosshardt 77). — Mit dem etruskischen Beamtentitel purϑne, eprϑni zusammenhängend, gehört πρύτανις unzweifelhaft zum kleinasiat.-ägäischen Bestandteil der griech. staatsrechtlichen Terminologie (vgl. βασιλεύς, ἄναξ, τύραννος und Schwyzer 62 u. 462). Die äol. Nebenform πρότανις (att. Inschr. vereinzelt προταν-εύω, -εία) kann, wie phok. u. kret. βρυτανεύω, -εῖον, die schwankende Aussprache eines Fremdworts widerspiegeln, aber auch auf volkstümliche Anknüpfung an πρό ‘voran’ zurückgehen. Früher (s. Curtius 283 m. älterer Lit., WP. 2, 36; auch Schwyzer-Debrunner 505) als idg. betrachtet, wobei πρυ- als alte Nebenform von πρό aufgefaßt wurde; hierher dann noch διαπρύσιος, πρυμνός, πρυλέες. Die suffixale Ähnlichkeit mit dem Erbwort κοίρανος ist wohl ebenso zufällig wie der Anklang an προταινί (s.d.). — Für vorgr.-idg. Herkunft Heubeck Praegraeca 67f. mit weiteren Vermutungen und wichtigen Lit.angaben; dazu noch Linderski Glotta 40, 157 ff., der auch hatt. puri ‘Herr’ einbeziehen will. II-606-607
πρώην, πρῴην (seit Il.), πρῶν (Kall. Fr., Herod.), dor. πρώαν, πρόαν, πρᾶν (Theok.; zum Lautlichen Schwyzer 250) ’kürzlich, vorgestern’. Daneben πρωί̄ (seit Il.), att. πρῴ (πρῷ, πρῶϊ) ‘früh, morgens’; als Vorderglied u.a. in πρῳηρότης m. ‘Frühpflüger’ (Hes.; wie ὀψ-αρότης; s. ὀψέ); oft bei Thphr., z.B. πρωΐ-καρπος ‘mit frühen Früchten’, Komp. πρωϊκαρπό-τερος (s. Strömberg Theophrastea 162 f.). — Steigerungsformen: πρωΐ- (πρῴ-)τερος, -τατος, gew. (nach παλαί-τερος u.a.), -αίτερος, -αίτατος (ion. att.). Sonstige Abl.: πρώϊος, πρῷος ‘frühzeitig’ (seit Ο 470), πρωΐα f. ‘Frühstunde, Morgen’ (Aristeas, NT u.a.; nach ὀψία); dafür jungatt. πρώ-ϊμος (X., Arist., Pap. u. Inschr.; Arbenz 76: ὄψιμος; auch πρό-ϊμος nach πρό); hell. u. sp. -ϊνός (Chantraine Form. 200f.); πρωϊζά Adv. ‘vorgestern’ (Β 303, zu πρώην nach χθιζά), ‘sehr früh’ (Theok. 18, 9; zu πρωΐ); πρωΐθεν ‘von früh morgens’ (LXX). — Sowohl πρώην wie πρωΐ setzen ein Adv. *πρώ voraus, das zu ahd. fruo ‘in der Frühe’ stimmt und von aind. prā-tár ‘früh, morgens’ bestätigt wird. Damit formal identisch auch lat. prō ‘vor, für’, aw. frā ‘vorwärts, voran’ neben fra = πρό (s.d.). — Als Vorbild von πρώην, -ᾱν konnten erstarrte Akk. wie δήν, δά̄ν, πλήν, πλά̄ν, ἀκμήν dienen, wenn man nicht darin ein altes Adj. im Fem. Akk. sehen will; πρῴην nach πρῴ. Ebenso πρω-ΐ nach Lokativen wie ἦρι, πέρυσι, ἀντί; Grundformen wie *πρωϝαν, *πρωϝιαν, *πρωϝι (letzteres noch Mezger Word 2, 231) sind entbehrlich und durch nichts zu erhärten. Zu πρωΐ durch Adjektivierung πρώϊ-ος (= ahd. fruoi ’früh’; somit fruo = πρωΐ?), das, als πρώ-ϊος aufgefaßt, πρώ-ϊμος, -ινός (s.o.) mit sich zog. — Weitere Einzelheiten bei Schwyzer 621 f. und 461; ält. Lit. bei Bq und WP. 2, 36 (Pok. 814). II-607-608
πρωκτός m. ‘Steiß, After’ mit πρωκτίζω ‘paedico’ (Ar.). — Ausdruck der Volkssprache, der mit arm. erastan-k‘ pl. ‘Steiss’ bis auf die Bildung (erastank’ Nom. actionis auf -an) identisch sein kann. Das Verhältnis der Stammvokale läßt indessen verschiedene Auffassungen zu (idg. *prōḱt- : *prəḱt- oder *pr̥̄ḱt- ?); s. Brugmann Grundr.2 I 477, WP. 2, 89, Pok. 846, Schwyzer 361. Vgl. noch Mayrhofer s. pr̥ṣṭhám. II-608
πρών, πρῶνος od. πρωνός, pl. πρῶνες, auch πρώονες (ep. poet. seit Il.), auch πρηών (Hes. Sc. 437, hell. u. sp. Epik), πρεών (AP), -ῶνος, -όνος m. ‘vorspringender Felsen, Bergspitze’. — Wenn man von dem später belegten πρηών (wozu πρεών, πρών) ausgeht, muß der Plur. πρώονες, -ας als eine metrisch bedingte falsche Auflösung von πρῶνες erklärt werden (Schwyzer 487 A. 3 mit LSJ); Grundform somit *πρηϝών od. *πρᾱϝών (Schwyzer 377). Bei Ansetzung von *πρώϝων wird πρώ[ϝ]ονες regelmäßig, aber dann muß ja πρηών entweder falsche Auflösung oder alter Ablaut von πρών sein. Für *πρώϝων spricht unzweifelhaft das davon schwerlich zu trennende πρῷρα (Bechtel Lex., Risch ̨ 26 b, Specht Ursprung 344). — Zur Sippe von πρό; Anknüpfung an aind. pū́rva- ‘der vordere, frühere’ scheint möglich; s. πρῷρα. Nicht mit Bechtel zu πρηνής (s.d.), auch nicht mit Prellwitz zu aind. pravaṇá-’abfallend, geneigt, abschüssig’ (s. Mayrhofer s.v.). II-608
πρώξ, πρωκός, nur pl. πρῶκες f. ‘Tautropfen’ (Theck., Kall.). — Bildung wie κλώψ, ῥῶπες, τρώξ u. a. (s. Chantraine Form. 2, Schwyzer 424); somit wohl eig. ein Nom. agentis "der Tropfer, der Sprenkler" von einem verlorengegangenen Verb für ‘sprenkeln’, das in mehreren abgeleiteten Adj. Spuren hinterlassen hat, s. περκνός. Zur Bed. ‘sprenkeln’ : ‘Tropfen’ vgl. bes. aind. pŕ̥ṣan- ‘gefleckt, scheckig’, pr̥ṣatá- m. ‘gesprenkelte Gazelle’ (ved.), ‘Wassertropfen’ (ep. klass.). II-608
πρῷρα (ion. sekund. πρῴρη nach πρύμνη) f. ‘Schiffsvorderteil, Vorderschiff, Bug’ (seit μ 230 : Gen. πρῴρης, attributivisch zu νηός). Oft als Hinterglied, z.B. κυανό-πρῳρος ‘dunkelbugig’ (Hom., B.), -πρῴρειος (γ 299, Erweiterung am Versende; Risch ̨ 48 d), -πρώϊρα f. (Simon.241; Erklärung unsicher, vgl. u.). Davon πρῴρ-ᾱθε(ν), -ηθε(ν) ‘vom Bug her, am Bug’ (Pi., Th. u.a.); -εύς m. ‘Untersteuermann’ (X., D., Arist. usw.), auch PN (θ 113; Bosshardt 55 u. 121); -άτης m. ‘ds.’ (S., X.: πρυμνήτης, κυβερνήτης; Fraenkel Nom. ag. 2, 206) mit -ατικός ‘das Vorderschiff betreffend’ (Pap., Poll.), -ατεύω ‘Untersteuerrnann sein’ (att., hell. u.sp.); -ήσια pl. n. ‘die äußersten Spitzen am Steuerbord’ (EM: πρυμνήσια); Ptz. Aor. πρῳ ράσαντες· κροτήσαντες. ἡ δὲ μεταφορὰ ἀπὸ τῶν νεῶν καὶ τῆς εἰρεσίας H., vgl. Men. Sikyon. 421 Kassel. — Als alte ι̯α-Ableitung kann πρῷρα aus *πρώϝαρ-ι̯α oder *πρώϝερ-ι̯α kontrahiert sein; vgl. einerseits πίειρα, πέπειρα, anderseits χίμαιρα, γέραιρα u.a. Ob in κυανο-πρώϊραν (Simon. 241) eine alte unkontrahierte Form *πρώειραν erhalten ist (Hdn. 2, 410), steht dahin. Das daneben anzunehmende Mask. *πρώϝων (vgl. πίων, πέπων) kann tatsächlich in πρών (s.d.) vorliegen. Mit *πρώ-ϝων dürften sich bis auf den n-Stamm aind. pū́r-va- ‘der vordere, frühere’, toch. B pär-we ‘erster’, aksl. prъ-vъ ‘der erste’ gleichsetzen lassen; zu ρω gegenüber aind. ūr Schwyzer 361 (anders WP. 2, 38, wo stattdessen das germ. Wort für ‘Herr, Frau’, z.B. got. frauja, ahd. frouwa herangezogen wird). Einzelheiten (z.T. abweichend) bei Schulze Q. 486f., Bechtel Lex. s.v. πρῶιρα und πρώων, πρών, Hermann Gött. Nachr. 1943, 5. Letzten Endes zur großen Sippe von πρό, s.d. — Lat. LW prōra, prōreta (aus ion. *πρῳρήτης); s. W.-Hofmann s.v. II-608-609
πρῶτος (seit Il.), dor. böot. πρᾶτος ‘der vorderste, der erste’, als Vorderglied unbeschränkt produktiv, z.B. πρωτό-γονος ‘erstgeboren’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa). Davon 1. der Superlativ πρώτ-ιστα (Adv.) ‘zu allererst’, -ιστος (ep. poet. seit Il.), dor. (Thera) πράτιστος ‘der allererste’ (Seiler Steigerungsformen 105). 2. πρωτ-εῖον n. ‘der erste Preis, der erste Rang’ (att.); -ειος ‘ersten Ranges’ (sp.). 3. -εύω ‘der erste sein’ (att.) mit der Rückbildung πρωτεύς Beiw. zu λαός (Tim. Pers. 248; vgl. Wil. z. St.). Dazu mehrere Kurznamen, z.B. Πρωτ-εύς m. Meergott (Od. usw.; Bosshardt 128f.), -τέας, -τίων, Πρατ-ίνας, -ύλος usw. (Bechtel Hist. Personennamen 387). — Zu Πρω-τεσί-λαος, -λεως (Il. usw.) s. Risch ̨ 71 a. — Wie bei den Kardinalia (vgl. οἶος, εἷς und Kretschmer Einl. 10ff.) weichen auch bei den Ordinalia, u. zw. noch stärker, die Ausdrücke für die Einzahl voneinander ab. Im Griech. schloß sich πρῶτος, πρᾶτος als Neubildung der Folge τρίτος, τέταρτος usw. an; die Anfangssilbe wird verschieden erklärt. Am wachsten liegt, πρῶ-, πρᾶ-(τος) mit lit. pìr-mas, aind. pū́r-va-, aw. paur-va- gleichzusetzen als Vertreter einer Schwundstufe pr̥̄-; das Schwanken πρω- : πρᾱ- läßt sich, wenn nicht alt (Lejeune BSL 29, 117ff.), als partielle Angleichung an πρό, πρότερος verstehen. Eine Grundform *πρό-ατος, für πρῶτος möglich, ist für πρᾶτος kaum angängig. Schwyzer 361 und 250 Μνήμης χάριν 2, 58. Pelasgische Etymologie, semantisch in der Luft schwebend, bei v. Windekens Sprache 4, 137 f. Ebenso willkürlich Holthausen IF 62, 152: zu πελιτνός, πελιός usw. m. Lit.; s. noch zu πρῷρα und Pisani Ist. Lomb. 77, 563. Ältere Lit. bei Bq. II-609-610
πταίω, Aor. πταῖσαι, Fut. πταίσω, auch Perf. (jungatt., hell.) ἔπταικα, Pass. (sp.) πταισθῆναι, ἔπταισμαι, ‘anstoßen, anprallen, straucheln, irren, Unglück haben’ (ion. att.); ganz vereinzelt trans. ‘umstoßen’ (Pi. Fr. 205, LXX). auch mit Präfix, bes. προσ-, Davon πταῖσμα (πρόσ- ~) n. ‘Anstoß, Fehler, Unglück, Niederlage’ (ion. att. seit Thgn.), πρόσπταισις f. ‘Anstoß, Straucheln, Zusammenstoß’ (D. H. u.a.). — Expressives Wort ohne sichere Etymologie. Eine allgemeine Ähnlichkeit zeigen παίω, ῥαίω, auch -κναίω u.a., die die Bildung von πταίω haben beeinflussen können; zum Anlaut vgl. πτίσσω, πτήσσω. Nach Merlingen Μνήμης χάριν 2, 55 durch Metathese pt- aus tp- als Schwundstufe von aksl. tepù ‘schlagen’ usw.; prinzipiell erwägenswert. Gegen Anknüpfung an πέτομαι (Persson Beitr. 2, 825; s. Bq) mit Recht WP. 2, 21. II-610
πτάκα Nom. (*πτάξ) unbelegt. Akk. sg. f. ‘Hase’ (A. Ag. 137 [lyr.]); Davon πτάκ-ις, -ιδος f. ‘ds.’ (Kom. Adesp. 1127), -ισμός m. ‘Schüchternheit’ (ebd. 1128: *πτακίζω), -άδις Adv. ‘schüchtern’ (Theognost.); πτακωρεῖν· πτήσσειν, δεδοικέναι H. (nach ὀλιγωρεῖν, τιμωρεῖν u.a.). — Wz.nomen zu πτᾰκεῖν; s. πτήσσω und πτώξ (urspr. πτώξ, Gen. πτᾰκ-ός mit Ablaut ω : ᾰ, wozu sekundär Akk. πτάκ-α?; s. Kretschmer Glotta 4, 336). II-610
πτάρνυμαι (Hp., X. usw.), ganz vereinzelt u. spät πτάρνεται, πταίρω, πτείρω, πτέρομαι; Aor. 2. πταρεῖν (seit ρ 541), Ptz. auch πταρείς (Hp., Arist.), πτάραντες (Arist.; unsicher) ‘niesen’. Davon πταρ-μός m. ‘das Niesen’ (ion. att.) mit -μικός ‘Niesen verursachend’, -μική f. ‘Nieswurz’ (Dsk., Gal.; Strömberg Pfl.namen 85); πτόρος ‘ds.’ (Hdn. Gr. 1, 191). — Schallwort, wahrscheinlich genetisch verbunden sowohl mit arm. p’ṙngam, p’ṙnč̣em ‘niesen’ wie mit einem italokelt. Wort, lat. sternuō ‘niesen’, kelt., z.B. air. sreod ‘das Niesen’; die Ansetzung einer gemeinsamen Grundform (*pster-) ist hypothetisch. Lit. m. weiteren kelt. Formen bei WP. 2, 101, W.-Hofmann s.v.; dazu noch Porzig Gliederung 212. — Daneben das aspirierte ἀποφθαράξασθαι· τὸ τοῖς μυκτῆρσιν εἰς τὸ ἔξω ἦχον προέσθαι, ἀποφλάσαι, ῥογχάσαι. Κρῆτες καὶ Σάμιοι H. mit Bed. wie lat. stertō ‘schnarchen’. II-610
πτέλας m. ‘wilder Eber’ (Lyk. 833; Versende); auch πτελέα· σῦς ὑπὸ Λακώνων H. — Ausgang wie in ἐλέφας; vielleicht mit πτελέη ‘Ulme’ (s.d.) zusammenhängend, aber im übrigen unerklärt. Neuer abzulehnender Versuch, πτέλας mit lit. kiaũle ‘Schwein’, kuilỹs ‘Zuchteber’ und mit aind. kirí- m. ‘Wildschwein’ lautlich zusammenzubringen, von Merlingen Ältere Lit. bei Bq. II-610-611
πτελέα, ion.- έη, epid. πελέα f. ‘Ulme, Rüster’ (seit Il.); myk. pte-re-wa. Davon πτελέ-ινος ‘ulmen’ (att. u. del. Inschr., Thphr. u.a.), -ών, -ῶνος m. ‘Ulmenhain’ (Gloss.). Πτελεός m. Stadt in Thessalien usw. (Β 697 u.a.). — Bildung wie μηλέα, ἰτέα u. andere Baumnamen; die formal sich aufdrängende Anknüpfung an πτέλας ‘wilder Eber’ läßt sich vielleicht auch semantisch begründen, s. Strömberg Pfl.namen 140 (vgl. nhd. Eberesche; der Eber lebt auch in Ulmenwäldern). Lat. pōpulus ‘Pappel’ weicht formal und begrifflich stark ab; lautlich weit näher liegt tilia ‘Linde’; darüber wie über andere Baumnamen, die in die ziemlich ergebnislose Diskussion einbezogen worden sind, s. Bq s.v., WP. 2, 84f., W.-Hofmann s. 2. pōpulus und tilia; dazu noch Merlingen Μνήμης χάριν 2, 56. Zum Anlautswechsel πτ- : π- s. die Lit. zu πόλεμος, πόλις. — Aus πτελέα wahrscheinlich arm. t‘eɫi ‘Ulme’ (für Urverwandtschaft zuletzt Solta Sprache 3,227 m. A. 11); aus lat. tilia τιλίαι· α ἴγειροι H. II-611
πτέρις, -εως, auch -ίς, -ίδος f. ‘Farnkraut, Farn’ (hell. u. sp.). Als Hinterglied in δρυ(ο)-πτερίς f. ‘Eichenfarn’ (Dsk., H.), θηλυ-πτερίς f. ‘weiblicher Farn’ (Thphr., Dsk. u.a.). In derselben Bed. πτέριον, θηλυ- ~ n. (Ps.-Dsk., Alex. Trall.); s. Strömberg Pfl.namen 40 f. — Eig. "Federkraut", zu πτερόν, wegen der Form der Blätter. Ebenso Farn (ahd. far(a)n usw.) = aind. parṇá-, aw. parəna- n. ‘Flügel, Feder, Blatt’. Andere Benennungen des Farns, die mit πτέρις nur indirekt zusammenhängen, bei WP. 2, 21, Hofmann Et. Wb. s. πτέρις. Zu πτέρις auch (als LW?) alb. fier ‘Farn’ nach Mann Lang. 28, 40. II-611
πτέρνη, sekund. -νᾰ f. ‘Ferse’, auch übertr. vom unteren Teil verschiedener Gegenstände usw. (ep. ion. poet., Arist., hell. u. sp.). Einige Kompp., z.B. πτερνο-κοπίς f. "Fersenstößerin", Spitzname (mittl. u. neue Kom.; Wackernagel Unt. 196); *ὑπό-πτερνος ‘unter der Ferse befindlich’ in ὑποπτερν-ίς, -ίδος f. ‘Unterlage’ (Ph. u. Hero Bel.). Davon πτερν-ίς, -ίδος f. ‘Fuß einer Schüssel’ (mittl. Kom. u.a.), -ίζω ‘mit der Ferse schlagen, einem ein Bein stellen, jmdn. aus seiner Stellung verdrängen, einen Schuh mit neuem Absatz versehen’ (LXX, Kom. Adesp. u.a.) mit -ιστής m. (Ph. u.a.), -ισμός m. (LXX). —Für sich steht, mit unklarer Bed.entwicklung, πτέρνιξ, -ῐκος m. ‘der Hauptstamm des Kaktus’ (Arist.), woneben τέρνακα· τῆς κάκτου τοῦ φυτοῦ καυλόν H., s.d. — Alte Benennung der Ferse auch auf die Hinterkeule (lat.) oder die Lende (heth.) übertragen: lat. perna, germ., z.B. got. fairzna f., heth. paršina-(= paršna-; davon paršnāi- ‘sich niederhocken’), idg. *persnā. Daneben im Indoiran. mit sekundärer Vokallänge (sog. Vr̥ddhibildung; Benveniste BSL 50, 41 f.) aind. pā́rṣṇi- f., aw. pāšna- n. ‘Ferse’. Anlautendes πτ- ist somit unursprünglich und unerklärt wie in πτίσσω, πτόλεμος und πτόλις (s. dd. m. Lit.). WP. 2, 50f., Pok. 823, W.-Hofmann s. perna, Mayrhofer s. pā́rṣniḥ; ält. Lit. bei Bq. — Zu sp. πτέρνα ‘Schinken’ s. πέρνα. II-611-612
πτερόν n. ‘Feder, Flügel, Fittich’, auch übertr. von feder- und flügelähnlichen Gegenständen (seit Il.). Kompp., z.B. πτερο-φόρος ‘feder-, flügeltragend’ (A., E. u.a.), ὑπό-πτερος ‘beflügelt, beschwingt’ (Pi., ion. att.; zur Bildung Schwyzer-Debrunner 532 m. A. 6 u. Lit.); zu ὑπο-πετρ-ίδιος s.u. Davon 1. πτερό-εις ‘mit Federn od. Flügeln versehen’ (ep. poet. seit II.; vgl. Kretschmer Glotta 27, 249 u. 278 m. Lit., auch Yorke Class Quart. 30, 151 f.); Gegensatz ἄ-πτερος (seit Od.), u.a. von μῦθος (als Gegensatz von ἔπεα πτερόεντα; anders, unwahrscheinlich, Hainsworth Glotta 38, 263ff.); 2. πτερω-τός ‘ds.’ (ion. att.), -τικός ‘zum Gefieder gehörig’ (Vp); 3. -μα n. ‘Gefieder’ (A. Fr., Pl. Phdr. u. a.; eher aus πτερόν erweitert als von πτερόομαι); 4. πτερό-της f. ‘beflügelter Zustand’ (Arist.); 5. πτέρ-ων m. N. eines unbek. Vogels (Kom. Adesp.), -νις m. N. einer Habichtart (Arist.); 6. πτερ-όομαι, -όω, auch m. ἐκ-συν-, ‘Flügel bekommen, flügge werden’ bzw. ‘befiedern, beflügeln’ (ion. att.) mit -ωσις f. ‘Befiederung, Gefieder’ (Ar., Arist. usw.). — Daneben πτέρυξ, -ῠγος f. ‘Flügel’, wie πτερόν oft übertr. (seit Il.). Oft als Hinterglied, z.B. τανύ-πτερυξ (Il.), auch ~ -πτέρυγ-ος (Simon.) ‘die Flügel ausbreitend’; ausführlich Sommer Nominalkomp. 70f. (vgl. zu τανύω). — Davon 1. Demin. πτερύγ-ιον n. Ben. verschiedener flügelähnlicher Gegenstände (Hp., Arist. usw.); 2. -ώδης ‘flügelähnlich’ (Hp., Thphr. u.a.); 3. -ωτός ‘mit Flügeln versehen’ (Arist.); 4. -ωμα n. ‘Geflügel usw.’ (sp.); 5. πτερυγ-ίζω, auch m. ἀνα- u.a., ‘die Flügel bewegen’ (Ar. u.a.); -όομαι, -όω Bed. unklar (lesb. Lyr. bzw. Mediz.), ἀπο- ~ ‘die Flügel verlieren’ (Vett. Val.); πτερ-ύσσω, auch m. δια- u.a., ‘mit den Flügeln schlagen’ (Archil.[?], hell. u. sp.), viell. von πτερόν; vgl. Schwyzer 725 m. Lit. — Neben πτερ-όν stehen einerseits arm. t‘er ‘Seite’, mit Dehnstufe t‘i̇r ‘Flug’, t‘ṙ-čim, Aor. t‘ṙ-eay ‘fliegen’, anderseits aind. pátr-am n. ‘Flügel, Feder’, lat. acci-piter, -tr-is ‘Habicht’, germ., z.B. ahd. fedara, awno. fjǫðr f. ’Feder’, alles auf idg. *pter- bzw. *petr- zurückgehend (letzteres auch in ὑποπετριδίων ὀνείρων ‘geflügelte Träume’ [Alkm. 23, 49; vgl. Kock z. St.]?). Der r-Stamm ist noch in heth. patt-ar (pitt-ar?) n. zu belegen, wozu mit Heteroklisie Gen. pl. -an-aš; ein Ausläufer des alternierenden n-Stamms u.a. in lat. penna f. ‘Feder, Flügel’ aus *pet-n-ā. Zugrunde liegt das Verb für ‘fliegen’ in πέτομαι, πτέ-σθαι, s. d. — Eine zweisilbige Form erscheint in aind. patar-á- ‘fliegend’, woneben patár-u- ‘ds.’, das an den u-Stamm in πτέρ-υ-ξ erinnert. Da sich für -(υ)γ- kein überzeugendes Vorbild innerhalb des Griech. erkennen läßt (ὄρτυξ und andere Vogelnamen liegen recht fern), sind verschiedene Anknüpfungen geprüft worden: aind. pataṅ-g-á- ‘fliegend’ (zu patan- vgl. petn- oben; zu g s. auch ἀστράγαλος), aw. fra-prəǰāt- ‘Vogel’ (Analyse unsicher: von *ptərə-g- ‘Flügel’?), lat. protervus ‘ungestürn’ (aus *pro-pterg-u̯os?), anfr. fetheracco Gen. pl. ‘alarum’. — Strittig ist die Heranziehung von slav. (aksl., russ. usw.) peró n. ‘Feder’, das sich nicht unmittelbar mit πτερόν gleichsetzen läßt und vielleicht eher an aind. parṇám n. ‘Flügel, Feder, Blatt’ u.a.m. anzuschließen ist. Nach Petersson KZ 47, 272 wäre πτερόν eine Kreuzung von *περόν (= slav. peró) und πτέρυξ. Hierher nochtoch. B parwa pl. ‘Federn’; vgl. v. Windekens Orbis 11, 194. — Weitere Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 2, 20f., Pok. 826, W.-Hofmann s. accipiter, penna, prōtervus, Mayrhofer s. pataráḥ, pátram, parṇám, Vasmer s. peró; auch Specht Ursprung 216f. (vieles Unsichere). II-612-613
πτῆμα, πτηνός, πτῆσις s. πέτομαι. II-613
πτήσσω (ion. att.; Schwyzer 716), Davon πτῆξις f. ‘Furcht’ (LXX) und die expressive Erweiterung πτωσκάζω ‘sich ducken, Angst haben’ (Δ 372) nach den sinnverwandten ἀλυσκάζω (: ἀλύσκω, ἀλύσσω), ἠλασκάζω; evtl. von *πτώσκω; die v. l. πτωκάζω nach πτώξ. Vgl. Schwyzer 708, Chantraine Rev. de phil. 57, 125, Gramm. hom. 1, 338. auch πτώσσω (ep. poet. seit Il.), äol. πτάζω (Alk.?), Fut. πτήξω (att.), Aor. 1. πτῆξαι (seit Il.), dor. πτᾶξαι (Pi. u.a.), Aor. 2. Ptz. κατα-πτᾰκών (A. Eu. 252), Perf. ἔπτηχα (att. usw.), ἔπτηκα (LXX [v. l. -χα], sp.); dazu ep. Formen Ptz. Perf. πεπτηώς (Β 312, ξ 354 u.a.), Aor. 3. Du. κατα-πτήτην (Θ 136), ‘sich (vor Furcht) ducken’; Aor. 1. vereinzelt trans. ‘in Furcht setzen, scheuchen’ ([Ξ 40], Thgn.). auch m. Präfix, bes. κατα- und ὑπο-, — Die Präsentia πτήσσω (mit πτῆξαι usw.), πτώσσω gehen auf *πτᾱκ-ι̯ω, *πτωκ-ι̯ω zurück (äol. πτάζω ist Neubildung; Schwyzer 715); dazu das schwachstufige πτᾰκ-ών. In norninaler Funktion erscheinen diese Stämme in πτώξ und (Akk.) πτάκ-α; s. dd., auch πτωχός. Der formantische Charakter des Gutturals ergibt sich aus ep. πε-πτη-ώς, κατα-πτή-την, die gleichzeitig eine Brücke zu πέ-πτω-κα, πτῶ-σις (s. πίπτω) und zu πτᾰ́-σθαι (s. πέτομαι) schlagen. Semantisch scheint diese Kombination (’fallen, hinsinken’ > ‘sich ducken’) keine ernste Schwierigkeit zu bieten (anders Chantraine Gramm. hom. 1, 428). Ein weiterer Ausläufer ist πτοέω, s. d. — Wenn der Vergleich mit arm. t‘ak‘-čim, t‘ak‘-eay ‘sich verbergen’ (Pedersen KZ 39, 342 f. u. A.) zu Recht besteht, ist die Gutturalerweiterung altererbt. — WP. 2, 19f., Pok. 825; ält. Lit. auch bei Bq. II-613-614
πτίλον n. ‘Flaum, Flaumfeder, Daune, Insektenflügel’, übertr. ‘Blatt usw.’ (ion. att.). Einige Kompp., z.B. πτιλό-νωτος ‘mit flaumigem Rücken’ (AP), τετρά-πτιλος ‘mit vier Flaumfedern’ (Ar.). Davon 1. πτιλ-ωτός ‘mit πτίλα versehen’ (Arist., att. Inschr.); 2. -όομαι, -όω ‘mit πτ. ausgerüstet sein bzw. ausrüsten’ (sp.) mit -ωσις f. ‘Flaumbildung’ (Ael.), auch von einer Krankheit der Augenlider und Augenwimpern (Gal. u.a.); dazu als Rückbildung πτίλος ‘krank an den Augenlidern’ (LXX, Gal. u.a.) und mit expressiver Gemination πτίλλος = lippus (Gloss.); abzulehnen Güntert Reimwortbildungen 125 f.; 3. -ώσσω ‘an den Augenlidern (Augenwimpern) kranken’ (Archyt.; Schwyzer 733). — Wie πτερόν, πτέρυξ (s. dd.) von πτ-έσθαι, u. zw. m. hypokoristischem ιλο-Suffix (Chantraine Form. 248 f., Schwyzer 485; anders Specht Ursprung 157 u. 164). Fern bleiben sowohl πταίω (s.d.) wie lat. pĭlus ‘Haar’ und vespertīliō ‘Fledermaus’ (s. W.-Hofmann s.v.). — Zu dor. ψίλον (Paus. 3, 19,6) s. Bechtel Dial. 2, 319f. II-614
πτίσσω, att. auch πτίττω, Aor. πτίσαι, Pass. πτισθῆναι. Perf. Med. ἔπτισμαι, ‘durch Stampfen usw. Körner enthülsen, zerschroten’ (ion. att.). vereinzelt mit Präfix wie περι- und κατα-, Davon πτισ-άνη f. (-ανον n. Nik.) ‘Gerstengraupen, Gerstengrütze’ (Hp., Kom., Pap. u.a.); -μός m. ‘das Enthülsen’ (Korn.), -μα n. ‘Gerstengraupen’ (Str.; περιπ[τ]ίσματα pl. Sch.; Jacobsohn KZ 42, 276), -ις f. ‘das Enthülsen’ (Gal. u.a.), -τικός ‘zum Enthülsen geeignet’ (Kom.). — Alter Ausdruck der Landwirtschaft, in mehreren Sprachen erhalten, wenngleich genaue Entsprechungen der griech. Formen im ganzen fehlen. Zu bemerken indessen ἄ-πτισ-τος ‘unzerstampft’ (Hp.): aind. piṣ-ṭá-, lat. pis-tus ‘zermalmt’, wozu πτιστικός ‘zum Enthülsen geeignet’ (Kom.). Auch alle übrigen sowohl nominalen wie verbalen Formen gehen von πτισ- aus (s. oben) mit Ausnahme vom Präsens πτίσσω, das nach πλάσσω, πάσσω u. a. neugebildet wurde (vgl. Schwyzer 692 m. Lit. und Ref. anderer Auffassungen). Die anderen Sprachen weichen bildungsmäßig ab: aind. und lat. mit den Nasalpräsentia pi-ná-ṣṭi (Perf. pi-péṣ-a, pi-piṣ-e; vgl. ἔ-πτισ-μαι), pī-n-sō (mit neugebildetem pīns(u)ī; daneben pis-tor usw.) ‘zermalmen’; balt. und slav. mit den Sekundärbildungen lit. pais-aũ, -ýti ‘die Grannen abschlagen’ (neben dem primären pis-ù, -ti ‘coire cum femina’), slav., z.B. russ. pich-áju, -átь ‘stoßen, stampfen’ (neben dem primären pšeno ‘Hirse’ von *pьšenъ Ptz. ‘gestampft’). Zu πτ- gegenüber sonstigem p- vgl. zu πτέρνη. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 1 ff., Pok. 796 und in den Spezialwörterbüchern der Einzelsprachen. II-614-615
πτοέω, ep. πτοιέω (s.u.; πτοιῶμαι Thgn. 1018), Fut. πτοιήσω (AP), Aor. πτο(ι)ῆσαι (seit σ 340; ἐπτόαισ’ Sapph. 22, 14, ἐπτόασεν 31,6 codd.; vgl. Hamm Gramm. ̨ 49 b 3), meist Pass. πτο(ι)ηθῆναι (seit χ 298; ἐπτοάθης E. IA 586 [lyr.]), Perf. ἐπτο(ί)ημαι (seit Hes. Op. 447), ‘scheuchen, in Furcht setzen, ängstigen’, Pass. ‘scheu, erschreckt, leidenschaftlich erregt werden’. auch m. Präfix, z.B. δια-, ἐκ-, Davon 1. πτο(ί)η-σις f. ‘Erregung, Leidenschaft’ (Pl., Ph., NT u.a.); 2. πτο-ία, ep. -ίη, selten -η, -α f. ‘Furcht, Leidenschaft’ (hell. u. sp.) mit πτοι-ώδης (Hp. u.a.), -αλέος (Opp.) ‘erschreckt, ängstlich’. — Sekundärbildung, wahrscheinlich iterativintensiv zu dem in κατα-πτή-την, πε-πτη-ώς erhaltenen primären Verb (s. πτήσσω); πτο-έω wohl somit für *πτω-έω (vgl. πτώ-ξ). Aus πτοέω mit metrischer Dehnung πτοιέω usw. (vgl. z.B. ὀλοιός und πνοιή). Neben πτοέω ganz vereinzelt πτοάω (s. ob.) wie z.B. πονάω neben πονέω (s. πένομαι). — Die alte Kombination mit lat. paveō ‘zittern, beben’ (Froehde KZ 22, 259 usw.) wird von Merlingen Μνήμης χάριν 2, 56 von einem neuen Ausgangspunkt (idg. tpou̯-) aufgenommen. II-615
πτολίεθρον — Dazu noch Ruijgh L’élém. ach. 77 f. s. πόλις. II-615
πτόρθος m. ‘Sprößling, Trieb, junger Zweig, Ast’ (seit ζ 128) Vereinzelt u. sp. als Hinterglied, z.B. φιλό-πτορθος ‘Sprößlinge liebend’ (Nonn.). Die geläufige Annahme, daß πτόρθος bei Hes. Op. 421 in einer älteren abstrakten Bed. ‘das Sprießen’ stünde (z.B. Porzig Satzinhalte 50), scheint nicht notwendig. mit πτορθ-εῖον n. ‘ds.’ (Nik.), -ιος m. Bein. des Poseidon (als Förderer der Vegetation, = φυτάλμιος (Chalkis Va). — Unerklärt. Vermutungen von H. Petersson KZ 47, 272 f. (zu πόρτις usw.), von Cuny REIE 1, 102 ff. (zu παρθένος), von J. Trier Venus (Münstersche Forschungen 15 [1963]) 187ff. (zu nhd. Bart, ndl. baard ‘Reisig, Haarwuchs’). Älterer Versuch (von Brugmann) bei Bq. II-615
πτύον (Ν 588, A. u. S. in Fr., Theok.), nach Ael. Dion. u.a. (jung)att. πτέον n. ‘Worfschaufel’. Davon das Demin. πτυάριον n. (Hdn., EM) und δίπτυον· Κύπριοι μέτρον, οἱ δὲ τὸ ἡμιμέδιμνον H. — Seit alters (s. Curtius 498) mit aind. pávate, punā́ti ‘läutern, reinigen’, u.a. von Korn, dann auch mit ahd. fowen (urg. *fawjan) ‘sieben, Getreide reinigen’ (Prellwitz) verglichen (weiteres bei WP. 2, 13, Pok. 827), was sekundäres πτ- wie in πτέρνη, πτίσσω u.a. voraussetzt. Die nur von Gramm. erwähnte und von ihnen als att. (Ael. Dion. jungatt.) bezeichnete Form πτέον ist unerklärt (nach Kalén Quaest. gramm. gr. 13 ff. aus πτύον durch spontanen Wandel υ > ε; dazu noch Schwyzer 183 f.), sofern man nicht alte Hochstufe (mit sekund. πτύον nach πτύω?; vgl. Curtius a. O.) annehmen will. II-615-616
πτύρομαι, Aor. πτυρῆναι (sp.), ‘in Schrecken geraten, scheu werden’ (Hp., D. S., Ep. Phil., Plu. u.a.); ἀπο-πτύρω ‘in Schrecken versetzen’ (Gloss.). auch m. κατα-, Davon πτυρτικός ‘furchtsam, ängstlich’ (Arist., Str. u.a.), πτυρμός als Erklärung von πτοία (H., Phot.). — Unerklärt. Im Anlaut zu den bedeutungsähnlichen πτήσσω, πτοηθῆναι stimmend (von Persson Beitr. 1, 429 A. 1 und Merlingen Μνήμης χάριν 2, 56 damit verbunden), im Ausgang an die semantische Gruppe ὀδύρομαι. μύρομαι u.a. erinnernd; somit eine Kreuzung von beiden? —Nach Prellwitz (zustimmend Walde Stand u. Aufgaben 184) von einer Lautgebärde wie nhd. purr. Ältere Lit. mit abzulehnenden Hypothesen (lat. con-sternāre u.a.) bei Bq. II-616
πτύσσω, -ομαι, Fut. πτύξω, -ομαι, Aor. πτύξαι, -ασθαι, Pass. πτυχθῆναι, πτυγῆναι, Perf. πέπτυγμαι, ἔπτ-, ‘in Falten legen, falten, zusammenlegen’, Med. ‘sich falten’ (seit Il.). oft m. Präfix, z.B. ἀνα-, περι-, προσ-, Davon 1. πτυκτός ‘gefaltet’ (Ζ 169 u.a.; Ammann Μνήμης χάριν 1, 13) mit πυκτή f. (Cod. lnst.), πυκτ-ίς f. (AP, Gal.), -ίον n. (Sch., Suid.) ‘Täfelchen’ (dissim. aus πτ-; Schwyzer 260). 2. πτύγμα (πρόσ-, περί- u.a.) n. ‘Falte, Überschlag eines Gewandes, Kompresse’ (Ε 315, E., Arist., Mediz. u.a.) mit (προσ-)πτυγμάτ-ιον n. ‘Kompresse’ (Mediz. 3. πτύξις (ἀνά-, διά- u.a.) f. ‘das Falten, die Falte’ (Hp., Arist. usw.). — Daneben πτύχ-ες pl., Akk. -ας, sg. Dat. -ί (Hom.), Akk. -α (E. in lyr.) f.; mit Erweiterung πτυχ-ή, meist pl. -αί f. (nachhom. poet.) ‘Falte, Schicht, Lage’, übertr. ‘Schlucht, Tal’; es fungiert auch als Verbalnomen zu πτύσσω, namentlich zu den Präfixkompp. (z.B. ἀνα-πτύσσω : ἀναπτυχ-ή); als Hinterglied in δί-, τρί-, πολύ-πτυχος (seit Il.; Sommer Nominalkomp. 65 f.), mit Umbiegung in die σ-Stämme, z.T. verbal aufgefasst, in περι-πτυχ-ής ‘sich herumfaltend’ (S.), δι-πτυχ-ής (Arist.) u.a. Von πτυχή: 1. πτυχ-ίς, -ίδος (ὑπο-) f. ‘Schicht, Fuge’ (Plu. u.a.); 2. -ιον n. ‘gefaltetes Täfelchen usw.’ (Hdn. Gr., Pap.), -ιος = πτυκτός (EM); 3. -ώδης ‘falten-, schichtenartig’ (Arist.); 4. Πτυχ-ία f. N. einer Insel in der Nähe von Kerkyra (Th. u.a.). — Neben πτύσσω kommen ganz vereinzelt Formen mit -ττ- vor (δια-πτύττω Pl. Legg. 858e, προσ-ανα- ~ Arist.); -σσ- somit eher Ionismus als zur Vermeidung von τ: ττ (Schwyzer 319 A. 1; vgl. 755 A. 2) ? Als Jotpräsens steht πτύσσω für *πτύχ-ι̯ω; es läßt sich sonnt als denominativ zu πτύχ-ες auffassen. —Etymologisch dunkel. Die auf Brugmann Grundr.2 I 277 zurückgehende Zusammenstellung mit dem unklaren aind. pyúkṣṇa- (nur in dem Komp. pyúkṣṇa-veṣṭita-) ist aus mehreren Gründen sehr verdächtig; s. Mayrhofer s.v. Über andere Hypothesen s. Bq s.v., WP. 1, 189, W.-Hofmann s. fugiō (überall mit Recht abgelehnt). Vgl. noch Merlingen Μνήμης χάριν 2, 57. II-616-617
πτύ̄ω, Aor. πτύ-σαι (seit Hom.), Pass. πτυ-σθῆναι, -ῆναι (Hp.), Fut. πτύσ-ω, -ομαι (ion. att.), Perf. ἔπτυκα (sp.), ‘spucken, ausspeien’. oft m. Präfix, z.B. ἀπο-, ἐκ-, ἐν-, — An das langvokalige Präsens πτύ̄-ω (Schwyzer 686, Chantraine Gramm. hom. 1, 373) schließt sich der kurzvokalige Aorist πτῠ́-σαι nach ἐρῠ́-σαι, ἀρῠ́-σαι u.a.; danach πτῠ́-σις und mit anorganischem σ πτύσ-μα, -μός u. a. — Lautnachahmender Ausdruck, der sich in mehreren Sprachen in etwas wechselnder Gestalt wiederfindet: lat. spuō, germ., z.B. got. speiwan, lit. spiáu-ju, -ti, wozu noch aind. (niḥ-)ṣṭhvati (mit t-v aus p-v dissimiliert); ohne s- wie πτύω : aksl. pljujǫ, plǰьvati, arm. t‘uk‘ ‘Speichel’ mit t‘k‘-anem ‘spucken, speien’; mit anderer Lautfolge alb. pshtyj (Mann Lang. 26, 387). Griech. πτ- kann, wenn alt, sich mit arm. t‘ genetisch decken; wenn für älteres πι̯- bieten sich aksl. plǰujǫ und lit. spiáuju zum Vergleich. Über die Versuche, die unter sich abweichenden Wörter auf eine Urform zurückzuführen, orientieren Schwyzer 325 Zus. 3, WP. 2, 683 (Pok. 999f.), W.-Hofmann s. spuō (überall m. Lit.); dazu noch Collinder Ein indoeuropäisches Wohllautgesetz (Uppsala 1943) 9 f., 14. Wohlbegründete Bedenken gegen Ansetzung einer strikten Grundform für diesen volkstümlich — expressiven Ausdruck bei Persson Beitr. 1, 270 und Ernout-Meillet s. spuō. — Auch das Griechische bietet mehrere Wechselformen : ἀπο-, ἐκ-πῡ-τίζω (Hp., Kom., Arist. u.a.; Simplex πυτίζω nur EM), wohl expressiv erweitert mit gleichzeitiger Dissimilation; lat. LW pytissāre (vgl. Leumann Kl. Schr. 159 m.A.1); dor. ἐπι-φθύσδω = ἐπιπτύω (Theok.); ψύττει· πτύει und σίαι· πτύσαι. Πάφιοι H. mit σίαλον (s.d.). Davon 1. ἀπό-, κατά-πτυστος ‘aus-, anspuckenswert, abscheulich’ (Anakr., Trag., auch att. Prosa); 2. πτύσις (ἔκ-, ἔμ-, ἀνά-) f. ‘das Spukken’ (Hp., Arist. u.a.); 3. πτυσμός m. ‘ds.’ (Hp.); 4. πτύσμα (ἔμ-, ἀπό-, κατά-) n. ‘Speichel’ (Hp., Plb., LXX u.a.); 5. ἀπο-πτυστήρ m. " der Ausspucker" (Opp.); 6. πτυάς, -άδος f. Bez. einer giftigen Schlange (Gal. u. a.); 7. πτύ-αλον, -ελον n. (-ος m.) ‘Speichel’ (Hp., Arist. u.a.), wovon -αλώδης ‘speichelähnlich’, -αλίζω, -ελίζω ‘Speichel absondern’ mit -αλισμός (-ελ-) m. (Hp.). II-617-618
πτῶμα, πτῶσις s. πίπτω. II-618
πτώξ, -κός m. ‘Hase’ (P 676, Thphr., Theok.), attributivisch zu λαγωός (Χ 310, Babr.), vom schutzflehenden Orestes (A. Eu. 326), von einem Feigling (Lyk. 944). Als Hinterglied in πολυ-, ἀ-πτώξ ‘mit vielen bzw. ohne Hasen’ (Kall., Hdn. Gr.). Davon πτωκάς, -άδος f. Beiw. von αἴθυιαι (Hom. Epigr.), von κύπειρος (Simm.), als Subst. auf Vögel bezogen (S. Ph. 1093). — Eig. "der sich duckende, der schüchterne" als Nom. agentis neben πτώσσω, πτήσσω; diese Bed. schimmert noch bei πτωκάς durch und ist auch für πτώξ mitunter (z.B. Χ 310) denkbar. Auf eine weitere Verwendung von πτώξ lassen auch die vielen Erklärungen bei H. schließen: πτῶκες· δειλοί, λαγωοί, δορκάδες, ἔλαφοι, νεβροί. — S. πτήσσω; vgl. auch πτάκα und πτωχός. II-618
πτωχός m. (f.) ‘Bettler’, auch Adj. ‘bettelnd, arm’ (seit Od.). Einige Kompp., z.B. πτωχο-ποιός ‘Bettler darstellend’ (Ar.), ‘zum Bettler machend’ (Plu.), ὑπέρ-πτωχος ‘sehr arm’ (Arist.; Sommer Nominalkomp. 170 A. 3). Davon πτωχ-ικός ‘bettelhaft’ (att.; Chantraine Études 119), -εῖον n. ‘Armenhaus’ (Cod. Iust. u.a.), -εύω ‘betteln’ (seit Od.) mit -εία, ion. -ηΐη f. ‘Bettelhaftigkeit’ (ion. att.), -ίζω ‘zum Bettler machen’ (LXX). — Gutturalbildung wie πτώξ, πτώσσω (s. dd. und πτοέω) mit volkstümlichexpressiver Aspiration, aber ohne direktes Gegenstück; vgl. immerhin, mit kombiniertem ρ-Suffix, das synonyme πενι-χρός (s. πένομαι). Mit dem weit späteren Perf. ἔπτηχα (Schwyzer 458 u. 772) besteht kein unmittelbarer Zusammenhang. II-618
πῡγή f. ‘der Hintere, Steiß’ (seit Archil.). Mehrere Kompp., z.B. πυγο-στόλος ‘den Steiß schmückend’ (Hes.; Martinazzoli Par. del Pass. 15, 209ff.), κατά-πυγος (H., Phot.) mit -πυγότερος, -πυγότατος (Sophr., Epigr. Gr.), sonst -πύγων, -ωνος m. ‘wollüstig, geil’ (Arist. u.a.); f. κατα-πύγαινα (att. Amphora; Ed. Fraenkel Glotta 34, 42ff. m. Lit.); zum Insektennamen πυγο-λαμπίς (Arist. u.a.) s. Strömberg Wortstud. 13f. Davon 1. die Deminutiva πυγ-ίον n. (Tab. Defix.), -ίδιον n. (Ar.); 2. die Subst. πυγ-αῖον n. ‘der Hintere’ (Hp., Arist. u.a.), -εών, -ῶνος m. ‘Gesäß, After’ (Hippon. 92; nach κενεών, vgl. Masson z.St.); 3. die Adv. -ηδόν ‘mit dem Hinteren voran, After gegen After’ (Arist.), -ιστί Bed. unklar (Hippon. 92; vgl. Masson z.St.); 4. das Verb -ίζω ‘paedico’ (Ar. u.a.) mit -ισμα (Theok.). — Hypostase ἐμ-πύγ-ια n. pl. ‘Aftergegend’ (Pap. Ia). Wort der Alltagssprache, vom Anstandsgefühl der ep. Dichtung und der höheren Lit. im ganzen vermieden (Wackernagel Unt. 225 f.). — Ohne überzeugende Etymologie. Auf die lautliche Identität mit aind. pūga- ‘Menge, Masse’ usw. (Wood IF 18, 29, Persson Beitr. 1, 244 f.) ist nicht viel zu geben; s. Mayrhofer s.v. und unten zu πύννος. Nach Holthausen IF 20, 329 dagegen zu πύξ, πυγμή (s.d.) wie nhd. Steiß zu stoßen, semantisch gewiß vorzuziehen, aber trotzdem, u. a. wegen der Vokallänge, zweifelhaft. Noch anders Bezzenberger BB 27, 176f. (zu πύματος usw.; s.d.). Abzulehnende Kombinationen mit dem German. bei Holthausen KZ 74,244. II-618-619
πυγμή f. ‘Faust, Faustkampf’ (seit Il.); als Längenmaß = ‘die Weite vom Ellbogen bis zu den Knöcheln’, 18 δάκτυλοι (Thphr., Poll.). Davon πυγμαῖος ‘groß wie eine π., zwerghaft’ (Hdt., Arist. u.a.), Nom. pl. "die Fäustlinge", N. eines fabelhaften Zwergvolkes, das verschieden lokalisiert wurde (Γ 6, Hekat. usw.); πυγμ-ικός ‘zum Faustkampf gehörig’ (An. Ox.). Kurzname Πυγμᾶς m. (Chantraine Études 18). — Zu Πυγμαλίων, wohl volksetymologische Zurechtlegung eines Fremdworts, s. Ruijgh L’élém. ach. 136. — πυγών, όνος m. Längenmaß = ‘die Weite vom Ellbogen bis zum ersten Fingergelenk’, 20 δάκτυλοι (Hdt., X. u.a.); davon πυγούσιος ‘einen π. lang’ (κ 517 = λ 25, Arat.), wohl analogisch (Risch 115); ein *πυγοντ- (vgl. Schwyzer 526) ist nicht glaubhaft; regelmäßig πυγον-ιαῖος ‘ds.’ (Hp., Thphr. u.a.). — πύκτης m. ‘Faustkämpfer’ (Xenoph., Pi., att.) mit πυκτ-ικός ‘zum Faust- kämpfer (Faustka.mpf) gehörig, im Faustkampf tüchtig’ (att.), -οσύνη f. ‘Geschicklichkeit im Faustkampf’ (Xenoph.; Wyss -σύνη 31), -εύω ‘Faustkämpfer sein, den Faustkampf treiben’ (att., böot.) mit -ευσις, -ευτής (Gloss.), -εῖον (Suid.); auch mit analog. λ-Erweiterung -αλεύω (Sophr.), -αλίζω (Anakr.) ‘ds.’.—πύξ Adv. ‘fäustlings, im Faustkampf’ (vorw. ep. poet. seit Il.); davon πυγ-μάχος m. ‘Faustkämpfer’, -μαχέω, -μαχία, -ίη (ep. poet. seit Hom.), Univerbierung aus πὺξ μάχεσθαι; vgl. Georgacas Glotta 36, 180. — Die obigen Wörter sind alle auf einem Element πυγ- gebaut, dessen Funktion sich sowohl verbal wie nominal auffassen läßt. Zu πυγ-μή vgl. in erster Linie primäre Bildungen wie παλάμη (s.d.), στιγ-μή, δραχ-μή, aber auch das ambivalente ἀκ-μή und das rein nominale ἅλ-μη. An πυγ-ών erinnern ἀγκ-ών, λαγ-ών, ersteres vielleicht verbal, letzteres wohl nominal (s. zu λαγαίω). Auch πύκ-της läßt sich sowohl primär wie sekundär auffassen; für πύξ liegt nominaler Ursprung am nächsten (s. Schwyzer 620); vgl. noch πύξ· πυγμή H. — Eine entsprechende l-Ableitung liegt in lat. pug-il m. ‘Faustkämpfer’ vor, eine n- Bildung in pug-nus m. ‘Faust’ (wozu pugnāre, pugna; mit πυγ-ών bildungsmäßig zu verknüpfen?). Wir kommen somit zunächst auf ein lat. -gr. pug- ‘Faust’ zurück. Von Fick, Walde u.a. (s. Bq, WP. 2, 15 und W.-Hofmann s. pugil) wird diese Gruppe weiter mit pu-n-g-ō, pu-pug-ī ‘stechen’ verbunden, wobei eine Spezialisierung von ‘stechen’ zu ‘mit geballter Faust und vorgestrecktem Knöchel stechen’ = ’boxen’ anzunehmen wäre; somit pug- ‘Faust’ als suffixloses Nom. ag. eig. * "der Stecher, der Boxer"? Die (urspr.) Bed. ‘stechen’ liegt noch vor in lat. pūgiō ‘Dolch’, ebenso, mit auslaut. Tenuis, in πεύκη u. Verw. (s.d.). II-619-620
πυδαρίζω (-αλίζω Suid.) ‘mit dem Fuß, dem Huf ausschlagen’ (App. Prov.), nach EM = λακτίζειν, nach H. = τὸ μὴ ἀνέχεσθαί τινος, ἀλλ’ ἀποπηδᾶν, χαλεπαίνειν; mit ἀπο- (Ar. Eq. 697), δια-(Kom. Adesp.), beide mit ῡ (metr. bedingt?); davon πυδαρισ-μός = δυσχέρεια (Zon.). — Volkstümlichexpressive Bildung auf -αρίζω (-αλίζω); sonst isoliert. Grošelj Živa Ant. 3, 205 vergleicht lat. pudet (eig. ‘schlägt nieder, ist niedergeschlagen’ ?), gr. σπεύδω und lit. spáudžiu, spáusti ‘drücken, pressen’. Vgl. noch W.-Hofmann s. tripudium m. Lit. II-620
πύελος, hell. u. sp. πύαλος f. ‘Wassertrog’ (mit eingeweichten Körnern?, τ 553), ‘Badewanne’ (Hp., Kom., Pap.), ‘Sarg’ (hell. u.sp.; vgl. Schulze Q. 515 u. Kl. Schr. 380A.1). Davon πυέλ-ιον n. ‘Sarg’ (Kreta, Diogenian.), -ίς (-αλίς), -ίδος f. ‘ds.’. auch ‘Einfassung eines Juwels, Augenhöhle usw.’ (att. hell. u.sp.); -ώδης ‘trogähnlich, hohl’ (Arist.). — Aus *πλυ-ελος dissimiliert; Nomen instr. od. loci zu πλύνω (πλυ-τός, πλύ-σις u.a.). — Abzulehnende Deutung von Masing; s. Kretschmer Glotta 6, 308. II-620
πυθμήν, -ένος m. ‘Boden eines Gefäßes, des Meeres usw., Grund. Grundfläche, Unterlage, Fuß, z.B. eines Bechers, einer Pflanze, d.h. Wurzelende, Stock, Stamm’ (vorw. ep. poet. seit Il., hell. u. sp. Prosa), ‘die niedrigste Zahl (Grundzahl) einer arithmetischen Reihe’ (Pl. u.a.). Vereinzelt als Hinterglied. z.B. ἀ-πύθμεν-ος ‘ohne Boden, ohne Fuß’ (Thphr. u.a.; Sommer Nominalkomp. 99); daneben (Gramm.) ohne them. Vokal ἀ-πύθμην ‘ds.’ (Theognost.) u.a. Ganz seltene Ableitungen: Demin. πυθμέν-ιον n. (Pap. u.a.), -ικός ‘zur Grundzahl gehörig’, -έω ‘eine Grundzahl bilden’ (sp.). — Bildung wie λιμήν, ποιμήν (Schwyzer 522, Chantraine Form. 174; nicht produktiv). Bis auf das Suffix stimmt πυθ-μήν ganz zu aind. budh-ná- m. ‘Boden, Grund, Fuß, Wurzel’, idg. bhudh-. Auch morphologisch lassen sich indessen diese Wörter zusammenbringen, wenn man budh-na- auf *bhudh-mn-o-(bzw. *bhudh-mo-, durch Dissim.) zurückführen darf. Auch das Germ. zeigt in den hierhergehörigen Formen sowohl mwie n-Suffix: ags. botm (> engl. bottom), asächs. bodom, ahd. bodam (> Boden) gegenüber ags. bodan, anord. botn; erklärungsbedürftig ist auch der Wechsel des Dentals (idg. d ~ dh; auch t?). Noch ferner steht lat. fundus ‘Boden usw.’, mit dem mir. bond, bonn ‘Sohle, Grundlage’ identisch sein kann (idg. *bhund(h)o-). Der innere Nasal steht allem Anschein nach mit dem Nasalsuffix in *bhudh-no- im Zusammenhang und kann auf alter Metathese beruhen, da entsprechende Formen auch aufindoiran. Gebiet erscheinen, z.B. aw. bū̆nam. ‘Grund, Boden’ (aus *bundna-?), prākr. bundha- m. ‘Boden eines Gefäßes’; s. Mayrhofer s. budhnáḥ m. Lit.; vgl. noch πύνδαξ. — Obgleich sich somit das suffixale Element gegen die Wurzel klar abzeichnet, bleibt letztere isoliert. Vielleicht ist die Geschichte dieser Wortgruppe verwickelter als die geläufige Analyse vermuten läßt. Hypothesen darüber bei Bq und Ernout-Meillet s. fundus (nach Vendryes MSL 18, 305 ff.); weitere reiche Lit. bei W.-Hofmann s. fundus (WP. 2, 190, Pok. 174). Ein Wort dieser weitverzweigten Bed. ist auch allerhand Assoziationen mit anderen Wortgruppen und daraus folgenden formalen Entgleisungen unterworfen. Zur Bed. im allg. Kretschmer Glotta 22, 115ff. (gegen Porzig WuS 15, 112 f.); fürs Griech. bes. Furumark Eranos 44, 45 ff. II-620-621
πύθομαι nur Präs.stamm außer καταπέπυθα· κατερρύηκα H.; πύθω, Fut. πύσω, Aor. πῦσαι (πύσαι Kall.) ‘verfaulen machen, vermodern lassen’, beide auch mit κατα-(ep. seit Il.; über das Alter der Belege Wackernagel Unt. 133). Davon πυθεδόνες pl. f. ‘Eitergeschwüre’ (hell.; nach σηπεδών u.a.). ‘faulen, verwesen’, Daneben πύον, πύος n. ‘Eiter’ (Hp., Arist. u.a.); als Hinterglied in σαρκό-πυον n. ‘eiterndes Fleisch’ mit -πυώδης (Hp.); Adj., z.B. ἔμ-πυος ‘eiternd, voll eiternder Geschwüre’ (Hp., att.) mit ἐμπυό-ομαι ‘eitern’ (Hp.). Denominativa m. Präfix: ἐκ-, ἐμ-, ἀπο-, δια-πυ-έω (-έομαι), -ίσκομαι (sp. -ίσκω) ‘eitern’ nnt -πύ-ησις, -ημα, -ηματικός, -ητικός, -ικός (Hp. u. and. Mediz.); späte Simplizia: πύ-ησις, -ητικός (Aret., Gal.). — Neben der θ-Erweiterung in πύ̄-θομαι, -θω (βρί-θω, πλή-θω u.a.; Schwyzer 703), die auch für πύσω, πῦσαι vorausgesetzt werden kann, steht im Aind. ein Jotpräsens pū́-ya-ti ‘faulen’ mit der Rückbildung pū́ya- m. n. ‘Eiterung, Eiter’ (somit nicht mit πύον identisch), im Balt. ein Nasalpräsens pū-nù und pū-vù (d.i. pų-vù) ‘ds.’, im Germ. ein isoliertes Ptz. awno. fūinn ‘verfault’. Auf ein unerweitertes primäres Verb gehen auch die Nomina πύον, πύος zurück, die in arm. hu, Gen. hu-oy (o-St.) ‘eitriges Blut’ und lat. pūs n. (aus *puu̯os od. *peu̯os?) ihre nächsten Gegenstücke haben. Ob die Kausativbildung lit. pū́-dau, -dyti ‘verfaulen lassen’ mit πύθω direkt zu verbinden ist, bleibt angesichts der starken Produktivität dieser Kategorie im Baltischen ganz ungewiß. Von den sehr zahlreichen Vertretern dieser Sippe, die wahrscheinlich in einer Interjektion pu ‘pfui’ wurzelt, seien nur noch erwähnt lat. pūteō ‘faulen’, pŭter, -tris, -tre ‘faul, morsch’, germ., z.B. got. fūls ’faul’; weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 2, 82, Pok. 848f., W.-Hofmann s. pūs, Fraenkel s. pū́ti, Mayrhofer s. pū́yati. Abzulehnen Specht Sprache 1, 46 (: mit ‘rein’ in lat. pūrus usw. identisch). — Hierher auch 2. πυός ‘Biestmilch’; s. d. II-621-622
Πῡθώ, -οῦς f. älterer N. für Delphi (seit Il.); auch Πυθών, -ῶνος f. (Β 519 usw.; nach den Ortsbez. auf -ών). Davon u.a. Πύθ-ιος ‘pythisch, delphisch’, bes. N. des Apollon (h. Ap., Pi. usw.). auch -αῖος, -αεύς ‘ds.’ (dial.), f. -ιάς, -ιάδος (Pi. usw.); -ία, -ίη ‘die pytische Priesterin, Pythia’ (Hdt. usw.), -ικός ‘pythisch’ (seit A.; Chantraine Études 116ff., 124). — Ohne befriedigende Etymologie. Von den Alten gewöhnlich mit πύθομαι ‘verwesen’ verbunden (h. Ap. 371 ff., Paus. 10, 6,5) nach dem Verwesen des von Apollon getöteten Drachen, nach S. (OT 70 f., 603 f. u.a.) dagegen auf πυθέσθαι, πυνθάνομαι bezogen, was schon von Str. 9, 419 wegen der Länge des υ in Πυθώ beanstandet wird. Ausführlich Lauffer P. -W. 24, 571 ff. II-622
πύκα Adv. ‘dicht, fest’, übertr. ‘sorgfältig, verständig’ (Hom.). Daneben πυκάζω, dor. -άσδω (Theok.), Aor. πυκά-σ(σ)αι, Pass. -σθῆναι, Perf. Med. πεπύκασμαι, ganz vereinzelt mit περι-u.a., ‘festmachen, eng umschließen, dicht umhüllen, bedecken’ (ep. poet., auch sp. Prosa) mit πύκασμα n. ‘umhüllter, bedeckter Gegenstand’ (Sm.). Adj. πυκνός, ep. lyr. auch πυκινός, ‘dicht, fest, zusammengedrängt, zahlreich, stark, tüchtig, klug’ (seit Il.), oft als Hinterglied, z.B. πυκνό-σαρκος ‘mit festem Fleisch’ (Hp., Arist.). Davon πυκν-ότης f. ‘Dichtheit, Gedrängtheit usw.’ (ion. att.), -άκις = πολλάκις (Arist.), -όω ‘dicht, festmachen usw.’ (ion. att.) mit -ωμα, -ωσις, -ωτικός; -άζω ‘zahlreich sein’ (EM, Gloss.). Als Vorderglied πυκι- in πυκι-μηδής (-μήδης) = μήδεα πυκνά (Γ 202, 208) ἔχων, ‘mit festem Sinn, bedachtsam, verständig’ (α 438, h. Cer., Q. S.; Bechtel Lex. s.v.). — Zu ἄμπυξ s. bes. — Die Formen πύκα : πυκνός : πυκι-μηδής bilden ein System; zu πύκα: πυκνός vgl. bes. die bed. ähnlichen θαμά : θάμνος (s. dd.). Dazu πυκινός (nach πυκι-μηδής?) wie (die analogisch gebildeten?) θαμινός, ἁδινός u.a. (Schwyzer 490). Abzulehnen Szemerényi Syncope in Greek and I.-Eur. 82 ff., 87 ff. (auch zur Etymologie) : πυκνός, θάμνος aus πυκινός, *θάμυνος synkopiert. Die weitere Analyse ist hypothetisch. Das sicher zusammengehörige Wortpaar ἄμ-πυξ : aw. pus-ā ‘Diadem’, das zu πρόσ-φυξ : φυγ-ή stimmt, läßt auf ein primäres Verb idg. *puḱ- ‘festmachen usw.’ (WP. 2, 82, Pok. 849) schließen, das im Griech. durch πυκάζω ersetzt wurde. Als Denominativ von πύκα ohne Zweifel erklärbar (Schwyzer 734), läßt sich πυκάζω wegen des sehr beschränkten Gebrauchs von πύκα ebensowohl als eine formale Erweiterung des älteren primären Präsens verstehen. — Gegen Heranziehung von alb. puth ‘ich küsse’, puthtohem ‘kleide mich eng, schnüre mich, umarme’ (seit G. Meyer Alb. Wb. 356) Szemerényi a. O. Toch.A puk ‘all, ganz, jeder’ bleibt schon wegen der B-Form po fern; vgl. v. Windekens Lex. étym. s.v. II-622-623
πυκτή, -τίον, -τίς s. πτύσσω. II-623
πυλεών, -εῶνος (H. auch πυλών) m. ‘Kranz’ (Alkm., Kall. Fr., Pamphil. ap. Ath.); πύλιγγες· αἱ ἐν τῇ ἕδρᾳ τρίχες. καὶ ἴουλοι, βόστρυχοι, κίκιννοι H. — Bildungen wie ποδ-εών, λυχν-εών bzw. θώμ-ιγγες, λά-ιγγες u.a. von einem unbek. Grundwort, etwa *πύλος. Dazu stimmen auffallend aind. pulakāh m. pl. ‘das Sträuben der Körperhaare’ (pula- ‘ds.’ Lex.) und pulastí(n)-’schlichthaarig’, die ebenfalls ein *pula- vorauszusetzen scheinen. Aus dem Iran. wird noch hierhergezogen kurd. pūr ‘Kopfhaar’, aus dem Kelt. mir. ulcha ‘Bart’, ul-fota ‘langbärtig’. Lidén Streitberg-Festgabe 226f. Ält. Lit. bei Bq und WP. 2, 84 (Pok. 850), auch bei W.-Hofmann s. 2. pĭlus ‘Haar’ (nicht hierher). Zweifel bei Mayrhofer s. pulakāḥ. Unhaltbares zur Morphologie bei Specht Ursprung 209 u. 217. — Gegen "hylläische" Herkunft (zu φύλλον usw.; Barić) Mayer Glotta 32, 75. II-623
πύλη f. ‘Tür-, Torflügel’, meist im Plur. ‘Tor, Pforte’, bes. vom Stadttore, Tore eines Lagers u. dgl. (seit Il.); ‘Eingang, Zugang, Engpaß usw.’, auch als ON (Pi., Emp., ion. att.). Mehrere Kompp., z.B. πυλ-άρτης m. ‘Torschließer’, Beiwort des Hades, auch als PN (Hom.), zu ἀρ- in ἀραρίσκω (s.d.) mit univerbierendem τη-Suffix (Bechtel Lex. s.v., Fraenkel Nom. ag. 1. 31m. A. 2); πυλ-ωρός, ep. πυλᾰ-ωρός, Hdt. πυλ-ουρός, H. πυλ-αυρός (dor.), -ευρός (ion.) ‘Torwart, Wächter’ (seit Il.); zum Komp.vokal und Hinterglied s. zu ὁράω und Schwyzer 438, Leumann Hom. Wörter 223 A. 20 : 2c, Chantraine Gramm. hom. 1, 161; ἑπτά-πυλος ‘siebentorig’ (ep. lyr. seit Il.); ON Θερμο-πύλαι pl. (Simon., Hdt. usw.); die att. Redner u.a. dafür Πύλαι, vgl. Risch IF 59, 267. Davon 1. das Demin. πυλ-ίς, -ίδος f. (ion. att.); 2. -ώματα pl. n. ‘Tor’ (A, E.; vgl. Sommer Zum Zahlwort 9A.1), formale Erweiterung (Chantraine Form. 186f.); 3. -εών (sp.), -ών (Arist., hell. u.sp.). -(ε)ῶνος m. ‘Torraum, Torweg, Torgebäude’; 4. Πυλ-ᾶτις, -ιδος f. ‘zu Πύλαι gehörig’ (S. in lyr.), -αῗτις, -ιδος f. ‘zum Tor gehörig’ (Lyk. 356; für Πυλᾶτις?; vgl. Redard 10 u. 212). 5. πυλαῖος ‘zum Tor gehörig’ (sp.), ‘zu Πύλαι gehörig’ (Deme- ter; Kall.); PN Πύλαιος (Β842); Πυλαία, -ίη f. Bew. der amphiktyonischen Versammlung in Πύλαι (ion. att.); davon Πυλαιασταί m. pl. eig. *"Mitglieder der Πυλαία" (zur Bild. Fraenkel Nom. ag. 1, 175ff.; kaum richtig Bechtel Dial. 2, 655), übertr. ‘Marktschreier, Lügner’ (Phot., Suid.; rhod. nach H.); wohl auch πυλαϊκός ‘gauklerisch’ (sp.). 6. Denom. Verb πυλ-όομαι, -όω ‘mit Toren versehen (werden)’ (Ar., X.). — Im Gegensatz zur altererbten θύρα ohne Etymologie; somit wohl technisches LW wie viele andere Ausdrücke der Baukunst (z.B. μέγαρον; s. noch Schwyzer 62). Vergebliche Deutungsversuche bei Bq (abgelehnt). Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pél. 130f. II-623-624
πύματος ‘der äußerste, letzte’ (ep. lyr. seit Il.). — Erstarrter Superlativ ohne außergr. Entsprechung; Vermutung über die Bildung Schwyzer KZ 63, 60. Entfernter Zusammenhang kann bestehen mit aind. púnar ‘zurück, wieder, ferner’. schwerlich dagegen mit ahd. fon(a) ‘von’ (idg. *pu-n-??; aber asächs. fan(a) ‘ds.’ mit urspr. -o-). Wie idg. *po (z.B. in lat. po-situs) als Schwundstufe von *apo ‘ab, weg’ betrachtet wird, soll *pu neben *apu stehen, das indessen nur in ark. kypr. lesb. thess. ἀπύ zu belegen ist und dort rein lautlich aus ἀπό entstanden sein kann. — Schwyzer-Debrunner 444 m. A. 3 u. weiterer Lit.; s. noch πύννος; auch πρυμνός. Für eine besondere Präp. pu Bechtel Lex. s. πύματος (nach Bugge BB 14, 68). II-624
πύνδαξ, -ακος m. ‘Boden eines Gefäßes’ (Pherekr., Arist. u.a.), übertr. = ‘Knauf des Schwertes’ (S. Fr. 311). — Bildung wie κάμαξ, πίναξ, στύραξ usw. usw.; sonst an das gleichbedeutende lat. fundus erinnernd und sich damit auch an πυθμήν (s.d.) anschließend. Inlaut. -νδ- für -νθ- läßt sich wie -μβ- in ὄμβρος u.a. (Schwyzer 333) erklären; zu π- für φ- sind mehrere Auswege versucht: Umbildung nach πυθμήν (Curtius u. a.); germ.-maked. LW (Kretschmer Glotta 22, 115ff.; vgl. zu πύργος); maked. LW (Pisani Rev. int. ét. balk. 3,18ff.); pelasgisch (Carnoy Ant. class. 24, 22). Weiteres zu πύνδαξ u. Verw. Mayer Glotta 32, 73f. (hierher mit Porzig WuS 15, 129, Kretschmer a. O. auch der O N Πύδνα). II-624-625
πυνθάνομαι (seit Od.), ep. vorw., poet. auch πεύθομαι (metr. bequemer; Chantraine Gramm. hom. 1, 111, 282, 308), Fut. πεύσομαι, Aor. 2. πυθέσθαι, redupl. Opt. πεπύθοιτο, Perf. πέπυσμαι, ‘erfahren, vernennen, sich erkundigen, erfragen, erforschen’ (seit Il.); Akt. πεύθω, πεῦσαι ‘kundtun, vor Gericht laden’ (Kreta). auch m. Präfix, z.B. ἀνα-, ἐκ-, προ-, Davon, mit Schwachstufe: 1. πύστις f. ‘das Fragen, Nachforschung, Kunde’ (att. seit A.; vgl. unten) mit πυστι-άομαι ‘ausfragen’ (Plu., Phot., H.); 2. πύσμα n. ‘Frage, Ausfragung’ mit -ματικός ‘zur Frage dienend, fragend’ (sp.); 3. πυστός (EM, Eust.), immer als Hinterglied, bzw. zu den Präfixkompp., z.B. ἄ-πυστος, ἀνά-πυστος (seit Od.). Mit Hochstufe: 4. πευθώ f. ‘Kunde’ (A. Th. 370); 5. πεῦσις (ἀνά-) f. ‘Erkundigung’ (Ph., Plu. u.a.; älter πύστις, vgl. Fraenkel Glotta 32, 27 m. Lit.); 6. πευθήν, -ῆνος m. ‘Späher’ (Luk., Arr. u.a.; Solmsen Wortforsch. 143); 7. Adj. πευστικός ‘ausfragend’ (A. D., Ph. u.a.); 8. als Hinterglied, nach den ες-Stämmen (Schwyzer 513), -πευθής, z.B. ἀ-πευθ-ής ‘unerforscht, unkundig’ (ep. poet. seit Od.); 9. mit Dentalsuffix φιλό-πευσ-τος (Phot., Suid.),-της (Ptol.) ‘der das Fragen liebt’ mit -πευστέω, -πευστία (hell. u. sp.; den entsprech. Adj. geschichtlich vorausgehend). — Das hochstufige thematische Wz.präsens πεύθομαι hat genaue formale Entsprechungen in mehreren Sprachen : aind. bódhati, Med. -te ‘wachen, aufmerksam sein, verstehen’, aw. baoδaiti, -te ‘ds.’, auch ‘riechen nach’, germ., z.B. got. ana-, faur-biudan ‘befehlen, anordnen’ bzw. ‘verbieten’, awno. bjōða ’bieten, anbieten, zu erkennen geben’, slav., z.B. aksl. bljudǫ, bljusti ‘wahren, hüten, beobachten’, russ. bljudú, bljustí ‘beobachten, wahrnehmen’, idg. *bheudh-e(-ti, -tai) ‘nimmt wahr, ist aufmerksam’. Die abweichende Bed. des germ. Verbs stimmt in der Hauptsache zum (wahrscheinlich sekundären) aktiven kret. πεύθω und hängt mit einer alten Opposition der Diathesen zusammen; eine entsprechende Bed. zeigt u.a. das aind. Kausativum bodháyati ‘erwecken, belehren, mitteilen’. Die Bed. ‘sich erkundigen, erfragen’ ist eine griech. Neuerung. — Mit (ἐ-)πύθοντο deckt sich genau aind. budhánta als damit uridentisch; völlige formale Kongruenz herrscht ebenfalls zwischen (ἄ-)πυστος und aind. buddhá-, das indessen als Ptz. zum Kaus. bodháyati fungiert (’erweckt, er- leuchtet’), wozu noch aw. hupō.bus-ta- ‘wohl durchduftet’; ebenso wie zwischen πύστις und aind. buddhi- f. ‘Einsicht, Verstand, Geist’, zwischen (ἀ-)πευθής und aw. baoδah- n. ‘Wahrnehmung’; in allen diesen Fällen ist mit unabhängigen Neubildungen zu rechnen. Ein nasaliertes Präsens wie πυν-θάνομαι begegnet noch in lit. bu-n-dù, Inf. bústi ‘erwachen’ (mit dem suffigierten Kaus. búd-inu, -inti) und im Kelt., z.B. air. ad-bond- ‘ansagen, verkünden’. Durch die starke Produktivität dieser Bildungen wird auch hier Urverwandtschaft in Frage gestellt; vgl. Schwyzer 701 m. Lit. — Weitere Formen aus den verschiedenen Sprachen mit reicher Lit. bei WP. 2, 147f., Pok. 150, Mayrhofer s. bódhati, Fraenkel s. budė́ti, Vasmer s. bljudú. II-625-626
πύννος · ὁ πρωκτός H. Daneben πουνιάζειν· παιδικοῖς χρῆσθαι. πούνιον γὰρ ὁ δακτύλιος (= anus) H. — Volkstümliches Wort mit expressiver Gemination (Meillet BSL 26, 15f., Specht KZ 62, 213f.). Die allg. Ähnlichkeit mit πυγή (s. d.), aind. putau ‘die beiden Hinterbacken’ (nur Lex. Xp), lett. pun(i)s ‘Beule, Knollen’, lit. putà f. ‘Schaumblase’ u.a. ist besonders von Persson Beitr. 1, 241 ff. besprochen worden mit weiterem Anschluß an peu-, pū̆- ‘(auf)blasen’. Weiteres bei WP. 2, 79ff., 82 (auch zu pū̆- ‘stinken’?), Pok. 847ff.; dazu noch Bechtel Dial. 2, 379, Specht Ursprung 217; auch W.-Hofmann s. puppis, Fraenkel s. pūnė̃ 2., Mayrhofer s. putau. II-626
πύξος f. ‘Buchsbaum, -holz’ (Arist., hell.), myk. pu-ko-so (vgl. Scardigli Minos 6:2, 1f.). Vereinzelte Kompp., z.B. παρά-πυξος ‘mit π. furniert’ (Kratin.). Davon 1. πυξ-ίον n. ‘Schreibtafel (aus π.)’ (Kom.); 2. -ίς f. ‘Büchse (aus π.)’ (hell. u. sp.); 3. -ίδιον n. Demin. zu 1. u. 2. (Ar., Pap.); 4. πύξ-ινος ‘von π., π.-farben’ (Ω 269, att.); 5. -ίνεος ‘ds.’ (AP); 6. -ώδης ’π.-ähnlich’, von der Farbe (Dsk.); 7. -(ε)ών, -(ε)ῶνος ‘Buchsbaumhain’ (Gramm.); 8. -ίζω ’π.-farben sein’ (Mediz.); 9. Πυξοῦς, -οῦντος m. Fluß und Stadt in Lukanien, lat. Buxen-tum (Krahe Beitr. zur Namenforsch. 2, 233 m. Lit.); auch 10. Πυξίτης m. Fluß unweit Trapezunt in Kleinasien (Arr. u.a.; Redard 175)? — Fremdwort unbekannter Herkunft. Nach Scardigli Sprache 6, 220 ff. (wo ausführliche Behandlung m. Lit.) kleinasiatisch, u. zw. wie arm. boys ‘Pflanze’ aus idg. bheu- ‘wachsen’ (s. φύω). Anders, noch unwahrscheinlicher, Carnoy Ant. class. 24, 22 und REGr. 69, 284 (zu idg. bheugh- ‘biegen’). Frühere Erklärungsversuche aus dem Idg. bei Bq. Aus πύξος, -ίς, -ινον lat. buxus (kaum unabhängige Entlehnung), pyxis, pyxinum (s.W.-Hofmann s. vv. m. weiterer Lit.); daraus die modernen eur. Formen (frz. buis, nhd. Büchse, engl. box usw.). II-626
πύον 1., -ος ‘Eiter’ s. πύθομαι. II-626
πῡός 2. auch πύον (Emp.), πύαρ (Ael. Dion.), πύας (H.) ‘ds.’. m. ‘Biestmilch, erste Muttermilch’ (Kom.), Daneben πυετία, auch (mit Kontr. bzw. Metathese) πυτία, πιτύα f. ‘geronnene Milch, Lab’ (Arist., hell. u. sp.), von *πυετός, zu πυός wie παγετός zu πάγος u.a. (Schwyzer 501; anders Scheller Oxytonierung 52, wo viele Einzelheiten). — Wohl im Grunde mit πύον, πύος ‘Eiter’ identisch (WP. 2, 82, Pok. 849), aber mit Genus und Akzent nach den zur selben Begriffssphäre gehörigen ὀρός, τυρός. Die Nebenformen πύαρ und πύας (wenn nichtig überliefert) nach ἔαρ, πῖαρ, bzw. ἅλας, κρέας u.a. Sowohl Konsistenz wie andere Eigenschaften (Geruch, Gärungszustand usw.) können die Übertragung veranlaßt haben. Die Ausdrücke des Gerinnens, des Sauerwerdens, des Gärens, auch des Verfaulens berühren sich mitunter, z.B. aind. śara- m. ‘saurer Rahm’, auch śáras- n. ‘Haut auf gekochter Milch’, lat. cariēs ‘das Morsch-, Faulsein’, beide zum Verb für ‘zerbrechen’ in aind. śr̥ṇā́ti, κεραΐζω (s.d.) u.a., Ptz. śīrṇá- ‘auch verfault, verwest’, wozu auch lat. colostra ‘Biestmilch’, wenn aus *corostra, gehören kann; s. Lidén KZ 61, 1ff. m. ausführlicher Behandlung. — Nicht mit Persson Beitr 1, 259 A. 3, Bq und Hofmann Et. Wb. s.v. (alle zögernd) zu aind. púṣyati ‘gedeihen’ (idg. pu-s- ‘schwellen’). II-627
πῦρ, πῠρός n. ‘Feuer’ (seit Il.). Viele Kompp., z.B. πυρ-καϊά, ion. -ϊή f. ‘Brandstätte, Scheiterhaufen’ (seit Il.), aus *πυρ-καϝ-ιά̄, Zusammenbildung von πῦρ und καίω (καῦ-σαι) mit ι̯ᾱ-Suffix, Akz. wie σποδιά, ἀνθρακιά u. a.; vgl. Scheller Oxytonierung 93 m. abweichender Auffassung; vgl. myk. pu-ka-wo = *πυρ-καϝοι?; πυρ-φόρος ‘feuer-, fackeltragend, -träger’ (seit Pi.), später auch πυρο-φόρος; vgl. Schwyzer 440; πυρι-γενής ‘in Feuer geboren, gearbeitet’ (E. u.a.); ἄ-πυρ-ος ‘nicht von Feuer berührt, ohne Feuer’ (seit Il.); zu πυρ-πολέω s. πέλομαι; zu πυρ-αύστης usw. s. 2. αὔω; zu πυρι-ήκης s. bes. Viele Ableitungen. A. Subst.: 1. πῠρά n. pl. ‘Wachtfeuer’ (seit Il.), Dat. πυροῖς (X.), eig. Plur. von πῦρ mit Übergang in die ο-Stämme und Akzentverschiebung (Egli Heteroklisie 18 u. 22 f.). 2. πυρ-ά̄, ion. -ή f. ‘Feuerstätte, Scheiterhaufen’ (seit IL). 3. πυρ-σός m., pl. auch -σά n. ‘Feuerbrand, -zeichen, -signal’ (mit auffallender Oxytonese) mit -σώδης ‘feuerbrand-ähnlich’ (E. in lyr.), -σεύω ‘entzünden, ein Feuersignal geben’ (E.; X. usw.), -σεία, -σευτήρ, σευτής (hell. u. sp.), -σίτης ‘feuer- farben’ (Philostr.). 4. πυρ-ετός m. ‘brennende Hitze, Fieber’ (seit Χ 31; nach νιφετός? Porzig Satzinhalte 245) mit πυρ-έσσω, att. -έττω, Aor. -έξαι, Adj. -εκτικός; -ετιάω, -εταίνω, -ετώδης, -έτιον, -ετικός. 5. πυρ-εῖα, ion. -ήϊα n. pl. ‘Feuerzeug, Zündgerät’ (seit h. Merc.; nicht mit Zumbach Neuerungen 14 von πυρή ‘Scheiterhaufen’). 6. πυρ-ία, ion. -ίη f. ‘Dampf-, Schwitzbad usw.’ (ion., Arist. usw.), ‘Fischen bei Fackellicht’ (Arist.), mit -ιάω ‘ein Dampfbad bereiten, bähen, erwärmen’ (Hp. u.a.), wovon -ίαμα, -ίασις, -ιατήρ, -ιατήριον (Scheller Oxyton. 55); auch -ιάτη f. ‘erwärmte Biestmilch’ (Kom.). 7. πυρ-ίδιον n. ‘Funke’ (Thphr.). 8. πυρ-ίτης m. ‘Kupfererz, Erz’ (Dsk., Pap. u.a.), "Feuermann", Bein. des Hephaistos (Luk.); Redard 36, 60, 245. 9. πύρ-εθρον, -ος, -ωθρον ‘Mauer- kraut, Anthemis pyrethrum’ (wegen der wärmenden Wirkung; Strömberg Pfl.namen 82 u. 146f.). 10. πυρ-αλ(λ)ίς s. bes. 11. Πυρ-ωνία Bein. der Artemis (Paus.). — B. Adj.: 1. πυρ-ώδης ‘feuerähnlich, feurig’ (ion. att.); 2. -ινος ‘feurig’ (Arist., Plb. u.a.); 3. -όεις ‘ds.’ (hell. u. sp. Dicht.), auch als N. des Planeten Mars (Arist., hell.); 4. zu πυρρός s. bes. C. Verba: 1. πυρ-όομαι, -όω, auch m. ἐκ- u.a., ‘in Brand geraten, setzen’ (Pi., ion. att.; Wackernagel Unt. 124) mit πύρ-ωσις (ἐκ-, δια-u.a.) f., -ωμα, -ωτής, -ωτικός; 2. πυρ-εύω ‘Feuer machen, anzünden’ (Pl.; ἐμπυρ-εύω, -ίζω von ἔμ-πυρος) mit -εύς, -ευτής, -ευτικός (Näheres bei Bosshardt 83); 3. πυρ-άζω EM als Erkl. von 4. πυρακτέω; s.d. — Zu πῦρ, πῠρ-ός stimmt genau umbr. pir Nom. Akk. (aus *pūr), Abl. pur-e (aus *pŭr-), ebenso, mit sekundärer Vokalerweiterung, arm. hur, Gen. hr-oy (aus *pū̆r-o-) und awno. fūrr, fȳrr (aus urg. *fūr-i-). Das Wort war ursprünglich ein heteroklitischer r / n- Stamm und flektiert als solcher noch in heth. paḫḫu(u̯a)r, Gen. paḫḫu̯enaš. Spuren dieser Bildungsweise sind noch vorhanden im Germ. : got. fōn, Gen. fun-ins gegenüber ahd. fuir, fiur, Feuer; auch im Arm. : hn-oç ‘Feuerstatte, Ofen’ gegenüber hur (s. oben); zu bemerken noch toch. A pl. por-äṃ (= -n; Kombination von r und n?, v. Windekens IF 65, 249 ff.). Der vernickelte und nicht mit Sicherheit wiederherstellbare Ablaut, der schon aus den oben angeführten Formen erkennbar ist (idg. *p(e)u̯ōr : pū̆r- : puu̯en-: pū̆n-?; ausführlich Specht KZ 59, 283ff.), hat sich im Griechischen bis auf den Quantitätswechsel ausgeglichen. — Neben diesem neutralen stoffbezeichnenden Wort für ‘Feuer’ besass das Idg. einen ebenso uralten, das Feuer als lebendiges Wesen bezeichnenden Ausdruck in lat. ignis, aind. agní-, lit. ugnìs, aksl. ognь; eine entsprechende Doppelbezeichnung, die zwei verschiedene Naturauffassungen widerspiegelt, findet sich auch bei den Wörtern für ‘Wasser’ (s. ὕδωρ). Darüber Schulze Kl. Schr. 194f., Meillet MSL 21, 249ff., Bonfante Sprachgesch. u. Wortbed. 33ff., Mastrelli Arch. glottol. it. 43, 1 ff. Über tabuistische Ersatzwörter für ‘Feuer’ Havers Sprachtabu 64ff. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 14f., Pok. 828, W.-Hofmann s. pūrus (Verwandtschaft ganz hypothetisch und ganz fraglich; s. dazu mit weiterer Diskussion Mayrhofer s. punā́ti; auch Blesse KZ 75, 195). II-627-629
πυρακτέω Später πυρακτόομαι, -όω ‘gesengt werden, verkohlen’ (D. S., Str., Plu. u.a.). ‘im Feuer härten, zu Kohle brennen’ (ι 328, Nik. Th. 688). — Gewöhnlich als ein Komp. von πῦρ und ἄγειν mit der Bed. ‘im Feuer herumführen, herumdrehen’ aufgefaßt (z.B. Bechtel Lex. s.v.), semantisch und morphologisch gleich unbefriedigend, da ἄγειν nicht ‘herumführen’, noch weniger ‘herumdrehen’ heißen kann und ein vermittelndes *πύρακτος ‘im Feuer herumführend’ (Bechtel) beispiellos wäre (eher *πυρ-άκ-της, das aber kaum etw. anders als ‘Feuertreiber’ hätte bedeuten können). — Ohne Zweifel expressive Erweiterung auf -(α)κτέω von πυρ-άζω (EM 697, 16; Stolz WienStud. 25, 234 m. A. 1 u. Lit.), *-άσσω od. ä. wie ὑλακτέω von ὑλάω (neben ὑλαγμός u.a.), ἀλυκτέω von ἀλύω, ἀλύσσω; zu den letztgenannten Fällen Frisk Eranos 50, 8 ff. Dazu πυρακ-τόομαι nach den vielen Intransitiva auf -όομαι mit faktitivem -όω. II-629
πυραλλίς (v.l. -αλίς, H. πυρραλίς) f. N. eines unbekannten Vogels, wahrscheinlich einer Taubenart (Arist., Kall., Ael.), Art Olive (Mediz.), N. eines Insektes, das angeblich im Feuer lebt (Plin.). — Deminutivbildung auf -αλ(λ)ίς (Chantraine Form. 251 f., Niedermann Glotta 19, 9 f.), wohl von πῦρ nach der rötlichen Farbe; auch mit πυρρός (πυρραλίς) assoziiert. Nach Niedermann a. O. dagegen von πυρός ‘Weizen’ nach der Nahrung; vgl. συκαλλίς von σῦκον. II-629
πῡραμίς, -ίδος f. 1. ‘Pyramide’ (Hdt. u.a.) mit πυραμιδο-ειδής ‘pyramidisch’ (Epikur.), gewöhnlich haplologisch πυραμο-ειδής ‘ds.’ (Thphr. u.a.), -ιδικός ‘ds.’ (Iamb.). 2. ‘Art Kuchen aus gerösteten, in Honig eingemachten Weizenkörnern’ (Ephipp.), meist πυραμοῦς, -οῦντος m. (Ar.,Ephipp., Kall. u.a.), auch πυραμοί pl. m. (Artern.); nach H. πύραμος auch = χόρτος. Daneben πυράμη f. ‘Sichel’ (Sch.), Rückbildung aus πυρᾱμητός m. ‘Weizenernte’ (Arist. u.a.). — Im Sinn von ‘Kuchen’ von πυρός ‘Weizen’ nach σησαμ-ίς, -οῦς. Nach Diels KZ 47, 193 ff. (m. Lit. und unrichtiger formaler Analyse) wurden die ägypt. Pyramiden nach der (allerdings nicht näher bekannten) Form des Kuchens benannt; dazu Kretschmer Glotta 10, 243. II-629
πύργος m. ‘Turm, Mauerturm’, auch auf die Burgmauer selbst bezogen (seit Il.), übertr. ‘geschlossene Kriegerabteilung, Kolonne’ (Il.), ‘Belagerungsturm’ (X.), ‘Wirtschaftsgebäude’, (LXX, Pap., NT; Lit. bei Bauer Gr.-dt. Wb. s.v.). Kompp., z.B. πυργο-δάϊκτος ‘turmzerstörend’ (A. Pers. 105 [lyr.]; eig. ‘mit zerstörten Türmen’? Fraenkel Nom. ag 1, 82; s. noch E. Williger Sprachl. Unt. zu den Kompp. der gr. Dicht. des V.Jh.s [Göttingen 1928] 45 A. 1), εὔ-πυργος ‘mit schönen Türmen, wohlumtürmt’ (Η 71 u.a.). Davon 1. die Demin. πυργ-ίον, -ίδιον, -ίς, -ίσκος, -ίσκιον, -ισκάριον (vorw. hell. u. sp.); 2. -ωμα, meist pl. -ώματα n. ‘Turmbau(ten)’ (Orac. ap. Hdt., A., E.); 3. πυργιτρον n. Form n. Bed. unklar (Pap.VIp); 4. πυργ-ίτης n. ‘Art Sperling’ (Gal. u.a.; s. Redard 84 und zu σποργίλος); -ῖτις· βοτάνη H. 5. Adj. πύργ-ινος ‘aus Türmen be- stehend’ (A. in lyr.), -ειος ‘turmartig’ (Ion. Trag.), -ώδης ‘ds.’ (S.), -ῶτις ‘getürmt’ (A. in lyr.; f. zu *-ώτης, Redard 8); -ήρης ‘mit Türmen versehen, in Türmen od. Mauern eingeschlossen’ (Orac. ap. Paus.) mit -ηρέομαι ‘in Türmen od. Mauern eingeschlossen sein, belagert werden’ (A., E.). 6. Adv. -ηδόν ‘kolonnenweise’ (Il.), ‘turmweise’ (Aret.). 7. Verb πυργ-ῶσαι, -όω ‘türmen, um-, auftürmen’ (seit λ 264) mit -ωτός ‘getürmt’ (Str. u.a.). 8. Πυργ-αλίδαι m. pl. N. einer Gilde in Kameiros (Inschr.); nach Τανταλ-ίδαι? — Bautechnischer Ausdruck; wegen der auffallenden Ähnlichkeit mit nhd. Burg, got. baurgs ‘Stadt, Turm’ von Kretschmer Glotta 22, 100ff. als german. LW durch nordbalkan. (makedon. ?) Vermittlung betrachtet. Von anderen für pelasgisch bzw. vorgr.-idg. gehalten, s. Heubeck Praegraeca 63ff. m. weiterer Lit. Auf dieselbe Weise wird Πέργαμος, -ον, -α ‘die Burg (von Troja)’, auch ON, beurteilt (zu nhd. Berg, heth. parkuš ‘hoch’ usw.), s. Heubeck a.O. (Pok. 140f.), wo auch über die H.-Glossen φύρκος· τεῖχος und φ<ο>ύρκορ· ὀχύρωμα (dazu noch Pisani Rev. int. ét. balk. 3, 22 A. 1). — Zu lat. burgus (aus dem Germ. oder nur davon beeinflußt?) W.-Hofmann s.v. mit Nachträgen. II-629-630
πυριήκης (-ής) ‘mit Feuerspitze’, d.h. ‘mit glühender Spitze versehen’ (πυριήκεα μοχλόν ι 387). — Nach ἀμφ-ήκης, τανυ-ήκης usw.; s. ἠκή; πυρι- analogisch nach πυκι-, λαθι- u.a. Abzulehnen Bechtel Lex. s.v.: πυρι- (ήκης) wie πυκι-(μηδής als " Stellvertreter von πύρινο-". II-630
πύρνος πύρνον Akk. sg. (ο 312, ρ 12: mit κοτύλήν koordiniert, Lyk. 639), πύρνα (σῖτα : σῖτος) Akk.pl. (ρ 362), φηγίνων πύρνων Gen. pl. (Lyk. 482), · ψωμός H.; Bed. schon im Altertum strittig; vgl. z. B. H. (s. auch oben) : πύρνοι· ζειαὶ καὶ σιτώδεις(?). ἢ ὁ κατειργασμένος σῖτος. ἄλλοι χόρτος, ἄλλοι μαγίδα; πύρνα· δρύφη, κλάσματα, σιτία. Als Vorderglied in πυρνο-τόκος ἄρουρα (Hymn. Is.). Dazu πύρνηται· ἐσθίηται H. — Obsoletes Wort ohne Etymologie. Von Fick BB 16, 284 mit πορύναν· μαγίδα und τορύνη· σιτῶδές τι H. verglichen, wozu noch aind. cárvati ‘zermalmen, zerkauen’ mit cūrṇam n. ‘Staub, Mehl’ gehören soll; somit idg. *qʷeru- (WP. 1, 519, Pok. 642), das für τορύνη ein älteres *τερύνᾱ erfordert. Dabei bleibt u.a. der υ-Vokal in πύρνος dunkel; vgl. Bechtel Lex. s.v. Nach Szemerényi Syncope in Greek and I.-Eur. 29 ff. (mit Sch. Od.) aus πύρινος (von πυρός ‘Weizen’) synkopiert; aus verschiedenen Gründen anfechtbar. II-630-631
πῡρός, meist pl. πῡροί (Schwyzer-Debr. 43, Chantraine Gramm. hom. 2, 30), dor. (Kos, Thera, Syrakus u.a.) σπυρός, m. ‘Weizenkorn, Weizen’ (seit Il.). Kompp., z.B. πυρο-φόρος ‘Weizen tragend’ (vorw. poet. seit Il.), διόσ-πυρον n. ‘die kirschenähnliche Frucht von Celtis australis’ (Thphr.), -πυρος m. = λιθόσπερμον (Dsk.; Strömberg Pfl.namen 128 u. 138); zum Genus vgl. βούτυρον, -ος (s.d.). Davon das Demin. πυρίδια pl. n. (Ar., Pap.); die Adj. πύρ-ινος (E., X., hell.), -ικός (Pap.), -ώδης (Str.), -άμινος (Hes.Fr. 117 u.a.; nach κυάμ-, σησάμ-ινος; Forbes Mnem. 4 : 11, 157) ‘aus Weizen’, -αμίς, -αμοῦς (s. bes.); das Subst. πυρ-ίτης ἄρτος ‘Weizenbrot’ (Aët.), αὐτο-πυρίτης (Phryn. Kom., Hp. u.a.) = αὐτό-πυρος u. a. (Redard 90). — Auch πυρήν, -ῆνος m. ‘Obst-, Fruchtkern’ (ion., Arist., hell.; Solmsen Wortforsch. 125f.) mit ἀ-πύρην-ος ‘ohne Kern’ (Ar. Fr. 118, Thphr. usw.) u.a.; πυρην-ίς (Tanagra IIIa; geschr. πουρεινις), -ιον (Thphr.), -ίδιον (Delos IIIa, Pap.) ‘Kernchen, Knollen, Knorren’; auch πυρην-άδες f. pl. N. einer Gilde in Ephesos (Inschr.); -ώδης ‘kernartig’ (Thphr.). — Alte Benennung des Weizens, die auch im Baltoslav. erhalten ist, z.B. lit. pūraĩ pl. ‘Winterweizen’, sg. pũras m. ‘Einzelkorn von Winterweizen’, skr. pȉr m. ‘Spelt’, russ.-ksl. pyro ’ὄλυρα, κέγχρος’, russ. pyréj ‘Quecke, Triticum repens’; dazu aus dem Germ. ags. fyrs ‘Quecke’ (Stammbildung abweichend; vgl. Specht Ursprung 69). Aind. pūraḥ m. ‘Kuchen’ bleibt fern (Mayrhofer s.v. m. Lit.). Zum Sachlichen Schrader-Nehring Reallex. 2, 647. — Anlaut. σ- in σπυρός stammt von σῖτος oder von σπόρος, σπέρμα (Fraenkel Phil. 97, 169 f., IF 59, 304 f.). Weitere Formen m. Lit. bei Fraenkel und Vasmer s.vv.; auch WP. 2, 83 und Pok. 850. — Urspr. altes Wanderwort (Schwyzer 58 A. 3 mit Güntert u.a.)? Nach Nieminen KZ 74, 170f. als "das Geschlagene, das Gedroschene" zu idg. pēu-, pəu- ‘schlagen, schneidend hauen’ in lit. piáuti ‘schneiden, mähen’, lat. paviō ‘schlagen’; erwägenswert. II-631
πυρρός (ion. att.; vorw. poet.), πυρσός (E., Mosch.) ‘feuerrot, lohfarben’, bes. von Kopfhaar und Haarbekleidung, ‘rot’. Kompp., z.B. πυρρό- (πυρσό-)θριξ ‘rothaarig’ (E. in lyr., Arist., Poll.), ἐπί-πυρρος ‘rötlich’ (Arist., Thphr. u.a.; Strömberg Prefix Stud. 106). Davon 1. viele volkstümliche und expressive Bildungen: πυρρίας m. ‘rothaariger Mensch’, bes. von Sklaven (Ar.), Πυρϝίας PN (Korinth VIa; Latte Glotta 35, 296f.), Πυρϝαλίων PN (Argos; Schulze Kl. Schr. 115 m. A. 3); πυρράκης ‘von rötlicher Haarfarbe’, "Rothaut" (LXX, hell. Pap.), πυρρίχος ‘rot’, vom Stier (Theok.), auch als PN; davon πυρρίχη f. N. eines Waffentanzes (att.) mit -ίχιος, -ιχίζω u.a.? 2. πύρρ-α f. N. eines Vogels (Ael.), -αία f. ‘rotes Kleid?’ (Halik. IIIa). 3. πυρρό-της f. ‘rote Haarfarbe’ (Arist.). 4. Verba: πυρσ-αίνω ‘rot färben’ (E. in lyr. u.a.), πυρρ-ίζω (LXX), -άζω (Ev. Matt.) ‘rot sein’, vom Himmel, -ιάω ‘erröten’ (sp.). — Wie sich der kor. Pferdename Πυρϝος (myk. Pu-wo, -wa, -wino? Gallavotti Par. del Pass. 12, 11) und Πυρϝ-ίας, -αλίων (s. ob.) zu ion. att. πυρρός verhalten, ist nicht ganz klar, da ein urgr. *πυρϝος im Ion. Att. *πῡ̆ρός hätte ergeben müssen. Deshalb setzt man seit Hoffmann Dial. 3, 589 (s. noch Schwyzer 335 f.) gewöhnlich urgr. *πυρσϝός an. Ob πυρρός für *πῡ̆ρός durch expressive Gemination? Zum ϝο-Sufflx in Farbenadj. Chantraine Form. 123, Schwyzer 472; zum Lautlichen noch Lejeune Traité de phon. 119 A. 2, Forbes Glotta 36, 262f. Weiteres s. πῦρ. Anders Schulze Kl. Schr. 115f.: zu lit. pur̃vas ‘Schmutz, Dreck’; darüber Fraenkel s.v. m. weiterer Lit. —Über Ableger von πυρρός im Lat. u. Rom. Kahane Glotta 39, 133 ff. II-631-632
πυτίνη — Dazu noch Carnoy Ant. class. 24, 22 (abzulehnen). s. βυτίνη. II-632
πω (seit Il.), ion. κω; Daneben dor. πη in ἄλλη πη ‘irgend anderswo’ (Kyrene), πήποκα ‘je’ (Sparta Va, Theok. u.a.). enklit. Part. ‘je, noch’, fast immer nach Negation, οὔ-πω, μή-πω, οὐ πώποτε, dor. (Epich.) οὐ πώποκα, nachhom. auch in Fragen mit negierendem Sinn τί πω u.ä. — Erstarrter Instr. = apers. kā verstärkende Part. bzw. got. ƕe ‘irgendwie’, idg. *qʷō, qʷē vom Pron. *qʷo-, s. πόθεν m. Lit.; dazu Schwyzer-Debrunner 579, wo weitere Einzelheiten. II-632
πώγων, -ωνος m. ‘Backen-, Kinnbart’ (ion. att.). Oft als Hinterglied, z.B. τραγο-πώγων m. ‘mit Bocksbart’ (Kratin.), auch als Pfl.name ‘Bocksbart, Tragopogon’ (Thphr., Dsk.; Strömberg 56). Davon das Demin. πωγών-ιον n. (Luk. u.a.), -ίας m. ‘der Bärtige’ (Kratin. u.a.), auch N. eines Kometen (Arist.; Scherer Gestirnnamen 107), -ίτης, -ιήτης m. ‘ds.’ (Hdn., Suid. u.a.), -ικός, -ιαῖος ‘bärtig’ (Gloss.). — Unerklärt. Gegen Anschluß an πήγνυμι, πηγός (Fick 1, 471, Prellwitz fragend) bricht der ō-Vokal; auch fehlt eine überzeugende sachliche Begründung. Unhaltbar Reichelt BB 26, 225 (s. Bq und WP. 1,587); nicht besser Grošelj Živa Ant. 4, 174: eig. *’Wange’, zu peu-, pū-,pō[u]- ‘aufblasen’. II-632-633
πωλέομαι ‘häufig wohin kommen, gehen’ s. πέλομαι. II-633
πωλέω, πωλ-ήσω, -ῆσαι, -ηθῆναι, ‘feilbieten, verkaufen’ (ion.att.). oft m. Präfix (vorw. hell. u. sp. Inschr. u. Pap.), z.B. προ-, δια-, ἀνα-, ἀντι-, Davon 1. Nom. actionis : πώλ-ησις f. ‘Verkauf’ (X. u.a.),-ημα n. ‘Verkauf, verkaufte Ware’ (Inschr. Tauro- menion u.a.); Rückbildung -ή, dor. -ά f. ‘Verkauf’ (Sophr., Hyp. Fr.). 2. Nom. agentis: πωλ-ητής m. ‘Verpachter’, Bez. einer Finanzbehörde (att. usw.), auch -ητήρ m. ‘ds.’ (Delph. IVa u.a.), f. -ήτρια ‘Verkäuferin’ (Poll.), λαχανο- ~ (Ar.) u.a.; -πώλης m., -πωλις f. unbeschränkt produktiv in Zusammenbildungen, z.B. ἀλλαντο-πώλης ‘Wursthändler’ mit ἀλλαντο-πωλ-έω usw., ἀρτό-πωλις ‘Brotverkäuferin, Bäckerin’ (Ar. u.a.), vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 26 u. 109 m. A. 3, Schwyzer 451; daraus als Augenblicksbildung das Simplex πώλης (Ar.). 3. Nom. loci -ητήριον ‘Verkaufsbude’ (X. u.a.). 4. Adj. -ητικός ‘zum Verkauf gehörig’ (Pl.; Chantraine Études 134), -ιμος ‘verkäuflich’ (hell. Pap.). — Der Bildung nach muß πωλέω ein iterativintensives Deverbativ sein, obwohl weder im Griech. noch in den verwandten Sprachen ein entsprechendes primäres Verb mit Sicherheit zu belegen ist. Jedoch kann aind. páṇate ‘einhandeln, kaufen’ ein altes Nasalpräsens in mind. Form repräsentieren (idg. *pl̥-nā-ti). Mit diesem n-Präsens hängt offenbar (außer aind. paṇa- n. ‘Wette, Einsatz, Lohn’) ein baltoslav. Nomen zusammen: lit. pel̃nas ‘Gewinn, Nutzen, Verdienst’, slav., z.B. aksl. plěnъ ’λάφυρον’, russ. polón ‘Gefangenschaft, Beute’; idg. *pel-no-s. Aus dem Germ. kommen zwei isolierte Adj. hinzu: awno. falr ‘verkäuflich’ (idg. *polo-s), ahd. fāli ‘ds.’ (idg. *pēli̯o-s; Bildung wie awno. ǣtr = aind. ādyàs ‘eßbar’ aus idg. *ēdi̯o-s); daneben ahd. feili, nhd. feil mit unerklärtem Vokalismus. Weitere Einzelheiten m. Lit. bei Mayrhofer s. páṇate, Fraenkel s. pel̃nas, Vasmer s. polón; ält. Lit. bei Bq und WP. 2, 51 (Pok. 804). — Semantisch berührt sich πωλέω anderseits mit ἐμπολή ‘Handel(sware), Kauf, Gewinn’ (s.d.), das gewöhnlich zu πέλομαι eig. *’(sich) drehen, wenden’ gestellt wird; für πωλέω zu πέλομαι Schwyzer 720. Bei dieser Kombination wäre auf Anknüpfung an die obigen Wörter aus idg. *pel- zu verzichten. — Vgl. die Lit. zu πέρνημι. II-633
πῶλος myk. po-ro. m. f. ‘junges Pferd, Fohlen, Füllen’ (seit Il.), sekund. auch von anderen jungen Tieren (Arist. usw.), poet. auch ‘Pferd’ im allg., übertr. ‘junges Mädchen, Jüngling usw.’ (Anakr., A., E. u.a.); Komp. πωλο-δάμν-ης m. " Fohlenbändiger", ‘Einreiter’ (X.; Schwyzer 451, Fraenkel Nom. ag. 2, 93) mit πωλοδαμν-έω (S., E., X. u.a.) usw.; λευκό-πωλος ‘mit weißen Fohlen’ (Pi., Trag.). Davon 1. die Demin. πωλ-ίον n. (att., Arist. u.a.), -άριον (Pl. ap. D. L. u.a.); 2. die Adj. -ικός ‘zu Fohlen gehörig, auf Fohlen bezüglich’ (S., E., ark. u.a. Inschr.), ‘jungfräulich’ (A. in lyr.; Chantraine Études 116ff.); -ειος ‘ds.’ (Suid.); 3. Πωλώ f. Bein. der Artemis in Thasos (Nilsson Gr. Rel. I 483 A. 3); 4. das Denominativ πωλ-εύω ‘ein junges Pferd einreiten’ (X. u.a.) mit -εία f., -ευσις f., -ευμα n., -ευτής m., -ευτικός (X., Max. Tyr. u.a.). — Semantisch stimmt πῶλος genau zu nhd. Fohlen, Füllen u. Verw., z.B. got. fula, awno. fole, ahd. folo, urg. *fulan-, mit den Demin. awno. fyl n., urg. *ful-i̯a-, ahd. fulīn n., urg. *ful-īna- n. Gegenüber πῶλος repräsentiert urgerm. *fulandie Schwundstufe : idg. pōl- : pl̥-; wenn man aber auch παῖς, lat. puer usw. einbeziehen will, muß ein urspr. pō[u]-l- : pu-l- angesetzt werden; s. παῖς m. Lit. Hinzu kommt alb. pelë ‘Stute’ aus *pōl-n- (Jokl Festschr. Kretschmer 83). — Arm. ul ‘Zicklein’, u.a. von Meillet Rev. ét. armén. 10, 184f. (einschließlich amul aus idg. *n̥-pōlos ‘unfruchtbar’) und Mladenov KZ 50, 54 f. herangezogen, ist dagegen wegen der abweichenden Bed. etwas fraglich; vgl. Lidén Armen. Stud. 25 (m. ält. Lit.). — Abzulehnen Thieme Studien 48 A. 2 (S. 49): eig. ‘Weidetier’ zu idg. qʷel- (s. πέλομαι). II-634
πώλυπος (od. -ύπος), pl. -οι (Semon., Epich., Hp. [v. l.]), auch πῶλυψ, -υπος (Diph. Siphn., Dsk., Poll.), πόλυψ, -υπος (Paul. Aeg.); gewöhnlicher πουλύπους, -ποδος (seit ε 432), Akk. -πουν (Ion. Trag. u.a.), auch Gen. -που usw. (Thgn. u.a.), πολύπους, -ποδος (seit Arist.). Myk. po-ru-po-de. m. ‘Meerpolyp, Tintenfisch’, übertr. ‘Nasenpolyp’ (Hp., Thphr. u.a.); auch (substant.) Adj. τὰ πολύποδα ‘Vielfüßler’, von Insekten (Arist.) Deminutivum πωλύπιον n. (Hp.). — Mittelmeerwort unbekannter Herkunft. Die Form mit ω, durch lat. LW pōlypus, -i (seit Plaut.) bestätigt, ist offenbar die älteste; daraus πουλυ-und πολυ- volksetymologisch nach πολύς und πούς. Fraenkel Nom. ag. 2, 164 A. 1 (m. älterer Lit.), Specht KZ 59, 129. II-635
πῶμα 1. n. ‘Deckel’ an Kasten, Krügen, Köchern usw. (ep. ion. seit Il., Arist., hell. u. sp.). Davon πωμ-άτιον n. Demin. (Sor.), -ατίας m. ‘Art Schnecke’ (Dsk.) und zwei Denominativa: 1. πωμάζω, auch m. ἐπι-, περι- u.a. ‘mit einem Deckel schließen, zudecken’ (Arist., Hero u.a.) mit ἐπιπωμασμός (Eust.) und der Rückbildung ἐπίπωμα ‘Deckel’ (Gal. u.a.), wozu ἐπιπωματικός (Sch.); 2. πωματίζω, meist ἐπι-, περι-, ἀπο-’ds.’ (Arist., Thphr. u.a.) mit ἐπιπωμάτισις (VIp). Dazu das scheinbar primäre ἐπιπωμάννυμαι ‘zugedeckt werden’ (Hero). — Altes Verbalnomen aus idg. *pō-mn̥ neben *pō-tro-m n. in aind. pā́tram ‘Behälter, Gefäß’, germ., z.B. got. fodr ‘Scheide, Futteral’, nhd. Futter (des Kleides). Das primäre Verb ist in aind. pā́-ti ‘hüten, schützen’ erhalten. Die dazu gehörigen ποιμήν, πῶυ (aus *πῶι̯υ) lassen einen urspr. Langdiphthong pōi- erkennen; s. ποιμήν m. weiterer Lit. II-635-636
πῶμα 2. ‘Trank’ s. πίνω. II-635
πῶρος m. ‘Tuffstein’ (Arist., Thphr., hell. Inschr. u.a.), anat. ‘Stein- od. Kalkbildung, Verhärtung, Stein in der Blase, in den Nieren usw.’ (Hp., Arist. u.a.). Als Vorderglied u.a. in πωρ-όμφαλον n. subst. Bahuvrihi ‘Verhärtung im Nabel’ (Gal.). Davon 1. Demin. πωρ-ίον, -ίδιον n. ‘Verhärtung’ (Mediz.); 2. Adj. πώρ-ινος ‘aus Tuffstein’ (Hdt., Ar., hell. Inschr. u.a.), -εία λίθος ‘Tuffstein’ (Str.), -ώδης ’π. -artig’ (Gal.); 3. Verb πωρ-όομαι, -όω, auch m. δια-, ἐπι-, συν-, ‘versteinern. verhärten, in eine Verhärtung zusammenwachsen, verstocken’ (Hp., Arist., Thphr., NT u.a.) mit (ἐπι-) πώρ-ωμα, -ωσις ‘Versteinerung, Verhärtung’ (Hp., Gal.), ‘Verstockung’ (NT). 4.πωρ-ίασις f. ‘Verhärtung am Augenlid’ (Gal.), wie von *πωρ-ιᾶν (Schwyzer 732). — Urspr. eine Steinart bezeichnend und im Bauwesen zuhause, wurde πῶρος nebst Ableitungen besonders von den Medizinern benutzt. Ohne Etymologie. Nach Haupt Actes du 16. congr. des orient. (1912) 84f. aus assyr. pûlu ‘Muschelkalk’. Mit πωρεῖν· κηδεύειν, πενθεῖν, πωρῆσαι· λυπῆσαι H. und πωρητύς f. ‘Leid’ (Antim.) scheint keine Verbindung möglich. Vgl. indessen ταλαίπωρος. II-635
πῶς Interr. ‘wie?’, πως Indef. ‘irgendwie’ (seit Il.), ion. κῶς, κως (Hdt. u. a.). — Erstarrter Ablativ vom Pronominalstamm πο-, ion. κο- aus idg. *qʷo-; s. πόθεν und 1. ὡς. II-635
πῶυξ, φῶυξ (Arist.), πῶυγξ, pl. -υγγες (Ant. Lib., EM) f. N. eines unbek. Vogels (vgl. H.: πῶυξ· ποιὸς ὄρνις. ὁ ’Αριστοτέλης ἐν τῷ περὶ ζῴων); Vermutungen zur Identifizierung bei Thompson Birds s. φῶυξ (’Rohrdormmel’?, ‘Reiher’?, ‘Wasserscherer’?). — Wegen der unbek. Bed. ohne Etymologie. Von Bq und Hofmann Et. Wb. als onomatopoetisch mit phu- (phōu-) ‘blasen’ verbunden. II-635
ῥα, vor Vokal ῥ’, s. ἄρα. II-636
ῥᾶ (Alkm., S.Fr. 1086, Ion. Trag.), ep. ῥῆα (geschr. ῥεῖα), ῥέα (einsilbige Lesung notwendig od. möglich; somit für äol. ῥᾶ?), ion. ῥέᾱ (Simon.), äol. βρᾶ ( = ϝρᾶ, Gramm., ῥῆα bei Alk. Homerismus od. Überlieferungsfehler) Adv. ‘leicht’. Als Vorderglied in ῥᾴ-θυμος ‘mit leichtem Herzen, sorglos’ (att.) aus *ῥαΐ-θυμος (wie καλλί-ζωνος u.a.). falls nicht sekundär für das gut überlieferte ῥά-θυμος (Wackernagel Hell. 26 = Kl. Schr. 2, 1057). Steigerunsformen: Komp. ep. ῥηΐτερον, ion. ῥῄτερον (Thgn.), dor. ῥᾴτερον (Pi.), auch ion. ῥήϊον, att. ῥᾷον; dazu ῥᾶσσον (Gramm. bei EM) nach θᾶσσον (Seiler Steigerungsformen 73). Sup. ep. ῥηΐτατα, ion. ῥήϊστα, dor. ῥάϊστα (Theok.), att. ῥᾷστα. Aus dem Adv. erwuchsen die adj. Formen ῥηΐτερος, ῥήϊστος, ῥᾴων, ῥᾷστος; aus ῥῆα, ῥᾶ der Pos. ῥη-ϊδίως, att. ῥᾳδίως, äol. βρα-ϊδίως (Alk.), wozu das Adj. ῥηΐδιος, ῥᾴδιος (wie μαψ-ιδίως, -ίδιος u.a.); dazu ῥᾳδιέστερος u. a. — Von ῥήϊον, ῥᾷον: ῥηΐζω, ῥαΐζω, Aor. -ίσαι ‘sich erholen’ (ion. att.) und ῥαΐαν· ὑγείαν H. Von ῥήϊστος, ῥᾷστος : ῥῃστώνη, ῥᾳστώνη f. ‘Erholung, behaglicher Zustand, Muße’ (ion. att.); Bildung unklar, vgl. Schwyzer IF 45, 259ff., Meid IF 62, 277. Weitere Einzelheiten bei Schwyzer 467 u. 539, Wackernagel Verm. Beitr. 11ff. (= Kl. Schr. 1, 772ff.), Seiler Steigerungsformen 72f., Leumann Hom. Wörter 18 A. 10. — Aus ep. ῥῆα und äol. βρᾶ ergibt sich urgr. *ϝρᾶα, das für *ϝρᾶσ-α, allenfalls für *ϝρᾶι̯-α stehen kann; zum Ausgang -α Schwyzer 622. Ohne Zweifel altererbt, aber ohne sichere Etymologie. Nach Hermann Gött. Nachr. 1918, 281 f. eig. ‘hebbar’ (lat. levis : levāre), zu lit. viršùs ‘das Obere’, aind. vársman-’Höhe’, wozu noch ἀπηύρα, ἀπούρας (Zweifel bei Kretschmer Glotta 11, 249). Zu ἀπηύρα (aber sonst abweichend) auch Schwyzer IF 45, 259ff. Noch anders Specht KZ 59, 93ff.: zu ἀραιός ‘dünn’ (s. Schwyzer 539 m. A. 3). II-636
ῥάβδος f. ‘Rute, Gerte, Stab, Streifen, Riefe’ (seit Il.). Kompp., z.B. ῥαβδ-οῦχος m. ‘Stabträger’ als Behördenname (Ar., Th., hell.), πολύ-ρραβδος ‘mit vielen Streifen’ (Arist.). Davon 1. das Demin. ῥαβδ-ίον n. (Arist., Thphr. usw.); 2. ῥαβδ-ωτός ‘mit Ruten, Streifen, Riefen versehen’ (X., Arist. usw.), -ωμα H. als Erklärung von σκυτάλια; -ωσις f. ‘Kannelierung’ (att. Inschr. Ende Va; Kretschmer Glotta 14, 230, Holt Les noms d’action en -σις 152f.); 3. Denominativa : a) ῥαβδ-ίζω ‘mit einer Rute schlagen, dreschen’ (Kom., Thphr. usw.) mit -ισμός m. ‘Dreschen’, -ιστήρ m. ‘Drescher’ (Pap.); b) -εύομαι ‘mit einer Rute angeln’ (Arist.); c) -όομαι ‘mit Streifen versehen sein’ (Lyd.). — Offenbar mit ῥάμνος, ῥαπίς verwandt. Ein suffixales δο-Element ist, von einigen Schallnomina (z.B. κέλαδος) abgesehen, nur in isolierten, etymologisch meist undurchsichtigen Wörtern anzutreffen (Schwyzer 508 f., Chantraine Form. 359 f.); zu bemerken immerhin das altererbte und sinnverwandte κλάδος; dazu noch Specht Ursprung 230 mit buntem Material. Eine Grundform *ῥάβ-ι̯ος, von Bq als möglich bezeichnet, sucht Haas Μνήμης χάριν 1, 132 mit neuen Argumenten zu stützen. Vom -δ- abgesehen, läßt sich ῥάβ-δ-ος nnt lit. vir̃bas ‘Zweig, Reisig, Gerte’ und russ. vérba (aksl. vrъba) ‘Weide’ gleichsetzen (idg. *u̯r̥b-). Daneben mit Hochstufe lat. verbera pl. ‘(Ruten zur) Züchtigung’, verbēnae pl. ‘die Zweige des Lorbeers usw.’ — Weitere Formen m. Lit. bei W.-Hofmann, Fraenkel und Vasmer s.vv.; auch WP. 1, 275 und Pok. 1153. II-636-637
ῥαγή (δια-) gewöhnlicher ῥαγ-άς, -άδος f. ‘ds.’ (hell. u. sp.) f. ‘Riß, Ritze, Spalte, Kluft’ (Hp.); mit -άδιον n. Demin. (Celsus), daneben ῥάγ-δην ‘reißend, heftig, ungestüm’ Adv. (Plu.) mit ῥαγδ-αῖος ‘ds.’ (Kom., Arist. usw.), -αιότης f. (Poll.); zur Bed. vgl. ῥαγά (ῥάγα cod.)· ἀκμή, βία, ὁρμή H. (auch Erot. zu ῥαγή). — Primäre Nomina (bzw. Adv.) von ῥαγῆναι, ῥήγνυμι (anders Fraenkel Nom. ag. 2, 41 A. 3: zu ῥάσσω ‘stoßen’); s.d. II-637
‘Ραδάμανθυς, äol. Βραδάμανθυς (Gramm.) m. König von Kreta, einer der drei Richter der Unterwelt (seit Il.). — Nach dem νθ-Element zu schließen, vorgriechisch (nach v. Wilamowitz Glaube 1,56 A. 3 karisch). Appellativische Bed. unbekannt, somit schon aus diesem Grunde sehr schwierig zu beurteilen. Seit Kuhn KZ 4, 123 f. oft mit ῥάδαμνος verbunden mit wechselnder Auffassung des Endstücks (’Gertenschwinger’, ‘Szepterträger’). Anders v. Windekens Studia in hon. Dečev 81ff. (mit Ref. früherer Ansichten, u.a. Kretschmer Glotta 15, 190; s. auch 16, 192) : pelasgisch, zu nhd. Wort, lat. verbum usw. (s. 2. εἴρω); eig. "auf das Wort bezüglich, mit dem Wort ausgerüstet" = ‘Richter’. II-637-638
ῥάδαμνος m. ‘Ast, Zweig, Trieb’ (LXX, Suid., H.) mit ῥαδαμνώδης (Sch.); auch ῥόδαμνος H. und ῥάδαμον· καυλόν, βλαστόν (coni. Nik. Al. 92) mit ῥαδαμεῖ· βλαστάνει H. — Daneben ῥά̄διξ -ῑκος m. ‘Ast, Zweig’ (Nik.), ‘Palmblatt’ (D. S.). — Zu ῥάδαμνος vgl. θάμνος, ῥάμνος (mit ν-Suffix; s. dd.), auch σφέν-δαμνος, στάμνος u.a.; zu ῥάδιξ vgl. σπάδιξ, σκάνδιξ u.a. (Chantraine Form. 191 u. 215 f. bzw. 382). Zu ῥάδιξ stimmt formal lat. rādīx ‘Wurzel’, wenn aus idg. *u̯rād-; semantisch näher kommt lat. rāmus ‘Ast, Zweig’, das für *u̯rād-mo- stehen kann; daneben das kurzvok. ῥάδ-αμνος aus idg. *u̯rəd-; vgl. ῥίζα m. Lit. In Betracht kommt anderseits ῥαδινός u.a. (s.d.). Vgl. ὀρόδαμνος. — Nach Alessio Studi etr. 18, 413 u. a. (s. Belardi Doxa 3, 218; ablehnend) Mittelmeerwort. Mann Lang. 17,20 und 28, 37 erinnert an alb. rrânzë ‘Wurzel’. II-637-638
ῥαδινός, βράδινος (Sapph.) ‘schwank, biegsam, schlank’ (ep. poet. seit Ψ 583; Treu Von Homer zur Lyrik 171 usw.). Daneben ῥοδανός Beiw. von δονακεύς (Σ 576; vv.ll. ῥαδινός, ῥαδαλός). wozu ῥοδάν-η f. ‘Einschlagfaden’ (Batr. u.a.) mit -ίζω (Sch. u.a.), -ιστήριον (Gloss.); auch ῥαδανός, -η, -ίζω (II.), -ᾶται· πλανᾶται H., βραδανίζει· ῥιπίζει, τινάσσει H. — Bildungen wie πυκ-ινός, πιθ-ανός u.a. (Chantraine Form. 197f., 201) von unbek. Grundwort (*ῥαδεῖν, *ῥάδος, *ῥόδος?). Seit Düntzer KZ 13, 6 f. ansprechend mit dem semantisch etw. unklaren περι-ρρηδής (s.d.) verbunden; dazu (Lobeck Paralip. 156) noch ῥαδές· τὸ ἀμφοτέρως ἐγκεκλιμένον H. Auch für ῥάδαμνος (s.d.) kommt diese Anknüpfung (mit Düntzer) in Betracht (somit von ῥάδιξ zu trennen?). Dazu noch der ark. PN ϝράδων. Unklar ῥαδανῶροι· οἱ τῶν λαχάνων κηπουροίH. (von Bechtel Dial. 2,420 verworfen; abzulehnen v. Blumenthal Hesychst. 11). Unwahrscheinlich über ῥαδινός : ῥαδανός Güntert Reimwortbildungen 129. — Aus anderen Sprachen sind herangezogen: aind. ávradanta 3. pl. Ipf. etwa ‘lösten, lockerten sich (schwankten?)’ ἅπ. λεγ. (RV2,24,3); germ., got. wraton ’πορεύεσθαι, διοδεύειν’, awno. rata ‘ds.’; auch lit. randù, ràsti ‘finden’ (s. Fraenkel s.v.); alles hypothetisch. Einzelheiten bei Bechtel Lex. s. περιρρηδής; ältere Diskussion bei Curtius 352. — Zum weiteren schematischen Anschluß an u̯er- ‘drehen, bieben’ WP. 1, 273f., Pok. 1153. II-638
ῥάδιξ s. ῥάδαμνος. II-638
ῥάζω ‘knurren, murren’, eig. vom Hunde; sekundär auf Menschen übertragen (Kratin. 25). — Schallwort; vgl. ἀράζω und ῥύζω. Zum Anlaut Schwyzer 310 α Zus. II-638
ῥαθάμιγξ, -ιγγος f., meist pl., ‘Tropfen’ (Λ 536 = Υ 501, Hes., Pi.); auch ‘Staubkörnchen’ (κονίης ῥ. Ψ 502), ‘Fleckchen’ (Opp.). Davon ῥαθαμίζω ‘besprengen’ (Opp., Nonn.; wie σάλπιγξ : -πίζω). Nebenformen ῥαθμίζεσθαι· ῥαίνεσθαι; ῥαθαί-νεται· ῥαίνεται, βρέχεται H.; ῥαθασσόμενοι· ῥαινόμενοι H., Phot. — Volkstümliche Bildung auf -ιγξ wie λάϊγγες, στροφάλιγξ, πύλιγγες (s.d.) u.a. (Chantraine Form. 398ff., Schwyzer 498); weitere Analyse unsicher. Als Grundwort kommt zunächst ein Nomen *ῥαθαμός (οὐλαμός, ποταμός u.a.) in Frage; daneben anscheinend *ῥαθμός in ῥαθμίζεσθαι. Wie βαθμός : βαίνω auch *ῥαθμός : ῥαίνω? Durch Kreuzungen od. Erweiterungen ῥα-θαίνω (: ῥαίνω), ῥαθάσσω (: σταλάσσω). Weiteres s. ῥαίνω. —Anders Bechtel Lex. s.v. (zu ῥώθωνες ‘Nasenlöcher’). II-638-639
ῥαθαπυγίζω ‘einen Tritt auf den Hinteren geben’ (Ar. Eq. 796); daneben ῥοθοπυγίζω mit -ισμός (Suid., Thom. Mag.). — Denominativum von πυγή mit einem schallnachahmenden Vorderglied, das auch in ῥάθαγος· τάραχος (H., Sch.) erscheint (vgl. Schwyzer 644); etwa haplologisch für (ein vorschwebendes) *ῥαθα[γο]-πυγίζω (Ehrlich Sprachgesch. 7)? Der α-Vokalismus wie in den ebenfalls schallnachahmenden πάταγος, λαλαγή, καναχή u.a.; die ο-Vokale in ῥοθο-πυγίζω sekundär nach ῥόθος. II-639
ῥᾴθυμος s. ῥα̃. II-639
ῥαιβός ‘krumm, einwärts gebogen’, bes. von Beinen (vgl. Fraenkel, Μνήμης χάριν 1, 100; Arist., Nik. usw.). Als Vorderglied u.a. in ῥαιβο-ειδής ‘krummgestaltet’ (Hp.). Davon ῥαιβ-ηδόν ‘in Krümmungen’ (Euph.), -όω ‘krümmen’ (Lyk., Gal.), -ότης f. ‘Gekrümmtheit’ (Eust.). — Die Wörter auf -βός drücken nicht selten ein körperliches Gebrechen aus, z.B. κολοβός, κλαμβός, σκαμβός, ὑβός; dabei kann β wurzelhaft sein (στραβός). Auch in ῥαιβός ist β altererbt, wenn man der Gleichung mit germ., z.B. got. wraiqs ’σκολιός’ trauen darf: idg. *u̯raigʷo- oder *u̯raig-u̯o- (Aufrecht KZ 12, 400, Persson Beitr. 1, 502 A.1). Zum α-Vok. vgl. κλαμβός u.a. oben, auch λαιός, σκαιός (m. altem u̯o-Suffix). Anderer, nicht vorzuziehender Vorschlag bei Solmsen KZ 34, 552 : zu lit. sráigė ‘Schnecke’ (dazu Fraenkel s.v.). — Weitere Einzelheiten (z.T. abweichend) m. Lit. bei Bq, WP. 1, 279, Pok. 1158, Feist Vgl. Wb. s. wraiqs. Vgl. ῥοικός, auch ῥυβός. II-639
ῥαίνω (seit Il.), Aor. ῥῆναι (Hp. u.a.), ῥᾶναι (att., hell.), Pass. ῥανθῆναι (Pi. u.a.), Ipv. 2. pl. ῥάσσατε (υ 150), Ptz. περι-ρασάμενοι (Pergamon IIa) nach κεδάσσαι, κεράσ(σ)αι u.a., Perf. Akt. δι-έρραγκα (LXX), Med. 3. pl. ἐρράδαται (υ 354), Plqu. -δατ(ο) (Μ 431) mit analog. -δ- (Schwyzer 672), ἔρραμμαι (hell. u. sp.), -ασμαι (Sch.), ‘besprengen, bespritzen, bestreuen’. oft m. Präfix, bes. περι-, Ableitungen: 1. ῥανίς, -ίδος f. ‘Tropfen’ (Trag., Ar., Arist. usw.) mit ῥανίζω = ῥαίνω (Poll.); 2. ῥαντός ‘besprengt, gefleckt’ (Hp. u.a.) mit ῥαντίζω, auch m. περι-u.a., = ῥαίνω (LXX, Ep. Hebr. u.a.), wozu (περι-)ῥαντ-ισμός m. (LXX, NT), -ισμα n. (Vett.Val.); 3. ῥαντήρ, -ῆρος m. ‘Besprenger’ (Nik. u.a.) mit (περι-, ἁπο-)ῥαντήριον n. ‘Gefäß mit Sprengwasser’ (ion. att.); 4. (περι-)ῥάντης m. ‘Besprenger’ (Pap. u. a.); 5. (περί-)ῥανσις f. ‘das Besprengen’ (Pl., Pap.); 6. ἀπό-ρ(ρ)ανθρον = ἀπορραντήριον (Anaphe, Priene); 7. ῥάσμα n. ‘das Sprengen, Sprühwasser’ (hell.). — Das obige Verbalsystem ist auf der gemeinsamen Grundlage ῥαν- aufgebaut, die, wenn altererbt, die Schwundstufe von idg. *u̯ren- oder *sren- repräsentiert. Sichere außergr. Verwandte fehlen. Nach Solmsen KZ 37, 590ff. zu einem slav. Verb für ‘fallen lassen, vergießen’ in russ. ronítь, čech. roniti, poln. ronić u.a., das auf *u̯ron- zurückgehen kann, sich aber auch anders erklären läßt (WP. 1, 139, Pok. 329). Lautlich mehrdeutig ist heth. ḫurnāi- ‘besprengen’ (Szemerényi KZ 73, 74). Wer die Wurzel in u̯r-en- oder sr-en- zerlegen will, kann das Wort in einer wohlbekannten Umgebung unterbringen. —An ῥαίνω schließt sich, formal wie eine θ-Erweiterung (idg. u̯rn̥-dh-), das morphologisch unklare ῥαθάμιγξ; s. bes. II-639-640
ῥαίω, Aor. ῥαῖσαι, Pass. ῥαισθῆναι, Fut. ῥαίσω, ‘zerschlagen, zerbrechen, zerschmettern’ (ep. poet. seit Il.). auch m. δια-, ἀπο-, Davon ῥαιστήρ, -ῆρος ‘Hammer’, f. (Σ 477; nach σφῦρα?), m. (AP 6, 117), Genus sonst unbestimmbar (A. Pr. 56, Kall. Dian. 59 u.a.); ῥαιστήριος ‘zerbrechend, zerstörend’ (A. R., Opp.); ῥαίστωρ· κραντήρ (= ‘Fangzahn’) H. Mehrere Zusammenbildungen auf -της, z.B. θυμο-ρραίσ-της ‘lebenzerstörend’ (Il.), κυνο-ρραίσ-της ‘Hundslaus’ (ρ 300, Arist.); vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 44 m. A. 1. — Reimwort zu den sinnverwandten παίω, πταίω, auch κναίω, ψαίω; das -σ- in ῥαισθῆναι usw. kann analogisch sein. Etymologisch undurchsichtig; ob Kreuzung von ῥήγνυμι und παίω? Frühere Erklärungen (aind. ríṣyati ‘Schaden nehmen’, sráṃsate ‘zerfallen’) bei Bq und Hofmann Et. Wb. s.v.; auch WP. 2, 345f. II-640
ῥάκος, oft pl. ῥάκεα, -η n. ‘Lumpen, Fetzen, Runzeln, Trümmer’ (seit Od.). Davon 1. Demin. ῥάκιον, pl. -ια n. (Ar. u.a.); 2. ῥακώματα pl. = ῥάκη (Ar.; Erweiterung, Chantraine Form. 187); 3. ἀπορ<ρ>ακίσματα H. zu ῥάκη (: *ἀπο-ρρακίζειν); 3. Adj. ῥάκ-ινος (hell. Inschr.), -όεις (AP), -ώδης (D. C., AP u.a.) ‘zerlumpt, runzelig’; 4. Unsicher (verderbt Debrunner IF 23, 14) ῥακωλέον· ῥάκος H. (: ῥωγαλέος u.a.); 5. Denom. Vb. ῥακ-όομαι ‘zerfetzt, runzelig werden’ (Hp., Plu. u.a.) mit -ωσις f. ‘das Runzeln, Runzeligkeit’ (Sor. u. a.). — Für ῥάκεα, -η steht äol. βράκ-εα (Sapph. 57), -η (Theok. 28, 11), aber im Sinn von ‘(lange) Frauengewänder’; dazu βράκος· κάλαμος, ἱμάτιον πολυτελές H. Andere Bildung: βράκαλον· ῥόπαλον, βράκετον· δρέπανον, κλαδευτήριον H.; vgl. (ohne Dissim.) ῥάκετρον ‘Hackmesser’ (Poll.; v. l. ῥάχ- [nach ῥάχις]) mit -ετρίζω ‘spalten, durchschneiden’ (Pl. Kom.). Die abweichende Bed. ‘Frauengewänder’ ist geeignet, Zweifel an der Zugehörigkeit von βράκεα, -ος in diesem Sinn zu erwecken (s. Belardi Doxa 3, 199 f. mit einer anderen, sehr fraglichen Etymologie). Die übrigen Wörter reihen sich unschwer an ῥάκος aus ϝράκος, wobei βράκαλον nach Muster von ῥόπαλον, σκύταλον geschaffen wurde; βράκετ(ρ)ον scheint ein primäres Nom. instr. zu sein, das wie ῥάκος ein primäres Verb, etwa Aor. 2. *ῥακεῖν voraussetzt. — Unmittelbare außergriech. Entsprechung fehlt. Alt ist der Vergleich mit aind. vrścáti ‘hauen, fällen (Bäume), zerhauen, spalten’, wozu yūpa-vrask-á- ‘Pfostenhauer’ und das Ptz. vr̥k-ṇá- ‘gehauen, gefällt’, das für *vr̥ṣk-ṇá- stehen kann und mithin eine an sich mögliche idg. Grundform *ŭr̥k-nó- (= gr. *ϝρακ-) überflüssig macht. Das daraus erschlossene idg. *u̯resq-, *u̯rosq- hat eine Variante im slav. Wort für ‘Runzel’ (vgl. ῥάκος, auch ‘Runzel’), z.B. russ.-ksl. vraska aus *u̯orsq-ā. Toch. A wraske ‘Krankheit’ (Duchesne-Guillemin BSL 41, 147) ist lautlich mehrdeutig und liegt semantisch fern. Für idg. u̯resq-, u̯ersq- läßt sich ein älteres *u̯reḱ-sq-, *u̯erḱ-sq- konstruieren, wodurch die Verbindung mit u̯r̥ḱ- in ῥάκος hergestellt wäre. Man ist jedoch eher geneigt, an uralte Kreuzungen oder Entgleisungen zu glauben. Ein idg. u̯r̥ḱ- kann indessen im indoiran. Wort für ‘Baum’ (eig. *’gefällter Baum’), aind. vr̥kṣá-, aw. varəša- m., idg. *u̯r̥ḱ-s-o- neben *u̯r̥ḱ-os- in ῥάκος, stecken (s. Lidén bei WP. 1, 286, wo unbegründeter Zweifel); dabei muß man auf vr̥k-ṇá- aus idg. *u̯r̥q-nó- endgültig verzichten. — Weitere, ganz entlegene Anknüpfungen an u̯er- ‘aufreißen’ (m. verschiedenen Erweiterungen) bei WP. a.O., Pok. 1163 (m. Lit.). Ältere Lit. auch bei Bq. — Vgl. ῥίνη, ῥινός. Als Vorderglied in ῥακό-δυτος eig. ‘in Lumpen gekleidet’, ‘lumpig’ (E. in lyr.). II-640-641
ῥακτήριος, ῥάκτρια s. ῥάσσω. II-641
ῥάμνος f. ‘Dornstrauch, Rhamnus’ (Eup., hell. u. sp.). Davon ‘Ραμνοῦς, -οῦντος m. N. eines att. Demos mit -ούσιος (att.). — Kann für *ῥάβνος stehen und somit zu ῥάβδος u. Verw. gehören, s.d. m. Lit.; das ν-Suffix nach θάμνος. Über weitere, ganz entlegene Kombinationen s. auch Bq; vgl. noch ῥαδινός und ῥέμβομαι. II-641
ῥάμφος n. ‘(krummer) Vogelschnabel’ (Kom., Kall., Plu.), λεπτό-ραμφος ‘mit dünnem Schnabel’ (Paul. Aeg.); ῥαμφή f. ‘krummes Messer’ (Plb., H.). Von ῥάμφος : ῥάμφ-ιον n. Demin. (Sch.), -ίς, -ίδος f. ‘krummer Haken’ (Hero), auch = νεὼσ εἶδοσ H. (vgl. κορωνίς), -ιος = πελεκανός (Kyran.), -ώδης ‘schnabelähnlich’ (Philostr.), -ησταί· ἰχθῦς ποιοί H. (Strömberg Fischnamen 43), -άζομαι ‘mit dem Schnabel stoßen’ (H., Phot.). Dazu noch ῥαμψόν· καμπύλον, βλαισόν, ῥαμψὰ γόνατα· βλαισὰ. γόνατα, τὸ δὲ αὐτὸ καὶ ῥαιβά H.; nach γαμψός u. a.; vgl. Specht Ursprung 200 m. Lit., Stang Symb. Oslo. 23, 47. — Neben ῥάμφος, ῥαμφή (vgl. z.B. γράφος: γραφή) steht mit regelmäßiger Hochstufe ῥέμφος· τό στόμα, ἢ ῥίς H. Zu ῥαμφ- vgl. καμπ-, γναμπ-, κραμβ- u.a., für den Anlaut auch ῥαιβός. Ohne unmittelbare Entsprechung. Lautlich anklingend, auch begrifflich damit allenfalls vereinbar ist ῥέμβομαι ‘sich herumtreiben’ (s.d.) mit ῥόμβος ‘Kreisel’. Bei ‘(im Kreise) drehen, krümmen’ angelangt, hat man den Weg offen u. a. zu germ., mnd. wrimpen ‘rümpfen’, wramp-achtich ‘gewunden, krumm’; mithin idg. u̯remb(h)-. Über den weiteren Anschluß an u̯er-b(h)- ‘drehen’ s. die Lit. zu ῥάβδος, ῥέμβομαι; vgl. auch ῥομφαία. II-641-642
ῥανίς, ῥαντήρ s. ῥαίνω. II-642
ῥά̄ξ, ῥᾱγός (att., hell. u. sp.), ῥώξ, ῥωγός (Archil., LXX, Nik. u.a.) f. (LXX auch m.) ‘Weintraube, -beere’, sekund. auch ‘Beere’ im allg., übertr. ‘Art Spinne’, pl. ‘Fingerenden’. Als Vorderglied in ῥαγο-ειδής ‘traubenähnlich’ (Mediz.). Davon ῥαγ-ίον n. Demin. (Philum. u.a.), -ικός ‘zur Traube gehörig’, -ώδης ‘traubenähnlich’ (Thphr.), -ίζω ‘Trauben lesen’ (Theok.). — n ῥάξ erinnert ῥάματα (für *ῥάγμ-?)· βοστρύχια, σταφυλίς. Μακεδόνες H. ebenso wie lat. racēmus ‘Kamm der Traube, Weinbeere’. Sonst isoliert; wohl Mittelmeerwort (vgl. Schwyzer 425 m. Lit., 310). Über abzulehnende idg. Etymologien s. W.-Hofmann s.v. (wo auch andere Lit.); verfehlt ebenfalls Carnoy REGr. 69, 286 und Ant. class. 27, 326. Ältere Lit. bei Bq. II-642
ῥαπίζω, -ομαι, Aor. Pass. ῥαπισθῆναι, Akt. ῥαπίσαι, Perf. Ptz. Pass. ῥεραπισμένα, (auch ‘vorwerfen’), ‘mit dem Stock, der Rute, der Hand schlagen’, Pass. ‘Schläge bekommen’ (ion. att.). vereinzelt m. Präfix, z.B. ἐπι- Davon ῥάπ-ισμα n. ‘Schlag, Backenstreich, Ohrfeige’ (Antiph., NT, Luk. u.a.), -ισμός m. ‘ds.’ (Corn., Sor.); ἐπιρράπ-ιξις f. ‘Vorwurf’ (Ion. Hist.), -ισμός ‘ds.’ (Plb.). — Daneben als Hinterglied -ραπις in χρυσό-ρραπις, Vok. -ι ‘mit goldener Rute’, Beiname des Hermes (Od., h. Merc., Pi.), ἐΰ-ρραπις (‘Ερμῆς) ‘mit schöner Rute’ (Nonn.); ῥαπίς als Simplex = ῥάβδος nur H., Phot. — Da das Simplex ῥαπίς aus χρυσό-ρραπις ausgelöst sein kann und in diesem das ausgehende -ις als Kompositionssuffix erklärbar ist (ἄν-αλκ-ις, ἵππ-ουρ-ις), läßt sich die Grundlage von ῥαπίζω nicht mit Sicherheit feststellen. Es kann von einem Nomen (*ῥάψ, *ῥαπ-ή od. dgl.) ausgehen, aber auch Umbildung eines primären Verbs sein; vgl. die Beispiele bei Schwyzer 735 f. — Formal reiht sich ῥαπίζω als eine schwachstufige Bildung an ῥέπω, ῥόπαλον und bezeichnete, wenn deverbativ, eine schwingende oder schnellende Bewegung (eines Stocks, einer Rute, der Hand usw.). Weiteres s. ῥέπω; vgl. 1. ῥώψ, ῥάβδος, ῥάμνος; auch ῥάπτω. II-642-643
ῥάπτω, Aor. ῥάψαι (seit Il.), Aor. 2 ἔρραφον (Nonn.), Pass. ῥαφῆναι, Fut. ῥάψω, Perf. Pass. ἔρραμμαι (ion. att.), Plusqu. Akt. ἐρραφήκει (X. Eph.), ‘(zusammen)nähen, flicken, anzetteln’. oft m. Präfix, z.B. συν-, κατα-, ἐν-, Davon 1. Nom. actionis: ῥαφή (auch συν-, κατα- ~ u.a.) f. ‘Naht, Saum’ (seit χ 186; -φ- hier und in den Folg. analog.); ῥάμμα n. ‘ds.’ (Pi., ion. att.). 2. Nom. agentis: ῥαφεύς m. ‘Näher, Sticker, An- zettler’ (A., Poll.; nach Bosshardt 40 von ῥαφή); ῥάπτης m. ‘Flicker’ mit -τικός (sp.), f. ῥάπτρια (Eust.), περι- ~ N. einer Priesterin in Piräus (Inschr.); m. *ῥαπτήρ in myk. ra-pte(-re) ?; s. Morpurgo Lex. s.v. m. Lit.; anders Heubeck IF 64, 119ff. (myk. wa-ra-pi-si-ro = ϝράψιλος??); δικο-ρράφ-ος m. ‘Winkeladvokat’ (D. Chr. u.a.) mit -ρραφέω ‘einen Prozeß anzetteln’ (Ar. u.a.), -ρραφία (Man.). 3. Nom. instr. ῥαφίς, -ίδος f. ‘Nähnadel’ (Hp., Archipp., hell. u. sp.) mit ῥαφιδ-εύς m., -εια f. ‘Sticker(in)’, -ευτής m. ‘ds.’, -ευτός (LXX u.a.), -ᾶς m. ‘ds.’ (Pap. IVp); vgl. Boßhardt 40; ῥαφίς auch Fischname = βελόνη (Arist., Opp.; Strömberg Fischn. 37); daneben ῥαπίς als Fischn. (Epich 51 als v. l.), = κρηπίς (H., EM). 4. Vbaladj. ῥαπτός ‘geflickt, zusammengenäht’ (seit ω 228f.; Ammann Μνήμης χάριν 1, 17). 5. ‘Ραψώ f. N. einer Göttin od. Nymphe (Phaleron IVa). — Zu ῥαψῳδός s. bes. Zu ράπτω mit durchgeführter Schwundstufe kann lit. verpiù, ver̃pti ‘spinnen’ bis auf den Ablaut stimmen : idg. u̯erp- ~ u̯r̥p-; daneben mit Schwundstufe lit. vir̃pti (vìrpti), virpė́ti ‘beben, zittern, vibrieren’; zur Bed. vgl. lett. virpêt ‘mit Hilfe einer Spindel spinnen’, auch ‘zittern’, vḕrpt ‘spinnen, hin und her drehen’. Über aind. (RV) várpas- n. (von Schrader KZ 30, 481 herangezogen) ist wegen der unklaren Bed. (am ehesten ‘Gestalt, Erscheinung’; auch ‘Verwandlung’ od. sogar ‘List’?) kein sicheres Urteil möglich. — Über die vielen Ableitungen der balt. Verba, die fürs Griech. nichts lehren, s. Fraenkel s. ver̃pti und virpė́ti m. reicher Lit.; ält. Lit. auch bei Bq. —Weiteres s. ῥέπω, ῥέμβομαι. II-643
ῥάπυς, ῥάφρυς s. ῥάφανος. II-643
ῥάσσω (hell.), att. ῥάττω, ion. ῥήσσω (ep. seit Σ 571, ἐπι- ~ Ω 454, 456, h.Ap. 516, auch LXX, NT u.a.), Fut. ῥάξω, Aor. ῥᾶξαι (att., hell.), ῥαχθῆναι (LXX usw.), ‘schlagen, niederschmettern, stoßen, stamp- fen’ (auch von Tänzern), intr. ‘losschlagen, losstürzen’. auch m. Präfix, z.B. ἐπι-, συν-, κατα-, Davon 1. σύρ-, πρόσ-ραξις f. ‘Zusammen-, Anstoß’ (Arist., Pap. u.a.), ἀπό- ~ N. eines Ballspiels (Poll., Eust.). 2. κατα-ρράκτης als Adj. ‘herabstürzend, abschüssig’ (S., Str.), als Subst. m. ‘Wasserfall’ (D. S., Str.), ‘Fallgatter, Enterbrücke’ (LXX, App. u.a.), N. eines herabstürzenden Vogels (Ar., Arist. usw.), Κατα-ρρήκτης m. N. eines Flusses in Phrygien (Hdt.); κατα-ρρακτήρ ‘herabstürzend’ (Lyk.; von einem Vogel). 3. ῥακτήριον· ὄρχησίς τις, -τήρια· τύμπανα H., ῥακτήριος etwa ‘zum Schlagen geeignet’, auch ‘lärmend’? (S. Fr. 802 u. 699); ῥάκτριαι f. (-ια n.?) pl. ‘Stäbe, um Oliven abzuschlagen’ (Poll., H., Phot.). Zu ῥάγ-δην, -δαῖος s. ῥαγή; zu ῥαχία bes. Verhältnismäßig seltenes Verb, das in der Koine mit ῥήγνυμι zusammengeworfen wurde. — Ohne sichere Anknüpfung. Da vor ῥ- ein Konsonant geschwunden sein muß, kann ein urgr. *ϝρά̄χ-ι̯ω (vgl. ῥαχ-ία) mit einem slavischen Verb für ‘schlagen’ (ebenfalls mit u̯-Schwund) identifiziert werden, z.B. russ. razítь, čech. raziti, wozu u.a. čech. ráz ‘Schlag, Gepräge’, russ. raz ‘Mal’, idg. *u̯rāĝ(h)- (WP. 1, 318f. mit Lidén Ein balt.-slav. Anlautges. 24 f.). Die slav. Wörter sind aber auch mit russ. rézatь ‘schneiden, schlachten’, aksl. rězati ’κόπτειν’ usw. und dadurch mit ῥήγνυμι verbunden worden (s. Vasmer s. raz II und Fraenkel s. rė́zti 1), die aber unleugbar semantisch davon etwas abweichen. Wie im Griech. ῥήσσω und ῥήγνυμι können übrigens im Slav. die entsprechenden Verba z.T. zusammengeflossen sein. — Die begrifflich sehr ansprechende Anknüpfung an ἀράσσω (Bechtel Lex. s. ῥήσσω mit Joh. Schmidt; vgl. ταλα- : τλᾱ-, ταράξαι : θρά̄σσω) scheint ein urgr. *ϝαράχ-ι̯ω vorauszusetzen; von ϝ- fehlt aber jede Spur. Vgl. zu ῥάχις. II-643-644
ῥᾳστώνη s. ῥα̃. II-644
*ῥατάνη f. ‘Rührlöffel, -kelle’ nur in (dor.) ῥατάναν· τορύνην und βρατάναν· τορύνην. ’Ηλεῖοι H. — Gerätename auf -άνη wie πατ-, δρεπ-, οὐρ-άνη u.a., entweder von einem schwundstufigen Verb (z.B. Aor. *ϝρατ-εῖν) oder von einem Nomen (z.B. *ϝρατ-η). Eine erweiterte Verbform liegt mutmaßlich vor in βρατάνει· ῥαΐζει ἀπὸ νόσου. ’Ηλεῖοι H., eig. "wendet sich (zum Besseren)"; vgl. z.B. βλαστ-άνω : βλαστ-εῖν, αἰσθ-άνομαι : αἰσθ-έσθαι (etw. abweichend Schwyzer 700 A. 3). Von einem Nomen stammt ἄ-ρρατ-ος (wie ἄ-μαχ-ος : μάχη u.a.); s. bes. — Daneben mit ρ-Suffix (-άριον?) und äol. ρο = ρα: ῥοταρία (-άρια?)· τορύνιον H.; Bechtel Dial. 2, 864. — Das zugrunde liegende Verb ist aus mehreren Sprachen wohlbekannt, z.B. aind. vártate, lat. vertō ‘(sich) wenden, drehen’, germ., z.B. got. wairþan ’wer- den’. Weitere Formen m. reicher Lit. u.a. bei WP. 1, 274f., Pok. 1156ff., W.-Hofmann s. vertō. Ält. Lit. auch bei Bq. II-644-645
ῥάφανος (-άνη Batr. [v.l.] u.a.) f. ‘Kohl, Brassica cretica’ (att. usw.), ‘Rettich, Raphanus sativus’ (Arist., Pap. u.a.). Davon 1. ῥαφανίς, -ῖδος f. ‘Rettich’ (Kom. u.a.) mit -ίδιον n. ‘ds.’ (Pl. Kom.), -ιδώδης ‘dem Rettich ähnlich’ (Thphr.), -ιδόομαι ‘mit einem Rettich behandelt werden’ (Ar.); 2. ῥαφάν-ιον n. ‘Rettich’ (Pap.); 3. -ινος ‘von Rettich’ (Pap., Dsk. u.a.), -ῖτις f. ‘Art Iris’ (Plin.; Redard 76); 4. -ηδόν Adv. ‘in rettichähnlicher Weise’ (Mediz.). — Daneben ῥάφυς, ῥάπυς f. ‘Rübe’ (Ath. 9, 369b, 371 c). — Sehr unsicher ῥάφας Akk. pl. (nach H. s. ῥαφα-νίς mit Tryphon dor.); wohl Verschreibung für ῥαφάνους od. ῥαφ<άν>ας; vgl. Phot. ῥάφανον· τὴν ῥαφανῖδα. ’Επίχαρμος (Fr. 204). Zu ῥάφανος vgl. πύανος, λάχανον, πήγανον u. andere Pfi.namen; an ῥάφυς, ῥάπυς erinnern σίκυς, κάχρυς, στάχυς u.a. — Alte Benennung der Rübe, die in den europ. Sprachen weitverbreitet ist aber einen schwankenden Vokalismus aufweist, was auf alte Entlehnungen oder alte Kreuzungen schließen läßt: lat. rāpum n., -a f., ahd. ruoba f., lit. rópė f., alle auf idg. rāp- zurückführbar; daneben ahd. raba, bair. Kohlraben (von lat. rāpa beeinflußt?), slav., z.B. r.-ksl. rěpa, russ. répa f. (idg. rēpod. sekundäre Entgleisung?; vgl. Machek Ling. Posn. 2, 158 ff.); hinzu kommt, mit ᾰ und fast durchgehender Aspiration, gr. ῥάπυς, ῥάφυς, ῥάφανος (zur Bildung oben). Schon wegen des fehlenden prothet. Vokals kann ῥάπυς usw. kein idg. Erbstück sein; abzulehnen Carnoy REGr. 71, 98 und Ant. class. 24, 22. Ganz für sich stehen kelt. Formen wie kymr. erfin pl. ‘Rüben’. — Die Übertragung des alten Wortes für ‘Rübe’ auf den Rettich und den Kohl hängt wohl mit dem Rückgang des Rübenbaus in Griechenland zusammen; für ‘Rübe’ wurde aber dabei ein neues Wort γογγυλίς gebräuchlich. Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 2, 341, Pok. 852, W.-Hofmann, Fraenkel und Vasmer s.vv.; zum Sachlichen noch Schrader-Nehring Reallex. 1, 612 und 2, 251. II-645
ῥαχία, ion. ῥηχίη f. ‘Meeresbrandung, Flut, umbrandete Stelle, felsiges Gestade’ (ion. att.); hell. u. sp. auch ‘Getöse, Lärm einer Volksmenge’. Davon ῥαχι-ώδης ‘voll Brandungen’ (Str.). — Zu ῥάσσω, ῥάττω, ῥήσσω ‘schlagen, stoßen usw.’ (s.d. m. weiterer Lit.), u. zw. entweder als Nom. actionis direkt vom Verb (mit -ία auf das Jotpräsens *ϝρά̄χ-ι̯ω bezüglich?; s. Scheller Oxytonierung 39 f.) oder als urspr. Abstrakt- bzw. Kollektivbildung (οἰκ-ία, ἀντλ-ία u.a.) von *ῥᾶχος ‘Schlag, Stoß’. II-645
ῥάχις, -ιος, att. -εως f. (m.) ‘Rückgrat, Rücken’, oft übertr. ‘Bergrücken usw.’ (seit I 208). Davon 1. ῥαχ-ίτης m. ‘zum Rückgrat gehörig’ (Arist., Mediz.), ἐπιρραχ-ίτιδες ἀρτηρίαι (Hippiatr.; Redard 101 f.); 2. ῥαχι-αῖος ‘ds.’ (Mediz.); 3. ῥαχ-ίζω, auch m. δια-, κατα-, ‘(das Rückgrat) spalten, zerstücken’ (Trag. u.a.), auch ‘aufschneiden, prahlen’ (Din., H.) mit -ιστής m. ‘Zerspalter’ (Pap.), ‘Aufschneider, Prahler’ (Theepomp. Kom.), -ιστήρ· ψεύστης, ἀλαζών H. Mit Umbildung des Stammes: 4. ῥάχ-ετρον = ῥάχις H., auch Ben. eines bestimmten Teils davon (Poll., Phot.; nach ἄγκιστρον, δέρτρον, ἦτρον?; vgl. auch Fraenkel Glotta 4, 43, Schwyzer 532), mit -ετρίζω = ῥαχίζω (Poll.); daneben ῥάκ-ετρον usw. (s. ῥάκος). 5. ῥαχάς· χωρίον σύνδενδρον καὶ μετέωρον H., Phot. (nach δειράς, σπιλάς u.a.) mit ῥαχάδην· ἐπὶ τῆς ῥάχεως H. 6. Gen. sg. τοῦ ῥαχα von ῥαχας ‘ds.?’ (Halaesa; röm. Zeit). — Daneben ῥαχός (ῥᾶχος; codd. auch ῥάχος, wohl nach ῥάχις), ion. ῥηχός f. ‘Dornstrauch, Dornhecke, (dorniges) Reis’ (Hdt., S., X., Thphr. u.a), ἐΰ-ρρηχος, ῥηχώδης ‘dornig’ (Nik.); Denom. ῥαχῶσαι ‘mit Reisern bedecken’ (att., 307-6a). Zur Bed. ‘Dornstrauch, Rückgrat, Rücken’ vgl. z.B. ἄκανθα, lat. spina u.a. — Unklar ῥάχνος n. (Pap. IV-VIp), etwa ‘Mantel’? — Mit ῥάχις läßt sich lit. ražis ‘Stoppel’ (woneben weit gewöhnlicheres rãžas ‘Stoppel, (Gabel)zinke, dürres Reis’) unnuttelbar gleichsetzen, idg. *u̯răĝh-i-; anl. u̯- wird durch ὀρήχου (ὀ- = ϝ-)· τῆς αἱμασιᾶς H. bestätigt. Daneben hoch-(dehn-)stuf. *u̯rāĝh- in ῥᾱχός, ῥηχός. Weitere Analyse unsicher: es kann sich sowohl um verbale wie um nominale Ableitungen, auch um Erweiterungen von einem Wz.nomen usw. handeln. Weitere Beziehung zu ῥαχία, ῥάσσω ist nicht zu beweisen (ablehnend Solmsen Wortforsch. 163A.1); urspr. Bed. ‘stechen, stoßen’?? — WP. 1, 318 (nach Lidén Ein balt.-slav. Anlautges. 15), Pok. 1180. II-646
ῥαψῳδός m. ‘Rhapsode, Vortragender epischer (homerischer) Gedichte’ (Hdt., S., Pl. u.a.) mit ῥαψῳδ-ικός ‘zum Rhapsoden gehörig’, -έω ‘epische Gedichte vortragen’, -ία f. ‘das Vortragen epischer Gedichte, ep. Gedicht’ (att. usw.). — Verbales Rektionskompositum von ῥάψαι ᾠδήν (ἀοιδήν), somit eig. ‘der ein Gedicht zusammennäht’ mit Beziehung auf die ununterbrochene Folge der ep. Verse im Gegensatz zur strophischen Komposition der Lyrik; vgl. Hes. Fr. 265 ῥάψαντες ἀοιδήν. Pi. Ν. 2, 2 ‘Ομηρίδαι ῥαπτῶν ἐπέων ... ἀοιδοί. Patzer Hermes 80, 314ff. (mit Referat der früheren Diskussion); vgl. noch die Ausführungen von Sealey REGr. 70, 312ff. II-646
‘Ρέα, ep. ion. ‘Ρε(ί)η, ‘Ρῆ f. Tochter des Uranos und der Gaia, Gemahlin des Kronos, Mutter des Zeus usw. (seit Il.). — Ohne Etymologie. Abzulehnende idg. Etymologien von Kretschmer Sprache 2, 66 m. Lit. (zu aind. rai- ‘Reichtum’, lat. rēs; von Szemerényi KZ 73, 184A.1 angezweifelt); von Sturtevant Lang. 25, 345 (zu angebl. idg. *srī- ‘Frau’). Protoidg. Erklärung von Carnoy Les ét. class. 22, 339. — Lat. R(h)ea Silvia bleibt fern (Gigon Sprachgesch. u.Wortbed. 158). II-646-647
ῥέγκω (A., E., Kom., Arist. [v. l.]), ῥέγχω (Hp., Arist., Herod., hell. u. sp.), ‘schnarchen, schnauben’. vereinzelt m. ἀπο-, ὑπο-, παρα-, Davon ῥέγκ-ος (-χ-) n. ‘Schnarchen’ mit -ώδης ‘dem Schnarchen ähnlich’, ῥέγξις f. ‘ds.’ (Hp.). — Daneben einige iterativintensive Bildungen mit ο-Vok.: ῥογκιῆν· ῥέγκειν. ‘Επίχαρμος H. (nach den Krankheitsverba auf -ιάω); ῥογχάζειν H. als Erklärung von ῥυγχιάζειν mit ῥογχ-ασμός = ῥέγχος (Gal.), -αστής = nasator (Gloss.); ῥογχ-αλίζω ‘schnarchen’ (Gloss.; nach γαργαλίζω u.a.); auch ῥόγχος (Cael. Aur.), ῥωχμός = ῥέγχος (Erot.); dazu ῥωγμός, ῥοχμός, ῥογμός ‘Zischen’ (sp. Mediz.); ῥώχω ‘zischen, mit den Zähnen klappern’ (Sor., H.). — Schallwort, das auf kelt. Gebiet eine nahe Entsprechung haben kann in air. srennim ‘schnarchen’ aus *srenk-nā-mi, wozu mir. srēimm ‘Schnarchen’ aus *srenk-s-mn̥ (wäre gr. *ῥέγχμα). — WP. 2, 705, Pok. 1002; dazu Meid IF 65, 39; zur Bildung noch Schwyzer 692. Vgl. ῥύγχος. II-647
ῥέζω 1. Fut. ῥέξω, Aor. ῥέξαι, Pass. ῥεχθῆναι, ‘wirken, vollbringen’, bes. vom Opfer, ‘Opfer darbringen’ (vorw. ep. u. trag. seit Il.). vereinzelt m. ἐπι-, κατα- u.a., Davon Vbaladj. ἄ-ρεκ-τος ‘ungetan’ (Τ 150, Simon.), Nom. ag. ῥεκτήρ, -ῆρος m. ‘Täter’ (Hes., Man.; Benveniste Noms d’ag. 39), -τήριος ‘wirksam’ (Ion Hist.), f. -τειρα (Man.); ῥέκτης m. ‘ds.’ (Plu., Aret.), -τικός ‘zu etw. fähig’ (Porph.), auch ῥέκτας ‘Opferer’ (Tauromenion; röm. Zeit); παρρέκτης· πάντα πράττων ἐπὶ κακῷ H.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 150 u. 175; zu ῥέζω nebst Ableitungen E. Kretschmer Glotta 18, 85 f. — Neben dem hochstufigen (ϝ)έργον stand ursprünglich ein schwundstufiges Jotpräsens, idg. *u̯r̥ĝ-i̯-eti (= aw. vərəzyeiti u.a.), dessen griechischer Ausläufer *ϝράζω (= myk. wo-zo?), durch das hochstufige ἔρδω aus *ϝέργ-ι̯ω (nach ϝέργον) ersetzt wurde. Als sekundäre Hochstufe, mit veränderter Stellung der Liquida, trat dafür ϝρεγ-, zunächst im. Aor. u. Fut. ῥέξαι, ῥέξω, wozu Präs. ῥέζω, Vbaladj. ἄ-ρ(ρ)εκτος usw.; vgl. Schwyzer 716 A. 2 m. Lit. Über Spuren derselben Hochstufe im Alban. u. Kelt. Pok. 1168 m. Lit.; dazu m. ausführl. Behandlung Bader Les composés grecs du type de demiourgos (Études et Comm. 57 [Paris 1965]) 1ff. — Weiteres s. ἔρδω und ἔργον. II-647
ῥέζω 2. Aor. ῥέξαι ‘färben, βάπτειν’ (Epich. 107, Phot., EM). Davon ῥέγος (ἁλιπόρφυρον, Anakr.), gewöhnlicher ῥῆγος n. ‘Decke, Teppich’ (Hom.) = τὸ βαπτὸν στρῶμα (Et. Orion.), τό πορ-φυροῦν περιβόλαιον (EM); ῥέγματα (ποικίλα, Ibyk.); χρυσοραγές· χρυσοβαφές H. Nom. ag. = ’βαφεύς, Färber’ : ῥεγεύς (EM als v. l. neben ῥαγ-, ῥηγ-), ῥηγεύς (Sch., H.), ῥογεύς (Inschr. Sparta, H.); s. Bosshardt 83. — Absterbende Wortgruppe, die sich schwerlich von aind. rájyati ‘sich färben, sich röten, sich erregen’, rāga- m. ‘Färben, Farbe, Erregung’ trennen lässt, ob- gleich das Fehlen eines prothet. Vokals (ἐ-) stark auffällt; vgl. Schwyzer 310 (mit z.T. abweichender Auffassung der Ableitungen). II-647-648
ῥέθος n. ‘Gesicht, Antlitz’ (S. Ant. 529, E. HF 1205 [beide anap.], Theok. 29, 16, Lyk. 1137), ‘Körper’ (Lyk. 173), Bed. unbek. (Sapph. 22, 3); pl. ‘Gesichter’ (A. R. 2, 68), ‘Glieder’ (Theok. 23, 39); ältere Bed. unklar (ἐκ ῥεθέων Π 856 = Χ 362, Χ 68); vgl. ῥεθέων· σπλάγχνων, μελῶν, σωμάτων H.; Sch. zu Χ 68 schlägt noch vor ‘Gesicht, Mund’, auch ‘Nasenlöcher’, welch letzteres von Leumann Hom. Wörter 218ff. (wo ältere Lit.) wegen des Plur. bevorzugt wird. Als Vorderglied in äol. ῥεθο-μαλίδας, nach Sch. zu Χ 68 = εὐπροσώπους; wörtlich "mit Gesichtsäpfeln". Da die von Gramm. als äolisch gegebene Bed. ‘Gesicht, Antlitz’ feststeht, ist bei der Erklärung davon auszugehen. Sowohl eine ältere ep. Bed. ‘Mund’ wie ‘Gestalt, Körper’ scheint dabei möglich; vgl. z.B. lat. ōs ‘Mund, Gesicht’, faciēs ‘Gestalt, Gesicht’; der Plur. nach μέλεα, στήθεα, στέρνα, νῶτα u. a. Zur Bed. bei Hom. noch Vivante Arch. glottol. it. 40, 41 f. — Ohne überzeugende Etymologie. Wenn man der Nebenform ῥόθος bei EM 701, 34 trauen darf, muß das Wort idg. und θ wurzelhaft sein. Gegen Anknüpfung an aind. várdhati ‘wachsen’ (wozu u.a. slav., z.B. russ. rod ‘Geschlecht, Geburt’, čech. ú-roda ‘Wuchs, Schönheit’) als *’Wuchs’ (Frisk IF 49, 101 ff.) spricht, wie Leumann a. O. richtig bemerkt, das Fehlen des ϝ- (β-) in äol. ῥέθος. Anders Fraenkel Glotta 32, 31 ff. (zustimmend Treu Von Homer zur Lyrik 190 A. 4): zu ῥίς, ῥέω; weder rnorphologisch noch semantisch befriedigend. II-648
ῥέμβομαι (nur Präs. bis auf ῥεμφθῆναι· ῥέμβεσθαι H.), ‘sich herumtreiben, umherirren, -schweifen, aufs Geratewohl handeln’ (hell. u. sp.). ganz vereinzelt m. ἀπο- u.a., Davon ῥεμβώδη-’umherschweifend, planlos, eitel’ (Plb., Plu. u.a.), wozu als Rückbildung ῥέμβος m. ‘das Umherschweifen’ (Plu., Aret.), Adj. ῥεμβός (sp.), f. -άς (LXX als v. l.). Erweiterungen: ῥεμβ-εύω (κατα- ~) = ῥέμβομαι, -ασμός m. ‘das Schwanken’ (LXX; *-άζομαι). — Mit Ablaut ῥόμβος, auch ῥύμβος (nach Gramm. att.) m. ‘kreisförmige Bewegung, Kreisel, Brummkreisel, Zauberrad, Tamburin’ (Pi., Kritias, E. usw.), geom. ‘Rhom- bus’ (Arist., Euk. u.a.; zur Bed. Gow JHSt. 54, 1ff., Mugler Dict. géom. s.v.), auch N. eines Plattfisches, ‘Steinbutt’ o.ä. (Ath. u.a.; Strömberg Fischn. 38, Thompson Fishes s.v.); ῥομβο-ειδής ‘rhombenähnlich, rhomboidisch’ (Hp., Euk. usw.). Davon 1. De.min. ῥυμβ-ίον n. ‘Kreiselchen’ (Sch.); 2. ῥομβ-ωτός ‘rhombenförmig’ (hell. u. sp.); 3. -ηδόν ‘nach Art eines Rh.’ (Man.); 4. -έω (ῥυ-) ‘im Kreise drehen’ (Pl. u.a.) mit -ητής m. ‘Kreisel’ (Orph.), ἐπι- ~ ‘sausen wie ein Brummkreisel’ (Sapph.); -όομαι ‘in einen Rh. verwandelt werden’ (Hero). Auch ῥυμβ-όνες f. pl. ‘Windungen’ einer Schlange (A. R.; vgl. ἀγκ-όνες u.a.), -ονάω (ῥεμβ-) ‘schwingen, wegschleudern’ (Phld., Ael.; nach σφενδονάω). — Das schon bei Pi. belegte ῥόμβος erweist auch für das erheblich später auftretende primäre ῥέμβομαι ein recht hohes Alter. Die Nebenform ῥύμβος erinnert an Fälle wie ῥοφέω : ῥυφέω (vgl. Schwyzer 351 f.); zu bemerken anderseits ῥυβόν· ἐπικαμ-πές (EM, Hdn. Gr.). — Mit ῥέμβομαι läßt sich germ., mnd. wrimpen ‘(das Gesicht) zusammenziehen, rümpfen’ formal gleichsetzen (Persson Beitr. 1, 498). Ein idg. *u̯remb- scheint trotzdem fraglich, erstens wegen der abweichenden Bedd., zweitens weil mit allerhand Reimbildungen zu rechnen ist (s. Lit. bei Persson a. O. und WP. 1, 276). Mindestens ebenso unsicher ist der Vergleich mit lit. reñgtis ‘sich bücken, sich krümmen’ (de Saussure MSL 8, 443 A.) u.a. (s. Lidén Ein balt.-slav. Anlautges. 14 f.). Zusammen mit ῥάμφος, ῥέμφος, ῥάμνος, ῥάβδος, ῥέπω bildet ῥέμβομαι einen ziemlich bunten Haufen, in dem man ein mit Labial (β, φ, π) erweitertes u̯er- mit der mannigfach wandelbaren Bed. ‘drehen’ zu erkennen glaubt; neben den labialen gibt es auch gutturale und dentale Erweiterungen im Verein mit vokalischen Varianten, s. WP. 1, 270ff., Pok. 1152ff. (nach Persson Beitr. 1, 497ff.). II-648-649
ῥέπω (seit Il.), selten Fut. ῥέψω und Aor. ῥέψαι (ion. att.), ‘sinken, sich neigen’, bes. von der Waagschale, ‘hinüberschwanken, ausfallen, die Überhand nehmen’, m. Präfix auch trans. ‘senken, sich neigen lassen’. auch m. Präfix, z.B. ἐπι-, ἀντι-, κατα-, Davon 1. ῥοπή f. ‘Senkung, Neigung (der Waagschale), Ausschlag’ (Alk., ion. att.), wozu u.a. ἀντί-ρροπος ‘auf-, gleichwiegend’, auch auf ῥέπω bezogen (att.), mit ἀντιρροπ-ίη (v. l. -ή) f. ‘Gleichgewicht’ (Hp.). 2. περί-ρρεψις f. ‘das Hinüber- neigen’ (Hp.). 3. ῥόπαλον n. ‘Knüttel, Keule’ (seit Il.) mit ῥοπάλ-ιον n. (hell. Inschr. u. Pap. usw.), -ωτός ‘mit einer keulenähnlichen Rundung versehen’ (D. C.), -ώδης ‘wie eine Keule (klopfend)’, vom Puls, -ωσις f. Ben. einer Haarkrankheit (Mediz.), -ικός ‘keulenähnlich’, als Ben. eines Verses (Gramm.), -ίζει· στρέφει, κινεῖ ὡς ῥόπαλον H. mit -ισμοί pl. (Ar. Lys.); zur Bed. von ῥόπαλον vgl. unten. 4. ῥόπτρον n. ‘Stellholz in der Falle, Klopfer, Ring an der Haustür, Handpaulke’ (Archil., att. usw.); mit Dissim. ῥόπτον Bed. unklar (Epid. IVa), -τίον· κλειδίον H. 5. περι-, ἐπι-, κατα-ρρεπής ‘hinneigend usw.’ (ion. att.), ἑτερο-ρρεπής eig. "auf die (eine oder) andere Seite sich neigend", ‘unentschieden, unparteiisch’ (A. in lyr., Hp.). 6. ῥεπτικός ‘sich neigend’ (Stoik.). — Neben dem hochstufigen Wz.präsens ῥέπω stehen die schwundstufigen ῥάπτω, ῥαπίζω (idg. u̯rep- : u̯r̥p-), wohl auch das dehnstufige ῥώψ. Der semantische Hauptnenner wird als ‘(zusammen) drehen, winden, biegen’ angesetzt, ohne daß es möglich ist, in jedem Falle die Verbindungsfäden aufzuzeigen. Für ῥέπω wäre eine Bed. ‘von der geraden Lage abbiegen, ablenken’, zunächst von der Waagschale, anzunehmen. Eine Grundbed. ‘drehen’, woraus ‘werfen’ (vgl. lat. torqueō ‘drehen, werfen’) hat man in ῥόπαλον, ῥόπτρον wiederfinden wollen (vgl. WP. 1, 276 mit Curtius u.a.); für die dabei vorauszusetzende Bed. ‘Wurfstab’ (vgl. καλαῦροψ) fehlt aber jeder Beweis. Eine direkte Anknüpfung an ῥαπίζω, ῥαπίς (eig. ‘Rute, Gerte, Stab’; Persson Beitr. 1, 499) liegt formal ferner als unmittelbarer Anschluß an ῥέπω, ῥοπή. Somit ῥόπαλον eig. "die (zum Schlag) hinsinkende, niederfallende (Keule)" wie ῥόπτρον vom niederfallenden Stellholz ? Vgl. ξύλον καθῆκε (E. HF 993) von der auf das Haupt des Knaben niederfallenden Keule des Herakles. —Vgl. ῥέμβομαι, ῥάπτω m. weiteren Hinweisen. II-649-650
ῥέω (seit Il.), Aor. ῥυῆναι (seit γ 455), dor. ἐρρύᾱ, Fut. ῥυῆσομαι, Perf. ἐρρύηκα (att.); Fut. ῥεύσομαι (Thgn., Kom., Hp. u.a.), ῥευσοῦμαι (Arist.), ῥεύσω (AP), Aor. ῥεῦσαι (Ar. in anap., Hp., hell. u. sp.), ‘fließen, strömen’, auch übertr., ‘entströmen, abfallen’ (vom Haar, reifen Früchten usw.). sehr oft m. Präfix, z.B. ἀπο-, δια-, ἐκ-, κατα-, περι-, ὑπο-, Zahlreiche Ableitungen, auch von den Präfixkompp. (hier nur angedeutet): A. Mit Hochstufe. 1. ῥέεθρον (ep. ion. seit Il.), ῥεῖθρον (att.) n. ‘Strom, Fluß, Gewässer’; 2. ‘Ρεῖτος m. Fluß- und Bachname (Eleusis Va, Th., Paus. u.a.; Krahe Beitr. z. Namenforsch. 5, 89); 3. ῥεῦμα n. ‘Strömung, Strom’ (ion. att.; vgl. Porzig Satzinhalte 267f.), ‘Fluß, Rheuma’ (Mediz.), mit -μάτιον, -ματώδης, -ματικός, -ματίζομαι, -ματισμός; 4. ῥέος n. ‘Strom’ (A; vgl. zu ἐυ-ρρεής unten); 5. ῥεῦσις f. (hell. für ῥύσις); 6. ῥευστός ‘strömend, flüssig’ (Emp., Arist. u.a.), -στικός (Plu.), -σταλέος (Orac. ap. Eus.); 7. -ρρεί-της (aus -ρρεϝέ-της) in Zusammenbildungen, z.B. ἐϋ-ρρείτης ‘schön strömend’ (Hom. u.a.), ἀκαλα-ρρείτης (s. bes.); 8. -ρρεής nur im Gen. ἐϋ-ρρεῖος = ἐϋ-ρρεϝέος (Il.) von ἐϋ-ρρεής ‘ds.’; eher auf ῥέω als auf ῥέος zu beziehen (Schwyzer 513). — B. Mit ο-Abtönnng: 1. ῥόος (κατά- usw.), att. ῥοῦς, kypr. ῥόϝος m. ‘Strömung, Flut’; 2. ῥοή (ἐκ- usw.), dor. -ά, kork. ρhοϝαῖσι f. ‘Fließen, Strömung, Ausfluß’ (seit Il.); von 1. od. 2. ῥοΐσκος m. ‘Bächlein’ (Halaesa), ῥοώδης (ῥοι- Gal.) ‘fließend, am Fluß leidend, mit starken Strömungen, wässerig, abfallend’ (Hp., Th., Arist. usw.), ῥοϊκός ‘flüssig’ (Hp., Dsk.), ῥοΐζω ‘tränken’, von Pferden (Hippiatr.) mit ῥοϊσμός H.; 3. ῥοῖαι f. pl. ‘Fluten’ (Hp.); 4. -ρροια f. zu Präfixkompp., z.B. διάρροια (: δια-ρρέω) ‘das Durchfließen, der Durchfall’ (ion. att.; zur Bildung Schwyzer 469). — C. Mit Schwundstufe: 1. ῥυτός ‘fließend, sich ergießend, stark strömend’ (Trag. u. a.; ἀμφί-, περί- ~ Od. u. a.); ῥυτόν n. ‘Trinkhorn’ (att., hell. u. sp.); 2. ῥύσις (ἔκ- u.a.) f. ‘das Fließen, Fluß’ (ion. att.); 3. ῥύμα = ῥεῦμα (sp.) s.d.; 4. ῥύᾱξ, -ᾱκος m. ‘heftiger Strom, Stromfurche, Lavastrom’ (Th., Pl., Arist. u.a.), wohl sizil. (Björck Alpha impurum 61 u. 285); vgl. ῥύαγξ (cod. ῥοί-)· φάραγξ H.; 5. ῥυά̄χετος m. ‘Volkshaufen’ (lak.; Ar. Lys. 170), expressive Erweiterung von ῥύαξ nach ὀχετός, συρφετός?; 6. ῥυάς f. (m., n.) ‘flüssig, abfallend’ (Arist., Thphr. u.a.), auch Beiw. von ἰχθῦς od. Ben. gewisser Fische, die in Schwärmen auftreten und den Strömungen folgen (Arist. u.a.; Strömberg Fischn. 50f., Thompson Fishes s.v.), ‘Fluß’ mit ῥυαδικός, ‘am Fluß leidend usw.’ (Mediz.); 7. ῥυδόν (ο 426), ῥύδην (Krates u.a.) ‘überströmend, reichlich’. — Zu ῥυθμός s. bes.; zu ῥύτρος, ῥόα (ῥοιά), ῥοῦς als Pfl.namen s. ῥόα. — Das themat. Wz.präsens ῥέω (aus *ῥέϝω; vgl. ῥόϝος u.a. oben) deckt sich mit aind. srávati ‘fließen’, idg. *sréu̯-eti. Auch zu anderen Formen gibt es genaue außergr. Entsprechungen, deren Alter aber wegen der starken Produktivität der betreffenden Formenkategorien ungewiß bleibt: ρόος = aind. srava- m. ‘das Fließen’; vgl. aksl. o-strovъ, russ. óstrov ‘Insel’ (eig. "von Strömung umgeben"); ῥοή = lit. sravà f. ‘das Fließen, Blutfluß, Menstruieren’; vgl. aind. giri-sravā f. ‘Bergstrom’, ῥύσις = aind. srutí- f. ‘Weg, Straße’ (aber z.B. vi-sruti- ‘der Aus- fluß’; vgl. Liebert Nom. suffix -ti- 39); mehrdeutig arm. aṙu ‘Kanal’; ῥυτός = aind. srutá- ‘fließend’; vgl. lit. srùtos pl. (dial. -tà sg.) f. ‘Jauche, (Tier)harn’; (ἐϋ) -ρρεής : aind. (madhu) -sravas- m. "von Honig triefend", Pfl.name (Lex.). Gegenüber dem Neutr. ῥεῦμα (idg. *sreu̯-mn̥) steht im Balt.-Slav. ein entsprechendes Mask., z.B. lit. sraumuõ, Gen. -meñs ‘Stromschnelle’ (idg. *srou̯-mon-); ähnlich thrak. Flußn. Στρυμών. Ein m-Suffix noch in germ., z.B. awno. straumr ’Strom’ (idg. *srou̯-mo-), in kelt., z.B. air. sruaim ‘Fluß’ und in alb. rrymë ‘Strömung’ (Mann Lang. 28, 37). — Genetischer Zusammenhang ist auch vermutet worden zwischen dor. Aor. ἐ-ρρύᾱ und lit. Prät. pa-srùvo ‘floß’ (aus *-āt; Schwyzer 743 m. A. 11 u. Lit.), ebenso zwischen ion. att. ἐρρύη und lit. Inf. sravė́ti. Formal identisch sind auch die Futura ῥεύσομαι (-σω) und aind. sroṣyati. Sonst gehen die griech. und aind. ebenso wie die balt. Verbsysteme auseinander. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 702 f., Pok. 1003; Fraenkel s. sravė́ti, Vasmer s. strúmenъ; ältere Lit. auch bei Bq. — Vgl. ῥώομαι. II-650-652
ῥήγνυμι, Fut. ῥήξω, Aor. ῥῆξαι (alles seit Il.), Perf. Med. ἔρρηγ-μαι (seit θ 137), Akt. (intr.) ἔρρωγα (Archil., Hp., Trag. u.a.), Ptz. ἐρρηγεῖα (Tab. Heracl.), trans. ἔρρηχα (hell.), Aor. Pass. ῥαγῆναι (seit Il.) m. Fut. ῥαγήσομαι (A. u.a.), ῥηχθῆναι (sp.); neugebild. Präs. ῥήσσω, ῥήττω (Hp., hell. u. sp.; zu ῥῆξαι, ῥήξω), ‘(zer-) reißen, (zer)brechen, zersprengen’. oft m. Präfix, z.B. ἀπο-, δια-, ἐκ-, κατα-, περι-. Als Vorderglied in verbalen Rektionskompp. ῥηξ(ι)-, z.B. ῥηξ-ήνωρ Beiw. des Achilles, ‘die Männer(reihen) durchbrechend’ (Hom. u.a.) mit -ηνορίη (ξ 217); vgl. Sommer Nominalkomp. 180; anders Muller Mnem. 46, 135ff. : zu lat. regō (von Kretschmer Glotta 11,249 mit Recht angezweifelt); Jernstedt (s. Idg.Jh. 14, 151) : zu ῥήσσω ‘(nieder) werfen’; vgl. noch die Lit. zu ἀνήρ. Davon A. Mit Hochstufe: 1. ῥῆγμα (ἔκ-, σύν-) n. ‘Riß, Spalte Bruch’ (ion. att.) mit ῥηγμα-τίης, -τώδης (Hp.); 2.ῥηγμός ‘ds.’ (Pap. IIIa); 3. ῥηγμίν (-μίς), -μῖνος f. ‘Wagenbruch, Brandung’ (ep. poet. seit Il.); ῑν-Ableitung; vgl. Chantraine Form. 168, Schwyzer 465; nach Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 40 von θῑν (θίς) beeinflußt; 4. ῥῆξις (κατά-, περί- usw.), äol. ϝρῆξις f. ‘das Durchbrechen, Bruch’ (Alk., Hp., E., Arist. usw.) mit ῥηκτικός (κατα-) ‘zerbrechlich, zerbrechend’ (Hp., Aët.); 5. ῥήκτης m. "der Zerreißer", Bez. einer gewissen Form von Erdbeben (Arist., Lyd.); 6.ϝρηγαλέον (cod. τρ-)· διερρωγότα H.; vgl. unten B 4 und Leumann Hom. Wörter 273; 7. αὔρηκτος = ἄ-ϝρηκτος ‘ungebrochen’ (Hdn. Gr.). — B. Mit ω-Abtonung: 1. ῥώξ f. nur ῥῶγας Akk.pl. (χ 143) ‘Riß’ = ‘enger Gang’ (vgl.WaceJHSt. 71, 203ff., Bérard REGr. 67, 23ff.), sonst zu den Präfixkompp., z.B. ἀπορρώξ ‘abgerissen’, f. ‘abgerissenes Stück, Ausfluß’ (ep. poet. seit Il.); 2. διαρρωγή f. ‘Spalte, Zwischenraum’ (Hp.); ῥωγαί· ῥήξεις H.; 3. ῥωγάς, -άδος ‘zerrissen, zerklüftet’ (hell. Dicht.); 4. ῥωγαλέος ‘zerrissen, durchlöchert’ (Horn.); 5. ῥωγμή f. ‘Bruch, Riß’ (Hp., Arist.) mit ῥωγματίης (Hp. ap. Gal.; vgl. A 1); ῥωχμός m. ‘Riß, Spalte, Kluft’ (Ψ 420, hell. u. sp.; aus -σμο-, Schwyzer 493), -μαί pl. ‘ds.’ (Marc. Sid.). — C. Mit Schwundstufe: 1. ῥαγή (δια-), ῥαγάς, ῥάγδην, ῥαγδαῖος s. ῥαγή; 2. ῥάγος n. ‘Lumpen, Fetzen’ (Pap. IIp), ῥαγόεις (Nik.) nach ῥάκος (s.d.), -όεις; 3. περιρραγ-ής ‘rings gebrochen’ (AP; von περι-ρραγῆναι). — Mit ῥήγνυμι aus *ϝρήγνυμι (vgl. ϝρῆξις, ϝρηγαλέος) deckt sich semantisch genau das primäre arm. ergic-anem, Aor. ergic-i mit dem gewöhnlicheren Kaus. ergic-uc̣anem ‘zerreißen, zerbrechen’. Auch lautlich stimmen sie gut zueinander bis auf den Stammvokal, da arm. ergic-anem eigentlich einen idg. Diphthong (u̯reiĝ-) gegenüber gr. ῥηγ- aus u̯rēg- voraussetzt. Wenn die regelrechte Lautentwicklung nicht durch irgendwelche Entgleisung gestört worden ist, was bei einem Verb dieser Bed. kaum überraschen würde, müssen die Verba getrennt werden; vgl. Frisk Etyma Armen. 29 (mit einer anderen Hypothese über ergicanem). Lautlich unbedenklich aber semantisch weniger schlagend ist der Vergleich (seit Meillet MSL 9, 142) mit einem baltoslav. Verb für ‘schlagen usw.’ in lit. rė́žti ‘schneiden, ritzen, schlagen’, aksl. rězati ’κόπτειν’, russ. rézatь ‘schneiden, schlachten’ usw., wozu noch u.a. russ. razítь ‘schlagen’; vgl. zu ῥάσσω m. Lit.; ält. Lit. auch bei Bq und WP. 1, 319 u. 2, 344. II-652-653
ῥῆμα, ῥῆσις, ῥήτρα usw. s. 2. εἴρω; vgl. ῥήτωρ. II-653
*ῥήν Akk. ῥῆνα (Nik.), Dat. pl. ῥήνεσσι (A. R.) ‘Schaf, Lamm’. Als Hinterglied u.a. in πολύ-ρρην-ες Nom. pl. (Ι 154 = 296), thematisch erweitert πολύ-ρρην-ο-ς Nom. sg. (λ 257) ‘schafreich’; ὑπό-ρρην-ο-ν Akk. sg. (Κ 216) ‘ein Lamm unter sich habend, säugend’. Als Vorderglied in ῥηνο-φορεύς m. ‘Schafpelzträger’ (AP; Bosshardt 29). Davon ῥηνικός ‘vom Schaf’, ῥῆνιξ, -ικος f. ‘Schafpelz’ (Hp.). Mehrere H.-glossen: ῥήνεα· πρόβατα (vgl. κτήνεα); ῥᾶνα· ἄρνα (eleisch?), ῥύεινα· ἄρνα. Κύπριοι (verdorben); wohl auch τρανόν (für *ϝρ-)· ἑξαμηνιαῖον πρόβατον. — Dazu vielleicht der Inselname ‘Ρήνεια (bei Delos). — Die obigen Formen unterscheiden sich nur im Ablaut von ἀρήν (s.d.) aus ϝαρήν; als Grundform kommt in erster Linie *u̯rēn- in Betracht, das zu lat. rēnō ‘Schafpelzkleid’ (germ. LW.; s. W.-Hofmann s.v.) stimmen kann, obwohl auch ein schwachstufiges *u̯r̥̄n- möglich scheint. Die hell. ep. ῥήνεσσι und ῥῆνα können sehr wohl nach πολύ-ρρην und anderen Kompp. gebildet sein, aber weder für die hippokrat. ῥηνικός, ῥῆνιξ noch für die H.glossen reicht diese Erklärung aus; des näheren Sommer Nominalkomp. 66 ff., Ruijgh L’élém. ach. 161 (auch Schwyzer 568). II-653
ῥήσσω s. ῥήγνυμι. II-653-654
ῥητί̄νη f. ‘Harz, Tannenharz’ (Hp., Arist., Thphr. u.a.), ῥητινό-κηρον n. ‘in Harz aufgelöstes Wachs’ (Mediz.); zum neutr. Genus vgl. βούτυρον. Davon ῥητιν-ώδης ‘harzig’, -ίτης οἶνος ‘geharzter Wein’ (Dsk.; Redard 98), -ίζω ‘harzig sein’ (Dsk.), -όομαι ‘geharzt werden’ (Hp., Dsk.). — Unter den Bildungen auf -ῑνος, -ῑνη gibt es sowohl Erb- wie Lehnwörter (Chantraine Form. 204f., Schwyzer 491). Ohne Anknüpfung, wohl LW. Der Vergleich mit lat. rasis f. ‘eine Art rohes, zu Staub zerstoßenes Pech, das dem Wein beigemischt wurde’ (Walde und W.-Hofmann s.v. als angebl. LW aus *ῥάσις) ist wenig greifbar. — Lat. rēsīna setzt eine dial. Nebenform *ῥησίνα voraus (Leumann Lat. Gr. 141). II-654
ῥήτωρ, -ορος m. ‘Sprecher, Verkünder’ (S., E.), bes. ‘öffentlucher Redner, Volksredner’ (att.), ‘Redemeister, Redekünstler’ (sp.). Einige seltene u. sp. Kompp., z.B. φιλο-ρήτωρ ‘der die Redner liebt’ (Phld.). Davon ῥητορ-ίσκος herabsetz. Demin. (Pap. IIp), -ικός ‘rednerisch, beredt, rhetorisch’, -εύω, vereinzelt m. κατα-, ἐπι- u.a., ‘als Redner auftreten, die Redekunst ausüben’ mit -εία f. ‘Redekunst, Kunstrede’ (att.). -ίζω ‘ds.’ (hell.). — Daneben ῥητήρ, -ῆρος m. ‘Sprecher’ (I 443, ‘Redner’ (AP 7, 579, metr. Inschr.; metr. bedingt?). — Als Berufsbez. ist ῥήτωρ von der att. Amtssprache geschaffen (Fraenkel Nom. ag. 2, 9); die urspr. Funktion als Nom. ag. zu εἴρω ‘sagen’ ist noch zu finden bei E. Hek. 124 (anap.) μύθων ῥήτορες, das sich an hom. μύθων ῥητῆρα (Ι 443) anschließt (fraglicher Versuch einer semantischen Differenzierung bei Benveniste Noms d’agent 52ff. mit weiteren anfechtbaren Schlüssen). — S. 2. εἴρω. II-654
ῥῖγος n. ‘Frost, Kälte, Fieberschauer’ (seit ε 472). Einige Kompp., z.B. ῥιγο-πύρετος m. (-ον n.) ‘Wechselfieber, Fieberfrost’ (Gal., Ptol. u.a.) für älteres (Hp.) πυρετὸς καὶ ῥῖγος (Strömberg Wortstud. 85), ἀ-ρριγής (Adv. -γέως) ‘gegen Kälte nicht empfindlich’ (Hp.); auch ἄ-ρ(ρ)ιγος ‘ds., nicht schauernd (Arist., Aret.) wie δύσ-ριγος ‘die Kälte schwer ertragend’ (Hdt., Arist., Thphr. usw.); beide an ῥιγέω angeschlossen wie z.B. δύσ-φορος an φορέω, φέρω. Davon das Denom. ῥιγώω, -ῶσαι, vereinzelt m. ἐπι-, ἐν- u.a., ‘frieren’ (seit ξ 481), nach dem Oppositum ἱδρώω (nicht von *ῥιγωσ- mit z.B. Schwyzer 724). Daneben ἔρρῑγα Perf. ‘friere, erstarre, schaudere’. Aor. ῥιγῆσαι (ep. poet. seit Il.), Fut. ῥιγήσω (Ε 351), Präs. ῥιγέω (Pi.); ganz vereinzelt m. ἀπο-, ἐπι-, κατα-. — Primärer Komp. ῥίγιον ‘frostiger, schauderhafter, schrecklicher’ (Hom. Hes., Semon.), Sup. ῥίγιστα (Ε 873), -ος, -ον (A. R., Nik.). —Sonstige Adj.: 1. ῥιγεδανός ‘schauderhaft, schrecklich’ (Τ 325, A. R., Opp. u.a.), nach unbek. Vorbild zu ῥιγος od. von *ῥιγεδών? (Chantraine Form. 362, Schwyzer 530, Specht Ursprung 199 u. 345); 2. ῥιγαλέος ‘ds.’ (Emp.); zu ῥῖγος wie ἀργαλέος zu ἄλγος (Debrunner IF 23, 21, Benveniste Origines 46); 3. ῥιγηλός (κατα-) ‘ds.’ (ξ 226, Hes. Sc., Nik., Nonn. Ap), von ἔριγα, ῥιγέω; 4. ῥιγώδης ‘Fieberschauer verursachend’ (Hp., Gal.), von ῥῖγος; 5. ‘Ρῖγμος m. N. eines Thrakers (Υ 485); zu ῥῖγος wie θερμός zu θέρος (Risch PAR 19f)? — Zu ἔρριγα : ῥῖγος stimmen γέγηθα : γῆθος, λέληθα : dor. λᾶθος, mit Ablaut γέγονα : γένος u.a.rn.; wie ῥίγιον : ῥῖγος noch z.B. ἄλγιον : ἄλγος, κέρδιον : κέρδος (Schwyzer 539). — Mit ῥῖγος deckt sich genau lat. frīgus n. ‘Kälte, Frost, Schauer’ bei Ansetzung von idg. *srīgos n. Ebenso ῥῑγέω = lat. frīgeō, wobei indessen mit paralleler Neubildung zu rechnen ist. Weitere Anknüpfung ganz unsicher; s. WP. 2, 7 05 f. und W.-Hofmann s. frīgeō m. reicher Lit. II-654-655
ῥίζα (äol. βρίζα, βρίσδα); myk. wi-ri-za? f. ‘Wurzel’, auch übertr. ‘Ursprung, Stamm, Grundlage’ (seit Il.) Zahlreiche Kompp., z.B. ῥιζο-τόμος m. ‘Wurzelschneider, -sammler, Kräuterkenner’, πολύ-ρριζος ‘mit vielen Wurzeln, wurzelreich’ (Hp., Thphr. u.a.). Davon 1. ῥιζίον n. ‘Würzelchen’ (Ar., Thphr. usw.), pl. -έα (Nik., -εῖα Al. 265), wohl nach ὀστέα neben (dor.) ὀστία. 2. ῥιζίας m. (ὀπός) ‘Wurzelsaft’ (: καυλίας; Thphr.). 3. Adj. ῥίζ-ώδης ‘wurzelähnlich’ (Thphr., Hero), -ικός ‘zur Wurzel gehörig’ (Plu.), -ινος ‘aus einer Wurzel be- reitet’ (PHolm.), -αῖος ‘als Grundlage dienend’ (Sardes). 4. Adv. ῥίζ-ηθεν (A. R.), -όθεν (Nik., Luk. u.a.) ‘von der Wurzel aus’; -ηδόν ‘in wurzelähnlicher Weise’ (Hld.). 5. Verb ῥιζόομαι (ἐρρίζωται), -όω (-ῶσαι), auch m. ἐν-, ἐκ-, κατα- u.a. ‘Wurzel schlagen, wurzeln, mit Wurzel versehen, befestigen, fest gründen’ (seit Od.; vgl. Schwyzer 731, Ure Class Quart. N. S. 5, 226f.) mit ῥίζ-ωμα n. ‘Urgrund, Ursprung, Wurzelwerk’ (A., Emp., Thphr. u.a.; Porzig Satzinhalte 188f.), -ωσις f. ‘das Wurzelschlagen’ (Philol., Thphr. u.a.). — Zu ῥίζα nebst Komposita und Ableitungen ausführlich Strömberg Theophrastea 5 8 ff. — Aus äol. βρίζα ergibt sich urgr. *ϝρίδ-ι̯α, das sich von lat. rādīx = rād-ī-c-s (mit erweiterndem -c- wie z.B. in genetrī-x) nur im Ablaut unterscheidet; in beiden Fällen liegen ι̯α-, bzw. ī-Ableitungen eines Nomens vor, das auch im Germ. und Kelt. nachweisbar ist: anord. rōt f. ‘Wurzel’ aus urg. *u̯rōt-, idg. *u̯rād-, das auch in lat. rād-īx vorliegen kann (vgl. unten); daneben, mit i-Stamm und Schwundstufe got. waurts, ags. wyrt, ahd. mhd. wurz ‘Kraut, Wurzel’, urg. *u̯urt-i-, idg. *u̯r̥d(-i)-; kelt., z.B. kymr. gwraidd koll. ‘Wurzeln’ mit ī- Suffix und Reduktionsstufe. Wie die germ. und kelt. Formen dürfte auch ῥίζα eine Schwach- oder Reduktionsstufe reprasentieren; zu ι als Vertreter derselben Schwyzer 352 m. Lit. Auch lat. rādīx (aber nicht anord. rōt) läßt sich zur Not auf schwundstufiges idg. *u̯r̥̄d- zurückführen. — Toch. B witsako ‘Wurzel’ bleibt noch zu erklären (Hypothese bei v. Windekens Lex. étym. s.v.). Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 288 Pok. 1167, W.-Hofmann s. rādīx. Vgl. ῥάδαμνος, ῥάδιξ, die wahrscheinlich mit ῥίζα usw. urverwandt sind. Zur Bed. vgl. u. a. ngr. (Rhodos) ῥόζος ‘Wurzel’, Kreuzung von ῥίζα und ὄζος ‘Ast’ (Hatzidakis ’Αθ. 29, 180ff.). II-655-656
ῥικνός ‘zusammengebogen, krumm, eingeschrumpft (von Alter, Trockenheit, Kälte), steif’ (ep. poet. seit h.Ap.); ῥικνοφυεῖς· τὰς στρεβλὰς καὶ πεπιεσμένας H,; ἐπί-ρρικνος ‘etw. zusammengebogen’ (X., Poll.). Davon ῥικν-ήεις ‘ds.’, erweiterte Form (Nik.); -ότης = καμπυλότης H.; -ώδης ‘eingeschrumpft’ (Hp., AP); ῥικνόομαι, vereinzelt mit κατα-, δια-, ‘einschrumpfen, sich zusammenziehen, sich krümmen’ (S., Arist., Opp. u.a.) mit ῥίκνωσις f. ‘das Einschrumpfen, Runzeligkeit’ (Hp.). — Daneben ῥοικός ‘gekrümmt, krummbeinig’ (Archil., Hp., Arist. usw.); myk. ro-i-ko? s. Morpurgo Lex. s.v. — Dazu noch ῥικάζεται H. als Erkl. (neben στροβεῖται) von ῥιξικάζεται (s.u.). — Zu ῥικ-νός : ῥοικ-ός vgl. z. B. πικ-ρός : ποικ-ίλος. Zu ῥοικός stimmen lit. ráišas (raĩšas) ‘hinkend, lahm’ (vgl. zur Bed. κυλλός ‘verkrümmt, verkrüppelt’), germ., meng. wrāh ‘verkehrt, halsstarrig’, nndl. wreeg ‘steif’, formal auch aw. urvaēsam. ‘Wirbel, Wendepunkt der Rennbahn’, idg. *u̯riḱo-s m. etwa ‘Umdrehung, Krümmung’, Adj. ‘gedreht, gekrümmt’. Daneben aus idg. *u̯reiḱo-s u.a. mnd. wrīch ‘verboten, verdreht, starr, steif usw.’. Entsprechende primäre Verba: ein schwundstufiges Jotpräsens in aw. urvis-ya- ‘sich im Kreise drehen, umkehren’; ein hochstufiges Wz.präsens in ags. wrēon (urg. *u̯rīhan, idg. *u̯reiḱ-) mit Prät. wrāh (urg. *u̯raih, idg. *u̯roiḱ-a) ‘einhüllen’ (zur Bed. vgl. εἰλύω und 2. εἰλέω; s.dd.). Eine denominative od. deverbative Ableitung ist das ἅπ. λεγ ῥικάζεται H.; das damit (und mit στροβεῖται) glossierte ῥιξικά-ζεται muß, wenn überhaupt richtig überliefert, eine expressive Erweiterung sein; vgl. Baunack Phil. 70, 370. — Weitere Vertreter dieser reich entwickelten Sippe bei WP. 1, 278 f.. Pok. 1158f., W.-Hofmann s. rīca (’einhüllendes Kopftuch’; idg. *u̯reiḱā), Fraenkel s. ráišas 1.; daselbst auch reiche Lit. II-656
ῥίμφα Adv. ‘rasch, behend, leicht’ (ep. poet. seit Il.); ῥιμφ-άρματος ‘mit raschem Wagen’ (Pi., S. in lyr.; Sommer Nominalkomp. 13f.); -αλέος (EM, Suid., Hdn. Gr.; vgl. ὀτραλέος). — Bildung wie τάχα, ὦκα usw.; nicht sicher erklärt. Da eine Lautfolge -ιμφ- nicht altererbt sein kann, muß entweder ι für ε vor Nasal stehen (s. Schwyzer 275) oder der Nasal ein späteres Einschiebsel sein. Urgr. *ϝρέμφα (*ϝρέγχϝα?; Schwyzer 302) läßt sich mit lit. rangùs ‘gewandt, behend, gelenkig’, rangiúos. rángtis ‘sich beeilen’, rengiúos, reñgtis ‘sich an- schicken, sich bereit machen’ vereinigen unter idg. u̯rengʷh-; dabei müssen indessen ahd. ringi ‘levis’, mhd. (ge)ringe ‘leicht und schnell bereit, behend’ u. andere germ. Wörter wegbleiben (Versuch einer Erklärung bei WP. 2, 373). — Einzelheiten m. Lit. bei WP. a. O., Pok. 1155; ält. Lit. auch bei Bq. II-656-657
ῥίνη (hell. ῥῖνα Moer.) f. ‘Feile, Raspel’ (X., Arist., Delos IIIa u.a.; nach Hdn. Gr. in dieser Bed. ῥινή), ‘Haifisch’ (mit dessen rauher Haut man Holz und Marmor polierte; Hp., Epich., Kom., Arist. usw.). Als Vorderglied in ῥινό-βατος, -βάτης m. Bez. einer Rochenart, die zwischen ῥίνη und βάτος steht (Arist.; Strömberg Fischn. 123 m. Lit., Thompson Fishes s.v.). Davon 1. die Demin. ῥιν-ίον (Gal. u.a.), -άριον (Aët.) ‘kleine Feile’; 2. die Denominativa : a) ῥινάω, auch m. κατα-, δια- u.a., ‘feilen’ (Ar., Arist., Ph. Bel. u.a.) mit (ἀπο-)ῥίνημα n. ‘das Feilen, Feilspäne’ (Hp., Herod. u.a.), (δια-)ῥίνησις f. ‘das Feilen’ (Gal. u.a.); b) ῥινίζω ‘ds.’ (Pap. IIIp) mit ῥίνισμα n. ‘Feilspäne’ (Ktes., Mediz.). — Die sehr verbreitete Bed. ‘Haifisch’ ist aus ‘Feile’ mit Beziehung auf die rauhe Haut des betreffenden Fisches entstanden. Gegen die abweichende Auffassung von Strömberg Fischn. 86 (vgl. auch Prellwitz s.v.), ῥίνη wäre eig. "Hautfisch" (von ῥινός ‘Haut’), woraus sekundär ‘Feile’, spricht u.a., daß ῥινός besonders die (glatte) Rindshaut bezeichnet. — Primäre Bildung mit ν-Suffix von einem sonst unbekannten Verb, das indessen eine Weiterbildung auf germ. Boden in asächs. wrītan ‘zerreißen, ritzen, schreiben’, ags. wrītan ‘eingraben, ritzen, schreiben’ hinterlassen zu haben scheint; s. WP. 1, 287 (mit Brugmann und Persson). — Zur Funktion eines Nom. instr. vgl. z.B. die ν-Bildungen τόρ-νος ‘Kreisstift’, ζώ-νη ‘Gürtel’. Vgl. ῥινός. II-657
ῥῖνός selten m. (Nik., Opp.) und -όν n. (nach δέρμα, σκῦτος); myk. wi-ri-no ? f. (Genus nach βοέη, αἰγέη u.a.), ‘die Haut von Mensch und Tier, das Fell, insbes. die Rindshaut, das Rindsfell, der aus Rindshaut gemachte Schild’ (ep. poet. seit Il.; vgl. Leumann Hom. Wörter 314f. gegen Bechtel Dial. 3, 19f.) Kompp., z.B. ῥινο-τόρος ‘schilddurchbohrend’, Beiwort des Ares (Φ 392 u.a.). des θύρσος (Nonn.); ταλαύρινος (= ταλά-ϝρινος) ‘schildtragend’ (’schildaushaltend’ [wegen des Gewichtes] ?; Richardson Hermathena 55, 87ff.; abzulehnen Stanford ebd. 54, 121 ff.); gewöhnlich Attribut zu πολεμιστής als Ben. des Ares (Il. u.a.); zur Geschichte und Erklärung des Ausdrucks eine Hypothese bei Leumann Hom. Wörter 196 ff.; dazu Trümpy Fachausdrücke 38 m. Nachtr. Davon γρίντης (= ϝρίντης)· βυρσεύς H. (Bildung wohl nach den primären ξάντης, ὑφάντης u.a.); unsicher myk. wi-ri-ne-(j)o, -ni-jo. — Die Schreibung γρῖνος· δέρμα H. (äol.; γρινός Hdn. Gr.) bestätigt das schon aus ταλαύρινος zu erschließende ϝρῑνός, das zum selben verschollenen Verb gehört wie ῥίνη (s.d.); somit eig. "das Abreissen", bzw. "die abgerissene Haut" wie δέρμα von δέρω (wozu u.a. aind. dīrṇá- ‘zerrissen’ mit n-Suffix wie ϝρῑ-νός). II-657-658
ῥίον myk. ri-jo? (Morpurgo Lex.s.v.) n. ‘Berghöhe, Vorgebirge’ (Hom.); auch als ON (u.a. in Achaia; Th.); — Im Griech. isoliert; ohne sichere Etymologie. — Kann als *ϝρίον zu thrak. βρία ‘πόλις, τεῖχος’, toch. A ri, B riye ‘Stadt’ gehören; s. Lit. zu βρία. Nicht besser mit WP. 1, 267 (nach Bezzenberger und Froehde) zu germ., z.B. asächs. wrisil ‘Riese’ oder mit Bugge BB 3, 112 (nach Fick) zu aind. várṣman- n. ‘Höhe’, lat. ver-rūca, aksl. vrьchъ, russ. verch, lit. viršùs ‘höchste Spitze, Gipfel’; letzteres lautlich bedenklich, vgl. Schwyzer 352. Nach Heubeck Orbis 13,266f. (zustimmend Risch Mus. Helv. 22, 194 A. 4) aus *srii̯om zu heth. še-(e)-ir ‘oben, oberhalb’. — WP. a. O. m. weiterer Lit., Pok. 1152; auch W.-Hofmann s. ver-rūca. Zum Lautlichen noch Petersen Lang. 14, 57 (aus *u̯re-som mit e > i vor s [?]). II-658
ῥῖπος ‘Flechtwerk’ s. ῥίψ. II-658
ῥίπτω (Pi., ion. att.), auch ῥιπτέω (ion. att. seit ν 78), Iterativprät. ῥίπτασκον (Hom., Hes. Sc., -εσκον Nik. Fr.), Fut. ῥίψω, Aor. ῥῖψαι (seit Il.), Pass. ῥιφθῆναι, ῥῐφῆναι (att.) mit Fut. ῥιφ-θήσομαι (S.), -ήσομαι (LXX u.a.), Perf. Med. ἔρρῑμμαι (Orac. ap. Hdt., E., Ar. u.a.), ῥερῖφθαι (Pi.; Schwyzer 649), Akt. ἔρρῑφα (Lys. usw.), ‘werfen, schleudern, stoßen, stürzen’. oft m. Präfix, z.B. ἁπο-, ἀνα-, ἐν-, δια-, Als Vorderglied z.B. in ῥίψ-ασπις, -ιδος ‘den Schild wegwerfend, Feigling’ (Ar., Pl.), -άσπιδος ‘ds.’ (Eup.); vgl. Sommer Nominalkomp. 93. Davon 1. ῥῑπή f. ‘Wurf, Stoß, Windstoß, Schwung, Andrang, heftige Bewegung’ (ep. poet. seit Il.) mit ῥιπίζω (δια-, ἐκ- u.a.) ‘einen Windstoß verursachen, anfachen, fächeln’ (Hp., Ar., Arist. usw.), ‘schleudern’ (Hld.), wovon ῥίπ-ισις, -ισμός, -ισμα ‘das Fächeln’ (sp.); von ῥιπή od. als Rückbildung ῥιπίς, -ίδοςf. ‘Fächer’ (Kom., AP u.a.); zu εὔ-ρῑπος s. bes.; 2. ῥῖψις (διά-, ἀπό- u.a.) f. ‘das Werfen, Schleudern’ (Hp., att., Arist. u.a.) mit (ἀπο-)ῥίψιμος ‘zum Wegwerfen geeignet’ (sp.; Arbenz 92); auch ϝριψίδας (Mantinea; vgl. Kretschmer Glotta 5,265); 3. (δια-)ῥίμματα n. pl. ‘heftige Bewegungen, Sprünge’ (Arion, X.); 4. ῥῐφή (δια-, ἀπο-) f. ‘Wurf, das Hin- und Herwerfen’ (Pratin. Lyr., Lyk.; nach ῥῐφῆναι); 5. ῥιπτός ‘geworfen, geschleudert’ (S. Tr.), μητρό- ~ (Dosiad.); 6. ῥιπτικός ‘zum Werfen fähig’ (Arist.-Komm.); 7. Frequent. ῥιπτάζω, -άσαι ‘hin- und herschleudern’ (ep. ion. poet. seit Ξ 257) mit -ασμός (Hp., Plu.), -αστικός (M. Ant.). — Durch seinen regelmäßigen Charakter stellt sich das obige Formensystem, das auf einem Element ϝρῖπ- (mit sekundärer Kürzung ϝρῐπ-) aufgebaut ist, als eine (relativ) späte Schöpfung heraus. Eine überzeugende außergriech. Entsprechung ist auch nicht nachgewiesen. Das formal dazu stimmende mnd. wrīven ‘reiben, wischen, scheuern, schleifen’, mhd. rīben ‘reibend wenden od. drehen’ läßt sich zur Not damit verbinden unter Voraussetzung einer Grundbed. ‘drehen’ ("mit einer drehenden Bewegung reiben bzw. werfen"; vgl. zum letzteren lat. torqueō); WP. 1, 280, Pok. 1159. Eine weitere Zerlegung in u̯r-ī-p- öffnet die weitesten Aussichten; nhd. werfen (eig. *’drehen’), ῥέπω, ῥέμβομαι, ῥάβδος (s. dd.) u.a.m. S. auch ῥίψ. II-658-659
ῥίς (sp. auch ῥί̄ν), ῥῑνός f. ‘Nase’, von Mensch und Tier, pl. ῥῖνες ‘Nasenlöcher, Nüstern, Nase’ (seit Il.). Kompp.; z.B. ῥιν-ηλατέω ‘mt der Nase spüren, aufspüren’ (A. u.a.; vgl. zu ἐλαύνω), εὔ-ρις, -ρινος ‘mit guter Nase, scharf prüfend’ (A., S. u.a.), auch εὔ-ριν-ο-ς ‘ds.’ (sp.); zum Hinterglied ausführlich Sommer Nominalkomp. 87ff. Davon ῥινία pl. ‘Nasenlöcher’ (Arist.), ῥινάω ‘an der Nase herumführen’ (Kom.). — Bildung wie ἴς, θίς; vgl. Schwyzer 570 A. 2. Ohne Etymologie. Willkürliche Hypothesen sind bei Bq, Hofmann Et. Wb., WP. 1, 140 notiert. Ebenso willkürlich Hamp Glotta 38, 209 ff.: zu air. srōn ‘Nase’ u.a. (mit Laryngalkonstruktion). Das Wort hat die alte Bezeichnung der Nase, lat. nārēs, nāsus usw. ersetzt. II-659
ῥίσκος m. ‘Kiste, Koffer’ zur Aufbewahrung von Schmuck und Geld (Antiph., hell.); ῥισκο-φύλαξ, -άκιον ‘Schatzmeister’ bzw. ‘Schatzkammer’ (hell.). — Wie nhd. Kiste, Koffer und zahlreiche Synonyma wohl LW. Nach Donatus (zu Ter. Eun. 754) phrygisch. Im Anschluß daran von Thumb Die gr. Spr. im Zeitalter des Hell. (1901) als kelt. LW (vgl. air. rūsc ‘[Korb aus] Rinde’) aus dem Galatischen erklärt u. zw. durch phryg. Vermittlung (wegen des Wandels von u in i). — Idg. Hypothese bei Prellwitz und Persson Beitr. 1, 344 (s. Bq und WP. 1, 278, auch Pok. 1158). Lat. LW riscus. Zu bemerken das synonyme Reimwort lat. fiscus (Herkunft strittig). II-659
ῥίψ, ῥῑπός später auch m. (ep. ion. poet. seit ε 256), auch ῥῖπος n. (v. l. Hdt. 2, 96, Kyrene IVa), m. (hell. u. sp.) f., ‘Weidenrute, Flechtwerk, geflochtene Matte, Hürde’. — Ohne außergriech. Entsprechung. Seit langem (Persson Stud. 165) mit ῥίπτω verbunden: Grundbed. des Verbs ‘drehen, winden’, woraus einerseits ‘flechten’ mit dem Wz.nomen ‘Flechtwerk’, anderseits ‘werfen’. Ebenso germ., z.B. got. wairpan ’werfen’ zu lit. vir̃bas ‘Reis, Gerte’. — Vgl. ῥίπτω mit weiteren Anknüpfungen. II-659-660
ῥόα (ῥοά Hdn. Gr.), ep. ion. ῥοιή, Ar., Arist. usw. auch ῥοιά f. ‘Granatapfel’, Baum und Frucht (seit Od.). Davon ῥοΐδιον n. ‘kleiner Granatapfel’ (Men., Pap. IIp), ῥοΐδια (cod. ῥυδία)· ῥοὰ ἢ ῥοιά H.; ῥοιάς, -άδος f. ‘Mohn, Papaver’ (Dsk.); nach den hochroten Blüten, s. Strömberg Pfl.namen 52; ῥοών, -ῶνος m. ‘Granatpflanzung’ (LXX). — Zu ῥοιή : ῥοιά : ῥόα vgl. χροιή: -οιά : -όα. Wenn nicht LW (Schwyzer 348 u. 469), wohl mit Strömberg a. O. zu ῥέω wegen des Saftreichtums. Grundform am ehesten *ῥοϝ-ιά, mithin ιᾱ-Ableitung von ῥοῦς ‘Strom’; vgl. σκοπ-ιά (: σκοπός), ἐσχατ-ιά (: ἔσχατος) usw. Das Suffix kann mit der konkreten Bed. zusammenhängen. — Auch die Pfl.-namen ῥοῦς m. ‘Sumach, Rhus coriaria’ (seit Sol.) und ῥύτρος n. ‘Kugeldistel, Echinops viscosus’ (Thphr.) können zu ῥέω gehören (Strömberg a. O.). II-660
ῥόβιλλος · βασιλίσκος ὄρνις H. — Hypothese von Specht KZ 68, 35 und Ursprung 146: zu poln. wróbel ‘Sperling’ mit expressi- ver Gemination. Über -ιλος in Vogelnamen Chantraine Form. 249. Vgl. Thompson Birds s.v. II-660
ῥοδάνη, ῥοδανός s. ῥαδινός. II-660
ῥόδον (äol. βρόδον) n. ‘Rose’ (seit h. Cer.). Kompp., z.B. ῥοδο-δάκτυλος ‘rosenfingerig’, Beiwort der ’Ηώς (Hom. u.a.), βροδο-δάκτυλος vom Mond (Sapph.); vgl. Leumann Hom. Wörter 18 A. 9), κυνό-ρροδον n. ‘Hundrose, Rosa canina’ (Thphr.; Strömberg Pfl.namen 30 u. 98). Mehrere Ableitungen 1. ῥοδ-έα, -έη, -ῆ f. ‘Rosenstock’ (Archil. usw.); 2. -(ε)ών, -(ε)ῶνος m. ‘Rosenbeet’ (AP, Pap. u.a.) mit -ωνιά f. ‘Rosenbeet, -garten, -stock’ (Hekat. usw.; Scheller Oxytonierung 70); 3. -ιη f. ‘Rosenbeet’ (Mykale IVa); 4. -όεις ‘aus Rosen’ (Ψ 186, B., E. in lyr. u.a.), -εος ‘ds., rosenähnlich’ (poet. seit h. Cer.), -ινος ‘aus Rosen’ (Anakr. usw.); zu den Adj. s. Schmid -εος und -ειος 47 m. A.1, Zumbach Neuerungen 14, wozu Forderer Gnomon 30, 96; 5. -άριον n. ‘Rosenornament’ (Pap.), -ίς, -ίδος f. ‘Rosenpastille’ (Dsk. u.a.); 6. -ίτης m. ‘Rosenwein’ (Dsk.; Redard 98), -ῖτις f. N. eines Steins, nach der Farbe (Plin.; Redard 60); 7. -ουντία f. ‘Gericht mit Rosen gewürzt’ (Ath.; wie von *ῥοδοῦς; vgl. Scheller a. O. m. A.1); 8. -ίζω ‘mit Rosen bedecken’, vom Grab, mit -ισμός, -ίσια pl. = lat. Rosalia (Kleinasien), auch ‘mit Rosen durchdüften’ (Thphr., Alex. Aphr.), intr. ‘einer Rose ähneln’ (Dsk. u.a.); 9. auch der Inselname ‘Ρόδος ? (Georgacas Beitr. z. Namenforsch. 6,155). — Urgr. ϝρόδον (= äol. βρόδον) stammt aus dem Osten, wohl zunächst wie arm. vard ‘Rose’ aus altiran. *u̯r̥da- ( > npers. gul ‘ds.’); Schwyzer 344 A. 2 mit Schulze (s.u.). Dazu noch aram. wardā’, arab. ward ‘ds.’. Weitere Geschichte strittig; nach Mayrhofer Arch. Or. 18, 74 aus arab. warada ‘blühen’, waruda ‘rot sein’. Anders Schulze BerlAkSb. 1910, 806ff.: mit germ., z.B. ags. word ‘Dornstrauch’, lat. rubus ‘Brombeerstaude’ aus idg. *u̯r̥dho-; abzulehnen. Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pelasgique 132. — Aus dem Griech. wohl lat. rosa, im einzelnen unklar (s. W.-Hofmann s.v.). II-660-661
ῥόθος m. ‘das Rauschen der Wogen, der Ruder’, übertr. ‘Gerausch’ im allg. (Hes., A. Opp.); ‘Pfad, Spur’ (Nik., nach Plu. in Hes. 13 böot.). Oft als Hinterglied, z.B. ἁλί-ρροθος ‘meer- umrauscht’ (Trag., Mosch.), ταχύ-ρροθοι λόγοι ‘schnell dahinrauschende Worte’ (A.); zu ἐπίρροθος s. bes. Davon ῥόθιος, f. -ιάς ‘rauschend, lärmend’ (ep. poet. seit ε 412, auch sp. Prosa), meist -ιον, -ια n. sg. u. pl. ‘rauschende Woge(n), Brandung(en), Flut, lauter Ruderschlag’, übertr. ‘Lärm, Getöse, Ansturm’ (poet. seit Pi., Trag. [meist in lyr.], auch sp. Prosa); als Hinterglied u.a. in παλι-ρρόθιος ‘zurückrauschend’ (Od., hell. Epik.). — Zu ῥόθος, wohl als Denom. (vgl. Schwyzer 726), ῥοθέω, auch m. ἐπι-, δια-, ‘rauschen, lärmen’ (A., S.); ὁμο-, κακο-ρροθέω = ὁμο-, κακο-λογέω (Hp., S., E., Ar. u.a.); von ῥόθιον : ῥοθι-άζω ‘(mit dem Ruder) ein Geräusch machen’ (Kom.). — Expressives Wort ohne sichere außergriech. Entsprechung. Der Vergleich (Fick 2, 318) mit kelt. Wörtern für ‘Flüssigkeit, Fluß’, acorn. stret gl. ‘latex’, mcorn. streyth ‘Fluß’ ist semantisch nichtssagend und auch lautlich nicht ganz befriedigend wegen des auslautenden Dentals (kelt. t = idg. t, gr. θ = idg. dh). Die Heranziehung von germ. ahd. stredan ‘brausen, strudeln, kochen’ (J. Schmidt Voc. 2, 282 f.) leidet an derselben lautlichen Schwäche. Weitere Formen (auch aus dem Slav.) bei Bq und WP. 2, 704f., Pok. 1001 f., wo auch über die Zerlegung (Persson Stud. 46, 165) in sr-edh- (zu ser- ‘strömen’; s. ὁρμή). Vgl. auch W.-Hofmann s. fretum und verū. — Zu ῥάθαγος s. ῥαθαπυγίζω. II-661
ῥοῖβδος m. ‘schwirrendes, pfeifendes, zischendes Geräusch’, von Pfeilen, Winden (S., Ar.). Daneben (vgl. Schwyzer 726 m. A. 5) ῥοιβδέω, auch m. ἀπο-, ἐπι-, ‘schwirren usw.’, auch ‘schwirren machen’ (A., Q. S., AP), m. Präfix auch von Vögeln ‘schreien, krächzen’ (S., Thphr., Nonn.); davon ῥοίβδ-ημα n. = ῥοῖβδος (S.), -ησις f. ‘das Pfeifen’ (E. in lyr.); -ηδόν ‘mit zischendem Geräusch’ (Q. S.; auch auf ῥοῖβδος beziehbar); ἐπιρροίβδην (für -βδ-δην) ‘in rauschendem Angriff’ (E. in troch.). — Expressive und poetische Lautnachahmung, im Suffix zu κέλαδος, ἄραδος und anderen Geräuschwörtern stimmend; zu -β- vgl. φλοῖσβος, ὄτοβος u.a.; ein idg. gʷ anzusetzen (Bq). ist kaum ratsam. Weitere Hypothesen zur Grundform bei Haas Μνήμης χάριν 1, 132 f. — Vgl. ῥοῖζος, auch ῥυβδέω. II-661-662
ῥοῖζος m. (f. ι 315; vgl. Schw.-Debrunner 34 A. 1) ‘Geschwirr, Geräusch, Gesumm’, von Pfeilen, Flügeln, Wasser usw. (ep. seit Π 361, hell. u. sp. Prosa). Als Hinterglied u.a. in ἁλί-ρροιζος ‘meerumbraust’ (Nonn.). Davon 1. die Adj. ῥοιζ-ώδης (Mediz. u.a.), -ήεις (hell. Inschr., Nonn.), -αῖος (Orac. Chald.) ‘schwirrend, rauschend, summend usw.’; 2. die Adv. -ηδόν (Nik., Lyk., 2. Ep. Pet. u.a.), -ηδά (Nik.) ‘mit Geräusch, mit Gesumm’; 3. das Verb ῥοιζέω, auch m. ἐπι-, ἀνα- u.a., ‘schwirren, summen, zischen, rauschen’, auch trans. ‘schwirren machen usw.’ (ep. seit Κ 502, hell. u. sp. Prosa) mit ῥοίζ-ημα n. (Ar. u.a.), -ησις f. (Aq. u.a.) ‘Geschwirr, das Schwirren’, -ήτωρ m. ‘Geräuschmacher’ (Orph.). — Wie ῥοῖβδος expressive Lautnachahmung; ohne Anknüpfung. Unsichere Vermutungen zur Grundform in der Lit. zu ῥοῖβδος; s. auch Risch par. 64 a. II-662
ῥόμβος s. ῥέμβομαι. II-662
ῥόμος · σκώληξ ἐν ξύλοις H. (cod. -οξ, wohl nach dem Auslaut des flg. Wortes), Ark. — Wenn dial., kann ῥόμος für *ῥάμος aus urgr. *ϝράμος mit lat. vermis, germ., z.B. got. waurms ‘Wurm’, aruss. vermie ‘Heuschrecken, Würmer’ bis auf den Auslaut identisch sein (idg. *u̯r̥m-); eine andere Form der Schwundstufe liegt jedenfalls im böot. EN ϝάρμιχος vor. Wenn alt, steht *ϝρόμος neben lit. var̃mas ‘Mücke’ (idg. *u̯or-m-; kann auch lat. vermis erklären) mit Umstellung des ο-Vokals (von Specht Ursprung 45 wenig glaubhaft als "Sprachzauber" erklärt). — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 271, Pok. 1152, W.-Hofmann s. vermis, Fraenkel s. var̃mas usw.; über das zugrunde liegende u̯er- ‘drehen, biegen’ s. auch ῥέμβομαι. Vgl. noch zu ἕλμις. II-662
ῥομφαία f. ‘großes, breites Schwert’, nach Phylarch. und Plu. Aem. 18 von den Thrakern benutzt (LXX, NT, J. u.a.); auch = ’νυκτερίς, Fledermaus’ (Kyran.). — Unklar; wie so viele Waffennamen viell. (thrak.) LW. Bildung jedenfalls griechisch wie κεραία, καμιναία, αὐλαία u. andere Gerätenamen und Konkreta. Formal nahe steht ῥομφεῖς· ἱμάντες, οἷς ῥάπτεται τὰ ὑποδήματα H.; s. Bosshardt ̨ 228 m.A., wo (mit Fragezeichen) ein Nonnen *ῥομφή f. ‘das Krümmen, Krümmung, Haken’, zu *ῥέμφω ‘krümmen’ als Grundwort sowohl von ῥομφεῖς wie von ῥομφαία vermutet wird unter Annahme eines hypothetischen Bed.wandels; mit Recht wird an ῥέμφος und ῥάμφος (s.d.) erinnert. Vgl. W.-Hofmann zu rumpus. II-662
ῥόπαλον, ῥοπή, ῥόπτρον s. ῥέπω. II-663
ῥούσ(σ)εος, ῥούσιος ‘rötlich’, bes. als Bez. der roten Zirkuspartie (Lyd., sp. Inschr.); auch οἱ ῥουσσᾶτοι (Lyd.). Dazu ῥουσίζω ‘rötlich sein’ (Gp.). — Aus lat. russeus, russātus. II-663
ῥοφέω, selten -άω (sp.), Fut. ῥοφήσομαι, -ω, Aor. ῥοφῆσαι (Ar., X., Arist. usw.; auch Hp.), ion. (Hippon., Hp.) ῥυφέω, -ῆσαι, ‘schlürfen, schlucken’, auch nasaliert ῥυμφάνω (Hp.; Bechtel Dial. 3, 198). auch m. ἐκ-, ἀνα-, κατα- u.a., Davon ῥόφ-ημα (ῥύφ-) n. "Speise, die geschlürft wird", ‘dicke Brühe, Suppe’ (Hp., Arist.) mit -ημάτιον (A. D.), -ηματώδης ‘suppen-ähnlich’ (Mediz.); -ησις (ἀνα-, κατα-) f. ‘das Schlürfen’ (Arist., Mediz.), -ητός ‘zum Schlürfen geeignet’ (Str., Mediz.), -ητικός ‘schlürfend’ (Str.); auch ῥόμμα = ῥόφημα, ῥοπτός = ῥοφητός (Hp. ap. Gal.), wie von ῥόφω (EM); ῥόφισμα n. (Kyran.: *ῥοφίζω). — Iterativintensive Bildung ohne genaues außergr. Gegenstück, aber mit vielen nahen Verwandten, die vorwiegend eine schwundstufige Ablautform, idg. sr̥bh-, repräsentieren; arm. arbi ‘ich trank’ (Präs. əmpem wohl zu πίνω), lit. surbiù, sur̃bti ‘saugen’, aksl. srъbati, russ. serbátь ‘schlürfen’, lat. sorbeō ‘ds.’. Angesichts dieser Formen ist man geneigt, auch ῥυφέω als Schwundstufe zu beurteilen (Schwyzer 351 f.). Ein primäres hochstufiges Präsens ist in lit. srebiù, srė̃bti ‘(flüssige Speise) mit dem Löffel essen’ erhalten, idg. srebh-; daneben idg. serbhin alb. gjerp ‘schlürfe’. Auf ein primäres Verb mit auffallendem o-Vokalismus (wohl nach ῥοφέω) scheinen auch ῥόμμα, ῥοπτός zurückzugehen. Die weitverbreitete Sippe läßt sich auch auf german. Geblet (z.B. mhd. sürpfeln, schwed. sörpla ‘schlürfen’ mit sekundärem pf bzw. p) und im Iran. (psht. rawdəl ‘saugen’ u.a.; Morgenstierne Pashto s.v., Sarūpa- Bhāratī [1954] 1) verfolgen. — WP. 2, 704, Pok. 1001, W.-Hofmann s. sorbeō, Fraenkel s. sur̃bti, Vas.mer s. serbátь m. weiteren Formen u. Lit. — Vgl. ῥυβδέω. II-663
ῥοχθέω ‘rauschen, brausen’, bes. von den Meereswogen (Od., A. R., Opp.), ἀνα- ~ (Orph.); daneben, wohl als Rückbildung (Schwyzer 726 m. A. 5), ῥόχθος m. ‘das Rauschen, Brausen’ (Lyk., Nik.). — Schallwörter ohne Etymologie. Zu bemerken die formale Ähnlichkeit mit den sinnverwandten ῥόθος, ῥοῖζος, ῥοῖβδος; -χθ- (expressiv?) wie in μόχθος, βρόχθος, ὀχθέω u.a. Allerlei Deutungsversuche werden mit Recht bei Bq abgelehnt. — Vgl. zu ὀρεχθέω. II-663
ῥύαξ, ῥυάχετος s. ῥέω. II-663
ῥυβδέω, -ῆσαι (μ 106; Simplex nur hier), ‘ein-, ausschlürfen’; καταρυβδήσας· καταπιών, ῥοφήσας H. mit ἀνα- (μ 104f., 236), ἐκ- (Mnesim. 4, 17) — Die Schreibung mit υ, in den Hss. (nach ῥοιβδέω) oft durch οι verdrängt, wird durch das Wortspiel mit Χάρυβδις bestätigt; s. Bechtel Lex. s. ῥοιβδέω, Wackernagel Unt. 83. — Ohne Zweifel zu ῥυφέω (s. ῥοφέω); mit βδ nach ῥοιβδέω? Ein Adv. ῥύβδην (geschr. οι) = δαψιλῶς wird von Phot. zitiert und danach von Bergk bei Hippon. 35 für ῥύδην eingesetzt; kaum mit Recht, s. Masson z. St. II-663-664
ῥυβόν ‘τὸ ἐπικαμπὲς παρὰ τοῖς Αἰολεῦσιν’ (Hdn. Gr., EM). Davon ‘Ρυβᾶς (IIa; Bechtel Namenst. 43). — Umbildung von ῥαιβός nach einem sinnverwandten Wort, etwa ὑβός, γρυπός. Vgl. Bechtel Dial. 1, 125. II-664
ῥύγχος n. ‘Schweinsrüssel, Schnauze, Schnabel’ (Stesich., Kom., Arist., Theok. u.a.). Oft als Hinterglied (mit Umbiegung in die o-Stämme), z. B. ὀξύ-ρρυγχος ‘mit spitzem Schnabel’ (Epich, u.a.), m. N. eines ägypt. Fisches (Str. u.a.; Strömberg Fischn. 43). Davon ῥυγχ-ίον n. Demin. (Ar. u.a.), -αινα = nasuta (Gloss.), -άζω = μυκτηρίζω Phot., -ιάζειν· διαστρέφειν, ῥογχά-ζειν H. — Kann von arm. ṙng-un-k‘ pl. ‘Nasenlöcher, Nase’ schwerlich getrennt werden, das, wenn Erbwort (und nicht aus ῥύγχος entlehnt; vgl. Hübschmann Arm. Gr. 486 f.), auf idg. *srungh- od. *sringh- (mit sekundärer Nasalierung) zurückgehen muß. Beziehung zu ῥέγκω, ῥέγχω ‘schnarchen’ (s.d.) scheint möglich. — WP. 2, 705, Pok. 1002. II-664
ῥύζω od. -έω ‘knurren, murren’, vom Hunde (Hernupp., Poll.). auch ‘schreien’, von Falken (Poll.). — Wie ῥάζω (s.d.) Schallwort; zum υ-Vokal vgl. ἰύζω, γρύζω, μύζω u.a. Laryngalbetrachtungen bei Austin Lang. 17, 87. II-664
ῥυθμός, ion. ῥυσμός m. = ἡ τῆς κινήσεως τάξις (Pl. Lg. 665a), ‘geregelte Bewegung, Takt, Rhythmus, Zeitmaß, Gleichmaß, Proportion, Form’ (ion. att. seit Archil., Thgn., A.). Oft als Hinterglied, z.B. εὔ-ρυθμος ‘mit schön geregelter Bewegung, taktmäßig, wohl proportioniert’ mit -ία f. (att.). Davon ῥυθμ-ικός ‘rhythmisch’ (Pl. u.a.; Chantraine Études 135), -ιος ‘ds.’ (Hdn. Gr.); -ίζω, auch m. Präfix, bes. μετα-, ‘ins Gleichmaß bringen, ordnen, einrichten, unterrichten, formen’ (ion. att.), -έω ‘ordnen, bestimmen’ (Athen Va), -όομαι ‘sich formen’ (Demokr. 197 [-σμ-]; -όω unsicher ebd. 33). — Schon die Kürze des ῠ (z.B. A. Ch. 797) macht die auch semantisch wenig einleuchtende Anknüpfung an ἔρυμαι, ῥύομαι ‘abwehren, schützen’ mit ῥῡτήρ ‘Beschützer, Bewacher’ (Leemans Ant. class. 17, 403ff., Renehan ClassPhil. 58, 36f. nach Jaeger Paideia 1, 174f. [eig. "in Banden halten"]) oder an ἐρύω ‘ziehen’ mit ῥῡτήρ ‘Zügel’ (Krogmann KZ 71, 110f. nach Hirt) ganz unwahrscheinlich. Für die alte Erklärung aus ῥέω ‘fließen, strömen’ dagegen mit Recht Benveniste Journ. de psych. norm. et pathol. 44 (1951) 401 ff., Wolf WienStud. 68, 99 ff. (mit Übersicht über andere Deutungen), Porzig Satzinhalte 237. Urspr. Bed. somit "das Strömen, der Strom" als Sinnbild einer ruhigen und gleichmäßigen Bewegung (vgl. Curtius 353). Zur Bed. von ῥυθμός noch E. Wolf Bed. von ῥυθμός bei Platon (Diss. Innsbruck 1947), Leemans a. O., Waltz Rev. et. lat. 26, 109 ff. (ῥυθμός und numerus). II-664-665
ῥῠκάνη f. ‘Hobel’ (AP 6, 204); ῥυκάν-ησις f. ‘das Hobeln’ (Bito III-IIa, ῥυχ-; aus *ῥυκαν-άω); -ίζω ‘hobeln’ (Gloss.). — Bildung wie σκαπάνη, δρεπάνη u. andere Gerätenamen von einem unbek. Grundwort. Wackernagel KZ 67, 176 (Kl. Schr. 1, 392) denkt zögernd an aind. srúc- ‘armlanger Opferlöffel’, ohne den Bed.unterschied zu erläutern. Lat. LW runcina ‘Hobel’ (-nnach runcāre ‘jäten’, evtl. mit Fernassimilation). An Urverwandtschaft mit runcāre (s. Lit. bei Bq und W.-Hofmann, WP. 2, 353, Pok. 869 f.) ist schon wegen des Fehlens des Vokalvorschlags in ῥυκάνη nicht zudenken (Wackernagel a. O.). II-665
ῥῦμα 1. n. ‘Zug(seil)’, ῥύμη ‘Zug, Andrang’, ῥυμός ‘Zugholz, Weichsel’, ῥύσιον ‘Beute’, ῥυστάζω ‘hin- und herschleifen’, ῥυτήρ ‘Zügel’ usw. s. ἐρύω. II-665
ῥῦμα 2. n. ‘Schutz’, ῥύσιος ‘befreiend, rettend’, ῥυσί-πολις ‘stadtschirmend’, ῥυτήρ ‘Beschützer’ usw. s. ἔρυμαι. II-665
ῥύμη f. ‘Straße, Gasse’ (seit IVa). — Aus ῥύμη ‘Zug, Andrang’ konkretisiert ("wo die Menge hinzieht, andringt"); s. ἐρύω. II-665
ῥυμουλκέω ‘am Zugseil ziehen, bugsieren, ins Schlepptau nehmen’ (hell. u. sp.). — Fachausdruck der Seemannssprache; von *ῥυμ-ουλκός ‘der am Zugseil zieht, Bugsierer’ oder als Zusammenbildung direkt von ῥύματι ἕλκειν ‘am Zugseil ziehen’ nach anderen Verba auf -ολκέω, z.B. νεωλκέω (: νεωλκός, ναῦν ἓλκειν), πλινθουλκέω (: πλινθουλκός); vgl. Schwyzer 726. Als Vorderglied ist nicht mit Georgacas Glotta 36, 180 f. ῥυμός ‘Weichsel’ sondern ῥῦμα ‘Zugseil’ anzusetzen; zur Umbiegung in die ο-Stämme vgl. z.B. αἱμο-βαφής. — Hierher als LW lat. remulcum n. ‘Schlepptau’ (seit Caes.), -āre ‘ins Schlepptau nehmen’ (Non.); von W.-Hofmann s.v. angezweifelt. Einzelheiten ebd. und bei Ernout-Meillet s.v. II-665
ῥύπος m. ‘Schmutz, Unreinlichkeit, u.a. im Ohre’ (Semon., att.), übertr. (volkstümlich — verächtlich; v. Wilamowitz z.St.) ‘Siegelwachs’ (Ar. Lys. 1198); daneben ῥύπα n. pl. ‘schmutzige Kleider, Wäsche’ (ζ 93), ῥύπος n. ‘Molken’ (Hp. Mul. 1, 64; nach λίπος u.a.). Einige Kompp., z.B. ῥυπο-κόνδυλος ‘mit schmutzigen Knöcheln’ (Kom.), ἡμί-ρρυπος ‘halbschmutzig’ (Hp.). Ableitungen. 1. Adj.: ῥυπ-όεις ‘schmutzig’ (Nik., AP), -ώδης ‘ds.’ (Dsk., Vett. Val. u.a.); zu ῥυπαρός s. u. 2. Verba: a) ῥυπ-άω (ep. zerdehnt -όω, -όωντα) ‘schmutzig sein’ (Od., Ar. u.a.; wegen der Bed. kaum mit Chantraine Gramm. hom. 1, 357 von ῥύπα; eher von ῥύπος m. anal. -άω); b) ῥυπ-όομαι (ῥερυπωμένος ζ 59), auch m. κατα-, ‘beschmutzt werden’ (Hp., hell. Inschr. u.a.), -όω ‘beschmutzen’ (sp.); c) ῤύπτ-ομαι, -ω, auch m. ἀπο- u.a., ‘(sich) reinigen, (sich) waschen’ (Ar., Antiph., Arist. usw.) mit ῥυπτ-ικός ‘zum Reinigen geeignet’ (Pl. Ti., Arist. u.a.), -ήριον = καθαρτήριον (Suid.), ῥύψις (ἀπό-) f. ‘das Reinigen, Waschen’ (Pl. Ti. u.a.); zur Bild. vgl. unten. — Daneben ῥυπαρός ‘schmutzig’ (ion. att.) mit -ία f. ‘Schmutz, schmutzige Gesinnung’ (Kritias, sp.), -ότης f. ‘ds.’ (Ath.); ῥυπαίνω, auch m. κατα- u.a., ‘beschmutzen, entehren’ (att. usw.) mit ῥύπασμα n. ‘Schmutz’ (Apollon. Lex.) wie μίασμα: μιαίνω. — Ohne überzeugende Etymologie. Als Vorbild von ῥυπαρός : ῥυπαίνω kann das synonyme Paar μιαρός : μιαίνω gedient haben. Es bleibt somit unentschieden, ob es einen alten r : n-Stamm reflektiert (Benveniste Origines 19) oder zu ῥύπος analogisch gebildet wurde. Auch das anscheinend primäre ῥύπτομαι, -ω kann sekundär zu ῥύπος nach τύπτω : τύπος u.a. getreten sein; dabei mag das synonyme νίπτομαι, -ω mitgewirkt haben. — Der ganz unsichere Vergleich mit einem slav. Wort für ‘Schorf, Grind, Kruste einer Wunde’, z.B. aksl. strupъ, russ. strúp (idg. *sroupo-s, evtl. *sreupos; seit Solmsen KZ 37, 600f.) hilft nicht weiter. WP. 2, 703, Pok. 1004, Vasmer s.v. (mit anderen Hypothesen zum slav. Wort). II-665-666
ῥῡσός (Hss. auch -σσ-) ‘zusammengeschrumpft, verschrumpelt, runzelig’ (seit I 503; vorw. poet. u. sp. Prosa). Einige Kompp., z.B. ἔν-ρυσος ‘etwas runzelig’ (Dsk.; Strömberg Prefix Studies 128). Davon 1. ῥυσ-αλέος ‘ds.’ (Nik.; αὐαλέος u.a.); 2. -ώδης ‘mit runzeligem Aussehen’ (AP u. a.); 3. -ότης f. ‘Runzeligkeit’ (Plu. u.a.); 4. ῥυσίλλας· τὰς ῥυτίδας H. (deminutivhypokoristisch; vgl. Chantraine Form. 252, Schwyzer 485); 5. ῥυσ-όομαι, -όω ‘zusammenschrumpfen, (sich) runzeln’ (Arist. usw.) mit -ωσις f. (Gal.); 6. -αίνομαι ‘ds.’ (Nik., AP). — ῥῠτίς, -ίδος f. (äol. βρύτιδες EM) ‘Runzel, Falte’ (Ar., Pl. u.a.) mit ῥυτιδ-ώδης = ῥυσώδης, -όομαι, -όω = ῥυσόομαι, -όω (Hp., Arist. u.a.), -ωσις f. ‘das Runzeln’ (Mediz.), -ωμα n. ‘Runzel’ (Sch.). Wohl auch ῥυτίσματα pl. (Men.: *ῥυτίζω), nach Phot. = τῶν διερρυηκότων ἱματίων τὰ ἀποπληρώματα (‘Flicken, Lappen’). — Zu ῥυσός vgl. λοξός, κομψός, γαυσός und viele andere Adj. auf -σός (Chantraine Form. 434, Études 17. Schwyzer 516, Stang Symb. Oslo. 23, 46, Specht Ursprung 200); ῥυτίς wie πηκτίς, ξυστίς, δοκίς usw.; von *ῥυ-τή, -τόν o.ä. — Wohl wie ῥυτήρ ‘Zügel’ usw. zu ἐρύω ‘ziehen, zerren, reißen’ (s.d.), also eig. *’verzogen, verzerrt, gerissen’ (Solmsen IF 31, 463), bzw. *’Verziehung, Verzerrung, Riß’ (zur Bed. vgl. ῥάκη, auch ‘Runzeln’). Die Ähnlichkeit mit lat. rūga ‘Runzel, Falte’, lit. raũkas ‘ds.’ ist zufällig; vgl. W.-Hofmann und Fraenkel s.vv. S. auch Bechtel Lex. s. ῥυσός. II-666-667
ῥῡτή f. ‘Raute, Ruta graveolens’ (Nik., Ps.-Dsk. u.a.); nach Sch. zu Nik. Th. 523 peloponnes. für πήγανον; vgl. ῥυτά· ... πήγανον λευκόν H. — Unerklärt. Von Osthoff MU 5, 76 ff. mit lat. rūmex ‘Sauerampfer’ verbunden; vgl. W.-Hofmann s.v. Lat. rūta wohl griech. LW (nach Krogmann WuS 19, 133 unabhängige Entlehnungen aus einer Mittelmeerspr.); aus dem Lat. ahd. rūta, nhd. Raute usw. II-667
ῥυτός nur in ῥυτοῖσιν λάεσσι (ζ 267, ξ 10). — Wie ῥυ-τήρ, ῥυ-μός u.a. von ἐρύω ‘ziehen, reißen’; oft als ‘herbeigeschleift’ erklärt (so auch oben s. ἐρύω), nicht ganz befriedigend, da man vielmehr einen technischen Ausdruck erwartet. — Nach Schulze Q. 318 mit lat. rūta (caesa) ‘ausgegraben (und gefällt)’ identisch; lautlich unannehmbar, obgleich der Sache nach vielleicht zutreffend; ῥυτός wie rūta übertragen = ‘unbearbeitet, roh’ (Gegensatz ξεστοῖσι λίθοισι) ? — Vgl. Ammann Μνήμης χάριν 1,16. — Nach Deroy REGr. 67, 1ff. vorgriechisch und mit lat. rūdera (das etruskisch wäre) verwandt. II-667
ῥῶ n. indekl. Buchstabenname (Ar., Pl. u.a.). Davon ῥωτακίζειν = τῷ ῥ στοιχείῳ συνεχῶς χρῆσθαι (Suid.) nach *ἰωτα-κίζειν in ἰωτακισμός (s. zu ἰῶτα); ῥωβικός ‘der das ῥ nicht aussprechen kann’ (D. L.; nach συλλαβικός, τριβικός u.a.). — Von semit. rōš (neben rēš); Schwyzer 140. II-667
ῥωβίδας m. Bez. des siebenjährigen Spartaners (Λέξεις ‘Ηροδότου). — Bildung nach den Patronymika auf -ίδας (Schwyzer 509); sonst unerklärt. Nach Baunack Phil. 70, 367 in βωβίδας (= βωϝίδας), von βῶς = βοῦς, zu ändern; nicht überzeugend. II-667
ῥώδιγγες · πληγαὶ ὕφαιμοι διακεκομμέναι. οἱ δὲ μώλωπες H. — Kann zu einem slav. Wort für ‘Geschwür, Wunde’, z. B. aksl. vrědъ, russ. véred, gehören, evtl. mit weiterem Anschluß an lat. rōdō ‘nagen’ usw.; Lidén KZ 56, 222. Die Form ῥώτιγγες (H.) muß dann auf Entgleisung (Vorbild?) beruhen (anders Specht Ursprung 231 A. 3). Oder umgekehrt ῥώδιγγες nach σμώδιγγες ? II-667
ῥώθωνες m. pl. ‘Nasenlöcher’ (Nik., D.H., Str. u.a.), selten -ων sg. (Herakl. ap. Gal. u.a.); ῥώθυνες· μυκτῆρες H. — Bildung wie πώγων, γνάθων u. a., sonst unerklärt. Gewöhnlich mit ῥόθος ‘Rauschen’ verbunden (eig. *"der Schnarcher, Raßler"? WP. 2, 704 m. Lit., Pok. 1002). Fraenkel Glotta 32, 31 ff. zieht noch heran ῥέθος (mit ῥίς, ῥέω; s. zu ῥέθος). II-667-668
ῥώννυμι (Pherekyd., Hp.), -ύω (Ti. Lokr. u.a.), Aor. ῥῶσαι (Hdt., att.), Pass. ῥωσθῆναι, Fut. ῥώσω (att.), sehr oft Perf. Med. m. Präs. bed. ἔρρωμαι (att.), ‘stärken, kräftigen’, Med. ‘stark sein, werden’, auch ‘auf etw. bestehen, entschlossen sein’. auch m. ἐπι-, ἀνα-, Davon ῥώ-μη f. ‘Kraft, Stärke, Macht’ mit -μαλέος ‘stark’ (ion. att.), -σις (ἐπί-, ἀνά- ~) f. ‘Starkung’, -στικός ‘stärkend, stark’ (sp.), -στήριον· παρορμητήριον Phot., -σταξ m. ‘Halt, Stütze, Träger’ (Tz.), ἄ-ρρωστος ‘schwach, un- päßlich’ mit ἀρρωστ-ία, -έω, -ημα u.a. (ion. att.); ῥωρός· σφοδρός ... H. — Die regelmäßige Stammbildung mit durchgeführtem ῥω(σ)- kann nicht alt sein; jedenfalls ist das Präsens eine Neubildung (Schwyzer 697 m. Lit.). Ein neues Präsens *ῥώσκομαι wird von ῥωσκομένως ‘mit Kraft’ (Hp.) voraus gesetzt. Weitere Anhaltspunkte für eine Beurteilung fehlen; auch die Etymologie ist unbekannt. Verwandtschaft mit ῥώομαι (s.d.) ist nicht ausgeschlossen. Nach v. Windekens Ét. Pélasg. 79f. zu ὀργή. II-668
ῥώξ 1. ‘Riß’ s. ῥήγνυμι. II-668
ῥώξ 2. ‘Weinbeere’ s. ῥάξ. II-668
ῥώομαι, fast nur im 3. pl. Ipf. u. Aor. ῥώοντο, ἐρρώοντο, ἐρρώσαντο (ep. seit Il.), dazu, ehenfalls ep., sp. u. vereinzelt ῥώετο (Nik.), ῥώονθ’ (= -ται, D. P.), ῥώσονται (Kall.), ἐπίρρωσαι (AP) ‘sich heftig od. mit An- strengung bewegen, sich tummeln, tanzen’. oft m. ἐπι- (selten u. sp. ἀνα-, συν-), — Die Beurteilung der obigen erstarrten Formen hängt davon ab, ob den Imperfekt- oder den Aoristformen die Priorität zuzuerkennen ist (vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 365). Im letzteren Falle ist das Verb primär (und mit ῥῶσαι, ἔρρωμαι, ῥώννυμι zu ver. binden?), im ersteren dagegen ein dehnstufiges Deverhativ, das sich formal besser als semantisch an ῥέω anschließt (Schwyzer 349 u. 722); vgl. die Ausführungen zu πλώω — Zu ῥωσκομένως s. ῥώννυμι. II-668
ῥῶπος m. ‘Kleinkram, Flitterstaat, Tand’ (A., D., Arist. u.a.); als Vorderglied u.a. in ῥωπο-πώλης m. ‘Kleinkrämer’ (LXX, H.). Davon ῥωπ-ικός ‘zum Flitterstaat gehörig, unecht, wertlos’ (Plb., Plu., AP u.a.), -εύειν· ῥωποπωλεῖν H.; auch -ίζω ? (Ion Trag.; Bed. unklar). — Ohne Etymologie (zu ῥώψ?). II-668
ῥώχω ‘zischen, röcheln’ (Sor.), ῥώχειν· βρύχειν τοῖς ὀδοῦσι H.; ῥωχμός m. (vv.ll. ῥωγ-, ῥοχ-, ῥογ-) ‘das Zischen’ (Mediz.). — Schallwörter; vgl. ῥάζω. II-669
ῥώψ 1. · βοτάνη ἁπαλή H.; pl. ῥῶπες f. ‘Reisig, niedriges Strauchholz, Gesträuch, Gebüsch’ (Od., Lib.). Davon ῥωπ-ήϊα pl. (Il.), -ίον n. (D. C.), -άς f. (Opp.), -αξ m. (Suid.) ‘ds.’; -ήεις ‘mit Gebüsch bewachsen’ (Q. S.). — Neben dem dehnstufigen ῥώψ stehen die schwundstufigen ῥαπίζω, χρυσό-ρραπις, die mit ῥάβδος, ῥάμνος, auch mit ῥέπω, ῥέμβομαι u.a. eine Gruppe zu bilden scheinen (Bed. ‘drehen, winden, biegen’; s. die betr. Wörter m. Lit.). Genaue außergriech. Entsprechungen fehlen. II-669
ῥώψ 2. ägypt. Wort für ‘Schiff’; vgl. πλοῖον παπύρινον, ὃ καλεῖται Αἰγυπτιστὶ ῥώψ (UPZ 81 : II 7; ptol.); auch ρωμσις ‘ds.’ (Pap.); verschrieben in ῥώνιξις· ποταμίας νεὼς εἶδος H.; s. Lidén Glotta 42, 149 m. Lit. — Aus ägypt. rms ‘Schiff’; s. auch Schwyzer 277. II-669
σά interr. Pron. = τίνα in σά μάν = τί μήν ‘wieso ?’ (megar. in Ar.Ach. 757, 784). — Wie böot. τά (Pi. O. 1, 82) aus *κι̯-α, n. pl. von τί-ς ‘wer?’ = alat. quia-nam ‘warum?’, idg. qʷi̯-ə. Auch in ion. ἅ-σσα, att. ἅ-ττα; s. Schwyzer 616 m. A. 8, 319 und zu τίς. II-669
σαβακός ‘schadhaft, morsch’, von inneren Organen (Hp.), ‘verweichlicht, weibisch’ (AP), = ὁ σαθρός. Χῖοι H.; zur Bed. Luck Phil. 100,275f. Daneben σαβάξας (Ptz. Aor.)· δια-σκεδάσας, διασαλεύσας H.; σαβάκτης m. "der Zertrümmerer", ein Hauskobold (Hom. Epigr. 14, 9), f. σαβακτίδες· ὀστράκινα ζῴδια H.; Adv. σαβακῶς· αὐστηρῶς, ξηρῶς, τραχέως H. — Unerklärt; zur Bildung vgl. μαλακός, τριβακός u.a. Unwahrscheinliche Hypothesen bei Grošelj Živa Ant. 1, 214f. (Wz. baq- und verstärkendes σα-) und bei v. Windekens Ling. Balk. 1, 63 f. (pelasgisch = lat. saucius). Ältere, ebenfalls abzulehnende Versuche bei Bq. II-669
σάβανον, ‘grobes leinenes Tuch’ (Pap., Alex. Trall.). Demin. -ιον n. — Semit. LW; vgl. arab. sabanijjat ‘in Saban (bei Bagdad) hergestellter Stoff’. Lewy Fremdw. 127 m. Lit.; vgl. Schwyzer 308. Lat. LW sabanum, s. W.-Hofmann s.v.; daraus, bzw. aus σάβανον got. ahd. saban ‘σινδών, Leichentuch, leinenes Tuch’, slav., z.B. russ. sávan ‘Leichentuch’ (s. Vasmer s.v.). II-669
σαβαρίχις f. ‘pudenda muliebria’ (Telekl.), -ίχη (H., Phot.), σαμαρίχη (Theognost.); auch σάραβος (H., Phot.; mit Metathese?). — Familiärdeminutive Bildung auf -ιχ-; sonst unklar. Tastender Versuch von Grošelj Živa Ant. 2, 215: als verstärkendem σα- (vgl. σαβακός) und dem Stamm in βάρ<υ>κα, ἀβαριστάν, ἀβαρύ (s. dd.). Nicht besser Brugmann IF 39, 114ff.: zu σα- und βάραθρον. II-669-670
σαββάτωσις Kurzform σαββώ f. f., Bez. einer Leistenkrankheit in Alexandria (Apion, J.). — Eig. "Sabbatkrankheit"; zur Bed. Scheller Glotta 34, 298 ff. II-670
σάβυττος · εἴδος ξυρήσεως εἰς καλλωπισμόν ... τινὲς δὲ τὸ γυναι-κεῖον H.; -ττης (Phot.), -ττα f. (Kom. Adesp.). — Ähnlich βύττος· γυναικὸς αἰδοῖον H. (s.d.); vgl. noch σαβαρίχις und σάκαν· τὸ τῆς γυναικός H. Auf eine Erklärung dieser und ähnlicher Wörter muß verzichtet werden; s. die Lit. zu σαβαρίχις, außerdem Kretschmer Glotta 13, 271 und Sommer Nominalkomp. 192. Vgl. noch zu σαίνω. II-670
σάγαρις, -ιος, -εως f. ‘Beil, Streitaxt’, von Skythen, Persern und anderen Völkern gebraucht (Hdt., X. u.a.); nach II. = πελέκιον μονόστομον; von AP 6, 94 als ἀμφιθηγής bezeichnet. — Fremdwort ohne Etymologie; von Alessio Studi etr. 18, 142 mit Vorbehalt als voridg. mit lat. sagitta ‘Pfeil’, berb. zaġāja ‘Wurfspieß’ verglichen. II-670
σαγήνη kypr. ἁγάνα (H.; Bechtel Dial. 1, 412); f. ‘großes Fischernetz, Schleppnetz’ (LXX, NT, Babr.. Plu. u.a.); als Vorderglied u.a. in σαγηνο-βόλος m. ‘der ein Netz auswirft’ (AP). Davon σαγηναῖος ‘zum Netz gehörig’ (AP), σαγην-εύω ‘mit dem Netz fangen’, gewöhnlich übertr., u.a. von Soldaten, die eine Kette bildend alles Lebende im Lande einfangen (Hdt.. Pl., Str., Luk. u.a.), mit -εύς m. ‘Netzfischer’ (D.S., Plu., AP u.a.; vgl. Bosshardt 76; Rückbildung), -ευτής (Plu., AP), -ευτήρ (AP) ‘ds.’; -εία f. ‘Netzfang’ (Plu., Him.). —Mit anderer Bildung σάγουρον· γυργάθιον H. — Unerklärt. Wie ἀπήνη, εἰρήνη u.a. vielleicht fremden Ursprungs; vgl. Schwyzer 490 m. Lit. und 322, Lamer IF 48, 231, Chantraine Études 10 m. Lit. Anknüpfung an σάττω (WP. 1, 746, Pok. 1098) ist semantisch nicht hinlänglich begründet. Lat. LW sagēna. II-670
σάγος m. ‘wollener Mantel, Soldatenmantel’, u.a. von Galliern, Hispaniern benutzt (Plb., D. S., App. u.a.). — Aus lat. sagus, -um ‘ds.’ (kelt. LW; s. W.-Hofmann s.v. m. Lit.). II-670
σάθη f. ’männliches Glied’ (Ar. Lys. 1119, wohl auch Archil. 67). ἀνδρο-σάθων, -σάθης m. Ben. des Priapos (AB, H. u.a.). Davon σάθων, -ωνος m. = πόσθων (Telekl. u.a.); — Bildung wie πόσθη u.a.; vgl. Chantraine Form. 367, auch Specht Ursprung 252 f. (nicht wahrscheinlich). Vielleicht zu σαίνω als "der Schwanz, der Wedel". II-670-671
σαθρός ‘morsch, anbrüchig, zerbrochen, ungesund, schwach’ (ion. att.). Davon σαθρ-ότης f. ‘Morschheit’ (sp.), -όομαι, -όω ‘morsch sein, machen’ (LXX, Pap. VIp) mit -ωσις, -ωμα (Pap. VIp, H.); σάθραξ· φθείρ H. — Nicht sicher erklärt. Von Fick (s. Bq) mit ψαθυρός ‘zerbrechlich’ (zur ψῆν) verglichen; Chantraine Form. 224 u. 373 denkt an σήθω (von Benveniste Origines 202 abgelehnt). Ob Kreuzung von σαπρός mit einem unbek. Wort? — Daraus mit Metathese ngr. θράσιον, θράσο ‘Fleisch der verendeten Tiere’ (Hatzidakis Glotta 2, 299). II-671
σαίνω (seit Od., Hes.), selten Aor. ἔσηνα (z.B. ρ 302), ἔσᾱνα (Pi. O. 4, 6, P. 1, 52), ‘mit dem Schwanz wedeln, schwänzeln’, übertr. ‘liebkosen, schmeicheln’. auch m. περι-, προσ- u.a. Als Vorderglied in σαίνουροι καὶ σαινουρίδες· οἱ τὰς οὐρὰς συνεχῶς κινοῦντες ἵπποι καὶ κύνες H. Dazu σάννιον· τὸ αἰδοῖον ἀντὶ τοῦ κέρκιον. τὸ γὰρ αἰδοῖον ἐσθ’ ὅτε οὐρὰν ἔλεγον, ὡς Εὔπολις H., somit eig. ‘Schwanz’ (-νν- hypokor. Gemination); auch σαν-νίων (Arr.), σάννας (Kratin.), σάννορος (Rhinth.) m. ‘Tor, Narr’, σαννάδας· τὰς ἀγρίας αἶγας H. — Unerklärt. Abzulehnen Solmsen IF 30, 38 ff. : eig. Denom. von einem alten Wort für ‘penis’, *σήν, Gen. *σαν-ός, idg. *tu̯ēn, Gen. *tu̯n̥-ós, zu lit. tvìnstu, tvìnti ‘anschwellen, vom Fluß’ u.a.; n-Erweiterung von tēu̯-, tū̆- ‘schwellen’ (WP. 1, 706ff., Pok. 1080ff.; s. σῶς). Hierher nach Solmsen auch andere Wörter auf σα-, z. B. Σάτυρος (s. d.). II-671
σαίρω 1. Aor. σῆραι, kret. σᾶραι, Fut. σαρῶ (H.) ‘fegen, auskehren’ (S., E.), übertr. ‘wegräumen’ (BCH 29, 204; Kreta). Als Vorderglied vielleicht in σαράπους (Gal.), Akk. σαράποδα, σάραπον (Alk.); nach D. L. 1, 81 διὰ τὸ πλατύπουν εἶναι καὶ ἐπισύρειν τὼ πόδε (vgl. Bechtel Dial. 1, 125, Sommer Nominalkomp. 26 A. 4 [S. 27] u. 188); nach Gal. dagegen zu σέσηρα (2. *σαίρω). Davon 1. σάρον n. ‘Kehricht’ (Sophr., Ion Trag., Kall.), ‘Besen’ (Epid. IVa u.a.) mit σαρ-όομαι, -όω ‘ausgekehrt werden, auskehren, rein kehren’ (Lyk., NT, Pap. u.a.), wovon -ωσις f. ‘das Auskehren’ (Pap.), -ωμα n. ‘Kehricht’ (AB u.a.), -ωται pl. m. ‘Auskehrer’ (Phanagoria), -ωτρον n. ‘Besen’ (Suid.); 2. σάρματα pl. n. ‘Kehricht’ (Rhinth.), σαρμός· σωρὸς γῆς, καὶ κάλλυσμα ... H. — Seit Fick BB 5, 167 mit σύρω ‘ziehen, schleppen, fortreißen’ (σύρματα, συρφετός ‘Kehricht’) zusammengestellt; als Anlaut ist dabei (nach Hirt) mit Bq und WP. 1, 750; 2, 530 (fragend) idg. tu̯- anzusetzen, wobei σαρ- und συρ- verschiedene Varianten eines schwundstufigen *tu̯r̥-i̯ō repräsentieren können (vgl. Schwyzer 351 f.). Ein entsprechendes hochstufiges Präsens *tu̯er-ō kann im Germ., z. B. ahd. dweran ‘schnell herumdrehen, durcheinander rühren, mischen’ vorliegen; dazu nominale Ableitungen wie das schwundstufige lat. tur-ma ‘Schar, Schwadron’. Auch turba und σύρβη, τύρβη (s.d.) lassen sich hier einreihen. Vgl. noch τορύνη, auch ὀτραλέως. II-671-672
*σαίρω 2. ‘die Zähne zeigen’ s. σέσηρα. II-672
σάκκος, auch σάκος (att. ?), m. ‘Sack (aus Ziegenhaar), Seihsack, Sackleinwand, ein daraus gemachter grober Mantel’, u.a. als Trauerkleid benutzt (Hdt., Hippon., Ar., LXX, NT, Inschr. u. Pap.). Als Vorderglied z.B. σακκο-φόρος m. ‘Sackträger’ (Pap. u.a.). Davon 1. die Demin. σαν(κ)-ίον (Hp., Ar., X., Men. u.a.), -ίδιον (Pap.), -άλιον (Gloss.); 2. -ούδια n. pl. Bed. unklar (Pap.; nach λινούδιον, s. λίνον); 3. -ᾶς m. ‘Säckler, Sackträger’ (Inschr. Korykos, Pap.); 4. -ίας οἶνος ‘geseihter Wein’ (Poll.); 5. -ινος ‘aus Sackleinwand’ (Sch.); 6. Denom. -έω ‘seihen’ (Hdt. 4, 23; nach Ael. Dion. u.a. -εύω), -ίζω ‘ds.’ (Thphr. u.a.). Ptz. (scheinbar primär) σακτός ‘geseiht’ (Eup. 439). — Semit. LW; vgl. hebr. (phön.) śaq ‘härenes Zeug, Sack, Trauerkleid’ (Lewy Fremdw. 87; dazu Bertoldi Zeitschr. rom. Phil. 68, 73ff. [Mittelmeerwort]). — Daraus lat. saccus (mit nhd. Sack usw.); s. W.-Hofmann s.v. m. Lit. II-672
σακνός ‘zerbrochen, leck’ (πίθοι) s. σαχνός. II-672
σάκος n. ‘Schild (aus Leder)’, eig. wohl ‘Langschild, Turmschild’ (vgl. ἀσπίς m. Lit.; Hom., auch A. u.a.). Einige Kompp; z.B. σακέσ-παλος ‘schildschwingend’ (Ε 126, Kall., Nonn.). ~ -φόρος ‘schildtragend’ (B., S., E.), φερε-σσακής ‘ds.’ (Hes. Sc., Nonn.); vgl. Trümpy Fachausdrücke 20ff., Ruijgh L’élém. ach. 94 f. m. vielen Einzelheiten. Keine Ableitungen. — Altes Wort, das ursprünglich die Haut, das Fell bezeichnete und auch im Aind. belegt ist : tvác- f. ‘Haut, Fell’, als s-Stamm (= σάκος) u.a. in híraṇya-tvacas- ‘mit goldenem Fell’. Hierher wohl auch, allerdings mit e-Vokal, der zu σάκος nicht stimmt, heth. tuekkaš ‘Körper’. Lit. bei Mayrhofer s. tvák; ält. Lit. bei Bq und WP. 1, 747 (Pok. 1099). Sehr unsicher apers. taka-barā, Beiwort der Yaunā (Ionier); s. Mayrhofer Orientalia 33, 84ff. (nach Pisani Glotta 42, 183 ff. aus gr. *σακοφόρος entlehnt[?]). II-672
σάκχαρ, -αρος σάκχαρ-ι n. (Peripl. M. Rubr., Orib.; nach μέλι u.a.), -ις f., -ον n. (Dsk.) n. (Gal.), ‘Zucker’. — Aus mind. (pāli) sakkharā ‘ds.’ (aind. śárkarā f. ‘Grieß, Kies, Körnerzucker’; vgl. 2. κρόκη). Aus dem Ind. noch pers. šakar > arab. sukkar (> ital. zucchero > nhd. Zucker usw.). Aus σάκχαρον lat. saccharum (nhd. Saccharin usw.). Weitere Einzelheiten bei Schrader-Nehring Reallex. 2, 705f. II-672-673
σαλαγέω, σαλάκων u.a. s. σάλος. II-673
σαλαΐζειν = θρηνεῖν (Anakr. 167), = κόπτεσθαι (H.); σαλαϊσ-<μός>· κωκυτός H. — Unklar; vgl. zu σαλάμβη. II-673
σαλαμάνδρα f. ‘Salamander, Art Molch’ (Arist., Thphr. u.a.); -ειος ‘nach Art der S.’ (Nik.). — Fremdwort unbek. Ursprungs. Hypothese bei v. Windekens Le Pélasgique 133. II-673
σαλάμβη auch σαλάβη (H., Phot.), -βος (H.). f. ‘Lichtöffnung, Rauchluke’ (S.Fr. 1093, Lyk., H.); — Wahrscheinlich sem. LW; vgl. syr. ṣelpā ‘rima portae’, zu ṣəlaf ‘spalten, zerreißen’ (Prof. Lewin mündlich; ähnlich Lewy Fremdw. 96). Unhaltbare idg. Etymologien bei Bq; unhaltbar auch Carnoy Ant. class. 24, 22. — Die formale Ähnlichkeit mit Σαλαμβώ· ἡ ’Αφροδίτη παρὰ Βαβυλωνίοις (H.,), Σαλαμβάς· ... ὅτι περιέρχεται θρηνοῦσα τὸν Ἄδωνιν (EM mit Heranziehung von σαλαΐζειν [s.d.]), Σαλαβακχώ (Ar.) wird von Lewy a. O. und von Solmsen IF 30, 42 beobachtet und verschieden erklärt. II-673
σάλος m. ‘unruhige Bewegung des Meeres, Wogenschwall’, auch ‘Ankerplatz, Reede’ im Gegensatz zum geschützten Hafen (S., E., Lys., hell. u. sp.), übertr. vom Erdbeben (E. IT 46), ‘unruhige Gemütsbewegung’ (LXX, Gal., Max.Tyr.; vgl. ἀσαλής, σάλη unten). Einige sp. Kompp., z.B. ἐπί-σαλος ‘dem σάλος ausgesetzt’ (Secund., Peripl. M. Rubr. u.a.); wohl auch das ep. κονί-σαλος ‘Staubwolke’ (s. κόνις). Mit Umbiegung in die σ-Stämme ἀ-σαλής ‘unerschüttert, unbekümmert’ (A. Fr. 319 = 634 M.) mit ἀσάλ-εια f. = ἀμεριμνία, ἀλογιστία (Sophr. 113), ἀσαλεῖν· ἀφροντιστῆσαι H.; dazu, wohl als Rückbildung, σάλη, σάλᾱ f. = φροντίς (Et. Gen., H.). Denominativa : 1. σαλεύω, auch m. Präfix, z.B. ἀπο-, ἐπι-, δια-, eig. vom Schiff ‘(auf den Wogen) rollen, sich hin und her werfen, schwanken’, trans. ‘ins Schwanken bringen, erschüttern’ (att. seit A., auch Hp., hell. u. sp.) mit σάλευσις (δια-) f. ‘Schwankung’ (Arist. u.a.), σάλευμα n. ‘ds.’ (D. Chr.). 2. σαλόομαι ‘mit schwankender Haltung gehen’ (EM als Erklärung von σαλάκων). — Mit Gutturalsuffix : 1. σάλαξ, -ακος m. ‘grobes Sieb der Bergarbeiter’ (Arist. od. Thphr. ap. Poll.), auch als att. Töpfername (Σάλαχς; Krahe IF 57, 113), -αγξ· μεταλλικὸν σκεῦος H.; σαλάκων, -ωνος m. ‘Aufschneider, Prahler, Stutzer’ (Arist.; wegen des schwankenden Ganges) mit σαλακων-ία (-εία) f. (Arist., Alkiphr.), -ίζω (δια- Ar.), -ίζομαι, -εύομαι (H., Phot., Suid.); σαλάσσω (ἐκ-) ‘schütteln’ (Nik., AP), wohl direkt von σάλος nach τινάσσω, ταράσσω u.a. 2. σαλαγέω = σαλάσσω, σαλεύω (Opp., Orac. ap. Luk.), σαλαγή· βοή H.; vgl. πατα-γέω, -σσω. — Urspr. Fachwort der Seemannsprache; ohne überzeugende Etymologie. Eine ganz fragliche Hypothese (lat. tullius usw.) s. τύλη, τύλος. Nach Carnoy Ant. class. 24, 22 (mit Curtius 372) zu nhd. schwellen usw. (pelasgisch). — Lat. LW salus, salum ? II-673-674
σάλπη -ης m. (Archipp.), -ος (Arist. v.l.), σάρπη f. (Arist.); auch σάλπιγξ (Arist.; volksetym. Umbildung). Zum Wandel λ > ρ vgl. Neumann Heth. u. luw. Sprachgut 42. f. (Epich., Arist. usw.), Meerfisch, ‘Box salpa’ — Unerklärtes Mittelmeerwort. Lat. (Plin., Ov.) salpa, ital. salpa. sarpa, frz., engl. saupe. Vgl. Heubeck Thes. Praerom. 1, 13 f.; dazu noch Thomson Fishes s.v. II-674
σάλπιγξ, -ιγγος m. ‘Trompete’ (seit Σ 219). Davon σαλπίζω (ion. att.; dial. Neubild. -ίσσω, -ίττω, -ίδδω), Aor. σαλπ-ίγξαι (seit Φ 388), -ίσαι (LXX u.a.), Fut. -ίσω (NT), -ιῶ (LXX), Perf. Med. σεσάλπι(γ)κται, -ισται (sp.), vereinzelt m. ἐπι- u.a., ‘die Trompete blasen, trompeten’; dazu σαλπιγκτής (Th., X. u.a.), -ικτής (att. u.a. Inschr.), -ιστής (hell. u. sp.) m. ‘Trompeter’ (zu den Formen Fraenkel Nom. ag. 1, 232 A. 2 m. Lit.), -ισμός m. -ισμα n. (Thd., Poll.) ‘Trompetersignal’, -ιστικός’zum Trompeten gehörig’ (Poll.). — Weitere Ableitungen: σαλπίγγ-ιον n. ‘Röhre’ (Gal.), -ωτός ‘trompetenförmig’ (Teos). — Wie die gleichgebildeten σῦριγξ, φόρμιγξ (vgl. noch λύρα, κιθάρα, σαμβύκη u.a.) als Wort der Mittelmeerkultur ohne überzeugende idg. Anknüpfung. Zum onomatop. lit. švil̃pti ‘pfeifen’ u.a., seit Curtius 287 oft hierhergezogen, s. Fraenkel s.v. m. Lit. — Beziehung zu σάλπη bleibt semantisch noch zu begründen. II-674
σάμαξ, -ᾰκος m. ‘Binse, Binsenmatte’ (Kom. Va); -άκιον n. Bez. eines weiblichen Schmucks (Kom. Adesp.). — Bildung wie οἶσαξ u.a. (s. zu οἶσος): sonst unerklärt. Nach Alcssio Studi etr. 19, 152 zu voridg. *sam- ‘Wasser, See, Sumpf’ (?); von Belardi Doxa 3, 219 mit Recht abgelehnt. II-674
σαμβύκη (H. auch ζ-) f. ‘dreieckiges Saiteninstrument m. vier Saiten’ (Arist. usw.), übertr. ‘Sturmleiter’ (Plb. usw.; zur semant. Begründung s. Ath. 14, 634 a). Davon σαμβυκ-ιστής, f. -ίστρια ‘Sambykespieler(in)’ (hell. Dicht., Plu.; nach κιθαριστής, -ίστρια). — Orient. LW aus unbekannter Quelle; s. E. Masson Recherches 91 ff. m. ausführlicher Bed. und Kritik früherer Ansichten (zu hebr. šebākā ‘Gitter’ u. a.). Zur sekundären Nasalierung Schwyzer 231 f. m. Lit. — Lat. LW sambūca (vgl. W.-Hofmann s.v.). II-674
σάμος f. ‘Anhöhe’ (Str. 8, 3, 19; 10, 2, 17); dazu die Inselnamen Σάμος, Σάμη. — Ohne Zweifel vorgr.: Fick Vorgr. ON 54 u. 112; ebenso, aber mit anderer Deutung (zu ἀσάμινθος) Alessio Stud. itfilcl. N. S. 20, 121 ff., v. Windekens Le Pélasgique 69ff. Eine (mit allem Vorbehalt) vorgetragene idg. Etymologie bei Persson Beitr. 1, 471 (s. Bq; abzulehnen). II-675
σάμψ(ο)υχον n. ‘Majoran’ (Nik., Dsk., Paus. u.a.; zur Begriffsbestimmung Andrews ClassPhil. 56, 78) mit -ινος ‘aus M.’ (Dsk., Gal. u.a.). -ίζω ‘dem M. ähnlich sein, mit M. würzen’ (Dsk.). — Fremdwort unbek. Herkunft (die Pflanze war vor allem in Nordafrika heimisch). Lat. LW sampsūc(h)um, -us (s. W.-Hofmann s. sambūcus). II-675
σάν dor. Name für ion. σίγμα (Hdt. 1, 139). — Aus dem Semit. (hebr. šīn). Davon σαμ-φόρας, -ου m. "Σάν -träger", ‘Pferd, dem ein σάν eingebrannt ist’ (Ar.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 143). — Zum Zeichen σαμπῖ (= 900), aus byz. σὰν (= ὡς ἄν ‘wie’) und πῖ, Schwyzer 149. II-675
σάνδαλον pl. -α n., ‘Sandale(n)’ (seit h. Merc.), N. eines Plattfisches (Matro; Strömberg Fischn. 37); σανδαλοθήκη ‘Sandalkasten’ (Men., Delos IIa). Davon σανδάλ-ιον (ion. att.), -ίσκον (Ar.); auch -ίς, -ίδος f. ‘Art Dattel’ (Plin.), -ώδης ‘sandalähnlich’ (Sch.). — Auch σάμβαλον n. (Eumel., Sapph., AP), σαμ-βαλ-ούχη, -ουχίς f. ‘Sandalkasten’ (Herod.), -ίσκα pl. n. (Hip- pon. 18 = 32 Masson; s. Komm.). — Der Wechsel νδ ~ μβ ist dunkel; verschiedene Aufnahme eines Fremdworts (Schwyzer 303)?; s. auch Kronasser Etymologie I 91. — Herkunft unbekannt; vgl. σαγγάριος H. s. σκυτεύς; τζαγγάριος (τσ-) m. ‘Verfertiger der parthischen τζάγγαι’ (Pap. VIp). — Aus dem Griech. lat. sandalium, frz. sandale, npers. ṣandal usw. II-675
σανδαράκη, -άχη f. ‘Sandarach, rotes Arseniksulfid, Realgar, rotes Auripigment’ (Hp., Arist., Thphr. u.a.), ‘Bienenbrot’ (Arist.); σανδαρακ-ούργιον n. ‘Sandarachgrube’ (Str.), -ινος ‘sandarachfarben, hellrot’ (Hdt. u.a.), -ίζω ‘sandarachfarben sein’ (Dsk.). — Orient. LW aus unbek. Quelle. Nehring Glotta 14. 182 erinnert an den ON Σανδαράκη (Hafenstadt am Schwarzen Meer). Nach einer ganz unsicheren Vermutung von Uhlenbeck PBBcitr. 19, 327ff. aus aind. *candra-rāga- ‘mondfarbig’ (?), das Cuendet (s. Mayrhofer s. candanaḥ) in ein ebenso hypothetisches *candana-rāga- ‘sandfarbig’ verbessern möchte. II-675
σάνδυξ, -υκος f. Bez. eines hellroten Farbstoffes, einer hellroten Mineralfarbe, eines rotfarbigen durchsichtigen Gewebes usw. (Str. 11, 14, 9 [coni.], Dsk., Gal. u. a.); ausführlich zur Bed. Flobert Rev. de phil. 90, 228 ff. Davon σανδύκ-ιον n. Bed. unsicher, -ινος ‘sandyxfarben’ (Pap.); auch σανδών, -όνος m. Bez. eines durchsichtigen Gewandes (Lyd. Mag.): nach σιν-δών. — Bildung wie βόμβυξ u. a.; wie das damit irgendwie zusammengehörige σανδαράκη aus unbek. orientalischer Quelle (vgl. aind. sindūram ‘Mennig, Zinnober’, assyr. sâmtu, sându ‘roter Stein’?). Lat. LW sandyx (Prop., Verg., Plin. usw.). II-675-676
σανίς, -ίδος f. ‘Brett, Bohle, Brettergerüst usw.’, pl. auch ‘Bretter zum Schreiben, Schreibtafel(n)’ (att.), ‘Torbohlen, Türflügel’ (ep.). Davon 1. die Deminutiva σανίδ-ιον n. (att. usw.), σαν-ίσκη f. ‘Gemälde’ (Herod.); 2. σανίδ-ωμα n. ‘Bretterverkleidung’ (LXX, Thphr., Plb. usw.; Chantraine Form. 187); 3. -ώδης ‘brettähnlich’ (sp.); 4. -όω ‘mit Brettern ver- sehen’, -ωτός (hell. u. sp.). — Bildung wie σελίς, δοκίς u. andere technische Wörter (Chantraine Form. 337); sonst unerklärt. Die formal naheliegende Anknüpfung an σαίνω (Solmsen IF 30, 46 f.) ist von einer s. v. abgelehnten Erklärung von σαίνω abhängig. Eine an sich denkbare aber ganz hypothetische Grundform *tu̯-n̥-id- vermittelt Anschluß an die grosse Sippe von τύλη, τύλος (s. d.). — Ältere Deutungsvorschläge bei Bq und WP. 1, 709 (abgelehnt). II-676
σαννᾶς (eher als -ᾱς) m. Spitz- u. Personenname, ‘μωρός, Dummkopf’ (Kratin. [vgl. Clark ClassRev. 69, 245 f.], Kolophon), σαννίων ‘ds.’ (Arr.), σάννορος = μωρός (Rhinth.), wohl mit Kaibel z. St. für -υρος; vgl. Σαννυρίων. Als PN noch Σάνν-ος (Hippon.), -αῖος, -ιος, -υρίων, f. -ώ (5.-4.Jh.); Σαννίδωρος Spitzname für ’Αντίδωρος (Epikur.). Daneben σαννίον = αἰδοῖον (Eup.), σαν<ν>ιόπληκτος· αἰδοιόπληκτος H.; σαννάδας· τὰς ἀγρίας αἶγας H. (formal Patronymikon von *σάννος o. ä.) = ngr. (Kreta) ἡ σανάδα (Hatzidakis Glotta 12, 148 f.); wohl auch ἐσαθνύριζεν· ᾔκαλλεν H. für ἐσαν(ν)-. — Von σαίνω (s. d.) mit expressivhypokoristischer Gemination; die Namen sind, wenigstens zum Teil, mit Beziehung auf σαννίον· αἰδοῖον gebildet. Einzelheiten m. reicher Lit. bei Masson zu Hippon. 118 (S. 165 f.). Lat. LW sanna ‘Grimasse’, sanniō ‘Possenreisser’ (W.-Hofmann s. v.). II-676
σαπέρδης -ου, m. N. eines Fisches, der mit κορακῖνος und πλατίστακος identifiziert und aus dem Nil, dem Schwarzen Meere aber auch aus anderen Gewässern erwähnt wird (Hp., Kom. usw.). Davon σαπερδ-ίς (Arist.; richtig?), -ιον (Apollod. ap. Ath.). — Fremdwort. Thompson Fishes s. v. (wo ausführliche Behandlung) erinnert an arab. ṣabār, kopt. šabouri, N. eines bekannten Nil flsches, Tilapia nilotica. Lautlich näher liegt der lyd. PN Sa-par-da-a-a (Grošelj Živa Ant. 7, 43), über dessen eventuelle Beziehung zum Fischnamen σαπέρδης indessen nichts verlautet. II-676-677
σαπύλλειν · σαίνειν. ‘Ρίνθων (Frg. 24) H. — Expressivvolkstümliche Erweiterung von σαίνειν? Eine andere Vermutung bei Kaibel z. St. II-677
σάπφειρος f. ‘Lasurstein’, "Saphir" (Thphr., LXX usw.; zur Bod. Schrader-Nehring Reallex. 1, 212). Davon σαπφείρ-ιον (-ππ-) n. ‘aus σ. gemachter Farbstoff’ (Pap.), -ινος ‘aus σ.’ (Pap., Philostr. u.a.). — Semit. LW; vgl. hebr. sappīr. Weitere Anknüpfung an aind. (Lex.) śani-priya- n. N. eines dunkelfarbigen Steins (seit A. Müller BB 1, 281) scheint sehr fraglich. II-677
σάπων, -ωνος m. ‘Seife’ mit -ώνιον n. ‘ds.’, -ωναρικός ‘seifenartig, zur S. gehörig’ (sp. Mediz. u. a.). — Nach gewöhnlicher Annahme aus lat. sāpō ‘ds.’ (seit Plin.), das letzten Endes aus dem Germ. stammt (ahd. seifa, ags. sāpe usw.); s. W.-Hofmann s. v. mit weiterer Lit. Anders André Ét. celt. 7, 348 ff.: σάπων nicht aus lat. sāpō, sondern aus dem kleinasiatischen Keltischen; sehr erwägenswert. II-677
σαράπους s. 1. σαίρω. II-677
σαργάνη f. ‘geflochtener Korb’ (seit IVa). Davon σαργαν-ίς f. (Kratin. [coni.]), -ιον, -ίδιον n. (Pap.) ‘ds.’. Daneben ταργάναι· πλοκαί, συνδέσεις, πέδαι H. mit τεταργανωμένη = συμπεπλεγ-μένη, συνειλημμένη (H.EM); hyperattizistisch? (vgl. Schwyzer 319). — Gerätename ohne Etymologie, viell. LW (vgl. Chantraine Étrennes Benveniste 23f.); Bildung wie πλεκτάνη, ὁρκάνη usw. Die herkömmliche Anknüpfung an σορός (s. d.) u. Verw. (Kögel PBBeitr. 7, 191) läßt das -γ- unerklärt. Vgl. auch zu τάρπη. II-677
σαργός m. Fischname, ‘Sargus Rondeletii’ (Kom., Arist. u. a.) mit -ίον n. ‘ds.’ (Gp.); -ῖνος m. N. eines in Schwärmen auftretenden Meerfisches, ‘Hornhecht ( ? )’ (Epich., Dorio, Arist.); vgl. κεστρ- ῖνος, σαρδ-ῖνος u. a. — Mittelmeerwort unbek. Herkunft; zur Sache Thompson Fishes s. v. II-677
σάρδα f. ‘Salz- und Pökelfisch’ (Diphil. Siph. ap. Ath. 3, 120f., Xenokr., Gal.); σαρδῖνος, -ίνη ‘Sardelle’ (Arist. Fr. 329, Epai- net., Gal.), lat. sarda, sardīna. — Wohl eig. "der sardische Fisch", von Sardus ‘Sarder, sardinisch’, Σαρδώ = Sardinia, nach dem Herstellungsort. Strömberg Fischnamen 86; zur Sache Thompson Fishes s. v. II-677-678
σαρδάνιον μειδιᾶν, γελᾶν; σαρδάνιος γέλως ‘bitter, höhnisch lächeln, lachen; höhnisches Gelächter’ (υ 292, Pl., Plh. usw.); v. l. und sp. auch -όνιον, -όνιος (-ώ-) nach Σαρδόνιος ‘sardisch’; σαρδάζων· μετὰ πικρίας γελῶν Phot., Suid. — Herkunft strittig. Von den Alten teils mit σέσηρα verbunden (so noch Bechtel Lex. s. v. mit morphologischer Begründung), teils auf eine in Sardinien heimische Pflanze (σάρδ-ιον, -άνη, -όνιον) bezogen, deren Genuß ein krampfhaftes Lächeln herbeiführte. Näheres bei Kretschmer Glotta 34, 1ff. mit neuer Hypothese: zum Volksnamen Šardana (Nachbarn von Ägypten) unter Berufung auf σαρδανάφαλλος· γελωτοποίος H.; im einzelnen unklar. Abzulehnen Zupitza BB 25, 96 : zu kymr. chwarddu ‘lachen’. II-678
σάρδιον n. N. eines Edelsteins, ‘Karneol, Sarder’ (Pl., Thphr. usw.), auch = ‘Siegel’ (Inschr.); σαρδώ, -οῦς f., λίθος σάρδιος, ~ σάρδινος, σαρδόνιον ‘ds.’ (selten u. sp.); als Vorderglied in σαρδ-όνυξ, -υχος m. ‘Sardonyx’ (hell. u. sp.). — Wohl eig. "Stein aus Sardes", nach einem der Fundorte. Semit. Etymologie bei Lewy Fremdw. 57 f. (ganz fraglich). Lat. LW sarda, -ius, -inus lapis, sardonyx. II-678
σαρδόνες, -όνων σαρδόνια n. pl. (X. Kyn. 6, 9: Gen. σαρδονίων falsch für -όνων?) f. pl. (Poll., H.), ‘der oberste Rand des stehenden Jagdnetzes’. — Technisches Wort ohne Etymologie. Nach Fick GGA 1894, 225 zu σέσηρα. II-678
σάρῑσα f. ‘makedonische Lanze’ (Thphr., Plb.); lat. sarīs(s)a. — Dunkel; unzulänglich begründete Hypothese bei v. Blumenthal Hesychst. 21. II-678
σαρκάζω seltenes Verb umstrittener Bed. : auf zäh und gierig beißende Hunde bezogen (γλισχρότατα σαρκάζοντες Ar. Pax 482), von weidenden Pferden (Hp. Art. 8); vom zornigen Beißen auf die Lippen (Gal. 19, 136), womit die besonders lexikalisch belegte Bed. ‘bitter, grimmig verhöhnen’ (ἐπι- ~ Ph.) zusammenzuhängen scheint (z.B. H.: σαρκάζει· μειδιᾷ, εἰρωνεύεται, καταγελᾷ, ἀπὸ τοῦ σεσηρέναι; σαρκάσας· μετὰ πικρίας ἢ ἠρέμα τὰς τῶν χειλέων σάρκας διανοίξας, γελάσας). Davon σαρκασμός m. ‘grimmiger Hohn’ (Hdn., Phryn.); unklar die kom. Bildung σαρκασμο-πιτυοκάμπται pl. (Ar. Ra. 966). — Eine völlig einwandfreie Begründung des a priori nächstliegenden Zusammenhangs mit σάρξ ist bisher kaum gegeben. Bei Ar. Pax 482 ist indessen eine Bed. ‘entfleischen, das Fleisch von den Knochen abnagen’ (vgl. σαρκίζω) sehr wohl möglich; das Wort wäre dann auf grasende Pferde übertragen worden (Hp.). Bei der weiteren Bed.entwicklung mag die wiederholt auftretende Anknüpfung an σέσηρα (s. H. oben; σαρκάζων ... καὶ σεσηρώς Ph. 2, 597) eine Rolle gespielt haben. — σύρκιζε· σάρκαζε H. kann entweder äolisch (σύρκες = σάρκες) oder von σύρω beeinflußt sein. — Ältere Lit. bei Bq. II-678-679
σαρμεύω ‘einen (Erd-, Sand-) Haufen aufwerfen’ (Tab. Heracl. 1, 136 οὐδὲ γαιῶνας θησεῖ ... οὐδέ σαρμευσεῖ). — Von σαρμός· σωρὸς γῆς καὶ κάλλυσμα. ἄλλοι ψάμμον, ἄλλοι χόρτον H., Hippon. 165a; s. 1. σαίρω; auch Masson Hippon. 180 m. A. 3. II-679
σάρξ, σαρκός (äol. σύρκες pl. H., EM; zum Lautlichen Schwyzer 308) f., oft (Hom. fast nur) pl. ‘Fleisch, Fleischstück(e)’ (seit Il.); zum Numerus Schw.-Debrunner 43, Chantraine Gramm. hom. 2,30. Zahlreiche Kompp., z.B. σαρκο-φάγος ‘fleischfressend’ (seit Arist.), λίθος σαρκοφάγος Bez. eines bei Assos (Troas) gebrochenen Steins, der zu Särgen gebraucht wurde und die Leichname verzehrt haben soll (Poll. 10, 150, Plin. u. a.); zum umstrittenen physiologischchemischen Prozesse s. R. Müller bei Kretschmer G1otta 22, 265; daraus ‘Sarg’ (Inschr.), lat. LW sarcophagus, ahd. sarch usw.; ἄ-σαρκος ‘ohne Fleisch, mager’ (ion. att.); zum Hinterglied ausführlich Sommer Nominalkomp. 94 f. Davon 1. σαρκ-ίον (Hp., Arist. u. a.), -ίδιον (Arist. usw.) n. ‘Stück Fleisch’, -ίς f. ‘Fleisch, Essen’ (sp. Pap.); -ῖτις f. N. eines Steins (Plin.; nach der Farbe, Redard 60). 2. σάρκ-ινος (att. usw.), -ικός (hell. u. sp.), -ειος (sp.) ‘fleischig, fleischern’; -ώδης ‘fleischartig’ (Hp., X. usw.), -ήρης ‘aus Fleisch bestehend’ (Trag. Adesp.). 3a. σαρκ-ίζω ‘entfleischen’ (Hdt.; zur privativen Bed. Hudson-Williams ClassRev. 26, 122f.; nicht richtig Schwyzer 736), περι- ~ mit -ισμός (Mediz.), ἐκ- ~ (LXX); b. -όω (περι-, ἐκ- u. a.) ‘fleischig machen, ins Fleisch verwandeln’ mit -ωμα, -ωσις, -ωτικός (Mediz. u. a.); c. -άζω s. bes. — Ohne sichere außergriech. Entsprechung. Nach einer allgemeinen, sehr erwägenswerten Auffassung (seit v. Bradke ZDMG 40, 752) zu aw. ϑwarəs-, Präs. ϑwərəsaiti eig. ‘schneiden’ (upa-, us- u. a.), als Simplex ‘gestalten, erschaffen, be- stimmen usw.’, idg. tu̯erḱ-, tu̯r̥ḱ- (WP. 1, 751, Pok. 1102); somit eig. *’Schnitt’ wie lat. carō ‘Fleisch(stück)’ = umbr. karu ‘pars, Stück Fleisch’ zu κείρω ‘schneiden’ usw. Andere Begründung von Risch Sprache 7, 93 ff. (wo auch heth. tuekkaš ‘Körper’ [mit angebl. Schwund eines r vor k] herangezogen wird; s. indessen zu σάκος) : zu ϑwarəs- in der (offenbar sekundären) Bed. ‘erschaffen, bilden’; somit "Fleisch als das, was dem menschlichen Körper Gestalt und Formung gibt"; gewiß nicht vorzuziehen. — Aus σάρξ alb. šark ‘Frucht- fleisch’ (Jokl IF 44, 13 ff.). II-679-680
σαρωνίς, -ίδος f. ‘alte hohle Eiche’ (Kall. Jov. 22 u. a., H.), auch mit -ο- (Vokalharmonie?; Schulze Kl. Schr. 661 f.) σορωνίς· ἐλάτη παλαιά H.; dazu δρυμὸς Σόρων (Paus. 8, 23, 8). — Nach Strömberg Wortstud. 29 aus σαρῶνες· τὰ τῶν θηρατῶν λίνα H., was trotz den dort angeführten Parallelen kaum überzeugt. II-680
σατίναι f. pl. ‘Kutsche, Frauenwagen, Equipage’ (h. Ven., Sapph., Anakr., E. in lyr.; zum Plur. vgl. z.B. ὄχεα, zur Bed. Leumann Herm. 68, 359f. = Kl. Schr. 206f.); daneben σάτιλλα· π[η]λειὰς τὸ ἄστρον H. (als ‘Wagen’ benannt; Scherer Gestirnnamen 145 m. Lit.). — Als (phryg.?) LW kann σάτιλλα- mit arm. sayl ‘Wagen’ (auch als Sternbild) identisch sein (aus *satili̯a); daneben mit ν-Sufflx (alter n ~ l-Wechsel?) σατίναι; vgl. ἀπήνη. Gegen phrygische und für thrakische Herkunft von σάτιλλα Schmitt Glotta 44, 148 ff. — Eine gewisse Ähnlichkeit mit σάτιλλα, sayl zeigt georg. etli ‘Wagen, Sternbild’ (Adontz Mél. Bq 1, 5 ff.). Im Anschluß daran, z. T. mit Zuhilfenahme pelasgischer Hypothesen, weitgehende Kombinationen bei v. Windekens Orbis 5, 198 ff. (m. Lit.), wobei auch lat. satelles einbezogen wird und sämtliche betreffende Wörter zu idg. sed- ‘sitzen’ gestellt werden. S. noch WP. 1, 339 m. älterer Lit. und früheren Hypothesen. II-680
σατράπης, -ου m. "Satrap", Statthalter des Perserkönigs (seit X.). Davon σατραπ-ικός ‘zum Satrapen gehörig’ (Arist. usw.). f. -ίς (Philostr.), -εύω ‘Satrap sein, als Statthalter herrschen’ (X. usw.) mit -εία, ion. -ηΐη f. ‘das Amt, die Provinz eines Satrapen, Satrapie’ (seit Hdt.); -εῖα n. pl. ‘der Palast eines Satrapen’ (Hld.). — Aus airan. *xšaϑra-pā- ‘das Reich schützend’ (apers. xšaça-pāvan-), von xšaϑra- (s. zu κτάομαι) und pāiti (s. zu ποιμήν). Die nicht seltenen, oft inschriftlich belegten Formen ξατρ-, ἐξα(ι)τρ-, ἐξαιθρ- (auch σαδρ-) geben z. T. apers. xš- und den inlautenden Dental genauer wieder (s. Eilers-Mayrhofer Sprache 6, 120 A. 59 [S. 121], Brandenstein Sprachgesch. und Wortbed. 60), sind aber auch volksetymologisch bedingt: ἐξατρ- nach ἐξ-; vgl. Schwyzer 206 u. 329. Der αι- Diphthong wird von Kretschmer Sprache 2, 70 mit Lehmann-Haupt P. -W. s. Satrap Sp. 84 wenig überzeugend auf eine unbelegte altiran. Mischform zurückgefuhrt. — Dazu noch aind. kṣatrapa- u. a., s. Schmitt ZDMG 117, 131. II-680-681
σάττω, ion. σάσσω (Hp.), kret. (Gortyn) συνεσσάδδῃ, Aor. σάξαι. Pass. σαχθῆναι, Perf. Med. σέσαγμαι, ‘vollstopfen, festdrücken, bepacken, beladen, ausrüsten’ (ion. att., kret.). auch m. Präfix, z. B. ἐπι-, Davon 1. σαγή oder σάγη f. (Akz. nach Hdn. 1, 309) ‘Packung, Ausrüstung’ (seit A.), auch ‘Saumsattel’ (Pap., Babr. u. a.); 2. σάγμα (ἐπί- ~) n. ‘Decke, Mantel’ (E., Ar.), ‘Saumsattel’ (LXX, Str., Pap; usw.), Demin. -άτιον n. (Arr.); -ατᾶς m. ‘Sattler’ (Pap.). 3. σάκτας m. ‘Sack, Beutel’ (Ar. Pl. 681, Poll.), eig. "Stopfer" (Björck Alpha impurum. 68), auch = ἰατρός (böot., Stratt.), wohl als Spottname (vgl. Bechtel Dial. 1, 310); anders Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 26 (zu aind. bhiṣáj- ‘Arzt’; von Mayrhofer s. v. abgelehnt); 4. σακτήρ = θύλακος H.; 5. σάκτωρ, -ορος m. ‘Vollstopfer’ (A. Pers. 924; anap.); 6. σάκτρα f. = φορμός Phot. 7. σάξις (ἐπί- ~) f. ‘das Vollstopfen’ (Arist., Thphr.); 8. σακτός ‘vollgestopft’ (Antiph., Pap.). — Die Formen σάττω, σάξαι, σέσαγμαι einschließlich der nominalen Ableitungen, worunter σαγή und σάγμα mit analog. -γ- (umgekehrt Bechtel Dial. 2, 745: γ ursprünglich wie in krot. σάδδῃ; dagegen σάττω analogisch nach σάξαι), bilden ein regelmäßig ausgeglichenes System, dessen Ausgangspunkt mangels einer sicheren Etymologie nicht festzustellen ist. Eine mögliche Anknüpfung bietet das nasalierte toch. AB twāṅk- ‘einzwängen’ (idg. tu̯a-n-k-; v. Windekens Orbis 11, 180; 12, 188); dagegen ist auf aind. tvanakti (Lex.) ‘sich zusammenziehen’ kein Verlaß (s. Mayrhofer s. v.). Weitere überholte Vergleiche m. Lit. bei Bq und WP. 1, 746 f. (Pok. 1098). Vgl. noch σηκός und σωκός; auch συχνός. II-681
σάτυρος m. ‘Satyr’, meist im Plur. als Bez. mythischer Naturwesen, die zur Gefolgschaft des Dionysos gehören und oft in Bocksgestalt dargestellt werden (seit Hes. Fr. 198, 2); übertr. als Bez. eines geschwänzten Affen (Paus., Ael.). Davon 1. die Demin. σατυρ-ίσκος m. (Theok. u. a.), auch als Pflanzenn. (Ps.-Dsk.), -ίδιον n. (Stratt.); 2. -ικός ‘satyrhaft, zum Satyrspiel gehörig’ (Pl., X., Arist. usw.; Chantraine Études 150), -ιος ‘ds.’ (Pap.), -ώδης ‘satyrähnlich’ (Luk. u.a.); 3. -ιον n. N. verschiedener Pflanzen, die als sexuelles Reizmittel benutzt wurden (Dsk., Plu., Gal. u.a.; Strömberg Pfl.namen 93 u. 100), auch N. eines Wassertiers (Arist.); 4. -ιστής m. ‘Schauspieler eines Satyrspiels’ (D. H.; nach κιθαριστής usw.); 5. -ιάω ‘an Satyrkrankheit leiden’ (Arist., Mediz.) mit -ίασις, ion. -ίησις f., auch -ι(α)σμός m. (Mediz.); auch -ιακός ‘Satyrkrankheit verursachend’ (Ruf.), -ιακή f. ‘Mittel gegen S.’ (Mediz.). — Appellativische Bed. unbekannt (zur Begriffsbestimmung Nilsson Gr. Rel. I2 232ff. m. Lit.), mithin ohne Etymologie; ohne Zweifel Fremdwort. Mehrere Hypothesen 1. Altererbt: a. Solmsen IF 30, 36 ff. : eig. "cui membrun... turget", von *σήν ‘penis’ (s. σαίνω) und tū̆- ‘schwellen’ (s. τύλη). b. Brugmann IF 39, 114ff.: σα- verstärkend (s. σαφής) mit Hinterglied wie Solmsen. c. Grošelj Živa Ant. 2, 215ff.: zu ψῆν mit Suffix -τυ-ρο-ς, eig. "der Nager". 2. Illyrisch: a. Krahe Sprache 1, 37ff. (nach Eisler; m. Lit.): zu idg. sē- ‘säen’, eig. "der Säer" und mit lat. sator identisch. b. Kerényi Studi e materiali di storia delle religioni 9, 151 ff. und Rev. int. ét. balk. 2 : 1—2, 21 : zu idg. sā- ‘sättigen’ (s. ἅδην und ἆσαι), eig. "volles, fülliges Wesen" und mit lat. satur identisch. 3. Pelasgisch : a. Merlingen Das "Vorgriechische" und die sprachwiss.-vorhist. Grundlagen (Wien 1955) 19: zu idg. *ghaido- ‘Ziegenbock, Ziege’ (lat. haedus usw.). b. v. Windekens Studia ling. in honorem S. Mladenov (Sofia 1957) 417f. (m. Lit.): zu idg. ĝhed- ‘scheißen’ in arm. jet ‘Schwanz’, χόδανον· τὴν ἕδραν usw. (s. χέζω), eig. "geschwänztes Wesen". — Vgl. Σιληνός und τίτυρος. II-681-682
σαυκόν · ξηρόν. Συρακόσιοι H. — Wohl als (ital. oder ligurisches?) Fremdwort zu αὖος (s. d.) u. Verw. (idg. *saũsos) mit Vendryes Symb. Rozwadowski 1, 140 A. 1. Andere Hypothese bei Pisani Ist. Lomb. 23 : 2, 25 m. A. 1; vgl. noch Bechtel Dial. 2, 287 und Carnoy Ant. class. 24, 23. II-682
σαυκρόν · ἁβρόν, ἐλαφρόν, ἄκρον; σαυκρόποδες· ἁβρόποδες H. Zur Suffixkombination -κρ- Chantraine Form.. 225 m. A. 1, Schwyzer 496. Daneben bei H. noch σαυχμόν· σαχνόν, χαῦνον, σαθρόν, ἀσθενές ( : aind. sūkṣma- ‘fein, schmal, dünn, klein’ ?; vgl. αὐχμός); mit ψ- : ψαυκρός· καλλωπιστής, ταχύς, ἐλαφρός, ἀραιός; ψαυκρὸν γόνυ· κοῦφον, ψαυκρόποδα· κουφόποδα; von H. volksetymologisch mit ἄκρος und ψαύειν verbunden. — Volkstümlichexpressive Wörter ohne überzeugende Anknüpfung; vgl. σαῦλος, σαυνίον und σαύρα m. Lit. II-682
σαῦλος poet. Adj. unklarer und schwankender Bed., auf Gang und Bewegung bezüglich (vgl. Treu Von Homer zur Lyrik 253 u. 295) : σαῦλα βαίνειν h. Merc. 28 (von der Schildkröte), Anakr. 168 (Bacchantinnen), Semon. 18 (Pferd), σαῦλαι Βασσα-ρίδες (Anakr. 55), von H. mit κοῦφα, ἥσυχα, τρυφερά bzw. mit ἁβρόν, κοῦφον, ἄκρον, τρυφερόν erklärt; nach Sch. Ar. V. 1169 = τὸ φαῦλον καὶ διερρυηκός, somit etwa ‘leicht, zierlich, weichlich, tänzelnd’?; als Vorderglied in σαυλο-πρωκτιάω (Ar. V. 1173). Davon σαυλόομαι (E. Kyk. 40: κῶμοι ... ἀοιδαῖς βαρβίτων σαυλούμενοι), nach H. τρυφᾶν, θρύπτεσθαι, ἐναβρύνεσθαι, δια- ~ (Ar. Fr. 624; διασαυλούμενον· διακινούμενον καὶ ἐναβρυνόμενον, ἢ διασειόμενον H.), mit σαύλωμα· θρύμμα H. — Reimwort zu φαῦλος und vielleicht durch Kreuzung damit entstanden; andere adj.Barytona auf -λος sind μάχλος, κτίλος, ἕωλος. Daneben mit ν-Suffix σαυνά (σαῦνα?)· ἁπαλά H. — Schon wegen der unklaren Bed. etymologisch schwerbestimbar. Vgl. zu σαύρα. II-682-683
σαυνίον (-ιον) n. Bez. eines von fremden Völkern benutzten Wurfspießes (Men., Str., D. S. u. a.), ‘membrum virile’ (Kratin. 443). Davon σαυνι-άζω ‘ein σ. schleudern’ (D. S.) mit -αστάς (dor.) m. (Lyr. Alex. Adesp.). — Unerklärtes Fremdwort; vgl. zu σαύρα. II-683
σαύρα, ion. -ρη f. ‘Eidechse’ (A. Fr. 92 M., Hdt., Arist., Theok. usw.), auch = σαλαμάνδρα (Thphr.), übertr. als Pflanzenname = κάρδαμον (Nik.), ‘membrum virile eines Knaben’ (AP), ‘geflochtene Kapsel aus Palmrinde, um einen ausgerenkten Finger einzurenken’ (Mediz.). Auch σαῦρος m. ‘ds.’ (Hdt. [v. l.], Hp., Epich., Arist., Nik.), übertr. als Fischname = τράχουρος (Alex., Arist., Gal.; u. a. nach der Farbe, vgl. Strömberg 121). Als Vorderglied in σαυρο-κτόνος m. ‘Eidechsentöter’ (Plin.); zu σαυρο-βριθές s. unten. Davon 1. die Pfl.namen σαυρ-ίδιον n. (Hp., Gal.), -ίγγη f. (H.; vgl. z.B. φυσίγγη = φῦσιγξ : φῦσα), -ῖτις f. (Ps.-Dsk.); vgl. Strömberg 130. 2. der Fischname -ίς f. (Suid.). 3. -ῖται· εἶδός τι ὄφεων H. 4. -ίγγη auch = τὸ ζῶον ἡ σαύρα H., saurītis auch ‘kostbarer Stein, der im Innern der Eidechse gefunden worden sein soll’ (Plin.). 5. -ήτης m. ‘Krokodilwärter’ (Pap.). 6. σαυρωτή· ποικίλη, -ωτοῖς δόρασι· τοῖς σαυρωτῆρας ἔχουσι κατὰ τῆς ἐπιδορατίδος H. 7. σαυρωτήρ, -ῆρος m. (Κ 153, Hdt. 7, 41, Plb. u. a.) etwa ‘Lanzenschuh, unteres Lanzenende, das in die Erde gesteckt werden konnte’; vgl. Gerätenamen wie τροπωτήρ, σφυρωτήρ, dazu σαυρωτός (ob. 6.) und σαύρα = ‘Kapsel’ (s. ob.); in derselben Bed. auch σαῦρος in σαυρο-βριθὲς ἔγχος (Trag. Adesp. 264); der Lanzenschaft wurde wohl mit dem langen Eidechsenschwanz verglichen (vgl. οὐρίαχος). 8. PN Σαυρίας, Σαύρων u. a. (ion. att. usw.). — Wie viele andere Wörter für ‘Eidechse’ ohne Etymologie. Mit σαύρα, σαῦρος nebst Ableitungen wird gewöhnlich eine Reihe anderer Wörter auf σαυ- zusammengestellt : σαῦλος, σαυ-νός, σαυνίον, auch σαυκρός, und weiterhin mit σωλήν und σῦριγξ verbunden; s. bes. Solmsen Wortforsch. 129ff. (mit ausführlicher Behandlung), wo indessen nur σαυροβριθές, σαυρω-τήρ und σαύρα ‘membrum virile’ (ebenso wie σαυνίον ‘Wurfspieß’) als zu σωλήν und σῦριγξ gehörig betrachtet und demgemäß von σαύρα, σαῦρος ‘Eidechse’ getrennt werden; letztere werden mit σαῦλος, σαυνός, σαυκρόν, σαυχμόν zu einer besonderen Gruppe gezogen (zustimmend Fraenkel IF 32, 112). Das Verhältnis der besprochenen Wörter zueinander ist ebenso dunkel wie die außergriech. Anknüpfungen fraglich; s. dazu Bq und WP. 1, 752; vgl. noch Mayrhofer s. tūṇaḥ. Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pelasgique 136f. II-683-684
σαύσακας · τυροὺς ἁπαλοὺς εὐτρόφους. καὶ δοκοῦσι δὲ οὗτοι ἐπι-φόρους ποιεῖν πρὸς συνουσίαν H. — Von Solmsen Wortforsch. 133 zögernd mit σαυκρόν, σαυχμόν usw. (s. zu σαύρα) verbunden. Pisani Ist. Lomb. 73 : 2,25 A. 1 erinnert, gleichfalls zögernd, an σαυσαρόν· ψιθυρόν H., das er mit ‘secco’ übersetzt und zu σαυκόν (s. d.) zieht. Aber σαυσαρόν heißt vielmehr ‘flüsternd, säuselnd’ und ist offenbar onomatopoetisch. Davon σαυσαρισ-μός m. (Arist. : *σαυσαρίζω wie ψιθυρίζω) als Bez. einer Sprachstörung. II-684
σάφα Adv. ‘bestimmt, sicher, zuverlässig’, bes. mit οἰδα, auch m. anderen Verba des Wissens und des Sagens (vorw. ep. poet. seit Il.). Daneben σαφής Adj. ‘bestimmt, zuverlässig, offenbar, deutlich, klar’ (seit Pi. u. A.; σαφες seit h. Merc.; s. u.) mit Adv. σαφέως, σαφῶς ‘ds.’ (seit h. Cer.). Expressive Erweiterung σαφ-ηνής, dor. -ᾱνής, Adv. -ηνέως (Pi., Trag.; Adv. auch Hdt.), nach ἀπ-, προσ-ηνής u. a. (abzulehnen Prellwitz Glotta 19, 95ff.), mit σαφήν-εια f. ‘Deutlichkeit, Klarheit’ (att. seit A., Alkmaion; Gegensatz ἀσάφεια von ἀ-σαφής), -ίζω ‘klar machen, erklären’ (ion. att.) mit -ισμός, -ιστικός (sp.). — Ganz fraglich σαφήτωρ· μάντις ἀληθής, μηνυτής, ἑρμηνευτής H., wie von *σαφέω (διασαφέω seit E.); gewiß nur aus einer v. l. Ι 404 (für ἀφήτωρ) entstanden. — Von den obigen Wörtern scheint das am frühesten belegte Adv. σάφα (zur Bildung Schwyzer 622) das älteste zu sein; davon der Reihe nach σαφέως (wie τάχα : ταχέως), das Ntr. σαφές (σαφὲς δ’ οὐκ οἰδα h.Merc. 208) mit σαφέστερον, wozu endlich σαφής (Leumann Hom. Wörter 112 A. 77). — Unerklärt. Oft in σα-φής zerlegt mit dem angeblichen Hinterglied zu φάος, φαίνω; davor σα- als verstärkendes Element, u. zw. entweder mit Prellwitz BB 22, 81 ff. zu σάος (*tu̯ə-; s. σῶς und τύλη) oder mit Brugmann IF 39, 114ff. zu τίς (*qʷi̯ə-); eig. Ausruf; vgl. Σίσυφος und σοφός. Dagegen nach Grošelj Živa Ant. 1, 127 zu ion. σάω ‘sieben’ (s. διαττάω und σήθω), somit eig. *’gesiebt’; -φα wie in μέσφα. Altere Vorschläge bei Bq und W.-Hofmann s. faber, sapiō und tabula. — Ausführlich über σάφα Luther "Wahrheit" u. "Lüge" 61 ff.; s. auch Frisk GHÅ 41 (1935): 3, 20 (Kl. Schr. [Göteborg 1966] 18). II-684
σαχνός Auch σακνός (s. d.) und mgr. ngr. ψαχνός ‘mager’ ‘weich, mürbe’ (κρέα; Gal.), σαχνόν· ἀσθενές, χαῦνον II. — Von σώχω, ψώχω ‘zerreiben’ (Bezzenberger BB 5, 315; Fick BB 26, 115); zum Ablaut ω : ᾰ noch Schwyzer 340. Einzelheiten bei Georgacas Glotta 36, 181 u. 193. Der Hauchverlust in σακνός wurzelt nach Bechtel Dial. 3, 330 (mit Kretschmer) in einer Metathese khn > knh. — Daneben σαυχμόν· σαχνόν usw. H. durch Kreuzung mit σαυκρόν (s. d.) und anderen Wörtern auf σαυ- (s. σαύρα). II-685
σβέννυμι (ion. att.), -ύω (Pi., Hp. u. a.), Aor. σβέσ(σ)αι (seit Il.), Pass. σβεσθῆναι (ion. att.), Fut. σβέσω (A., E. u. a.) ‘(aus)löschen’; Med. σβέννυμαι (seit Hes.), Aor. σβῆναι (seit Il.), Fut. σβήσομαι (Pl. u. a.), Perf. ἔσβηκα (seit A.), ἔσβεσμαι (Parm. u.a.) ‘erlöschen, ermatten’; auch m. Präfix, bes. ἀπο- und κατα- (zum Gebrauch bei Hom. Graz Le feu dans l’Il. et l’Od.259ff.). Davon σβέ-σις (ἀπό-, κατά- ~) f. ‘das Auslöschen, Erlöschen’ (Arist. usw.), σβεσ-τήρ, -τῆρος m. ‘Auslöscher’ (Plu.; nicht ganz sicher), -τήριος ‘zum Auslöschen dienlich’ (Th. usw.), -τικός ‘ds.’ (Arist. usw.); ἄ-σβεσ-τος ‘unauslöschlich’ (Hom. u.a.; σβεστός Nonn.), f. (sc. τίτανος) ‘ungelöschter Kalk’ (Dsk., Plu. u. a.) mit ἀσβεστ-ήριοι und -ωσις H. als Erklärung von κονιαταί bzw. κονίασις. — Abweichend der Aor. κατα-σβῶσαι (Herod.). — Daneben einige H.glossen: ζείναμεν (-υμεν?)· σβέννυμεν, ἐζίνα (für -είν-)· ἐπεσβέννυεν, ἀποζίννυται (cod. -ξ-; für -ζείν-)· ἀποσβέννυται; ζόασον· σβέσον; ζοάσ<εις>· σ[ε]βέσεις. — Das obige Formensystem ist im ganzen auf der Wz. σβεσ-in σβέσ-σαι und ἄ-σβεσ-τος aufgebaut. An den Aorist σβέσ(σ)αι schlossen sich σβέννυμι aus *σβέσ-νυ-μι (zum Lautlichen Schwyzer 697), σβέσω, σβεσθῆναι, ἔσβεσμαι. Dazu trat als Neubildung ἔσβην, σβῆναι (nach ἔστην, ἐκάην, ἐάγην usw.), wozu σβήσομαι, ἔσβηκα. Für sich steht κατα-σβῶσαι, das eine alte Dehnstufe enthalten kann (vgl. unten), sich aber auch mit ζόασον, ζοάσεις (s. ob.) als ein Iterativ (aus *σβοῆσαι) unbestimmten Alters verstehen läßt. Vgl. (mit z. T. anderer Auffassung) Schwyzer 719 und 743 m. A. 1. Aus den Nebenformen mit ζ-, ζείναμεν usw., läßt sich für σβέσ(σ)αι, σβέννυμι ein idg. zgʷes- erschließen, das von anderen Verben für ‘aus-, erlöschen’ nicht zu trennen ist: lit. gęs-tù, gès-ti ‘erlöschen, ausgehen’, Kaus. ges-aũ, -ýti ‘auslöschen’, slav., z.B. aksl. u-gašǫ, u-gasiti ‘auslöschen’ (idg. gʷōs-; auch in -σβῶσαι?; s. ob.), toch. AB käs- ‘erlöschen’; wohl auch aind. jásate ‘ist erschöpft’, jāsayati ‘erschöpfen’. Heth. kišt-’erlöschen, vergehen’ (z.B. 3. sg. kištari) ist dagegen mit dem Labiovelar in σβέννυμι nicht vereinbar. Bei Ansetzung eines rein velaren g, das für alle übrigen Sprachen möglich ist, muß umgekehrt σβέννυμαι ausscheiden. — Durch das anlaut. σ- unterscheidet sich das Griech. von seinen Verwandten. Wahrscheinlich steckt darin ein Präfix (nach Prellwitz s. v. ein verstümmeltes ἐξ-). Anders Brugmann (z.B. Grundr.2 I 590) und Schwyzer 743 A. 1 (abzulehnen). — Weitere Formen aus den verschiedenen Sprachen mit unsicheren Hypothesen und älterer Lit. bei Bq und WP. 1, 693f. (Pok. 479f.); s. noch Fraenkel Wb. s. gèsti, Vasmer s. gasítь W.-Hofmann s. sēgnis. II-685-686
σέβομαι (seit Δ 242), auch σέβω (Pi., Trag., selten in d. Prosa; vgl. Schw.-Debrunner 234), außerpräs. Formen ganz spärlich: Aor. Pass. σεφθῆναι (S. Fr. 164, Pl. Phdr. 254b), Fut. σεβήσο-μαι (Pap. IIp), ‘sich scheuen, sich schämen’, nachhom. ‘Ehrfurcht haben, verehren’, bes. im Hinblick auf die Götter. sehr vereinzelt mit προσ-, ἀντι-, Davon A. σέβας n. (nur Nom. u. Akk.; pl. σέβη A. Supp. 755) ‘(heilige) Scheu, Staunen, Verehrung, Gegenstand der Scheu, der Verehrung’ (ep. poet. seit Il.); nach γέρας? (vgl. Chantraine Form. 422; s. auch zu σεμνός); als Hinterglied, nach den εσ-Stämmen, -σεβής (Schwyzer 514; auch Anschluß an σέβομαι kommt in Betracht), z. B. εὐ-σεβής ‘gottesfürchtig, fromm’ (Thgn., Pi. usw.) mit εὐσέβ-εια, -έω, -ημα; danach und nach ἀσέβ-ημα das Simplex σέβημα n. ‘Verehrung’ (Orph.). Von σέβας: 1. der Aorist σεβάσσατο (Il.), wozu σεβάζομαι, σεβασῆναι (sp.) = σέβομαι. Davon a. σεβά-σεις pl. ‘Ehrerbietungen’ (Epikur.); b. -σμα n. ‘Gegenstand der Verehrung, Heiligtum’ (D. H., NT usw.); c. -σμός m. ‘Verehrung’ (hell. u. sp.) mit -σμιος, -σμιότης; d. -στός ‘verehrungswürdig, ehrwürdig, erhaben’, = lat. Augustus (D. H., Str. usw.; auch auf σέβας beziehbar) mit -στιος, -στικός, -στεύω, -στεῖον. 2. σεβίζομαι, -ίζω = σέβο-μαι (Pi., Trag. u.a.; kann auch Erweiterung von σέβομαι sein) mit -ισμα n. (Sch.). — B. Verbaladj. σεπτός ‘verehrungswürdig’ (A. Pr. 812, sp. Prosa), meist komponiert, ἄ-, περί-, θεό-σεπτος u.a. (Trag. u.a.); σεπτ-ικός, -εύω H. C. Nom. ag. θεο-σέπτωρ m. ‘Gottesverehrer’ (E. Hipp. 1364 [anap.]; Fraenkel Nom. ag. 2, 28). D. σέβερος· εὐσεβής, δί-καιος H. — Zu σεμνός und σοβέω s. bes. — Nicht sicher erklärt. Lautlich möglich, aber wenigstens beim ersten Anblick semantisch wenig überzeugend ist die Zusammenstellung mit aind. tyajati ‘verlassen, im Stich lassen, aufgaben’ (Brugmann IF 25, 301 ff., WP. 1, 746, Pok. 1086). Das Kausativum σοβέω (s. bes.) läßt indessen für σέβομαι auf eine urspr. Bed. ‘wegeilen, davon fliehen’ od. ä. schließen; daraus ‘(scheu) vor etw. zurücktreten, zurückweichen’? Bedenken bei Mayrhofer s.v. (m. Lit.); Zustimmung bei v. Erffa Αἰδώς (Phil. Supp. 30: 2) 27 f. Die Gleichsetzung von σεπτός m.it tyaktá-, von θεο-σέπτωρ mit tyaktar-, wozu noch die s-Stämme σέβας: tyajas- (Porzig Satzinhalte 301), ist für die Etymologie belanglos, da es sich unter allen Umständen um einzelsprachliche Neubildungen handelt. Nach v. Windekens Orbis 14, 117 hierher noch toch. AB yäk- ‘nachlässig, achtlos, lässig sein’; in jeder Hinsicht anfechtbar. II-686-687
σειρά, ion. -ρή (dor. σηρά Gramm.) f. ‘Seil, Strick, Schlinge, Lasso’ (seit Il.). Einige Kompp.: σειρα-φόρος, ion. -ρη- (ἵππος) m. ‘Seilroß, Handpferd’ (Hdt., A., Ar.), παρά-σειρος eig. "ein Seil daneben habend", ‘am Nebenseil laufend, an der Seite befindlich, Beipferd’, übertr. ‘Genosse’ (E. in lyr., X., Poll. u. a.). Davon σειραῖος ‘mit Seil versehen, am Seil laufend’ (= σειραφόρος; S., E., D.H. u.a.); σειράω ‘mit einem Seil binden od. ziehen’ (Phot.); ἀνα-σειράζω ‘(mit einem Seil) rückwärts ziehen’ (E., A. R. u. a.); auch σειρ-ωτός ‘mit einem Strick umgürtet’ (Sm., Thd.), -όω ‘umgürten, einfassen’ (Dosith.), -ωσις (Phot.). Demin. σειρίς f. (X.); σερίδες (für -ει-?)· σειραί, σερί<ς>· ζωστήρ H.; σειράδιον n. (Eust.). — Seit Bezzenberger BB 12, 240 gewöhnlich mit lit. tveriù, tvérti ‘fassen, umzäunen’ (s. σορός) verbunden und als "die Fassende" erklärt (Solmsen Wortforsch. 127); Grundform *tu̯er-i̯ā (Bechtel Lex. s.v. [fragend] *tu̯ersā?); zum Lautlichen Forbes Glotta 36, 246. Semantisch unzweifelhaft besser mit Fick, Curtius u. a., auch Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 26 zu εἴρω ‘reihen, anknüpfen’, lat. serō usw., wobei indessen (trotz Pisani) σ- unerklärt bleibt. Heth. turii̯a- ‘anschirren, anspannen’, von Duchesne-Guillemin Trans. Phil. Soc. 1946, 50, Risch bei Mayrhofer Sprache 10, 197 und IF 70, 253 u.a. herangezogen, gehört nach Sommer Sprache 1,162 vielmehr zu aind. dhur- ‘Anspannwerk’ (zurückhaltend Kronasser Etymologie 1, 499). Pelasgische Etymologie, ebenfalls zu εἴρω, bei v. Windekens Le Pélasgique 134 f. (mit Georgiev). II-687
Σειρήν -ῆνος, (att. Vaseninschr. Σιρ-; s. Kretschmer Glotta 10, 61 f. m. Lit.), oft pl. -ῆνες, Gen. du. -ήνοιιν (Od.) Nebenformen Σειρην-ίδες (dor. Σηρην-) pl. (Alkm. u. a.), -άων Gen. pl. (Epich. 123, Versende). f. ‘Sirene(n)’, märchenhafte schadenbringende Vogelwesen (Menschenvögel), die in d. Od. durch ihren schönen Gesang die Vorüberschiffenden an sich locken und töten (seit Od.; Nilsson Gr. Rel. I2 228f.), auch als Bez. verschiedener verführerischer Frauen und Wesen (Alkm., E., Aeschin. u. a.), als Bez. einer wilden Bienenart (Arist. u. a.; Gil Fernández Nombres de insectos 214f.). Als Vorderglied in myk. se-re-mo-ka-ra-o-re, -a-pi (Mühlestein Glotta 36,152ff.)??; wohlbegründeter Zweifel bei Risch Studi Micenei (Roma 1966) 1, 53 ff. Davon Σειρήν(ε)ιος ‘sirenenähnlich’ (LXX, Hld.). — Da die urspr. (appellativische) Bed. unbekannt ist, sind wir für die Etymologie auf Hypothesen angewiesen. Rein formal (vgl. Schwyzer 487) empfiehlt sich Anknüpfung entweder an σειρά ("die Fasserin, die Umstrickerin") oder an Σείριος (als Personifikation der Mittagsglut und des Mittagszaubers), s. Solmsen Wortforsch. 126ff. (m. älterer Lit.; dazu Güntert Kalypso 174 f.), wo die letztgenannte Auffassung bevorzugt wird. Nach anderen (Brandenstein Kratylos 6, 169 mit Tomaschek, Lagercrantz Eranos 17, 101 ff. mit verschiedenen Deutungen) thrak.-phryg. Für vorgr. -mediterr. Herkunft z.B. Chantraine Form. 167 (mit Cohen); weitere Hypothesen bei Brandenstein Festschr. Jul. Fr. Schütz (Graz-Köln 1954) 56 f. — Über die Bed.entwicklung des Wortes sirène im Franz. Chantraine Institut de France (Lecture) 1954: 19, 5 f. II-687-688
Σείριος m. ‘Sirius, Hundsstern’ (seit Hes.), auch appositiv od. attributiv Σείριος ἀστήρ (Hes. Op. 417), als Adj. von Sternen (Ibyk. u. a.) und von der Sonne (Archil. u. a.), ‘glühend, brennend, ausdörrend’; auch als Beiwort der νᾶες (Tim. Pers. 192), wohl als ‘verheerend, vernichtend’ umgedeutet (vgl. v. Wilamowitz z. St.). Davon σειριόεις ‘sengend, glühend’ (ἥλιος, ἀτμός, Opp., Nonn.); σειρι-άω ‘glühen, sengen’ (ὀξέα σειριάει, von Σείριος, Arat. 331), auch ‘den Hitzschlag, σειρίασις, bekommen’ (Mediz.); σειρ-αίνω ‘sengen, dörren’ (Oros ap. EM), -όω (ἀπο-), auch -έω (-εόω) ‘ausdörren, drainieren, filtrieren’ (Mediz., Pap.; vgl. Lagercrantz zu PHolm. 23, 21) mit -ωμα, -ωσις (sp.); -άζω ‘schlagen’, vom Blitz (Ael. Dion.). Dazu Benennungen für ‘dünnes, durchsichtiges (Sommer)gewand’ : σειρόν, σείριον, σείρινα, σειρήν (Harp., Phot., Hes.); vgl. Solmsen Wortforsch. 128. Künstliche Rückbildung σείρ, σειρός· ὁ ἥλιος καὶ Σείριος (Suid.). — Nicht sicher erklärt. Wenn eig. ‘funkelnd, flackernd’ und überhaupt idg., kann Σείριος mit σείω (s. d.) zu einem Verb für ‘erregt sein, funkeln, glänzen’ in aind. tviṣ- gehören, wozu u.a. tvíṣ- ‘Aufregung, Glanz’, tveṣ-á- ‘ungestüm, funkelnd’; dazu noch aw. ϑwisra- ‘leuchtend’. Grundform dann *tu̯eis-ro- oder (wenn σει- für σῑ- stehen sollte; Götze KZ 51, 151 f.) *tu̯is-ro-; s., außer Bq, WP. 1, 748 m. Lit., Pok. 1099. Weitere Einzelheiten m. Lit. bei Scherer Gestirnnamen 111ff. II-688
σείω (ep. ἐπι-σσείω, s. u.), Aor. σεῖσαι (seit Il.), Aor. 2. Ptz. Akk. σιόντα (Anakr.), Pass. σεισθῆναι, Fut. σείσω (ion. att.), Perf. Med. σέσεισμαι (Pi. usw.), Akt. σέσεικα (hell. u. sp.), ‘schütteln, erschüttern, schwingen’, Med. u. Pass. auch ‘beben, zittern’. sehr oft m.Präfix, z.B. ἀνα-, κατα-, ἀπο-, δια-, ἐν-, ἐπι-, — Einige Kompp., z.B. σεισ-άχθεια ( :*σεισ-αχθής) f. ‘Last-’, d. h. ‘Schuldenabschüttelung’, Bez. eines solon. Gesetzes (Arist., Plu. u. a.); δορυ-σσόος, s. δόρυ und Schwyzer 450 A. 4. Ableitungen: 1. σεῖ-σις (ἀπό-, κατά- u. a.) f. ‘das Schütteln’ (Mediz. u.a.); 2. -σμός (ἀνα-, δια- u.a.) m. ‘Erschütterung, Erdbeben, Erpressung’ (ion. att.) mit -σμώδης ‘erdbeben-ähnlich’ (sp.); 3. -σμα (παρά-, διά- u.a.) f. ‘das Schütteln’ (LXX), ‘Erpressung’ (Pap.) mit -σματίας m. ‘auf ein Erdbeben bezüglich’ (D. L., Plu.; Chantraine Form. 95); 4. -στρον n. ‘Klapper’, lat. sistrum (Delos IIa, Plu. u.a.); -στρος m. Pfi.name ‘Rhinanthus maior’ (Arist., Plu.; nach dem zitternden Fruchtstand, Strömberg 77); 5. -σων, -σωνος m. "Rüttler", Art Gefäß (mittl. Kom.; wie καύσων, s. zu καίω m. Lit.); 6. -στης m. Art Erdbeben (Lyd.); 7. -στός ‘erschüttert’ (Ar.), ‘schüttelnd’, von Ohrgehängen (Delos III—IIa). — Mit Ausnahme von dem isolierten schwachstufigen Ptz. σιόντα, das wegen des danebenstehenden σείω als Aorist zu gelten hat, und dem ablautenden nominalen -(σ)σόος, ist das ganze System auf einem hochstufigen σει(σ)- aufgebaut. Die Geminata in ep. ἐπι-σσείω, ἐ-σσείοντο verrät eine ursprüngliche Konsonantengruppe, wodurch sich σείω aus *tu̯eis-ō mit aind. tvéṣati (Gramm.) ‘erregen’, fast nur Med. ‘erregt sein, entflammen, funkeln’ identifizieren läßt (ablehnend Wackernagel KZ 25, 277 = Kl. Schr. 1, 221). Die beiden Sprachen haben sich aber insofern stark voneinander getrennt, als im Aind. die medialen Formen fast alleinherrschend sind und die schwundstufigen (z.B. Ipf. 3. pl. a-tvis-anta, Perf. 3. sg. ti-tviṣ-é) stark überwiegen. — Daneben stehen im Iran. Formen ohne -s- und in etw. abweichender Bed., z.B. aw. ϑway-ah- n., ϑwy-ā f. ‘Schrecken, Gefahr’ (idg. *tu̯ei-os-, *tu̯i-ā), ebenso mit -s- in ϑwaēšah- n. ‘Furcht, Angst’. Ein weiterer Ableger dieser Sippe wird in Σείριος vermutet, s. d. m. Lit.; dazu noch Mayrhofer s. tvéṣati. II-689
σελαγέομαι, -έω s. σέλας. II-689
σέλας, -αος n. ‘Licht, Glanz, Strahl’ (ep. poet. seit Il., Arist. usw.; zum Gebrauch bei Hom. Graz Le feu dans l’Il. et l’Od. 310ff.); σελασ-φόρος ‘lichtbringend’ (A. u. a.), mit analog. -η- : σελαη-φόρος (Man.), -γενέτης (AP). Davon 1. σελά-ω ‘leuchten, glänzen’ (Nik. Th. 691) mit -σμα, σμός ‘Glanz’ (Man.); 2. -γέομαι (E., Ar.), -γέω (Opp.) ‘glänzen, strahlen’ mit -γησις f. ‘Glanz’ (Zonar.); Rückbildung -γος n. ‘Strahl’ (Hymn. Is.); 3. erweitert -γίζω ‘ds.’ (Nonn. u. a.) mit -γισμα n. ‘Leuchten, Blitz’ (Man.); 4. -σσομαι ‘glänzen, glühen’ (Nik. Th. 46); zu σελα-γέομαι : -σσομαι vgl. πατα-γέω, -σσω u. a., Debrunner IF. 21, 220f.; 5. -σκω ‘glänzen’ (Theognost.). — Zu σελήνη, σέλαχος s. bes. — Keine einwandfreie Etymologie. Begriffsmäßig verlockend ist die Zusammenstellung mit aw. xvarənah- n. ‘Ruhmesglanz’ (und aind. svàrnara- etwa ‘Lichtglanz’?), wobei auch das Wort für ‘Sonne’ (s. ἥλιος) und die Ausdrücke für ‘schwelen, sengen’ (s. 2. εἵλη ‘Sonnenhitze’) ins Blickfeld kommen. Doch sind ‘Glanz’ und ‘schwelen’ wenigstens nicht direkt miteinander vereinbar (vgl. WP. 2, 531 f.). Ein besonderes Problem bietet außerdem die Erhaltung des anlaut. σ- in σέλας, wofür mehrere Erklärungen vorgebracht worden sind (Kretschmer KZ 31, 422f., Prellwitz s. v., Solmsen Unt. 209 A. 2; s. noch Schwyzer 322). Schon aus diesem Grunde ist der Vergleich von σελαγ-έω mit aind. svarg-á- m. ‘Himmel’ (Persson Beitr. 2, 579 A. 2) wenig empfehlenswert, was indessen nicht ausschließt, daß das γ-Element in σελαγέω ein hohes Alter beanspruchen kann (Benveniste Origines 28; auch Specht Ursprung 212). — Verschiedene Deutungsversuche aus dem Idg. von Pisani Rend. Acc. Lincei Scr. VI: 7, 75 und Jb. f. kleinas. Forsch. 3, 150. II-689-690
σέλαχος, meist pl. -άχη n. ‘Knorpelfisch(e)’ (Hp., Arist. u. a.). Demin. σελάχ-ιον n., auch Bez. für kleine Schaltiere (Kom. u. a.), -ιος ‘knorpelig’, von Fischen (sp.), -ώδης ‘zu den Knorpelfischen gehörig’ (Arist.). — Bildung wie τέμαχος, τάριχος, στέλεχος. Schon von Galenos mit σελας verbunden wegen des phosphoreszierenden Lichts gewisser Knorpelfische (Strömberg Fischn. 55). Für die alte unhaltbare Anknüpfung an das germ. Wort für ‘Seehund’, z.B. ahd. selah (LW aus dem Ostseefinn. nach Schindler Sprache 12, 65 f.), noch Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 24f. II-690
σελήνη, dor. -άνα, äol. -άννα f. ‘Mond’ (seit Il.). Oft als Hinterglied, z.B. ἀ-σέληνος ‘mondlos’ (Th. u.a.). Davon 1. σελην-αίη, dor. σελαναία f. = σελήνη (ep. poet. seit Il.; wie ’Αθηναίη u. a., Schwyzer 469); 2. -ιον n. ‘Mondphase, Umriß des Mondes usw.’ (Arist., Thphr. u. a.), auch als Pfl.name wie -ῖτις u.a. (Strömberg 133); 3. Ben. von mondförmigen Schmucksachen: -άριον n., -ίς f., -ίσκος m. (spät); 4. -ίτης (λί-θος) m. "Mondstein", ‘Selenit’ (Dsk. u. a.; Redard 60), auch (f. -ῖτις) ‘Mondbewohner usw.’ (Luk., Ath. u. a.); 5. -ιεῖα n. pl. ‘Mondfest’ (Pap. IIa; Mayser I:3,95); 6. Adj. -αῖος ‘mondhell, den Mond betreffend’ (Orac. ap. Hdt., A. R. u. a.), -ιακός ‘zum Mond gehörig’ (Plu. u.a.; nach ἡλι-ακός); 7. Verb -ιάζομαι (Ev. Matt., Vett. Val.), auch -(ι)άζω, -ιάω (Man.), ‘mondsüchtig, d. h. epileptisch sein’ mit -ιασμός m. (Vett. Val.). — Bildung mit νᾱ-Suffix von σέλας (s. d.) nach dem älteren Synonym in lat. lūna usw.; s. λύχνος und Scherer Gestirnnamen 71 ff. m. weiterer Lit.Vgl. zu 2. μήν. II-690-691
σέλῑνον (äol. -νν- Gramm.); myk. se-ri-no. n. ‘Eppich, Apium graveolens’ (seit Il.; zur Bed. Andrews ClassPhil. 44, 91 ff.), auch übertr. ‘pudenda rnuliebria’ (Phot.) Oft als Hinterglied, z.B. πετρο-σέλινον n. ‘Felseneppich’ (Dsk.; lat. petro-selīnum, mlat. petrosilium > nhd. Petersilie); s. Strömberg Pflanz. 33. Davon der Fluß- und Stadtname Σελινοῦς, -οῦντος m., als Stadtname auch f. (zum Genus Schwyzer-Debrunner 33 A. 2; vgl. noch Leumann Hom. Wörter 300ff. und Krahe Beitr. z. Namenforsch. 2, 233) mit -ούντιος ‘aus S.’ (megar., Th., Str.), auch -ούσιος (Thphr.); zur Bildung Schwyzer 528 und 466; aber -ουσία· κράμβης εἶδος (H., Eudem. ap. Ath.) von σέλινον. — Dazu die späten und seltenen σελίν-ινος ‘aus Eppich’, -ίτης οἰνος, -ᾶτον n. = lat. apiātum. — Ohne annehmbare Etymologie; wohl Fremdwort wie κύμινον, ῥητίνη (s. dd.). Strömberg Pflanz. 37 denkt (mit Hesselman) an σέλμα, σελίς ("nach dem groben, hohlen Stengel"). Abzulehnen Sommer Lautst. 111 f. (s. Bq und WP. 1, 300). II-691
σελίς, -ίδος, oft im Plur. -ίδες f. ‘Querbalken eines Gebäudes, eines Schiffs, Querstück, Querwand, in die Quere laufende Bank- od. Sitzreihe im. Theater, Querstreifen od. Kolumne einer Papyrusrolle’ (att. Inschr., hell. u. sp. Inschr. u. Pap., LXX, Plb., AP u. a.). als Hinterglied (mit Übergang in die ο-Dekl.) ἐΰ-(σ)σελμος (εὔ-) ‘mit schönen σέλματα’ (ep. poet. seit Il.). Demin. σελίδ-ιον n. ‘Papyruskolumne’ (Ptol., Vett. Val. u.a.); erweitert -ωμα n. ‘breite Planke’ (Sch.). — Daneben σέλμα, oft im Plur. -ατα n. ‘Deck-, Ruderplanke, Ruderbank, Verdeck, Gerüst’ (h. Bacch., Archil., Trag., Str.), übertr. vom Sitz der Götter (A. Ag. 183 [lyr.]); — Aus H.: σελμίς· ... καὶ τὰ ἴκρια und σελμῶν· σανίδων. — Für σελίς mit Bildung wie σανίς, δοκίς usw. kommt sowohl nominales wie verbales Grundwort in Frage; σέλμα reiht sich an die zahlreichen primären Nomina auf -μα (δέρμα, βῆμα usw.). Wenn richtig überliefert, ist σελμίς H. eine Kreuzung; σελμῶν wie von *σελμός. — Ohne überzeugende Etymologie. Seit J. Schmidt Voc. 2, 78 mit einem germ. Wort für ‘Balken’, bes. ‘Grundbalken’ verglichen, u. a. ahd. swelli n. (auch = Schwelle), urg. *su̯ali̯a-, anord. ags. syll f., urg. wahrsch. *suli̯ō-; dabei entsteht dasselbe lautliche Problem wie in σέλας (s. d.). Daneben, im Suffix zu σέλμα stimmend, ags. selma, sealma, asächs. selmo m. ‘Bett(gestell)’, das lautlich mit ἕλματα· ... σανιδώματα H. vereinbar ist. — Weitgehende, z. T. ganz fragliche od. abzulehnende Kombinationen (bes. nach Person Beitr. 1, 379ff.) bei Bq und WP. 2, 503f., Pok. 898 f. — Bei der etymologischen Beurteilung von σελίς sollte allem Anschein nach der Begriff des Queren maßgehend sein (σέλμα ist in dieser Hinsicht unklar), während sich die germ. Wörter vielmehr um eine gemeinsame Bed. ‘Grundbalken’ sammeln. Es bleibt mithin etwas zweifelhaft, ob man für die griech. u. germ. Wörter eine gemeinsame Bed. ‘Balken’ anzusetzen Anlaß hat. Sollte in σελίς (und σέλμα) ein idg. *tu̯elneben *tu̯er- in ahd. dwerah, nhd. zwerch-, quer vorliegen ?? Zum vielbesprochenen und sehr problematischen idg. Wechsel l ~ r s. bes. Specht Ursprung 318ff. m. Lit. II-691-692
Σελλοί m. pl. Verehrer und Priester des Zeus in Dodona (Π 234, S. Tr. 1167 u. a.). — Schon wegen der unbekannten Grundbedeutung unklar. Übersicht über die bisherigen Versuche bei Lochner-Hüttenbach Die Pelasger (s. Πελασγοί) 147ff., wo mit Güntert und Brandenstein eine ursprüngliche Bed. ‘Opferer’ (zu got. saljan ‘darbringen, opfern’) angenommen wird; das Wort sei illyrisch. Anders v. Windekens Names 9, 91 ff. (m. Lit.): als χαμαιεῦναι, ἀνιπτόποδες (Π 235) mit der Erde verbunden; somit als pelasgisch zu lat. solum ‘Boden’. — Vgl. zu ‘Ελλάς. II-692
Σεμέλη, dor. -λᾱ f. Tochter des Kadmos, Mutter des Dionysos von Zeus (seit Il.). — Zu phryg. ζεμελως in der Formel δεως ζεμελως κε (Grabinschriften), die sich offenbar auf Himmel (s. Ζεύς, δῖος) und Erde bezieht; somit urspr. eine thrak.-phryg. Erdgöttin (Kretschmer Einl. 241 m. alt. Lit.). Weiteres s. χθών, auch Διόνυσος m. Lit. II-692
σεμίδᾱλις, -ιος, -εως, -ιδος f. ‘feinstes Weizenmehl, Feinmehl’ (Hp., Kom. usw.); σεμιδάλ-ιον (-ιν) n. ‘ds.’, -ίτης ἄρτος (Hp., Pap. usw.; Redard 90 f.). — Oriental. LW, zu syr. səmīdā, assyr. samīdu ‘feines Mehl’ (Lewy KZ 58, 28 f.). Aus dem Orient ebenfalls lat. simila ‘ds.’ u. a.; aus dem Griech. georg. semi(n)dali ‘Weizen’. S. noch Lokotsch Et. Wb. Nr. 1814; Björck Alpha impurum 64. II-692
σεμνός ‘ehrwürdig, verehrt, heilig, vornehm’, auch ‘hochmütig, stolz’ (seit h. Cer.). Viele Kompp., z.B. σεμνό-μαντις m. ‘ehrwürdiger Seher’ (S.; Risch IF 59, 273), ἄ-σεμνος ‘unwürdig, unedel’ (Arist. usw.; Frisk Adj. priv. 15). Davon 1. σεμν-ότης f. ‘Würde, vornehmes Wesen, Stolz’ (att.), 2. -εῖον n. ‘heiliges Gebäude’ (Ph.; nach ἀρχεῖον u.a.); 3. -ύνομαι, -ύνω, auch m. ἀπο-, ἐπι-, ὑπερ- u. a. ‘seine Würde behaupten, sich erheben, stolz sein’ bzw. ‘ehrwürdig machen, erheben, rühmen’ (Hdt., att.; nach θρασύνομαι, -ύνω, αἰσχύνομαι u.a.; vgl. Fraenkel Denom. 37); dazu, wohl als Rückbildungen (vgl. Strömberg Prefix Studies 98), ὑπέρ-, ἐπί-σεμνος (sp.); 4. -όω = -ύνω (Hdt.) mit -ωμα n. ‘Würde, Majestät’ (Epikur.). — Bildung wie ἁγνός u. a.; altes Verbaladj. (aus *σεβ-νός) zu σέβομαι (s. d.) mit eventueller Beziehung zum σ-Stamm in σέβας (vgl. Benveniste Origines 33). — Zu σεμνός u. Verw. bei Platon de Vries Mnem. 3: 12, 151 ff. II-692-693
σέρις, -ιδος, -εως f. ‘Endivie, Zichorie’ (Epich., Dsk., AP u. a.), ὑό-σερις (Plin.; ὑο- pejorativ, Strömberg Pfl.namen 31 m. A. 1). — Unerklärt. II-693
σερός · χθές. ’Ηλεῖοι H. — Viell. aus *χι̯ερ-ός zu aind. hyás ‘gestern’ (idg. *ĝhi̯es) mit elischem Rhotazismus und -ός nach νυκτός u. a. Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 29, Specht KZ 68, 202; s. χθές. II-693
σέρφος auch σύρφος· θηρίδιον μικρόν, ὁποῖον ἐμπίς H. (υ-Vok. lautnachahmend wie in surren, lat. susurrus u. a.?); σέριφος m., -ίφη f. ‘Art Heuschrecke’ (Zen., Suid.), -ιφον n. = ἀψίνθιον θαλάσσιον (Dsk., Gal.). m. Bez. eines kleinen geflügelten Insekts, ‘Mücke, geflügelte Ameise’ (Ar. u.a.); — Zu den Tiernamen auf -φος, -ιφος (ἔλαφος, ἔριφος u. a.) Schwyzer 495, Chantraine Form. 263, Specht Ursprung 266. Unerklärt. Verfehlt v. Bradke ZDMG 40, 352 u. a. (auch Güntert Kalypso 235ff. mit neuen Argumenten), s. Bq; nicht besser Venmans Mnem. 58, 71 (s. Specht a. O. A. 8, Kretschmer Glotta 21, 181). Zum Inselnamen Σέριφος s. Bürcher P. -W. 2, 2, 1729. II-693
σέσελι -ις f., auch σίλι n. (Plin.); vgl. noch σιλλικύπριον n. Bez. eines ägypt. Baums (Hdt. 2, 94; Strömberg Pfl.namen 127). n., ‘Sesel, Tordylium officinale’ (Hp., Arist., Thphr., Dsk. u. a.) — Fremdwort wie πέπερι, κιννάβαρι u. a.; nach Ps.-Dsk. agypt. Name für καυκαλίς. Vgl. Nencioni Arch. glottol. it. 33, 125 f. Lat. LW seselis, sil. II-693
σέσηρα, Ptz. σεσηρώς, dor. σεσᾱρώς, ep. f. σεσᾰρυῖα (Hes. Sc. 268) isoliertes Perf. m. Präs. bed. (Schwyzer-Debrunner 263 f. m. Lit.) ‘die Zähne fletschen, grinsen’ (ion. att.), auch ‘klaffen’, von einer Wunde (Hp.). Daneben σάρμα n. ‘gähnende Kluft, Schlund’ (EM); wohl auch σάραβος· τὸ γυναικεῖον αἰδοῖον und σάρων. λάγνος. τινὲς δὲ τὸ γυναικεῖον H. Zu σῆραγξ s. bes. — Wegen der Form ohne Zweifel als altererbt zu betrachten, aber ohne außergriech. Entsprechung. II-693-694
σέσῑλος m. ‘nackte Landschnecke’ (Ath. 2, 63 c, Dsk. 2, 9, H. [cod. -σηλ-]); auch σεσέλιτα (Akk. Dsk. a. O.); daneben σέμελος ‘ds.’ (Ath. 2, 63d, H. [lakon.]). — Unerklärt. II-694
σεύομαι, Daneben, eher deverbativ als denominativ, *σοϝ-έομαι > *σοϝοῦμαι in σοῦμαι, σοῦνται, Ipv. σοῦ, Inf. σοῦσθαι (Trag.), dor. σοώμην, σῶμαι u. a. (H.), Perf. Ptz. ἐσσοημένον (H.). Akt. Ipf. 3. sg. σόει (B.); s. Wackernagel KZ 25, 277 = Kl. Schr. 1, 221 (anders Schwyzer 679 mit Schulze: denom. aus *σοϝόο-μαι; vgl. σοῦς unten). Mit Dehnstufe σώοντο, σωομένους (A.R.); nach dem synonymen ῥώοντο (s. ῥώομαι)? Unklar σεῦται (S. Tr. 645, lyr.); aus σοῦται verdorben (Elmsley) od. analog. nach σεύομαι? — Nominale Ableitungen: 1. Als Hinterglied: αὐτό-σσυτος ‘aus eigenem Antrieb’ (A., S.); oft -σ(σ)όος, z.B. λαο-σσόος ‘die Mannen antreibend’ (Hom. u.a.); aber δορυ-σσόος zu σείω, νηο-σσόος zu σῴζω (s. dd.). 2. σοῦς (aus *σόϝος) m. ‘(schnelle, aufwärts gerichtete) Bewegung’ (Demokr., lakon. nach Pl. Kra. 412b, H.). 3. ὑποσευαντήρ m. ‘Vertreiber (der Pest)’, Bein. des Apollon (metr. Inschr. Kallipolis: ὑπο-σεύω; nach λυμαν-τήρ [: λυμαίνομαι] u. a.; vgl. Weinreich Ath. Mitt. 38, 64). 4. Zu σῶτρον s. ἐπίσσωτρον; zu πανσυδί und ἐπασσύτερος s. bes. Vgl. noch τευμάομαι und τευτάζω. auch (B., hell. Epik) σεύω, Aor. ἐσσύμην, ἔσσυτο, σύτο; ἐσ(σ)ύθην, σύθην, σύθι; auch σεύατο, ἐσσεύαντο, Akt. ἔσσευα, σεῦα, Perf. ἔσσυμαι, Ptz. ἐσσύμενος (zum Akz. Chantraine Gramm. hom. 1, 190), 3. pl. σεσύανται H., Verbaladj. ἐπί-σσυτος; ‘einherstürmen, herandrängen, eilen, sich beeilen, jagen’, Akt. ‘(ver)jagen, hetzen, antreiben’ (ep. poet. seit Il., auch [συθῆ, ἐσύθη] Hp., Aret.). auch mit Präfix, bes. ἐπι-, — Die Erhaltung des ευ-Diphthongs in σεύομαι usw. ist als epischer Archaismus zu erklären (Wackernagel a. O., Schwyzer 745 m. A. 4, Chantraine Gramm. hom. 1, 158 f.), der Aor. ἔσσευ-α kann auf eine athematische Bildung zurückgehen (Schwyzer a. O. m. Referat anderer Auffassungen, Chantraine 1, 385). — Altererbtes poetisches Verb mit Entsprechungen im Indoiranischen und Armenischen. Zu σεύομαι, σεύεται stimmen genau aind. cyávate, aw. šyavaite ‘sich regen, sich in Gang setzen’, idg. *qi̯éuetai; zu -σσυτος ebenfalls aind. cyutá- ‘erregt’ und aw. fra-sūta- ‘in Gang gekommen’ (Länge des ū sekundär); auch *σοϝέομαι in σοῦμαι läßt sich mit dem aind. Kausativum cyāváyate formal gleichsetzen. Der arm. Aor. č̣og-ay (Präs. ert‘am) ‘ich ging’, anscheinend mit o-Stufe, idg. qi̯ou-, muß deverbativ od. denominativ sein. — Vgl. noch κινέω und κίω. WP. 1, 363, Pok. 539, Mayrhofer s. cyávate; ält. Lit. auch bei Bq. II-694-695
σήθω, Aor. σῆσαι, σησθῆναι, Perf. σέσησμαι, Vbaladj. σηστός, ‘sieben, seihen’ (Hp., Dsk., hell. u. sp. Pap. u. a.). auch mit δια-, κατα- u. a., Davon σῆσις (Suid.), σᾶσις (Delph.) f. ‘das Sieben’; σῆστρα· κόσκινα H. mit σηστρίδιον n. (Pap. IIp). — Neben dem θ-Präsens in σήθω, dor. *σά̄θω (wie πλή-θω u. a.; vgl. bes. das synonyme ἠ-θ-έω) steht σῶσι 3. pl. Präs. (Hdt. 1, 200) wie von σά-ω (EM σῶ); dazu att. δια-ττάω (EM τῶ). Auch der Aorist σῆσαι usw. und (mit anal. -σ-) σησθῆναι usw. lassen sich auf σά-ω zurückführen. — Etymologie unbekannt; Hypothesen s. διαττάω. II-695
σηκός, dor. (Epid.) σακός m. ‘Einfriedigung, Umzäunung, Hürde, Stall, eingehegter geweihter Raum’ (seit Il.); σηκο-κόρος m. ‘Stallknecht’ (ρ 224 u. a.). Davon 1. σηκ-ίς (Ar.), -ύλη, -υλλα (Ael. Dion., H., Phot.) f. ‘Haussklavin’; 2. -ίτης, dor. σακ- m. (ἀρήν, ἔριφος) ‘im Stall gefüttert, entwöhnt’ (Theok., Long.; Redard 114); 3. σῆκα Lockruf eines Hirten (H.: "οὕτως ἐπιφθέγγονται οἱ ποιμένες εἰς τὸ συγκλεῖσαι τὰ ποίμ-νια"; vgl. σῖγα); 4. -άζω ‘in die Hürde treiben, einsperren’ (Θ 131 u. a.); 5. σηκόω: a. σάκωσε· κατέκλεισεν, ἀποσηκώσας· ὡς ἐν σηκῷ κατακλείσας H.; b. meist mit ἀντι-, ἀνα- ‘dagegen abwägen, aufwiegen, ausgleichen, entschädigen’ (Hp., Trag., Arist. u. a.); davon σήκ-ωμα, dor. σάκ- n. ‘eingehegter heiliger Raum’ (E., Inschr.), gew. ‘Gewicht, Gegengewicht, geeichtes Gewicht od. Maß’ (E., Hyp., Plb., hell. u. sp. Pap. u. Inschr.); -ωτήρ m. ‘Waagebalken’ (H.); ἀντισήκ-ωσις f. ‘Gegengewicht, Ausgleichung’ (Hdt., Plot.); Rückbildung ἀντί-σηκος ‘ausgleichend’ (Eust.). — Urgr. dor. σᾱκός aus *tu̯ākós wird seit Bezzenberger BB 12, 240 mit σάττω verbunden; s. d. mit weiteren Anknüpfungsversuchen. — Zu σηκός nach Szemerényi Sprache 11, 12 auch ἠκέστας in hom. ἤνις [σ]ηκέστας (mit Haplographie des σ); wenig überzeugend. II-695
σηλαγγεύς, -έως m. ‘Goldreiniger, Goldwäscher’ (Agatharch.). — Für *σαλαγγεύς (von σάλαγξ; s. σάλος) mit -η- nach σῆραγξ (s. d.). II-695
σῆμα, dor. σᾶμα n. ‘Zeichen, Ab-, Kenn-, Vor-, Mal-, Schriftzeichen, Merkmal, Grabmal’ (seit Il.). Kompp., z. B. σηματ-ουργός m. ‘Zeichenbildner’ (A.); oft als Hinterglied mit regelmäßigem Übertritt in die o-Stämme, z. B. ἄ-σημος, dor. ἄ-σᾱμος ‘ohne Abzeichen, ungeprägt, unverständlich’ (ion. att., dor.), vereinzelt ἀ-σήμων ‘ds.’ (S.), ἐπί-σημος, dor. -ᾱ- ‘mit einem Zeichen versehen’ (ion. att., dor.), n. -ον ‘Kennzeichen, Waffe’ (ion. hell. u. sp.), auch -α (Simon., A. u.a.; nach σῆμα). — Allem Anschein nach Erbwort, aber ohne überzeugende Etymologie. Nach Brugmann (z.B. Grundr.1 II 348) mit aind. dhyā-man- n. ‘Gedanke’ (sp. Lex.; zu dhyā́-yati, -ti ‘denken’) identisch; semantisch wenig treffend. E. Leumann (s. Schwyzer 322 A. 1) vergleicht sak. (nordar.) śśāma ‘Zeichen’. — Aus ἄσημον mpers. asēm ‘(ungeprägtes) Silber’. npers. sīm ‘(silberner) Draht’; vgl. Bailey Trans. Phil. Soc. 1933, 50. Davon 1. die Adj. σημα-λέος ‘Zeichen sendend’. Bein. des Zeus (Paus.), -τόεις ‘voll von Grabmälern’ (AP). 2. die Verba a. σημαίνω, dor. (Pamphyl.) σᾱμ-, oft m. Präfix, z.B. ἐπι-, ὑπο-, δια-, ἀπο-, ‘ein Zeichen geben, anzeigen, befehlen’ (seit Il.) mit σημάν-τωρ, -τορος m. ‘Gebieter, Herrscher, Lenker’ (ep. seit Il.), Bez. eines Militärbeamten (Hdt. 7, 81), ‘Anzeiger, anzeigend’ (sp. Dicht.; zur Bed. Aly Glotta 5, 58 ff.), -τήρ, -τήριον, -τρον, -τρίς, -τρια, -τικός, -σις, auch σημασία f. ‘Anzeige usw.’ (Arist., hell. u. sp.; Schwyzer 469); b. σηματίζομαι = σημαίνομαι (Sch.). 3. Subst. a. Demin. ση-μάτιον n. (Eust.); b. σημ-εῖον, ion. -ήϊον, dor. σᾱμ- n. ‘Zeichen, Kenn-, Feldzeichen, Signal, Siegel’ (ion. att., dor.; wie μνημ-εῖον : μνῆμ-α; s. zu μιμνήσκω) mit -ειώδης ‘bemerkenswert’ (Arist., hell. u. sp.), -ειόομαι, -ειόω, auch m. ἐπι- u. a., ‘(sich) aufzeichnen, bemerken; mit Siegel versehen’ (Hp., Thphr., hell. u. sp.), wovon -είωσις, -είωμα, -ειωτικός; c. σημ-εία (-έα, -αία) f. ‘Feldzeichen, Fähnlein’ (hell. u. sp.; nach βασιλ-εία usw.; Schwyzer 469, 470 A. 6). 4. PN Σαμιχος m. (böot. Inschr.) u.a. II-695-696
σηπία, ion. -ίη f. ‘Tintenfisch’ (Hippon., Epich., Ar., Arist. u. a.). Davon die Deminutiva σηπ-ί̄διον (Hp., Kom., Arist.), -ῑδάριον n. (Philyll.); auch -ιάς f. ‘ds.’ (Nik.); -ίον od. -ειον n. ‘Os sepiae, Blackfischbein, Schulp’ (Arist.). — Bildung und Herkunft dunkel. Der Form nach zu den Abstrakta auf -ία stimmend, steht σηπία unter den Fisch- und sonstigen Tiernamen ziemlich vereinzelt da (man hätte vielmehr -ίας, ev. -ιᾰ erwartet; zu bemerken jedoch ταινία). Wenn zu σήπομαι (z.B. Fraenkel Nom. ag. 2, 174 A. 1 [S. 175]), muß σηπία bei Epich. (61 u. 84) entweder falsch überliefert oder Ionismus sein. — Lat. LW sēpia. II-696
σήπομαι, Perf. σέσηπα, Aor. σαπῆναι (seit Il.), Fut. σαπήσομαι (Hp., Pl. u. a.), auch Akt. σήπω (ion. att.), außerpräs. Formen selten: Fut. σήψω (A. Fr. 275 = 478M.), Aor. σῆψαι (Ael.), ‘verfaulen, faul werden’, Akt. ‘faulen machen’. auch m. Präfix, bes. ἀπο-, κατα-, δια-, Davon Subst.: 1. σηπεδών, -δόνος f. ‘Fäulnis’, pl. ‘faule Säfte’ (Hp., Antipho Soph., Pl. u. a.; wie τηκεδών u. a.), auch als Bez. einer Schlange, deren Bisse Fäulnis verursachten (Nik., Ael.; wie τερηδών u.a.; Chantraine Form. 360f., Schwyzer 529); davon -δονώδης, -δονικός (Mediz.); 2. σῆψις (ἀπό-, σύν- u.a.), dor. (Ti. Lokr.) σᾶψις f. ‘Fäulnis, Gärung’ (Emp., Hp., Arist. u.a.); 3. σήψ, σηπός f. ‘fauliges Geschwür’ (Hp., Dsk.), m. Art Schlange (auch Eidechse), deren Bisse Durst und Brand verursachten (Arist., Nik. u.a.); 4. σήπη f. ‘Fäulnis’ (Aq.), σηπο-ποιός = σηπτικός (Alex. Aphr.); 5. σηπετοῦ· σηπεδόνος H. (von σήπομαι od. σήψ; Chantraine Form. 300, Schwyzer 501). — Adj.: 6. σηπ-τός ‘verfault’ (Arist.), ‘Fäulnis verursachend’ (Dsk. u. a.), früher und öfter belegt ἄ-σηπ-τος ‘nicht faulend’ (Hp., X., Arist., Thphr. u.a.); 7. -τικός ‘Fäulnis verursachend’ (Hp., Arist. u.a.); 8. -τήριος ‘ds.’ (Hp.). — Verb: 9. σηπ-εύω = σήπω (Man.); eher aus σήπω erweitert als von σήπη. — Mit anderem Ablaut: 10. σαπ-ρός ‘faul, verfault, ranzig’, vom Wein ‘abgelagert’ (ion. att.), mit σαπρ-ιας οἶνος (Hermipp.), -ότης f. ‘Fäulnis’ (Pl., Arist. usw.), -ίζομαι (Hp.), -ύνομαι (Nik.), -όομαι (Sch.) ‘verfaulen’, -ίζω ‘faulen machen’ (LXX). — In Anbetracht der Struktur ohne Zweifel Erbwort, aber im Gegensatz zum synonymen πύθομαι, πύθω isoliert. — Zu aind. kyāku n. ‘Pilz’ und lit. šiùpti ‘faulen’, die damit verbunden worden sind (Lit. bei Bq und WP. 1, 500), vgl. Mayrhofer bzw. Fraenkel s. v. Zu σηπία s. bes. II-696-697
Σήρ, Σηρός, gew. pl. Σῆρες m. Volk im äußersten Osten, nördlich und östlich von Indien, ‘die Serer, die Chinesen’ (Str., D. P. u. a.). Davon σηρικός ‘zu den Serern gehörig, seiden’, σηρικόν n. ‘Seidenkleid’ (Kaiserzeit). Rückbildung σήρ, σηρός m. ‘Seidenwurm’ (Paus. 6, 26, 6). — Volksname unklarer Herkunft, letzten Endes wohl zu chin. se ‘Seide’, s. Schrader- Nehring Reallex. 2, 381 ff. und Lokotsch Et. Wb. Nr. 1878 mit weiteren Hypothesen und Formen. Lat. LW Sērēs, sēri-cum, sēricārius (> gr. σηρικάριος) usw., woraus frz. serge, engl. silk usw. usw.; s. W.-Hofmann s. v. II-697
σῆραγξ, -γγος f. (m.) ‘Schlucht, ausgehöhlte Kluft unter der Meeresfläche’ (S., Pl., Arist. usw.), auch von Höhlungen und Poren des Körpers (Mediz.), Bez. eines Bretts (Agatharch., vgl. σηλαγγεύς); übertragen = ἐπιθυμία H. (auch σήραγγος). Davon σηράγγ-ιον n. Badeplatz in Piräus (att.), -ώδης ‘voll von σ.’ (Mediz., Paus. u. a.), -όομαι, -όω ‘hohl sein, porös machen’ (sp.). — Bildung wie das synonyme φάραγξ; vgl. noch φάλαγξ u. a. (Chantraine Form. 399f.); zu σέσηρα (s. d.), aber im einzelnen unklar. Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pél. 48 und Carnoy Ant. class. 24, 23. II-697-698
σήραμβος · εἶδος κανθάρου H. — Von Strömberg Wortstud. 23 als lakonisch für θήραφος ‘Spinne’ betrachtet; zum Suffix vgl. zu κεράμβυξ. II-698
σής (Pi. u. a.), Gen. pl. σέων (Ar. Lys. 730 u. a.), Akk. σέας (Luk. Ind. 1), Nom. σέες, Gen. sg. σεός (Gramm.); später σητός, σῆτες, σητῶν (Arist. usw.) m. ‘Motte, Milbe’; σητό-βρωτος ‘von Motten zerfressen’ (LXX, NT); σητάω ‘fressen, nagen’, in σητώμενα· βιβρωσκόμενα (Suid.). — Die jüngeren Formen σητός usw. wie θής, θητός u. a.; das ältere σέων (wozu σέας, σέες) nach dem. Typus σαφής, -έων; σεός mit Akz. nach den Einsilblern. —Mehrere fragwürdige Erklärungsversuche: zu ψῆν (Prellwitz mit?); aus *τι̯ης oder *τϝη[ι̯]ς zu lat. tinea od. σίνομαι u. a. m. (Lit. bei Bq, WP. 1, 702 und W.-Hofmann s. tinea und tābēs). Die Ähnlichkeit mit hebr. sās ‘Motte’ u.a. (Lewy Fremdw. 16f., Scheftelowitz BB 28, 289), arm. c̣ec̣ ‘Milbe’ (Vegt NTS 9, 334) ist vielleicht zufällig; s. E. Masson Recherches 93f. II-698
σήσαμον, dor. σάσαμον, lak. σάαμον; myk. sa-sa-ma (pl.). n. ‘Same und Frucht der Sesampflanze’, auch auf die Pflanze selbst bezogen (ion. att.), -ος m., -η f. ‘ds.’ (Gp.) Als Vorderglied z.B. σησαμο-πώλης m. ‘Sesamhändler’ (att. Inschr.). Davon 1. Subst.: σησαμ-ίς, -ίδος f. ‘Gericht aus gerösteten Sesamsamen und Honig’ (Stesich., Kom.); 2. -ῆ (-έα Hdn.) f. ‘ds.’ (Kom.); 3. -ιον n. ‘ds.’ (Hdn.); 4. -ίτης m. ‘Sesamkuchen’ (Poll., Ath.); 5. Adj. -ῖτις (γῆ) f. ‘mit S. bepflanzt’ (hell. Pap.; Redard 91 u. 109); 6. -όεις, -οῦς ‘aus S.’ m. ‘Sesamkuchen’ (Hp., Ar. u. a.); 7. -ινος ‘von S. gemacht’ (X., hell. Pap., Str. usw.); 8. -αῖος ‘ds.’ (Luk. u. a.); 9. -ικός ‘S. betreffend’ (Pap.); 10. -ώδης ‘sesamähnlich’ (Thphr.); 11. -ούντιος ‘von S. ge- macht’ (Sch.); 12. Verb -εύω ‘S. säen’ mit -εία f. (hell. Pap.). — Orient (sem. ?) LW (zur Bildung vgl. κάρδαμον, βάλσαμον u.a.); zu akkad. šammaššamu ‘Sesam’, wozu noch aram. šūmšemā, heth. šam(m)am(m)a- n. ‘ds.’ u.a.; s. Lewy Fremde. 28f., Przyluski-Regamey BSOS 8, 703ff., Laroche BSL 51 p. XXXIII, Kronasser Etymologie II 181, E. Masson Becherches 57 f. — Lat. LW sēsamum, sēsuma (s. W.-Hofmann v.). II-698
σητάνιος, σῆτες s. τῆτες. II-698
σθένος n. ‘Stärke, Kraft, Vermögen, Macht’ (fast nur ep. poet. seit Il.). Sehr oft als Hinterglied, z.B. ἀ-σθενής ‘ohne Stärke, kraftlos’ (Pi., ion. att.) mit ἀσθέν-εια, -έω. -ημα, -όω, -ωσις; auch -ικός (Arist. u.a.); sekund. Simplex σθενής· ἰσχυρός, καρτερός H. Auch als Vorderglied, z.B. σθενο-βλαβής ‘die Stärke beschädigend’ (Opp.; nach φρενο-βλαβής); PN wie Σθενέ-λαος (nach Μενέλαος), Kurzname Σθένελος (Il.). Davon 1. σθεν-αρός ‘kraftvoll’ (ep. poet. seit I 505, auch Hp.); nach βριαρός, στιβαρός u. a.; 2. Σθέν-ιος m., -ιάς f. Beiname des Zeus bzw. der Athena in Argolis (Paus.); -εια n. pl. N. eines Agons in Argos (Plu.), auch f. Sg. Bein. der Athena (Lyk. 1164; nach den Frauennamen auf -εια). 3. Rückbildung σθέν-ω (ἐπι- ~ Q. S.) ‘stark sein, vermögen’ (nur Präs. u. Ipf.; Trag., auch sp. Epik u. Prosa; vgl. Schwyzer 723); 4. auch -όω ‘stärken’ (1. Ep. Pet. 5, 10; Fut.). — Kann ein (ε)νος-Suffix enthalten wie ἄφενος, κτῆνος u. a. (Schwyzer 513, Chantraine Form. 420); im übrigen unklar. Hypothese von Bolling AmJPh 21, 316 : zu aind. saghnóti ‘ertragen, aushalten, gewachsen sein’, aw. a-zg-ata- ‘unwiderstehlich’, somit idg. *zgʷh-énos. Anders Sommer Lautst.65ff.: für *σθᾶνος (aus *στᾱ-σνος) mit -ε- nach μένος; lautlich unannehmbar. II-698-699
σιᾱγών, ion. σιη- (σεα-, συα- sp. Pap. u. a.), -όνος f. ‘Kinnbacken, Kinnlade, Wange’ (Hp., att., Arist., LXX, NT u. a.); -όνιον n. ‘Backengegend, -stück’ (Hp., LXX, Ath. Mech. u. a.); -ονίτης μῦς ‘Backenmuskel’ (Alex. Trall. u. a.; Redard 101). — Volkstümliches Wort neben dem weit geläufigeren γνάθος. Von Fick BB 26, 115, semantisch ansprechend, mit ψίομαι ‘kauen’ verbunden, was einen Übergang ψ- > σ- voraussetzt (sporad. Fälle bei Schwyzer 329). Über die Bildung läßt sich nichts sicheres sagen (vgl. ψιάζω, ψίακα· ψακάδα H.?); Ausgang wie in λαγών, κενεών, πυγών, ἀγκών und anderen Körperteilnamen. II-699
σίαλον, σίελον (-ος) n. (m.) ‘Speichel, Geifer’, übertr. ‘Gelenkwasser’ (Hp., Pherekr., X., Arist., hell. u. sp.) mit σιαλίς· βλέννος H., σιαλώδης ‘speichelartig’ (Hp.), σιαλ-ίζω (σιελ-) ‘Speichel, Geifer bilden, schäumen’ (Hp., Archig.), -ισμός m. ‘Speichelfluß’ (Mediz.), -ιστήριον n. ‘Gebißstange’ (Gp.). Daneben das Verb σίαι· πτύσαι (cod. πτῆσαι)· Πάφιοι H. (vgl. Schwyzer 752 A. 4). — Expressiv-volkstümliche Wörter wie πτύαλον, πτύω, mit denen sie auch genetisch verbunden worden sind; s. πτύω m. weiterer Lit. Über den vermuteten aber ganz unsicheren Zusammenhang mit aind. kṣī́vati ‘spucken’ (Dhātup.) s. Wackernagel bei Bechtel Dial. 1. 454 und Mayrhofer s. v. — Zu bemerken noch das sehr seltene und spät belegte σιαίνομαι, Aor. σιάνθην ‘Widerwillen, Ekel empfinden’ (Pap. Vl—VIIp, H., Suid., Gloss.), σιαίνω ‘Widerwillen erregen’ (Sch.), das eine Umbildung des synonymen σικχαίνω, -ομαι (s. d.) nach σίαι und ähnlichen unliterarischen Formen zu sein scheint. — S. auch σίαλος. II-699
σίαλος myk. si-a2-ro, m. ‘fettes Schwein, Mastschwein’, auch appositiv zu σῦς ‘ds.’ (Hom., Q.S., Thphr ap. Porph.) mit σιαλ-ώδης ‘mastschweinähnlich, fett’ (Hp.), -οῦται· τρέφεται H.; auch (übertr.) ‘Fett, Schmiere’ (Hp. Acut. [Sp.] 37; vgl. unten). — Ohne überzeugende Etymologie. Nach Kretschmer Glotta 13, 132f. und 27, 24 Kreuzung von *σίς ‘Schwein’ (vgl. σίκα s. σῦς) und πίαλος, welch letzteres indessen nur eine sekundäre Nebenform von πιαλέος ist (s. πῖαρ). Andere Versuche: zu germ., z.B. ags. þwīnan ‘weich werden, einschwinden’ (idg. *tu̯ī- neben tā[i]- in τήκω; Lidén IF 19, 351 f.); zu aksl. ty-ti ‘fett werden’ (idg. *tu-iă, -ī f. ‘Fette’; WP. 1, 706 fragend; vgl. Bechtel Lex. s.v.). Gegen die semantisch gewiß mögliche Gleichsetzung von σίαλος ‘Fett, Schmalz’ mit σίαλον ‘Speichel’ (Lidén a. O.) spricht das primäre σίαι· πτύσαι; außerdem kann das einmalige σίαλος ‘Fett’ durch Ellipse aus σίαλος ‘fettes Schwein’ entstanden sein; vgl. z.B. frz. veau ‘Kalb’, auch ‘Kalbleder’. II-700
Σίβυλλα, -ης (-ιλλα att. Inschr. IVa; Schwyzer 256) f. ‘Sibylla’, N. einer Seherin kleinasiat. Ursprungs (Heraklit., Ar., Pl. u.a.; vgl. Nilsson Gr. Rel. I2 561 u. 620, v. Wilamowitz Glaube 2, 34 A. 1). Davon σιβύλλ-ειος ‘sibyllinisch’, τὰ -εια ‘die sibyll. Bücher’ (D. H., Plu. u. a.), -ιακός ‘ds.’ (D. S.), -ιστής m. ‘sibyllinischer Seher’ (Plu. u. a.), -ιάω ‘nach der S. verlangen, orakelsüchtig sein’ (Ar. Eq. 61), -αίνω ‘wie die S. verkünden’ (D. S.). — Etymologie unbekannt; unbegründete Hypothesen von Hrozný Geschichte Vorderasiens (1940) 144 (zu akkad. sîbu ‘alt’); von Carnoy Ant. class. 24, 23. Vgl. noch Güntert Götter und Geister 32 A. (nichtgriechisch). II-700
σιβῠ́νη -ης m. (Alex., D.S., AP), mit Metathese συβίνη (Pap. IIIa), auch ζιβύνη (LXX, Ph. Bel.) f., ‘Jagdspieß, Wurfspieß’. Demin. σιβύνιον n. (Plb., ζι- H.). — Bildung wie κορύνη, τορύνη u. andere Gerätenamen; mask. -ύνης wie ἀκινάκης. Nach Fest. 453 illyrisch. Urspr. thrak.-phryg.?; vgl. pers. zōpīn, arm. səvīn, syr. swbyn ‘Spieß’. Lat. LW sibyna (sub-, syb-; seit Enn.); W.-Hofmann s.v. m. Lit. —Vgl. σιγύν(ν)ης. II-700
σῖγα — Als Unterlage dieser Wortsippe ist wahrscheinlich das zunächst interjektive Adv. σῖγα zu betrachten; daraus der Ipv. σίγα und der instrumentale Dat. σιγῇ (vgl. Porzig Satzinhalte 74) im Rahmen einer allmählich ausgebauten Verbalund Nominalflexion (Schwyzer 722 A. 3 u. 726, Schw.-Debr. 257 A. 1, Chantraine Gramm. hom. 1, 357; anders Georgacas Glotta 36, 181 f.). — Für σῖγα liegt lautmalender Ursprung nahe, s. Schwyzer 307 m. Lit. Anderseits ergibt sich aus ῥίγα (d.h. ϝίγα)· σιώπα H. urspr. *σϝιγ-, das zum westgerm. Verb für ‘schweigen’ in ahd. swīgēn am nächsten stimmt (nur der Guttural weicht genetisch ab); zum Anlaut vgl. die Dublette ὗς : σῦς. Weitere Formen m. Lit. und hypothetischen Anknüpfungen bei Bq, WP. 2, 534, Pok. 1052. — Vgl. σιωπάω, -ή. Zu den idg. Ausdrücken für ‘schweigen’ Porzig Gliederung 107. Adv. ‘schweigend, im Stillen’, auch Interj. ‘stille!, husch!’ (Trag.). Daneben σιγάω (Hom. nur Ipv. σίγα; Ind. seit h. Merc.), Fut. σιγήσομαι (S., E., Ar. u. a.), -ήσω (AP, D. Chr. u. a.), Perf. σεσίγηκα (Aeschin.), Pass. σιγ-άομαι (S.), Aor. -θῆναι (Hdt., E.), -ᾱθῆναι (Theok.), Fut. -ηθήσομαι (E.), Perf. σεσίγ-ημαι, dor. -ᾱμαι (Pi., E.), vereinzelt mit κατα- u. a., ’schweigen, verschweigen’, Pass. ‘verschwiegen werden’. Subst. σιγή, dor. -ά (Pi.) f. ‘Schweigen, Verschwiegenheit’ (seit Il.; Hom. nur σιγῇ; vgl. unten); sp. Neubildung σῖγος n. ‘ds.’ (An. Ox.; vgl. Schwyzer 512). — Ableitungen. 1. Von σιγή : σιγ-αλέος ‘schweigsam’ (AP, Orph.), -άζω (Pi., X., D.C. u.a.; κατα- ~ Arist. u.a.) ‘zum Schweigen bringen’; κατασιγαίνει H. zu πραΰνει. 2. Von σιγάω : σιγ-ηλός, dor. (Pi.) -ᾱλός ‘schweigsam’ (Hp., S., Arist. usw.; kann auch von σιγή ausgehen, Thieme Studien 50 A. 3), -ηρός ‘ds.’ (Men., LXX u. a.), -ητής m. ‘Schweiger’ (Latium IIp), -ητικός ‘schweigsam’ (Hp.), -ημονᾷς· σιγᾷς H. — Zum unklaren σιγ-άρνης m. (Kall. Epigr. 45, 6) s. Schwyzer RhM 75, 447 u. 77, 105. II-700-701
σῑγαλόεις ep. Beiwort von ἡνία, χιτών, εἵματα, θρόνος u. a., etwa ‘glänzend, schimmernd’ (Hom.), später von ἀμύγδαλα, μνία (Hermipp., Numen. ap. Ath.). Daneben νεο-σίγαλος ‘mit neuem Glanz’ (τρόπος; Pi.), das zu σιγαλόεις nach Muster von παιπαλόεις : πολυ-παίπαλος u. a. gebildet worden sein kann (Leumann Hom. Wörter 214 A. 8). Denom. Verb σιγαλόω ‘glätten, polieren’ (Apollon. Lex. s. σιγαλόεντα, Sch. Pi.); σιγάλωμα n. ‘Poliergerät eines Schusters’ (Apollon. ebd., H. s. σιγαλόεν), auch ‘Kante, Borte eines Fells’ (H.: τὰ περιαπτόμενα ταῖς ᾤαις); daneben mit Wegfall des γ (Schwyzer 209) σιάλωμα ‘Eisenbeschlag des röm. Langschildes’ (Plb. 6, 23, 4; H.). Das ep. Adj. reiht sich an die ebenfalls epischen αἰθαλόεις, ὀμφαλόεις u. a. Der technische Ausdruck σιγάλωμα, der stilistisch einer ganz anderen Gattung angehört und sich im Gegensatz zu νεο-σίγαλος nicht aus σιγαλόεις erklären läßt, kann von σιγαλόω (wenn keine Grammatikerkonstruktion) abgeleitet aber auch aus einem Subst. *σίγαλος erweitert sein (vgl. z.B. ἀέτωμα zu ἀετός). — Etymologisch dunkel. Nach Brugmann IF 39, 143 f. zu γελεῖν· λάμπειν u. Verw. (s. γαλήνη) mit verstärkendem σῐ- (s. Σίσυφος; σῑ- metr. Dehnung); eine abweichende Vermutung über σι- bei Hofmann Et. Wb. s. v. Anders Bechtel Lex. s. v.; von Brugmann a. O. mit Recht abgelehnt. Nach v. Windekens Et. Pélasg. 106 f. (wo auch weitere Lit.) pelasgisch. Ältere Versuche bei Bq. II-701-702
σιγαλφοί — σίγιον· εἶδος τέττιγος Sch. Ar. Av. 1095. · οἱ ἄφωνοι καὶ οἱ ἄγριοι τέττιγες H. — Wohl mit den Alten (Plin. HN 11, 92) zu σιγή, wegen der Stummheit gewisser Arten (Thierfelder briefl.). Nach Strömberg Wortstud. 18 dagegen zu σίζω ‘zischen’; zustimmend Gil Fernández Nombres de insectos 126. — Die Lesung σιγαλφοί der Hs. ist trotz Specht Ursprung 266 mehr als ungewiß; Schmidts Änderung in -αλοί wird durch die Erklärung οἱ ἄφωνοι glaubhaft gemacht. II-702
σίγλος (att. Inschr. Ende IVa, X. u.a.), σίκλος (LXX, J.) m. Gewicht und Münze (bei X. = 7 1/2 att. Obolen), ‘Sekel’, auch als Ohrgehänge gebraucht (u. a. in σιγλο-φόρος Kom. Adesp. 792); in dieser Bed. auch σίγλαι f. pl. (PMasp. VIp, Poll.). — Aus dem Semit.; vgl. hebr. šekel u.a. (E. Masson Recherches 34ff.). Lat. LW siclus. II-702
σίγμα (-ῖ-) n. indekl. Buchstabenname (Pl., Arist. u.a.); σιγμ(ατ)ο-ειδής ‘sigmaförmig’ (sp.), σιγματίζω ’Σ. schreiben’ (Eust.). — Ohne einleuchtendes semit. Vorbild (hebr. sāmæch liegt recht fern); somit Verbalnomen zu σίζω ‘zischen’ (Schwyzer KZ 58, 186ff. mit Robert)? II-702
σιγύ̄ν(ν)ης (Hdt. 5, 9, Opp.), -ος (A. R., AP) -ον n. (Arist. Po. 1457 b 6, AP), -υμνον (Lyk.; Dat. -ύμνῳ; nach βέλεμνον?) m., ‘Jagd-, Wurfspieß’. — Nach Hdt. u. Arist. ll. cc. kyprisch; nach einem. Sch. zu A. R. 4, 320 dagegen skythisch. Der lautliche Zusammenfall mit dem iranischen (skythischen?) Volksnamen Σιγύνναι, -οι, -ιννοι (Hdt., A. R., Str.; jenseits der mittleren Donau) ist kaum zufällig. Laut Hdt. nannten die Ligyer in der Nähe von Massilia Kleinhändler (κάπηλοι) σιγύνναι, offenbar nach dem Volk; vgl. Dunăreanu-Vulpe bei Bonfante BSL 37, 78 und Kretschmer Glotta 27, 245. —Vgl. σιβύνη (wohl damit nicht verwandt). II-702
σῐ́δη (Emp., Hp., Thphr.; Nik. auch ῑ [metr. Dehnung), -α (böot.; Schwyzer 30), -έαι pl. (Halaesa; nach συκέαι u.a.), σίβδη (Kall., H.) f. ‘Granatapfel(baum)’; auch N. einer böot. Wasserpflanze = νυμφαία (Thphr., Nik.); ξίμβαι· ῥοιαί. Αἰολεῖς H. Davon σῐ́δ-ιον n. ‘Granatapfelschale’ (Hp., Ar., Thphr. u. a., σίλβια· σίδια H.) mit -ιο-ειδής ’σίδιον-ähnlich’ (Hp.), -ιωτόν n. ‘aus σ. hergestellte Arznei’ (Paul. Aeg.), -όεις (Nik.), -ειος (Hdn. Gr.) ‘vom Granatapfelbaum’; Σῐδ-οῦς, -οῦντος (X. u. a.), -όεις, -όεντος (Euph. u. a.) m. Ort in der Nähe von Korinth. — Unerklärtes Fremdwort; vgl. ON, z. B. Σίδη, Σίδυμα; auch alb. shegë ‘Granatapfel’ u. a. m. bei Bq und Schrader-Nehring Reallex. 1, 408m. Lit. S. auch zu σίδηρος. Zu den Nebenformen σίβδη und ξίμβαι noch Brandenstein Minoica 80 ff. m. Lit. Vgl. zu σίδηρος. II-702-703
σῐ́δηρος, dor. -ᾱρος m. (f. Nik. Th. 923) ‘Eisen, Stahl’, auch ‘eisernes Gerät, Schwert, eiserne Waffen usw.’, übertr. ‘(eiserne) Härte’ (seit Il.). Mehrere Kompp., z.B. σιδηρό-φρων ‘eisernen Sinnes’ (A., E.), σιδηρο-κόντρα f. ‘Jagdspieß’ (Gortyn, Sagalassos; Zingerle Glotta 19, 80ff.), ὁλο-σίδηρος ‘ganz aus Eisen’ (Attika, Delos u. a.). Viele Ableitungen (dor. Formen nicht besonders angegeben): Subst. 1. σιδήρ-ιον n. ‘Eisengerät’ (ion. att., kret.); 2. -ίσκος m. Bez. eines mediz. Instruments (Kreta V—IVa; wie ὀβελίσκος u. a.; Chantraine Form. 408); 3. -εῖα, -εῖον n. ‘Eisenbergwerk’ (Arist., Delos usw.); 4. -εύς m. ‘Eisenschmied’ (X. u.a.; Bosshardt 56); 5. -ίτης m., -ῖτις f. ‘aus Eisen, eisern’ (Pi., Eup. u. a.), auch N. eines Steins (Plin., Orph. u. a.) und verschiedener Pflanzen, "Eisenkraut" (J., Dsk. u. a.; weil Stichwunden heilend, s. Strömberg Pfl.namen 89, Redard 61, 76 usw. [s. Index]). Adj. 6. -ε(ι)ος, -οῦς, -ιος ‘eisern’ (seit Il.); 7. -ήεις ‘ds.’ (Nik.), -όεις (EM), -εόεις (Ep.Alex.Adesp.); 8. -ώδης ‘ds.’ (Sch.). Verba; 9. -όομαι, -όω ‘mit E. versehen (werden)’ (Th., Inschr. usw.) mit -ωσις f. ‘Eisenarbeit’ (att. Inschr. u. a.), -ώματα n. pl. ‘Eisenbeschläge’ (Pap. Vp), -ωτός ‘mit E. beschlagen’ (Edict. Diocl.); 10. -εύω ‘in E. arbeiten, schmieden’ (Poll.) mit -εία f. ‘Eisenarbeit’ (X.); 11. -ίζω ‘dem E. ähneln, E. enthalten’ (Mediz.). — Unerklärt. Da das Eisen und die Eisenbereitung zu den Griechen allem Anschein nach aus Vorderasien, dem Pontusund Kaukasusgebiet gelangt sind, ist wahrscheinlich auch das Wort denselben Weg gewandert. Die Ähnlichkeit mit kaukas. (udisch) zido ‘Eisen’ ist somit vielleicht nicht zufällig; dabei könnte indessen auch zido aus σίδηρος entlehnt sein. — Die alte Verbindung mit lat. sīdus ‘Gestirn’ (Pott) hat A. W. Persson (s. Kretschmer Glotta 26, 64) neu zu begründen versucht durch die Annahme, daß sich σίδηρος ursprünglich auf das Meteoreisen bezogen hätte. Noch anders Deroy Ant. class. 31, 98 ff. (mit weiteren sehr kühnen Kombinationen): eig. "das rote Metall" und mit σίδη ‘Granatapfel’ aus vorgr. *sida ‘rot’. Auch Crepajac KZ 80, 249ff. glaubt an Zusammenhang mit σίδη, aber als illyr. LW (idg. su̯eid-’glänzen, rot sein’). — Weitere Lit. zu σίδηρος und zu den übrigen idg. Wörtern für ‘Eisen’ bei Schrader-Nehring Reallex. 1, 234ff. II-703-704
σίζω nur Präs.stamm sicher (σίξα Theok. 6, 29 coni.; ἐπισίξῃ Ar. V. 704 v. l. neben -σίζῃ) ‘zischen’ (ι 394, Kom., Arist.). (ganz vereinzelt m. ἐπι-, δια-) Davon σιγμός m. (Arist., Phld., Plu. u. a.), σισμός m. (Suid.), σίξις f. (Arist.) ‘das Zischen’; auch σίγμα (s. d.)? — Lautmalend wie lat. sibilō u.a.m.; s. W.-Hofmann s.v., WP. 2, 517f., Pok. 1040f. Zu σίζω bes. Schwyzer KZ 58, 186ff. II-704
σίκιν(ν)ις, -ιδος f. ‘Tanz der Satyrn’ s. κηκίς, κηκίω. II-704
σικύα, ion. -ύη (σεκούα H.) f. ‘Flaschenkürbis, Lagenaria vul- garis’ (Hp., Arist., Thphr. usw.), übertr. ‘Schröpfkopf’ (Hp., Kom., Pl. usw.) mit -υάζω ‘schröpfen’ (Arr.), wozu -ύασις, -υασ-μός (sp.). Als Vorderglied in σικυ-ήλατον n. ‘Kürbis-(Gurken-, Melonen-)beet’ (Hp.; -ήρατον Pap.); zu ἐλαύνω (bzw. mit ρ für λ; Schwyzer 213 m. Lit.). Daneben σίκυος (σικυός) m. ‘Gurke od. Melone, Cueumis (sativus)’ (Hp., Kom., Arist. usw.), auch σίκυς f. ‘ds.’ (Alk., Dsk., Gal.). — Davon: Demin. σικύ-διον n. (Phryn. Kom., Pap. II — IIIp); -ώδης ‘gurkenähnlich usw.’ (Hp., Thphr.), -ηδόν ‘wie eine Gurke’ (Mediz.), -ών m. ‘Gurkenbeet’, -ώνη f. = σίκυος ἄγριος, auch ‘Schröpfkopf’ (Hdt.; wie κροτώνη u. a.), -ωνία f. = κολοκύνθη (Hp., Plu.). Auch Σικυών (Σεκυ-), -ῶνος m. f. "Gurkenstadt", Stadt unweit Korinth (seit Il.) mit -ώνιος, -ωνικός. — Zu σίκυς vgl. ῥάφυς, κάχρυς u. andere Pfl.namen; σικύα wie οἰσύα, ὀστρύα usw.; vgl. noch Heubeck Praegraeca 37. In dem Wechsel σικ- ~ σεκ- will Specht KZ 61, 277ff. (s. auch Kretschmer Glotta 26, 57) zwei verschiedene Dissimilationsprodukte von urspr. *σύκυς sehen, was sich wegen des dunklen Ursprungs des Wortes (trotz slav. tyky) weder beweisen noch widerlegen läßt. Die partielle Übereinstimmung mit κύκυον· τὸν σικυόν, κυκύϊζα· γλυκεῖα κολόκυντα H., mit lat. cucumis ‘Gurke’ ebenso wie mit slav., z.B. aruss. tyky ‘Kürbis’, wozu noch sem., z.B. hebr. qiššu’ā ‘Gurke’, ist schon längst beobachtet worden, aber eine überzeugende Etymologie steht noch aus. Jedenfalls altes LW; Quelle unbekannt. Ausführliche Lit. bei W.-Hofmann s. cucumis und Vasmer s. týkva; dazu noch Schrader-Nehring Reallex. 1, 652 ff. Neue Hypothese von Deroy Rev. int. d’onom. 12, 23f.: vorgr., aus kuin κυέω und verstärkendem se-, si- (ähnlich mit idg. Mitteln Brugmann IF 39, 140 ff.). Pelasgische Erklärung von Carnoy Ant. class. 24, 23. II-704
σικχός ‘Ekel empfindend, wählerisch, bes. im Essen’ (Arist., Plu., Ath.), ἄ-σικχος ‘im Essen nicht wählerisch, Überdruß nicht hervorrufend’ (Plu.; Frisk Adj. priv. 16). Davon σίκχ-ος n. ‘Ekel, Überdruß’ (Sm.; wie μάκρος n. von μακρός u.a.; Schwyzer 512). -ότης f. ‘ds.’ (Eust.), -αίνω, -αίνομαι ‘Ekel, Überdruß empfinden, verabscheuen’ (Kall., Plb., Arr. u. a.) mit -αντός ‘Ekel erregend’ (M. Ant.), -ασία, -ασμός (Gloss.). Auch σικχαζόμενος· σκωπτόμενος H. — Volkstümliches Wort mit expressiver Geminata und Aspirata (Schwyzer 316); Herkunft unklar. Hypothesen von Solmsen IF 30, 6 f.: zu σιμός, σίλλος (s. dd.); von Schwyzer KZ 58, 205: lautmalend (?). — Vgl. noch WP. 2, 519 und W.-Hofmann s. taedet. II-704-705
σίλβη · εἶδος πέμματος <ἐκ> κριθῆς, σησάμης καὶ μήκωνος H. — Erinnert auffallend an heth. šiluḫa- ‘eine Gebäcksorte’ (Neumann Heth. u. luw. Sprachgut 98). II-705
Σῑληνός, dor. Σῑλανός m. ‘Silen’, oft im Plur. als Bez. mythischer Naturwesen, die als Gefährten der Nymphen und des Dionysos auftreten und wie die Kentauren mit pferdeartigen Zügen dargestellt werden (seit h.Ven. 262). Davon σιλην-ώδης ‘silenenhaft’, -ικός ‘auf die S. bezüglich’ (Pl. Smp.; Chantraine Études 150). PN Σιλην-ός (-ᾱν-ός), -ίων. — Wie das gattungsverwandte σάτυρος (s. d. m. Lit.) etymologisch dunkel. Kretschmer Glotta 2, 398 erinnert an ein thrak. Wort für ‘Wein’, ζίλαι, ζειλα, ζελᾶς, ζήλας (H., Phot., Choerob., Hdn.; s. Lagercrantz IF 25, 363ff.). Anders Solmsen und Lagercrantz, s. Kretschmer Glotta 4, 351ff. (ablehnend). Nicht besser Pisani Stud. itfilcl. N.S. 11, 224f. (aus thrak. *Σιλϝᾱνος = lat. Silvānus); Grošelj Živa Ant. 1, 127 f. ("der Haarige"; zu σιλλοί [cod. -έα]· τρίχωμα H.). — Zur Bildung auch Detschew KZ 63, 229; zur Bed. noch Brommer Phil. 94, 222ff. II-705
σιληπορδέω, dor. σιλᾱ-, Aor. -ῆσαι vulgärer Ausdruck für eine ausgelassene und mutwillige Gebärde (Sophr. 164, Posidon. 36 J., H., Phot.); vgl. ngr. τσιληπουρδῶ = σκιρτάω, λακτίζω usw., auch = πέρδομαι; τσιληπούρδισμα ‘Gefurz der Pferde’. Davon σιληπορδία f. (Luk. Lex. 21). — Wie κερτομέω, λοιδορέω usw. schließt sich σιληπορδέω mit ebenfalls dunklem Vorderglied an den denominativen Typus βουκολέω (Schwyzer 726) an. Wegen des Inselnamens Πορδοσιλήνη liegt es nahe, an Σιληνός Anschluß zu suchen; s. Kretschmer Glotta 4, 351ff.; auch 12, 223f., 14, 231 und 18, 237f. (gegen Bogiatzides ’Αθ. 29, ’Αρχ. 68ff. und P. Maas Byz.-neugr. Jbb. 3, 79, KZ 54, 156ff.). Vgl. zu σίλλος. II-705
σίλιγνον, -ιον (σελ-) n. ‘Winterweizen’, lat. silīgō (Pap. II — VIp) mit σιλιγν(ι)-άριος m. ‘Bäcker od. Verkäufer von σ.’, auch σιλιγινάριος = lat. silīginārius (ibid.). Daneben σίλιγνις (σέλ-) f. ‘Mehl aus σ.’ (Chrysipp. Tyan., Gal. usw.) mit -ίτης (ἄρτος) ‘Brot aus σ.’ (Gal., Inschr. Ephesos I—IIp; Redard 91), -ίας m. ‘ds.’ (Eust.). — Aus lat. silīgō, -inis f. mit Umbildung nach den ο-, ιο-, bzw. ι-Stämmen; letzteres nach σεμίδᾱλις. W.-Hofmann s. v. II-705-706
σίλλος m. ‘Hohn-, Spottgedicht’ (Str., Ael., D.L. u.a.) mit σιλλο-γράφος m.. ‘Dichter von σ.’ (Ath., Jul. u. a.). Verba: σιλλ-αίνω (vereinzelt m. δια-, κατα-, ἐπι-) ‘verhöhnen, verspotten’ (Hp., Herod., Ael., Luk. u. a.), -όω (δια-) ‘ds.’ (Kom. Adesp., Gal., D.C. u. a.). — Daneben σίλλος ‘schielend’ (Luk. Lex. 3), ganz unsicher (für ἰλλός [Hemsterhuis] ?; voran geht ὃς); σιλλόω nach Phot. (aus Archipp. 52) = τοὺς ὀφθαλ-μοὺς ἠρέμα παραφέρειν; vgl. noch Güntert Reimwortbildungen 159 f.; ἀνάσιλλος ‘mit gesträubtem. Haar’ (hell. Pap. [Mayser I: 3, 198], Plu., Hdn. Gr., Poll.), vgl. ἀνάσιμος und σιλλέα· τρίχωμα H. — PN. z.B. Σίλλος, -αξ, -εύς (Bosshardt 132). — Erklärung strittig. Nach Solmsen IF 30, 1ff. mit hypokoristischer Gemination für *σῑλός (= lat. silus) neben σῑ-μός, *σῑ-χός (> σικχός), eig. ‘die Nase kräuselnd, rümpfend, stulpnasig’ = ‘Spötter’; dazu nach S. noch Σιλ-ηνός. Umgekehrt Kretschmer Glotta 4, 351ff.: σίλλος Kurzform von Σιληνός; ἀνάσιλλος "von dem gesträubten Haar, mit dem die Satyrn dargestellt zu werden pflegen"; ähnliche Kürzung auch in σιλη-πορδέω. — Vgl. σιμός und σίλουρος. II-706
σίλλυβον n. N. einer eßbaren Distel (Dsk., Ruf. ap. Orib., H.); σίλλυβα pl. ‘Troddeln, Fransen’ (Poll., H.) mit σιλλυβιᾶν (cod. σικυλλιᾶν)· τὸ τοὺς κροσσοὺς ἀποσείεσθαι H.; daraus σίλλυβος ‘Pergament- od. Papierstreifen an den Schriftrollen’ (Cic. Att.). — Unerklärt; zur Bildung vgl. einerseits Pflanzennamen wie ὄροβος, σκόλυβος, anderseits das synonyme ὄχθοι-βος, κόσυμβος u. a. meist dunkle Wörter (Chantraine Form. 261 f.). Weiteres zu σίλλυβος bei v. Windekens Ét. Pélasg. 55ff. — Vgl. σίττυβος. II-706
σίλουρος m. N. eines großen Flußfisches, wahrscheinlich ‘Wels’, auch ‘Stör’, lat. silūrus (mittl. Kom., hell. Pap., Str. usw.); σιλουρισμός m. ‘das Auftragen eines σ.’ (Diph.). — Von οὐρά ‘Schwanz’ wie μελάν-ουρος usw. (Strömberg Fischn. 48) und einem dunklen Vorderglied; nach Solmsen IF 30, 9ff. (mit Vorbehalt) *σιλός in Σιληνός, σίλλος; s. dd. und σιμός. Anders Grošelj Živa Ant. 4, 174 f.: zu σιλλέα· τρίχωμα H. mit Beziehung auf die große Afterflosse des Welses. II-706
σίλφη τίλφη (Luk.). f. N. eines Insekts, ‘Schabe, Aaskäfer’ (Arist., Gal., Ael., AP), — Ohne Etymologie; τίλφη bei Luk. kann künstlicher Attizismus sein (vgl. Schwyzer 319). Form und Bedeutung erinnern einigermaßen an σέρφος (s. d.). II-706-707
σίλφιον n. N. einer besonders aus Kyrene bekannten Pflanze, ‘Silphium’. Davon σιλφιωτός (Ar.), σεσιλφιωμένος (Philox., nicht sicher) ‘mit S. bereitet’, σιλφιόεις ‘aus S.’ (Nik.). Nebenform σέλπον· σίλφιον H. — Zusammen mit lat. sirpe ‘ds.’ LW aus unbekannter Quelle. Hypothesen bei W.-Hofmann s. v. II-707
σίμβλος -αι [H.]) m. (pl. auch -α [Opp.], ‘Bienenkorb, Bienenstock’ (Hes., Ar., Arist., Theok., A. R. u. a.). Davon σιμβλ-ήϊος, f. -ηΐς ‘zum B. gehörig’ (A. R., AP), -ιος ‘ds.’ (Dsk., Ruf. ap. Orib.; unsicher), -εύω ‘in einem Bienenkorb Schutz suchen’ (AP), -ωσις f. Bez. einer Augenkrankheit (Hippiatr.). — Unerklärt. Abzulehnen Charpentier KZ 47, 183 f. (s. Kretschmer Glotta 9, 234). Eine reiche Auswahl pelasgischer Erklärungen bei v. Windekens Ét. Pélasg. 107 f. II-707
σῑμός ‘mit eingedrückter und aufgestülpter Nase, stumpf-, plattnasig’ (Gegensatz γρυπός), ‘aufwärts gebogen, ansteigend, eingebogen, hohl’ (Gegens. κυρτός), übertr. ‘naseweis, schalkhaft’ (ion. att.), auch mit modifizierenden od. näher charakterisierenden Präfixen wie ἀνα-, ἐν-, ὑπο- (Strömberg Prefix Studies 127 u. 147). Davon 1. σιμ-ότης f. ‘Stumpfnasigkeit, Aufwärtsbeugung’ (Pl., X.); 2. -όομαι, -όω, auch m. ἀπο-, ἐπι-, ὑπο-, ‘stumpfnasig werden, (sich) aufwärts biegen, ab- biegen’ (Hp., Th., X., Arist. usw.) mit -ωσις f. ‘Stumpf- nasigkeit’ (Gal.), ἀπο- ~ ‘Abbiegen eines Schiffes vom Kurse’ (App.); -ωμα n. ‘aufwärtsgebogener Schiffsschnabel’ (Plu.); 3. -αίνω ‘die Nase aufwärts biegen’ (Kall. Iamb.); auch 4. σί-μιον· αἰγιαλός H. (von einer eigebogenen Meeresbucht). —Mit oppositivem Akz.: σῖμος m. N. eines Fisches (Opp., Ath.) mit -άριον (Pap. VI — VIIp); vgl. Strömberg Fischn. 44, Thompson Fishes s. v. — Mehrere PN : Σῖμ-ος, -ύλος, -ιχος u.a.; auch -ίας, woraus als Appellativum *σιμίας m. eig. "Plattnase", ‘Affe’ in lat. LW sīmia (Leumann Sprache 1, 206 f. = Kl. Schr. 173); vgl. καλλίας. — Ganz fraglich der Flußn. Σιμόεις, -εντος (Il. usw.); vgl. Krahe Beitr. z. Namenforsch. 2, 233 f. — Oxytonierte Adj. auf -μός sind selten (Chantraine Form. 151, Schwyzer 494); zu bemerken indessen θερμός und das sinnverwandte δοχμός, beide altererbt. Auch σιμός macht zunächst den Eindruck eines altererbten Wortes, aber eine überzeugende Etymologie fehlt. Die Verbindung mit einem germ. Wort für ‘(ein)schwinden, einsinken, abnehmen’ in ahd. swīnan, anord. svīna (Persson, z.B. Beitr. 1, 382, Brugmann Grundr.2 II: 1, 246 f.) ist, von der lautlichen Unsicherheit abgesehen, auch semantisch alles andere als schlagend; s. WP. 2, 519 (= Pok. 1041), wo σιμός als ‘eingebogen’ vielmehr zu mhd. swīmen ‘schwanken, schweben’, anord. svīma ‘schweben, umhertaumeln, in Ohnmacht fallen’ gestellt wird mit weiterem Anschluß an kelt., z.B. kymr. chwil (aus *su̯ī-lo-) ‘sich schnell drehend, wirbelnd, tummelnd’, idg. su̯ē̆i- ‘biegen, drehen, schwingen’; semantisch ebenfalls wenig treffend. Lat. LW sīmus, s. W.-Hofmann; anders Pisani Ist. Lomb. 73: 2, 27 (Mittelmeerwort, falls nicht altererbt). —Nach Solmsen IF 30, 1ff. zu σιμός auch σίλλος und σικχός, viell. noch σιρός (s. dd.). II-707-708
σίναπι ‘Senfteig, Senfpflaster’ kann in spätlat. senpecta vorliegen; s. Svennung Riv. fil. class. 95, 65 ff. Ein Komp. *σιναπο-πηκτή s. νᾶπυ. II-708
σινδών, -όνος f. ‘feines gewebtes Zeug, feine Leinwand, daraus verfertigtes Gewand, Tuch usw.’ (Hdt., Th., Trag., hell. u. sp.; zur Bed. Blinzler Phil. 99, 160f.). Als Vorderglied u. a. in σινδονο-φόρος m. ‘Träger einer σ.’ (Delos, Tegea). Davon σινδόν-ιον n. ‘Gewand usw. aus σ.’ (hell. u. sp.), -ίσκος m. Demin. (Samos IVa), -ίτης, dor. -ίτας m. ‘Träger einer σ.’ (Str.), ‘Gewand aus σ.’ (hell. u. sp.), auch attribut. (τελαμών, χιτών [Poll., Phot.]), Redard 114; -ιάζω ‘in σ. einhüllen’ (Pap.). — Semit. (phönik.?) LW. Lewy Fremdw. 84f. vergleicht mit früheren hebr. sādīn ‘leinenes Unterkleid, Art Hemd’, wozu bei Schrader-Nehring Reallex. 1, 326 noch assyr. sadinnu; des weiteren E. Masson Recherches 25 f. m. Lit. — Aus dem Griech. lat. sindon; mlat. cendalum mit ital. zendale, nhd. Zindel ‘Art Taft’. II-708
σινίον · κόσκινον H. (= σεννίον PRyl. 139, 9 Ip?). Davon Aor. σινιάσαι ‘sieben, sichten’ (Ev. Luk. 22, 31, H., Phot., EM, Suid., Gloss.) mit σινί-ασμα n. = ῥυπαρία τοῦ σίτου (Gloss.), *ατήριον· κόσκινον H. Auch σείνιος τόπος ‘Sieb-, Worfelraum’ (Pap. IVp) ? — Isoliert. Verbindung mit σήθω, σάω, διαττάω (s. dd.) scheint nicht möglich (wenn nicht itazistisch für *σηνίον mit G. Meyer Alban. Stud. 3, 42 f.). II-708
σίνομαι (Hdt., Hp. auch -έομαι), sehr selten im Aor.: ἐσίναντο (Hdt.), ἐπεσίνατο (Nik.), προσίναντες· βλάψαντες H., ‘rauben, ausplündern, verwüsten, beschädigen’ (ep. seit Od., Sapph., ion., X., hell. u. sp., auch Argos, Kreta, Herakleia; dem Att. im ganzen fremd). Davon 1. σίνος n. ‘Beschädigung, Schaden, Unheil’ (ion., A., Arist. u. a.) mit ἀ-σινής ‘unbeschädigt, unschädlich’ (λ 110, Sapph., ion., A., Pl., X., hell. u. sp.), Gegensatz ἐπι-σινής (Thphr. u. a.). 2. σίντης m. ‘Verwüster, Räuber’, meist von Raubtieren, ‘Dieb’ (Il., hell. u. sp. Epik); σίντωρ m. ‘ds.’ (Kreta IVa, AP; Fraenkel Nom. ag. 1, 123 u. 131); unsicher Σίντιες m. pl. N. der älteren Bevölkerung in Lemnos (Hom. u.a.), nach Kretschmer Glotta 30, 117 eig. "die Räuber" und von den thrakischen Σιντοί zu unterscheiden; anders v. Windekens Ét. Pélasg. 135ff. (m. Lit.). 3. Σίνις, -ιδος m. N. eines mythischen Räubers (B., E., X. u. a.), auch appellativisch ‘Räuber, Verwüster’ (A. Ag. 217 [allgemein in ἶνις geändert], Kall., Lyk.). 4. σιναρός ‘beschädigt’ (Hp., wie ῥυπαρός u. a.). 5. σινότης f. ‘Schaden, Fehler’ (Gloss.). 6. ἐπισίνιος· ἐπίβουλος H. 7. σινόω (προ- ~) = σίνομαι (Man., Vett. Val. u. a.) mit σινωτικός ‘schädlich’ (sp.). 8. σίνδρων = πονηρός (Phot.), auch ‘von einem Sklaven geborener Sklave’ (Seleukos ap. Ath.), auch als PN; vgl. Masson zu Hipponax 121 m. A. 3; Gen. pl. σινδρῶν· πονηρῶν, βλαπτικῶν H. ausnahmsweise mit ἐπι-, κατα-, προ-,Als Vorderglied in σιν-όδων, -όδους, -οντος m. N. eines Fisches (Arist., Dorio u. a.), volksetymologisch für συν- ~ (s. Strömberg 45). Unklar dagegen σινάμωρος etwa ‘schädlich, ver- derblich, boshaft, mutwillig, naschhaft, lüstern’ mit -ία, -έω, -ευμα (ion., Kom., Arist. u. a.); wegen der Kürze des ι nicht zum Verb, sondern zum Nomen σίνος; das Endstück paßt schlecht zu μωρός, vielleicht besser zu ἐγχεσί-μωρος, wenn als ‘speerfreudig’ aufgefaßt (vgl. Leumann Hom. Wörter 272 A. 18). — Das Präsens σίνομαι (sekund. -έομαι; vgl. Schwyzer 721) mit durchgeführter Länge des ι (zum unklaren σίνονται Sapph. 26, 4 s. Hamm Gramm. ̨ 217a) läßt sich am ehesten als Jotbildung *σίν-ι̯ομαι auffassen (Schwyzer 694). Wenn altererbt, muß σίνομαι wie κλίνω, κρίνω auch ein präsensbildendes ν enthalten, das sich nicht nur zu den sporadischen Aoristformen sondern auch zu den eingebürgerten Nomina σίνος, σίντης u. a. verbreitet hätte. — Nicht sicher erklärt. Urgr. *τϝι-ν- kann an und für sich bei σής (wenn aus *τϝη[ι̯]-ς) und bei germ. þwi- in ags. þwīnan ‘weich werden, einschwinden’ u. a. (Wood Mod. Phil. 5, 268) Anschluß finden; von der semantischen Mehrdeutigkeit der betreffenden Wörter abgesehen, öffnen sich indessen sowohl für σής wie für þwīnan auch andere Möglichkeiten, s. zu σής und WP. 1, 702 f. (Pok. 1054) m. Lit. Abzulehnende Erklärungen von σίνομαι auch bei W.-Hofmann s. sine und sonium; ältere Lit. bei Bq und Lidén IF 19, 351 m. A. 2. — Vgl. σιφλός. II-708-709
σίνων -ωνος (v. l. σίσων) m. ‘Steinpimpinelle, Sisum amomum’, nach Dsk. 3, 55 in Syrien heimisch; vgl. André Lexique s. sinōn (Dsk., Plin. u. a.); ~ ἄγριος = πευκέδανον (Ps.-Dsk.). — Unerklärt. — σίον n. N. verschiedener Sumpf- oder Wiesenpflanzen, ‘Sium’ (Speus. ap. Ath., Theok., Dsk.), auch mit σισύμβριον und ἄνησσον identifiziert (Dsk., Ps.-Dsk.). — Unerklärt. Hypothese von Carnoy REGr. 71, 99. II-709-710
σιπύη (-ύα) συπύη (Pap. IIIa), σιπυΐς f. (Hp.) f. (Kom., AP, Poll.), ‘Behälter zum Aufbewahren von Mehl und Brot’; auch ἰπύα (H.). — Sem. LW (hebr. sap usw.); E. Masson Recherches 44f. m. Lit. Nach Neumann Glotta 37, 109f. (vgl. Heubeck Praegraeca 36f.) zur minoischen (Linear A) Gefäßbezeichnung su-pu. — Ob σίφνις ‘ds.’ (Poll., H.) damit überhaupt verwandt ist, bleibt fraglich (vgl. zu σιφλός); jedenfalls liegt kein idg. Wechsel p ~ ph (Specht Ursprung 260) vor. II-710
σιρός (Quantität schwankend, meist Kürze, später auch σειρός) m. ‘Getreidegrube, Silo’ (att. Inschr. Va, S. Fr., E. Fr., D., hell. u. sp.), auch (übertr.) ‘Fallgrube’ (Longus) und = δεσμω-τήριον (H.; s. zu κέραμος); σιρο-μάστης m. "Grubensucher", ‘Sonde, Visierstab’ (Ph. Bel., LXX u. a.). — Technisches Wort ohne Etymologie. Vermutung von Solmsen IF 30, 11 und Persson Eranos 20, 80ff.: eig. "Einbiegung, Einsenkung" zu σῑμός (s. d.) usw.; wenig befriedigend. — Hierher auch σίραιον n. (-ος οἶνος) ‘eingekochter Most’ (Kom. u.a.)? II-710
σίσαρον n. ‘Pastinaca sativa’ (Epich., Diokl. Fr., Dsk. u.a.); -ιον n. Bez. eines weiblichen Schmucks (Kom. nach Poll. 5, 101, H., Phot.). — Erinnert an ἄσαρον, ἀρίσαρον (s. dd.), ἡδύσαρον; vgl. Strömberg Pflanzennamen 157 f., der darin eine Reduplikation von σάρον bei Kall. Del. 225 sehen will, das indessen nicht mit S. für ‘Tang’ steht, sondern wie üblich ‘Kehricht’ heißt, hier als herabsetzende Benennung einer Insel. W.-Hofmann s. siser vergleicht σάρι n. (Thphr.), N. einer Binsenart. II-710
σισύμβριον — σισυρίγχιον n. ‘Berbernuß, Iris sisyrinchium’ (Thphr.). n. ‘Bergamottminze, Mentha aquatica’ (Kom., Arist., Thphr., Dsk. u. a.), ‘Brunnenkresse, Nasturtium officinale’ (Dsk., Plin.); übertr. als Bez. eines weiblichen Schmucks (Kom. nach Poll.). Rückbildung σίσυμβρ-ον n. (Nik., AP); Adj. -ινος ‘aus σ.’ (Antiph., Thphr.). — Unklar. Willkürliche Vermutungen von Strömberg Pfl.namen 158 A. 1: Reduplikationsbildungen zu θύμβρα (mit dialektalem Übergang θ > σ) bzw. zu σῦριγξ (mit χ-Suffix). II-710
σισύρα (Ar.), σίσυρ-να (-νη; Solmsen Wortforsch. 259), -νος m. H., auch -ος und σίσυς (H.) f. ‘dicker, zottiger Rock (aus Ziegenfell), Flausrock’. Einige Kompp. und Abl., z.B. σισυρνο-φόρος ‘Träger einer σ.’ (Hdt.; von den iranischen Πάκτυες), σισυρ-ωτός ‘zu einer σ. bearbeitet’ (Athen IVa), -νώδης ’σ.-ähnlich’ (S. Fr. 413). — Fremdwort unbek. Herkunft (vgl. Schrader-Nehring Reallex. 2, 156). Pelasgische Erklärungen bei v. Windekens Ét. Pélasg. 57 ff. Vgl. σίττυβος. II-710-711
Σῑ́συφος m. Sohn des Aiolos, der listigste der Männer, besonders als einer der Büßer der Unterwelt bekannt (seit Il.). Davon Σισυφ-ία χθών = Korinth (Epigr. ap. Paus.), auch -ὶς ἀκτή, αἶα (Theok., AP), -ειος ‘zu S. gehörig’ (E.), -ειον n. ‘Sisyphostempel’ (D. S., Str.); -ίζω ‘wie S. handeln’ (Phryn. PS). — Oft mit σοφός verbunden, was sich gewiß hören läßt. Dabei wird das Vorderglied verschieden gedeutet: verstärkendes idg. *tu̯i- (Brugmann IF 39, 140ff.; vgl. zu σιγαλόεις); intensive Reduplikation (Carnoy Le Muséon 67, 362; pelasgisch); vgl. σέσυφος· πανοῦργος H. Abzulehnen E. Maaß Byz.-neugr. Jbb. 5, 172ff.; vgl. Kretschmer Glotta 17, 264. II-711
σῖτος pl. σῖτα n.; myk. si-to. m., ‘Getreide, bes. Weizen, Brot, Speise’ (seit Il.; zur Bed. Moritz Class Quart. N. S. 5, 135ff.); Zahllose Kompp., z.B. σιτ-αγωγός ‘Getreide zuführend’ (Hdt., Th. u.a.; Chantraine Études 91); σιτ-ηρέσιον n. ‘Getreideversorgung, (Geld zum) Verproviantieren, Sold’ (X., D., hell. u. sp.), wohl mit Unterdrückung des Zwischenglieds für -σιτ-ὑπ-ηρέσιον zu τὸν σῖτον (τὰ σιτία) ὑπηρετεῖν (etwas abweichend Fraenkel Nom. ag. 1, 190); σύσ-σιτος m. ‘der Mitspeisende, Tischgenosse’ (Thgn. usw.) mit συσσίτ-ια pl., -ία, -ικός, -έω, -ησις. Viele Ableitungen: Subst. 1. σιτία pl. (selten -ίον sg.) n. ‘Brot, Kost, Proviant’, vereinzelt ‘Korn’ (ion. att. Prosa, Kom.); 2. Demin. σιτ-άριον n. ‘Getreide, Brot’ (Hp., Pap.); 3. -ανίας (πυρός) m. ‘Art Weizen’ (Thphr.; neben κριθανίας [s. κριθή]; von Kroll AmJPh. 60, 107 angezweifelt); 4. -ώματα pl. ‘Proviant’ (Pap. IIp; -ώματα erweiternd nach Chantraine Form. 186f.); 5. -ών, -ῶνος m. ‘Getreidespeicher, -feld’ (Roussel Mél. Navarre 375 ff.; Plu. u. a.); 6. -ώ f. Bein. der Demeter (hell. u. sp.). Adj. 7. σιτ-ηρός (Hp., Arist. usw.); 8. -ικός (hell. u. sp.); 9. -ινος (sp.) ‘das Getreide betreffend’; 10. -αῖα pl. n. ‘Kornzins’ (Olymos); 11. -ώδης ‘getreideartig’, τὰ σιτώδη ‘Getreide’ (Thphr. usw.). Verba 12. σιτ-έομαι, auch m. κατα- u. a., ‘speisen’ (seit ω 209 [σιτέσκοντο]) mit -ησις f. ‘(öffentliche) Speisung’ (ion. att.); 13. -εύω, -εύομαι ‘füttern, speisen’ (Hdt., hell. u. sp.) mit -ευτός (X. usw.), -ευσις, -εύσιμος, -ευτής, -εία (hell. u.sp.); 14. -ίζω, -ίζομαι, oft m. ἐπι-, ‘ds.’ mit ἐπι- ~ ισμός ‘Verproviantierung’ (X., D. usw.). — Im Gegensatz zu πυρός und κριθή ohne überzeugende Etymologie. Oft als LW aus einer anderen idg. Sprache erklärt: 1. zu slav., z.B. russ. žíto ‘Getreide’, apreuß. geits ‘Brot’ (Wiedemann BB 27, 213 A.); 2. zum germ. Wort für ‘Weizen’, got. hvaiteis usw., u. zw. a. aus einer nördlichen Satemsprache (G. Meyer Alban. Stud. 3, 51 A. 2); b. aus dem Pelasgischen (Georgiev u. a.; s. Merlingen Das "Vorgriechische" 21; Carnoy Ant. class. 24, 23). Anders Hubschmid Sardische Stud. (Bern 1953) 104: wie ἄρτος Substratwort, zu bask. zitu ‘Getreide, Ernte’; Schott Festschr. Hirt 2, 47 (mit Hemmel bei Lewy Fremdw. 81 A.): zu sumer. zid ‘Mehl’; Maccarrone Arch. glottol. it. 31, 103ff.: aus ägypt. sw.t ‘Getreide, Korn’ (urspr. semit.). — Nicht zu ψίω ‘zermalmen, zerkauen’, ψίξ ‘Bröckchen’ (Prellwitz, Fick BB 28, 108). II-711-712
σίττα auch ψίττα (Sch.); ähnlich ψύττα (E. Kyk. 49, Luk., AP). Zuruf der Hirten (Theok.), — Elementare Interjektion, s. Schwyzer KZ 58, 170ff., Kretschmer Glotta 21, 172. II-712
σίττη dial. auch ἵττα, ἵπτα (H.). f. ‘Art Specht oder Baumkletterer’ (Arist., Kall. u.a.); — Ohne Zweifel lautnachahmend, s. Thompson Birds s. v. mit wichtigen Einzelheiten. II-712
σίττυβος m. Ben. eines κάκκαβος-ähnlichen Kessels (Antiph. 182, 7). Daneben σίττυβον, -α, -αι als Ausdrücke für ‘Haut. Leder, Lederriemen, Lederjacke’ (H., Poll., Phot., Hdn. Gr.). Auch σίσυβοι = κροσσοί, ἱμάντες, θύσανοι (Phot., Eust.); in derselben Bed. auch σίλλυβα (s. d.), wohl durch Kontamination. — Von einer ursprünglichen Bed. ‘lederner Schlauch, Sack’ ausgehend, woraus ‘Kessel, Topf’, will Grošelj Živa Ant. 5, 230 die obigen Wörter auf ein Wort für ‘Ziege’ zurückführen, das in ngr. dial. σίτα erhalten wäre und das er mit Schwyzer KZ 58, 204 aus der Interjektion σίττα zu erklären geneigt ist. Hierher zieht er noch nicht nur σίσυς und σισύρα (s. d.), sondern auch, nach dem Geruch, σίσυνον· τὸν ὀξίνην οἶνον und den Pfl.namen σισύμβριον(?). — Ähnliche Kombinationen bei v. Windekens Ét. Pélasg. 57 ff., wo auch σίλλυβος einbezogen wird und das ganze als pelasgische Vertretung der Wz. sēi- ‘binden’ (s. ἱμάς) seine Erklärung erhält. II-712
σίφαρος (σεί-) m. ‘Topp-, Bramsegel’ (Arr.), ‘Vorhang im Theater’ (Ephesos). — Technisches Wort ohne Etymologie. Abzulehnen Brugmann IF 39, 144: verstärkendes σι- (s. Σίσυφος) und φᾶρος, φάρος ‘gewebtes Zeug, Tuch, Gewand’. Hommel (briefl.) denkt an sem. šaperīr, assyr. šuparraru ‘ausbreiten’. — Lat. LW sīp(h)arum, -rium; vgl. W.-Hofmann s. supparum. II-712
σιφλός Adj., von physischen und psychischen Gebrechen, etwa ‘verkrüppelt, lahm’ (πόδα σιφλός A. R.), ‘verblendet, töricht’ (Γλαῦκος Eleg. Alex. Adesp. 1, 2; von Fischen Opp.); auch ‘porös, hohl’ (νάρθηξ Eust.). Davon der Aor. Opt. σιφλώσειεν (Ξ 142, Fluch), die Subst. σίφλος ‘Gebrechen’ (Lyk.), -ωμα ‘Porosität, Hohlheit’ (Eust.). — Daneben σιπαλός etwa ‘verblendet, entstellt’ (Kall. Fr. anon. 106, H., Eust.); auch mit ν-Suffix σιφνός· κενός, σιφνύει· κενοῖ H., σιφνεύς m. ‘Maulwurf’ (Lyk.; Bosshardt 66); unklar σίφνις = σιπύη (s.d.). — Zu σιφλός vgl. τυφλός, χωλός u. a. m. (Chantraine Form. 238), zu σιπαλός : ἁπαλός, ἀταλός, στρεβλός usw.; zu σιφνός : στριφνός, στρυφνός, auch κενός u. a. Da expressive Adj. dieser schwankenden Bedd. beständigen Umwandlungen nach damit assoziierten Wörtern unterliegen, wäre es gewiß verfehlt, in den obigen Wechselformen den Niederschlag eines idg. Lautund Suffixwechsels zu sehen (vgl. Specht Ursprung 260). Die ν-Bildungen σιφνός, σιφνεύς, σίφνις sind schwerlich von σίφων (s. d.) zu trennen; dagegen stehen σιφλός und σιπαλός bezüglich des Stammes isoliert. Verwandtschaft mit σίνομαι (Bq) ist indessen denkbar. II-712-713
σίφων, -ωνος m. ’Röhre, bes. zum. Wasserheben, Feuerspritze, Springbrunnen, Weinheber, Siphon usw.’ (Hippon., E., hell. u. sp.), auch Pfl.name = αἰγίλωψ (Ps.-Dsk.) mit σιφωνο-λογία ‘das Ausjäten des σ.’ (Pap.). Davon σιφών-ιον n. = σίφων (H.) und -ίζω ‘den Wein mit dem Heber abzapfen’ (Ar.). — Technisches Wort wie ἄμβων, δόλων u. a. (Chantraine Form. 162). Wahrscheinlich lautmalend, s. Schwyzer KZ 58, 204f. mit balkanslav. Parallelen. Nicht zu lat. tībia mit Walde (s. W.-Hofmann s. v.). — Von σίφων wahrscheinlich nach altem Ablautmuster (Solmsen Wortforsch. 46) σιφνεύς ‘Maulwurf’ (eig. "Röhrengräber"), wohl auch σιφνός = κενός; davon beeinflußt σιφλός in der sp. belegten Bed. ‘hohl’; an alten Wechsel ν : λ (ἀγκών : ἀγκάλη) ist nicht zu denken. Vgl. σιφλός. II-713
σιωπάω, Aor. -ῆσαι (seit Il.), Fut. -ήσομαι (att.), -ήσω (Aeschin., hell. u. sp.), Perf. σεσιώπηκα, Pass. σιωπ-ηθῆναι, -ηθήσομαι (att.), ‘schweigen, verschweigen’, auch ‘zum Schweigen bringen’. auch m. κατα-, δια-, παρα- u. a., Davon σιωπ-ή f. ‘Schweigen’ (Pi., att.), sehr oft Dat. -ῇ ‘im Schweigen, stille’ (auch Hom.), -ηλός (E., Arist., Kall. usw.), -ηρός (X., AP) ‘schweigend’, -ησις f. (auch ἀπο-, παρα-, ὑπο-) ‘das Verschweigen, Verstummen’ (Rhet. u. a.). — Daneben σωπάω in διασωπάσο-μαι, σεσωπαμένον (Pi.), εὐσωπία· ἡσυχία H. — Von den weiter verbreiteten und mutmaßlich älteren σιγάω, σιγή, σῖγα nicht zu trennen; vielleicht expressive Kreuzung mit einem anderen Wort (zu lat. sōpiō usw.?; vgl. zu ὕπνος). Genetischer Zusammenhang mit germ., z.B. got. sweiban ‘aufhören, nach- lassen’ (Curtius 379 mit Fick, Persson BB 19, 265ff. u.a.; s. Bq) unter Annahme eines idg. Wechsels su̯ii̯ōp- : su̯īp- oder einer Reduplikation σι-σϝωπ- (idg. su̯ō[i]p- : su̯īp-) ist nicht glaubhaft. Zum Germ. stimmt besser σίπτα· σιώπα Μεσσάπιοι H. — Vgl. zu σῖγα m. weiterer Lit. II-713-714
σκάζω, ‘hinken’ (ep. [poet.] seit Il., auch Hdt., LXX u. sp.) auch mit ἐπι-, ὑπο-, (nur Präs. u. Ipf.) mit σκασμός m. ‘das Hinken’ (Aq.). — Seit Fick BB 6, 214 mit aind. khañjati ‘hinken’ (mind. für *skañj-?; s. Mayrhofer m. Lit.) und mit germ., dän. skank ‘hinkend, bes. von Pferden, spatlahm’, awno. skakkr ‘schief’ (urg. *skanka-) verbunden. Danehen ohne s- und mit urspr. e-Vokal germ., z.B. ahd. hinkan ‘hinken’. Da das Ausbleiben der Palatalisierung in aind. khañj-, wenn für *skañj-, am ehesten auf idg. a hindeutet, kommt für σκάζω neben der allg. angesetzten Grundform sqn̥g-i̯ō auch *sqang-i̯ō ernst in Betracht. Ein idg. a-Vokal hätte in diesem volkstümlichen Wort nichts Auffallendes. Germ. hinkan, das auch im Anlaut abweicht, wäre dann unursprünglich; s. darüber Sommer Sprachgesch. u. Wortbed. 425 ff., wo für die ganze Sippe, die sich besonders im Germ. reich entwickelt hat (Sommer a. O., WP. 2, 564f., Pok. 930), nominaler Ursprung, u. zw. eine Körperteilbenennung (’Schenkel’ o. ä.), mit Recht erwogen wird. — Vgl. σκαμβός. II-714
σκαιός 1. ‘link, westlich’ (vereinzelt [vorw. ep. poet.] seit Il.), ‘ungünstig, linkisch, ungeschickt’ (ion. att.; Chantraine Μνή-μης χάριν 1, 61 f.). Davon σκαι-ουργέω ‘unrecht handeln’ (Ar.), σκαιό-της f. ‘unschickliches Betragen, Ungeschick’ (ion. att.), -σύνα f. ‘ds.’ (S. in lyr.; Wyss -σύνη 40). — Altes Wort, mit lat. scaevus ‘link’ identisch, σκαιότης = scaevitās (voneinander unabhängig gebildet; anders Porzig Satzinhalte 268). Wie das Reimwort λαιός (s. d. m. Lit.) wurde auch σκαιός durch die Neubildungen ἀριστερός und εὐώνυμος (s. dd. m. Lit.) ersetzt. Abzulehnende weitere Kombinationen bei W.-Hofmann s. scaevus (m. Lit.); ält. Lit. auch bei Bq. II-714
σκαιός 2. ‘schattig’ s. σκιά. II-714
σκαίρω, ‘hüpfen, springen, tanzen’ (ep. seit Il.). auch m. ἀνα-, δια-, ὑπο- u. a., (nur Präs. u. Ipf.) Davon σκαρ-θμός m. ‘Sprung’ (hell. Epik), als Hinterglied u. a. in ἐύ-, πολύ-σκαρθμος ‘mit schönen, bzw. vielen Sprüngen’ (Il.; vgl. Porzig Satzinhalte 237); καρθμοί· κινήσεις H.; σκάρος n. ‘ds.’ (EM) mit ἀ-σκαρές· ἀκίνητον H.; σκαρία· παιδιά H. Auch σκάρος m. ‘Scarus cretensis, Papageifisch’ (Epich., Arist., Pap u. a.), nach den lebhaften Bewegungen (Strömberg Fischn. 52), mit σκαρῖτις f. N. eines Steins, nach der Farbe (Plin.; Redard 61). Demin. -ιον n. (Pap.). — Sekundäre Verbbildung σκαρ-ίζω ‘hüpfen, pochen, zappeln’ (Gp.) -ισμός m. (Eust., H.); auch ἀσκαρίζω (Hp., Kratin.); zu ἀ- s. ἀσπαίρω m. Lit. — Zu ἀσκαρίς und σκιρτάω s. bes.; vgl. noch σκαρδαμύσσω. — Primäres Jotpräsens ohne unmittelbare außergriech. Entsprechung. Am nächsten kommt die hochstufige Sekundärbildung ahd. scerōn ‘mutwillig, ausgelassen sein’, mhd. u. mnd. scheren ‘laufen, eilen’, nhd. sich scheren; dazu mehrere Verbalnomina im Germ. und Balt.-Slav., z.B. mnd. holt-schere ‘Eichelhäher’, ags. secge-scēre ‘Heuschrecke’, lit. skėrỹs ‘ds.’, slav., z.B. aksl skorь, russ. skóryj ‘schnell, flink’. Weitere Formen m. Lit. bei Fraenkel u. Vasmer s. vv. — Durch Abtrennung des s-, Hinzufügung verschiedener Wz.determinative (z.B. -d-) und Ansetzung einer allg. Bedeutung ‘(herum)-springen, (sich) drehen(d bewegen) usw.’ kann man die Ver- bindungsfäden beliebig weit ausdehnen; vgl. WP. 2, 566 ff., Pok. 933 ff. II-714-715
σκαλαθύρω s. σκάλλω. II-715
σκαληνός σκαλλίον n. N. eines kleinen Bechers (Philet. ap. Ath., H.). — ermutung von Bechtel Dial. 1, 125: zu anord. skalle m. ‘Hirnschale, Schädel’. s. σκάλλω. II-715
σκάλλω, nur Präs. u. Ipf. (Aor. Ipv. περίσκαλον Gp.; richtig?) ‘hacken, scharren’ (Hdt., Arist., Thphr., LXX u. a.). ganz vereinzelt m. δια- u. a. (z. T. strittig), Davon 1. σκαλ-ίς, -ίδος f. ‘Hacke’ (att. Inschr. IVa, Str., J.) mit -ιδεύω ‘hacken’ (Gloss.); 2. -σις f. ‘das Hacken’ (Thphr.); 3. -μός m. ‘ds.’ (Pap. IIIp; zu σκαλμός ‘Ruderpflock’ s. bes.); 4. -ηνός (-ηνής) ‘schroff, rauh, uneben’; von Zahlen ‘ungerade’, von Dreiecken ‘ungleichschenklig’, von Kegeln ‘schief’ (s. Mugler Dict. géom. 377; Demokr. ap. Thphr., Hp., Pl., Arist. usw.; zur Bildung vgl. γαληνός; s. auch σκολιός) mit -ηνία, -ηνόομαι (Plu.); 5. ἄ-σκαλος ‘ungehackt’ (Theok.; wohl metri c. für ἀσκάλευτος). Sekundäre Verba: 1. σκαλ-εύω, Aor. σκαλεῦσαι, auch m. ἀνα-, ἐκ-, ὑπο- u. a. ‘hacken, scharren, aufrühren’ (Hp., Ar., Arist. usw.) mit mehreren Ablegern: σκαλ-εύς m. ‘Hacken’ (X., Poll.; nicht mit Bosshardt 54 von *σκαλή), -ευσις f. ‘das Scharren’ (Aq.), -ευμα n. ‘das Aufgescharrte’ (Sch., H.), -ευθρον n. ‘Schüreisen’ (Poll.; vgl. Bechtel Dial. 1, 210), -εία f. ‘das Hacken’ (Gp. tit.). 2. σκαλ-ίζω (ἀ- ~) ‘ds.’ (Phryn.) mit -ισμός m. ‘das Hacken’ (Pap., Eun.), -ιστή-ριον n. ‘Hacke’ (Sch.). — Hierher auch σκαλίας m. ‘Fruchthülle der κάκτος’ (Thphr.); vgl. z.B. ahd. scala ‘Schale, Schote’ und Strömberg Theophrastea 166. — Als schwundstufiges Jotpräsens läßt sich σκάλλω mit lit. skiliù, Inf. skìlti ‘Feuer schlagen’ formal identifizieren: idg. *sql̥-i̯ō. Begrifflich näher kommen das neugebildete Nasalpräsens skįlù (skylù) ‘sich (ab)spalten, einen Riß bekommen’ und das hochstufige skeliù, skélti ‘spalten’, auch ‘(aus einem Stein) Feuer (ùgnį) schlagen’, welch letzteres sich auch im Germ. findet, z.B. anord. skilja ‘trennen, (unter)scheiden’. Wieder anders mnd. schelen ‘ds.’ (urg. *skelōn; Typ lat. secāre), arm. c̣elum ‘spalten’ (u-Präsens; Anlaut unklar), heth. iškallāi- ‘schlitzen, zerreißen’ (Bildung mehrdeutig; s. Kronasser Etymologie ̨ 200 f., 214). — Die griech. Ableitungen gehen alle auf ungeminiertes σκαλ- zurück, das nicht alt zu sein braucht, sondern nach σφαλ- (: σφάλλω), θαλ- (:θ άλλω) usw. eingetreten sein kann. Durch Kombination mit ἀθύρω entstand σκαλαθύρω Euphemismus für ‘futuo’ (Ar. Ek. 611) mit σκαλαθυρμάτια n. pl. ‘Lappalien’ (Ar. Nu. 630); zum Komp.typus Schwyzer 645 m. A. 1. — Zum selben Formsystem, aber von σκάλλω unabhängig, gehören noch σκαλμός ‘Ruderpflock’, σκῶλος, σκόλοψ u.a.m.; s. bes. Eine reine Scheidung von den sinnverwandten κολάπτω, κόλος, κλάω, κελεός usw. läßt sich nicht durchführen; vgl. auch σκύλλω. —Die außergriech. Bildungen sind zahllos; darüber WP. 2, 590ff., Pok. 923ff. m. reicher Lit. II-715-716
σκαλμός m. ‘Ruderpflock’ (h. Hom., A., E., Arist., Plb. u. a.). -μίδιον n. (Kom. Adesp.). Daneben σκάλμη f. ‘kurzes Schwert, Messer’ (S. Fr. 620, nach H. = μάχαιρα Θρᾳκία). — Eine ganz nahe Entsprechung bietet im Germ. eine Bez. verschiedener gespaltener od. geschnittener Gegenstände: awno. skalm f. ‘Zinke einer Gabel, Fruchthülse, kurzes Schwert’, schwed. skalm f., ‘Gabelarm usw.’, nd. schalm ‘dünner Holzstreifen’, ahd. scalm ‘Kahn’, urgr. *skal-ma / ō-, idg. *sqol-mo / ā-. Daneben ohne anl. s- z.B. lit. kélmas ‘Baumstumpf, Stamm’ (weiteres bei Fraenkel s. v.). Die für σκαλμός, -μη anzusetzende Schwundstufe hat sich nach σκάλλω gerichtet, u. zw. m einem ursprünglicheren Sinn von ‘spalten’ o. ä. Die spezielle Bed. ‘Ruderpflock’ ist eine griechische Neuerung (vgl. Chantraine Étrennes Benveniste 6). II-716
σκαμβός ‘krumm, krummbeinig’ (LXX, hell. Pap., Gal. u. a.), σκαμβό-πους ‘mit krummen Füßen’ (Ps.-Archyt.), σκαμβόομαι ‘sich krümmen’ (Aq.). Dazu bei H.: σκάμβυκες· σκόλοπες, χάρακες (wie θρῆνυξ u. a.); σκαμβάλυξ· σκαμβός, στρεβλός (wie von *σκαμβαλος; vgl. βαύκαλος u. a.; ταρβάλυξ, φεψάλυξ u. a.); σκαμβηρίζοντες· ὀλισθαίνοντες ( : *σκαμβηρός wie ὀλισθηρός u. a.). — Volkstümliche Bildung mit α-Vokal und β-Suffix wie κλαμβός, θραμβός; vgl. noch σκιμβός, λιμβός, λομβός und mehrere andere wenig literaturfähige Wörter (Chantraine Form. 260 ff., Schwyzer 496). Bei einem derartigen Wort wäre es müßig, nach einer geraden Genealogie zu forschen. Innerhalb des Griech. denkt man mit Ehrlich Sprachgesch. 15 am ehesten an σκάζω (semantische Bedenken bei WP. 2, 539); unter außergriech. Wörtern wurde von Fick 2, 78 f. air. camm ‘krumm’, gall. ON Cambo-dūnum, herangezogen, wodurch auch die Sippe von κάμπτω ins Blickfeld kommt. Weitere Kombinationen von wechselndem Wert bei WP. a. O., Pok. 918, W.-Hofmann s. cambiō und campus m. reicher Lit.; dazu noch Machek Ling. Posn. 5, 61. — Kreuzung von σκάζω mit dem sehr seltenen σκιμβός (Sommer Sprachgesch. u. Wortbed. 426) ist nicht wahrscheinlich. II-716-717
σκαμμωνία f. ‘Art Winde’ — Abzulehnen Carnoy REGr. 71, 99; zur Bildung Chantraine Form. 208. s. κύμῑνον. II-717
σκάνδαλον n. ‘Falle’, gew. (Semitismus) ‘Verführung, Anstoß’ (LXX, NT; PCair. Zen. 608, 7; IIIa [-άνων Gen. pl.]). Davon 1. σκανδαλ-ίζω ‘(zur Sünde) verführen, Anstoß wecken, ärgern’, -ίζομαι ‘zur Sünde verleitet werden, Anstoß nehmen’ (LXX, NT) mit -ιστής m. Bez. eines Akrobaten, etwa ‘Trapezkünstler’ (SIG 847, 5; IIp; zur Bed. unten); 2. -όω ‘ds.’ (Aq.). Daneben σκανδάλ-η f. ‘Stellholz einer Falle’ (Alkiphr. 3, 21, 1: κρεᾴδιον τῆς σκανδάλης ἀπαρτήσας; Lesung nicht unbedingt sicher), -ος· ἐμποδισμός H. — Abl. σκανδάλ-ηθρον n. (Ar. Ach. 687: σκανδάληθρ’ ἱστὰς ἐπῶν), nach Sch. z. St. ‘das krumme Stellholz in der Falle’ (τὸ ἐν παῖς παγίσι ἐπικαμπὲς ξύλον), nach Poll. 7, 114 ‘das mit der Schnur angebundene’ (τὸ τῇ σπαρτίνῃ προσηρτημένον im Gegensatz zu παττάλιον = τὸ ἱστάμενόν τε καὶ σχαζόμενον [τῆς μυάγρας]; Poll. 10, 156 wird σκανδάληθρον mit παττάλιον gleichgesetzt. — Als Nomen instrumenti bezeichnete σκάνδαλον wahrscheinlich ein aufgehängtes od. frei herabhängendes Holz (vgl. πέτευρον, ῥόπτρον), woraus sich in concreto sowohl ‘Auslösungsvorrichtung (Stellholz) in einer Tierfalle’ wie ‘Akrobatenstange’ (woraus σκανδαλιστής) ergaben. Davon σκανδάλ-ηθρον (zur Bildung Chantraine Form. 373 f.), wohl eig. von der Falle ("Stellholzgerät") selbst (so am ehesten bei Ar.), aber im Gebrauch mit σκάνδαλον zusammengeworfen, das umgekehrt auf die Falle bezogen wurde (vgl. schwed. giller ‘Stellholz, damit versehene Falle’). — Seit alters (Pott, Bopp; s. Curtius 166) als idg. mit lat. scandō ‘(be)steigen’, aind. skándati ‘springen, hüpfen, schnellen’, mir. Perf. se-scaind ‘er sprang’ verbunden; urspr. Bed. somit ‘losschnellendes Gerät’ (Osthoff Etym. parerga 1, 355 f.)? — WP. 2, 540f., W.-Hofmann s. scandō; zu σκάνδαλον noch Bauer Gr.-dt. Wb. s. v. m. Lit. (bes. G. Stählin Skandalon, Gütersloh 1930). II-717-718
σκάνδιξ, -ῑκος f. ‘Nadelkerbel, Scandix pecten Veneris’ (Ar., And., Thphr., Dsk.); -ικώδης ’σ.-ähnlich’ (Thphr.), -ικο-πώλης ‘Kerbelhändler’, Spitzname des Euripides (Ar.[?] bei H.). — Bildung wie ῥάδιξ, πέρδιξ und andere zur Pflanzen- und Tierwelt gehörige Wörter (Chantraine Form. 382); sonst dunkel. Hypothetischer Deutungsversuch von Grošelj Živa Ant. 7, 227f. II-718
σκαπέρδα f. N. eines Spiels an den Dionysien, wobei sich zwei Jünglinge mit zugekehrtem Rücken vermittels eines durch einen aufgerichteten Pfahl laufenden Seils gegenseitig in die Höhe zu ziehen suchten (Poll. 9, 116, H.). Davon σκαπερδεῦσαι (Hippon. 3, 3), nach H. = λοιδορῆσαι, nach Tz. An. Ox. 3, 351 (wo σκαπαρδεῦσαι) = συμμαχῆσαι. Aus H. noch: καπαρδεῦσαι· μαντεύσασθαι, σκαρπαδεῦσαι· κρῖναι; σκάπαρδος· ὁ ταραχώδης καὶ ἀνάγωγος, λακκοσκάπερδον· λακκόπρωκτον. Dazu: καὶ πᾶν τὸ δυσχερὲς σκαπέρδα λέγεται καὶ ὁ πάσχων σκαπέρδης. — Da die eig. Bed. von σκαπέρδα unbekannt bleibt (eig. vom Seil?; vgl. σκαπέρδαν ἕλκειν bei Poll. und Osthoff BB 29, 267ff.), sind alle Erklärungen ganz hypothetisch; s. Masson Hipponax 104 m. Lit. II-718
σκάπτω (seit h. Merc., Pi.), Aor. σκάψαι (ion. att.), Fut. σκάψω, Perf. ἔσκαφα, Med. ἔσκαμμαι (att.), Aor. Pass. σκααφ-ῆναι (E., hell.), Fut. -ήσομαι (J. u. a.), ‘graben, aufgraben, den Boden bearbeiten’, κατα- ~ ‘vergraben, begraben’, gew. ‘schleifen, der Erde gleichmachen, zerstören’. oft m. Präfix, bes. κατα-, Zahlreiche Ableitungen (zu den Formen mit φ vgl. unten): 1. σκάφη f. ‘Wanne, Becken, Trog, Schüssel’, auch ‘Schiff’ (ion. att.); σκάφος n. ‘Schiffsrumpf’, poet. auch ‘Schiff’ (ion. att.), vereinzelt (als Nom. act.) ‘das Graben’ (Hes. Op. 572, Gp.). 2. Deminutiva: σκαφ-ίς, -ίδος f. ‘Napf’ (ι 223, Hp., Ar. u. a.), auch ‘Kahn’ und ‘Spaten’ (hell. u. sp.); -ίον n. ‘Becken, Napf’ (Kom., hell. u. sp.), auch als Bez. einer Haartracht (Ar., zur Bed. Entwicklung Solmsen Wortforsch. 203 ff. [anfechtbar]), ‘Kahn’ (Str., Hld.); -ίδιον n. ‘Wanne, Schiff’ (hell. u. sp.). 3. σκαφ-ίτης m. etwa ‘Bootsmann’ (Anon. ap. Demetr., Str.; Redard 44f.). 4. σκαφή f. ‘das Graben’ (hell. Pap. u.a., Hdn. Gr. 1, 345), auch ‘Grab’ (Bithynien; oder σκάφη ?); öfter Präfixkompp., bes. κατασκαφ-ή, oft pl. -αί ‘Gruft, Schleifung, Zerstörung’ (Trag., auch att. Prosa); Adj. κατασκαφ-ής ‘vergraben’ (S.). 5. σκαφ-ιά f. ‘Graben, Grab’ (Halaesa Ia). 6. σκαφ-εύς m. ‘Gräber’ (E., Archipp., hell. u. sp.; eher direkt von σκάπτω als mit Bosshardt 40 von σκαφή), auch (von σκάφη) ‘Schüsselträger, σκαφηφόρος’ (Kom. Adesp.); von σκάφη auch σκαφ-εύω ‘in einen Trog legen’ (Ktes., Plu.) mit -ευσις (Eun.); daneben -ευσις, -εία f. ‘das Graben’ (Suid.), -εῖον n. ‘Grabscheit’, auch ‘Becken, Napf’ (= -ίον; jungatt. hell.) mit -είδιον (Hdn. Epim.), -ευτής = fossor (Gloss.). 7. σκαφ-ητός m. ‘das Graben’ (Thphr., hell. u. sp. Inschr. u. a.; nach ἀλοητός u. a.), -ητροι pl. ‘ds.’ (Pap. Ip); westgr. (Delphi, Trozen u. a.) σκάπετος m. (Megara -πεδος; nach δάπεδον, πέδον Solmsen Wortforsch. 196; nicht mit Schwyzer 498 A. 13 "lautliche Spielform") ‘Grab, Grube’; daneben κάπετος ‘ds.’ (Il., Hp.), auch ‘Spaten’ (Gortyn)?, unsicher σκαπέτωσις ‘das Graben’ (Trozen). 8. σκά-φαλος· ἀντλητήρ H. (wie πάσσαλος u.a.); λ-Suffix auch in σκαφλεύς = σκαφεύς (Athen IVa)?; Kumanudis Rev. de phil. 87, 99f. 9. σκαπ-άνη f. ‘Grabscheit, Spaten’ (Theok., AP u. a.), auch ‘Grabung’ (Thphr.), mit -ανήτης m. ‘Gräber’ (Zonar)., -ανεύς m. ‘ds.’ (Lyk., Phld., Str. u. a.; Bosshardt 68), -ανεύω ‘aufgraben’ (Inschr. Magnesia [Epist. Darei], Phld. Rh.). 10. σκάμμα n. ‘das, der Graben, aufgegrabener Platz’ (Pl. Lg., hell. u. sp.). 11. περίσκαψις f. ‘das Umgraben’ (Pap. VIp, Gp.). 12. σκαπτήρ, -ῆρος m. ‘Gräber’ (Margites, X. ap. Poll.; Fraenkel Nom. ag. 1, 107; 2, 55, Benveniste Noms d’agent 39), f. -τειρα (AP). 13. ON Σκαπτὴ ὕλη (Thrakien; Hdt. u. a.) mit Σκαπτησυλ-ικός (att. Inschr.), -ίτης m. (St. Byz.); zur Bildung Schwyzer 452. — Als gemeinsame Grundlage der obigen Formen, die ein analogisch ausgeglichenes System erkennen lassen, können sowohl σκαπ- (mit analog. σκαφ- nach θάπτω: τάφος, ταφῆναι u. a.) wie σκαφ- (mit teils lautgerechtem teils anal. σκαπ-) dienen. Im ersten Falle bietet das Italische die nächste Anknüpfung im Reliktwort lat. scapulae, umbr. scapla (Akk. sg.) ‘Schulter(blatt)’, wenn eig. ‘Schaufel’ als primäres Nom. agentis (vgl. σκάφαλος oben). Im letzteren Falle stimmt σκάπτω formal zu einem weitverbreiteten Wort für ‘schaben, kratzen usw.’ in lat. scăbō, germ., z.B. ahd. scaban, lit. skabiù ( = σκάπτω; daneben skobiù, skõbti) ‘mit dem Meißel, Schaber o.ä. aushöhlen’, wozu noch slav., z.B. russ. skóbelь ‘Schabmesser, -hobel’ u. a. m. (s. W.-Hofmann, Fraenkel und Vasmer s. vv. m. Lit.). Auch σκάφη, σκάφος u. a. fügen sich besser an ‘schaben, aushöhlen’ als an ‘graben’ (Solmsen Wortforsch. 196 ff. m. ausführl. Behandlung), ohne daß es möglich wäre, eine bestimmte Grenze zu ziehen. — Wenn man das s- als "beweglich" abtrennt und eine vokalische Variation ē̆ : ō̆ : ā̆ hinnimmt, dehnt sich der etymologische Spielraum bcträchtlich aus. Wenn man noch einen Schritt weiter geht und neben (s)qe / o / a + p / bh- auch eine Variante sqē̆ip / b- ansetzt, außerdem nicht nur die Endkonsonanten, sondern auch die wechselnden Vokale als Formantien oder Erweiterungen klassifiziert, ist man endlich an der idealen Wurzel seq- ‘schneiden usw.’ (wovon dann noch sq-er- und sq-el-) angelangt. Niemand glaubt, daß eine derartige "systematische" Zerhackung von dem wirklichen sprachlichen Verlauf ein richtiges Bild gibt. Alte Beziehungen zu κόπτω, viell. auch zu σκέπαρνος (s. dd. m. Lit.; dazu noch npers. kāfaδ ‘graben, spalten’) u. Verw. unter allerlei Kreuzungen und Entgleisungen vor der schrift- und hochsprachlichen Stabilisierung und Fixierung sind indessen sehr wahrscheinlich, aber im einzelnen nicht mehr nachweisbar. — S. noch σκήπτω und σκίπων. II-718-720
σκαρδαμύσσω, att. -ττω ‘blinzeln, zwinkern’ (Hp., E., X., Arist.) mit σκαρδαμ-ύκτης m. ‘der Blinzler’, -υκτικός ‘blinzelnd’ (Arist.), -υκτέω ‘blinzeln’ (Luk., Porph.), -υγμός m. ‘das Blinzeln’ (Antyll. ap. Orib.). — Mit α priv. ἀ-σκαρδάμ-υκτος, Adv. -υκτί ‘nicht blinzelnd, ohne zu blinzeln’ (Ar., X, Luk. u. a.), -ύκτης ‘Nicht-Blinzler’ (Hp.), -υκτέω (Sch.). —καρδαμύσσω, -ττω (H., EM). — Expressivvolkstümliche Bildung auf -ύσσω (nach ἀμαρ-, αἰθ-ύσσω? Debrunner IF 21, 242), zunächst von einem Verbalnomen, etwa *σκαρδαμός (vgl. zu ῥαθάμιγξ). Weitere Anknüpfung ganz hypothetisch: zu σκαίρω, κραδάω als Ausdruck einer zuckenden Bewegung ? II-720
σκαρῑφάομαι ‘die Oberfläche eines Körpers aufritzen, aufkratzen, einen Umriß machen’ (H., Sch. zu Ar. Ra. 1497) mit σκαρῑφ-ησμοί m. pl. etwa ‘Gekritzel, Tand’ (Ar. Ra. 1497), -ήματα n. pl. ‘ds.’ (Sch. Ar. Nu. 630, Phot.); auch -εύω mit -εύματα ‘ds.’ (Sch., Suid.). Dazu, wohl als Rückbildung, σκάρῑφος (-ον) m. (n.) ‘Umriß, Skizze, Griffel’ (H., Sch., EM; nach Sch. auch = κάρφος, φρύγανον durch falsche Assoziation). — Volkstümliches Iterativ-Intensivum, bis auf die Bildung mit lat. scribō (wovon schreiben usw.) nahezu identisch; daneben mit -p- lett. skrīpât ‘kratzen, kritzeln, einschreiben,’ mit Wegfall des s- germ., z.B. awno, hrīfa ‘kratzen, reißen’; strittig mir. scrīp(a)id ‘kratzt’. Das inlaut. -α- läßt sich unschwer als sekundärer Stützvokal erklären (Schwyzer 644 A. 2); jedenfalls nicht alter Ablaut. Weitere Formen mit reicher Lit. und üblicher Wz.analyse bei WP. 2, 585f., Pok. 946 f., W.-Hofmann s. scrībō. II-720
σκάρος m. Fischname s. σκαίρω. II-720
σκάφη, οκάφος u. a. s. σκάπτω. II-720
σκαφώρη f. ‘Fuchs’ (Ael., H.; καφώρη [Suid.] kann Haplologie aus τῆς [σ]καφώρης sein). — Eig. "Grubenwächterin" (vgl. θυρωρός u. a.) als dichterischer Ausdruck? Solmsen Wortforsch. 199 A. 1 (als unsichere Vermutung), v. Blumenthal Hesychst. 45. II-720-721
σκεδάννυμι (jungatt.), σκίδναμαι, -νημι (vorw. ep. poet. seit Il.), σκεδάω? (s. unten), Fut. σκεδάσω (Thgn.), σκεδῶ (att.), Aor. σκεδά-σαι, -σθῆναι (seit Il.), Perf. Pass. ἐσκέδασμαι (ion. att.); auch ohne σ- (metrisch bedingt od. metr. verwertet; s. Debrunner IF 45, 183ff., 57, 149 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 110) κεδάσσαι, -σθῆναι (poet. seit Il.), späte Präs. formen κεδάννυμι (AP), κεδόωνται (A. R.), Ptz. κεδάων (Nik. Al. 283, besser als σκεδάων), κεδαίομαι, -αίω (hell. Epik); ‘zerstreuen, zersprengen, auseinandertreiben’, Med. ‘sich zerstreuen, zerspringen, auseinandergehen, sich ausbreiten’. auch m. Präfix, bes. ἀπο-, δια-, κατα-, Wenige Ableitungen: σκέδ-ασις f. ‘Zerstreuung’ (α 116 = υ 225, Hp. u. a.; Krarup Class. et Med. 10, 5, Porzig Satzinhalte 196), -ασμός m. (hell. u. sp.), (δια-)-αστής m. ‘Zerstreuer’ (Ph.), (δια-) -αστικός ‘zerstreuend’ (Dsk., Lyd.), -αστός ‘auflösbar’ (Pl., Plu.). — Die Formenreihe σκεδάννυμι : σκίδνημι : σκεδάσαι hat sich nach wohlbekannten Mustern wie πετάννυμι, κεράννυμι u. a. (s. dd. und Schwyzer 697) von einem unbekannten Ausgangspunkt (dem Aorist?) zu einem System ausgebaut. Die übrigen Sprachen bieten nichts, was mit den griech. Formen direkt vergleichbar wäre. Am nächsten kommt (nach Jokl IF 30, 196) alb. tshanj, tshaj ‘spalten, zerreißen, pflügen’ aus *sqed-n̥-i̯ō. Dazu mit Nasalinfigierung aw. sčandayeiti ‘zerbrechen, zerstören’, womit aind. skhadate ‘spalten’ (Gramm.), wenn aus idg. *sqhn̥d-, zusammenhängen mag; die letztgen. Formen lassen sich indessen auch auf eine derweiterte Nasalwurzel *sq(h)en-d- zurückführen. Ohne anlaut. s- das mehrdeutige toch. AB kät- ‘(aus)streuen’, Präs. (B) katnau, katnaṃ mit nā-Suffix und unklarem Vokal (nach v. Windekens Orbis 12, 464f. = gr. κιδ-[?]). Zu erwähnen noch mehrere Verbalnomina, namentlich mit r- Suffix, und dazu gebildete Verba: arm. šert ‘Span, Holzscheit’, wenn aus *sq(h)ed-ri- (Anlaut mehrdeutig), lit. skedervà f. ‘Splitter’, lett. skadrs ‘leicht zu spalten’, germ., z.B. mengl. scateren, nengl. scatter ‘zer- streuen’, mir. scaindrim ‘zerspalten’ u. a. m., s. WP. 2, 558 f., 563f., Pok. 918f., 929f., W.-Hofmann s. scandula, Fraenkel s. kedė̃, Vasmer s. ščedryj m. weiteren Formen und reicher Lit. Zum Anlaut besonders Hiersche Ten. aspiratae 71 f. — Vgl. σχίζω. Zu κέδματα s. bes. II-721
σκεθρός (Hp., Gal., Lyk.), -ῶς (A. Pr., E. Fr. 87) ‘genau, sorgfältig’. — Zu σχεῖν mit θρο-Suffix und Hauchdissimilation; semantisch etw. unklar: eig. "festhaltend, sich anschließend"? Gegen Anknüpfung an σχεθεῖν (Chantraine Form. 225, Benveniste Origines 202, Schwyzer 481) sprechen sowohl der poet. Charakter des betreffenden Aorists wie die zahlreichen übrigen Bildungen zu σχεῖν : σχεδόν, σχολή, σχέτλιος u. a. II-721-722
σκέλλομαι (κατεσκέλλοντο A. Pr. 481, σκελλόμενα· σκελετευόμενα H.), Fut. 3 pl. σκελοῦνται· σκελετισθήσονται H., Perf. ἔσκληκα, meist mit κατα-, ἀπο-, ἐν- u. a. (Epich., Hp., Choeril., hell. u. sp.), Aor. κατα-, ἀπο-σκλῆναι, 3. sg. ἀπ-έσκλη (Ar., Men., Alkiphr.), Opt. ἀπο-σκλαίῃ (Moer., H., Suid.); Fut. 2. sg. ἀπο-σκλήσῃ (AP); spärliche akt. Formen: Aor. Opt. σκήλειε (Ψ 191), Konj. ἐνι-σκήλῃ (Nik. Th. 694), Ind. ἔσκειλα (Zonar.) ‘vertrocknen, verdorren, hinsiechen, ermatten, erhärten’, Akt. ‘austrocknen, ausdörren’. Ableitungen: 1. σκελετός m. ‘ausgetrockneter Körper, Mumie, Skelett’ (Phryn. Kom., Pl. Kom. [appositiv], Phld., Str. usw.), als Attribut ‘ausgetrocknet’ (Nik. Th. 696), mit σκελετ-ώδης ‘mumienähnlich’ (Luk., Erot.), -εύω (κατα ~ ) ‘mumifizieren, austrocknen, ausdörren’ (Teles, Dsk. u. a.), -εύομαι (κατα-) ‘verdorren, hinsiechen’ (Ar. Fr. 851, Isok., Gal. u. a.), wozu -εία (-ίη) f. ‘das Austrocknen, das Verdorren’ (Gal., Aret.), -ευμα n. ‘das Verdorrte’ (Sch.); -ίζομαι = -εύομαι (H., Zonar.). 2. σκελιφρός ‘ausgetrocknet, mager, schlank’ (Hp., Erot. [v.l. -εφρός]); vgl. σκληφρός, στιφρός (unhaltbar über σκελε- : σκελι- Specht Ursprung 126; s. auch unten). 3. σκληρός ‘hart, spröde, herb, streng’ (seit Hes., auch dor.) mit σκληρ-ότης, -ύνω, -υσμα, -υσμός, -όομαι usw. 4. σκληφρός ‘schlank, schwach, klein, dünn’ (Pl., Theopomp. Kom.; auch Arist.); in Form und Bed. von ἐλα-φρός beeinflußt (vgl. unten). 5. -σκελής als Hinterglied mit Beziehung zum Verb nach Schwyzer 513 (ein Nomen *σκέλος ‘Dürre, Abmagerung, Ermattung; Härte, Sprödigkeit’ ist jedenfalls nicht belegt): περι-σκελής ‘sehr hart, spröde, unbiegsam’ (Hp., S., hell. u. sp.) mit περισκέλεια (-ία) f. ‘Härte, Unbiegsamkeit’ (Arist., Mediz., Porph.); κατασκελ-ής (: κατα-σκέλλομαι) ‘mager’ (vom Stil), ‘kraftlos, spröde’ (D. H., Prol.); unklar ἀ-σκελής (Hom., Nik.), als Adj. von Menschen in ἀσκελέες καὶ ἄθυμοι (κ 463), etwa ‘kraft- und mutlos’, sonst als Adv. -ές, -έως vom Weinen bzw. Zürnen (δ 543; T 68 u. α 68), vom Leiden (Nik. Th. 278), etwa ‘unablässig, heftig’. Da ἀ- sowohl privativ wie kopulativ sein kann und σκέλλομαι, ἔσκληκα sowohl auf das Hinsiechen wie auf das Erhärten beziehbar ist, sind mehrere Deutungen denkbar (nicht überzeugend Bechtel Lex. s. v.; s. noch oben I 163 s. v. und Bq m. Lit.). — Aus der obigen Übersicht ergibt sich ein System ἔσκληκα : σκλῆναι wie z.B. τέτλη-κα : τλῆ-ναι; dazu das hochstufige Jotpräsens σκέλλομαι wie ἀνα-τέλλω. Die Aoristformen σκήλειε und ἐνι-σκήλῃ stehen somit für σκειλ- (< σκελ-σ-), vielleicht als alte Analogie zu σφήλειε u. a. (vgl. Schwyzer 756 m. Lit.). Andere Engleisungen sind ἐσκληῶτες (A. R.), nach τεθνηῶτες, ἑστηῶτες (vgl. Kretschmer Glotta 3, 311 f.), ἀπο-σκλαίη nach τεθναίη, σταίη u. a. Wegen dor. σκληρός, σκελε-τός (vgl. ἔ-τλᾱν, τελα-μών) kann -αι- nicht alt sein. — Das Verb hat sich am besten im Perf. ἔσκληκα erhalten, wurde aber sonst wie die ep. τέρσομαι, τερσαίνω von ξηραίνω, αὐαίνω zurückgedrängt und ersetzt. Von den wenigen Ableitungen hat sich besonders das semantisch emanzipierte σκληρός behauptet. — Nähere außergriech. Verwandte fehlen. Aus anderen Sprachen sind herangezogen worden: germ. nhd. schal ‘fade, abgestanden’, nd. auch ‘trocken, dürr’, mengl. schalowe ‘schal, matt, seicht’ (nengl. shallow), schwed. skäll ‘mager’ (vom Boden), ‘dünn, fade’ (von Speise, Suppe, Bier), ‘säuerlich’ (von Milch), urg. *skala-, -i̯a-; ohne anl. s-: lett. kàlss ‘mager’, kàlstu, kàlst ‘vertrocknen’; germ., z.B. nd. hal(l) ‘trocken, mager’, nhd. hellig ‘matt, erschöpft (von Durst)’, behelligen ‘ermüden, plagen’; toch. A kleps-, B klaiks- ‘vertrocknen, verkümmern’ (v. Windekens Orbis 11, 342 f. mit direkter Gleichsetzung von σκελιφ-ρός, σκληφρός; anders darüber oben). Zu der sehr fraglichen Zusammenstellung von σκελετός mit lat. calidus Bloch Sprachgesch. u. Wortbed. 24. — Ält. Lit. bei Bq und WP. 2, 597. II-722-723
σκέλος n. ‘Schenkel, Bein’ (seit Π 314); myk. ke-re-a2 (pl.)? Oft als Hinterglied, z.B. τετρα-σκελής ‘vierbeinig’ (Trag. u. a.). Davon 1. die Deminutiva σκελ-ίσκος m. (Ar.), -ύδριον (Herod., Arr.). 2. σκελέαι f. pl. ‘Beinkleider’ (Kritias, Antiph.). 3. σκελίζω (Plu., S. E.), gew. ὑπο- ~ (Pl., D. usw.) ‘einem das Bein unterschlagen, ihn zu Fall bringen, überlisten’ mit (ὑπο-)σκελ-ισμός m. ‘das zu Fall Bringen, Falle’, -ισμα n. ‘Unfall’ (LXX); daneben σκέλ[λ]ισμα· δρόμημα H. 4. Auch σκελλός ‘krummbeinig, διεστραμμένος, ῥαιβός’ (Sch., H., EM; vgl. στρεβλός u. a.; s. auch κυλλός). — Daneben 1. mit ο-Abtönung: σκολιός ‘krumm, gebogen, verdreht, ungerecht’ (seit Π 387; von *σκόλος m. nach σκαιός u.a.?; vgl. σκολοῖς· δρεπάνοις H.) mit σκολι-ότης f. ‘Krümmung, Ungerechtigkeit’ (Hp., LXX, Str. u. a.), -όομαι ‘krumm sein, sich krümmen’ (Hp., Thphr.) mit -ωσις, -ωμα (sp.), -αίνομαι ‘sich krümmen’ (Hp.), -άζω ‘krumm sein’ (LXX); τὸ σκόλιον ‘Trinklied’ (seit Pi.; Erklärung strittig: weil sie in unregelmäßiger Folge vorgetragen wurden?). 2. mit Dehnstnfe σκώληξ; s. bes. — Zu σκαληνός s. σκάλλω; zu σκελίς s. σχελις. — Mit lat. scelus n. ‘Bosheit, Verruchtheit, Frevel’ formal, urspr. auch begrifflich identisch als *’Krümmung, Biegung’ (vgl. σκολιός ‘krumm, ungerecht’). Das einstige Vorhanden- sein eines Verbs ‘krümmen, biegen’ scheint sich auch durch zwei andere Primärbildungen zu bestätigen: germ., ahd. scelah, ags. sceolh ‘schief, krumm, scheeläugig’, nhd. scheel, awno. skjalgr ‘schief, scheeläugig’, urg. *skél-ha-, -gá- < idg. *sqel-ko-; alb. tshalë ‘lahm’ < idg. *sqel-no-. Ganz unsicher arm. šeɫ ‘schräg, schief’, xeɫ ‘verdreht, verkrüppelt’. Auch κυλλός, κῶλον u. Verw. werden als s-lose Varianten hierher gestellt; s. dd. m. weiterer Lit.; dazu noch W.-Hoffmann s. scelus. II-723-724
σκέπαρνος, -ον m. n. ‘Beil zum Behauen des Holzes, Schlichtbeil’ (Od., S. Fr. 797, hell. u. sp.), übertr. als Bez. eines chirurgischen Verbandes (Hp.). Als Hinterglied u.a. in ἀμφι-σκέπαρνος ‘an beiden Seiten geschlichtet’ (Miletos, Didyma). Davon σκεπάρν-ιον n. ‘Pfeiler’ (Didyma IIa), -ηδόν Adv. ‘nach Art eines σ.-Verbands’ (Hp.), -ίζω ‘mit einem σ. behauen’ (Hero), mit (ἀπο-)-ισμός m. (Mediz.). — Eine idg. Etymologie läßt sich herstellen, wenn man eine Kombination von ρ- und ν-Suffixen annimmt (Solmsen Wortforsch. 210; vgl. Bechtel Lex. s. v. und Specht Ursprung 350) und an eine im Baltisch-Slavischen stark vertretene Wortgruppe Anschluß sucht, z.B. russ. ščepátь ‘spalten, zerstückeln, zerkleinern’, lett. šk̨ẽpele ‘abgesplittertes Stück, Scherbe’. Dabei sind auch die s. κόπτω und σκάπτω besprochenen Wörter zu berücksichtigen; s. dd. m. Lit.; dazu Vasmer s. ščepá und Fraenkel s. skẽpeta. Um das immerhin unbequeme ρν-Suffix zu vermeiden, nimmt Niedermann IF 37, 149 f. eine Metathese aus *σκέρπανος an, zu idg. sqer-p- in nhd. Scherbe, schür-fen usw. usw. (vgl. κρώπιον und σκορπίος m. Lit.); eine hypotetische Vermutung. Somit wie viele andere Gerätenamen ein LW (Schwyzer 491 m. Lit.)? — Abzulehnen Güntert Reimwortbild. 128. II-724
σκέπας n. Daneben σκέπω, nur Präs. u. Ipf. (Hp., Plb., meist sp.), σκεπάω nur 3. pl. σκεπόωσι (ν 99; σκεπάουσι v.l. Theok. 16, 81); sonst σκεπ-άζω, Aor. -άσαι, wie σκέπω auch m. κατα-, περι-, ἐπι- u. a. (ion. att., hell. u. sp.) ‘bedecken, schirmen, (vor etw.) schützen’. — Von σκέπω : 1. σκεπ-ανός ‘schirmend, schützend’ (Opp., AP), -ανον (-ανος) n. (m.) ‘Bedeckung, Schutz’ (AP); auch (von σκέπας, -η?) -εινός (-η-, -ι-) ‘ds.’, auch ‘geschützt’ (Skymn., LXX, Mediz. u. a.; nach αἰπεινός usw.); unklar σκέπανος (-ι-) m. Fischname, ‘Thunfisch’? (Opp., Dorio ap. Ath.; vgl. Strömberg Fischn. 128, Thompson Fishes s. v.); 2. περίσκεπ-τος = περισκεπής, ‘rings geschützt’ : περισκέπτῳ ἐνὶ χώρῳ (Od.; oder ‘rings sichtbar’, zu σκέπτομαι?; vgl. unten); 3. als Vorderglied im Rektionskomp. σκεπ-ώνιον n. ‘Vorratshaus’ (Pap. IIIp). — Von σκεπάζω : σκέπ-ασμα n. ‘Bedeckung, Decke’ (Pl., Arist. usw.), -ασις f. (LXX), -ασμός m. (EM) ‘Be- deckung’; -αστής m. ‘Schirmer, Beschützer’ (LXX), -αστικός (Arist. usw.), -αστήριος (D.S., D.H. usw.) ‘bedeckend, schützend’, -αστρον n. ‘Bedeckung, Schleier’ (Sm.), (παρα-) -άστρα f. ‘Verband’ (Gal.). ‘Obdach, Schutz, Bedeckung’ (Od., E., Lyk, AP u.a.), pl. Akk. σκέπᾰ (Hes. Op. 532; Sommer Μν. χάριν 2, 147); σκέπη f. ‘Bedeckung, Decke, Schirm, Schutz’ (ion. att.); als Hinterglied -σκεπής (σκέπος nur EM), z.B. ἀνεμο-σκεπής ‘vor Wind schützend’ (Π 224); auch auf σκέπω beziehbar wie περι-, κατα-σκεπ-ής u. a. — Da das anscheinend primäre σκέπω im ganzen erst spät belegt ist, erhebt sich die Frage, ob es nicht als Rückbildung zum denominativen σκεπάζω (Schwyzer 684) oder zu σκέπ-η (vgl. στέγ-ω : -η), -ας zu verstehen ist. Dagegen spricht nur das ep. Verbaladj. περίσκεπτος, das indessen nur in einem stehenden Ausdruck in der Od. gebraucht wird und vielleicht wie später (Arat., Kall. u. a.) zu σκέπτομαι zu ziehen ist. —Isoliert. Seit Berneker mit einem bildungsmäßig und lautlich abweichenden baltoslav. Wort für ‘Mütze, Haube’ verbunden, z.B. lit. kepùre, russ. čepéc; s. Fraenkel und Vasmer m. weiteren Formen und Lit. II-724-725
σκέπτομαι (seit Il; att. dafür σκοπέω, -έομαι; s. unten), Aor. σκέψασθαι (seit Od.), Fut. σκέψομαι, Perf. ἔσκεμμαι (ion. att.), Aor. Pass. σκεφθῆναι (Hp.), σκεπ-ῆναι m. Fut. -ήσομαι (LXX), ‘umherschauen, sich umsehen, spähen, betrachten, erwägen, prüfen’. oft m. ἐπι-, κατα-, προ-, δια- u. a., Zahlreiche Ableitungen. A. Mit ε-Vokal: 1. σκέψις (ἐπί-, κατά- ~ u.a.) ‘Betrachtung, Überlegung, Untersuchung’ (ion. att.). 2. σκέμ-μα (ganz selten m. δια- u. a.) ‘Untersuchung, Problem’ (Hp., Pl. u. a.). 3. σκεπτ-οσύνη f. = σκέψις (Timo, Kerk.). 4. -ήριον n. ‘Prüfung’ (Man.). 5. -ικός (ἐπι-, δια- ~) ‘nachdenkend, überprüfend’, οἱ ~ N. einer philos. Sekte (hell. u. sp.). B. Mit ο-Abtönung: 1. σκοπός m. (f.) ‘Späher, Wächter, Kundschafter; Ziel, Zweck’ (seit Il.) mit Hypostasen: ἐπί-σκοπος, Adv. -α ‘das Ziel treffend’ (Hdt., Trag., sp.), ἀπό-σκοπος ‘das Ziel verfehlend’ (Emp.); σκόπ-ιμος ‘zielbewußt, zweckmäßig’ (sp.; Arbenz 97); als Hinterglied, z.B. οἰωνο-σκόπος m. ‘Vogelschauer’ mit -έω, -ία, -ικός, -εῖον (E., hell. u. sp.). 2. Zu den Präfixkompp. : ἐπί-, κατά-, πρό-σκοπος m. ‘Späher, Aufseher, voraussehend usw.’ (Hom., Pi., ion. att.). 3. σκοπή (κατα-, ἐπι- u. a.) f., das Spähen, Warte’ (att. usw.) mit σκοπάω (Ar. Fr. 854). 4. σκοπιά, ion. -ιή f. ‘Berg-, Burgwarte, Berggipfel, Wachtturm’ (ep. ion. poet. seit Il., auch hell. u. sp. Prosa; vom Metrum begünstigt, Scheller Oxytonierung 82 f.) mit σκοπ-ιήτης m. ‘Berggipfelbewohner’ = Πάν (Paus.), -ιάζω (ἀπο-) ‘spähen, ausspähen’ (ep. seit Il.), -ιάομαι ‘erspähen’ (Il.; nur m. δια-). 5. σκοπέω, -έομαι Iterat.-Intensivum zu σκέπτομαι (Pi., ion. att.), außerpräs. Formen spät: σκοπ-ῆσαι, -ήσασθαι, -ήσω, -ήσομαι, ἐσκόπημαι. 6. σκοπεύω (κατα-, ἀπο-, ἐπι-), wahrscheinlich sekundär für σκοπέω (Schwyzer 732; X., LXX, Pap. usw.) mit σκόπ-ευσις, -ευτής (Aq.), -εῖα n. pl. (Prokl.). — S. auch σκόπελος und σκώψ. — Als altes Jotpräsens steht σκέπτομαι mit Metathese (Schwyzer 268) für *σπέκ-ι̯ομαι, das mit lat. speciō, aw. spasyeiti und (bis auf anl. s-) mit aind. páśyati ‘sehen’ identisch ist. Auch der Aor. σκέψασθαι läßt sich auf dieselbe Weise mit lat. spexī gleichsetzen; in beiden Fällen liegen indessen Neubildungen vor gegenüber dem suppletivischen aind. ádarśam, 3. pl. ádr̥śan (s. δέρκομαι). Durch das iterativ intensive σκοπέω, -έομαι wurde im Griech. eine neue Opposition zu σκέψασθαι usw. geschaffen derselben Art wie aind. pásyati : ádarśam, ὁράω : εἶδον. — Begriffliche und lautliche Identität liegt auch vor in σκοπός und aind. spaśa- ‘Späher’, das indessen aus spaś- (s. unten) erweitert ist (Wackernagel-Debrunner II : 2, 90); dazu noch awno. spār ‘weissagend’ aus urg. *spaha- (idg. *spóḱo-). Ebenso deckt sich bis auf den Akzent σκοπή mit awno. spā f. ‘Weissagung’ aus urg. *spahō (idg. *spóḱa); an Uridentität ist aber schon aus dem Grunde nicht zu denken, weil spā ‘Weissagung’ eine Rückbildung aus spā ‘weissagen’ aus urg. *spahōn (neben *spehōn in spähen; vgl. lat. au-spicārī) sein kann (Wissmann Nom. postv. 41 u. 110; umgekehrt σκοπάω von σκοπή). Dem Griech. fehlt das alte Wz. nomen aind. spaś-, aw. spas- ‘Späher’, lat. haru-spex u. a., von dem. σκέπτομαι usw. wahrscheinlich als Denominativum ausgegangen ist. — Weitere Einzelheiten m. Lit. bei WP. 2, 659f., Pok. 984, W.-Hofmann und (besonders wichtig) Ernout-Meillet s. speciō. Neugriech. Formen bei Caratzas Glotta 33, 322 ff. II-725-726
σκερβόλλω ‘schmähen, lästern’ (Ar. Eq. 821, H.; Ipv.), σκερβολεῖ (leg. cum M. -όλλει?)· ἀπατᾷ H.; σκέρβολος ‘schmähend, lästernd’ (Kall. Fr. 281, H.); auch κερβόλλουσα (cod. -ολυσσα)· λοιδοροῦσα, βλασφημοῦσα, ἀπατῶσα H. Daneben σκέραφος (σχέρ-)· λοιδορία, βλασφημία; κέραφος· χλευασμός, κακολογία H. — Wie κερτομέω, -ος (s. dd.) expressive Wörter unklarer Bildung und dunklen Ursprungs; das "Hinterglied" erinnert an βάλλω, βόλος (Brugmann IF 15, 97 f.). Zum Anlaut Hiersche Ten. aspiratae 218. Vgl. W.-Hofmann s. carinō. S. auch σκίραφος. II-726
σκεῦος n. ‘Gefäß, Gerät’, meist pl. ‘Haus-, Schiffsgerät, Waffen(rüstung), Gepäck’ (ion. att.); oft als Vorderglied, z.B. σκευο-φόρος ‘gepäcktragend, Gepäckträger’ (ion. att.), σκευ-ωρός ‘Gepäckwächter’ (Kratin.) mit -ωρέομαι, -ωρέω, -ωρία, -ώρημα ‘nach dem Gepäck sehen, durchspähen, (listig) anzetteln’ (D., Arist. usw.), spät auch σκαιωρέομαι usw. (nach σκαιός); als Hinterglied in ἀ-σκευής ‘ohne Gerät’ (Hdt.). σκευή f. ‘Rüstung, Bekleidung, Tracht’ (ion. att.); als Hinterglied z.B. ὁμό-σκευος ‘mit gleicher Rüstung’ (Th.); dazu sehr oft m. Präfix: παρα-, κατα-, ἐπι-σκευή u.a. als Rückbildungen zu παρα-σκευάζω usw. (vgl. unten). — Deminutiva: σκευ-άριον n. ‘kleines Gerät’ (Ar. u. a.), ‘einfache Tracht’ (Pl. Alk. 1, 113e), -ύφιον n. ‘kleines Gerät’ (Lyd.). —Sekundärbildung: σκευ-άζω, -άζομαι, Aor. σκευ-άσαι, -άσασθαι, sehr oft m. Präfix, παρα-, κατα-, ἐπι- usw. in verschiedenen Sinnfärbungen, ‘ausrüsten, bewaffnen, bekleiden, zurichten usw.’ (ion. att. seit h. Merc.); davon, meist zu den Präfixkompp., σκεύ-ασις, -άσιμος, -ασία, -ασμα, -αστός, -αστής, -αστι-κός; auch παρασκευ-ή usw. (s. oben). Denominativum ἐπι-, κατα-σκευ-όω ( : ἐπι-, κατα-σκευή) = -ἀζω (Argos, Kreta, Delphi u. a.), σκευοῦσθαι = ἑτοιμάζεσθαι H. — Die Nomina σκεῦος, -ή (für *σκεῦσος, -σά wegen Erhaltung des ευ- Diphthongs?; vgl. Schwyzer 348 Zus. 4) tragen das Gepräge primärer Bildungen und setzen als solche die einstige Existenz eines primären Verbs, etwa *σκεῦ[σ]-σαι, *σκεύ[σ]-ι̯ω voraus, das von dem sekundären, denominativen oder deverbativen, σκευ-άζω ersetzt worden sein muß. — Ausdruck der Alltagssprache, wahrscheinlich altererbt, aber ohne überzeugende Etymologie. Hypothesen von Prellwitz (zu lit. šáu-ju, -ti ‘schießen, schieben’, russ. sovátь ‘schieben, stecken, stoßen’, ahd. sciozan ‘schießen’ u. a.; vgl. Vasmer s. v.); von Zupitza Germ. Gutt. 122 (zu awno. høyja, ags. hēgan ‘ausführen’, slav., z.B. aksl. prě-kutiti ‘schmücken’; vgl. Vasmer s. kutítь). WP. 2, 546, Pok. 950f. Ältere Lit. bei Curtius 169. II-727
σκηνή, dor. σκανά f. ‘Zelt(dach), Bude, Schmaus; Bühne(ngebäude), Szene’ (ion. att., dor.). Kompp., z.B. σκηνο-πηγ-ία f. ‘Zeltbau’ (Arist.), ‘das Laubhüttenfest’ (LXX, NT u.a.), σύ-σκηνος, dor. σύν-σκανος m. ‘Zelt-, Haus-, Tischgenosse’ (att., Tenedos u.a.) mit -ία (X. u.a.); mit ιο-Suffix z.B. παρα-σκήν-ιον, -ια n. ‘Raum (Räume) neben der σκηνή’ (D., Delos u. a.). Ableitungen. 1. Deminutiva: σκην-ίς, -ίδος f. (Plu.), -ίδιον n. (Th.), -ύδριον (Plu.). 2. -ίτης m. ‘Zeltbewohner, Krämer, Nomade usw.’ (Isok., Str., Inschr. u.a.; Redard 26f.); auch -ευτής m. (EM, AB). 3. -εῖον n. ‘Zeltstange, -pfahl’ (Pap. IIIa). 4. -ικός ‘zur Bühne gehörig, Schauspieler’ (hell. Inschr., Plu. u. a.) mit -ικεύομαι ‘als Schauspieler auftreten’ (Memn.). Denom. Verba: 5. σκην-άομαι, auch m. κατα- u.a., ‘ein Zelt aufschlagen, sich lagern’ (att.), -άω ‘schmausen’ (X.). 6. -έω, auch m. δια-, συν-, ἀπο- u. a., ‘in einem Zelte sein, sich lagern’ (att., bes. X., in außerpräs. Formen von -άω nicht sicher zu trennen) mit -ημα (dor. σκάναμα) n. ‘Zelt, Lager’ (A., X., Epid. IIIa u. a.), auch ‘Körper’ (maked. Inschr.; vgl. σκῆνος). 7. -όω, oft m. κατα-, παρα-, συν-, ἐπι-, ἀπο- u. a., ‘ein Zelt aufschlagen, sich lagern’ (Pl., X. usw.) mit -ωμα n., meist pl., ‘Lager, Wohnung’, auch ‘Körper’ (E., LXX u. a.), κατα- ~ ‘Decke, Vorhang’ (A. Cho. 985), -ωσις (κατα-) f. (Agatharch., LXX u. a.); -ωταί· συσκηνοῦντες H. — Daneben σκῆνος, dor. (Ti. Lokr.) σκᾶνος n. ‘Körper’ (= Zelt der Seele), ‘Leichnam’ (Hp., Demokr., ion. Inschr., Nik., Ep. Kor. u. a.; Leumann Hom. Wörter 308 f. m. A. 81); n. nach σῶμα, vgl. noch κτῆνος, σμῆνος u. a. — Unklar σκῆν· ὅ τινες μὲν ψυχήν, τινὲς δὲ φάλαιναν H., d. h. ‘Schmetterling’ bzw. ‘Motte’ (vgl. σκήνωμα· papilio Gloss.); eig. von der Puppe, vgl. Immisch Glotta 6, 198ff., Güntert Kalypso 233. — Bildung wie ποινή, εὐνή, φερνή usw. (Chantraine Form. 191f., Schwyzer 489); sonst isoliert. Über allfällige entlegene Verwandte s. σκιά und Solmsen Unt. 278 A. 2 (S. 279f.). Lat. LW scaena (nur im Sinn von ‘Bühne’). II-727-728
σκηνίπτω nur ἐσκήνιψε· διέφθειρε, διεσκέδασεν und διασκηνῖψαι· διαφορῆσαι, διασπεῖραι. διεσκηνίφθη δὲ διεσωματίσθη H.; dazu γαίῃ ... διεσκήνιψε ‘zerschmetterte gegen den Boden’ (Nik. Th. 193). — Volkstümlichexpressive Kontamination von σκήπτω und den s. κνίψ besprochenen Wörtern, bes. κνιπεῖν· σείειν und σκνίπτειν· νύσσειν H.; vgl. Kretschmer Glotta 24, 87 (gegen Specht KZ 61, 142 ff.). — Vgl. σκηρίπτομαι. II-728
σκήπτομαι, Fut. σκήψομαι, Aor. σκήψασθαι; ‘sich stützen, sich lehnen, etw. vorschützen, zum Vorwand gebrauchen’, σκήπτω, Fut. σκήψω, Aor. σκῆψαι, Pass. σκηφθῆναι, Perf. ἐπ-έσκηφα, Pass. ἐπ-έσκημμαι ‘hinwerfen, schleudern’, intr. ‘sich hinwerfen, hinstürzen’, oft m. Präfix (fast nur Akt.), κατα-, ἐπι-, ἀπο-, ἐν- (ion. att.); ἐπι-σκήπτω auch ‘auferlegen, befehlen’, Med. (att. Rechtssprache) ‘sich auflehnen, belangen, Klage erheben’. Davon σκῆψις f. ‘Stützgrund, Vorwand, Entschuldigung’ (ion. att.), ἐπίσκηψις f. ‘Auflehnung, Klage’ (att.); ἀπόσκημμα· ἀπέρεισμα H. (A. Fr. 18 = 265 M.), ἐπίσκημμα = ἐπίσκηψις (Lex. Rhet. Cant.). Außerdem mehrere Ausdrücke für ‘Stab usw.’: 1. σκᾶπος· κλάδος, καὶ ἄνεμος ποιός H. (zur letztgen. Ben. s. σκηπτός). 2. σκηπ-άνη f. (AB) mit -άνιον n. ‘Stab, Zepter’ (Ν 59, Σ 247, Kall. Fr. anon. 48, AP), σκαπάνιον· βακτηρία, ἄλλοι σκίπωνα H. 3. σκᾶπτον n. (dor.) ‘ds.’ (Pi.), ion. att. σκῆπτον in σκηπτ-οῦχος ‘Stab-, Zepterträger’ = ‘Herrscher’ (Hom. u. a.), bei den Persern u. anderen asiat. Völkern Inhaber eines hohen Hofamts (Semon., X u. a.) mit -ία f. (A. u. a.). 4. σκῆπτρον n. ‘ds.’ (ep. poet. seit Il.; wie βάκτρον u. a., Schwyzer 532 m. Lit., Chantraine Form. 331); zur Bed. usw. noch Combellack ClassJourn. 43, 209ff., Gatti Acme 2 : 3, 23 ff. Für sich, mit abweichender Bed. 5. σκηπτός m. ‘Donnerkeil, Blitz, plötzlich hereinbrechender Sturmwind’ (Trag., X., D., Arist. u. a.); vgl. φρυκτός, στρεπ-τός; s. auch unten. — Zu σκήπτω : σκῆψαι : σκᾶπος vgl. z.B. κόπτω : κόψαι : κόπος, τύπτω : τύψαι : τύπος. Das Jotpräsens σκήπτω ist formal als Ableitung eines Nomens σκᾶπος (*σκά̄ψ?) ‘Stock’ leicht verständlich; somit eig. *’mit dem Stock hantieren, stützend, treibend oder schwingend’ (Walde LEW2 s. scāpus, Persson Beitr. 2, 941, WP. 2, 561)?; semantisch möglich, wenn auch nicht unmittelbar einleuchtend. Dann wären nicht nur σκᾶπος, sondern auch σκηπάνη, -άνιον, σκᾶπτον und σκῆπτρον bei den s. σκάπτω besprochenen vielgestaltigen Ausdrücken für ‘schaben, hauen, graben usw.’ unterzubringen; nur für σκηπτός (wie für σκῆψις, σκῆμμα) wäre wegen der Bed. von dem denominativen σκήπτω (sogar vom Präsensstamm?) auszugehen. Im Sinn von ’ἄνεμος ποιός’ (H.) wäre σκᾶπος von σκηπτός beeinflußt (oder damit vermischt?) worden. Ein primäres σκήπτω der Bed. ‘stützen, sich mit Nachdruck auf etw. werfen, schleudern’ (wovon dann σκᾶπος als *’Stütze’ usw.) würde anderseits ohne außergriech. Anhalt sein. Das griech. System mit durchgehender Hochstufe ist sowieso eine Neuerung; die für σκᾶπτον, σκῆπτ(ρ)ον erwartete Tiefstufe kann im germ. Wort für ‘Schaft, Speer, Lanze’, ahd. skaft m., awno. skapt n. u. a., vorliegen; vgl. anal. πηκτός gegenüber altem. ion. πᾰκτόω (s. πήγνυμι). — Mit σκᾶπος lassen sich lat. scāpus ‘Schaft, Stiel, Stengel, Stamm’ und alb. shkop ‘Stock, Zepter’ gleichsetzen. Andere langvokalige Formen, fürs Griech. ohne Interesse, sind: mit ō lat. scōpa ‘dünner Zweig’, scōpiō ‘der Stiel, an dem die Beeren der Weintrauben hängen’; mit ē kslav. štapъ ‘Stock’; unklar lett. šk̨èps ‘Speer, Spieß’ (vgl. Vasmer s. štap; anders W. Hofmann s. scāpus). Weiteres reiches Material mit z.T. hypothetischen oder fragwürdigen Kombinationen und ausführl. Lit. bei WP. 2, 561 f., Pok. 932; zum Griech. bes. Solmsen Wortforsch. 206 ff. — Vgl. σκίπων und σκίμπτομαι. II-728-729
σκηρίπτομαι ‘sich stützen, sich stemmen’ (Od., Nik., Ph.), Akt. (sekundär, Wackernagel Unt. 131) σκηρίπτω ‘stützen, stemmen’ (A. R.), δια- ~ (AP), ἐπι- ~ (H. zu ἐπισκή-πτω); nur Präs. — Expressive Kreuzung von σκήπτομαι und στηρίξασθαι, ἐστήρικται (Präs. στηρίζομαι, -ω erst Trag.); Wackernagel a. O. A. 1, McKenzie Class Quart. 15, 47. Das Suppletivpaar σκηρίπτομαι : στηρίξασθαι diente auch einer euphonischen Dissimilation von sonst eintretenden *στηρίπτομαι : *σκηρίξασθαι; vgl. Bechtel Lex. s. v., auch Schwyzer 644 m. A. 2. — Vgl. σκηνίπτω. II-729-730
σκιά, ion. -ιή f. ‘Schatten’ (seit Od.), auch ‘bunter Saum od. Besatz eines Kleids’ (hell. Inschr. u. Pap., Men.; Wilhelm Glotta 14, 82 f.). Zahlreiche Kompp., z.B. σκια-τροφέω, -έομαι (ion. σκιη-), att. usw. auch ~ -τραφέω, -έομαι (: σκια-τραφής wie εὐτραφής u. a.; zu τραφῆναι) ‘im Schatten, im Hause leben od. erziehen, verzärtelt aufwachsen’ (ion. att.; nach βου-κολέω u. a., Schwyzer 726); βαθύ-σκιος ‘mit tiefem Schatten, tief beschattet’ (h. Merc. u. a.), κατά-, ἐπί-σκιος u. a. neben κατα-, ἐπι-σκιάζω; zu δολιχό-σκιος s. δολιχός (nach einer anderen Auffassung [Prellwitz, auch Treu Von Homer zur Lyrik 119 f. m. A. 1 mit Leumann] ‘langeschig’). Davon 1. σκιάς, -άδος f. ‘Schattendach, Zeltdach, Pavillon’, auch N. der θόλος in Athen usw. (Eup., Theok., att. Inschr. u.a.). 2. σκιάδ-ιον n. ‘Sonnenschirm’ (Kom., Thphr. u. a.). 3. -ίσκη f. ‘ds.’ (Anakr.). 4. σκί-αινα f. (Arist.), -αινίς f. (Gal.; v. l. σκινίς). -αδεύς m. (hell. u. sp.) Fischn. (nach der dunklen Farbe, Strömberg 27, s. auch Thompson Fishes s. σκίαινα; vgl. Bosshardt 69; nicht richtig Fraenkel Nom. ag. 2, 178 A. 3); dazu σκιαθίς ‘ds.’ (Epich.), vom Inselnamen Σκίαθος? (Strömberg a. O.). 5. σκι-όεις ‘schattenreich, Schatten werfend, beschattet’ (ep. poet. seit Il.; vom Metrum begünstigt, Schwyzer 527 m. Lit., Sjölund Metr. Kürzung 149); -άεις (Hdn.; auch Pi. Pae. 6, 17?). 6. -ερός, auch -αρός ‘ds.’ (vorw. ep. poet. seit Λ 480; Schwyzer 482 m. A. 8 u. Lit., Chantraine Form. 230). 7. -ώδης ‘schattig, flnster’ (Hp., E., Arist. u. a.). 8. -ακός ‘mit Schatten versehen’ (ὡρολόγιον Pergam. IIa; Hdn.). 9. -ωτός ‘mit einem Saum. (σκιά) versehen’ (Peripl. M. Rubr., Pap.). — 10. Denom. Verb σκιάω (Od., hell. u. sp. Epik), σκιάζω (ion. att.), σκιάσαι (seit Φ 232; nach ἐλᾰ́-σαι u.a., Chantraine Gramm. hom. 1, 410; metrisch ausgenutzt, s. Debrunner REIE 1, 3), Fut. att. σκιῶ, sp. σκιάσω, Perf. Pass. ἐσκίασμαι (Semon., S. u. a.), Aor. σκιασθῆναι (E., Pl., Arist.), auch m. ἐπι-, κατα-, συν-, περι-, ἀπο-, ‘beschatten, überschatten, in Dunkel hüllen’ (zur Bed. Radermacher Festschr. Kretschmer 163 ff.); davon (ὑπο-, συ-)σκίασις, (ἐπι- usw.)σκιασμός, (ἐπι- usw.)σκίασμα, σκιασ-τής, -τικός (fast ausnahmslos spät); als Rückbildungen fungieren die Bahuvrihi κατα-, ἐπί-σκιος u. a. — Zu σκιά nebst Ableitungen bei Homer und in der äol. Lyrik Treu Von Homer zur Lyrik 115ff., 213ff. (für Hom. nicht überzeugend). — Altes Wort für ‘Schatten’, das sich mit alb. hije, toch. B skiyo ‘ds.’ als idg. *sḱii̯ā identifizieren läßt (Jokl Untersuchungen 63ff. mit Meyer, vgl. Mann Lang. 28, 39; v. Windeken Orbis 12, 193 mit Couvreur Arch. Or. 18, 128). Daneben im Indoiran. mit Dehnstufe aind. chāyā́ f. ‘Schatten’, auch ‘Abbild, Abglanz, Schimmer’, npers. sāya ‘Schatten’ (aw. a-saya- ‘der keinen Schatten wirft’ : ἄ-σκιος) und mit unklarer Grundform lett. sejs ‘ds.’ (Endzelin Zeitschr. slav. Phil. 16, 113f.). Das Wort flektierte ursprünglich mit Ablaut, etwa *sḱā́[i]-i̯ə, Gen. *sḱi-i̯ā́-s (vgl. zu γλῶσσα). Die Ansetzung von idg. ā[i] : i ruht ausschließlich auf der Verbindung mit σκηνή, dor. σκᾱνά̄ ‘Zelt’; s. d. — Ein n-Suffix erscheint noch im Slavischen, z.B. aksl. sěnь, russ. sénь f. ‘Schatten’ mit mehrdeutigem Vokal (idg. ē, oi, ai, əi), ebenso nach Jokl a. O. in den sehr verwickelten alban. Formen, z.B. hē, (h)ona; dazu mit r-n-Wechsel σκιερός, σκιαρός (Benveniste Origines 14)? Mit t-Suffix air. scāth ‘Schatten’ (nach Vendryes Ét. celt. 7, 438 mit Fick); anders s. σκότος. — Ob das einmalige σκαιός ‘schattig’ (Nik. Th. 660) und σκοιός bei H. (σκοιά· σκοτεινά, σκοιόν· ... σύσκιον) als Vertreter eines noch im Griech. bestehenden Ablautwechsels zu verwerten sind (Solmsen Unt. 278 A. 2 [S. 279f.]), sei dahingestellt. Über weitere Anknüpfungen s. σκίρον und WP. 2, 535f., Pok. 917 f.; auch Specht Ursprung 13, 143 u. 245 (abzulehnen). — Zu σκίουρος s. bes. II-730-731
σκιδάφη, σκίνδαφος s. κίδαφος. II-731
σκίδνημι s. σκεδάννυμι. II-731
σκίλλα f. ‘Meerzwiebel’ (Thgn., Hippon., Arist. usw.) mit σκιλλ-ίτης (οἶνος Ps.-Afric., Colum.; Redard 99), -ιτικός (ὄξος Dsk. u. a.), -ινος ‘aus σ.’ (Dsk. u. a.), -ώδης ’σ.-ähnlich’ (Thphr. u. a.). — Unerklärtes Fremdwort; abzulehnen Carnoy REGr. 69, 288 und Ant. class. 24, 23. Lat. LW scilla. II-731
σκιμᾱλίζω (Ar. Ach. 444, Pax 549, D.L. 7, 17), nach den Gramm. (Moer., Phryn., H.) = καταδακτυλίζω; nach Sch. Pax a. O. ‘den Mittelfinger emporhalten’ (sens. obsc.). Daneben σκίμαλλος (PLond. = Aegyptus 6, 194), wahrsch. Bez. eines Fingers. — Bildung wie κόβαλος, σκίταλος und andere Komödienwörter (vgl. Björck Alpha impurum 46f., 259f.); sonst unerklärt. — In gleicher od. ähnlicher Bed. σκινθαρίζω (σκανθ- Poll.), σκινδαρ-εύεσθαι, -ίσαι H., der auch die Nomina σκίνδαρος, -ριος registriert. II-731
σκιμβός = χωλός, σκαμβός (H., Sch. Ar. Nu. 254) mit σκιμβάζει· χωλεύει (Ar. Fr. 853, H.), wozu σκιμβασμός· φιλήματος εἶδος H. Semantisch unklar σκιμβάδες· ὕλη εὔθετος εἰς τοίχων ἐπίθεσιν, σκέπης χάριν H. Anscheinend primär σκίψαι· ὀκλάσαι. ’Αχαιοί H. — Ohne σ-: κιμβάζει· στραγγεύεται (στρατ- cod.) H.; ὀκιμ-βάζειν (ὀ- von ὀκλάζειν?)· διατρίβειν καὶ στραγγεύεσθαι (στρατ-cod.) H. (Phot.). — Volkstümliche Wörter, die sich einer genauen Analyse entziehen; vgl. σκαμβός mit weiteren Einzelheiten. Idg. Etymologie (germ., z.B. awno. skeifr ‘schief’, lett. šḱībs ‘ds.’) bei WP. 2, 546 (m. Lit.), Pok. 922; dazu Schwyzer 275 und 352. Weitgreifende Kombinationen bei Specht Ursprung 262 f. II-732
σκίμπους, -ποδος m. ‘niedriges Bett(gestell)’ (Ar., Pl., X., Gal.) mit -πόδιον n. (mittl. Kom., Luk.). — Seit Fick KZ 22, 100 als *σκιμπέ-πους eig. *Stützefuß’ erklärt; zu σκίμπτομαι. Schwyzer 263 erwägt, gleich wahrscheinlich, Anschluß an σκιμβός. II-732
σκίμπτομαι (Kall. POxy. 2080, 49 [σ]κιμπ[τόμενο]ν. H. auch Akt. σκίμπτει), Aor. σκίμψασθαι (Pi.), Pass. σκιμφθῆναι (Hp.), Perf. Pass. ἀπ-εσκίμφθαι (Pi.), meist mit ἐν(ι)- : ἐν(ι)-σκίμψαι (P 437, Pi., A. R., Nik.), -σκιμφθῆναι (Π 612 = Ρ 528) ‘werfen, schleudern, sich hinwerfen, hinstürzen, (sich) stemmen’; κίμψαντες· ἐρείσαντες, στηρίξαντες H. Einzelheiten bei Solmsen Wortforsch. 206f.; s. auch Bechtel Dial.3, 331 (z.T. abweichend). — Ep. poet. Verb, einerseits an σκήπτω (-ομαι), anderseits an χρίμπτω (-ομαι) erinnernd (vgl. Nik. Th. 336 ἐνι-σκίμψῃ mit vv. ll. -χρίμψῃ und -σκήψῃ), vielleicht durch Kreuzung von beiden entstanden (vgl. Güntert Reimwortbildungen 29). Gewöhnlich mit σκίπων verbunden (s. d.). II-732
σκίναξ, -ᾰκος m. Bez. bzw. Beiwort des Hasen, λαγωός (Nik.). — Unerklärt. Oft mit κίνδαξ (s. d.) verglichen; somit für *κίναξ mit hyperkorrektem σκ- zu κινέω, κίνυμαι? II-732
σκίναρ n. ‘Körper, Leib’ (Nik. Th. 694). — Isoliert. Von Bq u. a. mit σκῆνος ‘Körper’ (s. σκηνή) verbunden. II-732
σκινδάλαμος, -δαλμός s. σχίζω. II-732
σκινδάριον n. N. eines unbek. Fisches (Anaxandr. 27, 4). — Für *σκινιδάριον von σκινίς (Gal. v. l.) = σκιαινίς (s. σκιά)? Fraenkel Nom.. ag. 2, 177 f. (m. Lit.); s. noch Hiersche Ten. aspiratae 216. II-732
σκινδαψός m. N. eines viersaitigen Musikinstruments mit dornenartigen Anhängseln (mittl. Kom. u. a.), auch Bez. für ein sinnloses Wort (Artem., S.E. u.a.); N. einer efeuähnlichen Pflanze (Klitarch.; vgl. Dawkins JHSt. 56, 9 f.). Davon σκινδαψιζόμενος (σφυγμός) ‘wie ein σ. vibrierend’ (Gal.). Ohne anl. σ- : κινδαψός (Timo, H.). — Ausgang wie die semantisch ganz fernstehenden λυκ-αψός, χορδ-αψός (s. λύκος und χορδή); im übrigen unklares Fremdwort wie κιθάρα, βάρβιτος und viele andere Instrumentbezeichnungen. Hypothetische Vermutungen bei Stephanides PhilWoch. 50, 1438 ff. II-732-733
σκίουρος m. ‘Eichhörnchen’ (Opp., Plin.). — Eig. "sich mit dem Schwanze Schatten machend", Bahuvrihi von σκιά und οὐρά (zuletzt Solmsen IF 30, 9 f. m. A. 1). Verfehlte Erklärungen bei Bq (abgelehnt). — Daraus mlat. *scuriolus in frz. écureuil, engl. squirrdl usw. II-733
σκῑ́πων, -ωνος vv. ll. σκήπων (nach σκῆπτρον u. a.), σκίμπων (nach σκίμπτομαι). m. ‘Stab, Stock’, auch ‘Krücke’ (Hdt. 4, 172, Kratin. [lyr.], Ar. [anap.], E. [anap.], Kall., AP; Hp., Epid. IVa); Als Hinterglied u. a. in ἀ-σκίπων ‘stablos’ (AP). — Ion.-poet. Wort, wie κύφων, δόλων und andere Gerätenamen (Chantraine Form. 161f.) gebildet und bis auf die Bildung mit lat. scīpiō, -ōnis m. ‘Stab’ (als Zeichen der Macht und Würde wie σκῆπτρον) identisch. Die weitere Ähnlichkeit mit σκηπάνιον, σκῆπτρον u. Verw. (s. σκήπτομαι) ist längst beobachtet worden; zur daraus erschlossenen hypothetischen Wurzel od. Wurzelvariation skāp- (skā[i]p-) : skīp- Solmsen Wortforsch. 206 ff. Weitere Kombinationen mit reichem Material und Lit. bei WP. 2, 545 u. 559ff., Pok. 922 u. 930ff. Nach üblicher Annahme (Fick, Curtius, Solmsen usw.) hierher auch als (denominatives?) Nasalpräsens σκίμπτομαι (wie σκήπτομαι zu σκᾶπος); eine andere Hypothese s.v. In Betracht kommt noch das semantisch nicht ganz eindeutige σκοῖπος· ἡ ἐξοχὴ τῶν ξύλων, ἐφ’ ὧν εἰσι οἱ κέραμοι H., wohl von den Grundbalken, auf denen die Ziegel ruhen. II-733
σκῐ́ραφος m. Bed. unsicher; bei Hippon. 86 = 129 a Masson (pl.) als ‘Betrügereien’ erklärt; nach Hdn. 1, 225, 13 = ἀκό-λαστος καὶ κυβευτής (2, 581, 27 ἀ. κ. κυβιστής), nach EM 717, 28 = ὄργανον κυβευτικόν (als alternative Vermutung). Davon σκιραφ-εῖον (-ιον) n. ‘Spielhaus’ (Isok., Theopomp. Hist.), -ευτής m. ‘Würfelspieler’ (Amphis 25), -ώδης ‘trügerisch’ (AB). — Schon wegen der unklaren Bed. ohne überzeugende Etymologie. Nach Hdn. ll. cc. ἀπὸ τῶν ἐν Σκίρῳ (Vorstadt Athens [s. σκίρον], als Aufenthaltsort der Dirnen und Spieler bekannt) διατριβόντων. Ob Nebenform zu κίραφος = ἀλώπηξ? Vgl. ἀλωπεκίζειν· ἀπατᾶν H. und Schrader-Nehring Reallex. 1, 337. II-733
σκίρον n. Bez. eines weißen Sonnenschirms oder Baldachins, der bei Prozessionen von der Akropolis nach einem Σκῖρον (Σκίρον) benannten Orte (später einer Vorstadt Athens) an der heiligen Straße nach Eleusis zu Ehren der Athena (Skiras) und anderer Göttinnen und Götter getragen wurde (Lysimachid., Sch. Ar. Ek. 18); pl. Σκίρα N. eines Frauenfestes zu Ehren der Demeter, der Kore und der Athena Polias (Ar., Inschr. u. a.). Als Vorderglied in Σκιρο-φόρια n. pl. ‘ds.’ (H., Phot., Suid.); davon Σκιροφοριών, -ῶνος m. att. Monatsname (Juni-Juli; Antipho, Inschr. usw.). — Nicht sicher erklärt. Seit langem (s. Curtius 168) mit σκιά verbunden, semantisch natürlich einwandfrei. Es muß sich aber dann um eine sehr alte, von σκιά unabhängige Bildung handeln, die sich formal mit alb. hir ‘Gnade Gottes’ (Jokl Untersuchungen 67 nach Bugge) und bis auf die Vokallänge mit einem germ. Adj. für ‘klar, glänzend, hell’, z.B. got. skeirs, awno. skīrr, nhd. schier deckt (dazu noch mit anderen Suffixen nhd. Schemen ‘Schattenbild’, mhd. scheim ‘Glanz, Schimmer’, nhd. scheinen usw. usw.), Grundbed. ‘(gedämpft) schimmern, Abglanz’ (WP. 2, 535f., Pok. 917f.); vgl. zu σκιά. — Die Deutung von σκίρον als ‘Sonnenschirm’ wird indessen von Deubner Att. Feste 40ff. als eine späte Gelehrtenkonstruktion verworfen. Er sieht in den σκίρα (urspr. Bed. unsicher) verschiedene Gegenstände (Ferkel, Nachbildungen von Phallen usw.), die an dem betreffenden Feste als Opfergaben in unterirdische Hohlräume, die sog. μέγαρα, hinabgeworfen wurden, um dann an den Thesmophorien wieder heraufgebracht zu werden (s. auch Nilsson Gr. Rel. 12, 119 u. 469); eine in mehrfacher Hinsicht anfechtbare Hypothese. II-734
σκῖρος (-ρρ-, auch σκῦρ-); σκῖρος m., -ον n. ‘Kruste, Rinde, Käserinde, festgewordener Schmutz’ (Kom.); auch ‘harte, weiße Materie, Gips’ (Sch. Ar. V. 921, Suid.), in dieser Bed. auch σκίρρα (Suid.), γῆ σκιρράς (Sch. Ar. V. 921), m. ‘Verhärtung, Schwiele, harte Geschwulst’ (Mediz.), ‘harter, struppiger Boden, Gestrüpp’ (Tab. Heracl.), σκιρρίτης m. ‘Gipsarbeiter’ (Zonar., Redard 36). — Abstraktbildung σκιρρ-ίη f. ‘Verhärtung’ (Aret.; Scheller 56), ἀκροσκιρ-ίαι f. pl. ‘hochgelegenes struppiges Gelände’ (Tab. Heracl.); Adj. σκιρ(ρ)-ός ‘hart’ (Plu., Them. u. a.), -ώδης ‘schwielig’ (Gall., Poll.); Verb -όομαι, auch m. έπι- u. a., ‘hart werden, sich verhärten, einwurzeln’ (Sophr., Mediz.) mit -ωμα n. ‘Verhärtung’ (Dsk.). -ωσις f. ‘ds.’ (Sor., Gal.). — Unerklärt. Vgl. σκῦρος. II-734
σκιρτάω (-έω Opp.), nur Präs. u. Ipf., ‘springen, hüpfen’ (vorw. ep. poet. seit Υ 226, 228, auch sp. Prosa). auch m. Präfix (fast nur sp.), z.B. ἀνα-, ἐπι-, κατα-, Davon σκίρτ-ημα n. ‘Sprung’ (A., E. u. a.), -ησις f. ‘das Springen’ (Plu.), -ηθμός m. ‘ds.’, -ητής m. ‘Springer, Tänzer’ (Mosch., Orph. u. a.), -ητικός (Plu., Corn.); Σκίρτος m. Satyrname (Rückbildung; AP, Nonn. u. a.), -τών, -τῶνος m. ‘Ausgelassener’ (Eun.). — Iterativintensive Bildung auf -τάω zu σκαίρω (s. d.). Dabei fungiert der ι-Vokal als sekundär entstandene Schwundstufe (vgl. die untereinander ungleichartigen Fälle bei Schwyzer 352 m. Lit.). II-734-735
Σκίτᾱλοι n. pl. Ben. böser Genien (Ar. Eq. 634). — Vielleicht scherzhafte Augenblicksbildung von Σκίτων N. eines Walkers (Pherekr. 232; vgl. Sch. Ar. z. St. und H. s. v.). Pelasgische Erklärung bei v. Windekens Sprache 4, 138. II-735
σκληρός, σκληφρός s. σκέλλομαι. II-735
σκνιπός, σκνίψ s. κνίψ. II-735
σκόλλυς, -υος m. Bez. eines Haarschnitts, wobei man auf dem Scheitel einen Schopf stehen ließ (Pamphil. ap. Ath. 11, 494 f., Dsk., H., Poll. u. a.). — Wohl Kurzform mit hypokoristischer Gemination; s. σκολύπτειν. Nach Specht Glotta 31, 128 (s. auch Gaya Nuño Emer. 19, 232 ff.) hierher noch στόλοκρον· τὸ περικεκομμένον τὰς κόμας κτλ., aus *σκόλ- dissimiliert; dazu noch lat. calvus (?). Vgl. σκόλυμος. II-735
σκολόπαξ, -ακος m. (Arist.) N. eines Vogels, der gewöhnlich mit ἀσκαλώπας (-πᾶς?) m. (Arist.) identifiziert und als ‘Waldschnepfe, Scolopax rusticola’ erklärt wird; vgl. Thompson Birds s. vv. — Zu σκόλοψ ‘Pfahl’ (mit Bez. auf den langen Schnabel der Schnepfe), entweder als damit verwandt oder volksetymologisch daran angeglichen. Zum Anlaut und Auslaut vgl. z.B. ἀσπάλαξ neben σπάλαξ (Chantraine Form. 378); ἀσκαλώπας (-πᾶς?) wie κελαινώπας (S. in lyr.), βύας, ἀτταγᾶς; der Stammvokal nach σκάλλω. II-735
σκολόπενδρα f. ‘Tausendfuß, Assel’, auch N. eines Seetieres (Arist. usw.). Davon σκολόπενδρ-ον (Thphr.), -ιον (Dsk.) n. Pflanzennamen (wegen der Form der Blätter; Strömberg Pfl. 42), -ώδης ‘einer σ. ähnlich’ (Str.). — Fremdwort ohne Etymologie. Das betreffende Tier wird bei Thphr. HP 7, 11 σκολοπία genannt; somit Angleichung an σκόλοφ, σκάλοψ? II-735
σκόλοψ, -οπος m. ‘Spitzpfahl, Palisade, Stachel’ (ep. ion. poet. seit Il., hell. u. sp. Prosa; att. χάραξ, σταυρός, -ωμα). Davon das Demin. σκολόπ-ιον n. (Antyll. ap. Orib.), -ηὶς μοῖρα ‘das Schicksal, gepfählt zu werden’ (Man.; nach βασιλ-ηΐς u.a.); -ίζω ‘mit σ. versehen’ (Stad.) mit -ισμός m. ‘das Pfählen, Spießen’ (Vett. Val.); oft mit ἀνα- ‘auf einen Pfahl stecken, aufpfählen’ (Hdt. u. a.) mit -ισις f. (Sch., Eust.), ἀπο ~ ‘die Pfähle entfernen’ (Aq.). Auch σκόλοφρον· θρανίον H. (nach δίφρος); vgl. σκόλυθρον. — Letzten Endes zur großen Sippe von σκάλλω (s. d.). Da der Labial zum Stamm gehören kann, läßt sich σκόλοψ zunächst mit lat. scalpō ‘kratzen, mit einem scharfen Werkzeug schneiden usw.’ verbinden; dazu gesellen sich verschiedene Wörter mit wechselnder Bed., z. T. auch mit schwankender Form, z.B. ahd. scelifa ‘häutige Schale’, lit. sklem̃pti, sklem̃bti ‘glatt hobeln, schräg schneiden. spitzen’ u. a. m., s. Bq s. σκάλοψ, WP. 2, 595, Pok. 926, W.-Hofmann s. scalpō. Die Zweisilbigkeit von σκόλοψ ist eher auf Anschluß an die Nomina auf -οψ (eine Lautfolge *-ολψ od. *-ορψ ist dem Griech. unbekannt) als mit Bechtel Lex. s. v. auf eine zweisilbige Wz.form zurückzuführen. — Neben σκόλοψ steht in ganz anderer Bed. σκάλοψ, -οπος m. ‘Maulwurf’ (Ar. Ach. 879; auch Kratin. 93 [-ωψ]) mit σκαλοπία f. ‘Maulwurfsgang’ (Thphr. HP 7, 12, 3; überl. σκολ-, s. Scheller Oxytonierung 47 f.), offenbar von σκάλλω mit dem in Tiernamen gewöhnlichen οπ-Suffix (Hinterglied); es kann sich aber dabei um eine volksetym. Zurechtlegung des undurchsichtigen σπάλαξ (s. ἀσπάλαξ mit einer ganz hypothetischen Etym.) handeln; s. Grégoire Byzantion 32, 32ff. II-735-736
σκολύθριον n. (Pl. Euthd. 278 b, Poll.), — Demin. von *σκόλυθρον, in σ-loser Form od. durch Textverderbnis κόλυθρον n. ‘Schemel’ (Telekl.). Adj. σκόλυθρος ‘niedrig’ (H., Phot., Suid.), viell. aus dem Subst. falsch erschlossen; vgl. σκολύθρων· ταπεινῶν. ἀπὸ σκολύθρων δίφρων H. (urspr. appositiv?). — Gerätename auf -θρον (Chantraine Form. 373f.; od. auch -θλον dissim.?); s. zu σκολύπτειν. II-736
σκόλυμος (f., -ον n.) m. N. einer Distelart mit eßbarem Blumenboden, ‘Scolymus hispanicus, Artischocke, Cynara scolymus’ (Hes., Alk., Arist. usw.; zur Begriffsbestimmung Dawkins JHSt. 56, 6); σκολυμ-ώδης ’σ.-ähnlich’ (Thphr.). — Unerklärt. Zur Bildung vgl. ἔλυμος und die zahlreichen Pflanzennamen auf -αμος, -αμον, z.B. κύαμος, βάλσαμον, die meist Lehnwörter ohne Etymologie sind. Hypothesen von Groselj Živa Ant. 4, 175 (zu σκόλλυς), von Carnoy RÉGr. 69, 287 (zu idg. sqel-’schneiden’) und von v. Windekens Le Pélasgique 136 (pelasgisch). — Das anklingende σκόλυβος· ὁ ἐσθιόμενος βολβός H. ist von βολβός und anderen Pfl.namen auf -βος beeinflußt (nach Specht Ursprung 267 alter Wechsel μ ~ β; abzulehnen). II-736
σκολύπτειν · ἐκτίλλειν, κολούειν; σκολύψαι· κολοῦσαι, κολοβῶσαι; ἀνασκολύψας· γυμνώσας H.; öfter mit ἀπο- ‘abhäuten, ab- streifen, beschneiden’ (Archil. 124, S. Fr. 423, Ael. Dion. u.a.); Einzelheiten bei Debrunner IF 21, 212 und Pearson zur Soph.st. — Bildung wie δρύπτω, καλύπτω (schwerlich denominativ mit Schwyzer 705); volkstümlichexpressiv zur Sippe von σκάλλω (s. d.). Das formal anklingende σκολύφρα· σκυθρωπή, σκληρά, ἐργώδης, δυσχερής liegt begrifflich fern. —Eine verwandte Bildung scheint in σκόλυθρον enthalten zu sein (s. d.). II-737
σκόμβρος m. ‘Makrele’ (Epich., Ar., Arist. u. a.). Demin. σκομβρίδες· ἰχθύες H.; auch Arist. HA 543 b 5 (v. l. σκορπίδες). Daneben, anscheinend denominativ, σκομβρίσαι· γογγύσαι. καὶ παιδιᾶς ἀσελγοῦς εἶδος; auch σκομβρίζειν als Erkl. von ῥαθαπυγίζειν H. — Unerklärt. Wegen des Verbs σκομβρίζειν, das einen Laut auszudrücken scheint, will Strömberg Fischnamen 73 f. auch σκόμβρος als eine Lautbezeichnung betrachten und mit κόμβησαν (s. κόμβα) und κόμπος verbinden; mehr als ungewiß. Russ. skomlítь ‘leise weinen’ usw. (Prellwitz s.v.) bleibt gewiß fern; s. Vasmer s.v. — Lat. LW scomber, russ. LW skúmbrija (aus ngr. σκουμβρί, pl. -ιά) usw.; s. Thompson Fishes und Vasmer s. v. II-737
σκόπελος m. ‘Klippe, Fels, Bergspitze’ (vorw. ep. poet. seit Β 396), ‘Warte, Wartturm’ (Pap.), -ον n. ‘Erdwall, Hügel’ (LXX). Davon σκοπελ-ίζω ‘eine Warte einrichten’ mit -ισμός m. (Ulp. in Dig.). — Die mutmaßlich spätere Bed. ‘Warte, Wartturm’ wurde offenbar durch die Assoziation mit σκοπ-ός, -ιά, -έω veranlaßt, aber auch im. Sinn von ‘Klippe, Fels’ hat man seit dem Altertum das Wort mit σκοπός, -έω verbunden und als "Warte" gedeutet, eine Etymologie, die wegen ihrer guten Verankerung im griech. Wortschatz vor der Anknüpfung an idg. sqep- ‘schneiden’ (Solmsen Wortforsch. 210 f.; vgl. σκέπαρνος und κόπτω) den Vorzug zu verdienen scheint. Vgl. noch Chantraine Form. 244 m. Lit. — Ein entsprechendes illyr. *skapela- ‘Klippe’ will Krahe PBBeitr. 69, 486 ff. im Flußnamen Schefflenz (ahd. Scaflenza aus *Scapi-lantia) erkennen; vgl. dazu Porzig Gliederung 150 f. Lat. LW scopulus. II-737
σκοπέω, σκοπιά, σκοπός s. σκέπτομαι. II-737
σκορακίζω s. κόραξ. II-737
σκορδῐνάομαι, ion. -έομαι ‘sich schlaftrunken ausstrecken, sich recken, gähnen’ (Hp., Ar., Poll.) mit σκορδίν-ημα n. (κορδ- v. l. Erot.), -ησμός m. (Hp., Gal.). — Der Bed. nach am ehesten iterativ-intensiv, scheint σκορδινάομαι, -έομαι zunächst ein Nomen *σκόρδινον, -ος vorauszusetzen. Eine kürzere Form kann in σκορδάζειν· σπᾶσθαι H. erhalten sein. Im übrigen dunkel; gewöhnlich zu κόρδαξ, κραδάω (s. dd.) gezogen. II-737-738
σκόροδον (Miletos VIa, ion., Kom., Thphr. u. a.), hell. u. sp. auch (mit Dissim.; Schwyzer 259) σκόρδον n. ‘Knoblauch, Allium sativum’. Einige Kompp., z.B. σκοροδ-άλμη f. ‘salzige Knoblauchbrühe’ (Kom.; Risch IF 59, 58), ὀφιο-σκόρ(ο)δον n. Art wilder Knoblauch (Gal., Ps.-Dsk.; Strömberg Pflanzennamen 33). Davon σκορόδ-ιον n., -ίζω ‘mit K. füttern od. würzen’ (Kom.), -οῦν· συνουσιάζειν H.; zur Bed. Specht KZ 62, 215. — Die Ähnlichkeit mit alb. hurdhë, sekund. hudhërë ‘Knoblauch’ (alb. u alter Reduktionsvokal) ist längst beobachtet worden, s. Jokl Festschr. Kretschmer 78ff. m. wichtigen Einzelheiten. Bei weiterer Anknüpfung an sqer-d-’schneiden’ (s. κείρω; nach den gespaltenen Wurzelknollen; Jokl a. O., v. Blumenthal Hesychst. 17) müßte ο in -ροδ- sekundär sein. Abzulehnen WP. 2, 587 (nach Fick 1, 144): zu sḱer- ‘cacare’ (als Brechmittel). — Über andere Ben. der Zwiebel und des Knoblauchs s. κρόμμυον und πράσον; auch βολβός. II-738
σκορπίος m. ‘Skorpion’ (seit A. Fr. 169 = 368M.); oft übertr. u. zw. als Ben. eines Fisches (Kom., Arist u.a.; nach den Giftstacheln, Strömberg 124 f., Thompson Fishes s.v.; auch σκόρπ-αινα, -ίς, s. u.); einer Pflanze (Thphr.; Strömberg Theophrastea 50f.); eines Sternbildes (Kleostrat., hell.; Scherer Gestirnn. 170); einer Kriegsmaschine zum Abschießen von Pfeilen (Hero u. a.; davon σκορπίζω, s. u.); eines Steins (Orph.; auch σκορπῖτις, -ίτης). Als Vorderglied z.B. in σκορπί-ουρος (-ον) Pflanzenn. (Dsk.). Mehrere Ableitungen. 1. Subst.: σκορπ-ίον n. Pflanzenn. (Dsk.), -ίδιον n. ‘kleine Wurfmaschine’ (Plb., LXX), -ίς f. (Arist.), -αινα f. (Ath.) Fischn. (s. ob.); -ῖτις f., -ίτης m. N. eines Steins (Plin., sp. Pap.; nach Farbe und Gestalt, Redard 61); -ιών, -ιῶνος m. Monatsname in Alexandria (Ptol.). 2. Adj.: σκορπ-ιώδης ‘dem S. ähnlich’ (Arist., Ph. u. a.), -ήϊος.. -ειος ‘zum S. gehörig’ (Orph., Man.), -ιόεις ‘ds.’ (Nik.), -ιακός ‘ds.’ (Mediz.), -ιανός ‘unter dem S. geboren’ (Astr.). 3. Verba: σκορπ-ίζω, auch m. δια- u.a., ‘zerstreuen’ (Hekat.[?], hell. u. sp.), -ιαίνομαι ‘in Wut geraten’ (Prokop.), -ιοῦται· ἀγριαίνεται, ἐρεθίζεται H. — Da der Skorpion den warmen Ländern angehört und oberhalb des 40. Grades nördl. Breite nicht heimisch ist, spricht alles für Entlehnung aus einer Mittelmeersprache. — Gewohnlich mit Persson Stud. 57 u. 168, Beitr. 2, 861 als idg. zu einem Wort für ‘schaben, kratzen usw.’ gezogen mit mehreren Vertretern namentlich im Germ., z.B. ags. sceorfan ‘schürfen’, scearfian, ahd. scarbōn ‘schaben, zerreißen’ (idg. ser-p-), ags. sceorpan ‘kratzen, reizen’ (idg. sqer-b-); dazu lett. šḱērpêt ‘Rasen schneiden’ u. a. m.; s. WP. 2, 581 ff., Pok. 943 f. — Lat. LW scorpius, -iō, russ. LW skórpij. II-738-739
σκότος auch n. (seit Va; nach φῶς u. a., ausführlich Egli Heteroklisie 64 f.) m., ‘Finsternis, Dunkel’, auch vom Dunkel vor den Augen = ‘Schwindel’ (seit Il.). Einige Kompp., z.B. σκοτο-μήν-ιος "den Mond in Dunkel habend", ‘mondfinster, mondlos’, Beiwort von νύξ (ξ 457), Univerbierung von σκότος und μήν(η); daneben das Abstraktum σκοτο-μην-ία f. ‘Mondlosigkeit, mondlose Nacht’ (hell.), auch (mit Anschluß an μήνη) σκοτο-μήνη ‘ds.’ (Demokr.[?], LXX) und (nach den Nom. auf -αινα) σκοτό-μαινα f. ‘ds.’ (AP u. a.); vgl. Sommer Nominalkomp. 57 (etw. abweichend). Ebenso σκοτο-διν-ία, ion. -ίη f. ‘Schwindel’ (Hp., Pl.) mit -δινιάω (Ar., Pl.); auch -δινος m. ‘ds.’ (Hp.; nach δῖνος); anders Georgacas Glotta 36, 182. Zahlreiche Ableitungen. A. Adj.: 1. σκότιος ‘dunkel, heimlich, unehelich’, in Kreta auch = ἄνηβος (vorw. ep. poet. seit Z 24; vgl. Ruijgh L’élém. ach. 108 gegen Leumann Hom. Wörter 284); dazu σκοτίας· δραπέτης H. 2. σκοτ-αῖος ‘im Dunkeln befindlich, dunkel’ (ion. att.; nach κνεφαῖος u.a.; Schwyzer 467). 3. -εινός ‘dunkel, finster’ (seit A.; nach φαεινός u. a.) mit -εινότης f. (Pl.), -εινῶδες H. s. νυθῶδες. 4. -όεις ‘ds.’ (Hp., Emp., hell. Ep.; Debrunner ’Αντίδωρον 28f.); Σκοτοῦσ(σ)α (-όεσσα) f. Stadt in Thessalien (hell.). 5. -ώδης ‘finster, schwindlig’ (ion. att.) mit -ωδία f. (sp.). 6. -ερός ‘dunkel’ (hell. Dicht.). — B. Subst. 1. σκοτία f. = σκότος (Ar., LXX, NT u.a.); oder zu σκότιος wie z.B. ὁσία : ὅσιος?; vgl. Scheller Oxytonierung 38 m. A. 4. 2. σκοταρία· ζόφος. ’Αχαιοί H. 3. Σκοτίτας m. Bein. des Zeus (Paus. 3, 10, 6); Erklärung strittig; vgl., außer LSJ, Redard 212, Hitzig -Blümner z. St., v. Wilamowitz Glaube 1, 229. 4. Σκοτία (-ιά) f. Bein. der Aphrodite (H., EM; Scheller Oxyt. 129 m. A. 2). — C. Verba: 1. σκοτόομαι, -όω, auch m. ἀπο-, συν-, ‘es wird mir dunkel vor den Augen, ich werde ohnmächtig; ohnmächtig machen, verfinstern’ (att. usw.; zur Bed. Chantraine Sprache 1, 147 f.) mit σκότ-ωμα, -ωσις (hell. u. sp.). 2. ἐπι-σκοτ-έω ‘in Dunkel hüllen, verdunkeln’ (Hp., att.; wie ἐπι-θυμ-έω, -χειρ-έω u. a.) mit -ησις f. (Plu. u. a.), -ος Adj. (Pi. Pae. 9, 5; v. l.). 3. σκοτάω in 3. pl. σκοτόωσι ‘sie werden umnachtet’ (Nik.). 4. σκοτ-άζω, meist m. συν-, ‘dunkel werden, machen’ (att. usw.; in der ält. Sprache nur unpersönlich) mit -ασμός m. (sp.). 5. -ίζω, auch m. ἐπι-, ἀπο-, κατα-, ‘verfinstern’ (hell. u. sp.) mit -ισμός, -ισις (sp.). 6. σκο-εύει· δραπετεύει H. (vgl. σκοτίας ob. A. 1). — Ohne direkte außergr. Entsprechung, hat σκότος einen sehr nahen Verwandten in einem germ. Wort für ‘Schatten’ : got. skadus, ags. sceadu (auch ‘Finsternis’), ahd. scato, -(a)wes, urg. *skaðu- (nach dem Oppositum *haiðu- eig. ‘Lichterscheinung’ [= aind. ketú-] in got. haidus ‘Art und Weise’ u. a.?). Daneben stehen im Kelt. dehnstufige Formen, z.B. air. scāth n. ‘Schatten’, idg. *skōto- od. *skāto- (anders s. σκιά). WP. 2, 600 (m. ält. Lit.), Pok. 957; ält. Lit. auch bei Bq. II-739-740
σκριβλίτης m. ‘Käsekuchen’ (Chrysipp. Tyan. ap. Ath. 14, 647 d). — Aus lat. scriblīta m. ‘ds.’, das seinerseits aus dem Griech. zu stammen scheint (*στρεβλίτης : στρεβλὸς?); s. W.-Hofmann s. v. und Redard 91. II-740
σκύβαλον n. ‘Abfall, Auswurf, Kehricht, Kot’ (hell u. sp.) mit σκυβαλ-ώδης ‘kotähnlich’ (sp.), -ικός ‘schmutzig’ (Timokr.?), -ίζω, auch m. ἀνα-, ἀπο-, ‘als Abfall behandeln, betrachten’ (LXX, D.H. u.a.); dazu -ισμός m. (Plb.), -ισμα n. (Ps.-Phok.), -ισις f. (Sch.); -εύομαι ‘ds.’ (Sch.). — Nicht sicher erklärt. Hypothese von Neumann Heth. u. luw. Sprachgut 90 f. u. 107 (m. Kritik früherer Vorschläge): zu heth. išḫuu̯a- ‘(hin)werfen, (hin) schütten’. Ält. Lit. auch bei Bq und WP. 2, 556. Vgl. noch Chantraine Form. 247. II-740
σκυδμαίνω (Σ 592), ‘zürnen, grollen’; dazu als Rückbildung σκύδμαινος· σκυθρωπός H. ἀπο- ~ (Σ 65) Daneben σκύζομαι, auch m. ἐπι-, (Hom.), Aor. Opt. ἐπισκύσσαιτο (η 306), Ind. ἐπισκύσαι (EM) ‘ds.’; Akt. σκύζουσιν· ἡσυχῆ ὑποφθέγγονται, ὥσπερ κύνες H.; σκυζάω ‘ds.’ (Poll.). Auch PN Σκύδρος (Delos IVa)?; vgl. Bechtel Hist. Personennamen 501. — Mit θρο-od. ρο-Suffix σκυθρός ‘mürrisch, düster, finster’ (Men., Arat.) mit σκυθρ-άζω ‘mürrisch, düster sein’ (E. El. 830), -ίων m. PN (Tanagra IVa); zu σκύθραξ· μεῖραξ, ἔφηβος H. s. σκυρθάλιος. Meist in σκυθρ-ωπός ‘mit finsterem Anblick’ (Hp., att.; vgl. Sommer Nominalkomp. 7 u. 9) mit -ωπότης f. (Hp.), -ωπάζω ‘finster usw. aussehen’, -ωπασμός f. (Plu.). Wie in ἐριδμαίνω neben ἐρίζω stammt in σκυδμαίνω neben σκύζομαι -μ- von πημαίνω, θερμαίνω usw. Ebenso kann σκυδ- : σκυζ- nach ἐριδ- : ἐριζ- gebildet sein. Damit wird für σκυθρός einer Grundform *σκυδ-θρος (woraus *σκυσ-θρός und mit Dissim. σκυθρός; Schwyzer KZ 37, 149f.) der Boden entzogen. — Ohne sichere Etymologie. Nach herkömmlicher Auffassung seit Bezzenberger-Fick BB 6, 240 zu lit. (pra-) skundù, -skudaũ, -skùsti ‘nervös, müde werden, zu schmerzen anfangen’, lett. skundêt ‘murren, (sich be)klagen, tadeln, mißgönnen’ u. a. m. (WP. 2, 554, Pok. 955). II-740-741
σκύζα f. ‘Gelüst, Brunst’ (Philet. 27[?; s. Powell z. St.], Supp. Epigr. 4, 47 (Messana IIp[?]; personifiziert von einer Frau); σκυζάω (ἀνα-, ἐκ-) ‘brünstig sein’, von Hunden, Pferden u. a. (Kratin., Arist. u. a.) mit -ησις f. (Ar. Byz.). — Unerklärt. Nicht mit Brugmann4 137, Bechtel Dial. 2, 876 u. 888 und Schwyzer 296 zu σπάζει· σκυζᾷ. ’Αχαιοί H. aus idg. *sqʷād- : -sqʷud-; σπάζει vielmehr zu σπάσαι, σπάω. — Abzulehnen ebenfalls Sturtevant Lang. 17, 10 (zu lat. cauda). II-741
σκυθρός s. σκυδμαίνω. II-741
σκύλαξ, -ᾰκος f., m. ‘Hündchen, junger Hund’ (seit Od.), auch ‘Tierjunges’ im. allg. (E. in lyr., Nik., Luk. u.a.); übertr. ‘Halsband, -kette’ (Pl. Kom., Plb.). Als Vorderglied u. a. in σκυλακο-τρόφος ‘Hunde züchtend’ mit -ία, -ικός (sp.). Davon 1. Demin. σκυλάκ-ιον n. (ion. att.). 2. Fem. -αινα (AP), -η (Orph.). 3. Subst. -ῖτις f. ‘Beschützerin der σ.’, Beiname der Artemis (Orph.; Redard 212); -εύς m. = σκύλαξ (Opp.; eher metr. Erweiterung als Rückbildung aus -εύω; vgl. Bosshardt 71 und Kretschmer Glotta 11, 228). 4. Adj. -ειος ‘von σ.’ (Hp., S. E.; Schmid -εος u. -ειος 51); -ώδης ’σ.-ähnlich’ (X.); -ευτικός ‘zu σ. gehörig’ (Ph.; analog. Erweiterung). 5. Verb -εύω von Hunden Akt. ‘sich paaren, begatten lassen’ (X., Arr.), Pass. ‘großgezogen werden’ (Str., Max. Tyr.) mit -εία f. ‘Hundezucht’ (Plu., Poll.), -ευμα n. ‘Nachkomme’ (Epigr. ap. Plu., AP), -ευτής m. ‘Hundezüchter’ (Him.). — Zu der sehr großen Gruppe familiärer und technischer Wörter auf -αξ gehörig (vgl. bes. μεῖραξ, δέλφαξ, πόρταξ u.a.m. bei Chantraine Form. 377 ff.), reiht sich σκύλαξ zunächst an σκύλ-ιον n. N. eines Haifisches (Arist.) und an σκύλλα Fischname (Nik. Fr. 137 Schn.); s. Solmsen Wortforsch. 20 A. 1 (S. 21); dazu, ebenfalls m. expressiver Gemination, σκύλ(λ)ος = σκύλαξ, κύων (EM, H.) mit σκυλλίς· κληματίς H. (Strömberg Pfl.namen 31) und κύλλα· σκύλαξ (κύλλας· κύλαξ cod.). ’Ηλεῖοι H. — Ohne sichere außergr. Verwandte. Zunächst in Betracht kommt arm. c̣ul, Gen. c̣l-u ‘junger Stier’ (Meillet BSL 26, 20f.), idg. *skul- od. *skōl-. Anders Persson BB 19, 275 ff. mit Prellwitz : zu lit. skalȉkas ‘bellender Jagdhund’ ( : skãlyti ‘jagend bellen’) und kalė̃ ‘Hündin’ (s. auch Fraenkel s. v.), wozu nach Persson noch (ganz unwahrscheinlich) aus dem Germ. awno. skvaldra ‘laut reden, schwatzen’ (norw. auch von Hunden ‘laut bellen’), das aber zunächst zu awno. usw. skvala eig. ‘rauschend strömen’ (woraus ‘laut reden’) gehört; s. WP. 1, 445 f. Noch anders Schwyzer KZ 37, 150 (zu σκύζουσιν H.; s. σκυδμαίνω) und Osthoff Etym. parerga 1, 277 (s. Bq). — Nach alter Annahme hierher noch Σκύλλη, att. Σκύλλα ("die Hündin") N. des bek. Meerungeheuers (seit Od.); s. Güntert Kalypso 176 m. A. 7; nach anderen zu σκύλλω (Joh. Schmidt P.-W. II: 3, 658; dagegen Güntert a. O.). — Vgl. σκύμνος. II-741-742
σκύλλω, vorw. Aor. σκῦλ-αι, Pass. -ῆναι (-ηθῆναι Eust.). Fut. -ήσομαι, Perf. Med. ἔσκυλμαι, etwa ‘zerfleischen, zerreißen, schinden’, meist übertr. ‘plagen, ermüden, bemühen, belästigen, vexieren’, Med.-Pass. ‘sich bemühen’, Aor. Akt. ‘heimsuchen, plü ndern’ (Pap., Inschr., NT, sp. Prosa; selten poet.: A., Nik., AP; s. unten). ganz vereinzelt m. ἀπο-, ἐπι-, προ-, συν-, Davon 1. σκυλ-μός m. ‘Belästigung, Drangsalierung’ (hell. u. sp.), ‘das Raufen’ (Sch.) mit -μώδης (Vett. Val.); 2. -μα (κόμης) n. ‘das Zerraufen, Zerzausen, zerzaustes Haar’ (AP); 3. σκύλσις· θυμός, σάλος, ταραχή H., -τικός (Vett. Val.). — 4. σκύλος n. (σκύλα pl. Nik. Th. 422) ‘abgezogene Tierhaut, Fell’ (Kall., Theok., AP; vgl. δέρμα : δέρω), ‘Nußschale’ (Nik.); als Vorderglied in σκῠλο-δέψης m. ‘Gerber’ (Ar.), -ός ‘ds.’ (D.; Fraenkel Nom. ag. 2, 112f.). Auch σκῦλος n. (Herod. 3, 68 mit ῦ nach σκῦτος, wenn nicht dafür verschrieben). — Zu κοσκυλμάτια s. bes. — Mitsamt seinen Ableitungen ist σκύλλω vorwiegend aus der späteren Umgangssprache bekannt u. zw. in der übertragenen Bed. ‘plagen usw.’. Durch Anlehnung an σκῦλον hat der Aor. σκῦλαι den Sinn von ‘heimsuchen, plündern’ (ἱερόν usw.) angenommen. Ähnlich (ἀπο-)σκύλαιο Aor. Opt. Med. 2. sg. vom Haar und Haupt ‘abschürfen, entblößen’ (Nik.), wozu noch ἔσκυλται (κόμη) ‘ist zerrauft, zerzaust’ (AP); aus der älteren Sprache nur Präs. σκύλλονται ‘sie werden (von den Fischen) zerfleischt’, von den ertrunkenen Kriegern (A. Pers. 577 [lyr.]) und das Nomen σκῠλο-δέψης; dazu mit Metathese ξύλλεσθαι = σκύλλεσθαι, συλᾶσθαι (SIG 56, 3; Argos Va; vgl. Schwyzer 329). — Seit langem (s. Curtius 169, WP. 2, 591, Pok. 923f.) mit der Sippe von σκάλλω (s. d.) verbunden, wobei υ in σκύλλω Reduktionsvokal wäre (Schwyzer 351). Oder Kreuzung mit μιστύλλω und anderen Verba auf -ύλλω ? — Anders Persson Beitr. 1, 375 (s. Bq). — Vgl. σκῦλα, -ον, auch συλάω. II-742
σκῦλα n. pl. ‘Waffen-, Kriegsbeute’, auch -ον sg. ‘Raub, Beute’ (S., E., Th. u. a.) mit σκυλαῖος in σκυλαίας· τὰ σκῦλα καὶ λά-φυρα. οἱ δὲ τὰς πανοπλίας H. Denom. Verb σκυλ-εύω ‘den getöteten Feind der Waffen berauben, plündern’ (Hes. Sc. 468, ion. att.) mit -εύματα n. pl. = σκῦλα (E., Th.), -εία f. (LXX), -ευσις f. (Kilikien), -ευμός m. (Eust.) ‘das Plündern’, -ευτής m. ‘der Plünderer’ (Aq.), -ευτικός ‘plündernd’ (Tz.). Auch σκυλ-άω, -ῆσαι (UPZ 6, 15; 21, AP 3, 6[?], Eust.) ‘ds.’ mit -ήτρια f. ‘Plündrerin’ (Lyk., Eust.). — Allgemein mit σκῦτος und ἐπισκύνιον verbunden und zu einem Verb ‘bedecken’ (WP. 2, 546ff., Pok. 951 ff.) in aind. sku-nā-ti (Bed. ganz unsicher) gezogen. Nach Pisani Sprache 5, 144 Kreuzung von σῦλον (s. συλάω) und σκῦτος. Auch σκύλος wird hierher gestellt (so noch s. ἐπισκύνιον, wo auch Lit.), aber die Bed. ‘abgezogene Tierhaut’ spricht für Anknüpfung an σκύλλω. Dagegen hat sich die Bed. von σκῦλον auf den Aorist σκῦλαι abgefärbt. II-742-743
σκύμνος — Bildung wie πρυμνός, ἐρυμνός, στάμνος usw., von σκύλαξ schwerlich zu trennen (Osthoff Etym. parerga 274, Chantraine Form. 215, Schwyzer 524 m. Lit., Specht Ursprung 183), aber im einzelnen unklar. Abzulehnen Petersen AmJPh 56, 64 ff. (Kreuzung von *κύμνος [zu κυέω] und σκύλαξ) und Schwyzer KZ 37, 150 (s. Bq). m. (f.) ‘Tierjunges’, bes. ‘junger Löwe’ (ep. ion. poet. seit Σ 319, auch Arist. u. a.) mit σκυμν-ίον n. Demin. (Arist.), -εύω ‘züchten’ (Philostr.), -ειος ‘zu σ. gehörig’ (Suid.). II-743
σκυρθάλιος · νεανίσκος H. Auch σκυρθάλια (-ιᾶς cod.)· Θεόφρασ-τος τοὺς ἐφήβους οὕτω φησὶ καλεῖσθαι, Διονύσιος δὲ τοὺς μείρακας H. Daneben σκυρθάνια· τοὺς ἐφήβους οἱ Λάκωνες Phot. Mit Metathese σκύθραξ· μεῖραξ, ἔφηβος H. Ohne σ- (Dissim. wegen lak. -σ- aus -θ-?) in κυρσίον· μειράκιον H., lak. κυρσάνιος ‘ds.’ (Ar. Lys.); vgl. Bechtel Dial. 2, 376. — Bildung wie νηφ-άλιος u. a. Seit Fick 1, 142 mit aind. kr̥dhú- ‘verkürzt, verstümmelt’, á-skr̥dho-yu- ‘nicht verkürzt, nicht dürftig’ verglichen, wozu noch eine weitverzweigte litauische Gruppe, u. a. skurstù, skurdaũ skur̃sti ‘Mangel leiden’, ‘im Wachstum zurückbleiben, verkümmern’, nu-skur̃dęs ‘verarmt, verwahrlost’; in Betracht kommt auch lat. cordus ‘spät geboren’ (Persson Beitr. 1, 164ff.); s. außer Bq und WP. 2, 590 bes. Fraenkel s. skur̃sti m. weiteren Hinweisen. — Der griech. υ-Vokal wäre dann als Schwundstufe zu beurteilen (Schwyzer 351, auch W.-Hofmann s. cordus m. Lit.). II-743
σκῦρος m. ‘Steinsplitter, Schotter’ (Epid. IVa, H., Poll., Sch. Pi.). Davon σκυρωτὰ ὁδός ‘mit σ. gepflasterter Weg’ (Pi. P. 5, 93), τὰ σκυρω[τά] n. pl. (Delos IIIa), σκυρωθῶσι· λιθωθῶσιν H. (Hp.?), σκυρώδης ‘aus σ. bestehend’ (Eust.). — Technisches Wort ohne sichere Etymologie. Hypothetische Kombinationen bei Persson Beitr. 1, 374ff. (s. Bq, WP. 2, 552, Pok. 954). zu lit. skiaurė̃ ‘kleiner durchlöcherter Fischkasten’, kiáuras durchlöchert’, germ., z.B. ahd. scora ‘Schaufel’, awno. skora ‘scheuern, schrubben’, aind. skauti ‘stören, stöbern, stochern’(?; Bed. ganz unsicher) u. a. m. — Hierher auch der Inselname Σκῦρος (nach den Marmorbrüchen) ? Vgl. Fredrich P.-W. 2, 3, 690 m- Lit. II-743-744
σκῠτάλη Daneben σκύταλον n. ‘Stock, Knüppel’ (Pi., Hdt., Ar., X.). f. ‘Stock, Keule, Rundholz, Walze’ in versch. technischen Bedd. (seit Archil., Pi.). Aus der Lit. besonders bekannt ist der Briefstab, dessen sich die Spartaner bei Sendung geheimer Depeschen bedienten. Übertr. als Ben. einer Schlange (Nik. u. a.), eines Fisches (Opp.; Strömberg Fischn. 36). Davon die Demin. σκυτάλ-ιον n. (Ar., hell. u. sp.), -ίς f. (Hdt., hell u. sp.); ferner -ίας m. als N. eines σίκυος (Thphr.; Strömberg Theophr. 91) u. a.; -ωτός ‘mit σ. versehen’ (Hero, EM); -ισμός m. ‘Faustrecht’, in Argos (D.S., Plu.); -όομαι ‘geknüppelt werden’ (EM, H.) mit -ωσις (Trozen). — Gerätename wie ῥόπαλον, πάσσαλος u. a. (Chantraine Form. 245 f.); ohne sichere Anknüpfung. Zunächst aus *σκύτος (vgl. σκυτίζει· σπαράττει H. ?), das sich mit lit. skùtas ‘Fetzen, Stück, Lappen’ formal deckt. Daneben das primäre Verb skutù, skùsti ‘rasieren, schaben, schälen’ (vgl. zu ξύω); *σκύος, -άλη somit eig. *’abgeschabtes Holzstück’? Lit. skutùlė ‘hölzerne Büchse mit Deckel’ (Rozwadowski, s. Glotta 2, 356) ist aus mnd. schuttel (aus lat. scutella) entlehnt. — Lat. LW scutula. Vgl. σκῦρος, σκύτη und σκῦτος. II-744
σκύτη · κεφαλή; σκύτα· τὸν τράχηλον. Σικελοί H. (Epich.?; s. Kaibel CGF p. V); unklar Archil. 122 (bei Erot., wo mehrere Erkl.); Hp.; unsicher σκύταλα ‘ds.’ (Sch. Ar. Av. 1283). — Zum σκῠτάλη ?; vgl. lit. dial. skutnà ‘abgeschabte Stelle, Glatze, Kahlkopf’. Einzelheiten bei Bechtel Dial. 2, 287. II-744
σκῦτος n. ‘die zubereitete Haut, Leder, Lederriemen’ (seit ξ 34). Kompp., z.B. σκυτο-τόμος m. ‘Lederarbeiter, Schuster’ (seit H 221); als Hinterglied in δωδεκά-σκυτος ‘aus zwölf Lederstreifen bestehend’ (Pl.). Davon 1. Demin. σκυτ-άριον n., -ίς f. (hell. u. sp.). 2. Adj. -ινος ‘ledern’ (ion. att.), -ικός ‘zur Leder(arbeit) gehörig’, ἡ -ικὴ τέχνη ‘die Schusterei’ (Pl., Arist. u. a.), -ώδης ‘lederähnlich’ (Arist.). 3. Subst. -εύς m. ‘Schuster’ (att.) mit -εῖον, -εύω, -εία, -ευσις (Hp., att. usw.; Bosshardt 50). 4. Verb -όομαι in ἐσκυτωμένος ‘mit Leder bekleidet’ (att. Inschr., Plb. u. a.). — Keine unmittelbare außergriech. Entsprechung. Die übrigen Sprachen besitzen mehrere anklingende Wörter für ‘Haut od. ä.’, aber alle ohne anlaut. s- : mit Langvokal wie in σκῦτος das germ. Wort für ‘Haut’, z.B. ahd. hūt, urg. *hūði-, idg. *qūt-i-; mit Kurzvokal lat. cŭtis ‘Haut’, lit. kutỹs ‘Beutel um den Leib, Geldkatze’; mit Diphthong (Hochstufe) apreuß. keuto ‘Haut’, idg. *qeutā, lit. kiáutas ‘Gehäuse, Hülle, Schale’; weitere Formen bei WP. 2, 549f., Pok. 952, W.-Hofmann s. cutis. Wenn eig. *’Bedeckung’, ist weiterer Anschluß an σκῦλα, ἐπισκύνιον zu erwägen; s. dd. Allerhand Kombinationen bei Specht Ursprung 208, 226 u. 237. Vgl. auch κεύθω. — Lat. scūtum ‘Schild’ ist zweideutig; s. W.-Hofmann s. v. II-744-745
σκύφος m. n. ‘Trinkgeschirr, Becher’ (ep. poet. seit ξ 112, vereinzelt Arist., hell. Inschr. u. a.); zur Bed. Brommer Herm. 77, 360; zum Genus Egli Heteroklisie 75 f. Davon die Demin. σκυφ-ίον n. auch ‘Schädel’ (Paul. Aeg.), -ίδιον (?; EM), -άριον (Gloss.); das Adj. -(ε)ιος ’σ.-ähnlich’ (Stesich.); die Subst. -ωμα n. = σκύφος (A. Fr. 184 = 308 M.; Erweiterung, Chantraine Form. 186), -ών, -ῶνος m. Bed. unklar (Gal.). Ganz fraglich σκυξιφόν· σκύφον H. (nach Baunack Phil. 70, 370 scherzhafte Verlängerung). — Isoliert. Die Ähnlichkeit mit σκάφος, -η springt in die Augen (vgl. Curtius 715). Der υ-Vokal nach κύπελλον, κύτος, κύμβη (vgl. Egli 76)? II-745
σκώληξ 1., -ηκος m. ‘Wurm, Larve’ (seit Ν 564). Als Vorderglied u. a. in σκωληκό-βρωτος ‘von Würmern zerfressen’ (Thphr. usw.). Davon σκωλήκ-ιον n. Demin. (Arist. usw.); -ίτης m. (κηρός od. στύραξ) ‘Wachs od. Harz in der Form eines Wurmes’ (Dsk.; Redard 114); -ώδης ‘wurmähnlich’ (Arist.); -όομαι ‘von Würmern zerfressen werden’ mit -ωσις f. (Thphr.); -ιάω ‘an Würmern leiden’ (Orib. u. a.) mit -ίασις f. (Sm., Thd.); -ίζω ‘unregelmäßig schlagen’, vom Puls (Gal.; vgl. μυρμηκίζω), -ίζονται· κινοῦνται ὡς οἱ σκώληκες H. — Bildung wie σφήξ, μύρμηξ u.a. (s. dd.); von *σκῶλος ‘Krümmung’ mit Dehnstufe neben σκέλος, σκολιός (s. dd.). Das primäre Nomen scheint übrigens in σκώλοισι· δρεπάνοις, διὰ τὴν σκολιότητα H. ebenso wie in σκωλύπτομαι ‘krümmen, winden’ (Nik. Th. 229) erhalten zu sein; vgl. noch ngr. (Pontos) σκοῦλος ‘Oberschenkel’ aus *σκῶλος od. *σκόλος. — Zu σκώληξ im Ngr. s. auch Georgacas ’Αφιέρ. Τριανταφυλλίδη 505 f. II-745
σκώληξ 2. · τὸ κυλιόμενον κῦμα (H., Pl. Kom., Phryn.). καὶ ἀπὸ τῆς ἅλω τὸ δινηθὲν καὶ συναχθὲν λικμητόν H. — Metaphorischer Gebrauch von σκώληξ ‘Wurm’; nach der windenden und wirbelnden Bewegung (Phryn.). In der zweiten Bed. nicht mit Bq zu σκῶλος. II-745
σκῶλος Auch σκῶλον, pl. -α ‘ds.’ (EM, H.), übertr. ‘Anstoß, σκάνδαλον’ mit -όομαι ‘Anstoß nehmen’ (LXX; Aq., Al.). m. ‘Spitzpfahl’ ( Ν 564), ‘Dorn, Stachel’ (Ar. u. a.); σκωλο-βατίζω ‘auf Stelzen gehen’ (Epich.), -βάτης ‘Art Rüsselkäfer’ (H.). — Kann mit alb. hell ‘Pfriem, Ahle’, helle (eig. pl.) ‘Bratspieß, Spieß, Lanze’ uridentisch sein (idg. *sqōlo-s; G. Meyer Alb. Wb. 145f., Jokl IF 37, 98f., Mann Lang. 26, 386). Daneben steht das slose lit. kuõlas ‘Pfahl’; des weiteren s. σκάλλω, auch κλάω. Vgl. noch σκόλοψ. II-745-746
σκώπτω (seit h.Cer. 203), σκῶψαι (ion. att.), Fut. σκώψομαι (Ar.), Pass. Aor. σκωφθῆναι (X.), Perf. ἔσκωμμαι (Luk.), ‘spotten, scherzen, verspotten, höhnen’. auch mit ἀπο-, ἐπι-, κατα- u. a., Davon 1. σκῶμμα (ἐπί-, ἀπό-) n. ‘Spott, Scherz’ (att.) mit -άτιον n. (Ar.); als Hinterglied in φιλο-σκώμμων, -ονος m. ‘spottlustig’ (Hdt., Plu., Luk. u. a.) mit -οσύνη (Poll.). 2. σκῶψις (ἐπί-) f. ‘ds.’ (Alex., Plu.). 3. σκώπτης m. ‘Spötter’ (Archig. u. a.), φιλο-σκώπτης ‘spottlustig’ (Arist. u. a.) mit -έω (Ath.); f. σκώπτρια (Prokop.). 4. σκωπτικός ‘spottlustig’ (Plu., Luk., Poll.). 5. σκωπαλέος (Hdn. Gr.). 5. Vom Präsensstamm σκωπτ-όλης m. ‘Spötter’ (Ar. u. a.), -ηλός ‘spöttisch’ (Zonar.). — Zu σκώπευμα, σκωπίας s. σκώψ. — Unerklart. Formal läßt sich für diese rein griechische Bildung Abschluß sowohl an σκέπτομαι (Curtius 168) wie an die Sippe von σκάπ-τω (Groselj Živa Ant. 2, 66 f.) denken. Der semantische Prozeß bleibt sowieso noch aufzuklären. Anders Machek Ling. Posn. 5, 68 f. (zu čech. štipati ‘spötteln, sticheln’). Vgl. σκώψ. II-746
σκῶρ (σκώρ; vgl. Schwyzer 377 u. 384), Gen. σκατός (Poll.). n. ‘Kot, Exkrement’ (Epich., Ar., Stratt.), — Alter schwundstufiger r-n- Stamm, nur im Ablaut vom hochstufigen heth. šakar, Gen. šaknaš ‘ds.’ unterschieden wie ὕδωρ gegenüber heth. u̯atar, u̯edar (Benveniste Origines 9, Frisk Indogerm. 25 f.). Die übrigen idg. Formen tragen zum Verständnis von σκῶρ nichts bei; s. außer WP. 2, 587 f. und Pok. 947f. bes. W.-Hofmann s. mūscerda m. weiteren Formen und reicher Lit.; auch Vasmer s. sór I. Ältere Lit. auch bei Bq. Vorderglied u.a. in σκατο-φάγος ‘Kotfresser’ mit -έω (Kom.). Davon σκωρ-ία f. ‘Schlacken von Metallen’ (Arist. u. a.; s. Scheller Oxytonierung 49 m. weiteren Einzelheiten) mit -ίδιον, -ιάζω (spät), -αμίς f. ‘Nachtstuhl’ (Ar.; nach ἁμίς ‘Nachtgeschirr’). II-746
σκώψ, σκωπός m. ‘kleine Horneule’ (ε 66, Epich., Arist., Theok. u. a.); übertr. als Fischname (Nik. Fr. 18), wohl nach der Farbenzeichnung (Strömberg 114); als N. eines Tanzen (Ael., Poll.), wozu in derselben Bed. noch σκώπευμα (A. Fr. 70 = 20 M.) und σκωπίας (Poll.); als Tanzname auch auf σκοπεῖν bezogen (Ath., H.; s. zu A. a. O.). Als Vorderglied in ἀεί-σκωψ Eulenart (Arist.), die nach Arist. kein Zugvogel war. — Bildung wie πτώξ, κλώψ u.a. (Chantraine Form. 2); nicht sicher erklärt. Von Ath. und Ael. mit σκώπτω verbunden; ebenso Osthoff (s. u.) und Machek Ling. Posn. 5, 68f. Eher (mit Curtius 168 u. a.) zu σκέπτομαι vom scharfen Blick und dem hervortretenden Augenkreis. Eine Nebenform. κώψ wird mehrfach erwähnt (s. Thompson Birds s. σκώψ); dazu γῶπας· κολοιούς. Μακεδόνες H. Somit nur volksetymologisch zu σκέπτομαι oder σκώπτω (Chantraine a. O.)? Ältere Lit. bei Osthoff BB 29, 259 ff. — Vgl. γλαῦξ, στύξ und ὦτος (s. οὖς). II-746-747
σμάραγδος Daneben μάραγδος (Men., hell. Inschr.), auch ζμάραγδος, -ιον (Inschr., Pap.). f. (m.) ‘Smaragd’ (Hdt., Pl. usw.); σμαραγδο-χαίτης ‘mit smaragdgrünem Haar’ (Tim. Pers.). Davon σμαράγδ-ιον n. (M. Ant.), -ίτης m. (λίθος; hell., Plin.); -ινος ‘aus S., s.-grün’ (Pap. u. a.), -ειος ‘ds.’ (Hld.), -ώδης ‘s.—ähnlich’ (Sch.); -ίζω ‘s.-grün sein’ (D. S., Dsk.). — Mit aind. marakatam (auch maraktam) n. und akkad. barraqtu, hebr. bāræqæt ‘ds.’ identisch. Als urspr. Quelle ist wahrscheinlich das Semit. anzusehen (zu brq ‘glänzen, blitzen’). Zu gr. σμ- vgl. Σμέρδις: apers. Bardiya u. a. (Schwyzer 311); auch σμαραγέω mag eingewirkt haben. Das später belegte μάραγδος aus dem Ind.? Aus dem Griech. lat. smaragdus und pers. arab. zumurrud, woraus osman. zümrüd > russ. izumrúd. — Mayrhofer Sprache 7, 187 f. m. Lit., auch Wb. s. v.; ält. Lit. bei Lewy Fremdw. 57. II-747
σμαραγέω, Aor. -ῆσαι ‘dröhnen, brausen, donnern’, vom Meer, Donner usw. (ep. seit Il., auch Hp. Mul. 2, 154) Als Hinterglied (direkt auf das Verb beziehbar) in ἐρι-σμάραγος ‘laut dröhnend’ (Hes. von Ζεύς, sp. auch von θάλασσα u. a.), auch πολυ-, βαρυ-, ἁλι-σμάραγος u. a. (Opp., Nonn.). Auch σμαραγίζω ‘ds.’ (Hes. Th. 693), σμαράσσω (EM), μαράσσω (Erot.). mit σμαραγ-ή f. ‘das Dröhnen’ (Opp.), -ος m. N. einer unterirdischen Gottheit (Hom. Epigr.). — Onomatopoetisch wie λαλαγέω, παταγέω, σφαραγέομαι, ῥαθαγέω u. a. mit λαλαγή, πάταγος, σφάραγος, ῥάθαγος u. a.; σμαράσσω wie πατάσσω, ῥαθάσσω u. a. — Unwahrscheinliche Hypothese zur Entstehung (Umbildung von σφαραγέομαι nach (σ)μάραγνα ‘Peitsche’) bei Güntert Reimwortbild. 159. II-747
σμάρδικον · στρουθίον; σμαρδικοπῶλαι· οἱ τοὺς στρουθοὺς πωλοῦντες H. — Nach Grošelj Živa Ant. 7, 228 zu σμορδοῦν· συνουσιάζειν H.; s. d. II-747
σμαρίς, -ίδος f. N. eines kleinen Fisches, der der μαινίς ähnelt, ‘Sparus smaris’ (Epich., Arist., Opp., Marc. Sid. u.a.; s. Thompson Fishes s.v.). — Herkunft unbekannt; gewiß Mittelmeerwort. Gegen Anknüpfung an σμηρίζειν ‘ebnen, glätten’ (Hero; Strömberg 87) spricht die fast durchgehende Kürze des ᾰ (ᾱ nur Marc. Sid.). II-747-748
σμάω, σμάομαι (σμᾷ, σμᾶται Hdt. u. sp.; σμῇ, σμῆται att. Kom.; σμῆν Luk.), Aor. σμῆσαι, -ήσασθαι (vorw. ion. hell. u. sp.), dor. Ptz. σμασαμένα (Kall.), Perf. Med. Ptz. προ-εζμησμένος (Pap. IIp), auch (bes. Akt.) ‘(ab)reiben, abwischen’, Med. auch ‘sich einreihen, salben’. mit ἀπο-, ἐκ- u. a., Davon σμῆμα, dor. (Theok.) σμᾱ͂μα n. ‘Reinigungsmittel, Seife, Salbe’ (Ar. Fr. 17, hell. u. sp.). — Mit Gutturalerweiterung (Schwyzer 702 m. A. 5 u. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 330): A. σμήχω, -ομαι (seit ζ 226), Aor. σμῆξαι, -ασθαι (Hp., hell. u. sp.), Pass. σμηχθῆναι (Ar.), Perf. Med. Ptz. ἐσμηγμένος (Dsk.), auch mit ἀπο-, δια- u.a., ‘ds.’. Davon 1. νεό-σμηκ-τος ‘frisch poliert’ (Ν 342 u.a.). 2. σμῆγμα = σμῆμα, mit -ματώδης (Hp., sp.). 3. σμῆξις (ἀπό-) f. ‘das Abreiben, Reinigen’ (Str., Dsk. u. a.). 4. σμήκ-της m. ‘Abreiber’ (Gloss.); -τρίς f. ‘Art Walkerde’ (Hp., Kom.), -τικός ‘reinigend’ (Mediz.). — B. σμώχω, σμῶξαι ‘zerreiben, zermalmen’ (Ar., Nik.), nach σώχω, ψώχω. — Unerklärt. Nach dem Vorgang Perssons, Stud. 11, 65, 155f. u. ö. wird von Bq und WP. 2, 685, Pok. 966 (wo weitere Formen u. Lit.) unter Ansetzung eines idg. Langdiphthongs smēi- (bzw. eines Wechsels sm-ē- : sm-ei-) eine germ. Wortgruppe der Bed. ‘bestreichen, beschmieren’, auch ‘schlagen usw.’ herangezogen mit Vertretern in got. bi-, ga-smeitan, ahd. smīzan u. a. m.; weder lautlich noch semantisch ganz befriedigend; dazu lat. macula f. ‘Fleck, Mal’ (aus *smə-tlā?; W.-Hofmann s. v. mit Vorbehalt).—S. noch σμῶδιξ und σμώνη. II-748
σμερδαλέος σμερδνoς ‘ds.’ (Il., h. Hom., A. Pr. 355, Nik.). ‘schrecklich, gräßlich, furchtbar, fürchterlich’, von Aussehen, Schrei und Schall (ep. seit Il.); — Zu σμερδαλέος vgl. λευγαλέος, ἀργαλέος u. a.; σμερδνός wie δεινός u. a. Das Paar σμερδ-αλέος : σμερδ-νός zeigt einen alten suffixalen Wechsel l : n (wie ἰσχαλέος : ἰσχνός u. a.; Benveniste Origines 45f.). Ein entsprechender s-Stamm (wie θαρσαλέος : θάρσος) liegt tatsächlich vor in σμέρδ[ν]ος· λῆμα, ῥώμη, δύναμις, ὅρμημα und εὐσμερδής· εὔρωστος H. vor; zur Bed. vgl. δεινότης auch ‘Kraft, Gewalt, Gewandtheit’. — Seit Ebel KZ 7, 227 (vgl. auch Curtius 692 f.) wird damit ein primäres germ. Verb, ahd. smerzan, ags. smeortan ‘schmerzen’ verbunden, wozu ablautend (urg. *smart- < idg. *smord-) ags. smeart ‘schmerzhaft’, neng. smart ‘beißend, stechend, scharf, witzig, elegant’. Für weitere Kombinationen mit lat. mordeō ‘beißen’ usw. (idg. (s)merd- ‘aufreiben’) s. W.-Hofmann s. v. mit reicher Lit. — Anders Bolling Stud. in hon. of H. Collitz (Baltimore, 1930) 43ff.: zu lit. smirdė́ti ‘stinken’, got. smarnos Akk. pl. f. ’σκύβαλα’, lat. merda f. ‘Unrat, Kot’. Über die Versuche, idg. (s)mer-d- ‘aufreiben’ mit smerd- ‘stinken’ zu verbinden, s. WP. 2, 279 u. 691, Pok. 736f. u. 970, W.-Hofmann s. merda und mordeō; überall mit weiteren Formen und Lit. — Vgl. σμορδοῦν. II-748-749
σμῆνος, dor. (Theok.) σμᾱ͂νος n. ‘Bienenstock, -korb’ (Hes. Th. 594, IG 12, 326, 15, Pl. R. 552c, Arist.), ‘Schwarm von Bienen (Wespen), Schwarm im allg.’ (A. Pers. 128 [lyr.], S. Fr. 897, Kom., Pl., Arist. usw.); pl. σμῆνα (Orac. ap. Plu. 2, 96b), σμῆναι (leg. -η?)· τῶν μελισσῶν οἱ κηροδόχοι, ἤτοι αἱ θῆκαι H.; als Ben. von Göttinnen (für überl. σεμναί) h. Merc. 552 (Feyel Rev. Arch. 1946, 5ff.)? Einige Kompp., z. B. σμην-ουργός m. ‘Imker’ (Ael., Poll.), φιλό-σμηνος (μέλισσα) ‘Schwärme liebend, in Schwärmen auftretend’ (Nonn.). Davon σμην-ίον n. Demin. ‘Bienenkorb’ (Dsk.), = πρόπολις H.; -ών, -ῶνος m. ‘Stand von Bienenkörben’ (Olymos Ia; ζμ-), -ιών ‘ds.’ (Apollon. Mir.), -ηδόν ‘in Schwärmen’ (Hdn. Epim.). — Bildung wie ἔθνος, κτῆνος, ἔρνος, τέμενος u.a.; urspr. Bed. eher ‘(Bienen)schwarm’ als ‘Bienenstock’. Unerklärt. Abzulehnen Johansson BB 13, 119 und Bezzenberger KZ 42, 192 (s. Bq); ebenfalls Prellwitz Glotta 19, 103. II-749
σμηρίζω ‘abreiben, glätten, abschleifen’ mit σμήρισμα n. ‘luftdicht eingeschliffene Röhre’, Demin. -μάτιον n. (Hero Spir.). — Anknüpfung an σμῆριγξ liegt formal am nächsten, leuchtet aber semantisch nicht ein (eig. *"enthaaren" o. ä.?). Oder aus σμάω erweitert, etwa nach στηρίζω? II-749
σμήρινθος s. μηρύομαι. II-749
σμῖλαξ, altatt. μῖλαξ, -ακος; auch μῖλος (Kratin., Thphr.), σμῖλος (Kall., Nik., Dsk.) m. ‘Eibe’. f. (m.) ‘Taxus baccata, Eibe’, auch N. einer efeuähnlichen Windenart und eines Schotengewächses (att., hell. u. sp.), in Arkadien N. einer Eichenart, ‘Quercus ilex’ (Thphr.); Davon σμιλάκ-ινος (Poll.), -ειος (Theognost.) ‘aus Eibe’. — Zu (σ)μῖλαξ: (σ)μῖλος vgl. οἶσαξ : οἶσος, ὀρόβαξ : ὄροβος. Ohne Etymologie. Gegen Verwandtschaft mit σμίλη (Prellwitz, Bq und Hofmann Et. Wb. als unsichere Hypothese) sprechen vor allem die altatt. Formen μῖλαξ und μῖλος. II-749
σμί̄λη (-ᾰ AP; -ή Hdn. Gr.) f. ‘Messer, Schnitzmesser, Seziermesser, Meißel’, Instrument für Handwerker, Ärzte, Bildschnitzer usw. (in. att.). Als Vorderglied in σμιλι-γλύφοι (τέχναι) ‘mit Meißel arbeitend, bildhauerisch’ (Epigr. Galatien); zum Kompositions-ι Schwyzer 448. Davon 1. Demin. σμιλ-ίον n. mit -ιωτός, -άριον n. (sp. Mediz. u.a.); 2. -ινος ‘als Messer wirkend’ (sp. Mediz.); 3. ἀπο-, δια-σμιλεύω ‘mit Meißel glätten, abhobeln’ (sp.) mit σμίλ-ευμα n. ‘Schnitzel’ (Ar.), -ευτός (AP), -ευσις, -εία f. (Hdn. Epim.). — Gerätename auf -λη wie μήλη, χηλή, τρώγλη u. a. Ohne direkte außergriech. Entsprechung. Ein zugrundeliegendes primäres Verb läßt sich indessen auch für das germ. Wort für ‘Zimmermann, Schmied’ vermuten in awno. smið, ags. smiþ (> neng. smith), ahd. smid, urg. *smiþu-, *smiðu-, idg. *smi-tu. Daneben mit Übergang in die n-Stämme das got. Komp. aiza-smiþa ‘Erzschmied, χαλκεύς’. Die Länge in σμί̄λη ist nicht auf ein langdiphthongisches smēi- : smī- zurückzuführen, sondern nach Muster der Nomina auf -ῑλη, -ῑλο- sekundär eingetreten. — WP. 2, 686 und Pok. 968 (nach Persson Stud. 119, Brugmann IF 6, 93) mit Lit. und weiteren, hypothetischen Kombinationen. Vgl. σμινύη, σμίνθος; auch μικρός. II-750
σμίνθος m. ‘Maus’ (A. Fr. 227 = 380 M., Lyk., Str., AP); σμίνθα· ἡ κατοικίδιος μῦς H. (-ᾰ od. -ᾱ?; vgl. Solmsen Wortforsch. 266). Davon Σμινθ-εύς (A 39, Str.), -ιος (Ael.) m. Bein. des Apollon, der in der Troas und auf den Inseln als Abwehrer der verheerenden Feldmäuse verehrt wurde; dazu Σμίνθιος als Monatsn. auf Rhodos und τὰ Σμίνθια Festn. (Troas, Lindos); s. Nilsson Gr. Rel. I2 213 u. 534f. m. Lit. — Nach Sch. Α 39 mysisch; jedenfalls vorgr.-kleinasiat. (vgl. Chantraine Form. 371, Schwyzer 510); dazu etr. isminϑians Beiw. des Mars (Kretschmer Glotta 20, 221; 30, 133)? Pelasgische Etym. bei v. Windekens KZ 71, 119ff. Über abzulehnende idg. Deutungsversuche (zu σμίλη usw.) s. Bq und WP. 2, 686. — Die Form σμίς· μῦς H. ist um der alphabetischen Folge willen für überl. σμῦς (Kreuzung mit μῦς) eingesetzt; wenn richtig, Kurzform nach μῦς (anders Kretschmer a. O.). II-750
σμῐνύη Gen. vom. ο-Stamm σμινύοιο (Nik. Th. 386), σμινύδιον (Poll. 7, 148 ex Ar.). f. ‘zweizackige Hacke’ (att. Inschr., Kom., Pl.); — Gerätename mit Bildung wie σιπύη, ὀστρύη, ὀφρύη u. a.; ein unerweiterter u-Stamm ist durch den verdächtigen Akk. pl. σμινύδας (Ar. Fr. 402b; wohl für σμινύας) nicht hinlänglich begründet. Wird allgemein als ein Verbalabstr. auf -νυ(ᾱ) zu idg. smei- ‘schnitzen’ in σμίλη (s. d. m. Lit.) betrachtet. II-750-751
σμοιός (Hdn. Gr., H., Theognost.), auch σμυός, μοιός (H.) = χαλεπός, φοβερός, στυγνός, σκυθρωπός. PN Σμοῖος (Ar. Ek. 846). — Unerklärt. Zögernde Vermutung von Prellwitz s. v. (zu russ. smúryj ‘dunkelgrau’, nhd. Schmutz u. a. m.). II-751
σμορδοῦν · συνουσιάζειν; σμόρδωνες (cod. -ονεύς)· ὑποκοριστικῶς ἀπὸ τῶν μορίων, ὡς πόσθωνες H. — Nach Bechtel Herm. 55, 99 f. hierher noch (mit infigiertem κο; vgl. Schwyzer 644) σμοκορδοῦν· τὸ σχηματίζεσθαι τὰς γυναῖκας und σμοκόρδους· τοὺς τὰς ὀφρῦς (?) ἐγκοίλους ἔχοντας H. — Von einem Nomen *σμόρδος unbek. Bed.; von Specht KZ 62, 215 mit lit. smárdas, russ. smórod usw. ‘übler Geruch, Gestank’ identifiziert; idg. *smórdos. Dazu u. a. mit Schwundstufe lit. smirdė́ti ‘stinken’, s. Fraenkel u. Vasmer s. vv. Bedenken bei Kretschmer Glotta 27, 37. Anders v. Blumenthal Hesychst. 45: zu idg. smerd- ‘reiben’ in σμερδαλέος usw. — Vgl. σμάρδικον. II-751
σμυγερός ‘schmerzhaft, mühsam, elend od. ä.’ (A. R.; auch S. Ph. 166 für στυγερός?), ἐπι-σμύγερος, Adv. -ῶς ‘ds.’ (Od., Hes. Sc. 264, A. R.). — Expressive Kontamination, etwa von μογερός und στυγερός; ἐπι- nach ἐπί-πονος u. a. Versuch einer morphologischen Erklärung von Strömberg Prefix Studies 90. II-751
σμύλη f. N. eines Fisches (Alex. Trall., Gp.). — Von σμύλλα· σαύρα H. nicht zu trennen (Strömberg 121); ohne Etymologie. II-751
σμύρις (σμίρις), -ιδος, -εως f. ‘Schmirgel zum Abreiben und Polieren’ (Dsk., sp. Mediz.) mit σμιρίτης λίθος m. (LXX; Redard 61), σμιριεῖα n. pl. (geschr. ζμιρριεια) ‘Schmirgel’ (Imbros IIa). — Nicht sicher erklärt. Seit langem (Fick 1, 575; 2, 317; WP. 2, 690, Pok. 970f., W.-Hofmann s. medulla m. Lit.) mit μύρον (s. d.) zu einem. germ.-kelt. Wort für ‘Schmer, Fett’ in ahd. smero, air. smi(u)r usw. gezogen; sachlich nicht ganz befriedigend. Dabei bleibt auch die geläufige Schreibung mit ι schwerverständlich (Vokalharmonie?). Nach v. Blumenthal Hesychst. 45 zu σμάω, σμῆν; begrifflich gewiß vorzuziehen; σμύρις dann nach μύρον? II-751
σμύρνη (Hdt., Arist.), σμύρνᾰ (Hp., Arist., Thphr. usw.; Solmsen Wortforsch. 254), auch ζμύρνα (Hyp., Inschr., Pap.), Gen. σμύρνης (S., E. u. a.) f. ‘Myrrhe’. Kompp. ζμυρνό-μελαν (-ανον, -άνιον), -ανος n. ‘Mischung von Myrrhe und Tinte’ (PMag.), ἁλυκό-σμυρνα f. ‘Art Myrrhe’ (Hippiatr.). Davon σμύρνινος (LXX, Pap.), -αῖος (AP) ‘aus M.’; -ίζω ‘mit M. behandeln, würzen, der M. ähneln’ (Ev. Mark., Dsk.) mit -ισις f. (Aët.), -ιάζω ( ?, Alex. Trall.); -ειον (Nik.), -ιον (Dsk., Gal.) n. Pflanzenname (nach dem Geruch des Samens; Strömberg 62). — Wohl Rückbildung aus Σμυρναία (μύρρα) "die Smyrnäische"; Heubeck Beitr. zur Namenforsch. 1, 272 f. mit Kritik der Auffassung, σμύρνα wäre eine Nebenform von μύρρα. II-751-752
σμύ̄χω, Aor. σμῦξαι (ep. seit Il., sp. Prosa), Pass. σμυχθῆναι (Theok.), ganz unsicher ἀποσμυγέντες (Luk. D Mort. 6, 3; s. Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 31 ff.), Perf. κατεσμυγμένη (Hld.), ‘verschwelen lassen, in langsamem Feuer verzehren, hinschmachten lassen’, Med. ‘verschwelen, hinschmachten’; zum Gebrauch bei Hom. Graz Le feu dans l’Il. et l’Od. 250 ff. auch mit κατα-, ὑπο- u. a., Keine Ableitungen. — Bildung wie τρύχω, ψύχω; das späte ἀποσμυγέντες, wenn überhaupt hierher (s. ob.), ist Analogiebildung (vgl. Schwyzer 760). Neben dem primären σμύχω steht im Arm. ein Nomen mux, Gen. mx-oy ‘Rauch’ aus idg. *(s)mū̆qho- (Meillet MSL 8, 294 mit Bugge). Ein nahes Gegenstück bietet das Kelt. mit air. mūch, kymr. mwg ‘Feuer’ (idg. *mū̆q(h)-; Fick 2, 218). Aus dem Germ. kommt ein primäres Verb hinzu mit Diphthong und auslautender idg. Media, z. B. ags. smēocan ‘rauchen, räuchern’ (idg. *smeug-), neben schwachstufigem smoca m. (idg. *smug-on-), smocian ’smoke’ (Zupitza Germ. Gutt. 166; zur Media in dem fraglichen ἀποσμυγέντες s. ob.). Herangezogen wurden noch aus dem Balt.-Slav. lit. smáug-iu, -ti ‘(er)-würgen, zusammenschnüren, quälen’ (eig. *durch Rauch?), das aber wahrscheinlich anders zu erklären ist (s. Fraenkel s. v. m. Lit.), russ. usw. smúglyj ‘dunkel, braun’ (eig. *"rauchfarben"?; mehrdeutig, s. Vasmer s. v.). Unsicher und mehrdeutig ebenfalls zwei arm. Adj.: murk, Gen. mrk-oy ‘sengend’ (idg. *(s)mugro-[?]), moyg ‘braun, dunkel’ (idg. *(s)mougho-[?]); s. H. Petersson KZ 47, 267. — WP. 2, 688f., Pok. 971; ält. Lit. auch bei Bq. II-752
σμῶδιξ, pl. -ιγγες f. ‘mit Blut unterlaufene Strieme, blutige Schwiele’ (Β 267, Ψ 716, Opp. H. 2, 428). Davon σμωδικὰ φάρμακα (Gal.). Auch μῶδιξ· φλέψ, φλυκτίς H. — Bildung wie die gewissermaßen sinnverwandten φῦσιγξ, θῶμιγξ, μάσιξ u.a.; wohl zunächst von einem Nomen *σμωδ(ο)- mit weiterem Anschluß an σμῆ-ν, σμώ-χω ‘reiben’ (Persson Stud. 156 A. 1; ähnlich EM 721, 23); s. σμάω und W.-Hofmann s. fāmex (m. Lit.). II-752
σμώνη f. ‘Windstoß’ (Hdn. Gr., H. [cod. σμωσή, alphab. unrichtig], EM). — Nach Curtius 296, Persson Stud. 183 u. a. zu σμώ-χω; s. σμάω. II-753
σοβέω, Aor. σοβῆσαι, Fut. σοβήσω, Perf. σεσόβηκα, Pass. σεσόβημαι, ‘verscheuchen, wegjagen’, intr. ‘stolz einherschreiten, stolzieren’ (att. hell. u. sp.), Pass. ‘aufgeregt sein’ (sp.). auch mit Präfix, bes. ἀπο-, Wenige direkte Ableitungen: σόβ-ησις f. ‘heftige Bewegung’ (Plu.), -ητρον n. ‘Fliegenwedel’ (Ph. v. l.), ἀποσόβ-ημα, -ησις, -ητής, -ητήριος, -ητικός (Sch. u. a.). Rückbildung σόβη f. ‘Pferde-, Stier- Schwanz’ (Hippiatr., Sch., Suid.), gewöhnlicher μυ(ι)ο-σόβη ‘Fliegenwedel’ (Delos seit IIIa, Men. u. a.). Für sich steht σοβαρός ‘heftig dahinfahrend’ (vom Wind u. a.), gew. ‘hochfahrend, stolz’ (att.), wohl von σοβέω nach den zahlreichen Adj. auf -αρός; anders Benveniste Origines 33: alter r : n-Wechsel mit σεμνός (s. d.); f. σοβάς ‘ausgelassen, lasziv’ (Eup., Ph.), ‘Art Tanz’ (Ath.); auch Σόβοι = Σάτυροι (Ulp.) — Kausativum bzw. Iterativ-Intensivum zu σέβομαι; s. d. II-753
σόγκος, σόγχος m. ‘Saudistel, Sonchus aspera’ (Antiph., Thphr. usw.) mit σογκώδης ’σ. -ähnlich’ (Thphr.), σογχίτης m. ‘Habichtskraut, ἱεράκιον τὸ μέγα’ (Ps.-Dsk.). — Unerklärt. Pelasgische Etymologie von Carnoy Ant. class. 24, 24. II-753
σολοικίζω ‘fehlerhaft, ungeschickt sprechen (schreiben, denken)’ (Hdt., D., Arist. usw.), ‘sich ungeschickt, ungebildet benehmen’ (Zeno, Plu. u. a.) mit σολοικ-ισμός m. ‘fehlerhafte Ausdrucksweise’ (Arist., Phld. u. a.), -ιστής m. Titel eines Dialogs des Luk.; Rückbildung σόλοικος ‘der fehlerhaft spricht’ (Anakr., Hippon. u. a.), ‘sich ungeschickt, ungebildet benehmend’ (Hp., X. usw.). — Vorbild ἀττικίζω u.a.; von der kilikischen Stadt Σόλοι, deren Bewohner ein schlechtes Griechisch sprachen (Str. 14, 2, 28; D. L. 1, 51). — Lat. LW soloecismus, soloecus, -ista. II-753
σόλος m. ‘eiserne Masse, eiserne Wurfscheibe’ (Ψ 823, 839, 844; hell. u. sp. Epik). — Unerklärtes Fremdwort (vgl. Schwyzer 62). II-753
σομφός ‘schwammig, locker, porös’, auch übertr. von Lauten (Hp., Alex., Arist. usw.), (ἔν-, ὑπό-, χαυνό- ~) mit σομφ-ώδης ‘ds.’ (Thphr. u. a.), -ότης f. ‘Porosität’ (Arist.), -όομαι ‘schwammig werden’ (Aët.). — Seit alters (s. Curtius 380) mit dem germ. Wort für ‘Schwamm, Pilz’ verbunden in ahd. svamp, -bes, svam, -mes, aschwed. svamper, awno. suǫppr, got. swamm (Akk.), ags. svamm m. (mit wechselndem Auslaut; nicht überzeugend Specht Ursprung 268 f.); zum Anlaut vgl. σέλας. Wanderwort?; s. zu σπόγγος. — WP. 2, 534f., Pok. 1052; ält. Lit. auch bei Bq. II-753-754
σορέλλη σκῶμμά τι ἐπιχωριάζον εἰς τοὺς γέροντας, ἀπὸ τῆς σοροῦ H. (= Ar. Fr. 198). — Wie σορο-δαίμων in ähnl. Bed. (Kom. Adesp. 1151) von σορός mit unklarem Ausgang (-λλ- deminuierend?; vgl. Schwyzer 485, Chantraine Form. 252). II-754
σορός f. (zum Genus Schw.-Debrunner 34 A. 2) ‘Graburne, Sarg’ (seit Ψ 91), auch herabsetzend von einer Greisin (Kom.). Einige Kompp., z. B. σορο-πηγός m. ‘Sargmacher’ (Ar., AP), εὐρύ-σορος ‘mit breitem Sarg’ (AP). Davon σόρ-(ε)ιον (-εῖον) n. ‘ds.’ (Inschr.), -ίδιον n. (sp.), -ώϊον n. ‘Mumienleinwand’ (Pap. IIIa; nach μνώϊον ägypt. Bez. eines Behälters?). — Kann (mit Schulze KZ 28, 280 = Kl. Schr. 379) für *τϝορός stehen und als Nom. agentis zu einem Verb ‘umschließen usw.’ in lit. tveriù, tvérti ‘umschließen, umzäunen, fassen, ergreifen’, auch ‘formen, bilden’ gehören; somit formal identisch mit russ. tvor ‘Geschöpf, Form, Gestalt’ ( : tvorítь ‘schaffen, tun, bauen’); vgl. noch lit. ãptvaras (: ap-tvérti) ‘Gehege, Umzäunung’ u. a. — WP. 1, 750f., Pok. 1101, Fraenkel u. Vasmer s. vv., auch W.-Hofmann s. paries. Vgl. σειρά und σωρός. II-754
σός, dor. u. a. τεός Possessivpron. ‘tuus’, s. σύ. II-754
σοῦσον 1. n. ‘Lilie, Lotus(ornament)’ (Ath. 12, 513f.; unsicher Arist. Mir. 838 a 23; s. Dugas BCH 34, 116ff.) mit σούσινος ‘aus L., lilienartig’ (Hp., Thphr., Dsk. u. a.). — Orient. LW; vgl. hebr. šūšan ‘Lilie, Lotus’ aus ägypt. sśśn > śśn ‘ds.’; s. E. Masson Recherches 58 f. II-754
σοῦσον 2. als v. l. neben οὖσον φ 390 (für ὅπλον) und Antim. Fr. 57, 2 W. (Coll. Alex. p. 250); οὖσον n. ‘ds.’ (Lyk., Alex. Aet., H.). n. ‘(Schiffs-)Tau’ — Unerklärt. Der schwankende Anlaut geht auf eine scriptio continua in φ 390 zurück. II-754
σοφός ‘geschickt, kundig, klug, schlau, weise’ (seit Hes. Fr. 193). Als Vorderglied u. a. in Σοφο-κλῆς; sehr oft als Hinterglied, z. B. φιλό-σοφος ‘Freund des σοφόν, der τὸ σοφόν, τὴν σοφίαν liebt, wißbegierig, Freund der Wissenschaft, Philosoph’ (Herakleit., att.) mit φιλοσοφ-ία f. ‘(wissenschaftliches) Studium, Bildung, Philosophie’ (att.; zur Bed. Heyde Philosophia naturalis 7 [1961] 144 ff.), -έω ‘wißbegierig sein, studieren’ (ion. att.); zu ἐπί-σσοφος N. eines jährlich wechselnden Beamten (Thera) s. ψέφει. Davon σοφ-ία, ion. -ίη f. ‘Geschicktheit, Kunstfertigkeit, Kenntnis, Klugheit, Schlauheit, Weisheit’ (seit O 412). Denom. Verba. 1. σοφίζομαι, auch m. Präfix, bes. κατα- ‘eine Kunst ausüben, ausklügeln, aussinnen’ (seit Hes. Op. 649), -ίζω ‘geschickt machen, belehren’ (LXX, christl. Lit.); davon σόφ-ισμα n. ‘(kluge, listige) Erfindung’ (Pi., ion. att.), mit -ισμάτιον, -ισματώδης, -ισματικός; -ισις f. (Sch.); -ιστής m. "der Klügler", ‘Künstler, Gelehrter, Lehrer, Sophist’ (Pi., ion. att.) mit -ίστρια, -ιστικός, -ιστήριον, -ιστεύω, -ιστεία. 2. σοφόω = σοφίζω (LXX). — Zu σοφός und σοφία s. Snell Ausdrücke 1ff, B. Gladigow Sophia und Kosmos. Unters. zur Frühgesch. von σοφός und σοφίη (Spudasmata 1). — Unerklärt. Erfolglose idg. Deutungsversuche bei Bq (u. a. Brugmann IF 16, 499 ff. m. Lit.). Vgl. Σίσυφος, auch σάφα und ψέφει. II-754-755
σπάδιξ, σπάδιον, σπάδων, σπαδών, σπάτος usw. s. σπάω. II-755
σπάθη f. Bez. meherer flacher und länglicher Gegenstände, z.B. ‘Weberwerkzeug zum Festschlagen des Einschlags, Schwert(klinge), Ruderblatt, Spatel, flache Rippe (Schulterblatt?), Blütenscheide, bes. der Palme, Stiel des Palmblatts, Striegel’ (Alk., ion. att.). Mehrere Ableitungen. 1. σπαθ-ίς, -ίδος f. ‘Spatel, dichtgewobenes Gewand’ (Kom., Inschr.). 2. -ίας κτείς ‘flache Rippe’ (Opp.). 3. -ίτης m. ‘Palmwein’ (Alex. Trall.; Redard 99). 4. -ινα pl. ‘Kleidungsstücke’ (Aq.), -ίνης m. ‘junges Reh’, von der Form der Hörner (H. Eust., Sch.; vgl. ἐλαφίνης u. a.). 5. -άριος m. ‘(mit σ. ausgerüsteter) Wächter’ (Lyd., kappadok. Inschr.), -αρία f. ‘Wettkampf im Fechten’ (EM), -αρικόν n. ‘dünnes Obergewand’ (Sm.). 6. -άω, ganz vereinzelt m. δια-, ἐν-, κατα-, ‘mit einer σ. streichen, dicht machen, anzetteln, verzetteln, vergeuden’ (Ar., D., hell. u. sp.) mit -ημα, -ησις, -ητός. 7. -ίζω (περι- u. a.) ‘mit einer Spatel umrühren’ (Opp.) mit -ίσματα· σπαδονίσματα H. — Bis auf die Stammbildung kann σπάθη mit dem germ. Wort für ‘Spaten’ identisch sein, asächs. spado m., ags. spade, spadu f., nhd. Spaten m., urg. *spað-an, -ōn-, idg. -spədh-. Unhaltbar über σπάθη Specht Ursprung 256 (θ aus idg. th). Heth. išpatar ‘Spieß?, Gabel ?’ bleibt besser fern; s. Kronasser 1, 283 m. Lit. Weitere Beziehung zu einem Verb ‘in die Länge ziehen’ (s. σπάω; Persson Beitr. 1, 405ff.) ist wahrscheinlich (zurückhaltend WP. 2, 652f.). Lat. LW spada, spatha, spatula s. W.-Hofmann s. vv. m. weiteren Einzelheiten. II-755
σπαίρω, nur Präs., ‘zucken, zappeln’ von sterbenden Lebewesen usw. (ganz vereinzelte Beispiele bei Arist., A. R., Plb., D.H., AP); daneben σπαρίζω (Eust.) wie σκαίρω : σκαρίζω. — Kann mit lit. spiriù, spìrti ‘mit dem Fuß stoßen, nach hinten ausschlagen usw.’ formal identisch sein; dazu, ebenfalls mit Schwundstufe, das thematische aind. sphuráti ‘mit dem Fuß stoßen, schnellen, zucken’, mit Nasal lat. spernō eig. *wegstoßen’, ‘verwerfen, verschmähen’, germ., z.B. ahd. spurnan ‘mit dem Fuß, der Ferse ausschlagen’, wohl auch arm. spaṙnam ‘bedrohen’ (Meillet BSL 31, 52). Weitere formen mit reicher Lit. bei WP. 2, 668ff., Pok. 992f., W.-Hofmann s. spernō, Fraenkel s. spìrti, auch bei Bq. — Wegen des späten und sporadischen Vorkommens von σπαίρω will Güntert Reimwortbild. 146, vielleicht mit Recht, darin eine Kreuzung des früher belegten und weit gewöhnlicheren ἀσπαίρω (s. d.) mit σκαίρω sehen. Vgl. σφυρόν und σπείρω, auch σπυρθίζω. II-755-756
σπάλαθρον (Poll.), σπάλαυθρον (Phot., auch H. [cod. σπαύλαθρον alphab. unrichtig]) = σκάλευθρον; Daneben σπα-λύσσεται· σπαράσσεται, τινάσσεται H. — Viell. zu σπάλαξ, s. σκάλλω. II-756
σπάλαξ, -ακος f. m. ‘Maulwurf’ (Arist. u. a.), auch als Pflanzenname ‘Herbstzeitlose, Colchicum parnassicum’ (Thphr.); σπαλακ-ία· νόσος ἡ περὶ τοὺς ὀφθαλμούς, πήρωσις H. (vgl. Scheller Oxytonierung 41); auch σπαλακός als Farbenbez. (Pap.). —S. ἀσπάλαξ. — Daneben σφάλαξ ‘ds.’ (Paus. 7, 24, 11) für ἀσφάλαξ (Babr. u. a.), volksetymologisch nach σφάλλω wegen der unterwühlenden Tätigkeit des Maulwurfs; ebenso σπάλαξ nach σπάω ‘abziehen’ mit Bezug auf die Haut (Grégoire Byzantion 32, 32 ff.; hypothetisch) ? Zum Anlaut noch Hiersche Ten. aspiratae 192 f. II-756
σπάνις, -εως, ion. Dat. -ι f. ‘Seltenheit, Mangel’ (ion. att.). Davon 1. σπάνιος ‘selten, spärlich’ (ion. att.); in Kompp. dafür σπανο-, z.B. σπανο-σιτ-ία f. ‘Mangel an Getreide, Proviant’ (X., Arist., Inschr. u. a.; σπανι- ~ Delos IIIa); σπιανο-πώγων, -ωνος ‘mit spärlichem Bartwuchs’ (Ion Hist., Pap.), daraus gekürzt σπανός ‘ds.’, auch ‘Eunuch’ (Ptol. u. a., byz.; Fraenkel Μνήμ. χάριν 1, 100, E. Maass RhM 74, 432); σπανι-άκις ‘selten’ (Luk. u. a.), -ότης f. = σπάνις (Isok., Ph.), auch σπανία ‘ds.’ (E. Rh. 245 [lyr.]; von σπάνιος oder Erweiterung von σπάνις; Scheller Oxytonierung 38). 2. Verb σπανίζω, -ομαι, auch m. ὑπο-, ‘Mangel haben, ermangeln, selten sein, fehlen’ (Pi., ion. att.) mit σπαν-ιστός ‘kärglich, karg’ (S. u.a.), -ιστικός ‘ds.’ (Vett. Val.); σπανίζω auch faktitiv ‘ausschöpfen, ausgeben, spenden’ (LXX, Pap., Ph. Byz.); vom Verb rückgebildet σπανόν· τίμιον, πολλοῦ ἄξιόν ἐστιν H. — Etymologie strittig. Eher mit νι-Suffix zu σπάω (Persson Beitr. 1, 397 A. 1 als Vermutung mit Curtius 272) als mit Schwundstufe zu πένομαι (s. Curtius a. O.; anl. σπ- macht Schwierigkeiten). Noch anders Solmsen Wortforsch. 157 (zu lat. pēnūria). II-756-757
σπαράσσω, att. -άττω, Aor. -άξαι, Fut. -άξω, -άξομαι, Perf. Med. ἐσπάραγμαι, ‘reißen, zerren, zerreißen, angreifen’ (ion. att.). auch mit δια-, κατα- u. a., Davon σπάρ-αγμα n. ‘zerrissenes, abgerissenes Stück, Bruchstück’ (Trag., Arist. u. a.), -αγμός m. ‘das Reißen, das Zerren, Krampf’ (Trag. u. a.) mit -αγμώδης ‘krampfhaft’ (Hp., Plu.), -αξις f. ‘Konvulsion’ (Mediz.), -ακτόν n. ‘zerbröckeltes Gestein, Schutt’ (Hero), διασπαρακτός ‘zerrissen’ (E., Ael.). — Expressive Bildung auf -άσσω wie ταράσσω, τινάσσω, πατάσσω u. a.; ohne sichere Etymologie. Wenn -άσσω nur erweiternd ist (Schwyzer 733), scheint Anknüpfung an σπαίρω u. Verw. möglich. Persson Beitr. 2, 869 A. 1, der den Guttural als wurzelhaft betrachtet (-σσω analogisch für -ζω Debrunner IF 21, 224), will σπαράσσω in eine bunte Gruppe einreihen, der u. a. lat. spargō, awno. spark n. ‘Fußtritt’, σπαργάω, σφαραγέομαι angehören sollen. Anders ders. Beitr. 1, 418 (= WP. 2, 668, Pok. 992): zu arm. p‘ert‘ ‘abgerissenes Stück’ (-rt‘ < -rkt-), awno. spiǫrr f. ‘Tuchstreifen’ (urg. *sperrō). Noch anders Thierfelder briefl. (als Hypothese) : zu σπάω nach ταράσσω, ἀράσσω, χαράσσω u. a. II-757
σπαργάω nur Präsensstamm (-γεῦσα Ptz. f. Q.S. 14, 283) ‘schwellen, strotzen (von Milch usw.), voll Begierde und Wollust sein, heftig begehren’ (ion. att.) mit σπάργ-ησις f. ‘das Strotzen’ (Dsk., Sor.), auch -ωσις f. ‘ds.’ (Dsk.) wie von σπαργόω; vgl. ngr. σπαργώνω und Georgacas Glotta 36, 182. Auch (Rückbildung?) σπαργαί· ὀργαί, ὁρμαί, mit -o- (äolisch?) σποργαί· ἐρεθισμοὶ εἰς τὸ τεκεῖν H.; davon Σπαργεύς m. N. eines Kentauren (Nonn.; Bosshardt 131). — Expressives Wort ohne genauere oder sichere außergriech. Entsprechung. Lautlich stimmt dazu eine semantisch ziemlich bunte und schwer abzugrenzende Gruppe, wozu u. a. lat. spargō ‘(hin)-streuen, sprengen, spritzen’, aw. sparəga- m. ‘Widerhaken’, frasparəga- m. ‘Sprößling, Zweig’, germ., z.B. awno. spark n. ‘Fußtritt’, sparkr ‘lebhaft, rührig’, lit. spùrgas ‘Quaste, Troddel usw.’, sprógti ‘beraten, platzen’ gehören sollen, s. WP. 2, 672ff., Pok. 996ff., W.-Hofmann s. spargō (nach Persson Beitr. 1, 417 f., 2, 868 ff.) m. weiteren Formen und Lit. — Vgl. σφαραγέομαι; auch σπαράσσω. II-757
*σπάργω nur Aor. 3. pl. σπάρξαν ‘sie wickelten (das Kind) ein’ (h. Ap. 121). Davon σπάργανα pl., selten sg. -ον, n. ‘Windeln’ (poet. u. sp. seit h. Merc., Pi.) mit σπαργαν-ιώτης m. ‘Wickelkind’ (h. Merc.; nach ἀγγελι-ώτης u.a., vom Metrum begünstigt; Zumbach Neuerungen 7, Redard 9), -ιον n. Pfl. name ‘Sparganium ramosum, ästiger Igelkolben’ (Dsk., Plin.), -όω, auch mit ἐν-, κατα-, ἀπο-, ‘einwindeln’ (Hp., E., Arist. usw.) mit -ωμα, -ωσις (sp.); auch -άω (Pl. Lg. 789e), -ίζω (Hes. Th. 485: Aor. Ptz. -ίσασα). — Primäres schwundstufiges Verb zu σπάρτον, σπεῖρα (s. dd.) mit γ-Erweiterung unbekannter Herkunft, wohl durch Kreuzung mit einem sinnverwandten Verb (εἴργω?). — Die Verbindung mit lit. springstù, spriñgti ‘beim Schlucken würgen’, lett. sprangât ‘einschnüren’ usw. (WP. 2, 667, Pok. 991 mit Persson Beitr. 1, 386 u. 2, 870 A. 2) ist sehr fraglich; anders über die balt. Worte Fraenkel s. spreñgti. II-757-758
σπαρνός ‘dünngesät, spärlich’ (A., Pl. Kom., Kall.); σπαρνο-πόλιος· ὀλιγοπόλιος H. (vgl. σπαρτο-πόλιος s. σπείρω). — Poetisches und seltenes Verbaladj. zu σπείρω (s. d.); Gegensatz πυκνός, συχνός. II-758
σπάρος m. ‘kleiner Seebrassen, Sargus annularis’ (Epich., Matro, Arist.; zur Sache Thompson Fishes s. v.). — Herkunft unsicher. Nach Persson Beitr. 1, 473 f. A. 3 (mit semantischen Parallelen) zu lat. sparus, -um ‘kurzer Speer’, germ., z.B. ahd. sper ‘Speer’. Strömberg Fischn. 52 denkt dafür an σπαίρω ‘zucken, zappeln’, u. a. von sterbenden Fischen. Lat. LW sparus, -ulus. II-758
Σπάρτη (seit Δ 52), dor. -τᾱ f. Hauptstadt von Lakonien. Davon Σπαρτ-ιάτης, f. -ιᾶτις, ion. -ιήτης, -ιῆτις ‘Spartaner(in)’ (ion. att.), nach οἰκιή-της, πολι-ήτης (Schwyzer 500 m. Lit.), mit -ιατικός, -ιητικός (Hdt. usw.; Fraenkel Nom. ag. 1, 209, Chantraine Études 122). — Appellativische Bed. unbekannt; mithin ohne Etymologie. Über die verschiedenen Versuche, das Wort als idg. mit σπείρω oder σπάρτη oder dem Pfl.-namen σπάρτος zu verbinden, s. Bölte P.-W. II : 3, 1272f. Für vorgr. Ursprung Heubeck Beitr. zur Namenforsch. 1, 280 und Gnomon 21, 203. II-758
σπάρτον auch σπάρτη f. (Ar. Av. 815 [Wortspiel mit Σπάρτη], unklar Kratin. 110), σπάρτος f. (Hero) n. (seit Β 135), ‘Tau, Seil, Strick, Schnur’, auch ‘Lotleine’; σπάρτος m. f. (selten σπάρτη, -τον) auch N. eines zu Stricken verwendeten Strauches ‘Spartium junceum, Art Ginster’ (Pl., X. usw.). Einige Kompp., z.B. σπαρτό-δετος ‘mit σ. gebunden’ (Opp.), λινό-σπαρτον n. Pfl.name = σπάρτος (Thphr.; vgl. Risch IF 59, 257). Davon σπαρτ-ίον n. Demin., auch als Pfl. name (att. hell. u. sp.), -ινος ‘aus σ. gemacht’ (Kratin., Poll.), -ίνη f. ‘Tau, Seil’ (Ael.). — Nach der Form zu schließen, Verbalnormen auf -το-; wegen der mutmaßlichen Schwundstufe eher substant. Adj. als Abstraktbildung. Das zugrundeliegende Verb ist indessen nirgends angetroffen, scheint aber sowohl von der γ-Erweiterung *σπάργω, σπάρξαι ‘einwickeln’ wie von σπεῖρα, σπυρίς vorausgesetzt zu werden. Die übrigen Sprachen helfen nicht weiter. Zu alit. spartas (formal = idg. *sportos), seit Fick und Curtius 503 damit verbunden, s. Fraenkel s.v. m. Lit. (unbefriedigend); arm. p’arem, p’arim ‘umschließen, umarmen’ (Scheftelowitz BB 29, 36) macht lautliche Schwierigkeiten (p’ nicht aus idg. sp-). — Lat. LW spartum ‘Pfriemengras’ (s. W.-Hofmann s. v.). II-758-759
σπατάγγης, -ου πάταγγας Akk. pl. ‘ds.’ (Poll.). m. ‘Art Seeigel’ (Sophr. 102, Ar. Fr. 409, Arist.); — Unerklärtes Fremdwort. Oder zu σπάω ‘saugen’ (vgl. zu σπατάλη)? — Davon σπαταγγίζειν· ταράσσειν H. II-759
σπᾰτάλη f. ‘üppige, wollüstige Lebensweise, Schwelgerei, Luxus’, auch von luxuriösen Gegenständen, ‘Schmuck, Armband, Fußring’ (LXX, hell. Inschr., AP usw.). Demin. lat. spata-lium n. ‘Armband’ (Juba ap. Plin., Inschr.). Denominatives Verb σπαταλ-άω (κατα-), Aor. -ῆσαι ‘üppig, wollüstig leben’ (Plb., LXX, NT u. a.) mit -ημα n. (AP). Rückbildung (Schwyzer 483) σπαταλός (-αλος) ‘üppig, wollüstig’ (AP u.a.). — Volkstümliches Wort. Wenn, wie wahrscheinlich, ursprünglich Abstraktum, reiht sich σπατάλη begrifflich an κραιπάλη, δαιταλ-εύς; weitere Anknüpfung unsicher. Möglicherweise zu σπάω ‘einziehen, saugen’, von Wein usw.; z.B. ἔσπασεν ἄμυ-στιν ἑλκύσας (E. Kyk. 417); vgl. noch σπάσει πίνειν (Arist.). Zu -τ- vgl. σπατίζει· ... ἕλκει H. — Abzulehnen Neumann Heth. u. luw. Sprachgut 88 f.: σπαταλός (Rückbildung; s. ob.) aus heth. *išpatalla- ‘der sich gern, häufig satt ißt’ von išpāi- ‘sich satt essen’. II-759
σπατῑ́λη auch πατίλη (An. Ox.); f. 1. ‘dünner Stuhlgang’ (Hp., Ar. Pax 48, D.C.); σπατίλουροι· οἱ τὴν οὐρὰν εἰς τὴν σπατίλην ἐκτιθέντες H.; unklar σπατιλοκολυμφευ Sophr. (PSI 11, 1214 d 4). 2. ‘Lederabfälle’ (Sch. Ar. l. c.); daneben παστίλη = ἡ τελευταία ἡμέρα τοῦ ἐνιαυτοῦ (Hdn. Gr. 1, 322, 19). — Bildung wie μαρίλη, κονίλη, χονδρίλη usw. (vgl. Chantraine Form. 249). In der 2. Bed. zu σπάτος (s. d.). Auch die Bed. ‘dünner Stuhlgang’ dürfte als euphemistische Metapher damit vereinbar sein; dabei mag die lautliche Ähnlichkeit mit τῖλος, τιλάω eingewirkt haben. Seit Meillet MSL 13, 291 f. dagegen gewöhnlich mit οἰ-σπώτη verbunden. Die weitere Zerlegung in *σπατο-τίλη (WP. 2, 682 f. m. Lit.) erweckt bei einem Wort dieses Charakters kein Vertrauen. II-759
σπάω, σπάομαι (S., Ar. u. a.), Aor. σπάσαι, σπάσ(σ)ασθαι, Pass. σπασθῆναι (seit Il.), Fut. σπάσω, -ομαι, Perf. Med. ἔσπασμαι (ion. att.), Akt. ἔσπακα (Ar., Arist. u. a.), ‘ziehen’, z.B. ein Schwert, ‘herausziehen, zerren, zucken, an sich ziehen od. reißen, abreißen, verrenken, wohin ziehen od. locken, einziehen, einsaugen, hinunterschlürfen’. sehr oft m. Präfix in verschiedenen Sinnfärbungen, z.B. ἀνα-, ἀπο-, δια-, ἐπι-, κατα-, περι-, Mehrere Ableitungen. A. Von der unerweiterten Wurzel: 1. σπάσις, meist zu den präfigierten Verben, z.B. ἀνάσπα-σις ( : ἀνα-σπάσαι, -σπᾶν) ‘das Einziehen usw.’ (Hp., Arist. usw.). 2. σπασμός (ἐπισπασμός usw.) m. ‘das Zucken, Krampf, heftige Bewegung’ (ion. att.) mit σπασμ-ώδης, κατα-σπασμ-ικός. 3. σπάσμα (ἀπόσπασμα usw.) n. ‘Krampf, Verrenkung, Lappen, Fetzen’ (ion. att.); zu σπάσις, -σμός, -σμα Chantraine Form. 145 u. 147. — 4. -σπαστος in ἐπίσπασ-τος ‘zugezogen, selbstverschuldet’ (Od. usw.) u.a.; σπαστικόσ (κατα-, περι-) ‘einziehend, einschlürfend’ (Arist.). — 5. -σπα-στήρ, -ῆρος m. in ἐπισπαστήρ (Hdt., AP; -σπατήρ Inschr.), ποτισπαστήρ (Epid. IV—IIIa) "der Anzieher", ‘Türring, Vogelschnur, -netz’; ἐπίσπαστρον n. ‘ds.’ (LXX, D.S. u. a.). —B. Mit δ-Erweiterung: 1. παρα-σπάς, -άδοςf. ‘Pflanzenabsenker’ (Thphr.), ἀπο- ~ ‘abgerissener Zweig’ (AP, Nonn.). 2. σπάδῑξ, -ῑκος m. ‘(abgerissener) Zweig, bes. Palmzweig’ (Nik., Plu. usw.); lat. LW spădīx ‘dattelfarben’ (s. W.-Hofmann s.v.). 2. σπάδιον n. ‘Rennbahn’ (Argos, H; "das langgedehnte"; vgl. στάδιον). 3. σπαδών, -όνος f. ‘Zucken, Krampf’ (Hp., Nik.) mit -ονίζω, -ονισμός. 4. σπάδων, -ωνος m. ‘Eunuch’ (LXX, Plb. u.a.), auch σπάδος (Eust.; vgl. E. Maass RhM 74, 432ff.). — C. Mit τ-Erweiterung: σπάτος n. ‘(abgezogene) Haut’ (H., Sch. Ar. Pax 48 [böot.]) mit σπάτειος in σπατείων· δερματίνων H., als Vorderglied in Σ<πα>το-ληασταί m. pl. Walkergilde in Argos (röm. Zeit; Fraenkel Nom. ag. 1, 176). — D. Abgeleitete Verba: σπάζει· σκυζᾷ. ’Αχαιοί H.; σπαδίξας Aor. Ptz. von σπαδίζω ‘abziehen’ (Hdt. 5, 25); σπατίζει· τῶν <σ>πατέων ἕλκει, τῶν δερμάτων, τῶν τιτθῶν H. — Zu σπάθη s. bes. — Das regelmäßige Flexionssystem von σπάω hat sich wahrscheinlich vom Aorist σπάσαι aus entwickelt. Daraus zunächst σπασθῆναι, ἔσπασμαι, σπάσω, weiterhin σπάω, zuletzt ἔσπακα (vgl. zu κλάω). Die σ-Formen σπασθῆναι usw. sind wahrscheinlich analogisch gegenüber σπα-δ-, σπα-τ- (anders Schwyzer 761; zweifelnd 706). — Keine unmittelbare außergriech. Entsprechung. Semantisch sehr verlockend ist der Vergleich mit toch. B pāss- ‘(die Haut) abziehen’ in den präteritalen Formen passāre-ne (3. pl. Akt.), passāmai (1. sg. Med.), s. v. Windekens Orbis 11, 343; 12, 191, obgleich das Fehlen des "beweglichen" s- Bedenken erregen muß (-ss- außerdem aus -sw- nach v. W.). Ein altes Verbalnomen scheint in dem lat. Reliktwort spatium ‘Raum usw.’ (: σπάδιον mit alternativen Dentalen, Schwyzer 498 A. 13 m. Lit.) erhalten zu sein. —Die übrigen unter spē(i)- ‘ziehen, spannen, ausdehnen usw.’ bei WP. 2, 655ff. (ähnlich Pok. 981 ff.) nach Persson Beitr. 1, 386—415 gruppierten Wörter, u. a. ahd. spanan ‘locken, reizen’ (eig. *"anziehen"), spāti ‘spät’, sind wegen der dehnbaren Bedd., des knappen Wortumfanges und der schwankenden Lautform zu einer genauen, ins einzelne gehenden etymologischen Beweisführung nicht besonders gut geeignet und tragen jedenfalls zum Verständnis von σπάω nichts bei. —Vgl. σπίδιος und σφαδάζω; auch σπατάλη und σπατίλη. II-759-761
σπεῖρα f. ‘Windung, z.B. einer Schlange, eines Netzgeflechts, Spirale’, Ben. mehrerer gewundener oder kreisförmiger Gegenstände, z.B. ‘Tau, Riemen, Wulst, runde Säulenbasis’ (ion. poet., auch hell. u. sp. Prosa; v.l. ζ 269); auch als militä-rischer Terminus = lat. manipulus (hell.; zur Erklärung [eig. ‘Bündel’] Debrunner IF 48, 244), später = cohors (Inschr. u. Pap., Act. Ap. u.a.). Einzelne Kompp., z.B. σπειρο-κέφαλον n. ‘Basis und Kapitäl einer Säule’, ὑπό-σπειρον n. "was unter der runden Basis liegt", ‘viereckige Platte, πλίνθος’ (Inschr.). — Wie πεῖρα, στεῖρα, μοῖρα feminine ια-Ableitung; ob zunächst von einem Nomen oder Verb, ist nicht zu entscheiden (vgl. Schwyzer 474, Chantraine Form. 98 f.). Letzten Endes jedenfalls vom. selben Verb ‘winden, flechten’, das auch in σπάρτον, σπεῖρον und σπάργανον Spuren hinterlassen hat. Das primäre Verb wurde teils von den sekundären σπειράομαι, σπαργανόω, teils von anderen Verba wie εἰλέω, εἰλύω ersetzt. Davon 1. σπειρ-ίον n. ‘kleine Säulenbasis’ (Hero); 2. -ικός ‘zu einer σ. gehörig’ (Hero); 3. -ίτης (sc. λίθος) ‘Stein für eine Säulenbasis’ (Inschr. Didyma; Redard 64 m. A. 26, wo anderer Deutungsvorschlag); 4. -αία f. ‘Liguster’ (Thphr.; von der Form der Blütenstände); 5. -ηδόν ‘in Windungen, im Kreise’ (Opp., AP). 6. Denom. Verb σπειρ-άομαι, auch m. περι- u. a., ‘sich winden’ (hell. u. sp.), älter συ-σπειράομαι ‘sich zusammenwinden, -ziehen’ (Pl., X., Arist. u. a.), auch Akt. συ-, περι-σπειράω ‘zusammenwickeln, zusammenziehen’ (hell. Pap., D.S. u.a.); davon σπείρ-ᾱμα, ion. -ημα n. ‘Windung, z.B. einer Schlange, Binde usw.’ (A., Arist., Nik. u.a.; auch aus σπεῖρα erweitert? Chantraine Form. 184). 7. Auch (συ-) σπειρόομαι ‘sich (zusammen)winden’ (Hp., Thphr.), Akt. Aor. σπειρῶσαι ‘einwindeln’ (Kall.; von σπεῖρον?). II-761
σπεῖρον n. ‘Tuch, Leichentuch, Segeltuch, Hülle’ (Od., Euph.); σπειρο-φόρος m. ‘Träger eines σ.’ (Ephesos); heterokl. pl. σπείρ-εα (Nik. Th. 882; nach ῥήγεα u. a.) übertr. von den Zwiebelschuppen, ebenso -ώδης ‘schuppenreich’ (Nik.). Unsicher σπειρία pl. n. ‘Gewänder’ (X. HG 4, 5, 4; eher mit Dindorf σείρια). Denom. Aor. σπειρῶσαι = σπαργανῶσαι, ‘einwindeln’ (Kall.), wenn nicht von σπεῖρα (s. d.). — Altertümliches und poetisches Wort. Aus *σπερ-ι̯ον, mit ι̯ο-Suffix vom selben verbalen oder nominalen Grundwort wie σπεῖρα, somit eig. ‘Umwindung, Umwicklung’. II-761-762
σπείρω, Aor. σπεῖραι, Fut. σπερῶ, Aor. Pass. σπαρ-ῆναι, Fut. -ήσομαι, Perf. Med. ἔσπαρμαι (ion. att.), Akt. ἔσπαρκα (sp.), ‘säen, besäen’, auch (bes. m. Präfix) ‘ausstreuen, aussprengen, verbreiten’. oft m. Präfix, z.B. δια-, κατα-, Viele Ableitungen. A. Mit Hochstufe: 1. σπέρμα n. ‘Same, Saat, Stamm, Sproß’ (seit ε 490; myk. pe-mo, pe-ma?); als Vorderglied auch mit Übergang in die o-Stämme, z.B. σπερμο-λόγος "Samenkörner auflesend", ‘Saatkrähe’ (Ar., Arist. usw.; Schmid Phil. 95, 82), ‘Schwätzer’ (D. usw., mlat. spermologus; Silvestre Arch. Lat. Med. Aevi 30, 155 ff.). Davon σπερ-μάτιον n. Demin. (Thphr. u. a.), -ματίας (σικυός) m. ‘Samenträger’ (Kratin.), -ματίτης, -ματῖτις ‘samentragend, -erzeugend’ (sp.; Redard 102), -ματικός ‘Samen enthaltend, erzeugend’ (Arist. usw.), -ματώδης ‘samenartig’ (sp.); -μαίνω ‘besäen, erzeugen’ (Hes., Kall., Plu. u. a.), -ματίζω ‘säen, Samen tragen’, -ματίζομαι ‘besät, schwanger werden’ mit -ματισμός m. (LXX, Thphr.), -ματόομαι ‘in Samen schießen’ (Thphr.) mit -μάτωσις (Phan. Hist.). — 2. σπέραδος n. = σπέρμα (Nik.; wie χέραδος). — B. Mit o-Abtönung: 1. σπόρος m. ‘Saat, Same’ (att.) mit -ιμος ‘zum Besäen geeignet’, τὰ -α ‘Saatfelder’ (X.. Thphr., LXX u. a.; Arbenz 46 u. 48). 2. σπορά f. ‘das Säen, Saat, Zeugung, Abstammung’ (Trag., Pl., Thphr. u. a.) mit -αῖος ‘besät’ (Babr.); oft zu den Präfixkompp., z.B. διασπορά f. ‘Zerstreuung, Exil’ (LXX, Ph., Plu. u. a.). 3. Von σπόρος od. σπορά: ὁμό-σπορος ‘aus derselben Saat, blutsverwandt’ (poet. seit h. Cer.); σπορ-εύς (κατα-. δια-) m. ‘Säer, Erzeuger’ (X., Pap. u.a.; Bosshardt 53). 4. σπορητός m. ‘das Säen, Saat’ (A., X., Thphr.; nach ἀλοητός, ἄμητος u. a.; nicht mit Bosshardt a. O. von *σπορέω). 5. σποράς, άδος ‘zerstreut’ (ion. att.), αἱ Σποράδες Inselgruppe, mit -άδην ‘zerstreut’ (att. usw.), -αδικός ‘ds.’ (Arist.), -άσαι Aor. ‘zerstreuen’ (Inschr.). 6. ἐπισπορ-ίη f. ‘Nachsaat, zweite Saat’ (Hes.; ἐπίσποροσ A.), περισπόρ-ια n. pl. ‘Vororte’ (LXX). — C. Mit Schwundstufe: 1. σπαρ-τός ‘gesät’ (A. u. a.); οἱ Σπαρτοί m.. pl. "die Gesäten", von der Drachensaat des Kadmos (Pi. u.a.); 2. σπαρνός (s. bes.). — Als landwirtschaftlicher Ausdruck des Säens gehört σπείρω ausschließlich dem Griechischen an. Im Westen, einschließlich des Balto-Slavischen, erscheinen dafür Vertreter von sē- : sə-(lat. sēmen usw.); s. Ernout-Meillet und W.-Hofmann s. 1. serō (vgl. auch oben zu ἵημι). Auch in der vermutlich älteren Bed. ‘streuen’ bieten die übrigen Sprachen nichts, was mit σπείρω direkt gleichzusetzen wäre. Das nächstverwandte Armenische hat in sp’iṙ ‘zerstreut, verstreut’ mit sp‘ṙem ‘zerstreuen’ und in p‘arat ‘zerstreut, gesondert’ mit p‘aratem ‘zerstreuen, entfernen’ Wörter, die vom "rollenden" ṙ und dem Vokal (idg. ē oder i) in sp‘iṙ zu schweigen, im Anlaut (idg. (s)ph-?) von σπείρω abweichen. Arm. spaṙnam ‘bedrohen’ (Meillet BSL 31, 52) weicht semantisch erheblich ab. Letzteres leitet zu den s. σπαίρω angeführten aind. sphuráti, lat. spernō usw. über. So bleibt man bei zwei idg. Sippen sp(h)er- der allg. Bed. ‘streuen, sprengen, spritzen’ bzw. ‘zucken, mit dem Fuße ausschlagen, zappeln, schnellen’ stehen, die, obwohl jede für sich gewisse Besonderheiten aufweisend, sich nicht rein scheiden lassen und als volkstümlichexpressive Ausdrücke den Ausgangspunkt für das in die Hochsprache emporsteigende σπείρω haben bilden können. Vgl. die Lit. zu σπαίρω. — Heth. išpar-iya-zi (neben išpar-i) ‘er breitet hin, streckt hin’, mit σπείρω formal vergleichbar, erregt wegen der Bed. gewisse Bedenken (Benveniste BSL 33, 139). II-762-763
σπέλεθος (Ar. Ek. 595), πέλεθος (Ach. 1170, S. Ichn. 414) m. ‘Kot’; ὑ-σπέλεθος ‘Schweinekot’ (D.C. 46, 5, Poll. 5, 91), πελεθο-βάψ m. f. (Hdn. Gr. 1, 246, 12; H.). Daneben σπέλληξι· σπελέθοις, πελλία· σπέλεθοι H. — Zur Endsilbe vgl. σπύραθος, ὄνθος; zum Anlaut Schwyzer 334. Vulgäres Wort unklarer Herkunft. Anknüpfung an idg. sp(h)el- ‘spalten’ in σπολάς, (ἀ)σπάλαξ u. a. ist an und für sich nicht unmöglich; vgl. z.B. nhd. scheißen eig. *’ausscheiden’ zu σχίζω ‘spalten’ u. a. m. II-763
σπένδω, Aor. σπεῖσαι (seit Il.), Fut. σπείσω (Hdt. usw.), Perf. ἔσπεικα (Plu.) Med. σπένδομαι, σπείσασθαι, σπείσομαι, ἔσπεισμαι (ion. att.) ‘ein Trankopfer bringen, ausgießen, spenden’; ‘(unter Verrichtung eines Trankopfers) einen Waffenstillstandsvertrag schließen’; letzteres auch im Sinne von ‘zusichern, versprechen’ bzw. ‘sich zusichern lassen’ (Gortyn; dazu Willetts Glotta 43, 251 ff.). auch m. Präfix, z.B. κατα-, ἐπι-; Davon σπονδή f. ‘Trankopfer, Weinspende’ (seit Β 341 = Δ 159), pl. gew. ‘(mit Trankopfer geheiligter) Waffenstillstandsvertrag, Waffenruhe, Friedensvertrag, Gottesfriede’ (ion. att. usw.). Kompp., z.B. σπονδο-φόρος m. ‘Verkünder der Waffenruhe, des Gottesfriedens’ (seit Pi.); oft als Hinterglied, z.B. ὑπό-σπονδος ‘einem Waffenstillstandsvertrag unter- stellt, unter sicherm Geleit’ (ion. att.). Davon σπονδ-εῖος ‘zur Spende gehörig’, auch metr. ‘Spondeus’ (D.H. u. a.), -εῖον n. ‘Libationsgefäß’ (hell. u. sp.); dazu -ειακός, -ειάζω, -ειασμός (sp.); -ικός ‘zur Spende gehörig’ (Pap.); -ήσιμα n. pl. ‘ds.’ (Philem.; nach ὀνή-σιμος u. a.; vgl. auch παρασπόνδησις [Plb.] von παρασπονδ-έω [: παρά-σπονδος] und Arbenz 83); -ῖτις (σταγών) ‘ds.’ (AP; Redard 114); σπόνδικες· οἱ τὰς σπονδὰς χέοντες H. (Schwyzer 497). — Ausführliche Behandlung bei A. Citron Semantische Untersuchung zu σπένδεσθαι — σπένδειν — εὔχεσθαι (Winterthur 1965). — Alter Ausdruck der Kult- und Rechtssprache, auch im Heth. und Latein erhalten: heth. šipant- (z.B. 3. sg. šipant-i [= σπένδει?], 3. pl. -anzi) ‘Gußopfer darbringen. libieren, (durch Besprengen?) weihen, ein Ritual vollziehen’ (Kronasser Etymologie 1, 522 ff. mit leisem Zweifel an der Etym.); lat. spondeō (Iterativ) ‘feierlich geloben, zusichern, sich verbürgen’. Einzelheiten bei Ernout-Meillet u. W.-Hofmann s. v. (m. Lit.). II-763
σπέος (σπεῖος) Gen. σπείους, Dat. σπῆϊ, pl. σπέσσι, σπήεσσι usw. (zur Erklärung Chantraine Gramm. hom. 1, 7, 11, 101, Schwyzer 102, Ruijgh L’élém. ach. 126f.) n., ‘Höhle, Grotte’ (ep. seit Il., auch kypr. Inschr.). — Altes Wort ohne Etymologie. Vgl. σπήλαιον. II-764
σπέρχομαι nur Präs. stamm mit Ausnahme vom Aor. Pass. Ptz. σπερχθείς (Pi., Hdt.) und Fut. σπέρξομαι· ὀργισθήσομαι, Aor. ἐσπερξάμην· ἠπείλησα, ὠργίσθην H.; Akt. σπέρχω, vorw. mit ἐπι-, κατα-, περι-, ‘einherstürmen, sich drängen, aufgebracht, leidenschaftlich bewegt sein’; Akt. m. ἐπι-, κατα- auch trans. ‘drängen, antreiben, anspornen’ (vorw. ep. poet. seit Il.). Als Hinterglied in περι-, ἐπι-σπερχής ‘eilig’ (S., X. u.a.) zu περι-, ἐπι-σπέρχω; dagegen ἀ-σπερχές ‘eifrig, heftig’ (Hom.) von *σπέρχος n., woneben σπερχ-νός ‘schnell, hastig, eindringlich’ (Hes. Sc., Hp., A. u. a.) wie z.B. ἔρεβος : ἐρεμνός. Dazu σπέργδην· ἐρρωμένως und κατασπερχάδην (cod. -άτην) H. (Erklärung verderbt; s. Latte z. St.); σπερχυλλάδην κέκραγας (Kom. Adesp. 30). PN wie Σπερχ-ύλος, -ων, -ις, FlN Σπερχ-ειός (wie ’Αλφειός, Πηνειός). — Neben dem hochstufigen primären σπέρχομαι steht im Iran. ein ebenfalls primäres aber schwundstufigcs Ipf. aw. a-spərəzatā ‘er war eifrig bestrebt’, im Aind. eine schwundstufige Sekundärbildung spr̥hayati (wäre gr. *σπαρχέω) ‘eifern, eifrig begehren’ (seit Curtius 195). Weit unsicherer ist die Heranziehung von germ., z.B. ahd. springan ‘springen’ aus angebl. idg. *spr-en-ĝh- mit Nasalinfix (WP. 2, 675, Pok. 998 mit Persson Stud. 27; s. die Lit. bei WP. a. O.). II-764
σπεύδω, Aor. σπεῦσαι, Fut. σπεύσομαι (seit Il.), σπεύσω (E. u.a.), σπευσίω (kret.), Perf. ἔσπευκα (hell. u. sp.), selten Med. σπεύ-δομαι (A.), Pass. ἔσπευσμαι (sp.), ‘sich sputen, eilen, streben, sich anstrengen’, trans. ‘antreiben, beschleunigen, betreiben, nachstreben’. auch m. Präfix, z.B. ἐπι-, κατα-, συ-, Davon 1. σπουδ-ή f. ‘Eile, Eifer, Mühe, Ernst, Wohlwollen’ (seit Il.), wovon -αῐος ‘eifrig, strebsam, ernsthaft, gut’ (ion. att.) mit -αιότης f. (Pl. Def., LXX u. a.), -ᾱξ· ἀλετρίβανος H. (vgl. unten); -άζω (ἐπι-, κατα-, συ- u. a.) ‘sich beeilen, ernstlich betreiben usw.’ (ion. att.) mit -ασμα, -ασμάτιον, -ασμός, -αστής, -αστός, -αστικός. Kompp., z.B. κενό-σπουδ-ος ‘eitle Dinge ernstlich betreibend’ mit -έω, -ία (hell. u. sp.). — 2. κατάσπευ-σις (: κατα-σπεύδω) f. ‘Eile’ (Thd.; σπεῦσις Gloss.), σπευσ-τός (Phryn.), -τικός (ἐπι-) ‘eilig’ (Arist., Eust.). — Durch die Bewahrung des ου- Diphthongs erweist sich σπουδή als eine alte Ableitung (vgl. Schwyzer 347); das primäre σπεύδω hat dagegen jeden Vokalwechsel ausgeglichen. — Gute formale und semantische Übereinstimmung zeigt lit. spáusti (aus *spáud-ti), wozu Präs. spáudžiu ‘drücken, pressen’, auch ‘drängen, antreiben’, intr. ‘eilen’. Eine Spur der Bed. ‘drücken’ ist auch in σπούδαξ = ἀλετρίβανος, ‘Mörserkeule’ (*"Zerdrücker") vermutet worden (Fick BB 29, 197). Der Inf. spáus-ti läßt sich mit σπεύδ-ω gleichsetzen, aber das Präs. spáudžiu kann ebensowohl ein altes Iterativ idg. *spoudéiō sein. Zu σπουδή stimmt formal spaudà f. ‘Druck, Presse, Schrifttum’. Daneben mit ū-Vokal spūdà f. ‘Gedränge, Andrang, Druck’ und spūdė́ti ‘sich zusammengedrückt, geduckt aufhalten, sich quälen, sich bemühen’. Mit Schwachstufe ebenfalls alb. punë ‘Arbeit, Geschäft’; wenn aus *spud-nā. Arm. p’oyt‘, Gen. p’ut‘oy (o-Stamm) ‘Eifer’ macht dagegen bezüglich sowohl des An- wie des Auslautes Schwierigkeiten; vgl. Lidén GHÅ 39 [1933] : 2, 49; dazu Hiersche Ten. aspiratae 237. — Hypothetische weitere Kombinationen mit reicher Lit. bei WP. 2, 659, Pok. 998 f. (bes. Szemerényi ZDMG 101, 205ff.) und Fraenkel s. spaudà; ält. Lit. auch bei Bq. II-765
σπήλαιον n. ‘Grotte, Höhle’ (Pl., LXX, NT u. a.) mit σπηλαιώδης ‘grottenähnlich’, -αΐτης m. ‘Grottengott’ (Paus.), -άδιον n. (Theopomp. Kom.; nach den Demin. auf -άδιον; nicht -ᾴδιον; vgl. Hdn. Gr. 2, 488, 12). — Daneben σπῆλυγξ, -υγγος f. ‘ds.’ (Arist., Theok., A. R. u.a.) mit σπηλυγγ-ώδης (EM), -οειδής (Sch.). — Sowohl σπήλαιον wie σπῆλυγξ sind offenbar erweiternde Umbildungen eines und desselben Grundwortes nach verschiedenen Vorbildern: zu σπῆλυγξ vgl. die sinnverwandten σῆραγξ, φάραγξ, auch φάρυγξ, λάρυγξ; σπήλαιον nach κατά-, ὑπό-γαιος, -ον? Der zugrunde liegende λ-Stamm kann zum σ-Stamm in σπέος in ähnlicher Beziehung stehen wie z.B. νεφ-έλη zu νέφ-ος. Sonst dunkel; ganz fragliche Hypothesen m. Lit. bei Bq s. v., WP. 2, 680, W.-Hofmann s. spīrō. — Lat. LW spēlaeum und spēlunca (s. W.-Hofmann s.v. und Rohlfs ByzZ 37, 60f.); alb. LW shpellë ‘Felsen, Höhle’ (Pisani Jb. f. kleinas. Forsch. 3, 152). II-765-766
σπίδιος ‘ausgedehnt, weit’ (σπίδιον μῆκος ὁδοῦ A. Fr. 378 = 733 M.), σπιδόθεν = μακρόθεν (Antim. 77); σπιδνόν· πυκνόν, συνεχές, πεπηγός; σπιδόεν· μέλαν, πλατύ, σκοτεινόν, πυκνόν, μέγα H. Hinzu kommt σπιδέος Gen. sg. (Λ 753) neben v. l. ἀσπιδέος; wenn richtig, wahrscheinlich von *σπιδύς (s. ἀσπιδής); s. noch ἑλεσπίδας und 1. ἀσπίς. Verb σπίζω = ἐκτείνω (Sch. Ar. V. 18, Eust.). — Obsolete Wortgruppe, die nur noch in der gelehrten und höheren Dichtersprache ein Dasein gefristet zu haben scheint und über deren Bed. man sich nicht mehr ganz im klaren war (vgl. die Erkl. von σπιδόεν). — Als Grundlage fungiert teils ein Nomen *σπίδος (σπιδό-θεν, -εν), teils ein primäres σπιδ- (σπίζω, σπιδνόν); für σπίδ-ιος, *-ύς ist beides möglich. Zum Vergleich bietet sich zunächst lat. spissus (aus *spid-tos oder *spit-tos) ‘ausgedehnt, bes. in der Zeit, lang-(sam), langwierig’, auch ‘gedrängt, dicht, dick’ (= σπιδνόν); zur Bed. entwicklung Persson Beitr. 1, 386ff. mit ausführlicher Behandlung. Hierher noch eine reich entwickelte baltische Sippe, z.B. lit. spintù, spìsti (aus *spit-ti) ‘zu schwärmen beginnen (von Bienen), sich sammeln, sich scharen’ (Ptz. spìstas = lat. spissus?), s. Fraenkel s. spiẽsti m. weiteren Formen u. Lit. — Durch Heranziehung von σπιθαμή kcmmt man zu einer dreifachen Variation σπιδ- : σπιθ- : lit. (lat.?) spit-. Bei weiterem Ausgreifen wurde auch σπάω u. Verw. einbezogen; s. d. m. Lit. II-766
σπίζω von Vögeln ‘piepen, zwitschern’ (Arat., Thphr.). Daneben σπίζα f. ‘Buchflnk’ (S. Fr. 431, Arist., Timo) mit σπιζία· τὰ ὄρνεα ἅπαντα H.; σπιζ-ίας m. ‘Sperber’ (Arist.), = εἶδος ἱέρακος H., -ίτης m. (Arist.), = εἶδος αἰγιθάλου ὀρνέου H. (Redard 84); ὀρό-σπιζος m. ‘Bergfink’ (Arist.). — Auch σπίνος m. ‘Fink’ (Kom., Thphr., Arat.) mit σπιν-ίον, -ίδιον (Kom.); Nebenformen : σπίνα· ὁ σπίνος, σπινθία· εἶδος ὀρνιθα-ρίων, σπίνοι; σπίγγον· σπίνον; auch πίγγαν· νεόσσιον. ’Αμερίας, σπύγγας· ὄρνις H. — Zu σπίζω vgl. τρίζω u. a., wozu σπίζα. Die Form σπίνος hat sich offenbar dem Adj. σπινός ‘mager’ angeglichen, wie schwed. spink als Vogelname von spink(e) ‘schmächtiger Mensch’, spink ‘Schnitzel’ nicht zu trennen ist. Die übrigen Formen einschließlich σπίζω, σπίζα lassen sich mit Ausnahme von πίγγαν auf ein gemeinsames σπιγγ- zurückführen, wodurch sie sich nur durch anlaut. σ- von dem germanischen Namen des Finken, ahd. fincho, ags. finc, urg. *fink(i̯)an-, *finki- unterscheiden. Hinzu kommt mit Aspiration aind. phiṅgaka- m. ‘der gabelschwänzige Würger’ (Lex.). Ursprünglicher Zusammenhang ist somit möglich; andererseits waren diese Wörter offenbar mannigfachen Assoziationen und daraus folgenden Umbildungen ausgesetzt, was eine lautgerechte und ungestörte Genealogie ausschließt. Für das Griech. wurde dabei außer an σπινός noch an σπιγνόν· μικρόν, βραχύ und σπίκανον· σπάνιον erinnert; s. Persson Beitr. 1, 402 f. (auch 1, 266 A. 3) mit eingehender Behandlung der german. Wörter und etwas voreiliger Ablehnung eines immerhin sehr naheliegenden schallnachahmenden Ursprungs. Einzelheiten m. Lit. bei WP. 2, 682 (Pok. 999). II-766-767
σπιθαμη f. ‘Spanne, die Weite zwischen dem ausgespannten Daumen und dem kleinen Finger’ (ion. att.). Als Hinterglied u. a. in τρι-σπίθαμος ‘drei Spannen messend’ (Hes. Op. 426 u.a.; vgl. den Boer Mnem. 4 : 9, 3). Abl. σπιθαμ-ιαῖος ‘eine Spanne weit’ (Hp., Arist. u. a.). — Gehört zur selben Gruppe wie παλάμη, δόχμη, πυγμή (s. dd. m. Lit.) u. a.; zum θ-Suffix vgl. noch σπιθίαι· σανίδες νεώς H. (vgl. Spant). — Zu σπίδιος u. Verw.; s. d. II-767
σπίλος 1. — Daneben, vom Metrum begünstigt, 1. σπιλάς, -άδος f., meist pl. -άδες ‘ds.’ (vorw. ep. poet. seit Od.); auch als Attr. von πέτρα (A. R.); -αδώδης ‘felsig’ (Str.). PN Σπιλα-δίας (Eretria IIIa; Bechtel Lex. s. σπιλάς). f. ‘Fels, Riff’ (Ion. Trag., Arist., Lyk., Peripl. M. Rubr. u.a.); διά-σπιλος (Peripl. M. Rubr.), σπιλώδης (Arist., Plb.) ‘felsig’. — Ohne genaue außergriech. Entsprechung. Formal dazu stimmen bis auf die Vokallänge einige dt. Wörter, z.B. mhd. spīl m. ‘Spitze des Speeres’, nhd. dial. Speil ‘Span, Splitter’, mnd. nnd. spīle ‘(Brat-) Spieß usw.’. Daneben im Nord. kurzvokalische Formen, z.B. awno. spila f. ‘dünnes und schmales Stück Holz’. Hicrhergehörige balt. Wörter, z.B. lett. spīle ‘Gabelung, Zwicke’, lit. spylỹs m. ‘Speil(er), Stachel’, unterliegen dem Verdacht, wie čech. spíle ‘Stecknadel’, poln. spila ‘Spieß’ aus dem Dt. entlehnt oder wenigstens davon beeinflußt zu sein; s. Fraenkel s. spielóti. Ganz fraglich ἄσπιλος· χείμαρρος, ὑπὸ Μακεδόνων H.; nach Hoffmann Maked. 39 aus *ἀπ(ο)-σπ. — Als weitere Verwandte mit wechselnden Endkonsonanten werden noch angeführt: mit r z.B. mnd. spīr ‘Keim-, Gras-, Turmspitze’, mit k lat. spīca ‘Ähre’, mit n lat. spīna ‘Dorn’ usw. usw.; alles unter spei- ‘spitz, spitzes Holzstück’ bei WP. 2, 653ff. (nach Persson Beitr. 1, 397ff. u. a.) und Pok. 981 zusammengebracht. II-767-768
σπίλος 2. (-ῖ- Hdn. Gr.) m. ‘Fleck, Schmutz-, Schandfleck’; als Hinterglied u. a. in ἄ-σπιλος ‘fleckenlos, makellos’ (hell. u. sp.). Auch 2. σπιλάς, -άδος f. ‘ds.’ (Ep. Jud.[?], Orph.). Davon σπιλόομαι, -όω ‘Flecke bekommen, Flecke machen, beflecken, beschmutzen’ (hell. u. sp.), κατα-σπιλάζω ‘beflecken, verhehlen’ (H., EM). — Unerklärt. Abzulehnen Prellwitz s. v. und Petersson Glotta 4, 297 (zu οἰσπώτη, πίνος usw.; s. Bq und WP. 2, 683). II-768
σπιλάς 3., -άδος f. ‘heftiger Windstoß, Sturmwind’ (Plu., Hld.; unsicher AP 7, 382, 4). Denominativ κατασπιλάζω, Aor. κατεσπίλασεν ‘stürmte herunter’ (Ph. Fr. 28 H., Suid.). — Unklar. Ob von 2. σπίλος (s. Lit. bei Bauer Gr.-dt. Wb. s.v.)? II-768
σπινθήρ, -ῆρος m. ‘Funke’ (Δ 77, Ar., Arist., Plb. usw.), -ηρίζω ‘funkeln, Funken hervorrufen’ (Thphr., Plu.), ἀπο- ~ ‘ds.’ (Arist.) mit -ισμοί H. u. Suid. (s. περίπτερα). Daneben σπινθαρίδες pl. (h. Ap.), -άρυγες pl. (A. R.), σπίνθραξ, -ᾰκος m. (Sext. Ca.) ‘ds.’. Zum Vogelnamen σπινθαρίς = lat. spin-turnix s. Thompson Birds und W.-Hofmann s. v. — Zu σπινθήρ vgl. ἀστήρ, αἰθήρ; σπίνθραξ wie ἄνθραξ; σπινθαρ-ίδες wie ἐσχάρ-α u. a.; zu σπινθάρυγ-ες vgl. μαρμαρυγ-αί, auch πομφόλυγ-ες. — Die Ähnlichkeit mit lit. spindžiù, spindė́ti ‘glänzen, strahlen’ ist längst beobachtet worden (Zupitza KZ 36, 61, Bechtel BB 23, 250). Da eine daraus zu erschließende Lautfolge spindh- nicht uridg. sein kann und lit. spind- nach Ausweis von lett. spuôdrs ‘blank, glänzend’ (aus urbalt. *spandras) auf idg. spn̥d(h)- (Hochstufe spend(h)-) zurückgeht, muß dann der ι-Vokal in σπινθ- eine Neuerung sein (vgl. Schwyzer 350f.). Über den Versuch Niedermanns (IF 26, 58 f.), lat. scintilla mit σπινθήρ zusammenzustellen unter Annahme verschiedener Dissimilationen aus einem Mittelmeerwort *stinth-, s. zuletzt Pariente Emer. 20, 394ff. (ablehnend). — Weitere Lit. mit zahlreichen Einzelheiten bei WP. 2, 664, Fraenkel s. spindė́ti, W.-Hofmann s. scintilla und splendeō. II-768
σπινός (Prokl.), σπινώδης (Ptol.) ‘mager’. — Bildung wie ἰσχνός u. a.; obgleich erst sehr spät belegt, wohl alt und mit σπίδιος u. Verw. zusammenzuhalten; s. d. und σπίζω. — Air. sēim ‘tenuis, macer’, das für idg. *speimi- stehen kann, weicht sowohl im Ablaut wie im Suffix ab. II-768
σπίνος ‘Fink’ s. σπίζω. II-768
σπλεκόω, ‘coire cum femina’ in σπλεκοῦν (Ar. Lys. 152 Dindorf ex H. et Poll.; codd. πλεκοῦν), διεσπλε-κωμένη (Ar. Pl. 1082), κατασπλεκῶσαι (cod. -άσαι)· κατελάσαι H.; σπλέκωμα n. (Sch. Ar. Pl. 1082). auch m. δια-, κατα-, — Ausdruck der Vulgär-Sprache, viell. wie σκορακίζω aus (ἐ)ς κόρακας durch Hypostase aus (ἐ)ς πλέκος o. ä. entstanden (Schwyzer 413). Über den eig. Sinn eines solchen Ausdrucks enthält man sich am besten des Urteils. Das gut beglaubigte πλεκοῦν kann sein σ-sekundär verloren haben (vgl. Schwyzer 334). II-769
σπληδός (f.?) ‘Asche’ (Lyk. 483, Nik. Th. 763); σπληδώ· σποδὸς λεπτή, κόνις H. — Wohl Kreuzung von σποδός und einem sinnähnlichen Wort (χλῆδος?). Unhaltbare idg. Etymologie bei Bq (m. Lit.), Hofmann Et. Wb., WP. 2, 680 (m. Lit.), Pok. 987, W.-Hofmann s. splendeō (m. Lit.). II-769
σπλήν, σπληνός m. Als Hinterglied u. a. in ἄ-σπλην-ον n., -ος m. ‘Milzfarn’ (Dsk. u. a., wegen der mediz. Wirkung gegen Milzsucht; Strömberg Pfl. 86, wo ἀ- unrichtig als prothetisch betrachtet wird, vgl. Vitr. I 4, 10). Davon 1. σπλην-ίον n., -ίσκον n., -ίσκος m., -άριον n. ‘Kompresse’ (Hp., Dsk., Samos IVa); -ίον auch als N. verschiedener Pflanzen (Dsk.; vgl. ἄσπληνον ob.). 2. -ίτης, f. -ῖτις ‘zur Milz gehörig, Milzsucht’ (Mediz.; Redard 104 u. 102 f.). 3. -ικός ‘zur Milz gehörig, milzsüchtig’ (Hp., hell. Kom. usw.), -ώδης ‘ds.’ (Hp.). 4. -ιάω ‘milzsüchtig sein’ (Arist. u. a.). — Daneben σπλάγχνα n. pl. ‘innere Organe (Herz, Leber, Lungen, Nieren), Eingeweide’ (seit Il.), selten und sekund. sg. als Bez. einzelner Organe (A., Pl., Arist.), übertr. (pl. u. sg.) "Herz" = ‘seelische Verfassung’ (Trag.), ‘Mitgefühl, Mitleid, Barmherzigkeit’ (LXX, NT; vom Semitischen gefärbt). Als Vorderglied u. a. in σπλαγχνο-φάγος ‘Eingeweide essend’ (LXX u.a.); oft als Hinterglied, z.B. εὔ-σπλαγχνος ‘mit gesunden Eingeweiden’ (Hp.), ‘mitleidig’ (LXX, NT). Davon 1. σπλαγχν-ίδια n. pl. ‘ds.’ (Diph.). 2. -ίδης (UPZ 89, 3 u. 13) Form u. Bed. strittig; vgl. Wilcken z. St. 3. -ικός ‘zu σ. gehörig’ (Dsk., Pap.). 4. -ίζομαι ‘sich erbarmen’ (LXX, NT); -ίζω, -εύω ‘die Eingeweide verzehren’ (Kos IVa, LXX bzw. Ar. u. a.) mit -ισμός m. (LXX); -εύω, -εύομαι ‘aus den Eingeweiden weissagen’ (Str.). ‘Milz’ (ion. att.), übertr. ‘Kompresse’ (Hp.; vgl. -ίον), αἰγὸς σπλήν als Pfl. name ‘Malvenart’ (Ps.-Dsk.). — Zur Bed. von σπλήν und σπλάγχνα Egli Heteroklisie 44 ff. (nicht in allem überzeugend); zu Σπλήν als PN Bechtel Namenstud. 43 ff. Zu σπλήν vgl. andere Körperteilnamen wie φρήν, ἀδήν, αὐχήν usw., die indessen alle mit Ablaut flektieren (φρεν-ός usw. gegenüber σπλην-ός). — Mehrere der idg. Benennungen der Milz zeigen trotz großer lautlicher Variation eine unverkennbare Ähnlichkeit, die nicht zufällig sein kann. Das daraus sich ergebende gemeinsame Grundwort hat offenbar schon früh infolge Assoziation mit anderen Wörtern, wohl auch durch Tabuisierung (Havers Sprachtabu 64, Specht Ursprung 77 A. 3) starke Veränderungen durchgemacht. So aind. plīhán- gegenüber lat. liēn mit gemeinsamer Vokalisation und Stammbildung aber abweichendem Anlaut; aw. spərəzan-, ebenfalls n-Stamm, aber mit Schwundstufe (idg. l̥) und anlautendem sp-; die genannten Wörter enthalten außerdem vor dem Suffix idg. ĝh (lat. liēn aus *lihēn). Daneben, stärker abweichend, arm. p’aycaɫn, air. selg, lit. blužnìs, s.-ksl. slězena usw. — Da eine Rekonstruktion im einzelnen nicht möglich ist, müssen wir uns auch für σπλήν und das davon nicht zu trennende σπλάγχνα auf bloße Vermutungen beschränken. Auszugehen wäre von *σπληχ-; *σπλαχ- (= aw. spərəz-an-) mit ν-Stamm wie liēn usw. Durch Antizipation des Nasals daraus σπλα-γ-χ-ν-; außerdem σπλήν haplologisch für *σπληχ-ήν (nach einsilbigem φρήν) oder aus *σπλη-γ-χ[ν]-? — Weiteres m. Lit. bei WP. 2, 680, Pok. 987, W.-Hofmann s. liēn, Mayrhofer s. plīhā́, Vasmer s. selezënka. Zu σπλήν und σπλάγχνα noch Egli a. O. und Schwyzer 489 m. A. 1. Ältere Lit. auch bei Bq. — Lat. LW splēn (engl. spleen usw.). II-769-770
σπόγγος (seit Il.), auch σφόγγος (sicher in hell. u. sp. Inschr. u.a.; s. Hiersche Ten. aspiratae 207 f.) m. ‘Schwamm (zum Abwischen)’, übertr. von schwammartigen Gegenständen, z.B. ‘Drüse’. Vereinzelt als Vorderglied, z.B. σπογγο-θήρας m. ‘Schwammjäger, -sammler’ (Plu.). Davon 1. Demin. σπογγ-ίον n. (Ar., Dsk.), -άριον n. (M. Ant. u. a.). 2. -ιά f. = σπόγγος (Ar., Aeschin., Arist., Aret. u. a.; zum Akz. Scheller Oxytonierung 73). 3. -ίας m. ‘ds.’ (Ar. Fr. 856). 4. -εύς m. (-ιεύς) ‘Schwammsammler’ (Arist., Thphr.; Bosshardt 61). 5. -ώδης ‘schwammig, porös’ (Hp., Arist., Dsk.). 6. -ῖτις ‘ds.’ (Plin., Aët.; Redard 61 u. 77). 7. -ίζω, auch m. ἀπο-, ἐκ- u.a., ‘abwischen’ (Hp., att. usw.); dazu -ιστική (τέχνη) ‘die Kunst des Abwischens’ (Pl.; Chantraine Etudes 134). — Als altes Wanderwort mit arm. sunk, sung ‘Pilz, Korkbaum’, lat. fungus ‘Pilz, Meer-, Baumschwamm, schwammartiges Geschwür’ identisch. Ausführliche Behandlung m. Lit. bei Hiersche Ten. aspiratae 229 ff. Über die frühere Diskussion s. bes. W.-Hofmann s. fungus. — Lat. LW spongia (aus σπογγιά) mit spongiōsus u. a. II-770
σποδός f. ‘Asche, Glutasche, Metallasche, Staub’ (ion. seit ι 375, Trag. u. a.). Kompp. σποδο-ειδής ‘aschfarben’ (Hp., Arist. u.a.), ἔν-σποδος ‘ds.’ (Dsk.; Strömberg Prefix Studies 128 u. 130). Davon 1. σποδ-ιά, ion. -ιή f. ‘Aschenhaufen, Asche’ (ε 488, Hp., E. Kyk. 615 [lyr.], Pl. Kom., LXX, AP u. a.; Scheller Oxytonierung 67) mit -ιώδης ‘aschfarben’ (Erot.), -ιαῖος ‘ds., gilvus’ (Gloss.), -ιάς f. ‘Pflaumenschlehe, Prunus insititia (?)’ (Thphr.). 2. -ιον n. ‘Metallasche’ (Poseidon., Dsk.) mit -ιακός ‘aus σ.’ (sp. Mediz.). 3. -(ε)ιος ‘aschgrau’ (Semon. u. a.). 4. -ώδης ‘aschig’, von Farbe und Geschmack (App., Gal.). 5. -ίτης ἄρτος ‘in Asche gebackenes Brot’ (Hp., Diph.; Redard 91); auch σποδεύς ‘ds.’ (s. zu σπολάς). 6. Denominative Verba: a. σποδ-όομαι ‘in Asche verwandelt werden’ (Hp., Lyk., AP), συνεσποδωμένον· συγκεκομ-μένον H.; -ώσασθαι ‘mit Asche bestreuen’ (LXX); b. -ίζω ‘in der Asche rösten’ (Pl., Ar.), intr. (auch mit ὑπο-) ‘aschfarben werden’ (Dsk.); c. σποδέω, auch mit κατα-, ἀπο-, δια-, ‘zermalmen, zerschlagen, aufreiben’, auch sensu obsc., von Speisen ‘verzehren, verschlucken’ (oft Ar. u. a. Kom., vereinzelt A. u. E.), wenn eig. ‘in Staub verwandeln’; vgl. κατα-σποδέω ‘in den Staub niederstrecken’ (A., Ar.); hierher noch σποδ-όρχης m. ‘Eunuch’ (Eust.), s. E. Maass RhM 74, 432 ff. — Unerklärt. Unwahrscheinliche Hypothese von Grošelj Živa Ant. 1, 129. Ält. Lit. bei Bq. II-771
σπολάς, -άδος f. ‘lederner Harnisch, Koller’ (S. Fr. 11, Ar., X.). — Bildung auf -άς von einem Verbalnomen *σπόλος, *σπολή. Wenn eig. ‘(abgerissenes) Fell’, mit (ἀ)σπάλαξ (s. d.) zu einem Verb für ‘spalten, abreißen’ (idg. sp(h)el-), wozu noch σπόλια· πὰ παρατιλλόμενα ἐρίδια ἀπὸ τῶν σκελῶν τῶν προβάτων (formal = lat. spolia), ἄσπαλον· σκῦτος H., wohl auch thess. (IG 9 : 2 p. XI [IIa]) σπόλος ‘Pfahl’ (= ‘gespaltenes Holz’). Dagegen σπολεύς ‘Art Brot’ (Philet. ap. Ath. 3, 114e) gewiß falsch für σποδεύς (s. zu σποδός). — Aus anderen Sprachen: lat. spolium ‘abgezogene Tierhaut, dem Feind abgenommene Rüstung’, lit. spãlis ‘Achel, einzelne (Flachs)schäbe’, pl. spãliai ‘Schäben’, germ., z.B. nhd. spalten u. a. m.; s. WP. 2, 677ff., Pok. 985ff., W.-Hofmann s. spolium, Hiersche Ten. aspiratae 193 f.; überall m. Lit.; zu den herangezogenen ind. Wörtern auch Mayrhofer s. phálati. Vgl. zu στέλλω; auch ψαλίς. II-771
σπονδύλη, σπόνδυλος s. σφονδ-. II-771
σποργίλος m. N. eines Vogels, wahrsch. ‘Sperling’ (Ar. Av. 300 mit Anspielung auf einen PN). Daneben σπέργουλος (auch π-)· ὀρνιθάριον ἄγριον und σπαράσιον· ὄρνεον ἐμφερὲς στρουθῷ H. Auch στρουθὸς πυργίτης (Gal.; nach πύργος). — Bildung: σποργ-ίλος wie ὀρχίλος, τροχίλος u. andere Vogelnamen; σπέργουλος dialektisch für *σπεργ-ύλος wie κηρύλοσ u. a. (Chantraine Form. 249 u. 251); σπαρ-άσιον wie κοράσιον. Die Formen mit -γ- haben ein Gegenstück in einem germ. und balt. Namen des Sperlings : mhd. sperke, apreuß. spurglis,. auch spergle-wanag<is> ‘Sperber’ ("Sperlingsgeier"). Wenn aus *σπαρϝ-άσιον, läßt sich σπαράσιον mit einem weitverbreiteten germ. Namen des Sperlings vergleichen, z.B. got. sparwa, ahd. sparo, awno. spǫrr, urg. *sparu̯a(n)-. IIypothetische, z. T. entschieden verfehlte Versuche, die verschiedenen Formen in einem morphologischen System unterzubringen. bei Specht Ursprung 89, 145 f., 213. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 666f., Pok. 991, W.-Hofmann s. parra; dazu noch Thompson Birds s. v. Ält. Lit. auch bei Bq. — Vgl. ψάρ. II-771-772
σπύραθοι (Hp., Dsk.), πύραθοι (Nik.) pl. ‘Mistkügelchen von Ziegen und Schafen’. Demin. σπυράθια pl. (Dsk.; überl. -ίθια); Kollektiv σφυραθία f. (Poll.; vgl. κοπρία); Adj. σπυραθώδης ‘wie Schafmist’ (Hp.). — Daneben σπυράδες f. pl. ‘Pillen’ (Hp.), σφυράδες f. pl. = σπύραθοι (Ar., Arist.). Auch σπόρθυγγες· αἱ συνεστραμμέναι μετὰ ῥύπου τρίχες und σπορ-θύγγια· τρίβολα. τὰ διαχωρή<μα>τα τῶν αἰγῶν, ἅ τινες σπυράδας καλοῦσιν H. — Zum Wechsel σπ- ~ σφ- Hiersche Ten. asp. 201; zum Wechsel σπ- ~ π- Strunk IF 66, 158f. Zu σπύραθοι vgl. außer σπέλεθος, ὄνθος auch ψάμαθοι ‘Sandkörner’; σπυ-ράδες wie λιθάδες, ἰσχάδες u. a. — Alte volkstümliche Ausdrücke der Landwirtschaft. Der vorauszusetzende ο- od. ᾱ-Stamm liegt im Baltischen vor: lit. spirà, meist pl. spìros f. ‘Kötel, (Geiß-, Hasen)bohne, -bolle, erbsenförmiges Exkrement von verschiedenen kleinen Tieren’, lett. spiras ‘Exkremente der Schafe, Ziegen usw., große Bohnen’; sowohl gr. -υρ- wie balt. -ir- vertreten dabei silbiges r̥. — Daneben mit Hochstufe und Dentalerweiterung σπόρθ-υγγες (vgl. στόρθ-υγξ, πύλιγγες u. a.) wie nisl. sparð n. ‘Schafmist’, sperðill m. ‘Ziegenmist’ aus idg. *spordh-. — Weitere Beziehung zu σπαίρω u. Verw. wird u. a. durch norw. dial. sprall ‘Mistkügelchen von Ziegen und Schafen’, spralla ‘cacare, von Schafen’ neben sprala, ahd. spratalōn ‘zappeln’ veranschaulicht, s. WP. 2, 672 m. Lit. II-772
σπυρθίζω ‘ἀνασκιρτῶ, aufspringen, zappeln’ von Eseln (Ar. F r. 857); σπυρθίζειν· σπᾶσθαι καὶ ἀγανακτεῖν. πυδαρίζειν καὶ σφύζειν H. — Letzten Endes zu σπαίρω u. Verw. mit υ-Vokal als Vertreter der Schwundstufe und expressiver θ-Erweiterung (s. zu μόχθος). Auf idg. sperdh- zurückgehende Bildungen in ähnlichen Bedd. kommen auch im Indoiran. und German. vor, z.B. aind. spárdhate ‘wetteifern, kämpfen’, spr̥dh- f. ‘Wetteifer, Kampf’ = germ., z.B. got. spaúrds f., ags. spyrd m. ‘Wettlauf, Rennbahn’, auch awno. sporđr m. ‘Schwanz eines Fisches, einer Schlange, einer Eidechse’ ("der Zappelnde, der Zuckende") u. a. m.; s. WP. 2, 675f. und Feist Vgl. Wb. s. spaúrds m. Lit. (u. a. Persson Beitr. 2, 656f.). — Unsicher Σπερθίης m. N. eines Spartaners (Hdt. 7, 134 u. 137; Jacobsohn KZ 38, 294f.). II-772-773
σπυρίς (ion. att. usw.), σφυρίς (Hp. v. l., hell. u. sp.), -ίδος f. ‘Korb’ (zum Anlaut σπ- ~ σφ- Hiersche Ten. asp. 201 ff.); σπριδο-φόρος ‘korbtragend’ (Pap. IIa). Davon die Demin. σπυρ-ίδιον (Kom. u.a.; σφ- hell. Pap.), -ίχνιον (Poll.; wie κυλίχνη u. a.); auch -ιδώδης ‘korbartig’, -ιδόν Adv. ‘in Korbform’ (Sch.). — Gerätename auf -ίς wie σκαφίς, γλυφίς u. a.; ob zunächst von einem Nomen (*σπυρός od. ä.) oder direkt von einem Verb, ist nicht zu entscheiden. Jedenfalls als "geflochtener Korb" zu idg. sper- ‘winden, flechten’ in σπάρ-τον, σπεῖρα u. a. mit υ-Vokal aus silbischem r̥. — Lat. LW sporta (aus σπυρίδα; über das Etruskische); s. W.-Hofmann s. v. m. Lit. II-773
στάδιον pl. -ια und -ιοι (sc. δρόμοι) n., ‘Rennbahn, Stadion’, sekundär als Längenmaß von etw. wechselnder Ausdehnung, nach Hdt. 2, 149 = 100 ὀργυιαί od. 6 πλέθρα (Thgn., Pi., ion. att.). Als Vorderglied in σταδιο-δρόμος m. ‘Wettläufer’ (Simon., att.), später σταδια- ~ ‘ds.’ (hell. u. sp. Inschr. u. a.; hyperkorrekte Bildung nach dem Plur. στάδια); oft als Hinterglied, zumal nach Zahlwörtern, z.B. ὀκτα- (ὀκτω-) στάδιος ‘acht St. messend’ (Plb., Str.). Davon σταδι-εύς m. ‘Wettläufer’ (Plb. u.a.; Bosshardt 43), -εύω ‘um die Wette rennen’ (Arist. u. a.), -αῖος ‘ein St. messend’ (Plb., D.H. u.a.), -ασμός m. ‘Messung nach St.’ (Str. u.a.: *στα-διάζω). — Alte volksetymol. Umbildung von σπάδιον (argiv.; s. σπάω) nach στάδιος (Prellwitz s. v.).? Anders Bechtel Dial. 2, 473 : στάδιον ursprünglich; daraus durch Dissim. σπά-διον. — Lat. LW stadium ‘Rennbahn’. II-773
στάδιος ‘aufrechtstehend, stillstehend, fest, unbeweglich, auf der Waage liegend = zugewogen usw.’ (Il., Pi., hell. u. sp. Epik, D. C.), in d. Il. nur Dat. σταδίῃ als Attr. von ὑσμίνῃ od. ohne Hauptwort ‘im (stillstehenden) Nahkampf’; ἐν αὐτο-σταδίῃ (N 325) ‘ds.’; vgl. Trümpy Fachausdrücke 112 f. und Krarup Class. et Med. 10, 7; σταδία· λυχνία H. ὀρθο-στάδιον n. ‘gerade herunterlaufender Chiton’ (Ar. u. a.; auch στάδιος, στατὸς χιτών); Daneben σταδαῖος ‘ds.’ (A., Ti. Lokr. u. a.; auch Th. 4, 38 v. l. neben σταδία, von μάχη). — Adjektivierung mit ιο-, αιο-Suffix vom Adv. στά-δην wie ἐκτάδ-ιος von ἐκτά-δην ( : ἐκ-τείνω) u. a.; Chantraine Form. 39, Schwyzer 467 u. 626. S. ἵστημι. II-773-774
στάζω (nachhom.), Aor. στάξαι (seit Il.), Fut. στάξω (Pi. usw.), Aor. Pass. σταχθῆναι (Hp.), σταγῆναι (Dsk.), Perf. Pass. ἔστακται (Od.) ‘träufeln, einträufeln’, intr. ‘tropfen, tröpfeln’. auch m. ἀπο-, κατα-, ἐν-, ἐπι.- u. a., Davon 1. σταγ-ών, -όνος f. ‘Tropfen’ (Trag., Hp., mittl. Kom., hell. u. sp.) mit -ονίας, -ονῖτις, -ονιαῖος (sp.); auch στάγ-ες pl. (A. R. 4, 626); wohl Rückbildung, vgl. unten. 2. -ετός m. ‘ds.’ (Aq.; wie ὑετός u.a.). 3. -μα (ἐπί- ~) n. ‘das Geträufel, der Tropfen, aromatisches Öl’ (A., Gal., Pap. u. a.), ἐπι-, κατα-σταγμός m. ‘das Nasentropfen, Schnupfen’ (sp. Mediz.). 4. στάξις (ἀπό-κατά- ~) f. ‘das Tröpfeln’, bes. von Nasenblut (Hp., Gal.). 5. στακτός ‘tropfend, tröpfelnd’ (ion. att.), -τή f. ‘Myrrhenöl’ (Antiph., Plb. u.a.), -τά n. pl. ‘Harze’ (Mediz.); ἔνστακτον n. ‘das Eintröpfeln’ (Gal.); στα<κ>τικόν· πεμμάτιον πλακουν-τοειδές. ἄλλοι δὲ ἀγγεῖα διυλίζοντα Νειλῶον ὕδωρ H. 6. ἐπι-στάκτης m. ‘wollener Faden zum Öltropfen’ (sp. Mediz.); στακτερία (leg. -τηρία) f. ‘Flasche für Myrrhenöl’ (Pap. VI — VIIp). 7. στάγ-δην ‘tropfenweise’ (Hp., Aret.). 8. Στάζουσα f. Quelle in Sikyon (Krahe Beitr. z. Namenforsch. 2, 230). — Das Präsens στάζω kann für *σταγ-ι̯ω stehen und somit ein Denominativum von στάγ-ες sein. Da aber d.as ziemlich späte ἅπ. λεγ. στάγ-ες allem Anschein nach aus σταγ-όνες rückgebildet ist (Schwyzer 424) und letzteres sich zu στάζω verhält wie τρυγών zu dem primären τρύζω. dürfte auch στάζω als primär zu betrachten sein; daran schloßen sich die übrigen Formen. — Die zum Vergleich herangezogenen Wörter aus dem Latein und dem Keltischen werfen auf die Vorgeschichte von στάζω kein Licht. Lat. stāgnum ‘durch Überschwemmung entstandenes künstliches Gewässer, See, Lache, Teich’ und abret. staer ‘Fluß, Bach’ (aus *stag-rā) liegen wegen der abweichenden Bed. etwas fern; semantisch besser vereinbar, aber lautlich mehrdeutig ist kymr. taen ‘conspersio’ (idg. *stagnā?). WP. 2, 612, Pok. 1010, W.-Hofmann s. 1. stāgnum m. Lit. Ält. Lit. auch bei Bq. II-774
σταθερός s. zu στάθμη. II-774
σταθεύω ‘sengen, rösten, braten’ (Ar., Arist., Thphr.) mit -ευτός ‘versengt’ (A. Pr. 22), -ευσις (v. l. στατ-) f. ‘das Sengen’ (Arist.). — Wohl mit dem synonymen εὕω zusammenhängend oder danach umgebildet, aber im übrigen unerklärt. II-774
στάθμη f. ‘Richtschnur, Richtscheit, Zielschnur, -linie, Senkblei, Regel, Norm’ (seit O 410); ὑποστάθμη ( : ὑπο- στῆναι) f. ‘Bodensatz, Hefe, Grundlage’ (Pl., Hp. u. a.). — Einzelheiten zur Bed. von στάθμη und σταθμός Jüthner ’Επιτύμβιον Swoboda 107ff., Havers Glotta 25, 101ff., Holt Glotta 27, 194, Kieckers IF 38, 209f. Zu στάθμη : σταθμός vgl. δέσμη : δεσμός und andere Wortpaare bei Porzig Satzinhalte 283 f.; Bildung wie βα-θμός, ark. usw. θε-θμός (s. θεσμός), ῥυ-θμός usw. Ein θ erscheint andererseits auch im εὐ-σταθής ‘feststehend, ruhig’ (ion. hell. u. sp. seit Il.), das indessen wahrscheinlich auf dem Aor. ἐστάθην aufgebaut ist (Risch 75). Das synonyme und später belegte σταθερός (A. Fr. 276 = 479 M. usw.) kann dazu nach Muster von ἀ-φαν-ής : φαν-ερός u. a. gebildet sein. Vgl. Schwyzer 492 A. 12, 513 und Benveniste Origines 193 u. 200f. — Weiteres s. ἵστημι. Davon 1. σταθμ-άομαι (ion. -έομαι), -άω, auch m. δια-, ἐπι-, ἀντι-, ‘(nach der Richtschnur) abmessen, abschätzen, ermessen, erwägen’ (Pi., ion. att.) mit -ημα, -ησις, -ητικός (sp.). 2. -ίζω, auch m. δια-, ‘ds.’ (Aq., Sm.). — σταθμός m. ‘Standort, Stall, Gehöft, Nachtquartier, Reiseetappe, Tagesmarsch; Ständer, Pfosten, Türpfosten; Waage, Gewicht, Schwere’ (seit Il.); pl. auch -μά n. (nach τάλαντα, ζυγά), wozu sg. -όν ‘Gewicht, Waage’ (ion. att.), poet. auch ‘Wohnstätte, Gehöft; Türpfosten usw.’ (Trag. u.a.; Egli Heteroklisie 40f.). Kompp., z.B. σταθμ-οῦχος m. ‘Gutbesitzer usw.’ (A. Fr. 226 = 376 M., Antiph., Pap. u.a.), ἐπί-σταθμος m. ‘Quartiermeister’ (Isok.), ‘militä-rischer Beisasse’ (Pap.; Mayser I : 3, 175); ναύ-σταθμον n. (Th.), sekund. -ος m. (Plb., D.S., Plu.) ‘Ankerplatz Flotten-Station, Flotte’; eig. subst. Adj. wie βού-σταθμον (vgl. zu βούτυρον). Davon 1. σταθμ-ίον n. ‘Waage, Gewicht’ (hell. u. sp.); 2. -ικός ‘zum Wägen gehörig’ (Gal.); 3. -ώδης ‘reich an Bodensatz’ (Hp.; vgl. ὑποστάθμη); 4. -ίζω, auch m. δια-, συν- u. a. ‘wägen’ mit -ισις f. ‘das Wägen’, -ιστής m. ‘Wäger’, -ιστί ‘an Gewicht’, -ιστικός ‘zum Wiegen’ (sp.); 5. -εύω, auch m. κατα-, ἐπι-, ‘Quartier nehmen, haben usw.’ mit -εία f. (sp.). II-775
σταῖς (σταίς), σταιτός n. ‘Weizenmehl mit Wasser zum Teig angerührt’ (ion., Eup., Arist., Thphr. usw.); σταιτ-ουργός (geschr. στετ-) m. ‘Anrührer von σ.’ (Ostr.). Davon das Demin. σταιτ-ίον n. (PMag. Par.); -ινος ‘aus σ.’ (Hdt.), -ίτας m. ‘Brot aus σ.’ (Epich., Sophr.; Redard 91), -ώδης ’σ.-ähnlich’ (Poll.), -ήϊα· πέμματος εἶδος, στα<ι>τίας· ἄρτου εἶδος H. — Bildung unklar (vgl. Schwyzer 516 und J. Schmidt Pluralbild. 357 A. 1). Semantisch ansprechend ist die Anknüpfung an ein idg. Wort für ‘Teig’ in slav., z.B. aksl. těsto, kelt., z.B. air. tāis, germ., z.B. ahd. theismo ‘Sauerteig’; dabei wäre der Anlaut von στέαρ beeinflußt (Pedersen Vergl. Gramm. 1, 56). Lit. bei WP. 1, 702 und Vasmer s. tésto, auch W.-Hofmann s. stīpō; s. noch τήκω. — Gegen ursprüngliche Verwandtschaft mit στέαρ (Curtius 212; weitere Lit. bei WP. 2, 610) mit Recht WP. a. O. II-775-776
σταλάσσω (Sapph., E. u. a.), -άω (hell. u. sp. Epik, AP, Luk. u. a.), -άζω (Aq., Plu., Luk. u. a.), -άττω (Porph.), Aor. -άξαι (Ar., Lyk., LXX), ‘träufeln. tropfen lassen, tropfen’. auch m. ἀπο-, ἐν- u. a., Davon σταλαγ-μός m. ‘das, der Tropfen’ (Trag., Ar., Hp. usw.) mit -μιαῖος ‘nach dem Tropfen (der Wasseruhr) gerechnet’ (Vett. Val. u. a.), -μίτης Pfl. name (Hippiatr.; Redard 79); auch -μα n. ‘Tropfen’ (A., S., Skymn. u. a.). Lat. LW stalagmia n. pl. ‘tropfenförmige Ohrgehänge’ (seit Plaut.), stalagmiās m. ‘Art Kupfervitriol’ (Plin. HN). — Das Präsens σταλάσσω wie παλάσσω, ῥαθάσσω, αἱμάσσω; daneben das metrisch bedingte σταλάω nach χαλάω u. a., wozu σταλεηδόνες· σταλαγμοί H. (metr. für σταλεδ- od. στα-ληδ- ?). — Wegen seines stilistischen Charakters ist man am ehesten geneigt, in σταλάσσω eine expressive Erweiterung von στάζω zu sehen; vgl. Fälle wie πομφόλοξ : πομφός, πέμφιξ; βδελύσσομαι : βδόλος, βδέω; s. noch νυκτάλωψ. Zur formalen Berührung mit στάζω Debrunner IF 21, 224. — Gewöhnlich zu einer Wz. (s)tel- ‘tröpfeln, harnen’ gezogen, wozu u. a. auch τέλμα und nengl. stale ‘Harn’ gehören sollen (Bq, WP. 2, 642f., Pok. 1018 m. Lit.); nicht besonders einleuchtend. — Zu ἀνασταλύζω s. bes. II-776
στάλιξ, -ῐκος f. ‘Pflock oder Pfosten zum Festmachen des Jagdnetzes’ (Theok., Plu., Opp., Poll. u. a.). Daneben στάλιδας (-ίδας?)· τοὺς κάμακας ἢ χάρακας H. (σταλίδων X. Kyn. 2, 8 codd.; σχαλίδων Steph.). — Suffixwechsel wie in κλᾱϊκ- : κληῑδ- (s. κλείς) u.a. (Schwyzer 496; vgl. noch Specht Ursprung 211 u. 233). Weitere Analyse unsicher; sowohl στέλλω wie ἵστημι (mit λ-Suffix) kommen in Betracht (WP. 2, 644). Als nächste Grundlage wäre ein schwundstufiges Nomen *σταλ(ο)- anzusetzen II-776
σταμῖνες Dat. -ῐ́νεσσι (ε 252, Nonn. D. 40, 446) m. pl. (Poll. 1, 92, H., EM), Akk. -ῖνας (Moschio ap. Ath.), ‘die in die Höhe stehenden Seitenbalken am Schiff’. — Als "Ständer" zu ἵσταμαι mit Bildung wie ἑρμῑν-, ῥηγμῑν-, ὑσμῑν- und wie diese eine ῑν-Ableitung von einem μ- oder μ(ε)ν-Stamm, der auch in στάμνος (s. d.) vorliegt. Die Kürze des ῐ in σταμῐ́νεσσι ist metrisch bedingt; s. Debrunner REIE 1, 1ff. (anders Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 40f.). II-776
στάμνος m. f. ‘großer Krug, bes. Weinkrug’ (ion. att.). Mehrere Deminutiva: σταμν-ίον, -άριον n., -ίσκος m. (Kom., hell. u. sp.). Spitzname Σταμνίας m. (Ar.). Denominatives Verb σταμν-ίζω, nur mit κατα- und συν-, ‘in einen Krug eingießen, umfüllen’ (Thphr., Nik. u. a.). — Bildung wie ἐρυμνός (: ἔρυμα), λίμνη (: λιμήν) u. a. (Schwyzer 524 und Chantraine Form. 215 mit unbegründetem Zweifel an der idg. Etym.). Somit zunächst von einem Nomen *στᾶμα, *σταμήν o. ä. ‘Stehen, Standort’; eig. "zum Stehen bestimmt, geeignet" im Gegensatz zu einem Tragkrug. Ebenso στάτος m. (aus στατός substantiviert) ‘großes Gefäß’ (hell. Inschr., H.), ahd. stanta ‘Stellfaß’, lit. statìnė ‘Faß, Tonne’. Eine schwundstuflge μ-Ableitung wird auch von σταμῖνες (s. d.) vorausgesetzt; entsprechende od. ähnliche Bildungen in anderen Sprachen sind toch. B stām, A ṣtām ‘Baum.’ (wozu mit Bewahrung der urspr. Bed. stäm- ‘stehen’ im Inf. stam-atsi u. a. m.), ahd. stam, Gen. stammes ‘Stamm’, das für urg. *stamna- (idg. *sthə-mn-o-) stehen kann (und dann mit στάμνος formal identisch wäre), aber sich auch anders erklären läßt (WP. 2, 606 f., Pok. 1008). — Vgl. στήμων. — Alb. LW shtâmbë, shtëmbë f. ‘Krug’ (Mann Lang. 17, 23). II-777
στάσις f. ‘das Stehen, Stillstehen, Stand(ort), Stellung, politische Stellung(nahme), Partei, Entzweiung’, auch ‘das Stellen, Abwägen, Zahlung’ (Alk., Thgn., Pi., ion. att.; zur Bed. Bolling AmJPh 82, 162f.). Kompp., z.B. στασί-αρχος m. ‘Parteiführer’ (A. u. a.), ξενό-στασις ‘Fremdenherberge’ (S.). Oft mit Präfix als Ableitung der präfigierten Verba, z.B. ἀνάστα-σις (: ἀν-ίσταμαι, -ίστημι) ‘das Aufstehen, Aufbruch, das Aufstehenlassen, Vertreibung’ (ion. att.). Davon 1. στάσ-ιμος ‘stehend, fest-, stillstehend, ruhig, wägbar’ (ion. att.), ‘stillend, verstopfend’ (Hp.); Arbenz 39 u. 42f. 2. -ιώδης ‘parteiisch, aufrührerisch’ (X., Arist. u. a.). 3. -ιώτης m. ‘Parteigenosse’ (ion. att.) mit -ιωτικός, -ιωτεία (nach πατριώτης, στρατιώτης u.a.; Redard 9). 4. -ιάζω, auch m. Präfix, z.B. ἀντι-, δια-, ‘Parteien bilden, (sich) entzweien, streiten’ (ion. att.; -ι-άζω dissimilatorisch, Schwyzer 735). 5. -ίζω ‘ds.’ (Kreta IIIa). — Als altes Verbalnomen zum. Verb für ‘stehen’ (s. ἵστημι) mit aind. sthíti- f. ‘Stehen, Stillstehen usw.’, lat. stati-ō ‘Standort’ (woneben der erstarrte Akk. statim ‘feststehend, auf der Stelle’), germ., z.B. got. staþs m. ‘Stätte, Ort’, ahd. stat f. ‘ds.’ identisch: idg. *sthə-ti-. Daneben mit Hochstufe aw. stāiti- ‘Stehen, Stand, Aufstellung’, lett. stātis pl. eig. "Stillstand", ‘Wendepunkt (der Sonne) usw.’ slav., z.B. russ. státь, -u ‘Körperbau usw.’ : idg. *sthā-ti-. II-777
στατήρ, -ῆρος m. Bez. eines Gewichts und (gew.) einer Münze, ‘Stater’ (ion. att.); στατῆρες als Gegensatz von ἀποδοτῆρες ‘Zurückgeber’ (Epich. 116), nach Et. Gen. = χρεῶσται, ‘Schuldner’, wohl eig. "die sich selbst (das Geld) zuwägen", vgl. ὀβολο-στατήρ (Hdn. Gr.) = ὀβολο-στάτης ‘Obolenwäger, Wucherer’ (Ar. u.a.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 48). Als Hinterglied mit themavokalischer Erweiterung in Bahuvrihikompp., z.B. δεκα-στάτηρ-ος ‘zehn St. betreffend’ (Arr.), -ον n. ‘Summe od. Gewicht von zehn St.’ (att. u. kret. Inschr.). Davon στατηρ-ίσκος (-ισμός?) Ben. einer Steuer (Pap.), -ιαῖος ‘einen St. wert od. wiegend’ (Theopomp. Kom., hell. u. sp.). — Zu ἵστημι im Sinn von ‘auf die Waage stellen, ah-, zuwägen’, also eig. "der Wieger" wie ἀναστα-τήρ ‘Vertreiber, Zerstörer’ (A.) zu ἀν-ίστημι. Weitere Bemerkungen (etw. abweichend) bei Benveniste Noms d’agent 50. Daneben, ebenfalls mit Schwundstufe, aber mit ο-Abtönung lat. Stator, -ōris Bein. Jupiters (vgl, Wissowa P.-W. 2: 3, 2227 f.); mit Hochstufe in intr. Bed. aind. sthā́tar- m. ‘Wagenlenker’, eig. "der auf dem Wagen Stehende". Lat. LW statēr. — Weiteres s. ἵστημι. II-778
στατός ‘(still)stehend’, vom Pferd (Z 506 = O 263), vom Wasser (S. Ph. 716 [lyr.]) u.a.; hell. von Gefäßen ‘zum Stehen bestimmt, geeignet’ (Delos, Pap.); subst. m. στάτος ‘Gefäß’ (Delos, Oropos, H.), mit στάτιον n. ‘ds.’ (Delos IIa). Davon στατ-ικός (semantisch an στάσις angeschlossen) ‘zum Wägen gehörig’ (τέχνη; Pl.), ‘stillstehend’ (Arist.), ‘stillend’ (hell. u. sp.); -ίζω, -ίζομαι ‘stehen, (fest)stellen’ (S., E. u. a.). — Altes Verbaladj. zu einem idg. Verb für ‘stehen’; s. ἵστημι. II-778
σταυρός m. ‘Pfahl’ (seit Ω 453), ‘Kreuz’ (D.S., NT u.a.) mit σταυρ-ίον n. (Theognost.), -ικός ‘zum Kreuz gehörig’ (Tz.), -όω, auch m. ἀνα- u. a., ‘mit Pfählen versehen’ (Hdt., Th. usw.), ‘kreuzigen’ (Plb., NT u. a.) mit -ωμα n. ‘Pfahlwerk, Palisade’ (Th., X. u. a.), -ωσις f. ‘Pfählung, Kreuzigung’ (Th. u. a.), -ώσιμος ‘zur Kreuzigung gehörig’ (Kirchensehrift.; Arbenz 87). — Mit awno. staurr m. ‘Pfahl’ uridentisch. Dasselbe Nomen liegt anscheinend auch dem lat. Denominativum in-staurāre ‘erneuern, wiederherstellen’ (wozu re-stau-rāre ‘ds.’) zu Grunde; Bed. entwicklung allerdings unklar; vgl. W.-Hofmann s. v. m. Lit. — Weiteres s. στοά und στῦλος, στύραξ, στύω. II-778
σταφυλή σταφύλη f. etwa ‘Blei in der Waage, Bleiwaage, Bleilot’ (Β 765). f. ‘Weintraube’ (seit Il.), übertr. ‘geschwollenes Zäpfchen, Zäpfchenentzündung’ (Hp., Arist. usw.), auch (Akz. nach κοτύλη, κανθύλη u.a.?) Kompp., z.B. σταφυλο-τομέω ‘Weintrauben abschneiden, das Zäpfchen operieren’ (sp.; vgl. δειρο-τομέω s. δέρη), ἐρι-στάφυλος ‘mit großen Trauben’ (ep. seit Od.). Davon die Demin. σταφυλ-ίς, -ίδος f. (Theok., Hp.), -ιον n. (M. Ant., Pap.); -ῖνος m. ‘Möhre’ (Hp., Dsk. u.a.; Andrews ClassPhil. 44, 186f.), übertr. als N. eines Kerbtiers (Arist.; Strömberg Theophrastea 52); -ίτης m. Bein. des Dionysos (Ael.; Redard 212); -ωμα n. N. einer Augenkrankheit (Mediz.; nach γλαύκωμα u. a.). Von σταφύλη : σταφυλίζειν· τὸ συνι<σ>άζειν τὰς ὤας τοῦ ἱματίου H. —PN Στάφυλος m. (zum Akz. Schw.-Debrunner 37). — Nicht sicher erklärt; viell. LW (vgl. Chantraine Form. 251, Schwyzer 485). Seit langem. (s. Curtius 213) mit στέμφυλα verbunden, was schon von Curtius a. O. mit Recht bezweifelt wird. Die Ähnlichkeit mit (ἀ)σταφίς ist kaum zufällig; σταφίς Kreuzung ? II-778-779
σταχάνη f. nur im Sprichwort δικαιότερος σταχάνης (Zen., Lib. u. a.), wo es als ‘Waage’ verstanden wird. — Bildung wie τρυτ-άνη u. andere Gerätenamen und von στα-θμός (s. d.) schwerlich zu trennen, obwohl das -χ- dunkel bleibt. Oder als technischer Ausdruck zu στάχυς in irgendeiner Spezialbed. (nach H. στάχυς auch "παρὰ τοῖς ναυπηγοῖς τὸ ἐπὶ τῆς φάλαγγος μεριζόμενον") ? II-779
στάχυς, -υος (-ῡς E. HF 5, -ῠν Kall., A. R.) m. ‘Ähre, Kornähre’ (seit Ψ 598), übertr. ‘Sprößling’ (poet.), als Pflanzenname (Dsk. u. a.), ‘chirurgischer Verband’ (Mediz.) u. a. Kompp., z.B. σταχυο-βολέω ‘Ähren treiben’ (Thphr.), πολύ-σταχυς ‘reich an Ähren’ (Theok., Str.). Abl. σταχυ-ηρός ‘Ähren tragend’ (Thphr.), -ώδης ‘ährenartig, voll Ähren’ (Thphr., Nonn.), -ῐνος ‘aus Ähren’ (Olympia), -ῖτις f. (-ίτης m.) Pfl. name (Ps.-Dsk.; Redard 77), -όομαι ‘sich zu einer Ähre entwickeln’ (Dsk.). — Ohne sichere Etymologie. Seit Fick (1, 569; 3, 481) mit einem german. Verb. für ‘stechen’ in awno. stinga, ags. stingan verbunden, wozu noch einige Nomina, z.B. ahd. stanga f. ‘Stock, Pfahl, Stange’, mhd. stunge ‘Stachel’; hierher auch eine reich entwickelte balt. Wortgruppe, u. a. lit. stangùs ‘steif, starr’, stangà f. ‘Anstrengung’, stìngti ‘fest, starr, steif werden’; idg. stengh- (Schwundstufe stn̥gh- in στάχυς, mhd. stunge, lit. stìngti). Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 622 f., Pok. 1014 f., Fraenkel s. stangà. Zur Nebenform ἄσταχυς s. d. und Kretschmer Glotta 21, 89 (ἀ- kleinasiatisch?). — Vgl. στόνυξ und στόχος. II-779
στέαρ, στέατος (zweisilbig φ 178 = 183), hell. Pap. u. a. στῆτος mit Nom. στῆρ n. ‘(stehendes) Fett, Talg’ (Gegensatz πιμελή), auch ‘Teig’ = σταῖς (Od., Hp., X., Arist. usw.). Davon Demin. στεάτ-ιονn. (Alex., Paul. Aeg.), -ώδης ‘talgig’ (Hp., Arist. u. a.), -ινος ‘von Talg, von Teig’ (Aesop.), -ωμα n. ‘Talgbildung, Fettgeschwulst’ mit -ωμάτιον n. (Mediz.), -ῖται πλακοῦντες H. als Erkl. von πίονες; -όομαι ‘gemästet werden’ (LXX), ‘an einer Fettgeschwulst leiden’ (Hippiatr.); auch στε-άζω ‘mästen’ (Al.). — Alte Bildung wie πῖαρ, οὖθαρ u.a. (Schwyzer 518, Benveniste Origines 19,27 u. 169); ohne unmittelbares außergriech. Gegenstück. Kann für *στῆι̯αρ, -στᾱι̯αρ stehen (woraus mit Metathese στέᾱρ [LSJ Add. et Corr. s. v.]), was Anschluß an aw. stā(y)- m. ‘Haufen, Masse’ (nur Instr. pl. stāiš) ermöglicht. Dazu mit Schwundstufe aind. stī-má- ‘träge’ von Gewässern, in antevok. Stellung sty-āna- ‘geronnen, fest, steif’, wohl auch stíyāḥ Nom. pl. etwa ‘stehende Gewässer’ (Gegensatz síndhavaḥ ‘Flüsse’; RV) u. a. m.; s. στία. — Nicht hierher σταῖς (s. d.) und ἀγχιστῖνος (s. ἄγχι). II-779-780
στέγω (nachhom.), auch Aor. στέξαι (Plb. u. a.), στεχθῆναι (VIp), ‘(be)decken, schützen, abwehren, dicht halten, tragen, aushalten’. auch m. ἀπο- u. a., Davon 1. στεγ-νός ‘bedeckt, wasserdicht, verstopft’ (ion., E., X. usw.) mit -νότης f. ‘Dichte, Verstopfung’ (Hp.), -νόω (ἀπο- u. a.) ‘verdichten, verstopfen’, -νωσις f., -νωτικός (hell. u. sp.). 2. -ανός ‘bedeckt, deckend, wasserdicht, verschließend, verschlossen’ (att.) mit -ανότης f. (Eust.), -ανόω ‘bedecken’ (hell. u. sp.), -ανώματα· τὰ ἐν τοῖς τοίχοις, οἱ λεγόμενοι σύνδεσμοι H.; -άνη f. ‘Bedeckung’ (AP); -ανίσαι (cod. -ῆ-)· στέγῃ ὑποδεχθῆναι H. 3. στεκτικός ‘zum Dichthalten gegen Wasser dienend’ (Pl. u. a.; Chantraine Études 135 u. 137). 4. στέγωσις f. (: *στεγόω) ‘das Bedachen’ (Pap.IIIp; vgl. στέγ-νωσις, -ασ(σ)ις). — Daneben στέγνη, dor. äol. -α f. ‘Dach, Decke, bedeckter Ort, Haus, Zimmer’ (Alk., Gortyn, ion. att.). Als Vorderglied in στέγ-αρχος m. ‘Hausherr’ (Hdt. u.a.); oft als Hinterglied, z.B. ὑπό-στεγος ‘unter Dach, bedeckt’ (Emp., Pl., S. u. a.). Auch στέγος n. ‘Dach, Haus’ (Trag., auch hell. u. sp. Prosa); als Hinterglied mit Anschluß an στέγω (vgl. Schwyzer 513) οὐρανο-στεγής ‘den Himmel tragend’ (A. Fr. 312 = 619 M. [nicht mit v. Wilam. in οὐρανο<ῦ> στέγηι zu ändern]). Von στέγη (στέγος): 1. στεγ-ύλλιον n. ‘Hütte’ = ‘Werkstatt’ (Herod.); 2. ῖτις f. = πόρνη (Poll., H.); 3. -άζω, -άσαι, auch m. ἀπο-, κατα-u. a., ‘bedecken, bedachen’ (ion. att. u. a.) mit -ασ(σ)ις, -αξις (ἀπο-) f. ‘das Bedecken’ (Epid., Delos IV—IIa- u. a.; Schwyzer 271, Chantraine Form. 281), -ασμα (ἀπο-, κατα-, προ-) n. ‘Bedeckung, Decke’ (Pl., X. usw.), -αστήρ m. ‘Bedecker, Ziegel’ (Poll., H. als Erkl. von σωλήν), -αστρίς f. ‘deckend, Decke’ (Hdt. u. a.), -αστρον n. ‘Bedeckung, Decke, Behälter’ (A., Antiph. u. a.). — Auch τέγος n. = στέγος (seit Od.; nicht Trag.) mit τέγ-εοι (θάλαμοι Z 248, δόμοι Emp. 142) Bed. etw. unklar: ‘unter Dach (= ‘oben befindlich’), bedacht’; vgl. Schmid -εος u. -ειος 39; -ίδιον n. Bez. eines weiblichen Gewandes (Tanagra u. Pap. IIIa); ganz vereinzelt τέγη f. = τέγος (Vett. Val., H.). — Dem primären themat. Wurzelpräsens στέγω, an dessen Seite erst spät gelegentlich außerpräsentische Formen traten (dafür στεγ-άσαι usw.), entspricht aind. sthagati ‘bedecken, verhüllen’, das indessen nur bei den Gramm. (Dhatup.) belegt ist und durch das unpalatalisierte g den Eindruck einer Neubildung (neben sthagayati) macht (vgl. auch unten). Daneben steht im Latein das slose tegō, Aor. tēxī ‘decken usw.’ (altes athemat. Präsens? Ernout-Meillet s.v.). Auch zu τέγος findet sich ein außergr. Gegenstück, u. zw. im. Kelt., z.B. air. tech ‘Haus’, idg. *tégos- n. Das wohl eingebürgerte στέγη dürfte ebenfalls, obwohl in dieser Form isoliert, aus dem Idg. (ursprünglich Wurzelnomen ? Ernout-Meillet a. O.) ererbt sein. Im übrigen lassen sich die griech. Bildungen als neugeschaffene Abzweigungen einer sehr lebenskräftigen Wortsippe erklären. Erwähnt seien noch (für das Griech. belanglos) : lat. (mit alter Dehnstufe bzw. o-Abtönung) tēgula, toga; dazu als Neubildung tēctum (gr. *στεκτός ghostword!); germ., z.B. ahd. dah n. ‘Dach’ (idg. *togo-m), wozu (als Denominativum od. Iterativum) decchen ’decken’; balt., z.B. lit. stógas m. ‘Dach’ (idg. *stōgo-). Weitere Formen m. Lit. bei Bq, WP. 2, 620f., Pok. 1013f., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. tegō; dazu noch Fraenkel s. stíegti über angebl. lit. *stė́gti. Für nichtidg. Ursprung von aind. sthagayati Kuiper Sprachgesch. u. Wortbed. 249. — Lat. LW stega ‘Verdeck’ (aus στέγη), segestre, -rum, tegestrum ‘Decke aus Fell’ (aus στέγαστρον). II-780-781
στείβω, nur Präsensst. bis auf den Aor. κατ-έστειψας (S. OC 467; nicht ganz sicher), Vbaladj. στιπτός (v. l. -ει-) ‘festgetreten, dicht, hart’(S., Ar.), ἄ- ~ ‘unbetreten’ (S.; auch OGI 606?). ‘(auf etw.) treten, durch Treten dicht machen, fest-, zertreten’ (ep. poet. seit Λ 534 u. Υ 499); vereinzelt m. Präfix, z.B. ἐπι-, κατα-, Davon στοιβή f. ‘Stopfen, Kissen, Wulst usw.’; oft als Pfl.name’Poterium spinosum’, deren Blätter zum Ausstopfen dienten (Hp., Ar., Arist., Epid. [IVa] usw.), mit στοιβ-ίον ‘ds.’ (Dawkins JournofHellStud. 56, 10), -άς = στιβάς, -ηδόν ‘wulstweise’ (Arist.-Komm.), -άζω, vereinzelt m. δια- u.a., ‘(voll)stopfen, propfen’ (Hdt., LXX u.a.), wovon -αστός, -αστής, -ασις, -άσιμος, -ασία (hell. u. sp.). — Daneben schwundstufige Nomina: A. στίβος m. ‘(der betretene) Weg, Pfad, Fußtapfe, Spur’ (ep. ion. poet. seit h. Merc.; vgl. Porzig Satzinhalte 318), ‘Walkerei’ (Pap.IIIa). Davon 1. στιβάς, -άδος f. ‘Lager von Stroh, Schilf od. Blättern, Matratze, Bett, Grab’ (ion. att.) mit -άδιον n. ‘ds’. (hell. u. sp.), -αδεύω ‘als Stroh benutzen’ (Dsk.). 2. στιβεύς m. ‘Spürhund’ (Opp.), ‘Walker’ (Pap.), = ὁδευτής (H.), -εύω ‘nachspüren’ (D. S., Plu., H.), = πορεύεσθαι (H.) mit -εία f. ‘das Nachspüren usw.’ (D. S. u.a.), -εῖον n. ‘Walkerei’ (Pap.), -ευτής m. ‘Spürhund’ (Sostrat. ap. Stob.); auch -ίη = -εία (Opp.; metr. bedingt). 3. στιβική f. ‘Walkersteuer’ (Pap. IIIa). 4. στιβάζω ‘betreten, nachspüren usw.’ mit -ασις f. (sp.). 5. ἐστίβηται ‘ist durchspürt’ Perf. Pass. (S. Aj. 874; στιβέω od. -άω?). 6. ἄ-στιβ-ος ‘unbetreten’ (AP), gew. -ής ‘ds.’ (A., S., auch X. u.a.; mit Anschluß an die εσ-Stämme und verbaler Anknüpfung), -ητος ‘ds.’ (Lyk. u.a.; vgl. ἐστί-βηται). 7. Στίβων N. eines Hundes (X. Kyn.). — B. στιβαρός ‘fest, gedrungen, massiv, stark’ (ep. poet. seit Il., auch hell. u. sp. Prosa); wie βριαρός u.a.; Chantraine Form. 227, auch Benveniste Origines 19; vgl. noch Treu Von Homer zur Lyrik 49, -αρηδόν Adv. ‘gedrungen’ (Gegensatz σποράδην; sp.). — C. Mit langem Vokal στί̄βη f. ‘Reif’ (Od., Kall.), -ήεις (Kall.); zur Bed. vgl. πάγος, πάχνη zu πήγνυμι. — Schon aus dem griech. Wortbestand ergibt sich als Bedeutungskern der Begriff ‘(mit den Füßen) festtreten, festmachen, stopfen, zusammendrücken’ (στοιβή, στιβάς, στι-βαρός), woraus ‘treten’ mit ‘Pfad, Spur, spüren’ (στείβω, στίβος, στιβεύω). — Genaue außergriech. Entsprechungen zu στείβω und den danebenstehenden στίβος, στιβαρός fehlen. Am nächsten kommt arm. stēp, Gen. -oy ‘häufig, unablässig, beständig’ (Adj. und Adv.; zur Bed. vgl. πυκνός) mit stip-em ‘drängen, zwingen’, -aw, -ov ‘eilig, eifrig’ aus idg. *stoibooder *steibo-; somit ein Beispiel des sehr seltenen idg. β? Daneben mit p die lat. Sekundärbildung stīpāre ‘zusammendrängen, pressen, häufen, stopfen’; hierher noch der Korinth. PN Στίπων (IG 4, 319)? — Daran schließen sich in verschiedenen Sprachen einerseits Ausdrücke für ‘starr, erstarren, steif usw.’: germ., z.B. ags., mhd. stīf ‘steif, aufrecht’, balt., z.B. lit. stimpù, stìpti ‘steif od. starr werden’, stiprùs ‘stark, kräftig, fest’; anderseits Wörter für ‘Stange, Stengel, Pfosten u. dgl.’ in lat. stīpes ‘Pfahl, Stamm, Stange’, stipula ‘Strohhalm’ und, mit b (idg. bh, evtl. b wie in στείβω), lit., z.B. stíebas ‘Mastbaum, Pfeiler, Stengel usw.’, slav., z.B. russ. stébelь ‘Stengel’ u.a.m. — Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP 2, 646ff., Pok. 1015f., W.-Hofmann s. stīpō, stips, stipula, Fraenkel und Vasmer s. vv. Vgl. στῖφος, στιφρός. II-781-782
στεῖρα 1. f. ‘unfruchtbar’, von Kuh, Ziege, Frau, auch übertr. (Od., Hp., hell. u. sp.), ‘jungfräulich’ (Lyk., Luk.), sekund. στεῖρος (E. Andr. 711 als v. l. zu στερρός), εὐνούχους στείρους (Man.), κατάστειρος (Vett. Val.; vgl. κάτ-ισχνος u.a.). Davon στειρ-ώδης ‘unfruchtbar aussehend, unfruchtbar’ (Hp., sp.), -όομαι, -όω ‘unfruchtbar werden bzw. machen’ (LXX, Phld., Ph. u.a.) mit -ωσις, -ωτικός; -εύω ‘unfruchtbar sein’ (Gal.). — Bildung wie πίειρα, χίμαιρα, μοῖρα u.a. (Schwyzer 494, Chantraine Form. 98). Alte Bezeichnung eines unfruchtbaren Tieres, auch einer unfruchtbaren Frau, in mehreren Sprachen erhalten. Zu στεῖρα stimmen besonders gut arm. sterǰ ‘unfruchtbar’ aus *ster-i̯- (wie anurǰ : ὄνειρος; anders Pedersen KZ 38, 244 u.a.; s. WP. 2, 640) und aind. starī́-ḥ ‘unfruchtbare Kuh’. Andere Bildung zeigen lat. sterilis ‘unfruchtbar’ (nach gracilis, fertilis? Leumann Glotta 42, 118 gegen Mastrelli), germ., z.B. got. staírō f. ‘unfruchtbare Frau’ (Neubildung; Schulze Kl. Schr. 60 A. 6), arm. shtjerrë ‘junge Kuh, Lamm’ (-rr- mehrdeutig, vgl. Mann Lang. 28, 37) u.a. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. a. O., Pok. 1031 und bes. W.-Hofmann s. sterilis. Vgl. στερεός, στέριφος. II-783
στεῖρα 2. Dat. -ρῃ f., ‘Vorderkiel, Vorsteven’ (Α 482 = β 428), = τὸ ἐξέχον τῆς πρῴρας ξύλον κατὰ τὴν τρόπιν H.; erweitert στείρωμα = τρόπις H. Davon ἀνά-στειρος ‘mit dem Steven nach oben gerichtet, mit hohem Vorsteven’ (Plb.). — Wie 1. στεῖρα alte Femininbildung (vgl. besonders das sinnverwandte πρῷρα), u. zw. neben στερεός (s.d.); somit eig. "die starr Aufragende" o. ä. II-783
στείχω (στίχω Hdt. 3, 14; coni. Dind. in S. Ant. 1129 ex H.), Aor. 2. στιχεῖν (Aor. 1. περί-στειξας δ 277), ‘(in Ordnung) einherschreiten, marschieren, steigen, ziehen, gehen’ (ep. ion. poet. seit Il., auch äol. Prosa). oft m. Präfix, z.B. ἀπο-, δια-, ἐπι-, προσ-, Dazu, wohl als Deverbativum, aber auch auf στίχες bezogen (Leumann Hom. Wörter 185 f.), στιχάομαι, auch m. περι-, συν-, ‘ds.’ in 3. pl. Ipf. ἐστιχόωντο (Il., Theok., Nonn.), Präs. στιχόωνται (Orph.), Akt. στιχόωσι, Ptz. n. pl. -όωντα (hell. u. sp. Ep.); ὁμοστιχάει 3. sg. Präs. ‘begleitet’ (Ο 635: *ὁμό-στιχος oder für ὁμοῦ στ.?). — Nomina. A. στίχ-ες pl., Gen. sg. στιχ-ός f. ‘Glied(er), Reihe(n)’, bes. von Soldaten, ‘Schlachtreihe, -linie’ (ep. poet. seit Il.). — B. στίχος m. ‘Reihe, Glied’, von Soldaten, Bäumen, usw., oft von Wörtern ‘Zeile’ in Vers und Prosa (att. usw.); als Vorderglied z.B. in μονό-στιχος ‘aus einer Verszeile bestehend’ (Plu.). Davon στιχ-άς f. ‘ds.’ nur in Dat. pl. στιχάδεσσι (Epigr.). Dem. -ίδιον (Plu.); -άριον ‘Rock, eng anliegendes Kleidungsstück’ (Pap.). Adj. -ινος, -ικός, -ήρης, -ηρός, Adv. -ηδόν (sp.). Vb -ίζω ‘in Reihen ordnen’ (LXX; v. l. στοιχ-) mit -ιστής. -ισμός (Tz.), περι- ~ = περιστοιχίζω (s.u.; A.). — C. στοῖχος m. ‘Reihe od. Kolonne von Soldaten, Choreuten, Schiffen usw., Schicht von Bausteinen, Reihe von Bäumen. Pfählen usw.’ (ion. att.); oft als Hinterglied, z.B. τρί-στοιχος ‘aus drei Reihen bestehend’ (μ 91), -εί Adv. ‘in drei Reihen’ ( 473), μετα-στοιχεί Bed. unklar (Ψ 358 u. 757); σύ-στοιχος ‘zur selben Reihe gehörig, beigeordnet, entsprechend’ (Arist. usw.). Davon στοιχ-άς f. ‘in Reihen geordnet’ (ἐλᾶαι, Sol. ap. Poll. u.a.), -άδες (νῆσοι) N. einer Inselgruppe bei Massilia (A. R. u.a.); davon der Pfl.name στοιχάς (Orph., Dsk.) nach Strömberg 127 (mit Dsk.), wozu -αδίτης οἶνος ‘mit S. gewürzter Wein’ (Dsk.). Kultnamen des Zeus bzw. der Athena: -αῖος (Thera), -αδεύς (Sikyon), -εία (Epid.) mit Beziehung auf die Phylenordnung. Weitere Adj. -ιαῖος ‘eine Reihe messend’ (att. Inschr.), -ικός (sp.); Adv. -ηδόν (Arist. usw.), -ηδίς (Theognost.) ‘reihenweise’. Verba: 1. στοιχ-έω (wegen der Bed. schwerlich deverbativ mit Schwyzer 720), auch m. περι-, συν- u. a., ‘eine Reihe bilden, in Reih und Glied stehen, übereinstimmen, zustimmen, zufrieden sein, folgen’ (X., att. Inschr., Arist. hell. u. sp.); -ούντως ‘übereinstimmend, folgerichtig (Galatien, aug. Zeit). 2. -ίζω, oft m. περι-, auch δια-, κατα-, ‘in eine Reihe einstellen, ordnen’ (A. Pr. 484 u. 232, X. u.a.) mit -ισμός (Poll.); περι- ~ ‘rings mit Netzen (Netzpfählen) um. stellen, umgarnen’ (D., Plb. usw.). — D. στοιχεῖον, oft pl. -εῖα n. ‘Buchstaben in freistehender, alphabetischer Form’ (neben γράμματα ‘Schriftzeichen, Schrift’), auch (daraus entstanden?) ‘Grundsätze, (systematische) Lehrsätze, Grundstoffe, (physikalische) Elemente’ (Pl., Arist. usw.), ‘Himmels. körper, Elementargeister, Naturdämonen, Zaubermittel’ (sp. u. byz.); auch ‘Schattenlinie’ als Zeitmesser (att. Kom.; vgl. σκιὰ ἀντίστοιχος E. Andr. 745) u.a.; eig. "Gegenstand der sich auf eine Reihe bezieht, in eine Reihe eingeht, den Teil eines Ganzen bildet, Reihenglied" (zur Bild. vgl. σημεῖον, μνημεῖον, ἐλεγεῖον u.a.); zu der in mehrfacher Hinsicht unklaren Bed.entwicklung Burkert Phil. 103, 167 ff. m. weiterer ausführl. Lit., insbes. Diels Elementum (1899). Anders Lagercrantz (s. Bq); abzulehnen. — Davon στοιχει-ώδης ‘zu den στοιχεῖα gehörig, elementar’ (Arist. usw.), von der Gerste ‘mehrzeilig’ im Gegensatz zum ἄ-στοιχος πυρός (Thphr.), somit entweder = στοιχ-ώδης od. dafür verschrieben. Denom. Vb. στοιχει-όω ‘in die Grundsätze einführen’ (Chrysipp. u.a.), ‘mit magischen Kräften ausrüsten, verzaubern’ (byz.; vgl. Blum Eranos 44, 315ff.) mit -ωσις, -ωμα, -ωτής, -ωτικός (Epikur., Phld. u.a.), -ωματικός (Ps.-Ptol.); vgl. darüber noch Mugler Dict.géom. 380 f. — Altererbte Wortsippe mit zahlreichen Vertretern auch in anderen idg. Sprachen. Das hochstufige thematische Präsens στείχω stimmt genau zu germ. und keltischen Formen, z.B. got. steigan ‘steigen’, air. tiagu ‘schreiten, gehen’, idg. *stéighō. Daneben steht im Aind. ein tiefstufiges Nasalpräsens stigh-no-ti ‘steigen’; ähnlich, in der Bed. abweichend, aksl. po-stignǫ ‘hingelangen, erreichen, treffen’ (Länge des Stammvokals sekundär). Abweichende Bed. zeigt ebenfalls das hochstufige Jotpräsens lit. steig-iù, Inf. steĩg-ti ‘(be)gründen, stiften, errichten’ , auch (veraltet) ‘sich beeilen’; darüber Fraenkel s. v. — Dazu zahlreiche Nomina, bes. im Germ.: ahd. steg m. ‘Steg, kleine Brücke’, awno. stig n. ‘Schritt, Stufe’ aus urg. *stiga-z, -n, idg. *stigh-o-s (= στίχος), -o-m; ags. stige -n. ‘das Hinauf-, Herabsteigen’ (i-Stamm aus älterem Wz.nomen = στίχ-ες?). Mit oi-Abtönung alb. shtek ‘Durchgang, Eingang, Weg, Haarscheitel’ (= στοῖχος), ebenso got. staiga, ahd. steiga f. ‘Steig, Weg’, lett. staiga f. ‘Gang’, vgl. lit. Adv. staigà ‘plötzlich’ (wäre gr. *στοιχή) u.a.m., s. WP. 2, 614 f., Pok. 101 7 f., auch W.-Hofmann s. vestīgium m. weiteren Formen u. Lit. II-783-785
στελεά (Aen. Tact.), -εή (A. R.), στειλειή (φ 422; v.l. Nik. Th. 387); -εόν (Aen. Tact., Babr.), στειλειόν (ε 236) n.; -εός und -ειός (att. Inschr.) m.; -εός od. -εόν (hell. u. sp.); στειλεός (Hp. mit vv. ll.), στειλειός (Aesop.), Gen. -ειοῦ (Nik. Th. 387 als v. l.) f. ‘Stiel einer Axt, einer Hacke, eines Hammers usw.’ (-ειή φ 422 und -εά Aen. Tact. ‘Höhlung für den Stiel’ nach Bérard REGr. 68, 8f. und Pocock AmJPh 82, 346ff. mit Eust., H. und EM). Davon στειλει-άριον (Eust.) und das denom. Ptz. ἐστελεωμένος ‘mit Stiel versehen’ (AP). — Daneben στέλεχος n. (m.) ‘das Stammende an der Wurzel eines Baumes, Strunk, Klotz, Stamm, Ast’ (Pi., ion. att.; zur Bed. Strömberg Theophrastea 95ff.). Einige Kompp., z.B. πολυ-στελέχ-ης (Thphr.), -ος (AP) ‘vielstämmig’ (vgl. Ström- berg 103 f.). Davon στελέχ-ια· πρέμ<ν>ια H., -ώδης ‘stamm- ähnlich’ (Thphr., Dsk.), -ιαῖος ‘als Stamm dienend’ (Gal.), -ηδόν ‘nach Stammesart’ (A. R. 1, 1004 als v. l. für στοιχηδόν). — Zur Bildung: στελ-εά wie δωρ-εά, γεν-εά, -εός, -εόν wie κολ-εός, -εόν, θυρ-εός; στειλ-ειή wie ἀρ-ειή, νευρ-ειή (στειλ- metr. Dehnung); vgl. Schwyzer 469 A. 3m. Lit., Risch 120f., Chantraine Form. 51 u. 91. Zu στέλε-χος vgl. τέμα-χος, σέλα-χος u.a. (Schwyzer 496, Chantraine 403). Sowohl στελεά, -εός, -εόν wie στέλεχος gehen von einem unbekannten, wahrscheinlich nominalen Grundwort aus, etwa *στέλος n. (Schulze Q. 175), das sich ungezwungen an arm. steɫn, pl. steɫun-k‘ ‘Stamm, Schaft, Stengel, Zweig’ und an germ. Wörter wie ags. stela m. ‘Pflanzenstiel’, norw. stjøl ‘Stengel, Stiel’ anschließt; des weiteren s. στέλλω (mit στόλος). Vgl. noch στήλη. II-785-786
στέλλω, -ομαι, Aor. στεῖλαι, -ασθαι (seit Il.), äol. ἀπο-, ἐπι-στέλλαι, Fut. στελ-έω (β 287 u.a.), -ῶ, -οῦμαι (att.). Aor. Pass. σταλ-ῆναι (Pi., ion. att.), -θῆναι (hell.), Perf. Pass. ἔσταλμαι (ion. att.), Akt. ἔσταλκα (att.), ἔστολα (Gramm.), ‘in Ordnung bringen, fertigstellen, mit Waffen, Kleidern usw. ausrüsten, bekleiden; (zur Fahrt) bereit machen, entsenden’; auch ‘die Segel raffen, hemmen, einschränken’; Med. bes. ‘zu sich bestellen, holen, sich (zur Fahrt) anschicken, abfahren’ (auch Akt. intr.). ‘sich anziehen’. sehr oft m. Präfix mit verschiedenen Sinnfärbungen, z.B. ἀπο-. δια-. ἐπι-,. κατα-, περι-, συν-, ὑπο-, Ableitungen. A. 1. στόλος m. ‘Ausrüstung (eines Heereszuges), Feldzug zu Wasser und zu Lande, Flotte, Heer, Schar, Zug, Fahrt’ (Pi., ion. att.); auch ‘Schiffsschnabel’ (Pi., Trag.), ‘Auswuchs, Stumpf, Anhängsel’ (Arist.); vgl. unten. Als Hinterglied z.B. ἰδιό-στολος ‘eigene Ausrüstung habend, auf eigene Kosten ausgerüstet, eine eigene Fahrt machend’ (Plu. u.a.), πυγο-στόλος Beiw. von γυνή (Hes. Op. 373; zur strittigen Bed. Martinazzoli Par. del Pass. 15, 203ff.); ναυ-στολ-έω ‘zu Schiffe senden, fahren, (ein Schiff) lenken’ (Pi., S., E., sp. Prosa; ναύ-στολος nur A. Th. 858 lyr.; angezweifelt]; vgl. ναυ-μαχέω, οἰνο-χοέω u.a. bei Schwyzer 726); ἀκρο-στόλ-ιον n. ‘das Ende des Schiffsschnabels mit Verzierungen’ (Callix., Str., D.S. usw.); ἀπόστολ-ος ( : ἀπο-στέλλω) m. ‘Gesandter, Flottenexpedition’ (ion. att.), ‘Apostel’ (LXX, NT). — 2. στολή (äol. σπόλα; vgl. unten) f. ‘Rüstung’, gew. ‘Kleid, Gewand’ (ion. att.), ‘Hemmung, Druck, Einschränkung’ (Epikur., Mediz.); ἀπο-, δια- ἐπι-στολή u.a. (: ἀπο-στέλλω) ‘Absendung bzw. Ausdehnung Auftrag od. Brief’ (ion. att. usw.) mit ἀποστολ-εύς m. ‘Beamter zum Ausrüsten und Entsenden der Flotte’ (att.) u.a., s. Bosshardt 53 f. Als Hinterglied z.B. μελανό-στολος ‘mit schwarzem Gewand’ (Plu.). Davon das Demin. στόλ-ιον n. (Delos IIa, AP u.a.); στολ-άς f. ‘Jacke’ (Ael.); στολ-ίς f. ‘Kleid’, pl. ‘Falten’ (E., Arist. usw.) mit -ίδιον, ιδώδης, -ιδόομαι, -ίδωμα, -ιδωτός. — Von στολή und στόλος: στολ-ίζω, auch m. κατα-, συν-, ὑπο- ‘in Ordnung legen, ausrüsten, bekleiden’ (Hes. Op. 628, E., hell. u. sp.), -ισις, -ισμα, ισμός, -ιστής, -ιστήριον, -ιστεία; -άζομαι ‘sich anziehen’ in ἐστολάδαντο (metr. Inschr. Marathon IIp; vgl. ἐρράδαται u.a. Schwyzer 672). — 3. στολμός m. ‘Ausrüstung, Bekleidung’ (A., E.). — B. στέλμα· στέφος, στέμμα H. (richtig?); στελμονίαι· ζώματα H. (= X. Kyr. 6, 1); vgl. ἁρ-μον-ία u.a., Scheller Oxytonierung 58f. — C. 1. -σταλ-μα, nur von den präfigierten ἐπι-στέλλω usw.: ἐπί-, διά-, ἀπό-σταλμα n. ‘öffentlicher Auftrag usw.’ (Thphr., Pap.). 2. διασταλ-μός m. ‘Steuerveranlagung’ (Pap. VIp). 3. στάλ-σις f. ‘Hemmung’ (Gal.), διά- ~ ‘Bestimmung, Vertrag’ (LXX). 4. ἀνα-, δια-, περι- usw. -σταλτικός (sp.). —5. Zu στάλιξ s. bes. — Die obigen Formen bilden bei aller semantischer Differenzierung ein wohl zusammengehaltenes formales System. Aus dem weiten semantischen Rahmen fällt jedoch στόλος im Sinn von ‘Schiffsschnabel u.ä.’, eine Bed. die sich wenig gut mit στέλλω ‘fertigstellen, ausrüsten, entsenden’ zu vertragen scheint, sich aber ungezwungen an στελεά, στέλεχος, στήλη anschließt. Bei der etymologischen Beurteilung sind einige anscheinend äolische, fast nur lexikalisch belegte Formen mit σπ- (gegenüber inschr. ἀπο-, ἐπι-στέλλαι) nicht zu übersehen: σπελλάμεναι· στειλάμεναι, σπολεῖσα· σταλεῖσα, εὔσπολον· εὐείμονα, εὐσταλέα, κασπέλλει (cod. -έλη) στορνύει (alles H.); σπόλα = στολή (Sapph.), κασπολέω (-σπελ-?)· ὑποστορέσω (Sapph., H.). Somit ion. att. στελ-, äol. σπελ- aus idg. sqʷel- (Lit. bei Persson Beitr. 1, 422)? Nach Bechtel Dial. 1, 125f. (mit Schulze; vgl. dazu Hamm Grammatik 15 m. A. 3) wären in ion. att. στέλλω idg. stel- ‘schicken’ und sqʷel- ‘ausrichten’ (woraus äol. σπελ-) zusammengefallen. Die Schwierigkeit, idg. sqʷel- in anderen Sprachen wiederzufinden, ebenso wie die knappe Dokumentation der σπ-Formen sind beide geeignet, gegen eine solche Annahme Bedenken zu erregen. Für einige der betreffenden Wörter (σπόλα, εὔσπολος) wäre auch Anknüpfung an idg. spel- ‘spalten’ (s. σπολάς) zu erwägen. — Genaue außergriech. Verwandte fehlen. Am nächsten kommt arm. steɫc-anem, Aor. steɫc-i ‘schaffen, creare’ mit mehrdeutigem c (ɫc aus l + s mit Pedersen KZ 39, 427 ?); daneben steɫn, pl. steɫun-k‘ ‘Stamm, Schaft, Stengel, Zweig’ (vgl. στέλεχος, στελεά). Auch mehrere andere Wörter gehen auf idg. stel- zurück, weichen aber semantisch von στέλλω ab : alb. shtiell ‘aufwickeln, aufhaspeln, sammeln’ (idg. *stel-n-ō); germ. Nomina wie ags. stela m. ‘Pflanzenstiel’, awno. stiolr m. ‘Steiß’, nnorw. stjøl ‘Stengel, Stiel’ (< *stelu-; vgl. στελεχος, στελεά). Dazu kommen die mehrdeutigen awno. stallr m. ‘Gestell, Krippe, Stall’, ahd. stal m. ‘Stand-, Sitz-, Wohnort, Stall’ (wozu stellen) aus urg. *stalla- oder *staðla-(idg. *stol-no- oder *st(h)ə-dhlo- [zu st(h)ā- ‘stehen’; s. ἵστημι]); aind. sthálam n. ‘Festland, Erdboden’, sthálā f. ‘Erdaufschüttung’ u.a.m. (vgl. zu στήλη). — Weitere Firmen m. Lit. bei WP. 2, 643ff., Pok. 1019f., W.-Hofmann s. locus; ält. Lit. auch bei Bq. II-786-788
στέμβω erweitert στεμβ-άζειν· λοιδο-ρεῖν, χλευάζειν H., -άξαι· ὑβρίσαι (EM), -άσεις· λοιδιρίαι H.; ἀστέμβακτον (κλέος, Euph.) = ἀκίνητον ἢ βέβαιον ἢ τετιμημένον (Et. Gud.); unklar ἀστέμβακτα τιμωρουμένη (Lyk. 1117); auch ἀστεμβής· ἀθαμβής, ἀτάραχος H. = κινῶ συνεχῶς (EM), ‘unaufhörlich schütteln’ (A. Fr. 440 = 635 M., auch EM u.a. als Erklärung von ἀστεμφής), ‘mißhandeln, schmähen’ (Eust.); Daneben ohne Nasal: στόβος· λοιδορία, ὄνειδος (Lyk., H.), στοβ-άζειν· κακολογεῖν. -ασμάτων· λοιδοριῶν H., (ἐπι-)στοβέω ‘spotten, verhöhnen’ (A. R., Epic. anon., EM). — Mit Aspirata: ἀστεμφής = ἀμετακίνητος (H.), ‘unerschütterlich, fest’ (vorw. ep. seit Il.); στέμφῠλα n. pl. (selten sg.) ‘ausgepreßte Oliven od. Trauben, Oliven-, Traubentrester’ (ion. att.) mit στεμφυλ-ίτιδες τρύγες ‘Weintrester’ (Hp.), -ίς ‘ds.’ (Ath.), -ίας οἶνος (Pap. IIIa). Zu ἀστεμφής : *στέμφος : στέμφυλα vgl. ἀναισχής : αἶσχος : Αἰσχύλος u.a. — Mit o-Abtönung: στόμφ-ος m. ‘schwülstige, hochtrabende Rede’ (Longin.), -ᾱξ, -ᾱκος m. ‘schwülstiger Redner, Großmaul’ (Ar. Nu. 1367; von Aesch.), -άζω ‘schwülstig reden, groß sprechen’ (Ar. u.a.) mit -ασμός, -αστικός (Eust.); -όω ‘ds.’ (Phld.), -ώδης, -ός (Sch.). Daneben στόμβος =- βαρύηχος, βαρύφθογγος (Hp. ap. Gal.). — Der schwankenden Form der obigen Wörter (darüber Schwyzer 333 u. 692) entspricht ein gleich schwankender Inhalt. Für στέμβω, στέμφυλα eignet sich eine Bed. ‘heftig stoßen, schütteln, erschüttern, zerstoßen’, ebenso für ἀστεμ-φής ‘unerschütterlich’ (anders, schwerlich richtig, s. v.). Daraus ‘mißhandeln, schmähen, spotten’ in στέμβω, -άζω, στόβος, -έω? Dunkel bleiben dabei στόμφος, -αξ usw. —Eine ansprechende Anknüpfung bietet das germ. Deverbativum ahd. stampfōn, mnd. stampen, aschw. stampa usw. ’stampfen, (zer)stoßen’ mit ahd. stampf m. ‘Werkzeug zum Stoßen usw.’, urg. *stamp- (idg. *stomb-); s. WP. 2, 623f., Pok. 1011 ff., auch W.-Hofmann s. temnō (fernzuhalten) m. weiteren Formen u. Lit. Vgl. zu στέφω. II-788
στενός, ion. στεινός, äol. (Gramm.) στέννος ‘eng, eingeengt, schmal, knapp, schmächtig’ (ion. att.). Oft als Vorderglied, z.B. στενωπός, s. ὀπή. Davon στενό-της (ion. -ει-) f. ‘Enge, Knappheit’ (ion. att.); Rückbildung (vgl. Schwyzer 512) στεῖνος (ep. seit Il.) für στένος (A. Eu. 521 [lyr.]) n. ‘Enge, enger Raum, Gedränge, Bedrängnis’ (vgl. unten; zur Bed. Zumbach Neuerungen 43 f.). Denominative Verba. 1. Rückbildung στείνομαι, ganz vereinzelt m. ἐν-, ἀμφιπερι-, nur Präsens u. Ipf. ‘eingeengt werden, sich drängen, gedrängt voll sein’ (ep. seit Il.), selten und sp. στείνω ‘einengen, gedrängt füllen’ (Nonn., Orph.). 2. στενόομαι (-ει-), -όω, oft m. ἀπο-, ‘eng werden, machen’ (hell. u. sp.) mit -ωσις, -ωμα, -ωτικός (sp.). —Daneben στενυγρός ‘eng’ (ion.) mit στενυγρ-ῶσαι Aor. (Hp. ap. Gal.); ON Στενύ-κληρος (Hdt. 9, 64). — Schwundstufig(?) στάνει· <σ>τείνεται, συμβέβυσται H. — Aus στενός : στεινός : στέννος ergibt sich urgr. *στενϝός (vgl. noch att. στεν(ϝ)ό-τερος, -τατος), eine thematische Erweiterung des in στενυ-γρός (zur Suffixkombination -γ-ρ- Schwyzer 496 m. A. 9 u. Lit., Chantraine Form. 225, auch Specht Ursprung 192 f.) und Στενύ-κληρος vorliegenden u-Stamms (Schw. 472, Chantr. 122); daneben der s-Stamm in στένος (Porzig Satzinhalte 247). — Isoliert. Hypothesen von sehr fraglichem Wert bei Bq und WP. 2, 627, Pok. 1021 f.; neuer Versuch von Machek Zeitschr. f. Slaw. 1, 35 und Ling. Posn. 5, 69 f. II-788-789
στένω, vereinzelt -ομαι, nur Präs. u. Ipf., ‘stöhnen, dröhnen, ächzen, jammern’, auch trans. ‘beklagen, beweinen’ (ep. poet. seit Il., auch sp. Prosa). auch m. Präfix, z.B. ἀνα-, ἐπι-, μετα-, ὑπο-, Expressive Erweiterungen, z.T. metr. bedingt (Schwyzer 105 m. Lit., 736; Chantraine Gramm. hom. 1, 112): 1.στεν-άζω, Aor. -άξαι, Fut. -άξω, auch m. ἀνα-, ἐπι-u.a. (poet., auch Hdt., D., LXX, Plu. u.a.). 2. στεν-άχω, -άχομαι, -αχέω, -αχῆσαι, -αχίζω, -αχίζομαι, auch m. ἀνα-, ἐπι-, περι- u.a. (vorw. ep. seit Il.); zur Bildung Schwyzer 702; nächstes Vorbild ιάχω (Risch 243) ?, nicht alte zweisilbige Wz.form (Chantraine Gramm. hom. 1,330). — Von στένω: 1. Στέν-τωρ m. PN (Ε 785; Fraenkel Nom. ag. 1, 14m. A. 1, Benveniste Noms d’agent 54). 2. στόνος m. ‘das Stöhnen usw.’ (ep. poet. seit Il.), Kompp. z.B. ἀγά-στονος ‘laut stöhnend, tosend’ (Od. u.a.); στονό-εις (στονόϝεσαν f. sg. kerk. VIa) ‘voll von Stöhnen, Stöhnen verursachend, jammervoll’ (ep. poet. seit Il.; unhaltbar über Ω 721 Szemerényi Sprache 11, 13 ff.). Von στενάζω : στεναγ-μός m. ‘das Stöhnen, Seufzen’ (Pi., Trag., Pl.) mit -μώδης (Paul. Aeg.); -μα n. ‘ds.’ (S., E., Ar.) mit -ματώδης (Gal.). Von στενάχω : στοναχή f. ‘ds.’ (ep. poet. seit Il.) mit -αχέω, -αχῆσαι, -αχίζω, auch m. ἐπι-, παρα-u.a. (ep. poet. seit Il.; daneben, oft als v.l., στεναχέω, -αχίζω); der o-Vokal nach στόνος (*στονή?), vgl. noch φορέω usw. (anders Porzig Satzinhalte 231); zu στοναχή vgl. noch καναχή, ταραχή u.a. (Schwyzer 498). — Das hochstufige thematische στένω deckt sich der Form und dem Sinn nach genau mit aind. stanati ‘dröhnen, donnern’, lit. stenù, germ., z.B. ags. stenan ‘stöhnen, ächzen’, idg. *sténō. Ebenso στόνος = russ. stón ‘Seufzer, Stöhnen’. aind. abhi-ṣṭaná- ‘Donnergebrüll’; vielleicht alte Parallelbildungen. Daneben Jotpräsentia : mit Hochrufe aksl. stenjǫ ‘στένω’, mit Tiefstufe ags. stunian, awno. stynja ‘ds.’ Athemat. Ipf. aind. stan (idg. *sten-t); dazu Ipv. stanihi nach anihi, rudihi u.a. Ein Reimwort oder eine alte slose Nebenform ist äol. τέννει· στένει, βρύχεται H., das zu aind. tanyati ‘laut tönen, donnern’ stimmen kann; tanyati kann aber auch Tiefstufe enthalten und ist dann mit ags. þunian ‘erschallen, widerhallen’ gleichzusetzen. Ob der Guttural in στενάχω mit der ähnlichen Bildung in ags. stenecian ‘keuchen’, awno. stan-ka ‘stöhnen’ genetisch zusammenhängt, ist sehr fraglich; jedenfalls ist στενάζω als eine griech. Neuerung zu betrachten. — Weitere Formen, für das Griech. ohne Interesse, bei WP. 2, 626 f., Pok. 1021, W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. tonō, Fraenkel s. stenė́ti, Vasmer s. stenátь und stón; daselbst auch weitere Lit. II-789-790
στεργάνος · κόπρων H. (an alphabet. unrichtiger Stelle). — Nach allgemeiner Annahme zu lat. stercus n. ‘Exkremente’ usw., s. W.-Hofmann s. v. m. Lit., auch Benveniste Origines 9. Zum Akzent Persson Beitr. 1, 456 m. A. 1 und (mit unwahrscheinlicher Hypothese über die Stammbilduug) Schwyzer 520 β. Vgl. τάργανον. II-790
στέργω, Aor. στέρξαι, Fut. στέρξω (ion. att.), Perf. ἔστοργα (Hdt.), Pass. ἔστεργμαι (Emp., AP), Aor. στερχθῆναι (Lyk., Plu. u.a.) ‘Anhänglichkeit zeigen, Zuneigung hegen. zärtlich lieben’, von Familiengliedern, von Untergebenen gegenüber Vorgesetzten und umgekehrt usw., selten von physischer Liebe; ‘zufrieden sein, sich begnügen’ (Thgu.. ion. att.); ἀπο-στέργω ‘zu lieben aufhören, verabscheuen’ (Terp., A., Theok., LXX u.a.). Davon στέργ-ηθρον n. "Liebesmittel", ‘Liebes- kraut’ als Pfl.name (Dsk.; Strömberg 92 u. 147), ‘Liebe’ (A., E.); -ημα n. ‘Liebeszauber’ (S.); στοργή f. ‘Zuneigung, Liebe’ (Emp., Antipho, vereinzelt hell. u. sp.), als Hinterglied z.B. φιλό-στοργος ‘Zuneigung hegend, zärtlich liebend’ mit -έω, -ία (att., hell. u. sp.). — Seit alters (Stokes BB 23, 58) zu einem kelt. Wort für ‘Liebe’, air. serc, kymr. serch (und bret. serc’h ‘Kebsweib’) gezogen, idg. *sterkā; somit Wechsel k ~ g. So zuletzt Pok. 1032 (gegen die Zweifel bei WP. 2, 642), E. Lewy Festschr. Dornseiff 226 f. In Betracht kommt noch slav., z.B. aksl. strěgǫ, strěšti ‘bewachen, hüten’ (idg. sterg-); s. Vasmer s. steregú m. weiterer Lit. II-790
στερεός (seit Il.), att. auch στερρός (vgl. unten) ‘steif, hart. fest, hartnäckig, standhaft, solid, normal, vorschriftsmäßig’ (von Geld und Maß), ‘kubisch’ (s. Mugler Dict. géom. 378f.), vereinzelt ‘unfruchtbar’ (E., Arist.). Als Vorderglied u.a. in στερεο-μετρ-ία f. ‘das Ausmessen kubischer Körper, Stereometrie’ (Pl. Epin., Arist. u.a.). Davon στερε-ότης (-ρρ-) f. ‘Härte, Festigkeit’, auch ‘Unfruchtbarkeit’ (Pl., Arist. usw.); στερε-όομαι (-ρρ-), -όω, auch m. ἀπο-, κατα-, ‘fest, hart usw. werden, machen, (sich) abhärten’ (Hp., X., Arist. u.a.) mit στερέ-ωμα n. ‘Festigkeit, fester Bestandteil, Firmament’ (Hp., Arist. usw.), -ωσις f. ‘Abhärten’ (LXX, Str. u.a.), -ωματίζω, -ωτικός, -ωτής. Erweitert στερέ-ϊνος ‘hart’ (Pap. Ip, nach πέτρ-, ξύλ-ινος u.a.). — Daneben στέριφος ‘hart, fest, unfruchtbar’ (att., Arist. usw.) mit στεριφ-ότης (Sch.), -όομαι ‘fest werden’ (Ph.) mit -ώματα n. pl. ‘feste Grundlage’, -ευομένη· παρ-θενευομένη H. — Auch στερέμνιος ‘hart, fest, solid’ (Pl. Epin., Epikur., Phld. u.a.) mit -ιώδης (Porph.), -ιόομαι (Zeno). — Wenn aus *στερεϝός, stimmt στερεός, woraus στερρός (Einzelheiten bei Scheller Oxytonierung 114m. A.4; anders Forbes Glotta 36, 269 f.), zu ἐτε(ϝ)ός, κενε(ϝ)ός u.a. In στεριφος ‘unfruchtbar’ will Leummann Glotta 42, 118 eine Ableitung von der lautlichen Vorstufe zu στεῖρα nach den Tiernamen auf -φος (ἔριφος, ἔλαφος u.a.) sehen mit Wandel von ‘unfruchtbar’ zu ‘hart’. Für στερέμνιος ist eine μ(ε)ν-Ableitung vorauszusetzen (*στέρεμνον, *στέρεμα); vgl. βέλε-μν-α, ἔρυ-μα (Schwyzer 489), auch das synonyme ἀ-τέρα-μνος (s. d.). —Die obigen Bildungen fußen auf einem unbelegten Grundwort idg. *ster-, wozu mit o-Abtönung das germ. Wort für ‘starr’, u.a. in ahd. stara-blint ‘starblind’ mit ahd. starēn ‘starren, stieren’, mit expressiver Gemination nhd. starr mit mhd. starren, nhd. (er)starren. Toch. B ścire ‘hart, starr, steif’ ist mehrdeutig (*stero- od. *stĩro-), s. Duchesne-Guillemin BSL41, 167f., Pedersen Zur toch. Sprachgesch. 19m. Lit. —Hierher noch 2. στεῖρα ‘Vorderkiel’ und, mit uralter Sonderbedeutung, 1. στεῖρα ‘unfruchtbar’ (s. dd.). — Zur selben Sippe gehören ferner zahlreiche weitere Wörter mit wechselnder Bildung und verschiedenen Erweiterungen, s. στέρφος, στρηνής, στόρθυγξ, στηρίζω, στριφνός und WP. 2, 627ff., Pok. 1022ff. II-790-791
στέρνον, oft pl. -α n. ‘Brust’, bei Hom. immer von der männlichen Brust, auch als Sitz der Gefühle usw. "Herz" (vorw. poet. seit Il., auch Mediz.). Kompp., z.B. εὐρύ-στερνος ‘mit breiter Brust’ (Hes. u.a.), στερνο-τυπής ‘die Brust schlagend’ (E. in lyr.), πρό-στερνος ‘vor der Brust befindlich’ (A.), wozu προστερν-ίδιον n. ‘Brustharnisch der Pferde’ (X. u.a.), auch στερνίδιον ‘ds.’ (sp.). Verbale Ableitungen von Hypostasen oder Univerbierungen, z.B. ὑποστερν-ίζομαι ‘unter der Brust anbringen’ (Plu.: ὑπόστερνον· ὑπογάστριον H.). Weitere Ableitungen selten: στερνίτιδες πλευραί (Poll.; Redard 105), στέρνιξ· ἐντεριώνη H. (wie χόλιξ, ῥῆνιξ, u.a.); unklar στέρνιον Bez. eines schwerverdaulichen Fleisches; vgl. LSJ s. v. Als Bez. der Brust eine griech. Neuerung, hat στέρνον mehrere nahe formale Verwandte: germ., z.B. ahd. stirna f. ‘Stirn’, idg. *ster-ni̯ā, slav., z.B. russ. storoná f. ‘Landstrich, Seite, Gegend’, idg. *stor-nā, kymr. sarn ‘stratum, pavimentum’ = aind. Ptz. stĩr-ṇá- ‘stratus, ausgestreut, ausgebreitet’, idg. *str̥̄-no- (Schwachstufe), zu str̥ṇā́ti ‘ausstreuen, ausbreiten’; s. στόρνυμι. Eig. Bed. von στέρνον (Bildung wie τέκνον, φερνή) somit ‘das Ausgebreitete, Ausbreitung, Fläche’ (im Gegensatz zum Hals, ἰσθμός; τὰ ἴσθμια ‘Schlund, Kehle’). Vgl. zu στῆθος. II-791-792
στέρομαι Ipv. σταρέστω (Delph. IVa)? (vgl. unten), sonst Hochstufe mit η-Erweiterung: Ptz. στερείς (E.), στερ-ηθῆναι (Pi., ion. att.), Fut. -ήσομαι, -ηθήσομαι (att.; στεροῦμαι And.), Perf. ἐστέρημαι (ion. att.); Akt. ‘berauben, entziehen’: Aor. στερ-ῆσαι (στερέσαι ν 262, Pap. u.a.), Fut. -ήσω (στερῶ A. Pr. 862, -έσω Pap.), Perf. ἐστέρηκα (att.); Präs. στερέω, Simplex nur Ipv. στερείτω (Pl.), sonst mit ἀπο- (wie auch sehr oft in den außerpräs. Tempora, namentlich in d. Prosa), dazu Med. στερέομαι (sicher erst hell. u. sp.); auch στερίσκω, -ομαι (Hdt., att.; ἀπο- ~ S.), Aor. στερίσαι (metr. Inschr. Eretria IV—IIIa, AP: ἀπο-στερίζω Hp.?). ‘beraubt sein, entbehren, verlustig gehen’ (Hes., ion. att.), Aor. ‘beraubt werden, verlieren’ : Wenige Ableitungen: (ἀπο-)στέρησις f. ‘Beraubung, Entziehung, Konfiskation’ (Hp., att. usw.), auch -εσις (Pap.; nach αἵρ-, εὕρ-εσις u.a.), mit στερ-ήσιμος, -έσιμος ‘konfiszierbar’ (Pap., Inschr. II —IIIp; Arbenz 89), -ημα n. ‘ds.’ (Ps.-Kallisth.), (ἀπο-) -ητικός ‘beraubend, aufhebend, verneinend, privativ’ (Ar., Arist., hell. u. sp.), -ητής m. ‘der jmdm. etw. entzieht, vorenthält, Betrüger’ (Pl., Arist. u.a.), f. -ητρίς (Ar. Nu. 730; parodierend). — Die obigen Formen sind wahrscheinlich alle auf das hochstufige thematische Präsens στέρομαι zurückzuführen. Auch der isolierte Ipv. σταρέστω, den Bechtel Dial. 2, 132 (zustimmend Schwyzer 747 und Thumb-Kieckers Dial. 1, 275) als einen schwachstufigen Wz.aorist betrachten will, läßt sich (mit Schw. 274) auf rein lautlichem Wege aus στερέσθω (mit ε > α vor ρ) erklären, sofern man nicht vorzieht, darin eine Analogiebildung nach nwgr. hαρέσται zu sehen. An das Präsens στέρομαι traten mit η-Erweiterung die zunächst intransitiven στερ-ῆναι, -ήσομαι (wenn alt, wäre σταρ- zu erwarten), -ηθῆναι, -ηθήσομαι; daran die aktiven στερῆσαι (στερέσαι nach ὀλέ-σαι u.a.), -ήσω usw., wozu endlich στερ-έω, -ίσκω (vgl. z.B. εὐρ-ήσω : -ίσκω; Schwyzer 709 u. 721; zu den Formen noch Brunel Aspect verbal 115 f.). — Sichere Verwandte fehlen. Eine mögliche Anknüpfung bietet mir. serb ‘Diebstahl’, das für *ster-u̯ā stehen kann; außerdem wird damit seit Osthoff PBBeitr. 13, 460 f. das germ. Verb für ‘stehlen’, got. stilan, ahd. stelan usw. verbunden, das l für r aus hehlen bezogen hätte. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 636, Pok. 1028; s. auch W.-Hofmann s. 2. stēlliō (m. Lit.). II-792-793
στεροπή maskulinisiert (Fraenkel Nom. ag. 2, 121) Στερόπης m. N. eines Kyklopen (Hes., Kall.); Rückbildung στέροψ ‘schimmernd, leuchtend’ (S. in lyr.) nach αἶθοψ. f. ‘Blitz, Schimmer, Glanz’ (ep. poet. seit Il.); στεροπ-ηγερέτα Bein. des Zeus (H 298, Q. S., Nonn.), nach νεφεληγερέτα (vgl. Risch Sprachgesch. u. Wortbed. 394); — S. ἀστεροπή. II-793
στέρφρος (A. R., Lyk., AP), τέρφος (Nik.); auch στρέφος· στρέμμα, δέρμα, βύρσα. Δωριεῖς H. und ἔρφος (s.d.). n. ‘Haut, Fell, Hülle’ Kompp. στερφό-πεπλος ‘mit einem aus Haut bestehenden πέπλος’ (Lyk.); unsicher μελά<ν>-στερφος ‘mit schwarzer Haut’ (A. Fr. 370 = 721 M.). Davon στερφίνα· δερματίνη. οἱ δὲ δέρματα ὄνεια ... H.; vgl. στέρφνιον· σκληρόν, στερεόν H. (zur Bed. unten). Denom. Verb στερφ-όω ‘mit Häuten bekleiden’ (Sch.) mit -ωτῆρα Akk. ‘in Häute gekleidet’ (Ibyk.: στερφοῦσθαι, s. Wackernagel Unt. 256); auch στρέφωσις (für στέρφ-?)· κάλυψις ἀγγείων δέρματι γινομένη H. Zum Anlaut στ- ~ τ- vgl. (σ)τέγος u.a. (Schwyzer 334); zur Bildung εἶρος, δέρος, πέκος u.a. — Ohne unmittelbare außergriech. Entsprechung. Gewöhnlich zur Sippe von στερεός (s. d.) gezogen (vgl. βοέῃς ... στερεῇσι Il., στερεὰ δέρματα Pl.; Persson Beitr. 1, 432) mit zahlreichen formalen Verwandten im Slav., Germ. und Kelt., z.B. russ. stérbnutь ‘fest, hart werden, erstarren, absterben’, awno. stjarfi m. ‘Starrkrampf’, stirfinn ‘halsstarrig’, ahd. sterban ‘sterben’ (aus *’erstarren’), mir. ussarb (< *ud-sterbhā), srebann m. ‘Haut, στέρφος’ (Vendryes WuS 12, 244) usw., alles auf idg. sterbh-(strebh-) zurückführbar, s. WP. 2, 631 (nach Persson Beitr. 1, 435ff.), Pok. 1024f., Vasmer s. v.; dazu auch W.-Hofmann s. stirps und torpeō; überall m. weiteren Formen u. reicher Lit. Ält. Lit. auch bei Bq. II-793
στεῦται 3. sg. Präs., στεῦτο Ipf. (Hom., A. R., A. Pers. 49 [anap.]), στεῦνται 3. pl. (Maiist.), στεῦμαι (coni. Orph.) ‘feierlich kundgeben, sich anheischig machen, versprechen, drohen, behaupten’ (zur Bed. auch Leumann Hom. Wörter 211). — Altertümliches ep. Wort. Mit στεῦτο läßt sich der aind. (ved.) Aor. astoṣṭa zu stáuti ‘lobpreisen, verkünden’ mit dissimilatorischem Schwund des -σ- gleichsetzen, wozu sekundar στεῦ-ται usw.; zum Med. vgl. bes. aw. stuyē ‘(von sich) kundtun’. Wackernagel Unt. 201 ff. (dazu Schwyzer 679 A. 5; Zweifel bei Hermann Gött. Nachr. 1943, 615). II-793-794
στέφω, -ομαι, Aor. στέψαι, -ασθαι (seit Il.), Pass. στεφθῆναι, Fut. στέψω, -ομαι, Perf. ἔστεμμαι (ion. att.; ἐστεθμένος Miletos VIa; vgl. στέθματα unten), ‘dicht umgeben, fest umschließen, umhüllen, umkränzen, bekränzen, (mit Spenden) ehren’ (dafür, namentlich in d. Prosa, öfter στεφανόω). auch m. περι-, ἐπι-, κατα- u.a., Ableitungen: 1. στέφος n. ‘Kranz, Girlande’ (Emp., Trag., sp. Prosa), übertr. ‘ehrende Spende’ (A. Oh. 95); als Hinterglied u.a. in χρυσο-στεφής ‘aus einem goldenen Kranz bestehend’ (S.), aber meist verbal, z.B. καταστεφ-ής ‘bekränzt’ (: κατα-στέφω, S., A. R.). 2. στέμμα, meist pl. -ατα n. ‘Binde, Kranz’ (seit Il.), auch als Schmuck der röm. Ahnenbilder, ‘Stammbaum’ (Plu., Sen., Plin.), ‘Gilde’ (sp. Inschr.). mit -ματίας Bein. des Apollon (Paus.), -ματιαῖον Bed. unklar (H., AB), -ματόω ‘bekränzen’ (E.); zur Nebenform στέθματα· τὰ στέμματα H. s. Schwyzer 317 Zus. 1 (m. Lit.). 3. στέψις f. ‘das Bekränzen’ (Pap. IIIp). 4. στεπτικόν n. ‘Kranzgeld, -gebühr’ (Pap. IIIp). 5. στεπτήρια· στέμματα, ἃ οἱ ἱέται ἐκ τῶν κλάδων ἐξῆπτον H.; Στεπτήριον n. N. eines delphischen Festes (Plu.). 6. στεφών m. ‘Berggipfel’ (Ephesos IIIa), = ὑψηλός, ἀπόκρημνος H.; nach κολοφών u.a. — 7. στεφάνη f. ‘Stirnband, Helmrand’ auch ‘Helm’ (Trümpy Fachausdrücke 43. auch Hainsworth JHSt. 78, 52), ‘Rand eines Felsens, Mauerzinne’ (vorw. ep. poet. seit Il., auch hell. u. sp. Prosa). 8. στέφανος m. ‘Kranz, Einfassung, Sieges-, Ehrenkranz, Ehre’ (seit Ν 736) mit zahlreichen Ablegern: -ιον, -ίσκος, -ίς, -ικός, -ιαῖος. -ίτης, -ιτικός, -ίζω, -ίξαι; bes. -όομαι, -όω, auch m. περι- u.a., ‘einen Kranz bilden, umkränzen, bekränzen, krönen, schmücken, ehren’ (seit Il.), wovon -ωμα, -ωματικός, -ωσις, -ωτής. -ωτίς und -ωτρίς (Fraenkel Nom. ag. 1, 164), -ωτικός. — Da die Grundbed. von στέφω, wovon alle übrigen Bildungen ausgehen, offenbar ‘dicht, fest umgeben, umschließen’ ist, steht nichts im Wege, an aind. stabhnā́ti, Perf. tastámbha ‘festmachen, festhalten, stützen, steifen, hemmen’ Anschluß zu suchen, wie schon aus πύκα ‘dicht, fest’, πυκάζω ‘festmachen, eng umschließen’, ἄμ-πυξ (und aw. pusā) ‘Stirnband, Diadem’ hervorgeht. Von den zahlreichen weiteren Vertretern dieser großen und schwer zu umgrenzenden Wortsippe seien nur noch angeführt aind. stambha- m. ‘das Festmacnen, Hemmen, Stütze, Pfosten, Pfeiler’, lit. stam̃bas ‘Pflanzenstrunk, Stengel’, lett. stabs ‘Pfeiler, Säule’, germ. z.B. ahd. stabēn ‘starr, steif sein’ (ostfries. staf ‘steif, lahm’), awno. stefja ‘hemmen, hindern’, ahd. stab, awno. stafr ‘Stab’; idg.stebh-, stembh- (WP. 2, 623ff., Pok. 1011 ff.). — Da aind. stambha- auch ‘Aufgeblasenheit, anspruchsvolles Wesen’ heißen kann, ist die Frage gestattet, ob nicht auch στόμφος ‘schwülstige, hochtrabende Rede’ hier unterzubringen ist; vgl. zu στέμβω. Mit stabhnā́ti usw. werden sonst στέμβω, ἀστεμφής usw. zusammengestellt unter Annahme eines Bedeutungsumfangs ‘drücken, pressen, stampfen, hemmen, stützen, Pfosten usw.’ (s. WP. und Pok. a. O.), eine Kombination, die gewiß nicht unmöglich ist aber über das Beweisbare hinausgeht. Wenn richtig, würde somit auch στέφω mit στέμβω, ἀστεμφής zusammengehören. — Anders über στέφω, στέφανος Lidén Streitberg-Festgabe 224ff.: zu npers. tāǰ ‘corona, diadema regium’, arm. t‘ag ‘ds.’, ev. auch zum osset. Multiplikativsuffix -daɣ (w. oss. dudaɣ) mit einer Grundbed. ‘winden, wickeln, falten’; idg. (s)tegʷh-. II-794-795
στῆθος, oft pl. -εα, -η n. ‘männliche od. weibliche Brust’, auch auch als Sitz der Gefühle usw. "Herz" (seit Il.), übertr. ‘Hand-, Fußballen’ (Mediz.), ‘Sandbank’ (Plb. u.a.). Ganz vereinzelte Kompp., z.B. στηθό-δεσμος, -ίς, -ία, -η ‘Brust- band’ (Poll., LXX, hell. Pap. u.a.), μεγαλό-, μικρό-στηθος ‘mit breiter bzw. schmaler Brust’ (Mnesith. ap. Orib.; nur Sup.). Davon 1. die Demin. στηθ-ίον (Alex., Arist. u.a.), -ίδιον (Phryn.), -ύνιον (mittl. Kom., LXX u.a.; vgl. χελύνιον ‘Lippe, Kinnbacken usw.’). 2. -αῖον ‘Brustwehr’ (Sch.). 3. auch -ίας· ὄρνις ποιός H.? 4. -ικός (Arist.), -ιαῖος (Inschr. IVp, Sch.) ‘zur Brust gehörig’. 5. -ιστήρ m. ‘Brustblatt am Pferdegeschirr’ (Closs.; vgl. βραχιονιστήρ u.a.). Da στῆθος auch dor. und äol. ist (στᾱ͂θος [Sikyon] mit ᾱ aus η; Thumb-Kieckers Hb. 1, 129), ist die Anknüpfung an στῆ-ναι (Curtius 211; vgl. Chantraine Form. 421, auch Benveniste Origines 200) aufzugeben. — Herkunft unklar. Die Ähnlichkeit mit στήνιον· στῆθος H. (zu arm. stin, aind. stána m. ‘weibliche Brust’ u.a.) ist kaum zufällig. Vermutungen darüber bei WP. 2, 663 und Pok. 990 (für *τῆθος aus *θῆ-θος zu θῆσθαι mit στ- nach στήνιον?); bei Risch 73 (στήνιον : στῆθος etwa wie lat. plēnus : πλῆθος). II-795
στήλη (ion. att. seit Il.), dor. στάλα, äol. στάλλα f. ‘Säule, u.a. Gesetzes-, Vertragssäule’, daraus ‘Gesetz, Vertrag’; auch ‘Strebepfeiler’. Vereinzelt als Vorderglied, z.B. στηλο-γραφέω ‘auf eine Säule schreiben’ (hell. u. sp.). Davon 1. die Deminutiva στηλ-ίον, -ίδιον, -ίς, -ῖδος, -ύδριον (hell. u. sp.). 2. -ίτης, f. -ῖτις ‘dessen Name zur Brandmarkung auf eine Säule geschrieben ist, öffentlich entehrt’ (att.; Redard 114 f.) mit -ιτεύω, -ίτευμα (sp.), auch ‘in Form einer Säule, zur Säule gehörig’ (Luk., AP). 3. -όω, -όομαι, auch m. ἀνα-, κατα-, ἐν-, περι-, ‘(eine Säule) errichten, durch Säulen bezeichnen, abgrenzen, auf eine Säule schreiben’ mit -ωσις, -ωμα (hell. u. sp.). — Urgr. *στάλ-νᾱ (zur vielerörterten Behandlung der Lautgruppe -λν- Schwyzer 283 f.); somit zu στέλλω (s.d.) mit Schwundstufe wie in ἐπί-σταλ-μα u.a. (s. auch στάλιξ). Dieselbe Bildung zeigt ahd. asächs. stollo m. (n-St.) ‘Gestell, Stütze, Pfosten’, nhd. Stollen, idg. ebenfalls *stl̥-n-. Hierher noch phryg. starna mit Wandel l > r (Haas Sprache 6, 14 u. 7, 80) ? — Risch 102 erwägt als Alternative eine Grundform *στα-σλᾱ (vgl. lat. scālae < *scand-slae); zu ἵστημι. — Lyk. LW sttala (Kretschmer Glotta 28, 103). II-795-796
στήμων (dor. -ά- AP), -ονος m. ‘der Aufzug an dem aufrecht stehenden Webstuhl, Kette’, auch vom einzelnen Faden (seit Hes.). Einige Kompp., z.B. στημονο-νητικὴ τέχνη ‘die Kunst des Spinnens’ (Pl.; Chantraine Études 137), χρυσο-στήμων ‘mit goldenen Fäden, goldgestickt’ (Lyd.); mit altem Übergang in die o-Stämme στημο-ρραγέω ‘sich fadenweise auflösen’ (A.), μανό-στημος ‘mit dünnem Aufzug’ (A.) Davon das Demin. στημόν-ιον (Arist.), -ίας κίκιννος ‘fadenähnliche Locke’ (Kratin.), -ικός ‘zum Aufzug gehörig’ (Pap. IIIp), -ώδης ‘aufzugähnlich’ (Plu.), -ίζομαι ‘die Fäden zum Aufzug aufziehen’ (Arist.). Daneben στημν-ίον ‘Garn, Zwirn, Weberfaden’ (Delos IIIa, hell. Pap.), vgl. λιμέν-ιον : λίμνη u.a. (Schwyzer 524); mit Schwund des ν: στημ-ίον (sp. Pap.). — Alte Bez. eines alten Begriffs, bis auf das Genus mit lat. stāmen n. formal und begrifflich identisch. Daneben, in der Bed. abweichend, στῆμα n. Ben. einer Vorrichtung (Hero). ‘der vorstehende Teil des membrum virile’ (Ruf., Poll.), aind. sthā́man- n. ‘Standort’, got. stomin (Dat.) = gr. ὑπόστασις, aschwed. stomme aus *stōme m. ‘Gestell, Gerippe’, lit.stomuõ, Gen. -meñs ‘Körperwuchs, Statur’; alles aus idg. *st(h)ā-m(e/o)n-; s. zu ἵστημι. — Mit ō-Abtönung στώμιξ· δοκὶς ξυλίνη H. (auch lit. stuomuõ?) mit Bildung wie russ. dial. stamík ‘Stützbalken, steiler Felsen usw.’. Mit Tiefstufe στάμνος; s. d. und σταμῖνες. —WP. 2, 606f., Pok. 1007f., W.-Hofmann, Fraenkel und Vasmer s. vv. (m. Lit.); dazu v. Windekens Orbis 12, 193. II-796
στηρίζω, -ομαι (Demokr., E. u.a.), Aor. -ίξαι, -ίξασθαι (seit Il.), auch -ίσαι, -ίσασθαι (hell. u. sp.), Pass. -ιχθῆναι (Tyrt. usw.), Fut. -ίξω, -ίξομαι, -ίσω, -ιῶ, Pass. -ιχθήσομαι, Perf. Med. ἐστήριγμαι, Plusq. ἐστήρικτο (seit Il.), Inf. ἐστηρίσθαι (LXX), Akt. ἐστήριχα (Pap.), ‘fest stützen, feststellen, befestigen; sich stützen, sich stemmen, hinlehnen’. oft m. Präfix, z.B. ἀντι-, ἀπο-, ἐν-, ἐπι-, Davon 1. Rückbildung στῆριγξ, -ιγγος f. ‘Stütze’ (Lys., X., D.S. u.a.), wie σάλπιγξ (:-ίζω), στρόφιγξ, πλάστιγξ u.a. (vgl. unten). 2. (ἀντι-, ἀπο-, ἐπι-, ὑπο-) στήριγμα n. ‘Stütze’ (Hp., E. usw.), -ιγμός (ἀντι- ~) m. ‘das Stützen, Feststehen, Stillstand’ (Arist., D.H., D.S. u.a.). 4. -ιξις (ἀπο- ~) ‘das Feststellen, Feststellung, Stütze’ (Hp.). 4. -ικτής m. ‘Stütze’ (Sch.). 5. -ικτικός ‘fest-, stillstehend’ (Prokl.). — Alte Sekundärbildung von einem unbekannten Grundwort. Da στῆριγξ offenbar Rückbildung ist, käme als solches nur στῆρα· τὰ λίθινα πρόθυρα H. in Betracht, was indessen wegen der ganz speziellen Bed. wenig einleuchtet; vgl. noch den PN Στῆρις (Milet; Bechtel KZ 46, 375). Seit alters (s. Curtius 213) zu στερεός u. Verw. gezogen; die Einzelheiten bleiben indessen unklar. Vgl. σκηρίπτομαι. II-796-797
στήτα f. = γυνή (Theok. Syrinx 14, Dosiad. Ara 1). — Scherzhafte Gelehrtenbildung aus Α 6 διαστήτην; s. zuletzt Leumann Hom Wörter 112 und Ruijgh L’élém. ach. 100f. II-797
στία στῖον n. (Hp. ap. Gal. 19, 140) f. (A. R. 2, 1172), ‘Steinchen, Kiesel’; πολύ-στῑος ‘reich an Kieseln’ (Kall., Nik.). Davon στιώδης ‘kieselartig, steinhart’ (Gal.), στιάζει· λίθοις βάλλει H. — Ohne direkte oder sichere außergriech. Entsprechung. Formal dazu stimmt aind. stíyāḥ pl. etwa ‘stehende Gewässer’, das tertium comparationis wäre ‘geronnen, fest, steif’ in aind. sty-āna- (Präs. styāyate). Anders Johansson BB 18, 50 A. 1 (zustimmend Kretschmer KZ 34, 8): aus *stī-s-; nicht besser. Als Hochstufe dazu gilt στέαρ ‘(stehendes) Fett’ aus *στῆι-αρ, urgr. *στᾱι̯-αρ; es steht somit frei, auch das germ. Wort für ‘Stein’, got. stains m. usw. (urg. *stai-na-) ebenso wie ein slav. Wort für ‘Stein, (Fels)wand’ in aksl. stěna, russ. stená f. usw. einzubeziehen. WP. 2, 610 f., Pok. 1010f., Vasmer s. v. mit weiteren Formen u. reicher Lit. S. noch στίλη und στέαρ. II-797
στιβαρός, στίβη, στίβος usw. s. στείβω. II-797
στίζω, Aor. στίξαι, Pass. στιχθῆναι, Fut. στίξω, Perf. Pass. ἔστιγμαι ‘stechen, tätowieren, brandmarken’ (ion. att.). auch m. Präfix, z.B. κατα-, περι-, δια-, Davon 1. στίγ-μα n. ‘Stich, Malzeichen, Brandmarke’ (Hes. Sc. 166, ion. att.), auch = δίγαμμα (ϝ) als Zahlzeichen für 6 (Erklärungsversuch von Pisani Ist. Lomb. 73: 2,53) mit -ματίας m. ‘der Gebrandmarkte’ (ion. att.). 2. (ἐπι-, δια-) στιγ-μή f. ‘Mal, Fleck, Pünktchen, Kleinigkeit’ (ion. att.) mit -μιαῖος ‘nur einen Punkt umfassend, ohne Ausdehnung’ (hell. u. sp.); -μός m. ‘Stich, Brandmarke’ (A. in lyr.). 3. στίξις (διά- ~) f. ‘das Stechen’ (sp.). 4. στιγ-εύς m. ‘Stecher, Brandmarker’ (Hdt.), ‘Brenneisen’ (Suid.), wohl direkt vom Verb (nach Bosshardt 54 von *στιγή); ebenso 5. -ων, -ωνος m. ‘Gebrandmarkter’ (Ar. Fr. 97). 6. -ος (-ον) m. (n.) ‘Punkt’ (Archim.). 7. στίκ-της m. ‘Stecher, Brandmarker’ (Herod.). 8. -τός (κατά- ~) ‘punktiert, bunt gefleckt’ (Trag., Arist. usw.). 9. Als Hinterglied περιστιγής ‘bunt gefleckt’ (Nik.). — Das regelmäßig ausgebaute griech. System geht auf eine nicht näher bestimmbare idg. Grundlage zurück. Am nächsten kommt das germ. Wort für ‘Stich’ in got. stiks. ahd. stih, asächs. stiki, ags. stice, urg. *stik-i- m. mit i-Erweiterung aus idg. *stig- in στίζω (aus *στίγ-ι̯ω), στίξαι. Daneben im Latein teils ein Nasalpräsens in in-, di-stinguō (-u- sekundär) ‘anreizen’ bzw. ‘(auseinanderstechen’ >) ‘absondern, unterscheiden’, teils eine Sekundärbildung in in-stĩgō. -āre ‘anspornen’ (aus *steig-). Das Aind. bietet mehrere Verwandte, alle ohne anlaut. s-; die primären Verbformen sind aber selten. Zu bemerken das hochstuflge Präsens téjate ‘scharf sein’ (idg. *teigetai) mit Verbaladj. tik-ta- (: στικτός; ní-tikta-’instigatus’), tig-má- ‘spitzig, scharf’ (:στιγ-μή). — Weitere Formen aus verschiedenen Sprachen, fürs Griechische ohne Belang, bei Bq s. v., WP. 2, 612ff., Pok. 1016f., W.-Hofmann s. instīgō m. reicher Lit. Durch στίζω wurde ein anderes altes Verb für ‘stechen’ ersetzt, von dem indessen Ausläufer in πικρός, ποικίλος erhalten sind (s. dd.). II-797-798
στίλβω, Aor. στίλψαι (vereinzelt u. sp.) ‘glänzen, blinken, schimmern’. auch m. ἀπο- u.a. (vorw. ep. poet. seit Il., sp. Prosa), Davon 1. στίλβ-η f. ‘Lampe’ (Kom.), ’Αττικοὶ δὲ ἔσοπτρον H. 2. -ηδών, -όνος f. ‘Glanz, Schimmer’ (Thphr., Phld. u.a.; vgl. λαμπηδών). 3. στίλψις f. ‘das Funkeln’ (Tz.). 4. στιλβ-άς (γῆ) ‘schimmernd’ (sp.). 5. -αῖος = coloratus (Gloss.). 6. -ηδόν Adv. ‘blinkend, funkelnd’ (Suid.). 7. -ων, -οντος u. -ωνος m. N. des Planeten Merkur (Arist. u.a.; Scherer Gestirnnamen 89 f.), auch PN wie Στίλπων. 8. στιλβός ‘blinkend’ (Gal.) mit -ότης f. (v. l. für στιλπνότης Plu.), -όω ‘leuchten lassen’ (LXX, Dsk.), wovon -ωσις, -ωμα, -ωθρον, -ωτής (LXX, Dsk.u.a.).—Daneben στιλπνός ‘glänzend, funkelnd’ (Ξ 351, Arist. u.a.) mit -ότης (Gal., Plu. u.a.), -όω ‘polieren’ (Arr., Gal.) mit -ωτής (Lyd.); vgl. θαλπνός, τερπνός u.a. — Unerklärt. Da eine Lautfolge -ilb/p- mit dem idg. Lautsystem unvereinbar ist, kann das Wort wenigstens in dieser Form nicht altererbt sein. Eine mehr als ungewisse Kombination mit einem kelt. Wort für ‘Auge, ansehen’, ir. sell, sellaim usw., bei Fick 2, 313 u.a. (s. Bq und WP. 2, 646, Pok. 1035). Nicht besser Machek Rev. et. slav. 23, 63 und Listy filol. 72, 72 f. (zu russ. blistátь ‘glänzen’ ). II-798-799
στίλη (-ῐ-) f. ‘Tropfen’ (Ar. V. 213; übertr. = ‘Kleinigkeit, Augenblick’). — Bis auf die (expressive?) Geminata mit lat. stilla ‘ds.’ identisch (Ernout-Meillet s. v.), das indessen wegen stīria ‘(gefrorener?) Tropfen’ für *stīr(e)lā stehen kann (W.-Hofmann s. v. m. Lit.). Über weitere Anknüpfungsversuche s. στία, στέαρ. II-799
στῖμι (-μμ-), -ις f., auch στῖβι n. n., ‘Spießglanzerz, schwarze Schminke’ (Ion Trag., Antiph., LXX, Dsk., Pap. u.a.) mit στιμ(μ)-ίζω, -ίζομαι, στιβίζομαι ‘(sich) schwarz schminken’ (LXX, Str. u.a.), -ισμα n. — Aus ägypt. ṣtim, kopt. σθημ, στημ (Lewy Fremdw. 217 m. A.). Lat. LW stimi, stibi(um). Zum Wechsel μ : β noch Schwyzer 333. II-799
στῖφος n. ‘dicht zusammengedrängter Haufe, Schar von Kriegern, Schiffen usw.’ (Hdt., A., Ar., Th., X. usw.). Daneben στιφρός ‘dicht zusammengedrängt, dicht, gedrungen’ (Ar., X., Arist., hell. u. sp.) mit -ότης f. ‘Gedrungenheit’ (mittl. Kom.), -άω ‘hart werden’ (Ath., Eust.). — Zu στῖφος : στιφρός vgl. z.B. αἶσχος : αἰσχρός , κῦδος : κυδρός. Zur Sippe von στείβω mit Vokallänge wie in στί̄βη ‘Reif’; ohne direkte außergriech. Entsprechung. Eine idg. Media Aspirata (= gr. φ) liegt wahrscheinlich auch in einigen semantisch abweichenden balt.-slav. Wörtern vor, z.B. lit. stíebas ‘Mastbaum, Pfeiler, Stengel’, stáibis ‘Unterschenkel, Tragpfosten’, aksl. stьblь, russ. stébelь ‘Stengel’, ebenso in aind. stibhi- m. ‘Rispe, Büschel’. Weiteres s. στείβω; vgl. στριφνός. — Aus στῖφος lat. *stīpus in stīpāre? (Thierfelder briefl.). II-799
στλεγγίς, -ίδος (mit mehreren Nebenformen: στεγγίς, στελγ(γ)ίς, στλιγγίς, στρεγγίς, στεργίς u.a.; vgl. Kretschmer KZ 33, 472f., Brugmann IF 30, 375) f. ‘Schabeisen zum Abreiben von Öl und Staub, Striegel’ (Hp., att.), oft übertr. von einem prachtvollen Kopfschmuck, einer Art Tiara (X., Plb., hell. Inschr. u.a.). Davon στλεγγ-ίδιον (hell.), -ίον (Sch.), -ίζομαι ‘sich abreiben’ (Suid.) mit -ισμα n. ‘abgeriebener Schmutz’ (Arist., Lyk.), -ιστρον n. = στλεγγίς (EM). — Technisches Wort ohne Etymologie, ohne Zweifel entlehnt. Neumann Heth. u. luw. Sprachgut 94 f. lenkt die Aufmerksamkeit auf heth. ištalk(iya)-, ištalgāi- ‘ebnen, glätten’ (Kronasser Etymologie II 412); στλεγγίς somit kleinasiat.? — Altere Lit. bei Bq und W.-Hofmann s. strigilis. II-799-800
στοά (att.), auch στοιά (Ar. in anap., Inschr.), στοιή (Erythrai, Hdt.), στωϊα (Knossos, Mytil.) f. ‘Säulengang, -halle, Vorratskammer’, auch als Bez. der stoischen Schule (στοὰ ποικίλη). Als Hinterglied u.a. in προ-στῷον ‘voran (vor den Zimmern) gelegener Säulengang, Vorhalle’ (att.), Hypostase; Schw.-Debrunner 608 (τόποι προστῷοι Sch. zu Υ 11). Davon das Demin. στωΐδιον, στοΐδιον n. (Delos, Str. u.a.), das Adj. στω-ϊκός ‘zur stoischen Schule gehörig, Stoiker’ (hell. u. sp.) mit -ικεύομαι ‘als Stoiker auftreten’ (sp.); herabsetzend Στόαξ (Στώαξ?) ‘elender Stoiker’ (Herm. Iamb. 1; Björck Alpha impurum 48 u. 263). — Kollektivbildung auf -ιά, *στωϝ-ιά (mit Kürzung des ω und Schwund des ι in στοιά, στοά; Schwyzer 244, 349, 469; vgl. zur Lautentwicklung noch Adrados Emer. 18, 408 ff.) von einend Nomen *στωϝ-ος, -ᾱ͂ mit Hochstufe neben Reduktionsbzw. Tiefstufe in σταυρός und στῦλος (s. dd.). Hochstufige Formen liegen auch vor im Balt.-Slav. und Germ., z.B. lit. stovė́ti ‘stehen’, stovà f. ‘Stand, Stelle’, aksl. staviti ‘stellen’, stavъ m. ‘Stand, Gefüge’, ags. stōwian ‘zurückhalten’, stōw f. ‘Stelle’; es handelt sich aber in allen diesen Fällen ehenso wie in aind. sthāv-ará- ‘dick, feststehend, beständig’ eher um idg. āu̯. Idg. st(h)āu̯- (neben st(h)ōu̯-, st(h)əu̯-, st(h)ū) ist eine alte Nebenform von st(h)ā- (st(h)ō-, st(h)ə-) in στήμων, στώμιξ, στατός; s. dd. und ἵστημι m. weiterer Lit. II-800
στοιχεῖον, στοῖχος s. στείχω. II-800
στολή, στόλος s. στέλλω. II-800
στόλοκρος ‘mit nicht ausgewachsenen Hörnern’ H. s. κόλον; ‘mit gestutztem Haare’ H.; τὸ στόλοκρον = κορδύλη Phot. — Erinnert an φαλακρός (s. d.), wenn nicht zu κέρας. Wohl zu στόλος = ‘Stumpf’ (s. στέλλω). II-800
στόμα, äol. στύμα (Theok.), -ατος n. ‘Mund, Maul, Mündung, Front, Spitze, Schneide’ (seit Il.). Viele Kompp., fast alle vom kürzeren Stamm (vgl. unten), z.B. στόμ-αργος ‘geschwätzig, hochtrabend’ (Trag.), zu ἀργός (Willis AmJPh 63, 87 ff. : ‘glänzend’ > ‘hell’ > ‘laut’?), wenn nicht nach γλώσσ-αργος, das für γλώσσ-αλγος stehen kann (s. zu γλῶσσα m. Lit.); vgl. noch Πόδ-αργος (s. πούς); myk. Tomako, Tumako? (Mühlestein Studi Miccnei 2 (1967), 43ff. m. Lit.); zu στομα-κάκη s. κακός; εὔ-στομος ‘mit schönem Mund, schön redend’, auch = ‘schweigend’ (Hdt., X. usw.); daneben, ganz vereinzelt, στοματ-ουργός ‘mit dem Mund arbeitend, großsprecherisch’ (Ar.). κακο-στόματος (AP) für κακό-στομος (E. u.a.). Davon 1. στόμ-ιον n. ‘Mündung, Öffnung, Gebiß (stange), Zügel’ (ion. att.), selten ‘Mund’ (Nik.), mit -ίς f. ‘Halfter’ (Poll.); ἐπι-στομ-ίζω ‘ein Gebiß anlegen’ (att.), auch ‘den Mund verschließen’ (sp.). 2. στόμ-ις m. ‘hartmäuliges Pferd’ (A. Fr. 442 = 649 M.; vgl. Schwyzer 462 A. 3), auch -ίας ‘ds.’ (Afric., Suid.). 3. -ώδης ‘schön redend’ (S.), ‘wohlschmeckend’ (Sor.). 4. -ίζομαι ‘in den Mund nahmen’ (Aq.), m. Präfix, z.B. ἀπο-στομίζω ‘die Schneide entfernen’ (Philostr.). 5. -όω (ἀνα- ~ u.a.) ‘den Mund verstopfen, mit Öffnung, Schneide versehen, härten’ (ion. att.) mit -ωμα n. ‘Mündung’ (A.), ‘Härtung, das Gehärtete, Stahl’ (Kratin., Arist., hell. u. sp.), -ωμάτιον (Gloss.), -ωσις f. ‘Härtung’ (S., hell u. sp.), -ωτής = indurator (Gloss.). — Daneben στομάτ-ιον n. Demin. (Sor.), -ικός ‘zum Munde gehörig’ (Mediz. u.a.), ἀπο-στοματ-ίζω ‘hersagen, ausfragen usw.’ (Pl., Arist. usw.). — Zu στόμαχος, στωμύλος s. bes. — Das etymologisch undurchsichtige στόμα hat sich offenbar sekundär an die Verbalnomina auf -μα angeschlossen (Schwyzer 524 m. A. 5), womit die ausgesprochene Vorliebe für die kurze Form στομ- in Kompp. und Ableitungen zusammenzuhängen scheint (vgl. Georgacas Glotta 36, 163). Aber der n-Stamm ist an sich alt und findet sich nicht nur in aw. staman- m. ‘Maul (des Hundes)’ sondern auch im Keltischen, z.B. kymr. safn ‘Kinnlade’. — Fern bleiben dagegen das germ. Wort für ‘Stimme’, got. stibna, ahd. stimna, stimma usw., ebensowie das heth. Wort für ‘Ohr’, ištam-ana-, -ina-, wohl Denominativ von ištamašzi ‘hören’ (Frisk GHÅ 57, 19ff. = Kl. Schr. 79ff. m. Lit.; anders Kronasser Etymologie II 399). II-800-801
στόμαχος m. ‘Kehle’ (Il.), ‘Speiseröhre’ (Hp., Arist. u.a.), ‘Mündung (der Blase, des Uterus)’ (Hp.), ‘der obere Magenmund, Magen’ (sp.), ‘Arger’ (Vett. Val., Pap.II—IIIp; vgl. unten). Kompp. εὐ-, κακο-στόμαχος ‘heilsam, schädlich’, von der Nahrung (Mediz.). Davon στομαχ-ικός ‘zum σ. gehörig, am σ. leidend’, auch ‘für den σ. nützlich’, mit -ικεύομαι ‘am σ. leiden’ (sp. Mediz.); -έω = stomachor (Dosith.). — Von στόμα mit demselben Suffix wie in οὐραχός, οὐρίαχος (s. οὐρά), κύμβαχος und anderen ursprünglich volkstümlichen Bildungen (Schwyzer 498, Chantraine Form. 403). Abzulehnen Hirt PBBeitr. 22, 228 (s. Bechtel Lex. s. v.) und Lagercrantz (s. Idg. Jb. 13, 201). — Lat. LW stomachus ‘Speiseröhre, Magen’ mit stomachor, -ārĩ ‘sich ärgern’ , wozu durch semant. Rückbildung stomachus ‘Arger’; daraus entlehnt στόμαχος ‘Ärger’ mit -έω. — Zu στόμαχος, γαστήρ, κοιλία u. deren Wiedergabe in d. Vulgata Benveniste Rev. de phil. 91, 7ff. II-801-802
στόνυξ, -υχος m. ‘Spitze eines Felsens, eines Fangzahns, einer Kralle usw.’ (E. Kykl. 401 [codd. γ’ὄν.], A. R., Opp., AP), στόνυχας· τὰ εἰς ὀξὺ λήγοντα καὶ τὰ ἄκρα τῶν ὀνύχων, στόνυξι· κέρασι H. — Kreuzung von ὄνυξ und einem zur Gruppe στάχυς, στόχος gehörigen Wort (Güntert Reimwortbild. 139). Anders Specht KZ 65, 201. aus *στογχυ- (Hochstufe von στάχυς) umgestellt. Alt. Lit. bei Bq und WP. 2, 623. II-802
στορέννυμι, στορεύς s. στόρνυμι. II-802
στόρθυγξ, -υγγος m. f. ‘Zacke, Zinke, Sprosse eines Geweihs, Fangzahn, Vorgebirge usw.’ (S., Kom.Adesp., Lyk.,AP u.a.). — Wie das synonyme στόνυξ ein isoliertes poetisches Wort mit Bildung wie φάρυγξ, σπῆλυγξ, σπόρθυγγες (s. σπύραθοι) u.a. von στόρθη· τὸ ὀξὑ τοῦ δόρατος, καὶ ἐπιδορατίς H., das von awno. stirðr ‘steif, unbeugsam’, storð f. ‘Gras, grüner Stengel’ (idg. sterdh- od. stert-, bzw. str̥dh-, str̥t-) nur bezüglich des Ablauts abzuweichen braucht. Daneben mit idg. -d- u.a. awno. stertr m. ‘Vogelschwanz’, ahd. u. nhd. Sterz. Weitere Formen m. Lit. bei Bq und WP 2, 630, Pok. 1023f. — Letzten Endes zu στερεός usw. (s. d.). II-802
στόρνυμι (seit ρ 32), στρώννυμι (A. Ag. 909 [στορνύναι Elmsley], hell. u. sp.), στορέννυμι (sp.), überall auch -ύω, Aor. στορέσαι (seit Il.), στρῶσαι (ion. att.), Pass. στορεσθῆναι (Hp. u.a.), στρωθῆναι (D.S. usw.), Perf. Pass. ἔστρωμαι (seit Κ 155), ἐστόροται od. -ηται (äol. Gramm.), ἐστόρεσμαι (sp.), Akt. ἔστρω-κα (hell. u. sp.), Fut. στορῶ (Ar.), στρώσω (E. usw.), dor. στορεσεῖν (Theok.), στρωννύσω (Ps.-Luk.), Pass. στρωθήσομαι (LXX), Vbaladj. στρωτός (seit Hes.); ‘hinbreiten, ausbreiten, ein Bett machen, ebnen, bahnen, ausstreuen, bestreuen’. oft m. Präfix, z.B. ὑπο-, κατα-, ἐπι-, Ableitungen. l. στρῶμα (κατά-, ὑπό- u.a.) n. ‘das Ausgebreitete, Teppich, Bettzeug, Lager’ (ion. att.) mit -άτιον n. (hell. u. sp. -ατεύς m. ‘Bettsack’ (Thphr. u.a.), ‘buntes Flickwerk’ (Gell.), N. eines Fisches (Philo ap. Ath.; nach den goldenen Strichen; Bosshardt 62, Strömberg Fischn. 28), -ατίτης ἔρανος ‘Picknick mit eigenem Bettzeug’ (Kratin.; Redard 115), -ατίζω ‘mit einem Teppich versehen, pflastern’ (hell. Inschr., Poll., H.). 2. στρωμνή, dor. -ά, äol. -ᾶ f. ‘Teppich, Matratze, Bett’ (Sapph., Pi., att. usw.) mit -άομαι in ἐστρωμνημένος (Phot.); vgl. λίμνη, ποίμνη u.a. 3. στρῶσις (ὑπό- u.a.) f. ‘das Ausbreiten, Pflasterung’ (hell. u. sp.). 4. στρωτήρ m. ‘Querbalken, Dach- latte’ (Ar. Fr. 72, hell. u. sp.) mit -ήριον, -ηρίδιον ‘ds.’ (EM, H., Suid.); στρώτης m. ‘der das Bett-, Tischlager zurechtlegt’ (mittl. Kom., Plu.). 5. Für sich steht στορεύς m. ‘der untere, flache Teil des Reibzeugs zum Feuermachen’ (H., Sch.). = γαληνοποιός (H.); von *στόρος od. -ά?; vgl. Bosshardt 80. 6. Mit ο-Vokal noch στόρνη f. = ζώνη (Kall., Lyk.), wohl zu στόρνυμι; dazu myk. api tonijo (Taillardat REGr. 73, 5ff.)?? Ebenso στορνυτέα· καταστρωτέα, περιοικοδομητέα H. — Die ursprüngliche Triade στόρ-νυμι : στορέ-σαι : στρω-τός, ἔ-στρω-μαι ist z.T. durch Neubildungen ausgeglichen worden: στρώννυμι (nach ζών-νυ-μι für ζωσ-), στρῶσαι nach στρωτός, ἔστρωμαι; στορέννυμι nach στορέσαι. Wie in κορέσαι, κορέννυμι, ὀλέσαι, ὄλλυμι u.a. macht der ο-Vokal Schwierigkeiten und hat eine lebhafte Diskussion hervorgerufen (s. Lit. s. vv.). Zu στόρνυμι (für *στάρνυμι?) stimmt sonst formal aind. str̥nóti ‘niederstrecken, hinwerfen’; wegen germ., z.B. got. straujan, nhd.streuen läßt sich dafür ein idg. *streu- mit n-Infix ansetzen. Andere Nasalpräsentia sind aind. str̥ṇā́ti ‘ds.’, lat. sternō = air. sernim ‘ausbreiten’, alb. shtrinj ‘ds.’ (idg. *str̥ni̯ō). Zur semantischen Differenzierung Narten Münch. Stud. 22, 57 ff., Sprache 14, 131 f. Dem langvokalischen tiefstufigen στρωτός entsprechen mit anderer Vokalfarbe lat. strātus, lit. stìrta f. ‘(Heu)schober, aufgeschichteter Haufen, Trockengerüst’ und aind.stĩrṇá- ‘ausgebreitet’. Daneben das zweisilbige hochstufige στορέ-σαι wie aind. a-starĩ-ṣ (2. sg.; Med. 3. sg. a-stari-ṣṭa, Inf. stari-tavai; unabhängige Parallelentwicklungen nach Schwyzer 752). Auch στρῶμα hat ein genaues Gegenstück, u. zw. in lat. strāmen, strāmentum ‘Streu’ (neben aind. stárĩ-man- n. ‘Ausbreitung’; vgl. noch Schwyzer 520 m. A. 5). Ebenso stimmen zueinander στόρνη = ζώνη und slav., z.B. russ. storoná ‘Landstrich, Seite, Gegend’, beide gewiß als Neubildungen. Das isolierte στορεύς (von *στόρος, -ά oder Neubildung zu στορ-έσαι, -νυμι?) repräsentiert gleichfalls dieselbe Vokalstufe wie russ. pro-stór m. ‘Raum, Geräumigkeit’ und aind. pra-stará- m. ‘Streu, Polster, Fläche’. Weitere Formen m. Lit. bei Bq, WP. 2, 638ff., Pok. 1029ff., W.-Hofmann s. sternō, Fraenkel s. stìrta, Vasmer s. prosterétь und storoná. Zur Stammbildung bes. Strunk Nassalpräs. u. Aor. (1967) 113 f. Vgl. noch στέρνον und στρατός. II-802-803
στορύνη f. Bez. eines chirurg. Werkzeugs, ‘Lanzette, κατιάδιον’ (Aret.). — Unerklärt; zur Bildung vgl. τορύνη. II-804
στορχάζειν · εἰς <ση>κοὺς κατακλείειν τὰ βοσκήματα, στορχάσω· συγκλείσω, ἐστόρχαζον· ἔκλειον H. — Denominativum von *στόρχος, -ή ohne Etymologie. Nicht (mit Zubaty; s. Bq) zu russ. ostróg ‘Gefängnis’, strógij ‘streng’; s. Vasmer s. vv. — Vgl. ταρχύω. II-804
στόχος m. ‘aufgerichteter Pfeiler, Pfosten, Mal, aufgestelltes Ziel’, auch ‘Vermutung’ (nach στοχάζομαι)? (ganz vereinzelte, z.T. in der Überlieferung verwischte Belege bei A., E., X., Poll., att. Inschr.). Kompp. ἄ-στοχος ‘das Ziel verfehlende εὔ-στοχος ‘gut zielend, gut treffend’ (att., hell. u. sp.) mit ἀ-, εὐ-στοχ-ία, -έω. Davon στοχ-άς, -άδος f. ‘Aufwurf für die Stangen der Stellnetze’ (Poll.); auch Adj. unklarer Bed. (E. Hel. 1480 [lyr.], wohl falsche v. l. für στολάδες); -ανδόν Adv. ‘mutmaßungsweise’ (Theognost.). Gewöhnliches Denom. στοχάζομαι, auch m. κατα- u.a., ‘wonach zielen, schießen, zu erzielen suchen, erraten, vermuten, ausforschen’ (Hp., att., hell. u. sp.) mit (κατα-) στοχασμός, -ασις, -αστής, -αστικός; auch στόχασμα n. ‘Gerät zum Zielen’ = ‘Wurfspieß’ (E. Ba. 1205; vgl. Chantraine Form. 145). — Ohne sichere außergriech. Entsprechung. Da die urspr. Bed. ‘aufgerichteter Pfeiler, Pfosten’ zu sein scheint, melden sich als denkbare Verwandte einige in dieses weite Bedeutungsfeld fallende balt.-slav. und germ. Wörter. So russ. stóg m. ‘Schober, Heuhaufen’, bulg. stéžer ‘Tennenpfosten zum Anbinden der Pferde, Schoberstange’, russ. dial. stož-á, -ará, -erá ‘Stützpfahl eines Heuschobers’, čech. stožár ‘Mastbaum’, lit. stãgaras ‘dünner langer Pflanzenstengel’, lett. stę̄ga ‘lange Stange’ usw. Wegen germ., z.B. ags. staca, nengl. stake, awno. staki m. ‘Stange, Spieß’ (urg. *stak-an-) kommt aber für stóg usw. idg. steg- ebensogut in Betracht. Neben den vorerwähnten Wörtern bietet indessen das Germ. auch eine andere, davon nicht rein zu scheidende Gruppe, die auf idg. stegh- (> slav. steg-), meist in nasalierter Form ste-n-gh- zurückzuführen ist : schwed. stagg ‘steifes und stechendes Gras, Achsel, Stichling’ (-gg express. Gemin.), ä.dän. stag ‘Spitze, Keim’; ahd. stanga, awno. stǫng f. ’Stange, Stock, Pfahl’ (mit awno. stinga, ags. stingan ‘stechen’) usw. Davon mit Schwundstufe (idg. stn̥gh-) στάχυς? S. d. m. weiteren Formen und Lit. II-804
στράγξ, -γγός f. ‘aussickernder, ausgepreßter Tropfen’ (Arist., Thphr., Men., AP u. a.); daneben στραγγ-ός (auch -γ-) ‘tropfenweise fließend’, auch ‘zusammengeschnürt, verwickelt, ruckweise, unregelmäßig’ (Mediz. u.a.), -εῖον n. ‘Tropfenflasche’ (Mediz.). -ίας (πυρός) ‘Art Weizen’ (Thphr.; vgl. Strömberg Theophrastea 91). Als Vorderglied in der Zusammenbildung στραγγ-ουρ-ία, ion. -ίη f. = ἡ κατὰ στράγγα οὔρησις (Gal.), ‘Harnzwang’ (Hp., att., hell. u. sp.) mit -ικός, -ιώδης, -ιάω, -έω. Denominativa 1. στραγγ-ίζω, auch. m. κατα-, ἐκ-, ἀπο-, ‘tropfenweise auspressen’ (LXX, Dsk. u.a.); 2. -εύομαι (auch -γ-) ‘zaudern, zögern, säumen’ (Ar., Pl. hell. u. sp.; zur Bed. unten) mit -εία f. ‘das Zaudern’ (M. Ant.). — Mit λ-Sufflx: στραγγάλη f. ‘Strick, Strang, Schlinge’ (J., Plu., S. E.) mit -αλίς f. ‘verwickelter Knoten, Verhärtung’ (Kom. Va, Arist. u.a.), -αλιά f. ‘ds.’ (LXX usw.; Scheller Oxytonierung 88), -αλιώδης ‘knotig, verwickelt’ (LXX, Kom. Adesp.), -αλάω ‘erwürgen, erdrosseln’ (Men., LXX), -αλίζω, auch m. ἀπο-, ‘ds.’ (D. S., Str. usw.), -αλισμός (Gloss.), -αλόομαι ‘verwickelt, verstrickt werden’ (Ph. Bel. u.a.). — Zu στράγξ vgl. στρίγξ, λύγξ, κλαγγ-ί u.a.; στραγγ-άλη wie σκυτ-άλη usw. — An στράγξ u. Verw. erinnern stark mehrere Wörter aus anderen Sprachen : lat. stringō ‘zusammenschnüren, -ziehen’, wenn aus *strengō mit analog. i in strictus, lett. stringu, stringt (Schwundstufe) ‘stramm werden’, auch ‘verdorren’ (aus ‘einschrumpfen, sich zusammenziehen’), mir. srengim ‘ziehen, schleppen’, nir. sreang ‘Strang, Strick’, germ., z.B. ahd. strang, awno. strengr (aus *strang-i-) ‘ds.’, awno. strangr, asächs. strang, ahd. strengi ‘gestreckt, straff, unbeugsam, streng usw.’ mit norw. strengja ‘straff ziehen’, nhd. anstrengen u.a.m., idg. streng(h)-, strong(h)-. Dann muß aber στραγγ- entweder als Schwundstufe für στραγ-(= lett. stringt; in στραγ-ός, -εύομαι neben στραγγ- noch erhalten?) stehen oder den α-Vokal sekundär bezogen haben, was bei dem urspr. volkstümlichen Charakter dieser Wortgruppe kaum erstaunlich wäre. Als urspr. Bed. der betreffenden Wortsippe ist allem Anschein nach ‘zusammenschnüren, -ziehen’ anzusetzen, die indessen im Griech. eine ganz besondere Entwicklung durchgemacht hat. So wäre der Tropfen, στράγξ, als "der Zusammenschnürer, -zieher" bzw. "der Zusammengeschnürte, -gezogene" (im Gegensatz zur frei laufenden Flüssigkeit) aufgefaßt; vgl. σύστρεμμα auch ‘runder Wassertropfen’. (Eig. vom Auswinden der Wäsche? Thierfelder briefl.) Die Bed. ‘zaudern, zögern’ in στραγ-γεύομαι läßt sich sowohl aus ‘sich zusammenziehen, stocken’ wie aus ‘tropfenweise (= langsam) vorgehen’ erklären. —Weitere Formen und Kombinationen m. Lit. bei WP. 2, 650f., Pok. 1036f., W. -Hofmann s. stringō. Lat. LW strangūria, strangulō. Vgl. στρογγύλος. II-804-805
στραπή, στράπτω s. ἀστραπή. II-806
στρατός, äol. στρότος (Sapph.), kret. σταρτος (Inschr.) m. ‘Schar, Volksabteilung’ (Pi., Trag., Kreta), ‘Kriegerschar, Land., Schiffsheer’ (seit Il.), auch ‘(Heeres-, Schiffs-)lager’ (Il.); στάρτοι· αἱ τάξεις τοῦ πλήθους H. Oft als Vorderglied, z.B. στρατ-ηγός (ion. att.), -ᾱγός (dor. ark.) m. ‘Heerführer’ (vgl. Chantraine Études 90), στρατό-πεδον n. ‘Heerlager, Heer, Flotte’ (ion. att.; Risch IF59,15); auch als Hinterglied. z.B. δεξί-στρατος ‘eine Heerschar aufnehmend’ (B.); dazu zahllose PN. Davon 1. Kollektivbildung στρατ-ίά, -ιή f. ‘Schar, Heerschar, Heer’, auch ‘Feldzug’ = στρατεία (Pi., ion. att.; Scheller, Oxytonierung 84f.) mit -ιώτης m. ‘Krieger, Soldat’ (ion. att.), -ιωτικός (att.; Chantraine Études 126). -ιωτάριον n. Bed. unsicher, viell. ‘Soldatensack’ (Pap. IIIp). 2. -ιος, f. -ία ‘kriegerisch’, auch als Bein. des Zeus, des Ares, bzw. der Athena u.a. (Alk., Hdt. u.a.); auch -ειος, -εία ‘ds.’ (Mylasa IIa). 3. στρατύλλαξ m. herabsetzendes Demin. von στρατηγός (Cic.Att.; vgl. delph. Στρατυλλις). Denom. 4. στρατ-άομαι (-όομαι?), auch m. ἀμφι-, ἐπι-, συν-, ‘sich scharen’, nur im ep. Ipf. ἐστρατόωντο (Il., A. R., Nonn.; vgl. Leumann Hom. Wörter 185, Chantraine Gramm. hom. 1, 80; 359; 364); -όομαι sicher im Ptz. στρατωθέν (στόμιον) ‘aus einem Heer be- stehend’ (A. Ag. 133 [lyr.]; Wackernagel Unt. 125). 5. -εύω, -εύομαι, auch m. ἐκ-, ἐπι-, συν- u.a., ‘ins Feld ziehen, im Heere dienen’ (ion. att.) mit -εία, ion. -ηΐη f. (ἐκ-, ἐπι-, συν-) ‘Feldzug, Kriegsdienst’ (ion. att.), -ευμα n. ‘Feldzug, Kriegsheer’ (ion. att.), -ευσις (ἐπι-) f. ‘Feldzug’ (Hdt., D.H. u.a.), -εύσιμος, -ευτικός. — Urspr. Bed. ‘Schar, Volksabteilung’, daraus ‘Kriegerschar, Heer’, sekund. ‘Lager’. — Mit aind. str̥ta- ‘niedergestreckt, bestreut’ (älter á-str̥ta- ‘unbesiegt, unüberwindlich’), aw. stərəta- ‘ausgebreitet’, auch mit air. sreth ‘strues’ (idg. *str̥tā) formal identisch, aber mit unklarer Bed.entwicklung: eig. ‘ausgebreiteter (oder sich ausbreitender) Haufen’? Vgl. Persson Beitr. 1, 451 ff. (mit älterer Lit.), der indessen von der Bed. ‘geordnete Schar, Reihe’ ausgeht. Ganz andere Strunk Münch. Stud. 17, 77 ff. (m. ausführlicher Behandlung), Nasalpräs. u. Aor. (1967) 111 m. A. 309 (m. Lit.): στρατός eig. ‘*niederstreckbar’ > ‘*Feindesheer’ oder ‘*Niederstrecker’. — Weiteres s. στόρνυμι (wo auch Lit.); ält. Lit. auch bei Bq. II-806
στρεβλός ‘gedreht, gekrümmt, gewunden, krumm, listig’ (ion. att.) mit -ότης f. ‘Krümmung, Verkehrtheit’ (Plu. u.a.). -όω, auch m. δια-, κατα-, ‘winden, ausrenken, foltern, martern’ (ion. att.) mit -ωσις, -ωμα, -ωτήριος; auch -ευμα n. (: *στρεβλεύω) ‘Verdrehung’ (Sm.). Dazu στρέβλη f. ‘Winde, Walze, Schraube’, auch als Folterwerkzeug (A., Arist., Plb. usw.); Bildung wie σμί-λη u.a., Rückbildung von στρεβλόω od. Substantivierung von στρεβλός? — A. Mit o-Vokal: στρόβος m. ‘Wirbel’ (A. Ag. 657, H.). Davon 1. στρόβ-ῑλος m. ‘Kreisel, Wirbelwind, Strudel, Fichtenzapfen usw.’ (att., hell. u. sp.; vgl. ὅμ-ῖλος u.a.) mit -ίλιον, -ιλίτης, -ιλέα, -ιλᾶς, -ιλεών, -ίλινος, -ιλώδης, -ιλίζω, -ιλόω (alle spät). 2. -ίλη f. ‘Zapfen aus Scharpie’ (Hp.). 3. -εύς m. N. eines Walkerwerkzeugs (Sch.). 4. -εία f. ‘Walkerei?’ (Delos IIIa). 5. στροβελός σοβαρός, τρυφερός; -ελόν· σκολιόν, καμπύλον H. 6. στροβανίσκος· τρίπους H. 7. στροβάζων· συνεχῶς στρεφόμενος H. 8. στροβέω, vereinzelt m. δια- u.a., ‘im Kreise umdrehen, heftig bewegen, beunruhigen’ (A., Ar., hell. u. sp.), wohl altes Deverbativum. Dazu mit Nasalinfix στρόμβος m. ‘Kreisel’ (Ξ 413), ‘Wirbelwind’ (A. Pr. 1084), ‘Schneckengehäuse, Schnecke usw.’ (Arist., hell. Dicht.) mit -ο-ειδής, -ώδης (Arist. u.a.), -εῖον, -ιλος, -ηδόν, -έω, -όω (selten u. sp.). — B. Mit α-Vokal (Schwundstufe): στραβός ‘schielend’ (Mediz.), mit -ων ‘ds.’ (Kom. Adesp.), auch PN, -αξ PN, -ότης f. ‘das Schielen’ (Orib. u.a.), -ίζω ‘schielen’ (H., EM) mit -ισμός (Gal. u.a.). Die urspr. Bed. noch in στραβο-πόδης ‘mit verdrehten Füßen’ (Hdn.). Außerdem: στράβηλος m. f. ‘wilder Ölbaum’ (Pherekr. in lyr.), N. eines Schneckentiers (S. Fr. 324, Arist. u. a.); στραβαλός· ὁ στρογγυλίας καὶ τετράγωνος ἄνθρωπος. ’Αχαιοί H.; στραβεύς· κωπεύς H. (Chantraine Étrennes Benveniste 17). Zu ἀστραβής s. bes. — C. Für sich stehen einige Formen mit -οι- : στροῖβος· δῖνος H. (στροιβός· δεινός cod.); Στροῖβος auch att. PN; πολύ-στροιβος ‘wirbelreich’, von θάλασσα, Νεῖλος (Nik.), nach πολύ-φλοισβος; daraus das Simplex στροῖβος usw. ? Dazu noch στροι-βᾶν· ἀντιστρέφειν, στροίβηλος ἔπαρμα πληγῆς ἐν κεφαλῇH. Auch mit -ει- in thess. Στρειβουνείοι ( : *Στρείβων) ? s. Bechtel Dial. 1, 210. — Lat. LW strabus, strabō, strambus, auch scriblĩta f. Bez. eines Gebäcks aus *στρεβλίτης (ἄρτος); s. W.-Hofmann s.v. und Leumann Sprache 1, 206f. (= Kl. Schr. 173). — Wie so viele Wörter auf -β- hat die obige Sippe im ganzen einen volkstümlichexpressiven Charakter. Das zugehörige primäre Verb hat dafür eine Aspirata, s. στρέφω. II-806-807
στρεύγομαι (nur Präs.und Ipf.) ‘hinschmachten, erschöpft, geplagt werden’ (ep.seit Ο 512, μ 351) mit στρευγεδών f. ‘Erschöpfung, Plage’(Nik.; wie τηκε-, σηπε-δών u.a.). — Nicht sicher erklärt. Seit J. Schmidt Voc. 1, 161 mit einem germ. und balt.-slav. Verb für ‘streichen usw.’ verbunden, z.B. awno. strjūka ‘die Oberfläche von etw. streichen, glätten’, ags. stroccian ‘streichen’, aksl. stružǫ, strъgati, russ. strogátь ‘schaben, hobeln’, strū́g ‘Hobel’; στρεύγομαι somit eig. ‘*gestrichen, aufgerieben werden’? Anders, semantisch gewiß vorzuziehen, v. Windekens Orbis 11, 343: zu toch. AB sruk- ‘mourir’. Weitere Lit. bei Bq, WP. 2, 638 (Pok. 1029), Vasmer s. strogátь. II-807-808
στρέφω, -ομαι (seit Il.), dor. στράφω? (Nisyros IIIa; ganz fraglich), äol. στρόφω (EM), Aor. στρέψαι, -ασθαι (Seit Il.), dor. ἀπο-στράψαι (Delph.), Pass. στρεφθῆναι (Hom. [intr.], selten att.), dor. στραφθῆναι (Sophr., Theok.), στραφῆναι (Hdt., Sol., att.), ἀν-εστρέφησαν (junglak. u. a., Thumb. Scherer 2, 42), Fut. στρέψω (E. usw.), Perf. Med. ἔστραμμαι (seit h. Merc.), hell. auch ἐστρεμμένος (Mayser Pap.I: 2, 196), Akt. ἔστροφα (hell.), auch ἔστραφα (Plb.), ‘drehen, wenden’, intr. u. Med. ‘sich drehen, wenden, verkehren’. sehr oft m. Präfix in verschied. Bedd., z.B. ἀνα-, ἀπο-, ἐπι, κατα-, μετα-, ὑπο-, Zahlreiche Ableitungen. A. Mit ε-Vokal: 1. στρεπ-τός ‘gedreht, biegsam’ (seit Il.), m. ‘Halskette, Kringel usw.’ (ion. att.) mit -άριον (Paul Aeg.). 2. -τικός (ἐπι-, μετα- u.a.) ‘zum Drehen dienend’ (Pl. u.a.). 3. -τήρ m. ‘Türangel’ (AP). 4. στρέμμα (περι-, διά- u.a) n. ‘Drehung, Verrenkung’ (D., Mediz. u.a.), σύ- ~ ‘Kugel, Geschwulst, runder Tropfen, Haufen, Versammlung usw.’ (Hp., Arist., hell. u. sp.). 5. στρέψ-ις (ἐπι-) f. ‘das Wenden, Wendung’ (Hp., Arist.) mit -αῖος, PN -ιάδης. 6. στρεπτ-ίνδα. Adv. Art Spiel (Poll.). 7. ἐπιστρεφ-ής ‘sich hinwendend, aufmerksam’ (ion. att.) mit -εια f. (Pap. IIIp). — B. Mit o-Abtönung: 1. στρόφος m. ‘Band, Strick, Seil’ (seit Od.), ‘Leibschneiden’ (Ar., Mediz.); als Hinterglied z.B. εὔ (ἐΰ-)στροφος = ~ -στρεφής ‘wohlgedreht, leicht zu drehen, zu biegen’, (Ν599 = 711, E., Pl. usw.) mit -φία f. ‘Biegsamkeit’ (hell.u. sp.); von den Präfixkompp. z.B. ἀντίστροφ-ος ‘gegen einander gekehrt, entsprechend’ (att. usw.: ἀντι-στρέφω). Davon στρόφ-ιον n. ‘Brust-, Kopfbinde’ (Kom., Inschr. u.a.), -ίς (περι- u. a.) f. ‘ds.’ (E. u.a.), -ίολος m. ‘Kante, Borte’ (Hero), -ώδης ‘Leibschneiden verursachend’ (Hp. u.a.), -ωτός ‘mit Zapfen versehen’ (LXX), -ωμα n. ‘Zapfen, Türangel’ mit -ωμάτιον (hell.), -ωτήρ m. ‘Ruderriemen’ (Gloss.), -όομαι ‘Leibschneiden haben’ (Mediz. u.a.), ἐκστροφῶσαι H. s. ἐξαγκυρῶσαι τὴν θύραν, -έω ‘Leibschneiden verursachen’ (Ar.); als Hinterglied z.B. in οἰακοστροφ-έω ‘das Steuer wenden’ (A.) von οἰακο-στρόφος (Pi., A. u.a.). 2. στροφή (ἐπι-, κατα-usw.) f. ‘das Drehen, Umdrehen usw.’ (ion. att.) mit -αῖος Bein. des Hermes (Ar. Pl. 1153; als Türwächter vgl. στρο-φεύς] mit Beziehung auf seine Gewandtheit [vgl. στρόφις). Von στροφή od. στρόφος: 3. στρόφ-ις m. ‘gewandter Mensch, Schlaukopf’ (Ar., Poll.). 4. -άς f. ‘sich drehend’ (S. in lyr., Arat. u.a.), -άδες νῆσοι (Str. u.a.). 5. -εῖον m. ‘Winde, Seil usw.’ (hell. u. sp.). 6. -εύς m. Türangel, Halswirbel’ (Ar., Thphr. u.a.; Bosshardt 47). 7. -ιγξ m. (f.) ‘Zapfen, Türangel’ (F , Kom. usw.). 8. -στροφάδην (nur mit ἐπι-, περι- u.a.) ‘rings sich wendend’ (ep. ion.). 9. Mit λ-Erweiterung: στρόφ-αλος m. ‘Kreisel’ (V—VIp); -άλιγξ f. ‘Wirbel, Krümmung usw.’ (ep. seit Il.), -αλίζω ‘drehen, spinnen’ (o 315, AP). — C. Mit Dehnstufe: Iter. intens. στρωφ-άω, -άομαι (ἐπι-, μετα- u.a.) ‘(sich) hin und her wenden, sich aufhalten’ (ep. ion. poet. seit Il.), -έομαι ‘sich drehen’ (Aret.). — D. Mit Tiefstufe : ἐπιστραφ-ής = ἐπιστρεφ-ής (s. ob.; sp.). PN Στραψι-μένης (dor.). — E. Als Vorderglied u.a. in στρεφε-δίνηθεν Aor. Pass. 3. pl. ‘sie drehten sich herum, schwindelten’ (H 792; danach im Akt. Q. S. 13, 7), wohl Kombination von στρέφομαι und δινέομαι (Schwyzer 645 m. A. 1 u. Lit.); dafür mit nominalem Vorderglied στροφο-δινοῦνται (A. Ag. 51 [anap.]); στρεψο-δικέω ‘das Recht verdrehen’ (Ar.) neben στρεψί-μαλλος ‘die Wollflocken drehend’ = ‘krauswollig’ (Ar.); vgl. Schwyzer 442. — Die obige stark produktive Wortgruppe kann wegen ihres regelmäßigen Aufbaus und Ausbaus kein hohes Alter beanspruchen. Anderseits gibt es darin nichts, was auf Entlehnung hindeuten könnte. Somit ein Erbwort jungen Datums mit unbekannter Vorgeschichte und ohne einleuchtende außergriech. Entsprechung (ganz fraglich lat. [umbr.] strebula pl. n. ‘das Fleisch an den Hüften der Opfertiere’; darüber W.-Hofmann s. v.). Eine (volkstümliche) Nebenform mit β ist in στρεβλός (s. d.), στρόβιλος, στραβός u.a. enthalten. —Durch στρέφω n. Verw. wurden ältere Wörter für ‘drehen usw.’, z.B. εἰλέω, εἰλύω und σπερ- in σπεῖρα, σπάρτον usw. z.T. zurückgedrängt bzw. ersetzt. II-808-809
στρηνής, belegt nur -ές als Adv.; auch στρηνός ‘ds.’ (Nikostr. Kom.); στρηνό-φωνος (Kall. Kom.). ‘rauh, hart, schrill’, bes. von Lauten (A. R., AP), Davon στρην-ύζω ‘trompeten’, vom Elephanten (Juba 37; cod. στρυν-), nach ὀλολ-ύζω u.a. (oder altes, mit dem σ-Stamm abwechselndes υ wie in lat. strēnuus [s.u.]?). Daneben στρῆνος n. ‘Übermut, Zügellosigkeit, Üppigkeit’ (LXX, Apok.,AP), m. ‘zügelloses, heftiges Verlangen’ (Lyk.) mit στρην-ιάω ‘ausgelassen sein, zügellos leben’ (mittl. Kom., Apok., Pap. IIIp u.a.; nach den Krankheitsverba auf -ιάω, Schwyzer 732). Aus H.: στρηνύεται· στρηνιᾷ; ἀστρηνές· δύσθετον, σκαιόν, ὀξύ. — Semantisch stehen στρηνής, -ές und στρῆνος, beide poetischvolkstümlich und fast nur nachklass. belegt, einander ziemlich fern. Urspr. Bed. etwa ‘kraftvoll, Kraft’, woraus ‘streng, hart’ (nach ἀπηνής, σαφής u.a.), bzw. ‘ausgelassene Kraft, Übermut’? —Lautlich dazu stimmt lat. strēnuus ‘kräftig, rührig, betriebsam’ und auch begrifflich läßt es sich unter der oben gegebenen Voraussetzung mit στρηνής, στρῆνος vereinen. Weitere Anknüpfung an στερεός (s. d.) u. Verw. ist möglich; s. noch W.-Hofmann s. strēnuus m. Lit., wo mit Fick u.a. auch kymr. trin ‘Kampf, Mühe’ herangezogen wird. II-809-810
στριβιλικίγξ scherzhafter Ausdruck (Augenblicksbildung?) für die denkbar kleinste Quantität einer Flüssigkeit, "Tröpfchen" (Ar. Ach. 1035). — Bildung wie φῦσιγξ, κύστιγξ u.a. Sch. z. St. erwähnt noch λίκιγξ = ἡ ἐλαχίστη βοὴ τῶν ὀρνέων und στρίβος· λεπτὴ καὶ ὀξεῖα φωνή (vgl. ὄτοβος u.a.); beide lautmalend mit wiederholtem ι-Vokal. Vgl. 1. στρίγξ. II-810
στρί(γ)ξ 1. (στλίξ), Akk. στρίγγα f. ‘Eule’ (Carm.Pop., Theognost.); vgl. στρίγλος· ... οἱ δὲ νυκτοκόρακα H. — Bildung wie γλαῦξ, σκώψ, λύγξ u.a. und mit lat. strix, -gis ‘Ohreule’ (seit Plaut.) bis auf den Nasal identisch, viell. als Entlehnung. Nach gewöhnlicher Annahme lautmalend zu τρίζω (s. d.) und strĩdeō. Anders Thieme Die Heimat d. idg. Grundsprache 37 (mit Meister) : zu lat. stringō als "die Streichende (Vorbeihuschende)". II-810
-στριξ 2. in ξέστριξ (s.d.)? II-810
στριφνός ‘dicht, fest, hart’ (ion. hell. u. sp.) mit -ότης f. ‘Dichte’, vom Stil (D. H.); auch στρίφνος m. Bez. einer zähen od. harten Speise (σ. ἀμάσητος ἀκατάποτος LXX). — Expressives Wort. das an στιφρός, στέριφος, στρυφνός erinnert und irgendeine Kreuzung darstellen kann; zum Suffix vgl. noch πυκνός, συχνός. Daneben στρίφος, nach Suid. = λίσπος (von ἀστρά-γαλος); τὰ στρίφη Bed. unbekannt (Sammelb. 6264, Privatbrief, röm. Zeit). Ähnliche Bildungen, vielleicht damit verwandt, finden sich im Germ., z.B. mnd. nnd. strif, stref ‘steif, straff, fest’, mhd. nhd. streben; s. Bq, WP. 2, 633, Pol-. 1026 m. weit. Lit.; dazu noch Fraenkel Gnomon 22, 238. Vgl. στῖφος. II-810
στρογγύλος ‘rund, kugelförmig, gedrungen, kompakt’ (ion. att.). Kompp., z.B. στρογγυλο-πρόσωπος ‘mit rundem Gesicht’ (Arist., Pap.), ὑπο-στρόγγυλος ‘etw. gerundet’ (Thphr. u.a.). Davon 1. στρογγυλ-ότης f. ‘Rundheit’ (Pl., Arist.). 2. -ιον n. ‘runde Flasche’ (Pap. VIp). 3. -λω ‘(ab)runden’ mit -μα n. (sp.). 4. -ίζω ‘ds.’ (D. H.) mit -ισμα n. ‘gedrängter Ausdruck’ (Anon. Fig.). 5. -όομαι ‘rund sein od. werden’ (Plu. u.a.) mit -ωσις f. (Hp., LXX u.a.), -ωμα n. (Al.). 6. -αίνω ‘runden’ (Hippiatr.). 7. -εύματα H. s. γογγυλεύματα (: *-εύω) H. — Bildung wie γογγ-ύλος, καμπ-ύλος, ἀγκ-ύλος u.a. Eig. *‘zusammengezogen, zusammengeballt, gedrungen’, zu στράγξ u. Verw. (s. d.). Dabei kann στρογγύλος entweder eine alte hochstufige ο-Abtönung enthalten wie nhd. Strang u.a. oder sein -ο- sekundär von γογγύλος bezogen haben (Güntert Reimwortbild. 146 f.). Gegen die letztere Annahme spricht indessen die weitere Verbreitung von στρογγύλος. Anders J. Schmidt KZ 32, 381: α > ο wegen des folg. υ. II-810-811
στροῖβος, στρόμβος s. στρεβλός. II-811
στροῦθος, στρουθός m. f. ‘Sperling, kleiner Vogel überhaupt’ (seit Β311 u.a.), auch ‘Strauß’ (= σ. κατάγαιος, σ. ἡ μεγάλη usw.; ion. att.); N. eines Plattfisches (Ael.; Strömberg Fischn. 117); στροῦς· ὁ στρουθὸς καὶ ὄσπριον H. Als Vorderglied u.a. in στρουθο-κάμηλος m. ‘Strauß’ (D.S., Str. u.a.; Risch IF 59, 57 u. 268). Davon 1. die Demin. στρουθ-ίον, -ίς, -άριον (Arist., hell. u. sp.). 2. -ίας m. ‘Wüstling’ (Kom. Adesp.). 3. -ίων m. = -ός (sp.; Chantraine Form 165). 4. -ειος ‘zum Strauß gehörig’ (Pap.), -(ε)ιον (μῆλον) ‘Art Quitte’ (Thphr., Nik. u.a.), auch N. einer Pflanze ‘Saponaria, Seifenwurz’ (Hp., Thphr. usw.; ebenso στρουθός, ~ -κάμηλος; zum Ben.-motiv Strömberg Pflanzenn. 37). 5. -ινος ‘aus Seifenwurz’ (Ath.). 6. -ώδης ‘straußähnlich’ (Sch.). 7. -ωτός ‘mit σ. bemalt, dekoriert’ (Sophr.). 8. -ίζω ‘zwitschern’ (Kom. u.a.), auch ‘mit Seifenwurz reinigen’ mit -ισμός m. (Pap.). 9. -ιασμός m. ‘petigo, Schorf’ (Gloss.). — Hierher noch Τροῦθος PN (Bechtel ’Αντίδωρον 151 f. ) ? Ohne sichere Anknüpfung. Eine gewisse Ähnlichkeit zeigen die untereinander wechselnden Namen der Drossel: lit. strãzdas, russ. drozd, germ., z.B. mhd. drostel, awno. þrǫstr, ahd. drosca, lat. turdus, kelt. z.B. nir. truid ‘Star’ usw. Auch bei Ansetzung von urgr. *στρουσ-θος (vgl. ὄρνῖ-θ-?) kommt man indessen mit στρουθός nicht ins reine. Auch τρύζω liegt ziemlich fern. — Ausführliche Diskussion m. Lit. bei WP. 1, 761 f. (Pok. 1096), dazu noch W.-Hofmann, Fraenkel und Vasmer s. vv.; neue morphologische Analyse bei Specht Ursprung 49. II-811
στροφάλιγξ, στρόφιγξ s. στρέφω. II-811
στρυφνός ‘herb, vom Geschmack, sauer, zusammenziehend, streng’ (Pl., Ar., Arist. usw.) mit -ότης f. ‘Herbheit, Strenge’ (Arist., Plu. u.a.), -όω ‘zusammenziehen’ (Plu. [v. l.], Eust.). — Expressives Adj., das sich in Form und Bed. mit στύφω (s. d.) berührt; anl. στρ- wie in στριφνός, στρηνής, στράγξ. Außer. griechische Anknüpfung ist indessen nicht ausgeschlossen: germ., z.B. asächs. strūf ‘gesträubt, starrend, rauh’. ahd. strūbēn ‘starren, strauben’; auch slav., z.B. aksl. strъpъtъ ‘Rauheit, Härte’, russ. strúp ‘Schorf, Grind, Kruste einer Wunde’ u.a. m.; alles unsicher; s., außer Bq, WP. 2. 635, Pok. 1027, Vasmer s. v., auch Fraenkel s. strùbas; überall m. weiterer Lit. II-811-812
στρύχνον (-ος m.), auch τρύχνον n. (Nik. Th. v. l.), -ος f. (Theok., Kom. Adesp., Phot., EM). n. N. verschied. Pflanzen, z.B. ‘Nachtschatten, Withania somnifera’ (Thphr., Dsk. u.a.) — Nicht sicher erklärt. Hypothese von H. Petersson Et. Miszellen 18ff.: aus *στρύκσνος (vgl. λύχνος), idg. *strug-s-no- zu mhd. strūch, nhd. Strauch, urg. *strūka-, wozu noch lit. strùgė ‘Zwenke, Brachypodium’ (von Fraenkel s. strùgas mit Būga abgelehnt). II-812
στρώννυμι s. στόρνυμι. II-812
στυγέω (seit Il.), Aor. στυγεῖν (Hom., Kall., Nik. u.a.), στύξαι (λ 502 [Kaus.], A. R., Opp., AP), στυγ-ῆσαι, Pass. -ηθῆναι, Fut. -ήσομαι (Trag.), Perf. ἐστύγ-ηκα (Hdt. u.a.), -ημαι (Lyk.), -μαι (H.), ‘hassen, verabscheuen, sich scheuen’ (ep. poet., Hdt. u. sp. Prosa). auch m. ἀπο-, κατα-, — Das Herauswachsen der obigen Formen läßt sich nicht mit Sicherheit rekonstruieren. Alt ist jedenfalls das primäre suffixlose Στύξ; ob dem Präs. στυγέω oder dem Aor. ἔστυγον die Priorität zukommt, bleibt unentschieden, da letzteres ebensowie στύξαι metrisch bedingt sein kann; vgl. ἔκτυπον s. κτύπος (auch Schwyzer 721 und Chantraine Gramm. hom. 1, 347). Von στυγέω zunächst στυγη-τός, -μα, wohl auch als Rückbildung στύγος (vgl. μισέω : μῖσος). Die Adj. lassen sich auf mehrfache Weise erklären. — Ohne sichere Etymologie. Da hinter dem Begriff ‘hassen’ sich eine konkrete Vorstellung verstecken muß und für στύξ die Bed. ‘Eiseskälte, eiskaltes Wasser’ tatsächlich belegt ist (wovon στυγέω eig. ‘schaudern’ ?) liegt es nahe, bei einem synonymen slav. Wort Anschluß zu suchen: russ. stýgnutь, stúgnutь ‘abkühlen, kalt werden, frieren’, Stugna Nebenfluß d. Dniepr. Weit gewöhnlicher sind indessen Formen mit -d-, z.B. russ. stúda ‘Kälte’, studítь ‘abkühlen’, aksl. studъ auch = αἰσχύνη; ein slavischer Wandel -dn- zu -gn- ist vielleicht nicht auszuschließen (s. Lit. bei Vasmer s. stýgnutь). Anknüpfung an ein Verb für ‘stoßen usw.’, z.B. aind. tujáti, germ., z.B. nnd. stūken, ist semantisch schwieriger zu begründen. Weitere Hypothesen (zu στύω u.a.) bei Bq, WP. 2, 616f. u. 620, Pok. 1033 u. 1035, Vasmer s.vv., auch Fraenkel s. 1. stúgti; überall m. Lit. — Neuer Vorschlag bei v. Windekens Orbis 13, 224 f.: zu toch. B ścono, śconiye ‘Haß’ aus steu-n-. Davon στυγ-ητός ‘verhaßt, abscheulich’ (A. Pr., sp. Prosa), -ημα n. ‘Gegenstand des Hasses, Abscheus’ (E. u.a.), ἀπο- ~ ησις f. ‘Abscheu’ (Sch.). — Daneben die Adj. 1. στυγ-ερός ‘verhaßt, haßerfüllt, abscheulich’ (ep. poet. seit Il.). 2. -νός ‘ds.’, auch ‘grausig, traurig usw.’ (Archil., Hp., Trag. usw.) mit -νότης f. (hell. u. sp.), -νία f. (Sch.), -νόομαι (auch m. κατα-) ‘düster sein’ (AP, H.), -νωσον· χώρισον H., -νάζω (auch m. δια-, κατα-, συν-) ‘trübe sein, werden’ (NT u.a.) mit -νασις f. (sp.). 3. -ιος ‘verhaßt, abscheulich’ (E., Plu.; vgl. zu Στύξ unten). Subst. 1. στύγος n. ‘Haß, Gegenstand des Hasses’ (A. u.a.). 2. Στύξ, -γός f. Fluß der Unterwelt (Hom. usw.) mit Adj. Στύγιος (Trag. u.a.), N. eines arkadischen Bergbaches mit eiskaltem Wasser (Hdt., Str., Paus.), auch appellat. ‘Hass, Abscheu’ (Alkiphr.), pl. ‘Eiseskälte’ (Thphr.); auch = σκώψ (Ant. Lib. u.a.). Kompp. στυγ-άνωρ ‘mannhassend’ (A. Pr.), ψευσί-στυξ ‘lügenhassend’ (AP). II-812-813
στῦλος m. ‘Säule, Pfeiler, Stütze’ (dor. ion., Trag., hell. u. sp.), auch = lat. stilus (sp.; vgl. Sempoux Rev. belge de phil. 39, 736ff.). Kompp., z.B. στυλο-βάτης, dor. -τᾱς m. ‘Fuß der dor. Säule’, Zusammenbildung von στῦλος und βῆ-ναι mit τᾱ-Suffix (dor. Inschr., Pl. Kom. u.a.; Fraenkel Nom. ag. 1, 34 u. 200f.), τετρά-στυλος ‘aus vier Säulen bestehend’, -ον n. ‘Kolonnade von vier Säulen’ (Inschr. u. Pap. d. Kaiserz. u.a.). Davon 1. Demin.: στυλ-ίς f. (att. Inschr. u.a.), -ίσκος m. (Hp., hell. u. sp.), -ίδιον n. (Str.), -άριον n. (Pap. IIIp). 2. -ίτης m. ‘auf einer Säule stehend, Stylit’ (Suid.; Redard 27), f. -ίτισσα (Amasia; nach Φοίνισσα, βασίλισσα u.a.). 3. Denom. Verba: -όω (auch ὑπο-, δια-, ἀπο-) ‘mit Säulen stützen’ (hell. u. sp.) mit (ὑπο-)στύλ-ωμα, -ωσις (hell. u. sp.); -ίζω Bed. unsicher (Ostr.) mit ὑποστυλ-ισμός ‘das Aufstützen’ (Pap. IIp). — Neben στῦ-λος steht im Indoiran. aw. stū̆-na- m., stu-nā f., aind. sthū-ṇā f. (zu ṇ Mayrhofer Mél. d’indianisme [Paris 1968] 509 f.) ‘Säule’ mit suffixalem l-n-Wechsel (Benveniste Origines 43); das zugrunde liegende Verb wird im Griech. durch στύω (s. d.) vertreten. Hierher noch mit anderem Ablaut σταυρός und στοά (s. dd.). Vgl. noch στύπος. II-813
στύπος n. ‘Stock, Stiel, Stengel’ (A. R., Nik., Plb.); vgl. H.: στύπος· στέλεχος, κορμός. καὶ τοῦ ὀφθαλμοῦ τὸ σῶμα, καὶ τὸ κύτος (cod. κῆτος). καὶ ὁ ψόφος τῆς βροντῆς. Auch στυπογλύφος· ξυλογλύφος. στύπος γὰρ ὁ στέλεχος ἤγουν τὸ πρέμνον. Dazu στυπάζει· βροντᾷ, ψοφεῖ, ὠθεῖ H., ἀποστυπάζω ‘mit einem Stock wegjagen’ (Archil.). — Lautlich und begrifflich damit vergleichbar sind einige germ. und balt. Wörter: awno. stūfr m. ‘Stumpf, Baumstumpf’, mnd. stūve m. ‘Stumpf, Zeugrest’, lett. stups ‘abgenutzter Besen’ u.a. (Fick 1,145; 3, 496f.); auch russ. stópka ‘Holznagel an der Wand’ (Vasmer s.v.)? In Betracht kommt noch toch. A ṣtop, ṣtow ‘Stock’ (wegen ο für u aus B entlehnt?; v. Windekens Orbis 11, 194 u. 13, 226). Weitere Anknüpfung unsicher, aber eher zur Sippe von τύπτω ("das abgeschlagene, abgehauene") als zu στύω u. Verw. — Die Nebenform στύμος· στέλεχος, κορμός H. hat sekundäres μ (nach κορμός?; laut Specht KZ 68, 126 alter Wechsel π ~ μ). II-813-814
στυππεῖον (-ίον, στιππυον) n. Kompp., z.B. στυππειο-πώλης m. ‘Werghändler’ (Ar., Kritias, Inschr.). ‘Werg, grobes Gewebe aus Flachs od. Hanf’ (Hdt., X., D., hell. u. sp.), Davon στυππ-έϊνος (-ινος, στιπ(π)ύϊνος) ‘von Werg’ (Kom. Adesp., hell. u. sp.). — Selten στύππ-η f. ‘Werg, grober Flachs’ (J. ap. Suid. s. v.), -αξ m. scherzhafte Kurzform für στυππειο-πώλης (Ar. Fr. 696); auch στύπος = στύππη (κάλοι ἀπὸ στύπου Gal.). — Das seltene στύππη, das aus einer dorischen Kolonie Unteritaliens ins Latein eindrang (stuppa, stūpa; s. W.-Hofmann s. v.), wurde im Griechischen von der Ableitung στυππεῖον ersetzt (nach den Nom. instr. und anderen Kenkreta auf -εῖον); daneben στίππυον (-ύον?; Akz. unsicher) nach θρύον, γήθυον u. a. mit gleichzeitiger Dissim. στυππ- > στιππ-. — Keine sichere außergriech. Entsprechung. Seit alters (Curtius 216 u.a.) mit aind. stū́pa-, stupá- m. ‘Schopf’ verglichen unter weiterer Heranziehung von στύφω; s. d. II-814
στύραξ 1., -ᾰκος m. ‘das untere Ende des Lanzenschaftes, Lanzenschaft’ (X., Pl. u.a.) mit dem Demin. στυράκ-ιον n. (Th., Aen. Tact.); -ίζειν· κεντρίζειν H., EM. — Bildung wie χάραξ, κάμαξ u.a., nach gewöhnlicher Annahme (z.B. Persson Beitr. 2, 714, WP. 2, 608) zu σταυρός mit kurzvokalischer Schwundstufe; vgl. στῦλος, στύω. — Wohl eher mit dem Baumnamen identisch; s. 2. στύραξ. II-814
στύραξ 2., -ᾰκος m. f. Bez. eines Gummiharzes und des entsprechenden Strauches oder Baumes ‘Styrax officinalis’ (Hdt., Arist., Thphr., Str. u.a.). Davon στυράκ-ιον n. Demin. (Pap.), -ινος ‘vom Styraxbaum od. von Styrax’ (LXX, Str., Dsk. u.a.), -ίζω ‘wie Styrax riechen od. schmecken’ (Dsk.). — Zur Bildung vgl. ὄμφαξ, δόναξ, ἄνθραξ u.a. — Nach Hdt. 3, 107 von den Phöniziern in Griechenland eingeführt, was für semitische Herkunft spricht. Lagarde und Lewy Fremdw. 41 f. vergleichen hebr. ṣŏrī ‘das Harz des Mastixbaumes und der Terebinthe’; Bedenken bei Schrader-Nehring Reallex. 2, 501. — Mit dem Baumnamen ist wahrscheinlich 1. στύραξ identisch; zu bemerken, außer μελίη ‘Esche’ und ‘Lanze(nschaft)’, bes. die στυράκινα ἀκοντίσματα bei Str. 12, 7, 3. —Lat. LW styrax, storax, woraus ags. stor, ahd. storr ‘ds.’ (W.-Hofmann s. v. m. Lit.). II-814-815
στυφελίζω, Aor. -λίξαι, ‘hart schlagen, schmettern, stoßen, wegstoßen, mißhandeln’ (ep. lyr. seit Il.) auch m. ἀπο-, ἀνα-, μετα-, περι-, mit στυφελιγμοί (v. l. -σμοί) m. pl. ‘Mißhandlung’ (A. Eq. 537 [anap.]). — Daneben στυφελός ‘hart, rauh, steinig, streng’ (A. in lyr., A. R., Opp., AP; auch arkad. kyren. nach Sch. A. R. 2, 1005; vgl. Leumann Hom. Wörter 269 f.), sekund. ‘zusammenziehend, bitter’ (AP; nach στύφω); κατα- ~ ‘rauh, steinig’ (h. Merc., Hes.), ἀ- ~ ‘nicht hart, freundlich, glatt’ (Thgn., AP); erweitert στυφελώδης ‘hart’ (Q.S.); auch στύφλος (zum Akz. unten) ‘rauh, steinig’ (Trag., Lyk.; κατά- ~ H.), -άριος (Hyettos IIIp; PN?). Beim ersten Anblick scheint das ep. στυφελίζω eine Ableitung des später belegten στυφελός zu sein. Von der Chronologie der Belege abgesehen, wird dabei die Bedeutung des Verbs (eig. *’hart, streng sein od. machen’?) schwerverständlich. Für στυφελίζω kommt ἐλελίζω als Vorbild in Betracht (Schmoll Die Verba auf -ίζω [Diss. Tübingen 1955] 182), danach στυφελός für στύφλος (Leumann a. O.) ? Die Barytonese bei στύφλος fällt auf (vgl. immerhin φαῦλος, μάχλος, κτίλος u.a.), verdient aber schon als lectio difficilior der schlechter bezeugten Oxytonese vorgezogen zu werden. — Nicht sicher erklärt. Die trotz der abweichenden Vokalquantität (vgl. τύ̄φω : τῠφλός) naheliegende Anknüpfung an στύφω ist für στύφλος, στυφελός nicht schwer zu begründen (’zusammenziehend, -gezogen, gedrungen’ > ‘fest, hart usw.’; z.B. Persson Stud. 193), leuchtet aber für στυφελίζω nicht unmittelbar ein. Letzteres somit vielmehr zu τύπτω (Curtius 227 usw.)? — Ausführlich über στυφελίζω Ruijgh L’élém. ach. 84 ff. II-815
στύφω, Aor. στῦψαι (ἀναστῦψαι S. Fr. 421), Pass. στυφθῆναι, Perf. Med. ἔστυμμαι, ‘zusammenziehen, adstringierend wirken, bes. vom Geschmack, verdichten, verstopfen, mit einem Beizmittel behandeln’ (Hp., Arist., hell. u. sp.). auch m. ἀπο-, ἐπι-, συν-, ὑπο- u.a., Davon 1. στῦψις (ἐπί-, ὑπό-) f. ‘das Zusammenziehen, das Verdichten, das Beizen’ (Hp., Arist., Thphr. usw.). 2. στῦμμα (στύμμα?) n. ‘zusammenziehendes Mittel’ (Mediz.). 3. στυπτηρία, ion. -ίη, myk. tu-ru-pte-ri-ja? (sc. γῆ) f. Bez. zusammenziehender Mineralien. ‘Alaun (-stein, -schiefer), Vitriol’ (Hdt., Hp., Arist. usw.), auch ‘Alaunmonopol’ (Pap.), mit -ήριος ‘mit Alaun behandelt’ (PHolm.). -ηριώδης ‘alaunhaft’ (Hp., Arist. u.a.), -ηριακὸν δέρμα = aluta, -ηρίζουσα = aqua qua alumen lavatur (Gloss.); auch -ηρά ‘ds.’ (PHolm.), wohl nach den Adj. auf -ηρός, z.B. ταριχηρός (s. Mayser Pap. 1 : 3, 96); vgl. Scheller Oxytonierung 119. 4. στυπτικός ‘zusammenziehend’ (Dickl. Fr. Hp., Thphr. u.a.). 5. στυφός ‘ds.’ (Vett. Val., Gp.). mit -ότης f. ‘Dichte’ (Plu.), -ώδης ‘zusammenziehend, bitter’ (Cat. Cod. Astr.). 6. Wohl auch στύφλος (s. d. s. στυφελίζω) und στυμνός ( : στύμμα; vgl. ἐρυμνός) Beiwort der στυπτηρία (PHolm.) = σκληρός, αὐστηρός (Hdn. Gr., H.). — Ohne befriedigende Erklärung. Die formale Ahnlichkeit mit στύω (s. d.) springt in die Augen (vgl. θύω : τύ-φω). Auch eine semantische Verbindung läßt sich leidlich herstellen (’steif, fest sein, sich verdichten, zusammenziehen’), ohne die rechte Anschaulichkeit zu gewinnen. Dasselbe gilt für die Zusammenstellung mit στύππη, στύππεῖον (s. d.). Vgl. auch στρυφνός. — Weitere, z.T. abweichende Kombinationen bei WP. 2, 620 und Pok. 1035. II-815-816
στύω, -ομαι, Aor. στῦσαι, Pass. στυθῆναι, Perf. ἔστῡκα ‘penem erigere, in Erektion sein’ (Ar., Diog. Ep., Luk., AP). Davon στῦμα n. ‘Erektion’ (Pl. Kom.), στυτικός ‘Erektion verursachend’ (Phylarch.; v.l. στυπτ-). Dagegen στύμος wohl sekundär für στύπος (s. d.). — Obszönes Wort und als solches von der Literatursprache im ganzen verpönt. Das Verb heißt ursprünglich ‘steifen, steif sein, emporrichten’ im allg. und hat in dieser Bed. einen Ableger in στῦλος (s. d.); daneben das tiefstuflge σταυρός und das hochstufige στοά (s. dd.). Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 607f., Pok. 1008f. —Vgl. στύφω; s. auch zu στύραξ. II-816
στωμύλος ‘redselig, gesprächig, geschwätzig’ (Ar., Demetr., Theok., Luk. u.a.). — Seit alters selbstverständlich mit στόμα verbunden (mit n : u-l-Wechsel?), obwohl durch die Vokallänge davon abweichend. Verlockend ist die ebenfalls alte (Fick 1, 146) Gleichsetzung mit aind. stāmú- (ἅπ. λεγ. RV 7, 20, 9), dessen Bed. unbekannt ist, das aber wie das damit korrespondierende stóma- (’Lobgesang’) wahrscheinlich irgendeinen Laut bezeichnet. Davon στωμυλ-ία, ion. -ίη f. ‘Redseligkeit’ (Stesimbr., Ar., Plb., AP u.a.), -ήθρα f. ‘ds.’ auch personifiziert als Beiwort zu δαιταλεῖς (Kom. Adesp., Numen. ap. Eus., Phryn.; nach den Nom. loci auf -ήθρα; vgl. noch ῥωπο-περ-περ-ήθρα), Adj. -ηθρος (Aristaenet.). Denom. Verba 1. στωμ-ύλ-λομαι, selten -ύλλω, auch m. κατα-, ‘gesprächig sein, schwatzen, plaudern’ (Ar.) mit -ύλματα n. pl. ‘Schwätzereien’, auch perso- nifiziert (Ar.; Schwyzer 523 A. 6); 2. -υλεύομαι ‘ds.’ (Alkiphr.. Phot.). Scherzhaftes Komp. στωμυλιο-συλλεκτάδης m. ‘Geschwätzsammler’ (Ar. Ra. 841; Fraenkel Nom. ag. 2, 20). II-816-817
σύ (seit Il.), dor. (auch äol. Gramm.) τύ, hom. auch τύνη, lak. τούνη. Obl. Kasus: Akk. σέ, dor. (auch äol. Gramm.) τέ, dor. auch τύ, kret. τϝέ. Dat. σοί, enkl. τοι (seit Il., att. = ‘fürwahr’), dor. τοί, auch τίν, hom. τεΐν. Gen. hom. σεῖο, hom. ion. σέο, σεῦ, att. σοῦ, dor. τέο, τέος, τεῦς usw. Daneben enkl. σε, σοι, σου usw. ‘du’ Dazu durch Adjektivierung das Poss. σός ‘tuus’ (seit Il.), dor. äol. (auch hom.) τεός, böot. τιός. — Altererbtes Pronomen mit entsprechenden od. ähnlichen Formen in mehreren Sprachen: Nom. dor. τύ : lat. tū, germ., z.B. nhd. du, lit. tù usw. aus idg. *tū̆; dafür ion. att. usw. σύ nach σέ, σοί; τύνη wie ἐγώνη (s. ἐγώ). Akk. dor. τέ : alat. tēd (Erklärung strittig) aus idg. *tē̆; att. usw. σέ < τϝέ (= kret.): aind. tvā aus idg. *tu̯ē̆. Gen. (neugebildet) dor. τέο wie ἐμέο (s. ἐμέ): aind. táva aus idg. *teu̯e; hom. usw. σέο nach σοί, σεῖο wie ἐμεῖο (s. ἐμέ); zu dor. τέος, hom. σέθεν usw. vgl. zu ἐμέ. — Poss. τεός < *τεϝός, σός < *τϝός : lat. tovos, tuus, aind. t(u)vá- usw.: idg. *t(e)u̯os. — Weitere Einzelheiten m. reicher Lit. bei Schwyzer 600ff.; auch WP. 1, 745, Pok. 1097f., W.-Hofmann s. tū usw. II-817
σύβακα · συώδη; σύβας· λάγνος, auch Satyrname (Vaseninschr.); συβάλλας· ὁ καταφερὴς πρὸς τὰ ἀφροδίσια; auch ὑβάλλης· καταφερής, λάγνος H. — Zu lat. subō, -āre ‘brünstig sein’, von weiblichen Tieren (seit Lucr.); sonst unklar (vgl. W.-Hofmann s.v.). Pisani Ist. Lomb. 73: 2, 25 f. vermutet mediterrane Herkunft. Die Glossierung συώδη scheint Volksetymologie zu sein. — Ansingend σύ[μ]βρος· κάπρος H. (nach der Brunst?); aber auch συβριακόν· τὸ πολυτελές, συβριάζειν· σοβαρεύεται, τρυφᾷ mit συβριασμός· ὁ ἐν εὐωχίᾳ θόρυβος (wozu noch, mit unklaren Glossierungen, σύβρα und συβροί) H., alles irgendwie mit Σύβαρις zusammenhängend oder davon (und von ὕβρις?) beeinflußt. Zu συβάλλας, ὑβάλλης vgl. noch βαλλίον (s. d.; Thierfelder briefl.). II-817
συβήνη f. ‘Köcher’ (att. Inschr., Ar. Th. 1197, 1215, H.), ‘Flötenfutteral’ (Poll., EM, H.). — Wie σαγήνη u.a. (s.d. m. Lit.) unerklärtes Fremdwort. II-817
συκάμῑνον n. ‘Frucht des Maulbeerfeigenbaums, Maulbeere’, -ῑνος f. (m.) ‘Maulbeer(feigen)baum’ (Arist., Thphr., mittl. Kom. usw.) mit -ῑνινος ‘vom Maulbeer(feigen)baum’ (Sotad. Kom., hell. Pap.; zur Bildung Schulze KZ 43, 189 = Kl. Schr. 308), -ινώδης ‘maulbeerähnlich’ (Thphr.). Auch -ῑνέα f. = -ῑνος (nach συκέα u.a.; Aesop., Dsk. u.a.). -ινεων = moretum (Gloss.). — Sem. LW; vgl. zunächst aram. pl. šiqemīn (hebr. sg. šiqmā) ‘Maulbeerfeigenbäume’, mit Anschluß an σῦκον. Lewy Fremdw. 23 (m. Lit.), Strömberg Pflanzenn. 36, Ross KZ 77, 273; zur Sache Schrader-Nehring Reallex. 2, 50 f. II-817-818
σῦκον (seit η 121), böot. (Stratt.) τῦκον n. ‘Feige’, auch übertr. ‘Feigwarze, Geschwulst, pudenda muliebria’. Oft als Vorderglied, z.B. συκό-μορον n. ‘Frucht des Maulbeer(feigen)baums’ (Str., Dsk. u.a.), -ος f. ‘Maulbeer(feigen)baum, Sykomore’ (Cels.), -έα f. ‘ds.’ (Ev. Luk. u.a.); vgl. συκάμινον und μόρον. Viele Ableitungen. A. Subst. 1. Demin. συκ-ίδιον, -άριον n. (Kom.). 2. -ίς, -άς f. ‘Schnittling vom Feigenbaum’ (Ar., Poll.). 3. -έα, dor. äol. auch -ία, ion. att. -έη, -ῆ, myk. su-za? f. ‘Feigenbaum’ (seit Od.). 4. -ίον n. ‘Feigentrank’ (Hp.). 5. -(ε)ών, -(ε)ῶνος m. ‘Feigenpflanzung’ (LXX, Pap.). 6. -ίτης m. (οἶνος) ‘vom Feigenbaum, Feigenwein’ (Dsk.), spartan. Bein. des Dionysos (Sosib.); Redard 100 u. 212; -ῖτις f. N. eines Edelsteins, nach der Farbe (Plin.). 7. -αλ(λ)ίς, -ίδος f. ‘Feigendrossel’, lat. fīcēdula (Epich., Arist. usw.; Niedermann Glotta 19, 9f.). B. Adj. 1. -ινος ‘vom Feigenbaum’, übertr. ‘unnütz’ (ion. att.). 2. -ώδης ‘feigenähnlich, voll Feig- warzen’ (Arist., Mediz.). 3. -άσιος Bein. des Zeus = καθάρσιος, weil die Feigen als Reinigungsmittel gebraucht wurden (Eust., H.). C. Verba. 1. -άζω, auch m. ἀπο-, ‘Feigen ernten’ (att.), auch ‘(F.) untersuchen, συκοφαντέω’ (Aristaenet., H.) mit -αστής, -άστρια = συκο-φάντης, -φάντρια (EM, H.). 2. -ίζομαι ‘mit Feigen gefüttert werden’ (AP). 3. -όομαι ‘ds.’ (AP). wovon -ωτός ‘mit Feigen gefüttert’ (Aët.), ἧπαρ ~ ‘mit Feigen gemästete Leber’, lat. fĩcātum (Gal., Orib.), -ωσις f., -ωμα n. ‘Feigwarzenbildung’, -ωτικός ‘auf Feigwarzen be- züglich’ (Mediz.). — Wie lat. fīcus und arm. t‘uz ‘Feige’ LW aus unbekannter, mediterraner od. kleinasiatischer, Quelle. Lit. bei W.-Hofmann s.v. Pelasgische Erklärung (zu idg. tēu- ‘schwellen’) bei Carnoy REGr. 69, 285. II-818
συκοφάντης — Daneben συκοφάσεις pl. = συκοφαντίαι (AP; nach ἀποφάσεις u.a.). m. ‘falscher Ankläger, Denunziant’, später auch ‘Ränkeschmied, Schmarotzer’ mit συκοφαντ-έω ‘als Denunziant auftreten, falsch anklagen, Erpressung üben’, -ία f. ‘falsche Anklage’, -ίας m. (ἄνεμος) "Anklagewind" (scherzhafte Bildung; Ar.), -ημα n. = -ία, -ικός und -ώδης ‘verleumderisch’ (att. usw.). Fem. συκοφάντρια (Ar.; Fraenkel Nom. ag. 2, 25). — Ausdruck der Volkssprache, eig. "Feigenanzeiger", schon in der Antike verschieden erklärt. Nach einer Auffassung (Plu. Sol. 24) eig. von einem, welcher Leute, die gegen das Verbot aus Attika Feigen ausführten, aufspürte und angab. Nach Cook ClassRev. 1907, 133 ff. (zustimmend Kretschmer Glotta 1, 386 m. Lit.) bezieht sich der Ausdruck auf eine apotropäische Geste wie ital. far le fiche, frz. faire la figue à qn. Für die wörtliche Interpretation Gernet Mél. Boisacq 1, 393. II-818-819
συκχίς (-γχ-), ίδος (AP, Suid.), -άς, -άδος f. (Poll., H.) ‘Art Schuh’; auch σύκχοι· ὑποδήματα Φρύγια H. — Orient. LW; vgl. aw. haxa- n. ‘Fußsohle’. Knobloch Sprache 4, 198 ff. vermutet kaukas. Ursprung. Aus dem Griech. lat. soccus; s. W.-Hofmann m. weiterer Lit. u. vielen Einzelheiten. II-819
συλάω (el. Opt. συλαίη), Aor. συλῆσαι usw., auch m. ἀπο- u.a. (seit Il.), ep. Präs. auch -εύω (vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 368; nicht von συλεύς; s.u.), -έω (delph., Theok. u.a.; auch Pi.? s. Forssman Unt. 157f.) ‘(die Rüstung) ausziehen, wegnehmen, rauben, plündern, sich bemächtigen’. Davon συλ-ήτωρ m. ‘Plünderer’ (A., Nonn.), f. -ήτειρα (E. in lyr.; Fraenkel Nom. ag. 2, 22f.), -ησις f. ‘Plünderung’ (S., Pl. u.a.), -ητικός ‘auf Plünderung bezüglich’ (hell. Inschr.), -ητής (Gloss.). Zusammenbildungen: θεο-σύλης m. = θεῶν συλήτωρ (Alk. u.a.; Peek Phil. 100, 23), ἱερό-συλος m. ‘Tempelräuber’ mit -έω, -ία (att.). — Daneben σῦλα n., σῦλαι f. pl., selten -ον, -η sg., ‘aufgebrachte Schiffsladung, Beute’ (Samos VIa, Lokr. Va, Str.), att. ‘Beschlagsrecht auf ein Schiff od. seine Ladung, Pfändungsrecht’ (D., Arist.). Kompp. συλ-αγωγέω ‘als Beute wegführen’ (Ep. Kol. u.a.), ἄ-συλος ‘der nicht beschlagnahmt werden darf, unverletzlich, sicher’, τὸ ἄ. ‘gehegtes Gebiet, Freistätte’, mit ἀσυλ-ία f. ‘Sicherheit gegen Beschlagnahme, Unverletzbarkeit’ u.a. (Parm., A., E., Pl., Inschr. usw.). Von σῦλα od. συλάω (-έω, -εύω) συλεύς m. ‘Plünderer’ (GDI 2516, Delph. IIIa; vgl. z. St.), auch als mythischer PN (Bosshardt 123). Zu Συλο- und -συλος in EN noch Masson Beitr. z. Namenforsch. 16, 166 ff. Über die strittigen myk. su-ra-se, su-ra-te s. Morpurgo Lex. s. vv. m. Lit. — Gegen die nächstliegende und kaum abzuweisende Annahme, daß συλάω von σῦλα, σῦλαι abgeleitet ist, spricht einigermaßen das spätere und seltenere Vorkommen der Nomina. Jedenfalls muß die att. Bed. ‘Beschlagsrecht’ sekundär sein und kann von ἄ-συλος nicht getrennt werden. Ob ἄσυλος von συλάω (neben ἀ-σύλητος [E. u.a.] wie ἄτιμος : ἀτίμητος) = ‘der nicht weggenommen od. geraubt werden darf’, d.h. ‘unverletzlich’, wozu σῦλα, -αι ‘Beschlagsrecht’? — Ohne sichere Etymologie. Die Ähnlichkeit zwischen σῦλα, -άω und σκῦλα ist längst beobachtet worden (Curtius 169, Buttmann Lexil. 2, 264) und hat verschiedene Erklärungsversuche hervorgerufen: Wechsel σκ- : ξ- : σ- (Schwyzer 329, Sánchez Ruipérez Emer. 15, 67 f.); σκῦλον sekundär nach σκῦτος (Pisani Sprache 5, 143 ff.). Nach Pisani stammt σῦλα mit lat. spolia aus dem Lydischen; vgl. Σάρδεις : apers. Sparda-, auch arm. sunk : σπόγγος. Auf ἐσσύλλα ἀφῄρει κτλ. II. (von P. mit früheren herangezogen) ist wenig Verlaß (alphabet. unrichtig); ὑλᾶται· ἐστερήθη, ἀπέθανεν H. (von Kretschmer KZ 31, 422 damit verglichen), ist, wenn überhaupt richtig überliefert, mit P. fernzuhalten. II-819-820
συναγρίς (Epich. 69, Arist., H.), συαγρίς (Epich. 28), -ίδος f. ‘Zahnfisch’. Vgl. συνοδοντίς als Fischname (Strömberg 45) und κρεαγρίς, παναγρίς, Rektionskompp. zu ἀγρεύω, ἄγρα; die v. l. συαγρίς nach σύαγρος (s. zu σῦς). Ngr. συνακρίδα; dazu noch Thumb ClassQuart. 8, 193. συνεοχμός ‘Verbindung, Fuge’ nur ἐν συνεοχμῷ (Ξ 465, Versende). — Für *συνοχμός aus metrischen Rücksichten nach Wortpaaren wie ἔοικα : οἶκα, ἑορτή : ὁρτή. Frisk Erancs 38, 41 f. (= Kl. Schr. 329 f.) m. Lit. und Kritik früherer Ansichten. συνέσται m. pl. Bez. der Mitglieder einer Genossenschaft, wahrscheinl. Teilnehmer einer Tischgesellschaft (IG IX: 12, 434; Akarnanien IIa). — Ohne Zweifel von συν-εσθίω ‘Tischgemeinschaft haben’ (vgl. σύσ-σιτοι, παρά-σιτοι); s. Chantraine Rev. de phil. 86, 177 ff. (m. Lit.), wo diese Deutung anderen Vorschlägen (σύν-ειμι ‘zusammensein’, συν-έζομαι) mit Recht vorgezogen wird. II-820
συνοκωχότε Perf. Ptz. du. ‘zusammengewachsen, zusammengebogen’ (Β 218); danach συνοχωκότος (Gen. sg.) ‘zusammengefallen’ (Q. S. 7, 502). — Zu συνέχω, aber Erklärung sonst strittig. Nach Brugmann (z.B. IF 13, 280) reduplizierte Bildung wie συν-οκωχή, ἀνοκωχή (s. d.) u.a. Da aber die Lesung συνοχωκότε weit besser beglaubigt ist, setzt Wackernagel Gött. Nachr. 1902, 738f. (Kl. Schr. 1, 128f.) ein denominatives *συνοχόω (von σύνοχος) an, was jedoch nicht ohne Bedenken ist; vgl. Schwyzer 766 A. 6 (m. Lit.), wo συνοχωκότε vermutungsweise als Erweiterung von *συνοχότε (zu *[σ]ε[σ]οχα) erklärt wird. Die Form ist eher als eine künstliche Bildung zu συνέχω zu verstehen, die einerseits durch rhythmische Entsprechungen (κεκορηότε, κεκοτηότι, βεβαρηότα u.a.), anderseits durch reduplizierte Formen wie ὄρωρα und durch κ-Perfekta wie μέμβλωκα begünstigt werden konnte. Ein naturwüchsiges Wort war συνοχωκότε gewiß nicht. Für intensive Bed. tritt ein Hartmann Festschr. Snell 250. — Vgl. noch Chantraine Gramm. hom. 1, 424 m. A. 3. II-820-821
Συράκουσαι (Th. u.a.), ion. Συρήκουσαι (Hdt.), dor. Συράκοσ-(σ)αι (Pi.) f. pl.; auch Συράκο(υ)σα f. sg. (D. S.) Stadt auf Sizilien. Davon das Adj. Συρακόσιος, ion. -η-; auch Συρακοσ-σεύς (St. Byz.), f. -κοσσίς (γλῶσσα, Nonn.); zur Schreibung Schwyzer 525 m. A. 7. — Von Συρακώ f. N. eines Sumpfs in der Nähe der Stadt (auch von der Stadt selbst bei Epich. 185) mit ντ-Suffix (wie in Τάρας, -αντος u.a.), s. Kretschmer Glotta 14, 98f., v. Blumenthal Glotta 17, 154. Vermutung zur Etymologie von Kretschmer ebd. : aus dem Illyrischen od. einer anderen idg. Sprache des alten Siziliens mit āko- Suffix zu aksl. syrъ, russ. syrój ‘feucht, roh’, lit. súras ‘salzig’, anord. sūrr ‘sauer’ u.a. (WP. 2, 513, Pok. 1039). Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Beitr. z. Namenforsch. 5, 223. II-821
σύργαστρος Bed. unklar (Alkiphr.; v.l. Dat. sg. -ορι), poet. Ben. der Schlange (AP 15, 26 = Dosiad. Ara), somit hier als τὴν γαστέρα σύρων ‘den Bauch schleppend’ verstanden. Von EM, Phot. und von H. (wo συργάστωρ) als ‘Schweinehirt’ erklärt, wozu bei EM u. Phot. noch = ἐργάτης; von H. als ὄνομα βαρβαρικόν bezeichnet. — Radermacher Festschr. Kretschmer 160 ff. erinnert an Ζεὺς Συργάστης in Bithynien und sucht den Ursprung in einem fremden Sklavennamen, der als Appellativum umgedeutet wäre. II-821
σῦριγξ, -ιγγος f. ‘Rohrpfeife, Flöte, Syrinx’ (seit Il.); auch von rohrähnlichen Gegenständen, z.B. ‘Luftröhre, Blutader, Fistel’ (Mediz. u.a.), ‘Speerbehälter’ (T387), ‘Radbüchse’ (Trag. u.a.), ‘unterirdischer Gang’ (Plb. u.a.). — Bildung wie σάλπιγξ, φόρμιγξ (Chantraine Form. 398), was mediterranen oder orientalischen Ursprung nahelegt. Idg. Etymologie von Solmsen Wortforsch. 129 ff.: Ableitung auf -ιγγ- von einem Nomen *σῡ-ρος, bzw. -ρον, -ρᾱ mit Verwandten in σωλήν (s. d.) und σαυρωτήρ (s. σαύρα), wozu noch aind. tūṇa- m. ‘Köcher’, tū́ṇava- m. ‘Flöte’ (von Mayrhofer s. v. abgelehnt): idg. tu̯ō[u]- : tu̯əu- : tū- (WP. 1, 752f., Pok. 1102 m. weiterer Lit.). — Aus dem Griech. aind. suruṅgā f. ‘unterirdischer Gang’ (Stein ZII3,280ff.; ausführlich zur Etymologie und Bed.geschichte); hierher noch arm. sring ‘Flöte, Pfeife’ (LW aus gemeinsamer Quelle? Adjarian Mel. Boisacq 1.3). — Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 136 f. Einzelne Kompp., z.B. πεντε-σύριγγος ‘mit fünf Röhren’ (Ar. u.a.). Zahlreiche Ableitungen. 1. Deminutiva: συρίγγ-ιον n. (Hp., Plu. u.a.), -ίδιον n. (Hero). 2. -ίς f. ‘Art κασία’ (Mediz.). 3. -ίας m. Bez. eines Rohrs (κάλαμος; Thphr., Dsk.; vgl. Strömberg Theophrastea 91). 4. -ίτης m., -ῖτις f. N. eines Edelsteins (Ps.-Dsk., Plin.; Redard 62). 5. -ώδης ‘hohl, fistulös’ (Hp.). 6. -ιακός ‘für Fisteln bestimmt’ (Mediz.; nach καρδιακός u.a. od. von συρίγγιον). — Denomin. Verba: 1. συρίζω (ion. poet. seit h. Merc.), att. -ίττω (Pl., D., Arist. usw.), dor. -ίσοδω (Theok.), Aor. -ίξαι (Ar.), -ίσαι (Babr., Luk.), Fut. -ίξομαι (Luk.), -ίσω (Hero u.a.), -ιῶ (LXX), auch m. ὑπο-, ἐκ, ἀπο-u.a., ‘auf der Syrinx blasen, pfeifen, zischen’. Davon σύρ-ιγμα n. ‘Pfeifenton’ (-ισμα H.) mit -ιγματώδης ‘pfiffähnlich, zi- schend’ (Mediz.), -ιγμός (X., Arist. usw.), -ισμός (LXX u.a.) m. ‘das Pfeifen, Schwirren’, -ιγξις f. ‘Flötenspiel’ (Sch.), -ικτής, -ιστής (Arist., Corn.), -ικτάς (Theok., AP), -ιστήρ (AP) mit -ιστηρίδιον Bed. unklar (Pap. Ia), -ιγκτής (Phet.) m. ‘Flötenspieler’, auch ‘das Pfeifen’; zu den Bildungen Fraenkel Nom. ag. 1, 232 A. 2; -ιστική (τέχνη) ‘Flötenspielkunst’ (Sch.). 2. συριγγ-όομαι, -όω, auch m. ἐκ-, προ-, ἀπο-, ‘hohl werden, eine Fistel bekommen, zu einer Röhre machen usw.’ (Hp. u.a.) mit -ωσις f. ‘Fistelbildung’ (Mediz.), -ωμα n. ‘Fistel’ (Vett. Val.). 3. -ιάω ‘an einer Fistel leiden’ (Hippiatr.). II-821-822
σύριχος Dazu ὕριχος (Porson; cod. -ισός Ar. Fr. 569, 5), ὕρισχος und βρίσχος (Phryn. PS), σύρισσος (Poll.), ὑρίσσος (H.), -ός (Theognost.); auch ὑρρίς· σπυρίς (Zonar.); vgl. ὑρίσιδα (für ὑρίς, -ίδα?)· σπυρίδιον, σπυρίς H.; ὑρράδα (cod. ὕρρ-)· σπυρίδιον (Theognost.), ὕρραχα· πρίσχη H. (vgl. βρίσχος bei Phryn.). Mit anderem Anlaut: ἄρριχος (s. d.) und ἀρίσκος· κόφινος H. m. ‘Korb’ (Alex.). Auch συρίσκος· ἀγγεῖόν τι πλεκτόν, εἰς ὃ σῦκα ἐμβάλλουσι. τινὲς δὲ ὑρίσκον H. — Die Suffixe -ιχος und -ίσχος verraten beide den volkstümlichen Charakter der obigen Wörter, die offenbar nie die stabilisierende Ebene der Literatursprache erreicht haben; selbstverständlich ist auch mit Überlieferungsfehlern zu rechnen. Etymologisch dunkel; ob entlehnt oder nicht, sei dahingestellt. Analytischer Versuch bei Güntert Reimwortbild. 143; vgl. noch ῥίσκος und die Lit. zu ἄρριχος; außerdem Hiersche Ten. aspiratae 22 f. m. weiteren Einzelheiten und Hypothesen. II-822
σύρω, Aor. σῦραι (ion. att.), Pass. σῠρῆναι (sp.), Fut. συρῶ (LXX), Perf. σέσυρμαι, -κα (hell. u. sp.), ‘ziehen, schleppen, schleifen, zerren, fortreißen, fegen’. sehr oft m. Präfix in verschiedenen Sinnfärbungen, z.B. δια- (auch ‘hecheln, verspotten’), ἐπι- (auch ‘nachlässig sein, behandeln usw.’), κατα-, παρα-. Als Vorderglied in σύργαστρος (s.d.)? Viele Ableitungen. 1. σύρμα (ἀπό-, ἐπί-, παρά-, περί-) n. ‘Schleppkleid, Kehricht, schleppende Bewegung’ (ion., X., hell. u. sp.) mit συρμα-τῖτις κόπρος ‘aus Kehricht bestehender Misthaufen’ (Thphr.; Redard 109), -τικὴ φωνή ‘schleppender Akzent’ (VIIp), -τὶς στρατιά· ἡ τὰ συμψήγματα καὶ φρύγανα σύρουσα καὶ συλλέγουσα H. 2. συρμός (ἐπι-, περι-, ὑπο-) m. ‘schleifende, schleppende, reißende Bewegung’ (eines Windes, einer Welle, eines Meteors, einer Schlange u.a.; Arist. usw.), ‘das Erbrechen’ (Nik.); δια- ~ ‘das Auseinanderzerren, Verhöhnen’ (hell. u. sp.); davon συρ-μάδες f. pl. ‘Schneewehen’ (sp.), -μαία, ion. -μαίη f. ‘Brechmittel, Rettich’ (ion., Ar. usw.), auch N. eines lakon. Preistranks (Inschr., H.), mit -μαΐζω ‘ein Brechmittel nehmen’, -μαϊσμός m. (Hdt., Mediz.), -μίον· λάχανόν τι σελίνῳ ἐοικός H., -μιστήρ· ξυλο-πώλης H. 3. συρμή f. ‘der nachschleppende Schwanz einer Schlange’ (Sch.). — 4. σύρ-της m. ‘Zugseil’ (Man., H.), -τῶν Gen. pl. (Nom. sg. -της od. -τός) N. eines Tanzes (Akraiphia Ip), διασύρ-της m. ‘Verleumder’ (Ptol.), δια-, ἐκ-συρτικός (hell. u. sp.). 5. ἀνασυρτ-όλις f. ‘unzüchtige Frau’ (Hippon.; vgl. οἰφόλις und Chantraine Form. 237 f.). 6. Wohl auch Σύρτις f. N. eines Meerbusens an der Nordküste Afrikas mit sandigen Ufern und gefährlichen Brandungen (Hdt. usw.) als "die Reißende" (vgl. v. Wilamowitz zu Tim. Pers.99); übertr. ‘Zerstörung’ (Tim. Pers. 99, H.). 7. σύρσις f. (διά- ~) ‘das Ziehen eines Pflugs’ (sp.). — Mit φ -Erweiterung: 8. σύρφη· φρύγανα H. 9. συρφ-ετός m. ‘Kehricht, Unrat’ (Hes., Kall., Plu. u.a.), ‘Gesindel’ (Pl. u.a.) mit -ετώδης ‘pöbelhaft’ (Plb., Luk. u.a.); vgl. νιφετός u.a. (Chantraine Form. 300, Schwyzer 501). 10. -ᾱξ m. ‘Gesindel’ (Ar. V. 673 [anap.], Luk.), volkstümlich -hypokoristische Bildung. — Zu σύρφος s. σέρφος. Vgl. ἀσυρής. — Wohl zu σαίρω ‘fegen’ (s. d. m. Lit.), aber ohne sichere außergriech. Verwandte. Mit σύρφ-η, -ετός, -αξ wird ein germ. Wort für ‘fegen, drehen(d wischen), abwischen’ verglichen in got. af-, bi-swairban ’εξαλεῖψαι, ἐκμάξαι’, ahd. swerban ‘schnell hin- und herfahren, wirbeln, abwischen’ usw., wozu noch kelt., z.B. kymr. chwerfu ‘das Wirbeln, Umdrehen’ (Persson Stud. 55, WP. 2, 529f., Pok. 1050f. m. Lit.). Die semantisch gewiß mögliche Zusammenstellung bietet dasselbe lautliche Problem wie σέλας, σῦς usw. (s. dd.). Im Auslaut stimmt σύρφη, wohl nicht zufällig, zu dem synonymen κάρφη; somit davon formal beeinflußt? Ein alter Wechsel bh : m in σύρ-φη : συρ-μός (Specht Ursprung 269) leuchtet nicht ein. II-823-824
σῦς, συός m. f. ‘Schwein, Sau, Eber’ (Hom., Pi., vereinzelt Hdt.. att. u.a. neben ὗς). Als Vorderglied u.a. in σῠ-βώ-της m. ‘Schweinehirt’ (Od., Hdt., Pl.) mit f. -τρια (Pl. Kom.), Adj. -τικός (Pl. Kom., Plu.), auch -βό-της ‘ds.’ (Arist.) mit -βόσια n. pl. ‘Schweineherden’ (Λ 679 = ξ 101, Plb., Lib.), myk. su-qo-ta; vgl. zu βόσκω m. Lit.; σύ-αγρος Rückbildung = σῦς ἄγριος (Antiph., Dionys. Trag. u.a.; Risch IF 59, 286f.). Auch (vorw. hell. u. sp.) συο-, z.B. -φορβός m. ‘Schweinehirt’ (Plb. u.a.), -φόρβιον (Arist.; σῠ-φορβός Hom. u.a.), metr. bedingt συη-βόλος (Opp.) = συο-κτόνος (Kall., Nonn.). Davon 1. σύ-αινα f. (Opp.), -αξ, -άκιον (Gloss., Suid.) Fischnamen (Strömberg 101); -άδες· αἱ ὕες, ἐσχηματισμένως H. 2. σύ-ειος (X. u.a.), -ινος (X. als v.l.) ‘vom Schweine’, -ώδης ‘schweinisch, gefräßig, tierisch’ (Plu., Philostr. u.a.). 3. -όομαι ‘Schwein werden’ (VIp). — Unklar συῆλαι· τόποι βορβορώ-δεις H.; zu συφεός s. bes. — Vom lautgesetzlichen ὗς (= lat. sūs) weicht σῦς durch das erhaltene bzw. restituierte σ- ab. Mehrere Erklärungsversuche: 1. nach σίαλος ‘Mastschwein’ (s.d.) oder 2. zu σίκα· ὗς. Λάκωνες H.; 3. LW aus einer anderen idg. Sprache; 4. zu lit. kiaũlė ‘Schwein’ (wozu nach v. Blumenthal Hesychst. 45 f. σωλούς· ὗς H.); 5. Wechselform des Sandhi. Näheres m. reicher Lit. Schwyzer 308 Zus.; dazu noch v. Windekens Le Pelasgique 137 (pelasgisch). II-824
σῦφαρ n. indekl. ‘Runzelhaut’ (Sophr., Kall., Luk. u.a.), auch personifiziert ‘runzelige, altersschwache Person’ (Lyk.). — Seit langem trotz der abweichenden Bed. mit lat. sūber ‘Korkeiche, Kork’ verglichen, was Entlehnung aus gemeinsamer Quelle voraussetzt. Nach Pisani Ist. Lomb. 73: 2. 27 hierher noch mit Schwund des σ-, ὕφεαρ ‘Mistel’; schon wegen der Bed. sehr fraglich. — Alt. Lit. bei Bq und W.-Hofmann s. v. II-824
σῠφεός (-ειοῦ κ 389 metr. Dehnung am Versende; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 104); auch συφός (Lyk., Poll.), -εών m. ‘ds.’ (Agath., Gp.; nach ἀνδρ(ε)ών u.a.). m. ‘Schweinestall’ (Od., Parth., Gp.); — Zum Ausgang vgl. φωλεός, κολεός u. a. Zu σῦς, aber im einzelnen unklar. Nach Prellwitz BB 22, 108 aus *-φεϝος zu φύω (mit Hochstufe wie in aind. bhávati ‘(da) sein, werden’). Semantisch anschaulicher Lagercrantz (s. Idg. Jb. 13, 201): zu lat. fovea ‘Grube’. Alterer Vorschlag (von Fick 13, 699) bei Curtius 600 (zu lat. favus). II-824
συχνός ‘zahlreich, viel, weit, lang’ (ion. att.). — Nicht sicher erklärt. Von Brugmann Sächs. Ges. Ber. 1901, 91ff., Grundr. 2I 311 vermutungsweise als *’gedrängt, dicht’ mit σάττω ‘vollstopfen’ verbunden (s.d.). Grundform *τυκ-σν-ός; zum Lautlichen Schwyzer 308 u. 327 m. Lit.; alt. Lit. auch bei Bq. Wenige und seltene Ableitungen: συχν-άκις Adv. ‘vielmals, oft’ (Luk.), -εών, -εῶνος m. ‘Dickicht’ (Aq.), -άζω = θαμίζω (EM) mit -ασμα n. (Poll.). II-825
σφάγνος m. N. eines Strauches, = ἐλελίσφακον, ἀσπάλαθος (Diokl. Fr., Dsk.). — Unerklärt. Über eine verfehlte Zusammenstellung mit lat. fungus s. W.-Hofmann s. v. II-825
σφαδάζω nur Präs. u. Ipf. ‘zappeln, sich bäumen (von Pferden), sich unruhig gebärden, zucken’ (Hp., Trag., X., Plb., Plu. u.a.); ἀνασφαδάζειν· ἀναπηδᾶν, ἀνάλλομαι, λακτίζειν H. Davon σφαδ-ασμός m. ‘das Zappeln, Zucken’ (Pl.), -αστικῶς ‘zappelnd’ (Eust.). — Von Hdn. Gr. 2, 929 wird eine Form σφαδάιζω (-ᾴζω) empfohlen wie ματᾴζω (:μάταιος); wohl hyperkorrekte Schreibung. Expressives Wort ohne überzeugende Erklärung. Zum Vergleich bieten sich mit Persson Beitr. 1, 413f. σφοδρός, σφεδανός, σφενδόνη, σφόνδυλος (s. dd.); auch σπάω, σπαδ-ών kommt in Betracht, vgl. σφαδασμός· σπασμός, καὶ τὰ ὅμοια H.; zum aspirierten σφ- Hiersche Ten. asp. 204 f. II-825
σφάζω (seit Il.), -άττω (jungatt., anal. [Schwyzer 715]), -άδδω (böot.), Aor. σφάξαι (seit Il.), Pass. σφαγῆναι (ion. att. usw.), -χθῆναι (Pi., Hdt., E. in lyr. u.a.), Fut. σφάξω (E. u.a.), Pass. -γήσομαι (att.), Perf. Med. ἔσφαγμαι (seit Od.), Akt. ἔσφακα (sp.), ‘schlachten (durch Abschneiden der Kehle), töten, opfern’. oft m. Präfix, bes. ἀπο-, ἐπι-, κατα-, Viele Ableitungen. 1. σφαγ-ή (δια-, κατα-) f. ‘das Schlachten, Töten; Kehle’ (Trag., att. Prosa usw.) mit -ῖτις (φλέψ) ‘zur Kehle (zum Schlachten?) gehörig’ (Mediz., Arist.; Redard 102), -εύς m. ‘Schlächter, Opfermesser’ (S., E., Dekrete ap. And., D. u.a.; Bosshardt 41). 2. -ιος zum Schlachten gehörig, tötend’ (Hp., S. in lyr. u.a.); -ιον (προ-), -neist pl. -ια n. ‘Opfertier, Opfer, bes. vor einer Feldschlacht’ (ion. att.; Eitrem Symb. Oslo. 18,9ff.) mit -ιάζομαι, -ιάζω ‘schlachten, opfern’ (ion. att.), -ιασμός m. (E. in lyr., Plu. u.a.). 3. -ίς f. ‘Schlacht-, Opfermesser’ (E. u.a.; auch auf σφαγή beziehbar, Chantraine Form. 338) mit -ίδιον (Suid.); aber ἐπι-σφαγ-ίς ‘Grube im Nacken, wo das Beil auftrifft’ und παρα-σφαγ-ίς ‘der Teil neben der Kehle’ (Poll.) Hypostasen von σφαγή. 4. -εῖον n. ‘Schlacht-, Opferbecken’ (A., E., Ar., Inschr.; von σφαγ-ή od. -εύς?, vgl. ἱερεῖον; zu -ιον, -εῖον Schwyzer 470). 5. -ιστήριον = -εῖον (Sch.). 6. σφάγμα n. ‘das Töten’ (Sch.), sonst nur zu den präflgierten Verba, z.B. πρόσφαγ-μα (A., E. u.a.). 7. σφάκ-της m. ‘Mörder’ (sp.), in Kompp., z.B. καλαμο- ~ ‘der mit einem Schreibrohr mordet’ (Ph.), mit -τικὴ μάχαιρα (Zonar.) 8. -τήρ m. ‘ds.’, nur δια- ~, χιμαρο- ~ (AP), -τρια f. ‘Opferpriesterin’ (Ael.). 9. -τρον n. ‘Opfersteuer’ (Palmyra IIp, Poll.). 10. -σφάξ, z.B. δια-σφάξ, -άγος f. ‘Riss, Spalt, Felsenkluft’ (Hdt. u.a.). 11. -σφαγ-ία f., z.B. βοο- ~ ‘das Rindertöten’ (APl.). — Das obige regelmäßige System läßt sich ohne Schwierigkeit als eine innergriechische Schöpfung von einem primären Verb σφάζω, σφάξαι oder einem Nomen σφαγ- aus verstehen. —Ohne außergriech. Anknüpfung. Unhaltbare Hypothesen sind bei Bq und WP. 2, 653 (nach Prellwitz und Persson). auch bei Hofmann Et. Wb. (zu arm. spananem ‘töten’) referiert. Vgl. φάσγανον. II-825-826
σφαῖρα f. ‘Kugel, Ball, Ballen im Boxhandschuh, Himmelskugel, Sphäre’ (seit Od.). Kompp., z.B. σφαιρο-ειδής ‘kugel-förmig’ (ion. att.), ἐπί-σφαιρα n. pl. ‘lederner Überzug der Boxballen, Boxhandschuhe’, auch vom Überzug einer Schwertspitze (Plb., Plu.). Davon 1. σφαιρ-ηδόν ‘wie ein Ball, eine Kugel’ (Ν 204 u. a.) 2. -ίον Demin. (Pl. Ep., hell. u. sp.). 3. -εύς m. Ben. der jungen Männer in Sparta (nach den Boxballen; Paus., Inschr.; Bosshardt 75). 4. -ικός (Archyt. Arist. usw.; Chantraine Études 131 f.), -ειος (Arist.-Komm.) ‘kugelförmig, sphärisch’. 5. -ῖτις κυπάρισσος (Gal.; nach der Form der Früchte?, vgl. Redard 77); *-ίτης (ἄρτος) in lat. spaerīta m. Art Kuchen (Cato; Leumann Sprache 1, 206 = Kl. Schr. 173). 6. -ών, -ῶνος m. ‘rundes Fischernetz’ (Opp.), 7. -ίζω (ἀντι-, δια-, συν-) ‘Ball spielen’ (att.; φαιρίδδειν· σφαιρίζειν H.) mit -ισις (Arist.), -ισμός (Artem.), -ισμα (Eust.) ‘Ballspiel’, -ιστής ‘Ballspieler’, -ιστικός ‘zum Ballspiel gehörig’, -ιστήριον ‘Ballspielplatz, -haus’, -ίστρα ‘ds.’ (hell. u. sp.). 8. -όομαι, -όω (ἀπο-, δια-, ἐν-) ‘rund sein, abrunden, mit rundem Absatz versehen’ (X., Arist., hell. u. sp.) mit -ωμα ‘abgerundeter Körper’ (Arist. u.a.), -ωσις ‘Kugelgestaltung’ (sp.), -ωτήρ, -ῆρος m. "abrundender Gegenstand", ‘Knauf, Knollen o. d.’ (Tab. Heracl., hell. Pap.); s. Solmsen IF 31, 492ff. — Bildung wie πεῖρα, σπεῖρα, μοῖρα u.a. (s. dd. m. Lit.). — Ohne außergriech. Entsprechung. Wenn eig. auf die schnellende Bewegung eines Balls bezüglich, läßt sich σφαῖρα an σπαίρω u. Verw. anschließen; s. d. m. weiterer Lit. Versuche, mit dem Wechsel σπ- ~ σφ- zurechtzukommen, bei Hiersche Ten. aspiratae 196 f. Vgl. noch σφῦρα, σφυρόν und σπύραθοι, σπυράδες. — Aus σφαῖρα syr. êspērō, äthiop. ṣpīr (Schwyzer 159 u. 161), arm. sp‘eṙ (wovon georg. spero; Bailey Trans. Phil. Soc. 1945, 28). Zu σφαῖρα im allg. s. Hommel Gymn. 56, 201 ff., S. Mendner Das Ballspiel im Leben der Völker (Münster 1956) 77ff. II-826-827
σφάκελος m. ‘Knochenfraß, Fäulnis, Brand’ (Hp., Gal.), auch ‘zuckender Schmerz, Krampf’ (A. Pr. 878, 1045, E. Hipp. 1352, überall anap.). Davon σφακελ-ώδης ‘brandartig’ (Mediz.), -ίζω (ἐπι-, ἀπο-) ‘den Knochenfraß od. Brand haben’ (Hdt. Hp., Pl., Arist., Thphr., LXX u.a.), selten ‘einen zuckenden Schmerz, Krampf empfinden’ (Kratin., Pherekr., Plu.), mit -ισμός m. ‘Knochenfraß, Brand’ (Hp., Arist., Thphr. [vgl. Strömberg Theophrastea 191]), ‘heftiger Schmerz’ (Stoik.), ‘Epilepsie’ (Hippiatr.); ἐπι-, ἀπο-σφακέλισις f. ‘Brand’ (Hp.). — Bildung wie σκόπελος, πύελος u.a.; sonst dunkel. Das Wort war wohl ursprünglich ein medizinischer Fachausdruck (Chantraine Form. 244; anders Solmsen Wortforsch. 5 und Persson Beitr. 1, 396). Von einer Bed. ‘zuckende Bewegung, zuckender Schmerz’ ausgehend, sucht Persson Anschluß an mhd. spachen ‘spalten’, ndd. spaken ‘bersten, faulen’ u. a. m.; berechtigte Kritik bei WP. 2, 652. — Vgl. σφάκος, σφήξ, φάκελος. II-827
σφάκος m. ‘Salbei’ (Kom., Thphr.) mit σφακώδης ‘reich an Salbei’ (H.). Zu ἐλελίσφακος s. bes. — Unklar myk. pa-ko-we, s. Morpurgo Lex. s. v. — Von Solmsen Wortforsch. 5 wegen der zusammenziehenden Wirkung mit σφάκελος verbunden. Vgl. φάσκος. II-827
σφάλλω, -ομαι (ion. att.), Aor. σφῆλαι (seit Il.), dor. σφᾶλαι (Pi.), Pass. σφᾰλ-ῆναι (-θῆναι Gal.), intr. -αι (LXX; Schwyzer 756), Fut. ?-ῶ, Pass. -ήσομαι, Perf. Med. ἔσφαλ-μαι (ion. att.), Akt. -κα (Plb.), ‘zu Fall bringen, zugrunde richten, täuschen’, Med. ‘zu Fall kommen, zugrunde gehen, sich irren’. auch m. Präfix, z.B. ἀπο-, παρα-, Davon 1. σφαλ-ερός ‘schlüpfrig, trügerisch, wankend’ (ion. att.). 2. -μα n. ‘Fall, Unfall, Fehltritt, Irrtum’ (ion. att.), -μός m. ‘ds.’ (Aq.) mit -μῆσαι (ἀπο-) ‘straucheln’ (Plb.), σφαλ-μᾷ· σκιρτᾷ, σφάλλεται H. 3. -σις (ἀνά-, περί-, ἀμφί-) f. ‘Fall, Unfall’ (Hp., Vett. Val.). 4. -της m. Ben. des Dionysos "der zum Fallen bringt" (Lyk.). 5. ἀ-σφαλ-ής, ές, -(έ)ως ‘nicht fallend, nicht wankend, fest, sicher, zuverlässig’ (seit Il.) mit -εια f. (att.), -ίζομαι, -ίζω (hell. u. sp.), wohl direkt vom Verb (vgl. Schwyzer 513; σφάλος n. nur Trag. Oxy. 676, 16 [unsicher]); ebenso ἐπι-, περι-, ἀρι-σφαλής u.a. — Zu ἄσφαλτος s. bes. (volksetymologisch angeglichen?). — Wie bei πάλλω, σκάλλω läßt sich der obige Formenbestand als eine rein griechische Schöpfung verstehen. — Eine sichere Etymologie fehlt. Anstatt der früheren, semantisch sehr ansprechenden Anknüpfung an aind. skhálate, -ti ‘straucheln, schwanken, irren’, arm. sxalem, -im ‘ds.’ (Fick 1. 143. 567, Hübschmann Armen. Gr. 1, 490 f.), die idg. sqʷhel- erfordert und aus diesem Grunde Bedenken erregt, sucht P. Wahrmann Glotta 6, 149ff. σφάλλω mit idg. sp(h)el- ‘spalten’ in σπολάς, ἀσπάλαξ u.a. (s. dd. m. Lit.) zu verbinden unter Annahme einer urspr. Bed. *’(mit Prügeln) werfen, jemandem einen Stock zwischen die Beine stecken o. ä.’ (Einzelheiten bei WP. 2, 678 und Pok. 985); lautlich gewiß besser, aber semantisch ganz hypothetisch. Anders, ebenfalls bedenklich, Thieme KZ 69, 175. Vermutungen über anlaut. σφ- bei Hiersche Ten. aspiratae 194 m. Lit. Ält. Lit. bei Bq; dazu noch W.-Hofmann s. fallō. — Vgl. σφαλός, σφέλας. II-827
σφαλός m. ‘Fußblock’ (Epich., Poll., H.), ‘Wurfscheibe’ (Poll., H.). Davon σφαλίζω ‘fesseln’ in ἐσφάλιζεν (Phot.), -ιξεν (H.). — Technischer Ausdruck; kann als *"gespaltenes Holz" mit lett. spals ‘Griff, Handhabe’ und, bis auf die Stammbildung, mit einem germ. Wort für ‘Querholz, Leitersprosse usw.’ in awno. spǫlr m., mhd. u. mengl. spale identisch sein mit weiterem Anschluß an idg. sp(h)el- ‘spalten’ in σπολάς u.a. (s.d. m. Lit.). Persson Beitr. 1, 174, Bechtel Dial. 2, 288 f. Anders Wahrmann Glotta 6, 162 ff. Vgl. σφέλας, auch σφάλλω. II-827-828
σφαραγέομαι nur Ipf. σφαραγεῦντο; auch σφαραγίζω in ἐσφαράγιζον ‘regten (unter Getöse) auf’ (Hes. Th. 706), -ίζει· βροντᾷ, ταράττει, ψοφεῖ H.; ‘knisterten, zischten’ (ι 390), ‘strotzten, waren zum Platzen voll’ (ι 440) σφάραγος = ψόφος H., sonst nur als Hinterglied, z.B. ἐρι- ~ ‘mit lautem Getöse’ (h. Merc. u.a.), βαρυ- ~ ‘mit dumpfem Getöse’ (Pi.). — Altererbtes Schallwort (zur Bildung vgl. σμαραγέω) mit nahen Verwandten in aind. sphū́rjati, -áyati ‘prasseln, knattern, dröhnen’, balt., z.B. lit. sprag-ù, ė́ti ‘prasseln, krachen’, germ., z.B. ags. sprecan, ahd. sprehhan ‘sprechen’ usw.; daneben im Sinn von ‘(mit Knall) bersten, platzen usw.’ aind. sphū́rjati ‘hervorbrechen’, balt., z.B. lit. spróg-stu, -ti ‘platzen, hersten, knospen’, wozu noch σπαργάω; s. d. m. Lit. u. weiteren Formen. Nach Hiersche Ten. aspiratae 198ff. sollen σφαρα-γέομαι, (ἐρι) -σφάραγος alte Entstellungen von σμαραγέω, (ἐρι)-σμάραγος bzw. σπαργέω, -άω sein(?). — Vgl. σφραγίς. II-828
σφάραγ[γ]ος · βρόγχος, τράχηλος, λοιμός, ψόφος H., = φάρυγξ (Apion ap. Phot.). — Vgl. zu 1. ἀσφάραγος. II-828
σφεδανός ‘heftig, ungestüm’ (Il. [-όν Adv.], Xenoph., hell. Epik, AP). Daneben σφοδρός, Adv. -ρα, -ρῶς ‘ds.’ (seit μ 124) mit σφοδρ-ότης f. ‘Heftigkeit, Ungestüm’ (Pl., X. u.a.), -ύνομαι, -ύνω, auch m. ἐπι-, ‘heftig, ungestüm werden, machen’ (A. Pr. 1011, Ph., Plu. u.a.; nach dem Oppositum πραΰνομαι u.a., s. Fraenkel Denom. 37), -όομαι ‘ds.’ (Ph. v. l., Gal.). — Zu σφεδανός vgl. ἐδανός, στεγανός, σκεπανός, ἰδανός u.a. (Chantraine Form. 196 f., Schwyzer 489f.); es kann somit eine Primärbildung sein. Dagegen ist wohl σφοδρός wie οἰκτρός, φοβερός u.a. zu beurteilen; zusammen mit σφεδανός kann es auf einen r : n-Stamm zurückgehen (Benveniste Origines 20). Denkbare griech. Verwandte sind σφαδάζω und σφενδόνη; s.d. mit weiteren Kombinationen. — Zu σφόδρα noch Aly Glotta 15, 97 ff. und Thesleff Intensification 92 ff. II-829
σφεῖς, n. (att.) σφέα, Akk. σφᾶς, n. σφέα, ion. hom. σφέας, äol. hom. dor. σφε, kret. syrak. ψε, Gen. σφῶν, ion. hom. σφέων, hom. auch σφείων, Dat. σφίσι(ν), äol. ion. hom. dor. σφι(ν), kret. syrak. ψιν, lak. usw. φιν, (σφι(ν), σφε auch 3. sg.); ep. 3. du. σφωε, -ϊν, 2. du. σφῶϊ, -ϊν, att. σφώ, σφῷν. anaphor. u. reflex. Pron. 3. pl. ‘sie, sich’ Davon die Possessiva σφέτερος, σφωΐτερος (seit Il.), ep. auch σφός ‘ihr’ (vereinzelt ‘sein, mein, dein, euer’), mit σφετερίζομαι, -ίζω ‘sich aneignen’ (att. hell. u. sp.), -ισμός, -ιστής (Arist.). — Das obige System ist wahrscheinlich auf *σ-φει, σ-φι(ν) aufgebaut mit σ- als Schwundstufe von idg. *se- in lat. si-bī, osk. sí-feí, aksl. se-bě; zu dem nach ἄμμι(ν) usw. umgedeuteten σφ-ι(ν) gesellten sich nach ἄμμε, ἡμεῖς usw. σφε, σφεῖς, σφᾶς, σφῶν usw. Aus σφιν mit Schwund des σ- bzw. Metathese φιν, ψιν. — Einzelheiten m. reicher Lit. und Diskussion bei Schwyzer 600 ff.; dazu noch Chantraine Gramm. hom. 1, 266ff., 273. II-829
σφέλας n. ‘Fußschemel’ (ρ 231, σ 394, A. R. 1159), ‘Sockel’ (Delos VIa), ‘Holzblock?’ (Nik. Th. 644). Demin. σφελίσκον n. Bez. eines Geräts, wahrsch. ‘Schemel’ (Samos IVa). Hypostase ἐπι-σφελ-ίτης· ὁ θρανίτης H. — Bildung wie βρέτας, δέμας u.a. Vielleicht zu σφαλός (s. d. m. Lit.). Anders über die Bed. Wahrmann Glotta 6, 145 ff. II-829
σφένδαμνος f. ‘Ahorn, Acer monspessulanum’ (Thphr., Dikaiarch.), -ινος ‘aus Ahorn’ (Kratin., Ar.); σπένδαμνον· ξύλον H. — Bildung wie δίκταμνον, ῥάδαμνος u.a.; sonst unklar. Die formal naheliegende Anknüpfung an σφενδόνη u. Verw. wird verschieden begründet: als "die zitternde" (Prellwitz, Schrader-Nehring Reallex. 1, 38); nach der Form der Samenkapsel (Carnoy Ant. class. 27, 318 und REGr. 71, 99). Unter Heranziehung von byz. ἀσφένδαμνος u.a. ‘Acer creticum’ will Bertoldi Riv. fil. class. N. S. 13, 65f. darin eine Ableitung des Stadtnamens Ἄσπενδος (Pamphylien) sehen; vgl. δίκταμνον : Δίκτη. Über Ἄσπενδος noch Heubeck Beitr. z. Namenforsch. 4. 122ff. II-829-830
σφενδόνη f. ‘Schleuder’, aus Wolle, Haaren, Tiersehnen usw., oft übertr. von schleuderförmigen Gegenständen, z.B. ‘Verband, Kopfbinde, der Kasten am Ring, das Weiße im Auge’ (seit Il.); auch ‘Wurf, Geschoß’ (Ar., X.; auf σφενδονάω bezogen). Vereinzelt als Hinterglied, z.B. βελο-σφενδόνη ‘Pfeilschleuder, Brandgeschoß’ (Plu.). Davon 1. σφενδον-ήτης, böot. -άτας m. ‘Schleuderer’ (Hdt., Th. u.a.; Fraenkel Nom. ag. 2, 130) mit -ητική (τέχνη) ‘Schleuderkunst’ (Pl.). 2. -ηδόν ‘wie eine Schleuder’ (Sch., EM). 3. -αίαν· σφενδόνην, ἢ τὴν σφραγῖδα H. 4. -άω, auch m. ἀπο-, δια-, ἐκ-, ‘schleudern’ (ion. att.) mit -ησις f. (Hp., Pl. u.a.). 5. -ίζω ‘ds.’ (Ps.-Kallisth.) mit -ιστής m. (Them.). Bildung wie ἀγχόνη, περόνη, βελόνη. — Keine überzeugende Etymologie. Seit Benfey und Pott (s. Curtius 247) mit σφεδανός, σφοδρός, σφαδάζω und mit aind. spandate ‘zucken, ausschlagen’ verbunden, idg. sp(h)e(n)d-; s. WP. 2, 664 und Pok. 989 m. weiteren Formen und Lit.; zum Wechsel sp- ~ σφ- Hiersche Ten. aspiratae 204ff. — Die naheliegende Zu. sammenstellung mit lat. funda ist mehrfach erörtert worden (s. W.-Hofmann s.v. mit Nachtr.); dabei wurde auch die Möglichkeit einer gemeinsamen Entlehnung aus einer mediterranen oder kleinasiat. Quelle erwogen (Ernout-Meillet s. v., Pisani Sprache 5, 147). Zu den romanischen Ablegern von funda, die methodisch vieles von Interesse bieten, s. Jaberg Sprachgesch. u. Wortbed. 213ff. — Vgl. σφόνδυλος. II-830
σφήν, σφηνός m. ‘Keil’ (A. Pr. 64, Ar., Arist., hell. Pap. u.a.). Einige Kompp., z.B. σφηνό-πους, -ποδος ‘mit keilförmigen Füßen’ (κλίνη; Keos Va; vgl. σφανίον unten und Sommer Nominalkomp. 30), ἐπί-σφηνος ‘keilförmig’ (Lebadeia, Strömberg Prefix Studies 100), ἀντι-σφήν ‘Gegenkeil’ (Ph. Bel.). Davon 1. Demin. σφην-ίσκος m. (Hp. u.a.), -άριον n. (sp. Mediz.), unsicher -ίς, -ίδιον (Hero). 2. σφανίον· κλινίδιον und ἐν σφανίῳ· ἐν κλιναρίῳ H. (Schulze KZ 45, 190f. = Kl. Schr. 379); aber παρα-σφήν-ιον n. ‘Nebenkeil’ (hell. Inschr. u. Pap.) Hypostase. 3. -όομαι, -όω, oft m. Präfix, z.B. ἀπο-, δια-, παρα-, ‘eingekeilt, verkeilt werden, ein-, verkeilen’ (Arist., Mediz., hell. u. sp.) mit σφήνωσις (ἀπο-, δια-, ἐπι-) f. ‘das Einkeilen’ (Mediz. u.a.), ἀποσφήν-ωμα n. ‘keilförmiger Block’ (Pap. IIp). — Aus σφανίον und keisch σφηνόπους, dessen Η nicht urgr. ē wiedergeben kann sondern einen urgr. a-Laut enthalten muß, ergibt sich für σφήν eine Grundform *σφά̄ν, allenfalls *σφανσ- (vgl. χήν) oder *σφα-ην (WP. 2, 652f., Pok. 980, Schwyzer 487 A. 7 m. Lit.; anders Wahrmann Glotta 6, 162ff.). Dadurch wird die herkömmliche (seit Kuhn KZ 4, 15) Gleichsetzung mit einem germ. Wort für ‘Span’ in ahd. spān, ags. spōn, awno. spānn, spōnn, urg. *spēn-u-, hinfällig. Verwandtschaft mit den s. σπάθη besprochenen Wörtern kommt natürlich immer in Betracht. — Aind. sphyá- n. m. etwa ‘Spatel, Art Ruder usw.’ (zur Bed. Janert KZ 79, 89ff.) bleibt fern; Hypothese von Thieme Die Heimat d. idg. Gemeinspr. 16 (zustimmend Janert a. O.): zu nhd. Espe usw.; dagegen Hiersche Ten. aspiratae 164 f. II-830-831
σφήξ, -ηκός, dor. (Theok.) -ᾱκός m. ‘Wespe’ (seit Il.) Davon I. σφηκ-ιά f. ‘Wespennest’ (S., E., Ar., LXX u.a.; Scheller Oxytonierung 68). 2. -ίον n. ‘Wespenzelle’ (Arist., Thphr. u.a.); ἐπι-σφηκ-ιον n. Bed. unbekannt (Delos IIIa). 3. -ίσκος m. ‘zugespitztes Holz, Dachsparren usw.’ (Ar., Arist., Inschr. u.a.). 4. -ίας m. ‘ds.’ (Pherekr.), auch N. es Verses (Ps.-Plu.; vgl. σφηκικός, σφηκώδης). 5. -ειον n. ‘wespenähnliches Insekt’ (Nik.). 6. -εια f. alter N. der Insel Kypros (Lyk., H.). 7. -ικός ‘wespenähnlich’, N. eines Verses (Eust.), -ώδης ‘ds.’ (Ar. u.a.), auch N. eines Verses (Sch.). 8. -ισμός· εἶδος αὐλή-σεως, εἰρημένον ἀπὸ τῆς ἐμφερείας τῶν βομ<β>ῶν H. (: *σφη-κίζω). 9. -ίωσις· κηρία σφηκῶν H. (: σφηκ-ίον, *-ιόω). 10. Unklar σφηκός = σφηκώδης (S. Fr. 29), ~ λόφου· τὸ ἄκρον τοῦ λόφου κτλ. H.; σφήκη n. pl. Bed. unbekannt (Pap. IIIa). II. Gewöhnliches Denom. -όομαι, -όω, oft m. Präfix, z.B. ἀπο-, δια-, ἐπι-, ‘in der Mitte zusammengezogen, zugeschnürt werden, bzw. zusammenziehen, zuschnüren’ (P52, Ar., hell. u. sp. Epik, sp. Prosa) mit -ωμα n. ‘Helmspitze’ (S., Ar.), ‘Schnur, Seil’ (Pap. IIIa usw.). Zur Bildung vgl. μύρμηξ, σκώληξ (s. dd.). — Nicht sicher erklärt. Verlockend, aber morphologisch schwierig ist der Vergleich mit σφήν (Solmsen Wortforsch. 129 m. A. 1, Grošelj Živa Ant. 4, 176). Andere Vorschläge: zu σφάκελος mit Beziehung auf den eingeschnürten Leib (Persson Beitr. 1, 396 A. 1 fragend); zu ψήν ‘Dattel-, Feigen-, Gallwespe’, ψῆν ‘reiben’ (Hofmann Et. Wb. mit Specht Ursprung 45); zu der dabei anzunehmenden Metathese usw. Hiersche Ten. aspiratae 189 f. Über die gewiß verfehlte Kombination mit lat. vespa u. Verw. (seit Pott) s. Curtius 382 u. Bq; ebenso noch Georgiev Word 3, 77 ff. Ältere Versuche (m. Lit.) bei Bq. II-831
σφίγγω (seit Emp., A. Pr. 58), Aor. σφίγξαι, σφιγχθῆναι, Fut. σφίγξω, Perf. Med. ἔσφιγμαι, ‘zuschnüren, umfassen, einklemmen’ (außerpräs. Formen fast nur hell. u. sp.). oft m. Präfix, z.B. περι-, συν-, ἐπι-, Davon 1. Vbaladj. σφιγκτός ‘zugeschnürt’ (AP, Opp. u.a.). 2. σφιγκ-τήρ m. "Zuschnürer" (AP, Nonn., vom Halsband bzw. Fessel), Bez. des Aftermuskels (Mediz. u.a.), auch = χιτών. Ταραντῖνοι H. (weil eng anliegend); lat. LW spinter n. ‘Armband’ (Leumann Spr. 1, 205 = Kl. Schr. 172); -τωρ vom Zügel (AP); -της = κίναιδος (Kratin., H.), lat. LW spintria m. ‘ds.’ 3. σφίγξις (ἀπό-, διά-, περί-), auch ἀπό-σφιξις f. ‘das Zuschnüren’ (Mediz. u.a.). 4. σφίγμα (ὑπό-) n. ‘Hemmung’ (Hero, Mediz.). —Für sich steht, anscheinend als Rückbildung ("Wurzelnomen") Σφίγξ, -ιγγός f. ‘Sphinx’ (Hdt., A., E. usw.), auch N. eines Affen (Agatharch. u.a.). Kompp. ἀνδρό-σφιγξ m. ‘männlicher Sphinx’ (Hdt.), σφιγγό-πους ‘mit Sphinxfüßen’ (hell.). Davon σφιγγ-ίον n. ‘Art, Affe’ (Plin., Inschr. Praeneste), Bed. unklar (Luk. Apol. 1); -ίδιον n. ‘kleine Sphinx’ (Inschr.). Daneben Akk. Φῖκα (vv. ll. Σφῖκα, Φίγγα, Σφίγγα) f. (Hes. Th. 326), Σφίξ, -ικός (Choerob.; auch thess. Inschr. VIIa?); Βῖκας· Σφίγγας H. — Als Grundlage sämtlicher Formen dient das Präs. σφίγγω; die nasallosen ἔσφιγμαι, σφίγμα, ἀπόσφιξις sind sekundär. —Isoliert. Abzulehnen Persson Beitr. 1, 399 (mit Vorbehalt; Referat bei Bq, WP. 2, 658, Pok. 984). Die Beurteilung von Σφίγξ ist schwierig. Die Nebenformen Φῖκα, Σφῖκα ebenso wie φιγγα = σφίγγα bei Pl. Kra. 414 d lassen am ehesten auf volksetymologische Angleichung schließen; vgl. noch das Φίκιον ὄρος nördlich von Theben (dazu v. Wilamowitz Glaube l. 269). II-832
σφόδρα, -ός s. σφεδανός. II-832
σφονδύ̄λη f. ‘Art Erdkäfer’ (Ar., Arist. [v. l. σπονδ-], Thphr.); σπονδύλη· ἡ γαλῆ παρ’ ’Αττικοῖς H. — Unerklärt; zur Bildung vgl. κορδύλη, σχενδύλη u.a. Zum formal naheliegenden σφόν-δῠλος ist noch keine semantische Brücke geschlagen. Lat. LW sphondyle, -lum, -lium. II-832
σφόνδῠλος (Ar., Pl., Arist., Inschr. usw.), auch (nichtatt.) σπόνδυλος, oft als v. l. neben σφ- (Pherekr., Hp., Arist. u.a.; Einzelheiten bei Hiersche Ten. asp. 204) m. ‘Halswirbel, Wirbelknochen’, übertr. ‘Säulentrommel, Spinnwirtel usw.’. Kompp. σφονδυλο-δίνητος ‘mit dem Spinnwirtel gedreht’ (AP), πολυ-σφόνδυλος ‘mit vielen Wirbeln’ (Luk.). Davon 1. σφονδύλ-ιον n. ‘Halswirbel’ (Υ 483 [vgl. Bechtel Lex. s. v., Antim.), Pfl.name ‘gemeines Heilkraut, Heracleum sphondylium’ (Dsk. u.a.). 2. -ίς f. ‘ds.’ (Ps.-Dsk.). 3. -όεις ‘aus Wir- beln bestehend’ (Man.), -ώδης ‘wirbelähnlich’ (Sch.). 4. ἐκ-σφονδυλίζω ‘den Halswirbel brechen’ (LXX, EM). — Bildung wie κόνδυλος, δάκτυλος, wohl zunächst von einem Nomen *σφόνδος, schon von Pott zu dem auch in σφενδόνη (s. d.), σφεδανός, σφοδρός, σφαδάζω vermuteten Verb für ‘zucken’ gezogen. II-832-833
σφρᾱγίς, σφρηγίς, -ῖδος f. ‘Siegel, Staatssiegel, Siegelabdruck, Petschaft, Siegelring, geschnittener Stein’ (ion. att.), ‘besiegeltes Ackerlos’ (Pap.). — Ausführlich zur Bed. von σφραγίς J. Diehl Sphragis. Eine semasiologische Nachlese. Diss. Gießen 1938 (m. Lit.); dazu noch Kenna JHSt.81, 99ff., Kranz RhM 104, 3ff., 97f. Demin. σφραγίδιον n. (Ar., Thphr., Inschr.). Denom. Verb σφραγ-ίζω, -ίζομαι, oft m. Präfix, z.B. ἐπι-, κατα-, συν-, ‘mit Siegel versehen, besiegeln, versiegeln, abstempeln, bestätigen’ (ion. att.) mit -ισμα (ἀντι-, ἀπο-, ἐκ-) n. ‘Siegelabdruck, versiegeltes Dokument’ (E., X., hell. u. sp.); -ισμός (ἐπι-, παρα-, περι-) m. ‘Versiegelung, Bestätigung’ (hell. u. sp.); ἐν-, ἐπι-σφράγ-ισις m. ‘Besiegelung’ (sp.); -ιστήριον n. ‘Siegel, Stempel’ (Pap.); -ιστής (ἐπι-, ἀπο-) m. ‘Untersiegler, Zeuge’ (Plu., Luk., Pap. u.a.). — Daneben Σφραγίδιον N. einer Höhle (ἄντρον) weissagender Nymphen am Kithairon (Paus. 9, 3, 5); daselbst die νύμφαι Σφραγίτιδες (Plu. Arist. 11). Bildung wie κληΐς, κνημίς u.a.; somit wahrscheinlich eine sekundäre Ableitung. — Nicht sicher erklärt. Für die Σφραγίτιδες νύμφαι vermutet Lobeck Paralip. 51 A. 59 ansprechend Zusammenhang mit σφαραγέομαι mit Bezug auf das Rauschen der Quellen (ἐρι-σφάραγος u.a. von Poseidon; zu σφαραγ- : σφρᾶγ- vgl. z.B. ταραχ-ή : τρᾶχ-ύς, τέτρηχα). Für σφραγίς ist eine ähnliche Anknüpfung mit Zuhilfenahme von lit. spróga ‘Spalte’ (spróg-ti ‘platzen, bersten’) von Prellwitz s.v. und Diehl op. cit. 1 f. versucht worden (vom Bersten der Siegelmasse beim Eindrücken des Siegels). Auch Schwyzer 465 verbindet σφραγίς mit σφαραγέομαι, aber unter Hinweis auf lat. bulla. Dann ist aber zu erwägen, ob nicht die σφραγίς ihren Namen eher der brennenden Wirkung und dem dabei entstehenden Laut verdankt; vgl. einerseits russ. pečátь ‘Siegel’ als ‘Werkzeug zum Einbrennen eines Zeichens’ (zu pekú ‘backen’), anderseits den Ausdruck σφαραγεῦντο ‘knisterten, zischten’ (ι 390) von den Augenwurzeln des Kyklopen beim Eindrücken des durchgeglühten Hebels. Oder volksetymologisch umgebildetes LW wie nhd. Petschaft aus čech. pečet ? II-833
σφρῐγάω nur Präs.stamm, bes. Ptz., ‘strotzen, zum Platzen voll sein’, von Frauenbrüsten und Eutern, ‘von Lebenskraft und Lust übersprudeln’, von Menschen, Tieren und Pflanzen (Hp., A. Pr. 382, E., Pl. usw.). Davon als Rückbildung σφρίγος n. ‘Kraftfülle, Stärke’ (Hermipp.), -ώδης ‘strotzend’ (Orib.), -ανός ‘strotzend, schwellend’ (Theok. 11, 21 v. l., Hp. ap. Tim. Lex., Poll., Sch.). — Intensivbildung auf -άω (Schwyzer 719) volkstümlichen Charakters, was die Suche nach einer gradlinigen Etymologie zu einem gewagten Unter. nehmen macht. Eine "evidente" (Persson Beitr. 2. 871 A 2) Zusammenstellung mit norw. dial. sprikja, schwed. dial. sprika ‘ausspannen, spreizen, auseinanderklaffen usw.’ bei Bugge KZ 20, 40 (auch bei Bq, WP. 2, 683f., Pok. 1001). — Unklar σφριαί· ἀπειλαί, ὀργαί H. Wenn hierher, wohl Wegfall des γ; vgl. Hiersche Ten. asp. 200 A. 50 m. Lit. II-834
*σφυδόω nur in ἐσφυδωμένος (Timokl. 29) ‘vollgestopft mit Essen’; dazu σφυδῶν· ἰσχυρός, εὔρωστος, σκληρός und δια-σφυδῶσαι· αὐξῆσαι H. — Schon wegen der knappen Dekumentation und der nur annähernd bestimmbaren Bed. schwierig zu beurteilen. Hypothesen von Persson (Stud. 144, Beitr. 1, 414f.) sind bei WP. 2, 659, Pok. 998f., Hofmann Et.Wb. s. σπεύδω, Hiersche Ten. asp. 203, z.T. auch bei Bq referiert. II-834
σφύζω, dor. (Theok.) σφύσδω, nur Präs. u. Ipf. ‘heftig schlagen’. vom Puls, ‘zucken, auf etw. losfahren’ (Hp., Pl., Arist., Thphr. u.a.). Davon σφυγ-μός m. ‘Pulsschlag, Herzklopfen. Zuckung’ (Hp., Arist., Plu. u.a.) mit -μώδης und -ματώδης (wie von *σφύγμα) ‘wie ein Puls zuckend’ (Arist., Mediz. u.a.). -μικός ‘vom Pulse’ (Mediz.); σφύξις f. ‘ds.’ (Arist., Gal.). Privativbildung ἄ-σφυκ-τος ‘ohne Pulsschlag, ruhig’ mit -τέω, ἀσφυξ-ία; auch ἀ-σφυγμ-ία f. (Mediz.). Neugebildetes Präsens σφύττω ‘eifrig streben’ (D. Chr.). — Expressives Präsens, in Form und Bed. einigermaßen an σφαδάζω, σπεύδω u.a. erinnernd; s. die ziemlich ergebnislosen Ausführungen bei Persson Beitr. 1, 415 f. (danach Bq. WP. 2, 659, Pok. 998f.). II-834
σφῦρα f. ‘Hammer, Schlägel’ (γ 434, Hes. Op. 425, Hdt., A., Kom., Arist.), übertr. ‘Erdstreifen zwischen zwei Furchen’ (Poll. 7, 145), als Flächenmaß (Daulis IIp), = τῆς σπίμου γῆς τὸ μέτρον mit ὁμό-σφυρος = ὁμόχωρος H.; N. eines Fisches H. (vgl. σφύραινα unten). Kompp., z.B. σφυρ-ήλατος ‘mit dem Hammer getrieben, von getriebener Arbeit, gediegen’ (Hdt., Pi., A., Pl. usw.) mit -έω (Ph.). Davon Demin. σφυρ-ίον n. (hell.), σφύρ-αινα f. N. eines Fisches, ‘Mugil’ (Stratt., Arist. usw.), nach der Körperform (Strömberg 35); -ηδόν ‘hammer-ähnlich’ (Philostr.); -ωσις f. ‘das Hämmern, Schmieden’ (Didyma IIa), = δίάροσις H., -ήματα· τὰ σιδήρια, ὅτι οὐ χεῖται H. — Als schwundstufige Bildung neben σφαῖρα gehört σφῦρα wie σφυρόν (s. d.) allem Anschein nach zu σπαίρω u. Verw. Wie bei σφαῖρα, σπεῖρα, μοῖρα u.a. bleibt aber der formale Prozeß mehrdeutig; urgr. *σφύρ-ι̯α neben σφυρ-όν läßt sich sowohl als primäre Ableitung "die Schlagende, Stoßende" wie als sekundäre Ableitung "Schlag-, Stoßgerät, Schlägel, Stößel" auffassen. Über ein älteres Wort für ‘steinerner Hammer’ s. ἄκμων. Vgl. auch τύκος. II-834-835
σφρυραθία usw. s. σπύραθοι. II-835
σφυρόν n. ‘Fußknöchel, Fußgelenk’ (seit Il.), übertr. ‘der unterste Teil eines Berges’ (Pi., Theok. u.a.). Kompp., z.B. τανύ-σφυρος ‘mit schlanken Fußgelenken’ (h. Cer., Hes.); ἐπι-σφύρ-ια n. pl. ‘Knöchelspangen’ (Il.). Davon σφυρόομαι ‘die Fußknöchel umschnüren, Schnürstiefel anlegen’ (Carm. Pop. 7) mit -ωτήρ, -ῆρος m. ‘Schuhriemen’ (LXX; vgl. Lit. zu σφαιρωτήρ). — Schwundstufiges Verbalnomen zu σπαίρω, aind. sphuráti usw., wahrscheinlich altererbt und mit ahd. spuri-halz ‘hinkend’ (eig. *"knöchellahm"?) bis auf den Auslautsvokal identisch. Hierzu aus dem Germ. noch ahd. spor n. ‘Fußspur’, sporo ‘Sporn’ u. a. m.; s. σπαίρω m. Lit. Die Nebenform σφυδρά pl. (Act. Ap. 3, 7, Pap. IIIp, H., Gloss.) ist volksetymologisch (nach σφόδρα, -ός oder σφυδῶν?; keine Entscheidung bringt Schwyzer 239 Zus. 2). II-835
σφώ, σφρῶϊ s. σφεῖς. II-835
σχαδών, -όνος (σχάδων, Gen. auch -ωνος, -οντος Arist.) f. ‘Brutod. Honigzelle der Bienen’, pl. ‘Honigwabe’ (Kom., Arist., Theok., Pap. IIIa), ‘Larve der Bienen und Wespen’ (Arist.), = κυβευτικὸς βόλος H. — Von Prellwitz u.a. versuchsweise mit σχάζω als "die sich öffnende" verbunden; nähere semantische Begründung fehlt. II-835
σχάζω (Hp., X., Arist. usw.), auch σχάω (Hp., Kom., Arist. u.a.), meist Aor. σχάσαι (Pi., B., Hp., E., Kom., X., Arist., hell. u. sp.) mit Pass. σχασθ-ῆναι, Fut. Pass. -ήσομαι, Akt. σχάσω, Perf. Med. ἔσχασμαι (in ἐσχασμένη als Pfl.name; Strömberg 43), ‘einen Einschnitt machen, aufritzen, eine Ader öffnen, (das Blut) strömen lassen, freien Lauf geben, loslassen, fallenlassen, nachlassen’. auch m. Präfix, z.B. ἀπο-, κατα-, Davon 1. σχάσις (ἀπό-, κατά-) f. ‘das Ritzen, Aderlaß, das Loslassen’ (Mediz., Ph. Bel.). 2. σχάσμα (κατά-) n. ‘Einschnitt, Auslösung’ (Hp., Dsk., Ph. Bel.). 3. κατα-σχασμός m. ‘Schröpfung’ (Mediz.). 4. σχαστήρ = lat. tendicula (Gloss.); κατασ[χ]αστήρ Bed. unbek. (IG 11: 2, 165, 11 [Delos IIIa]). 5. σχαστηρ-ία f. ‘Abzug, Auslöser bei Mechanismen usw.’ (Arist., Ph. Bel., Hero, Plb. usw.; Scheller Oxytonierung 58 A. 4); -ιον n. ‘Lanzette’ (Hippiatr.). — Als urspr. Bed. ist oben wie üblich ‘einen Einschnitt machen, aufritzen’ angenommen, woraus ‘öffnen, loslassen usw.’; das Wort wäre besonders für die ärztliche Berufssprache charakteristisch. Auch eine Grundbed. ‘los-, freilassen o. ä.’ scheint indessen möglich, wobei der geläufige Fachausdruck φλέβα σχάσαι in mnd. āderlāten ‘zur Ader lassen’ ein direktes Gegenstück erhalten würde. — Da das ganze Formensystem offenbar auf dem Aor. σχάσαι aufgebaut ist, wovon σχάζω, σχάω ebenso wie alle übrigen verbalen und nominalen Formen, hat die Etymologie davon auszugehen. Eine sichere außergriech. Entsprechung fehlt. Seit Fick 1, 143 u. 567 wird σχάω allgemein (Bq, WP. 2, 541 f., Pok. 919f., W.-Hofmann s. sciō) u.a. mit aind. chyati (anu-, ava-, vi- usw.), Ptz. chā-ta-, chi-tá-, Kaus. chāy-áyati ‘spalten, verletzen, bes. von der Haut’ verglichen (zur Bed. Hoffmann Münch. Stud. 19, 61 ff., zum Lautlichen Hiersche Ten. asp. 103 f., 214f.). Zu dieser semantisch gewiß einwandfreien Zusammenstellung sei immerhin bemerkt, daß vom aind. Verb außerpräsentische finite Formen, z.B. der hochstufige s-Aorist a-chā-s-it, nur bei den Grammatikern vorkommen. Die weiteren Kombinationen (s. die Lit. oben), z.B. mit lat. sciō, sind nicht weniger hypothetisch. — Somit σχάσαι griechische Neubildung (etwa durch Kreuzung von σχίσαι und ἐάσαι, χαλάσαι o.ä.)? II-835-836
σχαλίς, -ίδος f. ‘Gabel als Stütze aufgerichteter Jagdnetze’ (X., Poll.); davon σχαλίδ-ωμα ‘ds.’ (Poll.; -ωμα erweiternd; vgl. Chantraine Form. 187). — Technisches Wort auf -ίς wie σανίς (s. d. m. weiteren Hinweisen), δοκίς u.a.; Grundwort unbekannt. Man kann es zur Not mit σκαλίς ‘Hacke’ (s. σκάλλω) verbinden (WP. 2, 591, Pok. 923), wobei die Aspiration entweder spontan (Hiersche Ten. asp. 215) oder nach σχάζω eingetreten wäre (vgl. H.: σχαλίδες· δι’ ὧν σχάζουσι τὰ δίκτυα ὀρθὰ ἑστῶτα). Oder als "Halter" zu σχεῖν mit Bildung wie in ἀ-σχαλ-άω? Alt. Lit. (Niedermann IF 15, 104ff.) bei Bq. — Vgl. das synonyme στάλιξ. II-836
σχεδάριον, σχέδιον s. zu σχίζω. II-836
σχέδην Adv. ‘langsam, gemächlich’ (X., Plu. u.a.). — Als "zurückhaltend" zu σχεῖν; Gegensatz ἀνέδην. Vgl. σχεδόν. II-837
σχεδία, ion. -ίη f. 1. ‘Floß’ (Od., att., hell. Pap.), ‘Pontonbrücke’ (Hdt., A. in lyr.), ‘Gerüst’ (Ath. Mech.). 2. ‘Krampe, Klammer’ (Ph. Byz.). Als Vorderglied in σχεδι-ουργός m. ‘Floßbauer’ (Them.). — Ansprechende Vermutung von Bq s.v.: Substantivierung eines Adj. σχεδία (ναῦς, γέφυρα), f. von σχέδιος (s. σχεδόν), wenn nicht vielmehr eine Abstrakt-(Kollektiv-)bildung auf -ία von σχεδόν (vgl. κλισία, οἰκία, ἑστία) "*Stegreifbau, Improvisation". Nicht mit Curtius u.a. (s. Scheller Oxytonierung 62) von σχέδη, das, wenn überhaupt authentisch, aus lat. scheda entlehnt ist (s. σχίζω). —Im Sinn von ‘Krampe, Klammer’ bei Ph. Byz. läßt sich σχεδία als eine bewußte Umdeutung des alten Wortes an Hand einer direkten Anknüpfung an σχεῖν ‘halten’ verstehen (Scheller a. O.). II-837
σχεδόν auch -όθεν ‘aus der Nähe, nahe’ (Hom., A. R.; Schwyzer 628). Adv. ‘nahe’, von Ort und Zeit (ep. lyr. seit Il.), ‘beinahe, fast, ungefähr’ (nachhom. ion. att.); Komp. αὐτο-σχεδόν (-δά P 319) ‘gleich in der Nähe, ganz nahe’ (Hom., Arat.), ‘sogleich’ (A. R.) mit αὐτοσχεδ-ίη, nur in obl. Kas.: Dat. -ίῃ (μάχῃ, ὑσμίνῃ?; vgl. Trümpy Fachausdrücke 113), Akk. -ίην ‘im Nahkampf, Mann gegen Mann’ (Hom.), ἐς ~ ‘in den Nahkampf’ (Tyrt.), ἐξ -ίης ‘unüber- legt, aus dem Stegreif’ (h. Merc.); Adj. -ιος ‘unvorbereitet, improvisiert’ (Arist., hell. u. sp.). Davon σχέδ-ιος ‘in der Nähe befindlich, zum Nahkampf gehörig’ (A. in lyr. u.a.), ‘naheliegend, auf die nächste Gegenwart bezüglich, augenblicklich, unvorbereitet, improvisiert’ (hell. u. sp.); Adv. -ίην ‘im Nahkampf’ (Ε 830), ‘bald’ (Nik.). — Davon die Verba: 1. σχεδι-άζω, auch m. ἀπο- u.a., ‘improvisieren, aus dem Stegreif tun, machen, unbesonnen handeln’ (hell. u. sp.) mit -ασμα, -ασμός, -αστικῶς (hell. u. sp.; zur Bed. Koller Glotta 40, 183ff.). 2. αὐτοσχεδι-άζω ‘ds.’ (att.) mit -αστής (X.), -ασμα, -ασμός, -αστός, -αστικός (Pl. Kom., Arist. u.a.). — Von σχεῖν, σχέσθαι (s. ἔχω) mit δον-Suffix (Schwyzer 626; vgl. Haas Μνήμης χάριν 1, 144f.); eig. ‘(sich) an etw. haltend, anschließend’. Lat. LW schedius, -ium. Vgl. σχέδην. II-837
σχέδῠνος ‘festhaltend’ nur in σχεδύνη φιλότης (Emp. 19). — Bildung wie πίσυνος, θάρσυνος; von σχεῖν mit hiatustilgendem δ nach σχεδόν. II-837
σχελίς, meist pl. -ίδες (A. Fr. 443 = 724 M.[?], Kom., Luk., Poll.), σκελίς, pl. -ίδες (Pap. IIIa, D. Chr., Poll.) f. Bed. schwankend, etwa ‘Rippenfleisch, Keule, Speckseite’, nach H. = τὸ ἀπὸ τῆς ῥάχεως ἕως τοῦ ὑπογαστρίου, auch = κρέα ἐπιμήκη τετμημένα. — Allgemein zu σκέλος gezogen, semantisch wohl nicht unmöglich, aber gewiß nicht ganz zutreffend; dabei muß die aspirierte Form sekundär sein (Hiersche Ten. asp. 217). Da aber in σκέλος die Schreibung σκ- fest ist (σχέλος nur in einer Inschr. Delos IIIa), ist das aspirierte σχελίς, ausgerechnet in den ältesten Belegen, etwas befremdlich. Somit umgekehrt σκελίδες Neuerung nach σκέλος für das undurchsichtige und unerklärte σχελίδες? II-837-838
σχενδύλη (Eleusis IVa, H.), <σ>κένδῡλᾰ (AP; voraus geht -οῖς; zum sekund. -ᾰ Solmsen Wortforsch. 260 u. 262) f. Bez. eines Werkzeugs der χαλκεῖς, wahrscheinlich ‘Zange’. Davon σκενδύλια n. pl. ‘Beiß-, Kneifzange’ (Hero). Bei H. noch σχενδυλό-ληπτοι ‘in einer Zange gefangen’ und das Ptz. Pf. ἐσχενδυλῆσθαι, von *σχενδυλάω ‘mit einer Zange kneifen’. — Unerklärt (Bildung wie κανθ-, κορδ-ύλη). Wenn die Aspirata ursprünglich ist, vielleicht mit Niedermann IF 15, 108 f. zu χανδάνω, χείσομαι (aus χενδ-) ‘fassen’ mit σχ- nach σχεῖν (Chantraine Form. 251). II-838
σχερός · ἀκτή, αἰγιαλός H., Theognost. Kan. — Nach Hiersche Zeitschr. f. Phon. 17, 515ff., Ten. asp. 218 ansprechend für *σκερός zu ags. score, mnd. schore ‘(felsige) Küste, Ufer’ (idg. sqer-, s. κείρω); daraus mit Metathese ξερός (s. d.)? Zu Σχερία noch Hennig RhM 75, 266 ff. (aus phöniz. Schchr = Sxr ‘Handelsplatz’). — Weiteres s. ἐπισχερώ. II-838
σχέτλιος Adj. mit starkem Gefühlston, gew. in herabsetzendem Sinn gebraucht, etwa ‘verwegen, ruchlos, grausam, elend’ (seit Il.), ganz selten in positivem Sinn, etwa ‘hartnäckig, unermüdlich’ (Hom.); Einzelheiten zur Bed. bei Brunius-Nilsson Δαιμόνιε (Diss. Uppsala 1955) 46ff., 75ff. Davon σχετλι-άζω, ganz vereinzelt m. κατα-, ἀπο-, ἐπι-, ‘etw. als grausam usw. empfinden, sich empören, sich beklagen’ (att.) mit -ασμός (Th., Arist. u.a.), -αστικός (sp.). — Wohl aus *σχέ-θλιος dissimiliert, das eine Nebenform zu *σχε-θλό-ς sein kann (vgl. μείλιχ-ος : -ιος, ἥσυχ-ος : -ιος u.a.); vgl. das Oppositum ἐσ-θλό-ς. Urspr. Bed. sonnt ‘aushaltend’; vgl. Hermann Sprachwiss. Komm. zu ι 295. II-838
σχίζω (Pi., Hdt., att. usw.), Aor. σχίσ(σ)αι (seit Od.), Pass. σχισθ-ῆναι (seit P 316), Fut. -ήσομαι, Akt. σχίσω, Perf. Med. ἔσχισμαι (hell. u. sp.), ‘spalten, durchschneiden, trennen’. sehr oft m. Präfix, z.B. ἀπο-, δια-, ἀνα-, περι-, Zahlreiche Nomina. A. Mit unverändertem Wz.-auslaut: 1. σχίδα· σχίδος σινδόνος, ῥῆγμα (cod. π-) H. wie κλάδ-α Akk. sg. (Schwyzer 507); wenn nicht dor. od. hell. Nom. (Kretschmer Glotta 10, 170); als Hinterglied in ἀπο-, δια-, παρα-σχίδες pl. (selten sg. -σχίς) f. ‘Abspaltungen, Verzweigungen usw.’ (Mediz. u.a.). 2. σχίδ-αξ, -ᾰκος m. ‘gespaltenes Holz, Scheit, Splitter’ (LXX, D. S. u.a.) mit -ακηδόν, ὑπο- ~ -ακώδης (Mediz.); vgl. χάραξ, κάμαξ u.a. 3. σχίδος· τὴν ἀπόσχισιν H.; aber -σχιδής, z.B. in ἀ-, ἀκρο-, νεο- ~ (hell. u. sp.) direkt vom Verb. 4. σχίδ-ια· ὠμόλινα H., lat. schidia f. sg. ‘Holzspan’ (Vitr.). 5. σχιδανός (wie πιθανός) in ~ -πους (Arist.) = σχιζό-πους ‘mit gespalteten Füßen, Zehen’ (Arist.). — B. Mit verändertem Wz.-auslaut: 1. σχίζα f. ‘gespaltenes Holz, Scheit usw.’ (Hom., Ar., Pap. u.a.), ‘Schaft, Wurfspieß’ (LXX,AP); von *σχίδ-ι̯α oder an σχίζω angelehnt (Schwyzer 474); Demin. -ίον n. (Poll., Alkiphr.); -ίας m. ‘Latte, lattenähnlich’ (Kratin., Dikaiarch., hell. Pap. u.a.). 2. σχιστός (ἄ- ~ usw.) ‘gespalten’ (Hp., att.). 3. σχίσις (ἀπό-, διά- u.a.) f. ‘das Spal- ten, Zerschneiden’ (Pl., Arist. usw.). 4. σχισ-μός (δια-, περι-, ὑπο-, ἐν-) m. ‘ds.’ (A. Ag. 1149, delph. Inschr., Pap. u.a.); -μα (auch m. ἀπό-, διά- u.a.) n. ‘Spalt, Riß’ (Arist., Thphr. usw.); -μή f. ‘ds.’ (LXX, H.); aus -σμο-, -σμα oder aus σχιδ-μ- umgebildet (Schwyzer 321 u. 493). — C. Von σχίζω unabhängig: 1. σκινδάλαμος m. ‘Splitter, Haarspalterei usw.’ (Ar., Luk. u.a.; nach κάλαμος), auch σκινδαλμός m. ‘ds.’ (Dsk., Alkiphr.), σχινδαλμός, σχιδαλαμός u.a. (v. l. Hp. Mul. 2, 133); zum Suffix vgl. σκαλμός, ὀφθαλμός (auch Schwyzer 492 A. 7), zur Nasalierung unten; daneben σκινδύλιον n. ‘Schindel’ (Delph. IIa), ἀνα-σχινδυλεύω ‘aufspießen’ (Pl.), -σκινδυλεύω, -σκινδαλεύω (H., EM, Phryn.), nach σκυλεύω, σκαλεύω u.a.; σχινδύλησις f. ‘das Spalten’ (Hp. ap. Gal.). 2. σκιδαρόν· ἀραιόν H. 3. σκοῖδος m. = οἰκονόμος, ταμίας usw. Bez. einer makedonischen Behörde (Hdn. Gr., Poll., H.), Bein. des Dionysos (Men.); σκοιδίᾳ f. Dat. ‘der Fürsorgerin, Hausverwalterin’ (Naxos I-IIp). Zu sämtlichen Wörtern unter C s. Hiersche Ten. asp. 215ff. m. Lit.; daselbst auch über den Anlaut σχ-. — Die obigen Wörter, mit Ausnahme der unter C aufgeführten, bilden ein auf idg. Basis aufgebautes, innerhalb des Griechischen reich entwickeltes System. Für den näheren Vergleich kommen namentlich folgende Formen in Betracht : 1. ἀπο-σχίδ-ες = aind. apa-chíd- f. ‘Abschnitt, Schnitzel’. 2. σχιστός = lat. scissus (aus *scid-to-s), aw. a-sista-; dagegen aind. chinná- (aus *chid-ná-). 3. Aor. σχίσαι, -ασθαι : aind. Aor. Med. chit-s-i (vgl. die zurückhaltenden Bemerkungen bei Schwyzer 751). 4. Eine Spur des alten Nasalpräsens in lat. sci-n-dō, aind. chi-ná-d-mi, pl. chi-n-d-ánti ‘abschneiden, spalten’ könnte in σκινδάλαμος, ἀνα-σχινδυλεύω u.a. erhalten sein. Dagegen steht das Jotpräsens σχίζω isoliert und ist ebenso wie die übrigen Verbformen zunächst als eine griech. Neuerung zu betrachten. Gegen Gleichsetzung von σχίζεται und dem aind. Pass. chid-yá-te Wackernagel Unt. 133. Neben σχίζω steht mit Hochstufe lit. skíedžiu ‘trennen, scheiden’. 5. Zu σκιδαρόν vgl. aind. chidrá- ‘durchlöchert’, ahd. scëtar ‘dünn, lückenhaft’ u. a.; für σκιδαρόν ist auch Beziehung zu σκε-δάννυμι zu erwägen (Frisk Nom. 10 f.). 6. Mit σκοῖδος deckt sich der Bildung nach aind. cheda- m. ‘Abtrennung, Abschnitt, Riß’ (Palatalisierung nach chid-). 7. Von σχίσις (Neubildung; vgl. πίστις) unabhängig aind. ví-chitti- ‘Unterbrechung’. — Weitere Verwandte, u.a. arm. c̣tim (aus *c̣it-im) ‘sich ritzen, zerkratzen’, für das Griechische ohne näheres Interesse, bei Bq, WP. 2, 543 f., Pok. 920f., W.-Hofmann s. scindō m. Lit. — Lat. LW scheda f. ‘Papyrusstreifen’ aus *σχίδη (oder σχίδα?; s. oben A. 1), auch ‘Konzept’ durch Einfluß von schedium n. ‘Stegreifrede, Entwurf, Skizze’ = spät- u. ngr. σχέδιον ‘ds.’ (zur Bed. s. σχέδιος zu σχεδόν), σχεδάριον; dazu noch ital. schizzo, frz. esquisse, nhd. Skizze; s. Kretschmer Glotta 10, 168 ff. II-838-840
σχῖνος m. ‘Mastixbaum, Pistacia Lentiscus’ (Hdt., Thphr., Theok., LXX u.a.), ‘Meerzwiebel, σκίλλα’ (Epich., Hp., Kom. u.a.). Einzelne Kompp., z.B. σχινο-κέφαλος ‘mit meerzwiebel-ähnlichem Kopf’ (Kratin. u.a.). Davon σχιν-ίς f. ‘Mastixbeere’ (Thphr.), -ινος ‘von M.’ (Mediz.), -ειος ‘ds.’ (Theognost.), -ίζω, -ίζομαι ‘die Zähne mit M. reinigen’ (Jamb., EM, Phot.), auch Bez. gewisser Tanzbewegungen (Ath.). — Unerklärt. II-840
σχοῖνος myk. ko-(i-)no? m., auch f. ‘Binse, Binsicht, Schilfrohr, aus Binsen geflochtenes Seil’ (seit ε 463), auch als (ägypt.) Längenmaß zum Landmessen gebraucht (Hdt. 2, 6, Hero, Pap. u.a.). Kompp., z.B. σχοινο-τενής ‘schnurgerade’ (Hdt.), ‘gedehnt, von Binsen geflochten’ (sp.; vgl. zu τεί-νω). Viele Ableitungen 1. σχοιν-ίον n. ‘Seil, Strick’ (Hdt., Kom. u.a.), ‘Meßschnur, Längenmaß’ (Arist., hell. u. sp.). 2. -ίς, -ῖδος f. ‘Seil, Strick’ (Theok., hell. Inschr.), -ίς, ΐος Adj. ‘von Binsen geflochten’ (Nik.). 3. -ιά f. ‘Binsicht, Röhricht, Büschel, Umzäunung’ (Thphr., Str. u.a.; Scheller Oxytonierung 74f.), -ιαία f. ‘Umzäunung’ (Olbia, Odessus IIIa). 4. -ίλος (v. l. -ίκλος) m. N. eines Vogels, viell. ‘Bach- stelze’ (Arist.; s. Thompson s. v.), -ίων m. ‘ds.’ (Arist.), auch ‘weichliche Flötenmelodie’ (Plu., Poll.). 5. -εύς m. N. eines Vogels (Ant. Lib.), auch PN, Eponym der Stadt Σχοῖνος in Böotien (Paus., St. Byz.; Boßhardt 109; vgl. Σχοινοῦς unten); f. -ῄς, ῇδος (-ηΐς, -ηΐδος) f. Bein. der Aphrodite (Lyk. 832; nach Sch. z. St. wegen der sexuellen Wirkung der Binse [?]). 6. -άτας m. Bein. des Asklepios ἐν τῷ Ἕλει (Sparta IIIp). 7. -ᾱ͂ς m. ‘Seiler’ (Pap. IVp). 8. -ῖτις (καλύβη) ‘aus Binsen verfertigt’ (AP). 9. Adj. -ινος (Kom., E. usw.), -ικός (hell. Pap., Gp.), -ιος (Pap. IIIa) ‘von Binsen, aus Binsen geflochten’; -ώδης ‘voll Binsen, binsenartig’ (Nik., Dsk.); -οῦς, -οῦντος ‘binsenreich’ (Str.), Σχοινοῦς Fluß- und ON (Böotien, Arkadien; Str., Paus., Krahe Beitr. z. Namenforsch. 2, 233; vgl. -εύς oben). 10. Verb ἀπο-, παρα-, περι-σχοινίζω ‘mit einem Seil absperren bzw. umschließen’ (D., D.H., Plu. u.a.) mit (περι-)σχοινισμός (Delph., Pap.), (παρα-, περι-)σχοίνισμα (LXX, Plu. u.a.). — Unerklärt. Frühere Deutungsversuche bei Bq und W.-Hofmann s. fēnum, fīnis und fūnis. II-840-841
σχολή f. ‘Rast, Muße’ (Pi., ion. att.), ‘(gelehrte) Unterhaltung, Vortrag’ (Pl., Arist. usw.), ‘Ort des Vortrags, Auditorium, Schule’ (Arist. usw.). Als Hinterglied u.a. in ἄ-σχολος ‘ohne Muße, beschäftigt’ mit ἀσχολ-ία f. ‘Beschäftigung’ (Pi., ion. att.), -έω, -έομαι (Arist. usw.), -ημα (Str. u.a.), -ηματικός (Vett. Val.). Zu σχολή und ἀσχολία bei Arist. s. Fr. Solmsen RhM 107, 193ff. Davon 1. σχολ-αῖος ‘müßig, langsam’ (ion. att.) mit -αιότης f. (Th. u.a.). 2. -ικός ‘für den Vortrag abgesehen, zur Schule gehörig’ (D. H., D. Chr. usw.). 3. -ερός ‘müßig’ (sp.). 4. -ιον n. ‘Erklärung, Kommentar, Scholion’ (hell. u. sp.) mit -ύδριον, -ιάζω, -ιαστής (Tz., Eust.). 5. -εῖον n. ‘Schule’ (Arr.), auch ‘Ruhestätte’ = ‘Grab’ ? (kleinasiat. Inschr.). 6. -άζω, auch m. ἀπο-, συν- u.a., ‘Muße haben’ (att.), ‘für etw. Muße haben, sich mit etw. beschäftigen’ (X., D. usw.), ‘Vorträge halten’ (hell. u. sp.) mit -αστής m. ‘in Muße lebend, müßig’ (Kom. Adesp., LXX, Plu.), συ-~ ‘Mitschüler’ (hell. u. sp.), -αστικός ‘müßig’ (Arist. usw.), ‘dem Studium zugewandt, Gelehrter, bes. Stubengelehrter’ (hell. u. sp.), ‘öffentlicher Berater’ (sp. Pap.). — Eig. "Zurückhalten, Einhalten"; vom Aor. σχ-εῖν (s. ἔχω) mit λ-Sufflx, wobei sich der Themavokal nach den zahlreichen Verbalnomina mit wurzelhaftem -o- (βολή, στολή, γονή usw. usw.) richtete. Vgl. ἀσχαλάω. II-841
σῶκος Bein. des Hermes (Υ 72); Σῶκος m. PN (A 427ff.). Daneben σωκέω ‘stark sein, Kraft besitzen’ (A. Eu. 36, S. El. 119 [anap.]); σῶκος somit ‘stark, kräftig’. — Nicht sicher erklärt. Nach Bechtel Lex. s. v. aus *Σάοκος als Kurzform von *Σαο-κράτης (> Σω-κράτης; vgl. kypr. Σαϝο-κλεϝης); das Appellativum wäre somit aus dem PN entstanden. Andere Hypothesen bei Bq und WP. 1, 747 (m. Lit.), Pok. 1098: zu σηκός oder als idg. *tu̯ō-qo-s mit σῴζω urverwandt (so auch Fraenkel Lexis 3, 66 ff.; ablehnend v. Wilamowitz Glaube 1, 163; vgl. noch Orgogozo Rev. de l’hist. des religions 136, 150); das q-Suffix auch in lit. tùk-ti ‘fett werden’, taukaĩ pl. ‘Fett, Schmer, Mark in den Knochen’ nach Fraenkel a.O. Wb. s. vv. II-841-842
σωλήν, -ῆνος m. ‘Röhre, Rinne’ (ion. seit Archil., hell. u. sp.). ‘Hohlziegel’ (hell. Inschr.), N. eines Schaltiers, ‘Schneidemuschel’ (dor. u. att. Kom., Arist. u.a.; Thompson Fishes s.v.). Als Vorderglied u.a. in σωληνο-ειδής ‘röhrenförmig’ (Aen. Tact. u.a.); zu σωληνο-θήρας, -κέντης noch Fraenkel Nom. ag. 2, 93 u. 108 f. Davon die Demin. σωλήν-ιον, -ίδιον, -άριον, -ίσκος (hell. u. sp.); außerdem -ωτός ‘röhrenförmig’ (Lyd.) und die Verba -ίζω ‘aushöhlen’ mit -ισμός (Ruf. ap. Orib.), -όομαι ‘als Röhre dienen’ (v.l. Paul. Aeg.). -εύομαι = συμπεριφέρομαι (EM, H.); dazu -ιστής m. ‘Muschelfänger’ (Phaenias ap. Ath.). — Bildung wie κωλήν, πυρήν u.a. (Schwyzer 487, Chantraine Form. 166 f.), somit wohl zunächst von einem Nomen *σωλος (-ον). Sonst unklar; Hypothese von Solmsen Wortforsch. 129 ff. (wo ausführlich über Bed. u. Belege): aus idg. *tu̯ō-l- zu σῦριγξ (s. d.) und σαυρωτήρ (s. σαύρα). Pelasg. Etymologie bei v. Windekens 136f. Ält. Lit. bei Bq. II-842
σῶμα n. ‘lebendiger od. toter Körper, Leib’ (seit Il.; bei Hom. ist überall die Bed. ‘Leichnam’ notwendig od. möglich; vgl. Herter Charites E. Langlotz gewidmet [Berlin 1957] 206ff. m. Lit.), ‘Person’ (att. usw.), ‘Sklave’ (hell.u.sp.; zur Bed.-entw. und Verbreitung E. Kretschmer Glotta 18, 80 f.); übertr. ‘Gesamtheit’ (A., Pl., Arist. usw.), ‘Text eines Dokuments’ (Pap.). Kompp., z.B. σωματο-φύλαξ ‘Leibwächter’ (hell. u. sp.); Univerbierung σωμ-ασκ-ία f. ‘Leibesühung’ (Pl., X. u.a.) von σῶμα ἀσκέω; dazu als Rückbildung σω-μασκ-έω ‘Leibesübungen anstellen’ (X., Plb. usw.); τρι-σώματος ‘dreileibig’ (A., E.), spät τρί-σωμος ‘ds.’ (An. Ox.); zum Stammwechsel vgl. Schwyzer 450. Davon 1. Demin. σωμάτ-ιον n. (Pl. Kom., Arist. usw.; meist herabsetzend). 2. -ίδιον n. ‘Text eines Dokuments’ (Pap.). 3. -εῖον n. ‘Körperschaft, Kollegium’ (Cod. Just.). 4. -ικός ‘körperlich’ (Arist. usw.), -ινος ‘ds.’ (Gloss.), -ώδης ‘körperlich’ (Arist. u.a.). 5. -όομαι, -όω (ἐν-, ὑπο-) ‘verkörpert werden, verkörpern’ (Arist., Thphr. u.a.) mit -ωσις f. (Thphr. u.a.). 6. -ίζω (δια-, ἐν-) ‘einen Text redigieren’ mit -ισμός m. (Pap.). — Für ‘Körper, Leib’ besitzen die idg. Sprachen mehrere Ausdrücke, unter denen nur lat. corpus u. Verw. (z.B. aind. kr̥p-) einen ausgedehnten Gebrauch gefunden haben und ein hohes Alter beanspruchen können. Eine überzeugende Anknüpfung für die rein griechische Bildung σῶ-μα ist bisher nicht nachgewiesen. Formal liegen sowohl σω-λήν wie σω-ρός nahe; bei der letztgenannten Kombination ist für σῶμα aus *tu̯ō-mn̥ eine Grundbedeutung ‘Gedrungenes, Anschwellung’ angenommen worden (seit Froehde BB 14, 108). Andere Vorschläge, alle aus verschiedenen Gründen ebenfalls anfechtbar oder unsicher: aus *σῶπ-μα zu σήπομαι, σαπρός (Wackernagel KZ 30, 298f. = Kl. Schr. 1, 661 f.); zu ἐπί-σσωτρον (Schwyzer 523; fragend); aus *[s]ti̯ō-mn̥ "das, was steif wird" zu aind. styā- ‘gerinnen, steif werden’ (Thieme KZ 78, 114 A. 4); zu σίνομαι (Abl. sō[i]-: sĩ-) als ‘Gegenstand des σίνεσθαι’ (Koller Glotta 37, 276 ff.; zustimmend Harrison The Phoenix 14, 64). — Vgl. σωρός; auch W.-Hofmann s. tōmentum. II-842-843
σώομαι in σώοντο, σωομένους (A. R.) s. σεύομαι. II-843
σῶρι (Dsk.), Gen. -εως (Dsk., Hippiatr.), lat. -eos (Cels., Plin.), σῶρυ (Gal., Orib.) n. N. eines Erzes, viell. ‘Eisensulfat’. ETYMOLOGY :Bildung wie στῖμι, σάρι, bzw. μίσυ, μῶλυ u.a. Fremdwort unbekannten Ursprungs. II-843
σωρός m. ‘Haufen, Getreidehaufen’ (Hes., Hdt., X., Ar., Arist. u.a.). Wenige u. sp. Kompp., z.B. πολύ-σωρος ‘mit vielen Getreidehaufen’, Bein. der Demeter (AP; vgl. σωρῖτις unten). Davon 1. σώρ-ακος m. ‘Kiste, Korb’ (Ar. Fr. 248, Inschr. u. Pap. u.a., nach θύλακος; anders [abzulehnen] Nehring Glotta 14, 182) mit -ακίς f. Bez. eines Geräts zum Reinigen der Pferde (Pap. IIIa, Poll.). 2. -ίτης m. (sc. λόγος, συλλογισμός) ‘der Häufelschluß’ (Bez. eines Trugschlusses (Chrysipp., Cic., S.E. u.a.) mit -ιτικός (S. E.); -ῖτις f. Bein. der Demeter (Orph.; Redard 113 u. 213). 3. -εός = σωρός (EM, Sch. u.a.: κολεός u.a.). 4. -ηδόν ‘haufenweise’ (Plb., LXX, AP). 5. -εύω, auch m. ἐκ-, ἐπι-, συν- u.a., ‘auf-, anhäufen’ (E., Arist., hell. u. sp.) mit -ευσις (ἐπι-, προσ-, ὑπο-) f. ‘Auf-, Anhäufen’ (Arist. u.a.), -ευμα (ἐπι-) n. ‘das Angehäufte, Haufen’ (X., Eub.), -εία (ἐπι-) f. ‘das Häufen’, auch als mathem. Terminus (Nikom., Plu. u.a.), -ευτής m. ‘der Aufhäufer’ (Phld. u.a.) mit -ευτικός (Sch.). — Unklar σωρότερος, als ‘großer Becher’ erklärt (griech.-kopt. Glossar, s. Aegyptus 6,215). Ohne außergriech. Entsprechung. Innerhalb des Griechischen meldet sich zum Vergleich σῶμα (wie γνῶ-μα : γνώ-ρ-ιμος, κλῆ-μα : κλῆ-ρος u.a.m.). Von idg. *tu̯ō-ro-s ausgehend, sucht Solmsen IF 26, 2 13 ff. (wo auch gegen Verbindung mit σορός) Anschluß an σῶς, σάος, des weiteren auch an ταΰς, τύλη (s. dd.) u.a.m. (idg. tēu- ‘schwellen’; WP. 1, 706ff., Pok. 1080ff.). II-843-844
σῶς (att.; auch Hom., Hdt.), σάος (ep. poet. seit Il. [σαώτερος]. auch kypr., ark., lak. usw.), σῶος (Hdt., Hp., X., hell.), σόος (ep., auch Hdt.); Komp. σαώτερος (A 32, X., Theok., AP). ‘heil, gesund, unversehrt’; Als Vorderglied u.a. in Σαϝο-κλέϝης (kypr.), σαό-φρων (ep. poet.), σώ-φρων (att.), Σαυ-κράτης (böot.), Σά-δαμος (ark.); als Hinterglied in νηο-, τεκνο-σσόος (poet.; vgl. zu σεύομαι). Davon ep. Aor. σαῶ-σαι, Pass. σαωθῆναι, wozu Fut. σαώσω, Präs. σαόω; mit Kontraktion ion. att. σῶσαι, σωθῆναι, σώσω (Inschr. σωῶ), σῴζω (seit ε 490, Hes. Op. 376; aus *σω-ΐζω); dazu Perf. Med. σέσωσμαι (Trag.), σέσωμαι (Pl. u.a.), Akt. σέσωκα (hell.), oft m. Präfix, z.B. ἀνα-, ἀπο-, δια-, ἐκ-, ‘am Leben erhalten, retten’, Med. Pass. intr. ‘am Leben bleiben, sich retten’. Als Vorderglied u. a. in σωσί-πολις ‘die Stadt rettend’ (Ar., Str. u.a.). Vom Verb: 1. σωτήρ, -ῆρος m. ‘Retter’ (h. Hom., Pi., ion. att.) mit σωτηρ-ία, -ίη f. ‘Rettung’, -ιος ‘Rettung bringend, rettend’ (ion. att.), -ιώδης ‘heilsam’ (Gal. u.a.), -ιασταί m. pl. ‘Verehrer’ der θεοὶ σωτῆρες bzw. der Ἄρτεμις Σώτειρα (rhod., att.; Fraenkel Nom. ag. 1, 178). Archaisierende Nebenformen: σαωτήρ (Kall. u.a.), σαώτωρ (Maiist. IIIa), Σαώτης Bein. des Dionysos (AP, Paus.); Hypokorist. Erweiterung Σωτήριχος PN (Plu., Luk. u.a.). 2. f. σώτειρα. (Pi., ion. att.). 3. σῶστρα n. pl. (-σ- wie in σέσω-σ-μαι u.a.) ‘Rettungslohn, Dankopfer für Errettung des Lebens’ (Hdt., X. usw.) mit σαοστρεῖ 3. sg. (wohl = σαω-; Kephallenia). 4. σωστικός (δια-) ‘rettend, erhaltend’ (Arist. usw.). 5. δια-σώστης m. ‘Schutzmann’ (Just.). 6. ἀνα-σωσμός (Aq.), -σωσμα (Tz.) ‘Rettung’. — Zu den überaus zahlreichen PN auf Σω(ι-), Σωσ(ι)-, Σωτ(ο)- u.a. s. Bechtel Hist. Personennamen 413 ff. — Die obigen Formen können alle auf urgr. σάϝος (kypr. Σαϝο-κλέϝης) zurückgehen; die Ansetzung alternativer Grundformen *σῶϝος oder *σω[υ]ς erübrigt sich. Aus σά(ϝ)ος entstand durch Kontraktion σῶς, woraus durch Thematisierung (über n. pl. σῶα, sg. σῶον?) σῶος; ep. σόος für σάος nach σῶς oder durch Zerdehnung. Ausführliche Behandlung von Leumann Μνήμης χάριν 2, 8 ff. (Kl. Schr. 266 ff.) m. weiteren Einzelheiten und reicher Lit. — Urgr. σάϝος kann für idg. *tu̯ə-u̯o-s stehen und mit *tu̯ō-ro-s, *tu̯ō-mn̥ (in σωρός, σῶμα?) ablauten; die Grundbed. wäre dann etwa ‘stark sein’ (Prellwitz u.a.; s. Bq); vgl. noch zu σωρός und ταΰς, auch zu σαίνω. II-844
σώχω s. ψώχω (zu ψῆν). II-844
ταγγή f. ‘ranziger Geruch’ (Alex. Aphr.), ‘Art Geschwulst (Hp.) mit ταγγ-ίζω ‘einen ranzigen Geruch abgeben’ (Mediz., Gp.), -ίασις f. ‘Art Geschwulst’ (Gloss.), -ός ‘ranzig’ (Gp.; Rückbildung ?). — Isoliert. Der Vergleich einerseits mit wgerm., z.B. nhd. stinken, ahd. stanc ‘Geruch, Gestank’ (Curtius 218, Fick BB 3, 163), anderseits mit awno. stækr ‘stinkend’ (urg. *stēk-i̯a-; Fick 3, 480) stößt auf große lautliche Schwierigkeiten; zu den vielbesprochenen germ. Wörtern ausführlich WP. 2, 617 und Feist Vgl. Wb. s. stigqan m. Lit. II-845
τάγηνον (Kom., Luk.), τήγανον (Kom., LXX; beide Formen Gal.), -άνη f. (Gloss.); auch ἤγανον (Ath. ex Anakr.) mit ἠγάνεα· πέμματα τὰ ἀπὸ τηγάνου H., wohl aus τ’ἤγανον (Schwyzer 413 m. Lit.) n. ‘Bratpfanne’; Kompp.: ταγηνο-στρόφιον n. ‘Bratenwender’ (Poll.), ταγηνο-κνισο-θήρας m. ‘Bratendampfjäger’ (Eup.), τηγανό-στροφον H. (s. λίστριον); ξηρο-τήγανον (Hegesand.; syrakus.), χαλκο- ~ = scutra (Gloss.). Von τάγηνον : ταγην-ίας m. ‘Pfannkuchen’ (Kom.), -ίτης ‘ds.’ (Gal., Ath.; Redard 91), -ίζω, auch m. ἀπο-, ‘in einer Pfanne braten’ (Kom., Ph., Gal.) mit -ισις f. (Gal., Alex. Aphr.), -ιστός (Alex., Gal.), -ισταί m. pl. Titel einer Kom. des Ar. —Von τήγανον : τηγαν-ίτης (Hippon., Gloss.), -ίζω, auch m. ἀπο-, ἐπι- (Kom.., hell. u. sp.) mit -ισμός m., -ιστός (hell. u. sp.); -ητόν = frictum, frixum (Gloss.). — Von den beiden Formen ist wahrscheinlich τάγηνον die ursprüngliche; davon τήγανον (nach Gal. 6, 490 hell.-asiat.) mit Umstellung nach den zahlreichen Geratenamen auf -ανον (umgekehrt Solmsen Unt. 44f.: τάγηνον aus τήγανον; vgl. noch Schwyzer 268). — Technisches Wort ohne Etymologie. Bezzenberger-Fick BB 6, 237 f. (Fick 1,439; 3, 175f.) vergleichen die isolierten ags. þeccan ‘brennen’, ahd. dahhazzen ‘lodern’. II-845
τᾱγός m. ‘Anführer, Gebieter’ (Trag.), insbes. Titel thessalischer Beamter und des thess. Bundeshauptmanns (thess. Inschr., X.), ‘Vorsitzender einer Phratrie’ (delph. Inschr.); zur Bed. usw. Bowra JHSt. 54, 56. Davon ἀ-ταγ-ία f. ‘Mangel eines τ.’ (thess.), ταγ-εύω, auch m. συν-, ‘ταγός sein’ (thess., delph., X.), Med. ‘zum Anführer bestellen’ (A. Th. 58), -έω ‘Gebieter sein’ (A. Pers. 764). Unsicher τᾱγά f. ‘Leitung’ (A. Ag. 110 [lyr.]); vgl. ταγή s. τάσσω. Über angebliches τᾰγοί (Ψ 160) s. Wackernagel Unt. 222. — Thessalischer Amtstitel, der von den Tragikern dem fremden Kolorit zuliebe aufgegriffen wurde (vgl. Björck Alpha impurum 153). Seit alters mit τάσσω, τάττω verbunden, wobei die Vokallänge uralt sein muß. Nach Bezzenberger BB 12, 240 wäre damit zunächst lit. pa-togùs ‘bequem, gefügig. gefällig’, su-tógti ‘sich trauen lassen, sich verheiraten, sich verbinden’ zu vergleichen. Abzulehnen Scovazzi Atti del sodalizio glottologico milanese 1 (1948) 11 f. — Nach Meillet Mél. Glotz (Paris 1932) 2, 587ff. Fremdwort. II-845-846
τάγυρι (⏑⏑⏑) n. ‘eine Kleinigkeit’ (Eup. 3, Theognost. Kan.), ταγύρια (leg. -ι?)· τὰ ἐλάχιστα, τὰ τυχόντα H. — Volkstümliche Bildung ohne Etymologie. II-846
ταινία f. ‘Band, Binde, Kopfbinde, Landzunge, Sandbank’ (ion. att. seit Emp., Epid. u.a.), ‘Bandwurm’ (Gal. u.a.; Georgacas ’Αφιέρ. Τριανταφυλλίδη 487 f.), N. eines bandähnlichen Fisches (Epich., Arist.; Strömberg Fischn. 37f.), auch N. eines Landstrichs in der Nähe des Sees Mareotis (Ath.). Kompp. ταινιό-πωλις f. ‘Bandverkäuferin’ (Eup., D.), ὑπο-ταίνιος ‘eine Landzunge od. eine Sandbank bildend’ (Ph.). Davon die Demin. ταιν-ίον (Priene, EM), -ίδιον (Mediz., Delos u.a.); die Adj. -ιώδης ‘bandförmig’ (Thphr.), -ιωτικός (οἶνος ‘Wein) von Tainia’ (Ath.), ~ papyrus (Plin.); das Verb -ιόω ‘mit Bändern schmücken’ (att. usw.). — Bildung wie das sinnähnliche κειρία (s. d.); vgl. noch κοιλία, ἀντλία u. andere Sekundärbildungen auf -ία. Letzten Endes zu τείνω (Curtius 217 m. älterer Lit.), aber im einzelnen etwas unklar. Das nächste Grundwort ist ohne Zweifel ein Nomen, wahrscheinlich ein Subst., etwa *ταῖνα (*ταινος Specht KZ 62, 218 A. 3) wie σφαῖρα u.a. Über andere Auffassungen s. Scheller Oxytonierung 58 und Georgacas a. O. II-846
τακερός, τάκωνες s. τήκομαι. II-846
ταλα- Vorderglied in verbalen Rektionskompp. (ep. poet.): ταλα-(ϝ)εργός ‘Arbeit ertragend’ (Hom., Hes., Theok. u.a.), ~ -πενθής ‘Leid ertragend’ (ε 222, B. u.a.), ~ -πείρ-ιος ‘der viele Proben überstanden hat’ (Od. u.a.; zur Stammbildung usw. Sommer Nominalkomp. 118). Daneben mit Subjektsfunktion des Hinterglieds ταλά-φρων ‘andauernden Sinnes’ (Ν 300, Opp.; auch ταλασι-, ταλαι-); Kreuzung von ταλα-πεν-θής und Kompp. mit -φρων wie ἐχέ-φρων (Risch 173)? Danach ταλα-κάρδιος ‘mit duldendem Herzen, leidend’ (Hes. Sc., S. in lyr. u.a.). — Zu ταλάσσαι (s. d.); dasselbe Element noch in ταλαός, τάλας, τάλαντα, τάλαρος; s. dd. Daneben ταλαι-, s. ταλαίπωρος. Vgl. noch ταλαύρινος (zu ῥῑνός) und ἀταλός. II-846
ταλαίπωρος ‘Mühsal od. Drangsal erduldend, geplagt, unglücklich’ (A. Pr., S., Ar., Pl., D. u.a.); τὸ ταλαίπωρον ‘Ausdauer, Anstrengung, Abhärtung’ (Hp., Ar., D. H., App.) mit dem Bahuvrihi ἀ-ταλαίπωρος ‘ohne Ausdauer, der Anstrengung abgeneigt, schlaff’ (Hp., Th., Ar. u.a.). Davon ταλαιπωρ-ικός ‘ausdauernd, abgehärtet’ (Gal.), -ία, ion. -ίη, oft pl., f. ‘Anstrengung, Arbeit, ἐνέργεια’ (Hp.), ‘Anstrengung, Mühsal, Leiden’ (Hdt., att.), -έω, -έομαι ‘sich anstrengen, sich abmühen, leiden’ (ion. att.), Akt. vereinzelt auch trans. ‘plagen, quälen’ (Isok., D. C.), mit -ησις, -ημα (sp,); -ίζω = -έω (Phld., Sm.) mit -ισμός (Phld.). — Zur Bed. von ταλαί-πωρος usw. Frisk Eranos 29, 87ff. (Kl. Schr. 295ff.). Zur Form des Vorderglieds ταλαι- (= ταλα-, s. d.) s. Schwyzer 448; Zus. 2 m. Lit. Das Hinterglied stimmt zu einigen fast nur lexik. (H., Suid.) überlieferten Wörtern, die mit πῆμα, πηρός verbunden worden sind (WP. 2, 8): πωρεῖν· κηδεύειν, πενθεῖν (eleisch nach Suid. u.a.), πωρῆσαι· λυπῆσαι, πωρητύς· ταλαιπωρία, πένθος (auch Antim.), πῶρος· ὁ ταλαίπωρος; aber πωρός· τυφλός, πώρωσις· τύφλωσις Suid. von πῶρος ‘Tuffstein’, -όω ‘verhärten, verstocken, mit Blindheit schlagen’. Dagegen nach Persson Beitr. 2, 673 (mit van Blankenstein und Fraenkel) und Schwyzer Zum persönl. Agens (BerlAkAbh. 1942: 10) 10 A. 1 zu einem germ. Wort für ‘Gefahr usw.’ in ahd. fāra f. ‘Gefahr, Nachstellung’, ags. fǣr m. ‘Gefahr, Schrecken’, awno. fār n. ‘Schade, Hinterlist’ u.a., urg. *fēr- (WP. 2, 29, Pok. 818, W.-Hofmann s. perīculum m. weiteren hypothetischen Kombinationen). II-846-847
τάλαντα n. pl. ‘Waagschalen, Waage’ (ep. poet. seit Il.; zum Gebrauch bei Hom. Björck Eranos 43, 58ff.), Bez. einer bestimmten Gewichts- und Werteinheit, ‘Talente’ (seit Il.); sekundär sg. τάλαντον ‘Waage’ (Thgn., B., A., Ar.), ‘Talent’ (seit θ 393). Als Hinterglied u.a. in ἡμι-τάλαντον n. ‘ein halbes Talent’ (seit Ψ 751 u. 796), eig. substantivierter Adj. ‘aus einem halben Talent bestehend’ (Risch IF 59, 51); ἀ-τάλαντος ‘gleichwiegend, gleichwertig’ (α copul.; Il., hell. Epik). Davon ταλαντ-ιαῖος ‘ein T. schwer od. wert’ (att. usw.), -ιεῖος ‘ds.’ (Pap.IIIa); -εύω (auch m. ἀμφι-, ἀντι-) ‘wiegen, wägen, hin und her schwenken’, Pass. ‘schwanken’ (Arist., D.S. u.a.) mit -εία f. (coni. Pl. Kra. 395e); -όομαι (δια-) ‘hin und her schwanken’ (Pl., Ach. Tat.), ἐκ- ~ ‘der Talente beraubt werden’ (Sopat. Kom.) mit ταλάντ-ωσις f. ‘das Wägen, Hin- und Herschwanken’ (Antipho Soph., Arist.); -άω = -εύω (EM). — Eig. "die Emporhebenden, Tragenden", partizipiale Bildung mit ντ-Sufflx zu ταλα- in ταλάσσαι u.a. (Schwyzer 526 A. 1, Egli Heteroklisie 43f. m. Lit.); vgl. τάλας. Lat. LW talentum, -a. — Zu ’Αταλάντη s. bes. II-847
ταλαός ‘ausdauernd, ertragend, unglücklich’ (Ar. Av 687 [anap.], Q. S.) — Bildung wie ταναός u.a. (Schwyzer 472f.), vielleicht nur Kürzung von ταλα-κάρδιος u.a. II-848
τάλαρος m. ‘Korb’ (Hom., Hes. Sc., Ar., Mosch., Paus. u.a.) mit dem Demin. ταλαρ-ίσκος m. (Arist., Theok., AP), -ιον n. (Pap. IIIp, Poll.). — Eig. "Träger", Substantivierung (mit Akzentverschiebung) eines Adj. *ταλα-ρός wie λαγα-ρός, χαλα-ρός u.a.; s. ταλάσσαι. — Über andere Wörter für ‘Korb’ s. κανοῦν, κόφινος, κάλαθος, σύριχος. II-848
τάλᾱς, τάλαινα, τάλᾰν, Gen. usw. τάλ-ανος, -αίνης. -ανος, Dat. auch -αντι (Hippon.), Vok. τάλαν Ausdruck des Mitleids ‘elend, unglücklich’, auch schimpfend ‘Lumpenkerl’ (ep. poet. seit Od. [dort nur Vok.; dazu Brunius-Nilsson Δαιμόνιε 60). — Urspr. ντ-Bildung zu ταλάσσαι wie τάλαντ-α, aber wegen des vielgebrauchten Vokativs nach μέλας, -ανος in die ν-Stämme übergetreten (Solmsen IF 31, 499ff.). Vgl. τᾶν. II-848
ταλασία myk. ta-ra-si-ja? f. ‘Wollarbeit, Wollspinnerei’ (Pl. Lg., X., Ph., Plu.); Als Vorderglied in ταλασι-ουργ-ός f. ‘Wollspinnerin’ (Pl. Ion, Trypho ap. Ath.) mit -ικός (Pl. Plt., X.; Chantraine Études 137), -ία f. (Pl. Plt. u.a.), -έω (X., D. S., Luk.) nach δημιουργ-ός, -ικός, -ία, -έω. Davon ταλάσ-ιος (-α ἔργα) ‘auf die Wollspinnerei bezüglich’ (X.), -ήϊα ἔργα (A. R., Nonn.; nach πολε-μήϊα ἔργα); ταλάσια· τὰ ἔρια H. — Als Vorbild von ταλασία hat zunächst ἐργασία gedient, vgl. Pl. Ion 540 c ἀλλ’ οἷα γυναικὶ πρέποντά ἐστιν εἰπεῖν ταλα-σιουργῷ περὶ ἐρίων ἐργασίας. Nach ἐργάσασθαι : ἐργασία, γυμ-νάσασθαι : γυμνασία, δοκιμάσαι : δοκιμασία usw. (Schwyzer 469) trat zu ταλάσ(σ)αι ταλασία; ein vermittelndes *ταλάτης (Solmsen IF 31, 503 ff.) ist entbehrlich. Als (unbelegte) Bed. von ταλάσ(σ)αι kommt zunächst ‘wiegen’ in Betracht wie in τάλαντα; somit wäre ταλασία eig. *’das Zuwiegen’, wie lat. pensum ‘(zugewogene) Wolle, Wollarbeit, weibliche Tagesarbeit’. Anders Solmsen a. O.: *ταλάτης eig. ‘wer mühevolle Arbeit zu ertragen hat’; vgl. russ. stradátь ‘leiden’, dial. ‘ernten’, stradá ‘schwere Arbeit, Erntearbeit’. II-848
ταλάσσαι Aor. -ασθαι (Opp.), Fut. ταλάσσω (Lyk.); τελάσσαι· τολμῆσαι, τλῆναι H. Daneben τλῆναι, dor. τλᾶναι, auch m. ἀνα- u.a., Fut. τλήσομαι (dor. äol. τλάσ-), Perf. τέτληκα, pl. τέτλᾰμεν, Ptz. τετληώς ‘ertragen, dulden, sich erkühnen, wagen’ (vorw. ep. poet. seit Il.). ‘ertragen, dulden’ (Il.), Als Vorderglied u.a. in τλή-θυμος, dor. τλά̄- ~ ‘duldenden Sinnes, geduldig’ (Pi., AP), Τλη-πόλεμος PN (Il. usw.), auch τλησι-κάρδιος (A. in lyr.); daneben ταλα-(ϝ)εργός, ταλαί-πωρος, ταλασί-φρων (s. bes.). Als Hinterglied in πολύ-τλᾱς ‘vielduldend, ausdauernd’, von Odysseus (Hom. u.a.; zur Bed. Wendling PhW46, 812ff.), wohl alter ᾱ-(ᾱ-τ-)Stamm, somit äol. (Schwyzer 451, Chantraine Gramm. hom. 1, 21 f.). Zu Ἄτλας s. bes. Ableitungen: 1. ταλαός (s. bes.). 2. τλητός, dor. τλᾱτός ‘zum Dulden fähig, erträglich’ (Ω 49, Trag.), gewöhnlicher ἄ-τλητος, ἄ-τλᾱτος ‘unerträglich’ (ep. poet. seit Il.), πολύ-τλητος ‘vielduldend, vielgeprüft’ (λ 38 u.a.). 3. τλήμων, dor. τλά̄μων ‘ausdauernd, standhaft, erduldend, mühevoll, unglücklich’, auch ‘unternehmend, dreist, frech’ (ep. poet. seit Il.) mit τλημοσύνη f. ‘Standhaftigkeit, Geduld, geduldiges Hinnehmen’ (Archil., h.Ap.; zur Bed. Heitsch Herm. 92, 257ff.). — Zu ταλάσσαι stimmen, mit zweisilbiger Schwachstufe, δαμάσ(σ)αι, χαλάσαι. Daneben τελάσσαι (H.) nach dem Haupttypus ἐλάσαι, κεράσ(σ)αι, κρεμάσαι usw.; ob nur die letztgenannten Fälle den ursprünglichen Zustand repräsentieren (vgl. Schwyzer 362 und 752), steht dahin. Das sonst bis auf das Präsens (s. unten) durchgeführte τλη- hat Gegenstücke in ἕστηκα : στῆναι : στήσομαι und ἔσκληκα : σκλῆναι : σκλήσο-μαι; die Kürze in τέτλᾰμεν trat sekundär nach ἕσταμεν ein. Auch τλῆναι kann als Ersatz des mutmaßlich älteren τα-λάσσαι nach στῆναι u.a. gebildet sein. Ganz für sich, sowohl formal wie semantisch, steht das Präsens τέλλω (s. d.) in ἀνατέλλω ‘aufgehen (lassen), erheben’ u.a. — Die weitere Geschichte bleibt mangels entsprechender außergriech. Formen unklar. So steht gegenüber τέτληκα altlat. te-tul-ī, das ein älteres *te-tol-ai repräsentieren kann; ähnlich toch. A Prät. ca-cäl ‘er erhob’. Genaue Übereinstimmung herrscht indessen zwischen τλη-τός, τλᾱ-τός und italokeltischen Formen, lat. lātus aus *tlā-tos (zu tollō, ferō), kymr. tlāwd ‘arm’ (vgl. zur Bed. τάλας). Ablautsbetrachtungen bei Schwyzer 343 und 361 (m. Lit.), die einen sekundären Zusammenfall nicht ausschließen; dazu noch Strunk Nasalpräs. u. Aor. (1967) 54. Zu bemerken noch die Reduktionsstufe in aind. tulā́ f. ‘Waage’ (wäre dor. *ταλά̄; idg. *tl̥lā́) und in germ., z.B. got. þulan, ahd. dolēn ‘dulden’ (wäre urgr. *ταλῆ-ναι wie μανῆ-ναι). — Die Bed. der griech. Verbformen wurde auf ‘ertragen, dulden’ usw. beschränkt; im urspr. Sinn von ‘aufheben’ dafür ἀείρω u.a. Das Verb hatte ursprünglich einen determinierten (konfektiven) Charakter, der u.a. im lat. Suppletivsystem ferō : tulī zum Ausdruck kommt. Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 1, 738ff., Pok. 1060f., W.-Hofmann s. tollō; wichtige Bemerkungen auch bei Ernout-Meillet s. tollō. — S. noch 2. τέλλω, τελαμών, τόλμη, Τάνταλος, τάλαντα u.a. II-848-849
ταλαύρινος ‘schildtragend’ s. zu ῥῑνός. II-850
ταλάωρ, -ωρος m. ‘Bogen’ (Euph. 9, 12; vom Bogen der Artemis, Choerob. in Theod.); ταλαώρεα· τοξεύματα H. — Unerklärt. II-850
τᾶλις, -ιδος f. ‘junges, mannbares Mädchen, Braut’ (S. Ant. 629 [anap.], Kall. Ait. 3, 1, 3). — Viell. äol. Form von τῆλις, s.d. II-850
ταμία, ion. -ίη f. ‘Wirtschafterin, Schaffnerin’ (Hom., Allkm., X., hell. Inschr. u.a.). — Weit gewöhnlicher ταμίας, ion. -ίης m. ‘Wirtschafter, Schaffner, Verwalter, Schatzmeister’ (seit Il.), auch = lat. quaestor (hell. u. sp.); als Hinterglied u.a. in ‘Ελληνο-ταμίαι pl. m. Bez. athen. Beamter, die die Bundeskasse zu Delos zu verwalten hatten (att.). Davon ταμι-εύω, vereinzelt m. δια- u.a., ‘bewirtschaften, haushalten’, Med. ‘wirtschaften, aufsparen, einnehmen’ (ion. att.) mit -εῖον n. ‘Vorratskammer, Schatzkammer, Staatsschatz, fiscus’ (ion. att.), Demin. -είδιον (Men.[?], Suid.), -εία f. ‘Bewirtschaftung, Verwaltung’ (Pl. Lg., X., Hp., Arist. u.a.), -ευσις f. ‘ds.’ (Ael.), -εύματα pl. n. ‘Haushaltungsmaß-nahmen’ (X.), ‘Vorräte’ (D. S.), -ευτής m. ‘Verwalter’ (Poll. v. l.), -ευτικός ‘wirtschaftlich’ (Pap., Poll.), τὸ ~ όν ‘Haus- haltung’ (M. Ant.), -εύτωρ m. ‘ds.’ (Man.), -εύς m. (St.Byz.; Rückbildung), -ευτήριον = ταμιεῖον (Sch.); myk. PN Ta-mi-je-u? ? — Dazu noch ταμ-ικός, -ιακός ‘zum ταμίας od. ταμ(ι)εῖον gehörig’ (hell. u. sp. Inschr. u. Pap.). — Seit alters (Curtius 221) mit Recht auf ταμεῖν ‘schneiden, zerstücken, aufschneiden, verteilen’ bezogen, aber im einzelnen nicht ganz klar. Da sichere Beispiele primärer Ableitungen auf -ίας fehlen, kommt man ohne ein nominales Zwischenglied nicht aus. Seit Fraenkel Nom. ag. 2, 121 wird ταμίας allgemein (z.B. Kretschmer Glotta 15, 189, Lohmann Gnomon 11, 406) als eine Maskulinisierung des bei Hom. gewöhnlicheren aber sonst weit selteneren Femininums ταμία ‘Wirtschafterin’ angesehen. Dagegen spricht aber der Umstand, daß die zunächst vergleichbaren Primärbildungen auf -ία Abstrakta sind: πενία, μανία, θαλία. Deshalh ist Schwyzer 470 u. 473 A. 3 geneigt, in ταμία eine Umbildung des fraglichen τάμ-ιᾰ (Pi.?) zu sehen, wozu sekundär ταμίας. Denkbar ist indessen auch der umgekehrte Vorgang: *ταμ-ία f. ‘das Zerstücken, Verteilen’, wovon sekundär ταμίας m. mit hinzugeschaffenem ταμία ‘Wirtschafterin’ wie ἀγγελίη ‘Botin’ zu ἀγγελίης ‘Bote’ (vgl. zu ἄγγελος). — Abzulehnen Fick 1, 442 (s. Bq). II-850
τάμισος f. ‘Lab’ (Hp., Theok., Nik.) mit ταμισ-ίνης τυρός ‘mit Lab zubereiteter Käse’ (Diokl. Fr.; wie ὀξίνης u.a.), -ιον n. = coagulum (Gloss.). — Zu ταμεῖν mit demselben Ausgang wie in μάδισος, κύτισος (vgl. Chantraine Form. 435, Schwyzer 516f.). Die Bed. entwicklung erhellt aus γαλα-τμ-όν = λάχανον ἄγριον (als Labmittel) und aus σχίζειν τὸ γάλα ‘die Milch gerinnen machen’ (Dsk.). Fick BB 28, 108. II-850-851
τᾶν (τάν) nur in ὦ τᾶν (ὦ τάν) umgangssprachliche Anrede (att.). — Kann durch innere Kürzung von τάλαν entstanden sein (Kretschmer Glotta 1, 58). Bedenken bei Björck Alpha impurum 275ff., wo auch ausführlich über die Bed. (mit Belegstellen). II-851
ταναός ganz fraglich myk. ta-na-wa (von Rädern). ‘dünn, schmal, langgestreckt, sich weit ausdehnend, lang, hoch’ (ep. poet. seit P 589); Als Vorderglied in ταναό-δειρος ‘mit schmalem od. langgestrecktem Hals’, von οἰωνοί (Ar.), öfter mit Elision des -ο-, z.B. τανα-ήκης ‘mit langer Spitze, Schneide’, von Waffen (Hom.), ‘hochragend’, von Binsen, Bergen (Opp., Orph.; vgl. zu ἠκή), auch ταναύ-ποδα Beiw. der μῆλα ‘dünnbeinig, streckfüßig’ (ι 464, h. Ap., Merc., für τανάϝ-?, vgl. Schwyzer 438, Chantraine Gramm. hom. 1, 33, Treu Von Homer zur Lyrik 257); mit -αι- (nach ταλαι-, παλαι- u.a.) ταναί-μῡκος, von βοῦς ‘weithin brüllend’ (AP). — Aus *ταναϝός; vgl. ταλαός, κεραός. Dazu stimmen keltische Formen, z.B. air. ? tanae ‘dünn’ aus urkelt. *tanau̯o- (*tanau̯i̯o-?); s. WP. 1, 724 und Pok. 1069 m. Lit.; des weiteren τανυ- und τάνυται. — Nach Kastner Die griech. Adj. zweier Endungen (1967) 27ff. dagegen aus ταναήκης herausgelöst. II-851
τανεῖαι f. pl. ‘Balken’ (Thphr. HP 4, 1, 2). — Nach der Form zu schließen Fem. eines Adj. *τανύς, s. τανυ-; semantisch möglich. II-851
τανηλεγής daneben -έως (Versinschr., Phrygien). nur in τανηλεγέος θανάτοιο am Versende (Hom., Tyrt.), — Ähnlich δυσ-ηλεγής, ebenfalls von θάνατος (χ 325), auch von πόλεμος u.a. (ep.), ἀπ-ηλεγέως (ep. seit Il.), ἀν-ηλεγής (πόλεμος), -έως (Q. S.), νηλεγής, -έως H., alle zu ἀλέγω ‘sich kümmern’ (mit Anschluß an die ες-Stamme; Schwyzer 513) und mit negativem Vorderglied ‘unbekümmert, rücksichtslos’ (unrichtig über δυσηλεγής s. ἀλέγω). Im Hinblick darauf wollen Blass und Bechtel (s. Lex. s. v.) ἀν-ηλεγής lesen, was semantisch nur allzu gut passen würde; das τ- wäre als Hiatustilger eingedrungen. Die unsichere Möglichkeit, τανηλεγής durch Umgliederung eines elidierten τε zu erklären, erörtert Leumann Hom. Wörter 45. — Über ältere, abzulehnende Deutungen s. Bq s. v. II-851
τανθαρύζω nur in ἐκτανθαρύ<ζ>ω· τρέμω H.; Auch τανθαλύζει (cod. ταντ- alphab. unrichtig)· τρέμει. Δωριεῖς. οἱ δὲ σπαίρει H.; von τανταλίζει (s. Τάνταλος) beeinflußt. Mit ο-Vokal τοιθορύσσειν· σείειν, τοιθορύκτρια· ἡ τοὺς σεισμοὺς ποιοῦσα H. Auch ἐταν-θόριζον (leg. ἐτανθάρυζον?)· ἔτρεμον H. Weitere Einzelheiten bei Debrunner IF 21, 266. ‘zittern’ dazu τανθαρυστοί pl. "die Zitternden", Beiw. von ὅρμοι ‘Halsbänder’ (Theopomp. Kom. 95). — Volkstümliche Wörter mit Intensivreduplikation; wie zu erwarten, ohne klare Genealogie. Eine mögliche Anknüpfung bieten einige balt.-slav. Wörter für ‘zittern usw.’, z.B. russ. drógnutь ‘erzittern, erbeben’, dróžь f. ‘Zittern, Schauer’, lit. drugỹs m. ‘(kaltes) Fieber, Schmetterling’ (Fick BB 3, 163), s. Vasmer s. dróžь m. reicher Lit.; auch WP. 1, 873f., Pok.275. II-852
Τάνταλος m. Vater des Pelops, Großvater des Atreus, mythischer König von Sipylos in Kleinasien, wegen seiner Reichtümer berühmt und zur Vergeltung seiner Missetaten in der Unterwelt gestraft (seit Od.). Davon Τανταλ-ίδαι m. pl. ‘Nachkommen des T.’ (A. in lyr.), -ίς f. ‘Tochter des T.’, d.h. Niobe (APl.), -ειος ‘zu T. gehörig’ (E. usw.), auch -εος (AP) und -ικός (Man.); -ῖτις f. N. einer Pflanze = Γοργόνειον, λιθόσπερμον (Ps.-Dsk.) mit Anspielung auf den Felsen, der den T. zu zerschmettern drohte (Redard 77, Strömberg Pflanz. 101). — Daneben die Verba 1. τανταλ-ίζω ‘schweben’ (Anakr.), Med. ‘wiegen?’ (Sprichwort bei Zen.), τανταλίζε-ται· σαλεύεται, ἐταντάλιζεν· ἔτρεμεν, ἐτανταλίχθη· ἐσείσθη H. 2. -όομαι in τανταλωθείς (S. Ant. 134 [lyr.]), nach Sch. z. St. = διατιναχθεὶς ἄνωθεν κάτω, διασεισθείς. — Wenn idg., aus *Τάλ-ταλ-ος dissimiliert, mit Intensivreduplikation zu ταλα- in ταλα-εργός u.a. neben ταλάσσαι, τλῆναι, τελαμών. Nach gewöhnlicher Auffassung "der Trä-ger" u. zw. des Himmelsgewölbes wie Ἄτλας und wie dies N. eines Berges (auf Lesbos bei St. Byz.); s. RE II: 4, 2224 (Schwenn) und v. Wilamowitz Glaube 1, 64 (mit Sch. E. Or. 982). — Wie sich die Verba τανταλ-ίζω, -όομαι zu Τάνταλος verhalten, ist nicht recht klar. Wahrscheinlich wurden sie von τάλαντα semantisch beeinflußt; vgl. Pl. Kra. 396d, wo übrigens Τάνταλος als ταλάντατος "der vieles aushalten muß" (zu τάλας) gedeutet wird. — Zu τανθαλύζει (cod. ταντ-) s. τανθαρύζω. II-852
τανυ- Vorderglied in mehreren Kompp., urspr. Adj. ‘dünn, schmal, schlank’, z.B. τανύ-φλοιος ‘mit dünner Rinde’ (P 767 u.a.), -φυλλος ‘mit schmalen Blättern’ (Od.), τανύ-σφυρος (neben τανί-σφυρος nach καλλί-σφυρος; auch mit Dissimilation υ — υ zu ι —υ? s. Schwyzer 258 und Specht KZ 61, 277 ff.) ‘mit schlanken Fußknöcheln’ (Hes., h. Cer., Ibyk., B.), τανυ-ήκης ‘mit dünner Spitze’ (Il.; neben τανα-ήκης, s. ταναός). Früh an τάνυται, τανύω angelehnt, wurde das als selbständiges Adj. erloschene τανυ- semantisch mehr od. weniger stark davon beeinflußt, so besonders klar in τανύ-πτερος (Hes., h. Cer. u.a.), τανυ-πτέρυξ (Il.) neben τανυσί-πτερος (Od. usw.) ‘mit ausgebreiteten Flügeln’ bzw. ‘die Flügel ausbreitend’. Eine reine Scheidung ist bisweilen unmöglich wie in τανύ-πεπλος, -γλωσσος, -θριξ u.a.; s. Schwyzer 441 A. 4, Risch ̨ 70 b und besonders Sommer Nominalkomp. 127 f., der mit Specht KZ 59, 35 f. nur die verbale Funktion und Bedeutung als ursprünglich gelten lassen will (abzulehnen). — Das in Griech. erloschene *τανύς hat genaue Entsprechungen in mehreren Sprachen : aind. tanú- ‘dünn, zart, schmächtig, unbedeutend’, lat. tenuis ‘dünn usw.’ (mit regelmäßigem Übergang in die i-Stämme), germ., z.B. awno. þunnr (aus *þunu̯-a-), ahd. dunni ‘dünn’ (zum i-Stamm geworden), slav., z.B. aksl. tьnъkъ, russ. tónkij ‘dünn, fein, schlank’ (mit k — Suffix wie aind. tánuka-), idg. *tn̥nú-. Weitere Formen mit Lit. bei WP. 1, 724, Pok. 1069, W.-Hofmann und Vasmer s. vv. — Eine alte Femininform scheint in τανεῖαι (s. d.) bewahrt zu sein. S. noch τάνυται und ταναός. II-852-853
τάνυται 3. sg. (P 393), τανύ-ω, -ουσι, -οντο u.a. (Hom., Hdt.), Aor. τανύσ(σ)-αι, -ασθαι, -θῆναι, Perf. Med. τετάνυσμαι (seit Il.), Fut. τανύ-ω (Od., vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 452), Pass. -σσομαι (Archil.), -σ(σ)ω (AP, Orph.), ‘spannen, strecken, ausdehnen, ausbreiten’ (ep. lyr., auch ion. Prosa). auch m. ἐν-, ἐπι- u.a., — Die themat. Präsensformen τανύω usw. sind, wahrscheinlich vom 3. pl. τανύουσι, οντο aus, sekundär hinzugekommen. Aus dem Präsens haben sich alle übrigen Formen, τανύσ(σ)αι usw., entwickelt, wahrscheinlich nach ἐρύω, ἐρύσ(σ)αι. Zum νυ-Präsens ursprünglich die außerpräs. Formen τεῖναι, τενῶ, τέταμαι usw., zu denen nachträglich ein neues Präsens τείνω geschaffen wurde; s. d. m. weiteren Anknüpfungen. Morphologische Einzelheiten bei Schwyzer 696, 698f., 756 u. 761 und bei Chantraine Gramm. hom. 1, 304. — Vgl. τανυ-. Ganz wenige Ableitungen: 1. τανυστύ̄ς f. ‘das Spannen’, vom Bogen (φ 112), altertümliche Bildung (wie ἀκοντιστύς u.a., Porzig Satzinhalte 183) neben dem moderneren 2. τάνυσις = τάσις ‘Spannung’, von einem Organ (Hp., Aret.); ein Oppositionsverhältnis (Benveniste Noms d’agent 68 u. 82 f.) läßt sich kaum feststellen. 3. ἐντανυσμός als Erklärung von τανυστύς Sch. zu φ 112. Zu τάνυται stimmt aind. tanuté ‘spannt, breitet aus’. II-853
ταπεινός ‘niedrig gelegen, gering im Range, gemein, unbedeutend, demütig’ (Pi., ion. att.). Einige Kompp., z.B. ταπεινό-φρων ‘niedrigen Sinnes, demütig’ mit -φρονέω, -φροσύνη (LXX, NT, Plu. u.a.). Davon ταπειν-ότης f. ‘Niedrigkeit, Geringfügigkeit, Demut’ (ion. att.), -όομαι, -όω, auch m. ἐκ-, συν-, ‘niedrig, mutlos, demutig werden’ bzw. ‘erniedrigen, entmutigen, demütigen’ (ion. att.) mit -ωσις f. ‘Erniedrigung, Demütigung’ (Pl. Lg., hell. u. sp.), -ωμα n. ‘niedrige Stellung eines Planeten’ (Plu., S.E. u.a.). — Bildung wie αἰπεινός, ὀρεινός u.a., sonst dunkel. Nach Fick 1, 56, 223 u. 439 zu awno. þefja ‘stampfen’, þōf n. ‘Gedränge’. Anders Bally MSL 12, 329, Cahiers F. de Saussure 2, 58f.. von *τάπος n. zu Τέμπεα, eig. *’Niederung’, wozu noch lat. tempus ‘Schläfe’. II-854
τάπης, -ητος (Hom., Herod., Ar., Kos IV—IIIa u.a.), auch τάπις, -ιδος (X., Delos IV—IIIa). Daneben δάπις (s. d.) nach δάπεδον. f. ‘Teppich, Decke’. Vereinzelte Kompp.: ταπιδ-υφάντης m. ‘Teppichweber’ (hell. Pap.), ἀμφι-τάπης m. (mittl. Kom.), ἀμφί-ταπις f. (sp.), ἀμφί-ταπος m. (hell. Pap., LXX u.a.) ‘eine auf beiden Seiten wollige Decke’. Davon die Demin. ταπήτ-ιον (sp.), ταπίδ-ιον (hell. u. sp. Pap.) und ταπητ-άριος, ταπιτ-άριος, -ᾶς m. ‘Teppichfabrikant’ (sp. Pap.). — Bildung wie λέβης bzw. κάλπις und andere Gerätenamen strittiger Herkunft (Schwyzer 499 u. 464, Chantraine Form. 267 u. 335 f.). Orient. LW unsicheren Ursprungs. Nach Schrader KZ 30, 484 (s. auch Liden IF 19, 331 ff.) als iran. LW zu npers. tāb-aδ, Inf. tāftan, tābīδan ‘drehen, wenden, spinnen’, air. Kaus. *tāpaya-, das auf ein schwundstufiges tap- aus idg. tm̥p- neben hochstufigem temp- in lit. tem̃p-ti ‘durch Ziehen spannen od. dehnen, ausdehnen’ usw. zurück- geführt wird; s. WP. 1, 721 f., Pok. 1064f., W.-Hofmann s. templum, auch 1. u. 2. tempus m. weiteren Formen und reicher Lit. Andere Hypothesen (Urverwandtschaft mit tāftan od. kleinasiat. Herkunft) bei Schrader-Nehring Reallex. 2, 521. — Lat. LW tapēt-e, -um, woraus ital. tappeto. ahd. teppīd, teppīh, nhd. Tapete usw. II-854
τάρανδος (auch -δρος) m. Bez. eines gehörnten Tieres der nördlichen Fauna, wahrscheinlich ‘Renntier’ (Schrader-Nehring Reallex. 1, 503), nach H. "ζῷον ἐλάφου παραπλήσιον, οὗ τὰς δορὰς εἰς χιτῶνας χρῶνται Σκύθαι". — Isoliertes Fremdwort. Versuch, durch eine willkürliche Zerlegung das Wort mit ταῦρος zusammenzubringen, bei Specht Ursprung 35 f. Nach v. Windekens KZ 72, 211 f. als pelasgisch zu δορά mit νδ-Sufix, etwa "das mit dem Fell versehene" [?]. II-854
Τάρας, -αντος m. (f.) Stadt in Großgriechenland, lat. Tarentum (Hdt., Th. usw.). Davon Ταραντ-ῖνος ‘tarentinisch, Tarentiner’ (Hdt. usw.), τὸ Τ. N. eines feinen Gewands mit -ινίδιον, -ίνινος (hell. u. sp.), οἱ Τ. N. einer mit Wurfspießen bewaffneten Reiterei (hell.). — Eig. "die Stadt am Tarafluß", s. Kretschmer Glotta 14, 87ff. und 30, 104ff. II-855
ταράσσω, -άττω (Pi., ion. att.), Aor. ταρ-άξαι (seit Il.), Pass. -αχθῆναι, Fut. -άξω, Pass. -άξομαι, Perf. Pass. τετάραγμαι (ion. att.), Akt. -αχα (sp.), ‘um-, aufrühren, in Verwirrung bringen, erregen, erschrecken’. oft m. Präfix, bes. συν-, Davon ταρ-αγμός m. ‘Verwirrung’ (Trag.), -αγμα n. ‘verwirrter Zustand’ (E., D.H. u.a.); zur Bed.differenzierung zwischen -μός und -μα Chantraine Form. 146; -αξις, auch m. ἐκ-, ἐπι-, συν-, ‘Verwirrung usw.’; -άκτωρ m. ‘Unruhestifter’ (A.), -άκτης m. ‘ds.’ (Lyk.), -ακτικός ‘zum Verwirren geeignet, störend’ (sp.), -ακτρον n. "Rührkelle" als Schimpfwort = ‘Unruhestifter’ (Ar.; dazu Fraenkel Nom. ag. 2, 120 m. A.5), -ακτήριον n. ‘ds.’ (Sch.). — Dazu das alte ταραχ-ή f. ‘Verwirrung, Unruhe, Aufruhr’ (Pi., ion. att.) mit -ώδης (ion. att.); als Hinterglied u.a. in ἀ-τάραχος ‘ohne Unruhe, ruhig’ (Arist., hell. u. sp.) neben ἀ-τάρακτος mit ἀταραξ-ία, -ίη (Hp., hell. u. sp.); selten τάραχος m. = ταραχή (X., hell. u. sp.). — An das alte System Aor. ταράξαι, Perf. intr. τέτρηχα schlossen sich zwei Präsentia: θράσσω (mit θρᾶξαι) und ταράσσω (mit ταράξω, τετάραγμαι); letzteres läßt sich auch als Denominativum von ταραχή auffassen. Für weitere Anknüpfungen s. θράσσω. II-855
ταρβέω, böot. τάρβειμι (Hdn. Gr.), Aor. ταρβῆσαι, Perf. τετάρ-βηκα (E.), ‘(vor etw.) erschrekken, scheuen’ (ep. poet. seit Il., sporadisch in hell. u. sp. Prosa). vereinzelt m. προ-, ὑπο-, ἐκ-, Daneben τάρβος n. ‘Schrecken, Scheu’ (Ω 152 = 181, Trag., ganz vereinzelt in sp. Prosa); erweitert in ταρβο-σύνη f. (σ 342) mit -συνος ‘schreckhaft’ (A. Th. 240 [lyr.]) nach γηθο-σύνη, -συνος (Wyss -σύνη 27 u. 38). Mehrere Adj.: ἀ-ταρβ-ής ‘unerschrocken’ (Ν299, Pi. u.a.), sowohl auf ταρ-βέω wie auf τάρβος beziehbar. Rein verbal ἀ-τάρβ-ητος ‘ds.’ (Γ 63 u.a.), ebenso ἀτάρβακτος (s. bes.). Dazu ταρβαλέος ‘furchtsam, fürchterlich’ (ep. poet. seit h. Merc.; nach σμερ-δαλέος, θαρσαλέος u.a.), ταρβήεις ‘furchtsam’ (Nonn.), wie κοτήεις u.a., ταρβάλυξ, -υγος = ὁ ταρακτικός (Hdn. Gr. 2, 743; wie φεψάλυξ u.a.). Weitere Einzelheiten, bes. zum hom. Gebrauch, bei Ruijgh L’élém, ach. 163. Beim ersten Zusehen scheint ταρβέω ein Denominativum von τάρβος zu sein, aber sowohl Alter wie Frequenz der Belege sprechen dafür, daß τάρβος zu ταρβέω sekundär hinzugebildet worden ist (vgl. Risch ̨ 31b). — Ohne sichere Etymologie. Seit Kuhn KZ 13, 454 mit aind. tarjati (ep. klass.) ‘drohen, schelten’ verbunden; semantisch wenig tretend. Über weitere Kombinationen mit lat. torvus ‘wild, finster’, kymr. tarfu ‘verjagen’, russ. trevóga ‘Unruhe’, toch. A trak ‘blind’ s. Mayrhofer, W.-Hofmann und Vasmer s. vv.; dazu noch mit älterer Lit. WP. 1, 736, Pok. 1076f. II-855-856
τάργανον n. ‘verdorbener Wein, Essig, Nachwein’ (Phoèn. [IIIa]). Daneben οἶνος τεταργανωμένος ‘sauerer Wein’ (Pl. Kom.), ταργαίνειν· ταράσσειν H. — Nicht sicher erklärt. Nach gewöhnlicher Annahme zu στεργάνος und τρύξ (s. dd.). Semantisch näher liegt die Sippe terk-, trek- ‘drehen’ in lat. torqueō ‘drehen, winden’, aind. tarkú- ‘Spindel’ u.a. (s. auch ἄτρακτος und ἀτρεκής; dazu WP. 1, 735f., Pok. 1077), die aber durch das auslaut. -k abweicht. Begrifflich steht dieser Etymologie nichts im Wege, da sich Ausdrücke für ‘drehen’ sehr oft auf Getränke, die sauer, bitter oder kahmig werden, beziehen, z.B. ὁ οἶνος τρέπεται ‘der Wein schlägt um, wird sauer, verdirbt’ mit τροπίας ‘verdorbener Wein, τάργανον’, ital. il vino dà la volta ‘ds.’, frz. le lait tourne ‘die Milch wird sauer’ usw. usw., s. die zahlreichen Beispiele bei Lidén Armen. Stud. 105 f., Mélanges de phil. off. à J. Vising (Göteborg 1925) 378 ff. — Hierher somit ταργάναι· πλοκαί, συνδέσεις, πέδαι und τεταργανωμένη· συμπεπλεγμένη, συνειλημμένη H. (vgl. σαργάνη) mit urspr. Bed. ‘Drehung, Windung’ bzw. ‘gedreht, gewunden’ ? Zu τάργανον ‘sauerer Wein’ : ταργάναι ‘Geflechte, Gewebe’ stimmen tatsächlich recht gut nndl. wrang ‘herb, bitter, sauer, vom Geschmack’ : got. wruggo ‘Schlinge’. Andere, unrichtige Vermutung über ταργάναι s. σαργάνη; abzulehnen ebenfalls Güntert Reimwortbild. 142f.: ταργάνη für σαργάνη nach ταρπός. II-856
τάρῑχος auch -ον n. (hell. u. sp.) m. und n. (ion. att. usw.), ‘durch Salzen, Räuchern od. Dörren konservierte Ware (Fisch od. Fleisch)’, auch ‘Mumie’ (Hdt. 9, 120, S. Fr. 646), ganz vereinzelt als Adj. ‘eingepökelt’ (Ael.; Rückbildung). Einige Kompp., z.B. ταριχο-πώλης m. ‘T.-händler’ mit -πώλιον, -πωλέω (Pl., hell. u. sp.), ὠμο-τάριχος m. = σὰρξ θύννου τεταριχευμένου (mittl. Kom., Dsk. u.a.). Davon 1. Demin. ταρίχ-ιον n. (Ar. u.a.), 2. -ηρός ‘das Pökeln usw. betreffend, eingepökelt’, m. ‘Einpökler, Leichenbalsamierer’ (Arist., Pap. u.a.; wie ἐλαι-, ὀξ-ηρός u.a.), 3. -ᾶς m. ‘T.-händ- ler’ (Pap. IIp). 4. -εύω, auch m. προ-, ἐν-, ‘einpökeln, räuchern, dörren’, auch ‘einbalsamieren’, -εύομαι auch ‘verdörren, verkümmern’ (ion. att., Pap. usw.) mit -εία, ion. -ηίη f. ‘Einpö-kelung, Einbalsamieren’ (Hdt., Arist. usw.), -ευσις f. ‘ds.’ (Hdt.), -εῖον n. ‘Pökelanstalt’ (Pap. IIIp), -ευτής m. ‘Einbal- samierer, Einpökler’ (Hdt., hell. Pap. u.a.), -ευτήρ m. ‘ds.’ (Man.), -ευτικός = -ηρός (Dsk.). Für sich steht ταριχώτης Bed. unsicher, viell. = ταριχευτής (Tab. Defix.); vgl. τριχῶσαι· θάψαι H.? Bildungsmäßig isoliert (zum ῖ-Vokal vgl. Schwyzer 644; ἄρρῐχος u.a. mit ῐ); Genus nach ἰχθῦς bzw. κρέας (vgl. Egli Heteroklisie 73 ff.). — Technisches Fremdwort unbekannter Herkunft. Aus dem Griech. arm. taṙex ‘Hering’, syr. ṭārīxā ‘Salzfisch’. — Vgl. ταρχύω. II-856-857
ταρμύσσω Aor. ταρμύξασθαι· φο-βηθῆναι H.; ἀτάρμυκτος ‘unerschrocken’ (Euph., Nik., H., EM). ‘erschrecken’ (Lyk. 1177), — Bildung wie αἰθύσσω, κινύσσομαι, σκαρδαμύσσω u. a., entweder denominativ oder deverbativ. Die semantisch naheliegende Anknüpfung an τρέμω (Persson Beitr. 2, 572 A. 1) mag wegen der Schwundstufe ταρμ- gegenüber τραμ-in τέ-τραμ-ος, τε-τραμ-αίνω Bedenken erregen. Anderer Vorschlag von Debrunner IF 21, 243 (zögernd): von *ταρμός ‘Qual’ zu τείρω. II-857
τάρπη Auch ταρπός f. ‘ds.’ (Poll.). Daneben τερπόνη f. ‘ds.’ (Peripl. M. Rubr. 65 [bis]), τερπος Bed. unklar (Pap. IIIa). f. ‘großer Korb’ (att. Inschr. IVa, Poll., EM, H.). — Ähnlich ταργάναι = πλοκαί usw. (s. zu τάργανον), σαργάνη (s. d.), σάρπους· κιβωτούς. Βιθυνοὶ δέ ξυλίνους οἰκίας H., δάρπη· σαρ-γάνη, κόφινος H., auch ταρσός (s. d.). — Unerklärt. Vermutungen und Kombinationen bei Güntert Reimwortbild. 142f., Bechtel Dial. 2, 289, Hubschmid Thes. Praerom. 1, 77. II-857
ταρσός, att. ταρρός m. 1. ‘(geflochtene) Vorrichtung zum Dörren und Trocknen, z.B. von Käse’ (ι 219, Theok.), ‘Rohrgeflecht, Schilfmatte, flacher Korb’ (Hdt., Th., Ar. u.a.), ‘verschlungene Wurzeln, die ein Netzwerk bilden’ (Thphr.). 2. Bez. allerhand flacher Gegenstände wie ‘Fußblatt, -sohle’ (L 377, 388, Hdt., Hp. u.a.), auch ‘Handfläche’ (sp. Mediz.), ‘Ruder- blatt, Ruder, Ruderreihe’ (Hdt., Th., E., Plb.), ‘Blatt des Vogelflügels, Flügel usw.’ (Mosch., D.H., AP, Ael., u.a.). Ganz vereinzelt als Hinterglied, z.B. σύνταρρος ‘mit einem Flechtwerk von Wurzeln’ (Thphr., von δένδρον), Rückbildung von συν-ταρρόομαι (s. unten). Davon 1. τρασιά (Eup., Ar., S. u.a.), ταρσιή (Semon.), τερσιά (Jul.; nach τέρσομαι) f. ‘Hürde zum Trocknen von Feigen usw., getrocknete Feigen, Trockenplatz für Getreide u.a.’ (Scheller Oxytonierung 87). 2. ταρσώδης (-ρρ-) ‘hürdenähnlich, mattenähnlich, geflochten’ (Thphr.). 3. -ῆται· ἀγγεῖα, ἐν οἷς οἱ τυροὶ ψύχονται H. 4. -όομαι, ganz vereinzelt m. συν-, ἐκ-, ‘ein Flechtwerk bilden’, von Adern und Wurzeln (Hp., Thphr.), -όω ‘mit Rudern od. Flügeln ausrüsten’ (Polyaen., Lyd.) mit -ωμα n. ‘Ruderwerk, Ruderreihe’ (Poll.). — Altes technisches Wort mit nahen Verwandten im Arm. u. Germ.; arm. t‘aṙ ‘Stange zum Trocknen von Trauben usw., Hühnerstange’ (idg. *tr̥s- = gr. ταρσ-, τρασ-), ahd. darra f. ’Darre, Gestell od. Vorrichtung zum Trocknen von Obst usw.’, schwed.-norw. tarre m. ‘Lattenwerk od. Geflecht zum Dörren des Malzes, Brettergerüst zum Trocknen von Brot, Fleisch usw.’, urg. *þarzṓ f., sekund. *þarzán- m., idg. *torsā́ (wäre gr. *τορσή). Lidén Armen. Stud. 45 f. Weiteres s. τέρσομαι. — Die auffallende Bed.verschiebung zu ‘Fußblatt usw.’ ist von der flachen Gestalt der betreffenden Gegenstände ausgegangen. Sie wurde dadurch erleichtert, daß das primäre Verb der poetischen Sprache vorbehalten blieb und in der Prosa von anderen Ausdrücken für ‘trocken’, z.B. ξηραίνω, ersetzt wurde. II-857-858
Τάρταρος pl. Τάρταρα n. m., auch f., ‘Tartaros’, tiefer Abgrund unter der Erde (vorw. ep. poet. seit Il.). Davon Ταρ-τάρ-ιος (Pherekyd. Syr. u.a.), -ειος (E. in lyr.), -ος (Inschr. Bithynien) ‘zum T. gehörig’, -ίτης m. ‘Bewohner des T.’ (Orph.; Redard 185), -ώδης ‘T.-ähnlich’ (Anon. ap. Suid.), -όω, auch m. κατα-, ‘in den T. stürzen’ (Akus. [Va; unsicher], sp.) mit -ωσις f. (Phld.); -ίζω ‘vor Kälte zittern’ (Plu.). — Unerklärtes Fremdwort. Willkürliche Erklärungsversuche bei Carnoy Ant. class. 24, 25, Deroy Rev. int. d’onom. 12, 12 f. Zum Begriff des Tartaros Worms Herm. 81, 39ff., W. Karl Chaos und Tartaros in Hesiods Theogonie (Diss. Erlangen-Nürnberg 1967) 69ff. II-858
τάρφεα Dat. -εσι (Ε 555, Ο 606) n. pl. (A. R. 4, 1238), ‘Dickicht, Gebüsch’; — Zu τρέφω (s. d.) m. Schwundstufe (τάρφεα analog. nach ταρφύς; vgl. Porzig Satzinhalte 246). ταρφύς ‘dicht’ (ep. poet. seit Il.), m. pl. -έες, f. pl. -ειαί (nach πυκιναί, θαμειαί? Schwyzer 385; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 191), n. pl. -έα als Adv. ‘häufig, oft’ (vgl. Leumann Hom. Wörter 166); ganz fraglich myk. ta-pa-e-o-te. II-858
ταρχύω (A. R. 3, 208), Fut. -ύσω (H456 = 674), Aor.-ῦσαι (H85, Q.S. u.a.), Med. -ύσασθαι (A. R., Nonn.), Pass. -υθῆναι (Lyk., AP), Perf. Pass. τετάρχυμαι (sp. Versinschr.) ‘bestatten’; ἀ-τάρχυτος ‘unbestattet’ (Ps.-Phokyl., Lyk.). Daneben mehrere H.-glossen: ταρχάνιον· ἐντάφιον, ἐπίταρχον· ἐπιτάφιον, ἐντάφιον, τέρχανον· πένθος, κῆδος, τέρχνεα· ... ἐντα-φια, στέρχανα· περίδειπνον. ’Ηλεῖοι. Auch τάρχεα und ταρχώ-ματα = τὰ νομισμένα τοῖς νεκροῖς (Sch. A und B zu H 85). — Nicht sicher erklärt. Seit langem (Curtius 729 mit Lobeck) zu τάριχος, -εύω ‘einpökeln, einbalsamieren’ gezogen (so noch Specht Ursprung 165 f. mit unglaubhafter Wurzelanalyse und Nilsson Gr. Rel. 1, 375 A. 6), was sowohl formal wie semantisch auf Schwierigkeiten stößt, s. Hoffmann Festschr. Bezzenberger 81 f. Von anderen als orient. LW betrachtet, u. zw. zunächst zu lyk. trqqas, trqqñti, das als N. eines Gottes oder als Appellativum ‘Gott’ auf luv. Tarḫund- N. des Wettergottes (zu heth. tarḫ- ‘besiegen, bezwingen’) zurückgeführt wird; urspr. Bed. somit ‘deifizieren, wie einen Gott ehren’? (Heubeck Praegraeca 81, Würzb. Jb. 4, 214 mit weiterer Lit., u.a. Blümel Glotta 15, 78ff. [m. ausführl. Behandlung], Kretschmer Glotta 28, 104ff.). Etwas abweichend Carratelli Arch. glottol. it. 39, 78ff.: Tarḫu- eig. ein chthoninischer Gott(?). — Noch anders Hoffmann a. O.: zu στορχάζειν ‘einschließen’. II-858-859
τάσσω, att. -ττω, Aor. τάξαι, Pass. ταχθῆναι, später ταγῆναι, Fut. τάξω, Perf. Pass. τέταγμαι, 3. pl. τετάχαται (Th., X.), Akt. (jungatt.) τέταχα, mit verschiedenen Sinnfärbungen, ‘aufeinen bestimmten Posten, in Reih und Glied stellen, feststellen, ordnen, regeln’ (nachhom.; vgl. Wackernagel Unt. 222). sehr oft m. Präfix, z.B. δια-, ἐπι-, παρα-, προ-, συν-, Zahlreiche Ableitungen: 1. ταγή (δια-, ἐπι-, συν-, ὑπο- usw.) f. ‘(Schlacht)ordnung, Befehl, Proviant usw.’ (Ar. Lys. 105 [dor.], hell. u. sp.; vgl. Buck ClassPhil. 15, 39ff. über byz. ταγίζω ‘füttern’). 2. τάγμα (διά-, ἐπί-, σύν-, πρόσ- u.a.) n. ‘Ordnung, Befehl, aufgestelltes Heer usw.’ (ion. att.). 3. τάξις (διά-, παρά-, σύν-, ὑπό- u.a.) f. ‘Ordnung, Aufstellung usw.’ (ion. att.); συντάξ-ιμον n. Bed. unklar, N. einer Abgabe?, ‘Zensus- liste?’ (Pap.Ip; Arbenz 92m. Lit.). 4. τακτός (ἐπί-, ὑπό-, ἀπό- u.a.) ‘festgestellt, zugemessen, beordert’ (ion. att.). 5. τακτικός ‘die Stellung eines Heeres betreffend, taktisch’ (X. u.a.; vgl. Chantraine Études 132), sehr oft zu den präfigierten ἐπι-τάττω usw. ἐπι-, προσ-, συν-, ὑπο- ~ (Pl., Arist. hell. u. sp.). 6. ἀνα-, δια-, ἐπι-, ὑπο-τάκτης (von ἀνα-τάσσω usw.) m. Bez. verschiedener Behörden usw. (hell. u. sp.); λιποτάκ-της m. ‘Deserteur’ (D. H. u.a.) zu λιποταξίου (γραφή, att.), Zusammenbildung von τάξιν λιπεῖν. 7. ἐπι-τακτήρ m. ‘Befehlsgeber’ (X.), ἀπο- ~ ‘Einsiedler’ (Pap.Vp: ἀποτάσσομαι ‘sich verabschieden’), συν- ~ ‘Anordner’ mit -ήριος (EM). 8. ἐν-τάγ-ιον n. ‘Auftrag’, Demin. ἐπιταγ-ίδιον n. (sp. Pap.); ἐν-ταγ-ής ‘beauftragt’ (sp. Pap.), auch m. nominalem Vorderglied, z.B. ὁμο-ταγ-ής ‘gleichgeordnet, -gestellt’ (Euk., Hero usw.). 9. ἐπιτάξ Adv. ‘in einer Reihe usw.’ (hell. u. sp.; Schwyzer 620). — Zu τᾱγός s. bes. — Regelmäßig ausgebautes Formensystem mit unbekannter Vorgeschichte. Außerhalb der Reihe steht nur das langvokalische τᾱγός, dessen -γ- auf analogisches τάσσω, -ττω (für *τάζω) schließen läßt und im Litauischen eine denkbare Anknüpfung hat (siehe s. v.). II-859-860
τατᾶ Vok. ‘Papachen’ (AP 11, 67), τᾱτί Vok. ‘Mütterchen’ (Herod. 5, 69); τᾱταλίζω ‘mit τᾱτα anreden, schmeicheln’ (Herod.); zur λ-Erweiterung vgl. πυκταλίζω (: πύκτης) u.a. — Lallwort wie lat. tata, russ. táta, aind. tatá- m. ‘Vater’ usw. usw.; daneben τέττα Vok. ‘ds.’ (Δ 412) mit e-Vokal wie lit. tė̃tis, -te ‘ds.’, tetà ‘Tante’, čech. teta ‘ds.’ u.a. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 704, Pok. 1056 und in den betr. Spezialwörterbüchern. Vgl. ἄττα und πάππα. II-860
ταῦ n. indekl. Buchstabenname (Hp., Pl., att. Inschr. IVa u.a.) — aus dem Semit., = hebr. tāw. Vgl. Schwyzer 140. II-860
ταῦρος m. ‘Stier’ (seit Il.). Sehr oft als Vorderglied, z.B. ταυρο-κτόνος ‘stiertötend’ (S. in lyr.); auch als Hinterglied, z.B. θεό-ταυρος ‘Gott-Stier’, von Zeus (Mosch.). Davon 1. Demin. ταυρ-ίδιον n. (Suid.). 2. -ειος ‘vom Stier, vom Rind’, auch Bein. des Poseidon (Il. [nur Fem., vgl. Schmid -εος und -ειος 26], Trag., Ar., Pap. u.a.), -εία, -έα f. ‘Stier-, Ochsenhaut, Peitsche davon’ (Artem.) mit -ίζω = τείνω (An. Ox.; vgl. Grégoire Byzantion 12, 293ff.). 3. -εος ‘ds.’ (Hes. Sc. 140 [äol. für -ιος? Schmid a. O.], att. Inschr. IVa, Lyr. Adesp. Alex., Pap. u.a.). 4. -ικὸν ζεῦγος ‘Ochsengespann’ (hell. Pap.), τὸ τ. ‘ds.’ (sp. Pap.). 5. -ώδης ‘stierähnlich’ (Nik.). 6. -ε(ι)ών, -ε(ι)ῶνος m. Monatsn. in Kleinasien (Inschr., Herod.), -ών m. ‘ds.’ in Alexandria (Ptol.). 7. -ίνη f. aus lat. taurīna f. ‘Schuh aus Stierleder’ (Edict. Diocl.). 8. -εασταί m. pl. ‘Verehrer des Apollon Taureios in Ephesos’ (Inschr. Ia). 9. -ηδόν Adv. ‘stierartig’ (Ar., Pl.). 10. -ίνδα· φαλλικὴ παιδιὰ παρὰ Ταραντίνοις H. 11. -όομαι, auch m. ἀπο-, ‘sich wie ein Stier benehmen’ (A., E.); ταύρωσον· ταῦρον ποίησον H.; vgl. ταυ-ρίνδα; ταῦρος auch = αἰδοῖον, κοχώνη (Poll., Gal., Phot., Suid.). 12. -(ι)άω ‘den Stier wünschen’, von Kühen (Arist.). — Alte Benennung des Stiers, mit lat. taurus, osk. ταυρομ (Akk. sg.), umbr. turuf, toru (Akk. pl.), lit. taũras auch ‘Büffel, Auerochs’, apreuß. tauris ‘Bison’, slav., z.B. aksl. turъ, russ. tur ‘Büffel, Auerochs’ identisch. Hierher noch mit Metathese kelt., z.B. gall. Taruos N. eines stiergestaltigen Gottes, ir. tarb ‘Stier’, kymr. tarw ‘ds.’ (nach ir. ferb ‘Kuh’ oder dem Wort für ‘Hirsch’ in kymr. carw [Pok. 1083]?). Daneben, wohl nicht damit verwandt, mit anlaut. st- und altem eu- Diphthong germ., z.B. got. stiur, ahd. stior ‘Stier’; ohne s- awno. þiōrr; in der Bed. etwas abweichend aw. staora- m. ‘Großvieh’. Ähnliche Formen begegnen auch im Semit. : akkad. šūru, aram. tōr, hebr. šōr. Wenn die Ähnlichkeit nicht zufällig ist, muß Entlehnung stattgefunden haben, u. zw. entweder vom Idg. ins Semit. oder umgekehrt oder endlich aus einer gemeinsamen Quelle. Für die letzte Möglichkeit Deroy Par. del Pass. 17, 421 ff. mit weit ausgreifenden Kombinationen. Altere Diskussion m. reicher Lit. bei W.-Hofmann und Fraenkel s. vv. — Wenn idg., pflegt ταῦρος u. Verw. mit der Sippe von ταΰς verknüpft zu werden; s. d. II-860-861
ταΰς · μέγας, πολύς, ταΰσας· μεγαλύνας, πλεονάσας H. (*ταΰζω). — Bildung wie παχύς, ταχύς u.a. Ein entsprechender s-Stamm kann in aw. tavah- n. ‘Macht, Kraft’ und in aind. tavás- ‘stark, kraftvoll, tatkräftig’ vorliegen; primäres Verb aind. tavīti ‘stark sein, Macht haben’. Hierher noch mit korrespondierendem r-Suffix ταῦρος (s.d.)? Weitere Verwandte s. τύλη, τύμβος; zu beachten auch σωρός, σῶς. — Über die ganz fragliche Zusammenstellung mit lyd. tanśaś Beiwort des Pλdãnś (= Apollon; Sturtevant Lang. 1, 79) s. Kronasser Indeuropeo e protostoria (Milano 1961) 103 A. 43. II-861
ταφή τάφος m. f., ‘Bestattung’, τάφρος f. ‘Graben’ s. θάπτω. II-861
τάφος n. ‘Erstaunen’ s. θάμβος. II-861
ταχύς ‘schnell, geschwind’ (seit Il.). Oft als Vorderglied, z.B. ταχύ-πωλος ‘mit schnellen Rossen’ (Il., Theok.). Adv. τάχ-α ‘schnell, leicht, vielleicht’ (seit Il.; Schwyzer 622), auch -έως ‘schnell’ (Ψ 365, Hes. Th. u.a.) mit -εωστί ‘ds.’ (Pherekr.; wie νεωστί u.a.). Komp. θά̄σσων, -ττ-, Adv. θᾶσσον, -ττ-, Sup. τάχιστος, Adv. -α (seit Il.). Auch ταχύ-τερος, -τερον (ion., Arist. u.a.), -τατος, -τατα (Pi. u.a.), -ίων, -ιον (Hp. Mul., hell. u. sp. Prosa). Davon 1. τάχος (für *τῆχος? s. u.) n. ‘Schnel- ligkeit, Geschwindigkeit’, oft adverbiell (seit Il.). 2. ταχυτής, dor. -τάς f. ‘ds.’ (seit Ψ 740; zur Oxytonierung Schwyzer 382); Versuch einer semantischen Differenzierung zw. τάχος und ταχυτής bei Chantraine Form. 418; vgl. noch Porzig Satzinhalte 246 u. 248. 3. ταχινός = ταχύς (hell. u. sp.; nach ῥαδινός, θαμινός u.a.; nicht alter Stammwechsel mit Specht Ursprung 128) mit ταχίνης, dor. -νας m. ‘Hase’ (lakon. nach Ael.), nach H. auch = ἔλαφος. 4. ταχύνω, auch m. ἐπι-, συν- u.a., ‘beschleunigen, sich beeilen’ (ion. att.). 5. κατα-ταχέω ‘sich beeilen, schnell wohin gelangen, zuvorkommen’ (Plb., Pap. u.a.), Hypostase von κατὰ τάχος. — Die obigen Formen gehen alle, den von Haus aus dehnstufigen Komp. ausgenommen, von ταχύς aus. Da die Etymologie unbekannt ist, bleibt auch die Beurteilung von von θά̄σσων schwierig. Eine an sich mögliche Grundform *θάγχ-ι̯ων hat keinen Anhalt (vgl. unten zur Etymologie). Wegen des PN Τήχιππος (Eretria), der nach Bechtel (Hist. Personenn. 426, Dial. 3, 126) ein altes Nomen *τῆχος = τάχος enthalten soll, was aber sehr unsicher ist (vgl. Vollgraff Mnem. 56, 102 ff., der das Vorderglied zu θήγω ‘anfeuern, anspornen’ ziehen will; lautlich schwierig), will Seiler Steigerungsformen 40 (zustimmend Fraenkel Gnomon 24, 80) θάσσων, θᾶσσον durch Angleichung an die Klangfarbe von ταχύς, τάχιστος (für *θήσσων) erklären. Für sekundäre Dehnung eines älteren kurzvokaligen θάσσον, θᾰ́σσων (so noch bei Hom.?) Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 124f. (Kl. Schr. 2, 1181 f.); vgl. noch Chantraine Gramm. hom. 1, 190 und Schwyzer 538 A. 4 m. älterer Lit. Ausführlich zur Komparation Seiler (s. ob.) 37 ff. — Etymologisch dunkel. Gegen die alte Zusammenstellung mit lit. déngti ‘schnell laufen, eilen’ usw. s. Fraenkel s. deñgti. Neuer Versuch bei Lane Lang. 11, 191 f. (idg. t(h)engh-, t(h)n̥gh- ‘ziehen, spannen’ in aw. θang-, aksl. tęgnǫti u.a.; WP. 1, 726f.); abzulehnen. Abzulehnen ebenfalls Pok. 250 (zu aind. daghnóti ‘erreichen’ u.a. mit Bezzenberger BB 12, 241). Durch ταχύς wurde das sicher altererbte ὠκύς an die Seite gedrängt und lebte nur in der poet. Sprache weiter. II-861-862
ταώς, att. ταὧς (nach Trypho ap. Ath. 9, 397e; zur inneren Aspiration Schwyzer 219), auch ταών, Gen. ταώ (ταὧ), ταῶνος usw. ‘Pfau’ (att. Kom., Antiph., Arist., hell. u. sp.), auch als Fischname (Philostr.; wegen der Farbe, Strömberg 119). Davon ταών-(ε)ιος ‘vom Pfau’ (Luk.), -ικός ‘pfauenfarbig’ (Alex. Aphr.), ταΐτης m. N. eines Steins = πάγρους (Kyran.; Redard 62). — Samt lat. pāvō, pāvus aus unbekannter orientalischer Quelle (vgl. tamil toghai?). Zur Geschichte usw. des Pfaus Schrader-Nehring Reallex. 2, 163f., zum Namen auch W.-Hofmann s. v. Aus dem Lat. ahd. pfāwo u. andere europ. Formen. Über orientalische Ableger von ταώς s. Spies IF 62, 202 m. Lit. II-862
τε myk. qe. enkl. Partikel ‘und’; — Altererbt und mit lat. -que, phryg. -κε, aind. -ca, germ., z.B. got. -h in ni-h ‘neque’ u.a.m. identisch; idg. *qʷe. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 507f., Pok. 635 f., W.-Hofmann s.v.; fürs Griech. Schwyzer-Debrunner 573 f. m. reicher Lit., Chantraine Gramm. hom. 2, 340 ff. — Daneben in Adverbien -τε (ion. att. ark. kypr.), -τα (lesb.), -κα (dor.), z.B. τότε, πότε, ὅτε; τότα, πότα, ὄτα; τόκα, πόκα, ὅκα usw.; Schwyzer 622 m. Lit.; s. auch zu ὅτε. — Zu ep. -τε ‘bekanntlich, ja’ Bloch Mus. Helv. 12, 145 ff. Zur Geschichte und ursprüngl. Funktion von τε, lat. -que u.a. Gonda Mnem. 4: 7, 177ff. u. 265ff Über eine ähnliche Part. im Finnisch-Ugrischen Wagner Münch. Stud. 20, 67 ff. (auch fürs Idg. von Interesse). II-862-863
τέγγω, Aor. τέγξαι, Pass. τεγχθῆναι, Fut. τέγξω, ‘benetzen, befeuchten, benetzend ausgießen, erweichen’ (Pi., B., ion. att.; vorw. poetisch). vereinzelt m. ἐπι- u.a., Davon τέγξις (ἐπί-) f. ‘das Befeuchten’ (Mediz.), τεγκτός (ἐπί-) ‘durch Benetzung erweichbar’ (Arist., Mediz.). — Altes primäres Verb, mit lat. tingō (aus *tengō; tinguō nach unguō) ‘benetzen, eintauchen, färben’ identisch. Daneben die schwundstufige Sekundärbildung ahd. thunkōn, dunkōn ‘tunken’ (mit nhd. Tunke f. ‘Sauce’) und das hochstufige schweiz. tink ‘feucht’. WP. 1, 726, Pok. 1067 und W.-Hofmann s. v. m. Lit. II-863
τείνω, Aor. τεῖναι, Pass. ταθῆναι, Perf. Med. τέταμαι (seit Il.), Fut.τενῶ (att.), Perf. Akt. τέτακα (Pl., D.H.), ‘spannen, straff anziehen, ausspannen, ausdehnen, in die Länge ziehen’, intr. ‘sich dehnen, sich erstrecken’. sehr oft m. Präfix und Präfixkombinationen: ἀνα- (συν-ανα-), δια- (ἐπι-δια-), ἐκ- (δι-εκ-), ἐν- (ἐπ-εν-), παρα- (ἀντι-παρα-), ὑπερ- usw. usw., mit Intensivreduplikation τιταίνω, ganz vereinzelt mit ἀνα- u.a. (ep. seit Il., auch Mediz.), wozu die Aoristformen τιτήνας (Ν534), τιτηνάμενος (Orph.), Zahlreiche Ableitungen. 1. τόνος m. ‘Spannung, Seil, Saite, Sehne, Spannung der Stimme = Ton, Akzent, Klang; Anstrengung, Stärke’ (ion. att.), als Hinterglied u.a. in παλίν-τονος ‘mit Spannung nach hinten, rückwärts schnellend, elastisch’ (Hom., S. in lyr., auch Hdt., Ph. Bel., Hero Bel.), πρότονοι m. pl. ‘Vordertaue’ (Hom. usw.) mit -ίζω ‘mit π. aufziehen’; von den präfigierten Verba z.B. διάτον-ος (: δια-τείνω) ‘angespannt, angestrengt, durch und durch gehend’ (Thphr. u.a.) mit -ικός "diatonisch" (Musik), -αιον n. ‘Querbalken usw.’ (Pap. u.a.). Von τό-νος: τον-ικός ‘anspannbar, sich auf den Ton beziehend’ (Arist., hell. u. sp.), -αῖος ‘gespannt’ (Alex. u.a.), -ιαῖος ‘aus einem Ton bestehend, einen Ton messend’ (Arist. u.a.), -ώδης ‘spannungsähnlich’ (Mediz.), -ίζω ‘mit Ton versehen’ (Gramm.), -έομαι ‘mit Ton versehen werden’ (Eust.); χειρο-τον-έω ‘die Hand ausstrecken, stimmen, wählen’ mit -ία (att.), wie von χειρο-τόνος (A. in lyr.), eig. Zusammenbildung von χεῖρα τείνειν (vgl. Schwyzer 726); τον-όω (ἐπι-, συν-) ‘spannen, stärken, mit Ton versehen’ (Ti. Lokr., hell. u. sp.) mit -ωσις, -ωτικός (Mediz.). — 2. τονή f. ‘Aushalten eines Tons’ (Musik). 3. τάσις f. ‘Spannung, Dehnung usw.’, vorwiegend von den präfigierten Verba, z.B. ἔντασις : ἐν-τείνω (ion. att.), τατός (Arist.), ἐντα-τός (Pl.) usw. ‘dehnbar’, τατ-ικός ‘eine Spannnung bewirkend’ (Orib.), fast nur m. Präfix, z.B. διατατ-ικός (hell. u. sp.). 4. τένων, -οντος m. ‘Sehne, Nackenmuskel, Achillessehne’ (ep. ion. poet. seit Il., Arist. u.a.; zur Bildung unten). 5. Mit Reduplikation τετανός ‘gestreckt, gespannt, straff, schlicht’ (Hp., Thphr. u.a.), ‘straff, schlichthaarig’ (hell. Pap.) = τετανό-θριξ (Pl. u.a.). τέτα-νος m. ‘Starrkrampf, Tetanus’ (Hp., Pl., Arist. usw.) mit τεταν-ικός ‘am Starrkrampf leidend’, -ώδης ‘starrkrampfartig’ (Mediz.), -όω ‘ausspannen, schlichten, glätten’ (Dsk.). -ωθρον n. ‘Hautglättungsmittel’ (Dsk.), -ωμα n. ‘ds.’ (Mediz.). 6. τεινεσμός m. ‘Hartleibigkeit’ (Mediz., Nik.) mit ώδης (Mediz.), nach πιεσμός (Schwyzer 493 A. 6), zur Sache Strömberg Wortstud. 91; die Schreibung την- (von Bechtel Dial. 3, 333 f. empfohlen) bleibt noch zu erklären. 7. *τένος n. in ἀτενής (s.d.); vom Verb z.B. διατεν-ής ‘sich streckend’ (Thphr.), oft m. nominalem Vorderglied, z.B. ἁλι-τενής ‘sich bis ans Meer streckend’, auch ‘seicht’ (hell. u. sp.); zu εἰλιτενής s. bes. — Das obige Verb samt nominalen Ableitungen hat sich im Griechischen auf einer idg. Grundlage zu einem umfassenden System entwickelt. Eine uralte Verbform ist im aind. athem. Aorist á-tan ‘dehnte aus’, idg. *é-ten-t, erhalten; davon die Primärableitung τέν-ων, -οντος (ob. 4; vgl. Specht KZ 63, 221 und Strunk Nasalpräs. u. Aor. 107) und der s-Stamm *τένος in ἀ-τενής (ob. 7), der sich mit lat. tenus, -oris n. ‘Schnur mit Schlinge’ und aind. tánas- n. ‘Nachkommen- schaft’ (nur RV 5, 70, 4) formal identifizieren läßt (idg. *ténos n.). — Neben diesem Wz.-Aorist stand im Aind. ein s-Aorist a-tāṅs-ĩ-t (Dehnstufe), Med. a-tas-i (Schwundstufe). der in ἔ-τειν-α aus idg. *é-tē̆ns-m̥ ein Gegenstück hat (vgl. Schwyzer 751). Völlige Übereinstimmung herrscht zwischen den Verbaladj. (Ptz.) τα-τός = aind. ta-tá- und lat. ten-tus (idg. *tn̥-tó-s); einem alten Muster folgt desgleichen das schwundstufige Perf. Med. τέ-τα-μαι (vgl. aind. ta-tn-e). Zu diesen Formen trat anstelle des alten νυ-Präsens in τάνυται, τανύω (s. d.) ein Jotpräsens τείνω, das zu alb. ndënj ‘ausbreiten, ausspannen’, falls aus *en-ten-i̯ō, stinunt (Mann Lang. 28, 38). Es kamen hinzu der Aor. Pass. ταθῆναι, das Fut. τενῶ, endlich auch das Perf. Akt. τέτακα (nach τέταμαι für *τέ-τον-α = aind. ta-tān-a; vgl. alat. tetinit). Das sehr spate τονέομαι und Denominativa wie εὐτον-έω (von εὔ-τονος) stehen mit der german. Sekundärbildung in got. þanjan, ahd. denen ’dehnen’ in keinem geschichtlichen Zusammenhang. —Von den Nomina decken sich die stark produktiven ti-Bildungen in τάσις = aind. tati-, fast nur zu den präfigierten Verba, z.B. sáṃta-ti- (: saṃ-tan-), wozu lat. con-tenti-ō. Eine Neubildung nach wohlbekannten Mustern ist τόνος gegenüber lit. tãnas m. ‘Geschwulst’, aind. tāna- m. ‘Faden, Ton’, tána- n. ‘Nachkommenschaft’, ebenso natürlich das späte τονή (: aind. tanā f.[?] ‘Sproß, Nachkommenschaft’). — Weitere Formen m. Lit. bei WP 1, 723f., Pok. 1065f., W.-Hofmann s. tendō; alt. Lit. auch bei Bq. II-863-865
τείρεα, Τειρεσίας s. τέρας. II-865
τείρω nur Präs. und Ipf. (äol. Inf. Perf. τέτορθαι Hdn. Gr.) ‘aufreiben, erschöpfen, entkräften, quälen’ (ep. poet. seit Il.). — Hochstufiges Jotpräsens (Schwyzer 715), Ausläufer der großen, u.a. auch in τέρην, τέρυς, τετραίνω, τιτρώσκω, τρύω, τρίβω (s. dd.) vorliegenden Sippe. Nach Specht KZ 66, 212, Ursprung 127 gehört ι zur Wurzel (*τερι-ω) und findet sich in lat. trī-vī (und τρί-βω) wieder. Zum Ablaut noch Ammer Sprache 2, 204. II-865
τεῖχος Daneben τοῖχος m. ‘Mauer, Wand, Schiffswand’ (seit Il.). Kompp., z.B. τοιχ-ωρύχ-ος m. ‘Einbrecher’ mit -ία, -έω (att.), ἀργυρό-τοιχος ‘mit silbernen Wänden’ (A. in lyr.), ἐν-τοίχ-ιος ‘an der Wand befindlich’ (D. H., Ruf. ap. Orib.; unsicher X. An. 7,8,1); myk. to-ko-do-mo. Ganz wenige Ableitungen: τοιχ-ίδιον n. (sp.), -ιος ‘zu einer Wand gehörig’ (Lebadeia). -ίζω ‘auf die Seite hangen, Schlagseite haben’, vom Schiff (Ach. Tat., Eust.). n. ‘Mauer, Stadtmauer, Wall, Befestigungswerk’ (seit Il.). Kompp., z.B. τειχεσι-πλῆτα (s. πέλας); mit Umbiegung in die o-Stämme z.B. τειχο-μαχ-έω ‘um die Mauern kämpfen’, -ία f. (ion. att.), -ᾱς m. (Ar. in lyr.), -ος m. (App.); εὐ-τειχής ‘mit schönen Mauern, wohlummauert’ (Pi., E.), auch εὐ-τείχ-εος (Il.; metrisch bedingt, Sommer Nominalkomp. 19 m. Lit.), -ητος (h. Ven. 112: τειχέω). Davon 1. Demin. τειχ-ύδριον n. (X.; vgl. Schwyzer 471 m. A. 8), -άριον n. (Pap. Ip; herabsetzend), -ίδιον n. (Zonar.). 2. -ίον n. ‘Mauer (eines Hauses), Wand’ (Od., Ar., Th., X. u.a.; zur Bed. Sieberer Sprache 2, 97). 3. -ωμα = φραγμός (AB; Erweiterung), -ωτός = lat. vallaris (rörn. Zeit). 4. -ιόεις ‘ummauert’ (Β 559 = 646; metrisch bedingt, nicht von τειχίον, vgl. Schwyzer 527 und Risch ̨ 56a), -ιοῦσσα f. Insel bei Milet (Th.); aus dem Epos (Leumann Hom. Wörter 302)?; auch -ιόεσσα (Archestr.). 5. -ικός = lat. vallaris (στέφανος ~ = corōna vall.; röm. Zeit). 6. -ίζω, oft m. Präfix, z.B. περι-, ἀπο-, ἐπι-, ‘eine Mauer bauen, mit einer Mauer befestigen’ (ion. att. seit H 449, auch dor.) mit -ισις, -ισμα, -ισμός (περι- ~ u.a.) ‘Mauerbau, Befestigung’ (att.; zur Bed.differenzierung Chantraine Form. 145 u. 147); -ιστής m. ‘Maurer, Baumeister’ (LXX, Lib.). 7. -έω = -ίζω (Hdt.) mit -ητός ‘befestigt’ (att. IVa). — Zu τεῖχος : τοῖχος vgl. γένος : γόνος, τέκος : τόκος, τέλος : πόλος u. a. Mit τοῖχος decken sich genau aind. deha- m. (auch n.) ‘Körper’ mit dehī́ f. ‘Wall, Damm, Aufwurf’, aw. pairi- daēza- m. ‘Umwallung, Ummauerung’ (s. παράδεισος). germ., z.B. got. daigs m. ’Teig’, idg. *dhóiĝho-s m. Zu bemerken noch toch. A tseke ‘Bildwerk’ (Stammbildung unklar) und arm. dēz ‘Haufe’, beide wahrscheinlich einzelsprachliche Neu-(Um-)bildungen (zu tsik- ‘formen, bilden’ bzw. dizanem. Aor. diz-i ‘aufhäufen’). Mit e-Vokal wie τεῖχος (idg. *dhéiĝhos n.), aber im Auslaut abweichend osk. feíhúss Akk. pl. ‘muros’ o-Stamm). — Das zugrunde liegende Verb ist als athematische Bildung in aind. déh-mi ‘bestreichen, verkitten’ erhalten, idg. *dhéiĝh-mi; daneben u.a. das Nasalpräsens lat. fingō ‘über etw. hinstreichen, kneten, bilden’ und, semantisch etw. abweichend, θιγγάνω (s. d.). — Weitere Formen m. zahlreichen Einzelheiten (fürs Griechische ohne Belang) und reicher Lit. bei WP. 1, 833f., Pok. 244f., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. fingō, Mayrhofer s. dehaḥ und degdhi. II-865-866
τέκμαρ τέκμωρ n. indekl. ‘Ziel, Ende’, selten ‘Zeichen, Beweis’ (Hom.). n. indekl. ‘Zeichen, Wahrzeichen’, selten ‘Ziel, Ende (Hes., Pi., A., E., A. R.), ‘Zeichen’ = ‘Symptom’ (Hp., Aret.); Von τέκμαρ und τέκμωρ : τεκμαίρομαι, Aor. τεκμήρασθαι (seit Il.), Fut. τεκμαροῦμαι (X.), Aor. Pass. Ptz. ἐκτεκμαρθείς (Orac. ap. Euseb.), auch m. συν-, δια- u.a., ‘festsetzen, bestimmen’ (vorw. Hom.), ‘aus Zeichen erkennen, schließen, folgern’ (nachhom.), Akt. τεκμαίρω, τεκμῆραι ‘anzeigen, bezeugen’ (Pi., A. Pr. in lyr., Nik., Arat.). Davon τέκμαρ-σις f. ‘das Schließen aus Zeichen, Folgerung’ (Hp., Th. u.a.), -τός ‘erschließbar’ (Kratin.), -τικός ‘zum Schließen geeignet’ (Poll.). — Von τέκμωρ : τεκμορ-εύω ‘seine Loyalität gegen den Kaiser bezeugen’ mit -εῖοι ξένοι (Inschr.). — Von τεκμήρασθαι oder danach umgebildet (Schwyzer 470 A. 4 u. 724 A. 10 m. Lit.): τεκμήριον n. ‘Zeichen, Kenn-, Wahrzeichen, Beweis, Anzeichen, Symptom’ (ion. att.) mit -ιώδης ‘beweisartig, Beweis gebend’ (Arist.), -ιόω ‘ein Zeuguis, einen Beweis liefern’ (Th. u.a.), -ιόομαι ‘aus Zeichen erkennen, schließen’ (hell. u. sp.) mit -ίωσις f. ‘Zeugnis, Beweis’ (Arr.). — Altererbtes Wort, das indessen schon wegen der unsicheren Grundbedeutung (’Grenzmal, Grenzzeichen’ ?; s. Bechtel Lex. s. v.) der Etymologie Schwierigkeiten bereitet. Nach einer Hypothese von Froehde BB 17, 304 zu einem indoiran. Wort für ‘sehen, Auge’ in aind. cáṣṭe, cákṣate, cákṣus-, bes. aw. čašman- n. mit r-n-Wechsel (vgl. Benveniste Origines 20); zu den lautlichen Einzelheiten (idg. *qʷeḱ-s- od. *qʷeḱþ-?) Bechtel a. O. — Zu cáṣṭe usw. wohl auch toch. B kektseñe, A kapśañi ‘Körper’ = aind. cákṣaṇam n. ‘Anblick, Erscheinung’ (v. Windekens Orbis 14, 501). Anders über τέκμωρ v. Windekens Orbis 16, 181 f. : mit toch. A kākmart ‘Majestät, Herrschaft’ identisch. II-866-867
τέκνον n. ‘Kind, Tierjunges, Sproß’ (seit Il.). Viele Kompp., z.B. τεκνο-ποιός ‘Kinder zeugend’ mit -έω, -ία (ion. att.), εὔ-τεκνος ‘mit guten od. vielen Kindern’, auch (Arist.) ‘den Jungen wohlgesinnt’, mit -ία, -έω (Trag., Arist. u.a.). Davon 1. Demin. τεκν-ίον (sp.), -ίδιον (Ar.); 2. -οῦσσα ‘reich an Kindern’ (S. Tr. 308 u.a.; in der Überlieferung oft entstellt); 3. -όω, vereinzelt m. ἐπι-, συν- u.a., gew. vom Mann ‘Kinder zeugen’, -όομαι gew. von der Frau ‘Kinder gebären’ (Hcs. Fr. 138, Pi., Trag., Arist. u.a.) mit -ωσις f. ‘Kindererzeugung’ (Th., Arist. u.a.), ‘Adoption’ (D. S.), -ωμα n. ‘Erzeugung, Kind’ (A. Fr. 315 = 625 M.). — Seit langem (s. Zupitza German. Gutt. 140) mit einem germ. Wort für ‘(freier) Gefolgsmann, Diener, Kriegsmann, Held’, auch ‘Knabe, Jüngling’ gleichgesetzt, awno. þegn, ags. þeg(e)n, asächs. thegan, ahd. degan m., urg. *þeʒna- (idg. *teq-nó-s); dazu noch, im Suffix abweichend (vgl. dazu Schwyzer 338 m. Lit.), aind. ták-man- n. ‘Abkömmling’ (Lex.; von Mayrhofer s.v. nicht rückhaltlos empfohlen). Das Wort hat im Griech. mehrere Verwandte, s. τίκτω. Im Germ. stand es dagegen isoliert, ein Umstand, der die besondere Bed.entwicklung ermöglichte und gleichzeitig zu verschiedenen Ersatzwörtern Anlaß gab : anord. barn (s. φέρω), ahd. kind (zu γίγνομαι), ags. cild u.a. II-867
τέκτων, -ονος m. (f.) ‘Zimmermann, Handwerker, Künstler, Urheber’ (seit Il.). Ganz vereinzelt als Vorderglied, z.B. τεκτόν-αρχος Beiw. von μοῦσα (S. Fr. 159); sehr oft als Hinterglied, z.B. ἀρχι-τέκτων m. ‘Baumeister, Unternehmer, Architekt’ (ion. att.). Davon 1. τέκταινα f. ‘Handwerkerin, Ur- heberin’ (Hes. Th. ap. Chrysipp. Stoik., Kall. Fr. anon.). 2. τεκτο-σύνη f. ‘Baukunst’ (ε 250, E. in lyr., AP), ἀρχι- ~ ‘ds.’ (Pisidien). 3. Τεκτον-ίδης m. als Patronymikon (θ 114; Risch 136). 4. -ικός ‘zum Zimmermann gehörig, im Bauen geschickt’, ἀρχι- ~ ‘zum Baumeister, zur Baukunst gehörig’ (Pl., Arist. usw.; Chantraine Études 100 u. 134). 5. -εῖον n. ‘Werkstatt eines Zimmermanns’ (Aeschin., Delos). 6. -εύω ‘zimmern’ (Hero u.a.), ἀρχι- ~ ‘planen, konstruieren’ mit -ευμα n. ‘Konstruktion’ (Bito). 7. -έω ‘Zimmermann sein, zimmern’ (Ph.) mit -ία f. (Thphr. [?], AP); ἀρχι- ~ ‘Bau- meister sein, konstruieren’ (Ar., hell. u. sp.) mit -ία, -ημα n. (hell. u. sp.). — Dazu das ältere Denominativum τεκταί-νομαι, Aor. τεκτ-ήνασθαι, Fut. -ανοῦμαι, hell. u. sp. auch -αίνω, auch m. Präfix, z.B. παρα-, συν-, ἐπι-, ‘zimmern, verfertigen, erfinden, Ränke schmieden’ (seit Il.); ἐπιτεκταντῆρες (-τεκν- cod.)· οἱ παρασκευασταί H. — Zu τέχνη s. bes. — Alter Ausdruck des Holzhandwerks und der Baukunst, mit aind. tákṣan- m. ‘Zimmermann’ und aw. tašan- m. ‘Bildner, Schöpfer’ unmittelbar identisch (zum Lautlichen Schwy- zer 326 und Benveniste BSL 38, 139 ff.; andere Hypothesen bei Mayrhofer s. v.). Auch τέκταινα deckt sich mit aind. takṣṇī́, ohne daß in diesem Falle mit Urverwandtschaft zu rechnen wäre. Das zugrunde liegende primäre Verb ist in einer Reihe Sprachen noch erhalten : aind. tákṣati. aw. ta-šaiti ‘zinnnern, verfertigen’, lat. texō ‘weben, flechten’, auch ‘bauen, zimmern’, lett. tešu, test ‘behauen’ mit Iterat. lit. tašau, -ýti, aksl. tešǫ, tesati ‘ds.’, viell. auch heth. takš- ‘(zu)-fügen usw.’. Es wurde im Griech. durch die Neubildung τεκταίνομαι ersetzt. — Weitere Formen dieser reich verzweigten Sippe bei WP. 1, 717 und Pok. 1058 f. ebenso wie in den einschlägigen Spezialwörterbüchern; dazu noch Kronasser Etymologie 1, 397, Mayrhofer Bibl. Orient. 18, 23 und Indoiranica. Mél. Morgenstierne (1964) 141 ff. II-867-868
τελαμών, -ῶνος m. ‘Tragriemen, Wchrgehenk, Riemen, Binde, Verband’ (ep. ion. seit Il.), als Ausdruck der Baukunst ‘Säule’ (hell. u. sp. Inschr.; Pontusgebiet), auch ‘Säulenbasis’ (Argos Va) ?; pl. telamones ‘männliche Figuren als Tragsäulen benutzt’ = ἄτλαντες (Vitr.). Auch als mythischer PN (urspr. Träger des Himmelsgewölbes ?; s. Kretschmer Glotta 15, 192 f. m. Lit.) Davon τελαμων-ίδιον n. ‘kleiner Verband’ (sp. Mediz.), -ίζομαι ‘verbunden werden’ (hell.). Patronymikon Τελαμώνιος (Αἴας; Il. usw.). — Eig. "Träger"; wie τλήμων Nom. agentis des Verbs für ‘tragen’ in τλῆναι, ταλάσσαι (s. d.) mit Hochstufe wie in τελάσσαι· τολμῆσαι, τλῆναι H. Zum Ablaut vgl. noch τερά-μων, zum Sufflx ἡγεμών u.a. Eine ähnliche Bildung ist in einem keltischen Wort für ‘Schlinge, Schleuder, Dohne’ vermutet worden, z.B. air. tailm, Gen. telma (mit sm-i-Suffix; Lewis-Pedersen 55 u. 172). — Zur Bed. ausführlich Solmsen Wortforsch. 74ff.; Zweifel bei Schwyzer 522 A. 6, der auch die Bed. ‘Säule’ aus ‘Riemen’ erklären will(?). Über etr. Telmun, Gen. Tlamunus Althein. Μνήμης χάριν 1, 1ff. II-868
τελέθω, τελετή s. τέλομαι. II-869
τελευτή f. ‘Ende, Lebensende, Vollendung, Schluß, Ausgang’ (seit Il.). Einige Kompp., z.B. ἀ-τέλευτος ‘endlos’ (A. in lyr.); auch προ-τελευτή f. ‘früher Tod’ (Vett. Val.), Rückbildung von προ-τελευτάω. Davon τελευτ-αῖος ‘am Ende befindlich, äußerster, letzter’ (ion. att., auch Pi. [ergänzt]); -άω, auch m. ἀπο-, ἐκ-, προ- u.a., ‘enden, das Leben enden, vollenden, zu Ende gehen, endigen’ mit ἀποτελεύτ-ησις f. ‘Schluß, Ergebnis’ (Pl. u.a.). — Isoliertes Verbalnomen, anscheinend von *τελεύω (wie κε-λεύω); vgl. noch τελευτή : τέλος wie κρατευταί (s. d.): κράτος. In *τελεύω will Fraenkel Mél. Boisacq 1, 368 ein Denominativum von τέληος (aus *τέλεσ-ϝος?) sehen; wenig überzeugend. — Eine auffallende Ähnlichkeit zeigen toch. B klautk-’umkehren, wenden’, klutk- ‘sich (um)drehen’ (A lotk-, lutk- m. Dissimilation), die sich auf idg. *qʷlout-, *qʷlut- zurückführen lassen (v. Windekens Orbis 11, 195 f.; zur Bed. s. τέλομαι, τέλος). Zum Vergleich eignen sich auch die armenischen Nomina auf -oyt‘, z.B. erew-oyt‘ ‘Erscheinung’ (neben erewim, s. πρέπω), die einen eu- (ou-) Diphthong voraussetzen, s. Frisk Suff. -th- im Idg. 28 m. Lit. — Weiteres s. τέλομαι, τέλος. II-869
τέλθος n. ‘Entrichtung, Abgabe, Schuld’ (Kall.); τέλθος· χρέος H. — Umbildung von 2. τέλος nach ἄχθος, βρῖθος, πλῆθος; s. Osthoff IF 4, 268f. m. Lit. II-869
τελλίνη f. N. eines Muscheltieres, = ξιφύδριον (Hp., Dsk. u.a.); auch τέλλιν Akk. (Epich. 43; unsicher 114). — Unerklärt. Abzulehnen Stokes BB 19, 89. II-869
τέλλομαι 1. m. περι- ‘sich im Kreise drehen’ in absoluten Partizipialkonstruktionen, περιτελλομένων ἐνιαυτῶν ‘im Kreislauf der Jahre’, -ένου ἔτεος, -έναις ὥραις (ep. poet.); in finiten Formen von Gestirnen mit Anlehnung an 2. τέλλω, -ομαι in ἀνα-τέλλω u.a. (Alk., Arat.), auch Akt. περιτέλλῃ (von der Sonne, Arat.). — Danach als Simplex in τελλομένου ἔτεος (A. R.). Auch finite Formen im Sinn von ‘wandeln, entstehen, werden’, so ἐς χάριν τέλλεται (Pi.); dabei fiießt das Wort mit (ἀνα-) τέλλω, -ομαι ‘aufsprießen’ zusammen: γένος ... φυτευθὲν ... τέλλετο (Pi.); s. 2. τέλλω. — Aus dem entsprechenden Ausdruck περιπλομένων ἐνιαυτῶν (Hom., Hes.) mit Aor. Ptz. ergibt sich, daß τέλλομαι als ein ion. Jotpräsens neben dem äol. Wz.präsens in πέλομαι (s. d.) zu erklären ist, idg. qʷel-i̯-. Weiteres s. τέλομαι. Vgl. 3. τέλλω. II-869
τέλλω, -ομαι 2. Aor. τεῖλαι, -ασθαι, Perf. Med. τέταλμαι, Akt. (Arist. usw.) τέταλκα, ‘aufgehen od. aufspriessen lassen, hervorbringen’, intr. ‘aufgehen, aufsprießen, entspringen’, von Gestirnen, Pflanzen, Gewässern usw. (ep. ion. poet. seit Il.), vereinzelt Med. ‘in die Höhe schießen (Pi.). fast nur m. Präfix: A. ἀνα-τέλλω (auch ἐξ-, ἐπ-, προ-, συν-ανατέλλω usw.) Ebenso ὑπερ-τέλλω, -ομαι ‘sich erheben’ (Hdt., E. u.a.). ὑπο-τέλλομαι ‘aufgehen, entstehen’ (Arat., A. R.). B. ἐπι-τέλλω. -ομαι ‘auftragen, auferlegen, befehlen’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa), intr. ‘aufgehen’ von Gestirnen usw. (ep. ion., Arist., Plb. u.a.); ἐν-τέλλομαι (auch προσ-εν- ~ ), selten -τέλλω ‘auftragen, befehlen’ (ion. att.). — Als Simplex ganz vereinzelt. ἡλίου τέλλοντος (S.), ἶρις τέλλει ‘sprießt auf’ (Nik. Fr. 74, 32; vgl. 1. τέλλομαι), auch Med. ἠοῦς τελλομένης (A. R.), τέλλεται von aufgehenden Sternen (Arat.). Ableitungen: l. ἀνα-τολ-ή (auch ἐπ-, συν- ~ usw.) f. ‘Aufgang, bes. der Sonne, Osten, Morgenland’ (seit μ 4 [ἀντολαί pl.]); ἐπιτολ-ή f. ‘Aufgang eines Gestirns’ (Hp., Th., E., Arist. usw.); ἐντολ-ή f. ‘Auftrag, Befehl’ (Pi., Hdt., Decr. ap. D. u.a.) mit -ίδιον. -ιος, -ικός, -ικάριος, -ιμαῖος, -εύς (sp.). 2. ἔνταλ-μα n. = ἐντολή (LXX, NT). 3. τέλος, s. bes. — An das Präsens τέλλω schlossen sich als Neubildungen τεῖλαι, τέταλμαι, τέταλκα nach Muster von στέλλω u.a. Als Jotpräsens gehört *τέλ-ι̯ω ‘heben, sich erheben, aufheben und jmdm. aufladen, auferlegen, auftragen’ zu ταλάσσαι usw. (s. d.). Zum Ablaut τελα-μών : τέλλω vgl. τερά-μων : τείρω. II-870
τέλλω 3. = τελέω, Inf. τέλλεν (Gortyn), Aor. ἔτειλαν (ὁδόν) ‘sie legten (den Weg) zurück’ (Pi.). ‘vollbringen, verrichten’, Dazu συν-τέλλω = συν-τελέω in [συν]τέλλοντα (Argos Va; nicht ganz sicher). — Faktitivum zu 1. τέλλομαι mit derselben Bed. entwicklung wie in 1. τέλος *‘Wendepunkt’, ‘Ende, Vollendung’. II-870
τέλμα n. ‘Pfütze, Sumpf, Morast, Schlamm, Mörtel, Kot’ (ion. att.) mit τελματ-ώδης ‘sumpfig’ (Arist., D. S. usw.), -ιαῖος ‘einen Sumpf bildend, im Sumpf lebend’ (Arist.), -όομαι ‘sumpfig werden’ (Str.); auch τελμίς, -ῖνος m. ‘Schlamm, Kot’ (EM, H.); vgl. ῥηγμίς (: ῥῆγμα), auch θίς. — Unerklärt; vgl. zu σταλάσσω. Abzulehnen Machek Listy filol. 72, 73 f.: zu slav. timę ‘palus, lutum’. Arm. LW teɫm, tiɫm ‘Schlamm, Kot’ (Pedersen KZ 39, 374). II-870
τέλομαι, 3. sg. τέλεται, auch m. συν-, = ἔσομαι, ἔσται (Kreta). — Mit äol. πέλομαι (s. d.) identisch, somit eig. ‘ich werde’ mit Futurbedeutung (vgl. Schwyzer-Debrunner 265). Dazu τέν-ται ‘ds.’ (Kyrene), zunächst aus *τέλ-ται (Schwyzer 213), nach Meillet BSL 32, 198 alte athemat. Form wie ἔσται (dazu τέλομαι nach Schwyzer 780 mit Bechtel Dial. 2, 792 u.a. kurzvokalischer Konjunktiv; ganz unwahrscheinlich), was sehr auffallend wäre; eher mit Fraenkel Glotta 20, 89 ff. zu τέλομαι nach dem synonymen Formenpaar ἔσομαι: ἔσται. Nach Szemerényi Syncope 165ff. (m. ausführlicher Beh.) dagegen aus τέλεται synkopiert. Mit θ-Erweiterung (Schw. 703) τελέθω ‘hervorkommen, erscheinen, werden, sein’ (ep. poet. seit Il., auch ion. u. dor. Prosa); zur terminativen Bed. Chantraine Gramm. hom. 1, 327. — Daneben als alte Primärbildungen 1. τέλος (s. d.) und τελετή f. ‘feierlicher Ritus, Weihe’ (Pi., ion. att.) mit τελετ-άρχης m. ‘Vorsteher der τελεταί’ (sp.), τελετής = τε-λεστής ‘der die Weihe vollbringt’ (hell. u. sp.; vgl. zu Euphron. 1 [Coll. Alex. 177]), eig. Bed. ‘(feierliche) Verrichtung, Vollbringung’ ?; vgl. lat. cultus zu colō, aind. cáraṇam n. auch ‘(liturgische) Verrichtung, religiöse Zeremonie’ (zu cárati, -te = colit, τέλεται); andere Hypothesen von Harrison Class-Rev. 28, 36ff.: eig. ‘Ritus der Reife’ (vgl. τέλειος), von Kretschmer Glotta 26, 68 (m. Lit.): eig. ‘Beendigung, Vollziehung’: S. noch 3. τέλλω und τελέω (zu 1. τέλος). Das Paar τέλος : τελετή wie γένος : γενετή. II-870-871
τέλος n. 1. ‘Ende, Grenze, Ziel, Vollendung, Erfüllung, Entscheidung; obrigkeitliches Amt, Behörde; Weihe usw.’ (seit Il.). 2. ‘Abgabe, Steuer, Zoll, Aufwand, Kosten’ (ion. att.). 3. ‘Heeresabteilung, Truppe, militärischer Verband, Geschwader von Schiffen’ (Il., ion. att.). Als Vorderglied in τελεσ-φόρος ’τέλος bringend’, Beiwort von ἐνιαυτός (Hom.), von Ζεύς (h. Hom.), von ἀραί, εὐχαί usw. (Trag.), von χῶραι (Thphr.) u. a. m. mit -φορ-ία, -έω, -ησις (hell. u. sp.); τελ-ώνης m. ‘Steuer-, Zollpächter ‘(att., Herod., hell. u. sp.) mit -ών—ιον, -ία, -ικος, -εῖον, -έω, -ησις (meist hell. u. sp.). Sehr oft als Hinterglied, z.T. in Rückbildungen von τελεῖν, z.B. ἀ-τελής 1. ‘ohne Ende, unvollendet, unvollständig’ (seit ρ 546), Gegensatz ἐν-τελής ‘vollkommen, vollständig’ (att. seit A.); 2. ‘ohne Abgabe, steuerfrei’ (ion. att.) mit ἀτέλ-εια, -είη f. ‘unvollendeter Zustand’ (Arist. u.a.), ‘Freiheit von Abgaben’ (ion. att.); πολυ-τελής ‘mit vielem Aufwand verbunden, verschwenderisch, kostbar’ (ion. att.); εὐ-τελής (auf τελεῖν bezogen) ‘leicht zu bezahlen, wohlfeil, gering, sparsam’ (ion. att.); ἐκτελ-ής ‘vollkommen, reif’ (Hes., A., E.) von ἐκ-τελέω (seit Il.). — Mit το-Suffix ἀ-τέλεσ-τος (auch auf τελεῖν beziehbar) ‘ohne Ende, unvollendet’ (Hom. u. a.), ‘ohne Weihe, uneingeweiht’ (E., Pl. u.a.); zur Bildung Schwyzer 503. Ableitungen: 1. τέλειος (seit Il.), -εος (nachhom.), -ηος (Kreta), -εως (Kos) ‘das Ende, das Ziel usw. betreffend, vollendet, ausgewachsen usw.’; zur Bildung (*τελεσ-ι̯ος; auch *τελεσ-ϝος, -τελε-ιι̯ος?) Schwyzer 241, 273, 282 u. 472; davon τελε(ι)-ότης f. ‘Vollkommenheit’ (Demokr., Arist. u.a.), τελε(ι)-όω, auch m. ἀπο-, ἐκ- u.a. ‘vollenden, beendigen’, Med. u. Pass. ‘in Erfüllung gehen, zur Reife gelangen’ (ion. att.) mit -ωσις, -ωμα, -ωτής. 2. τελήεις Beiw. von ἑκατομβαί (Hom.), auch von οἰωνοί (h. Merc.), von ἔπεα (Tyrt.), von ’Οκεανός (Hes. Th), aus τέλειος umgebildet (Schwyzer 527) ?; abzulehnen Thieme Studien 70 f. 3. τελικός ‘zum Ende, zum Ausgang gehörig (hell. u. sp.), συν- ~ ‘eine Gemeinschaft (συντέλεια) bildend’ (Plb.), ‘gemeinsam bezahlt’ (sp.); ὑπερ-συν- ~ (χρόνος) ‘Plusquamperfektum’ (Gramm.; Schwyzer-Debrunner 249). 4. τε-λεστα m. ‘Beamter’ (Elis VIa); zu τελεστής s.u. — 5. Denominatives Verb τελέω (seit Il.), ep. auch -είω, Aor. τελέσ(σ)αι, Pass. τελεσθῆναι, Fut. τελέσ(σ)ω, ep. auch -έω, att. -ῶ, Perf. Pass. τετέλεσμαι (seit Il.), wozu Akt. τετέλεκα (att.), auch -ηκα (hell. Pap.), -ημαι (kret.), sehr oft m. Präfix, z.B. ἀπο-, δια-, ἐκ-ἐπι-, συν-, ‘beendigen, vollenden, weihen; entrichten, bezahlen, aufwenden’. Einzelheiten zur Stammbildung usw. bei Schwyzer 724 u. 775; in dem System mögen auch alte primäre Formen Platz gefunden haben (vgl. τελε-τή). Von τελέω : τέλε-σις (ἀπο-, συν- u.a.) f. ‘Vollendung, Abschluß’ (Arist., hell. u. sp.); τέλεσμα (für *τέλε-μα? Specht KZ 63, 210) n. ‘Zahlung, Steuer’ (D. S., Pap., Inschr. u.a.), auch zu präfigierten Vba, z.B. ἀπο- ~ ‘Vollendung, Ziel, Resultat’ (Arist. usw.); τελεσ-τής m. ‘Weihpriester’ (sp.), ’Ορφεο- ~ (Thphr.), myk te-re-ta? (Morpurgo Lex. s.v.); συν- ~ (: συν-τελέω) ‘Mitglied eines Steuerzahlungsvereins’ (Cod. Just. u.a.); -τικός ‘den Weihpriester, die Weihe betreffend’ (Pl. u.a.), ‘zum Vollenden geeignet’ (Arist.), auch m. ἀπο-. ἐπι-, συν-; -τήρ m. ‘Weihpriester’ (Trozen IIa), -τωρ Bein. des Apollon (AP), auch PN; -τήρια n. pl. ‘Opfer für gelungene Unternehmungen’ (X., Ael.), -τήριον ‘Weihplatz’ (Plu.); -τρα n. pl. ‘Weihgebühren’ (hell. Inschr.); -τρια f. ‘Weihpriesterin’ (Suid.). — Erweitertes Präsens τελίσκω (συν-) = τελέω (hell.). — Als Vorderglied z.B. τελεσι-ουργός ‘das Werk vollendend’ mit -ία, -έω, -ημα (Pl., Arist. usw.); vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 51 A. 1 (S. 52). — In τέλος scheinen schon in vorliterarischer Zeit zwei verschiedene Wörter zusammengeflossen zu sein. Im Sinn von ‘Ende, Ziel’ kann τέλος als *’Wendepunkt (der Rennbahn, der Ackerarbeit)’ zu τέλομαι, πέλομαι gehören (s. dd.); daneben πόλος wie γένος : γόνος. Angesichts des weitverzweigten Bedeutungsinhalts von idg. qʷel- (vgl. lat. colō, aind. cárati auch ‘betreiben, vollführen usw.’) sind aber auch andere Wege gangbar; vgl. τελετή und 3. τέλλω. Als ‘Abgabe, Steuer’ reiht sich τέλος ungesucht an 2. τέλλω, τελαμών, ταλάσσαι, τλῆναι ‘heben, tragen, ertragen’ wie φόρος ‘Steuer’ zu φέρω. Für τέλος als ‘Heeresabteilung’ hat man eine Anknüpfung in aind. kúlam n. ‘Geschlecht, Sippe, Menge’, aksl. u. russ. čéljadь ‘Gesinde’ finden wollen, was weder formal noch begrifflich ganz befriedigt (zu kúlam Mayrhofer s. v.; unarisch?). Es läßt sich aber als militärischer Fachausdruck ‘Aushebung’ gleichfalls an die Sippe von ταλάσσαι ziehen. Für τέλος ‘Amt, Behörde’ sind mehrere Erklärungen denkbar: ‘Höhepunkt, Vollziehung, Entscheidung’ oder ‘Auftrag, Beauftragung’ ? —Von der schlagenden Ähnlichkeit der Ausdrücke τείνειν τέλος und τιταίνειν τάλαντα (in Υ 101 εἰ δὲ θεός περ ἶσον τείνειεν πολέμου τέλος, Hes. Th. 638 ἶσον δὲ τέλος τέτατο πτολέμοιο und Χ 209 καὶ τότε δὴ χρύσεια πατὴρ ἐτίταινε τάλαντα) ausgehend, will Holwerda Mnem. 4: 16, 337 ff. τέλος wie τάλαντα auf die Waage beziehen und als ‘Waagebalken’, librae iugum erklären, wegen der angeführten Parallele sehr bestechend. Nur muß natürlich τέλος, falls ‘Waagebalken’, nicht mit H. als "quod verti potest" zu τέλομαι, πέλομαι, sondern als ‘Hebung’ zu τάλαντα gehören. Die weiteren Ausführungen H. : s sind z.T. erwägenswert, aber oft unwahrscheinlich oder sogar bestimmt abzulehnen. Für ein einheitliches τέλος (zu πέλομαι) Ambrose Glotta 43, 38 ff.; ebenso Machek Studia Dečev 52f. (zu slav. tělo ‘Körper’; abzulehnen). Zum Gebrauch von τέλος bei Homer noch H. Broicher Homerische τέλος-Vorstellungen. Diss. Göttingen 1942 (ungedruckt). —Weitere Lit. s. πέλομαι und ταλάσσαι. II-871-873
τέλσον n. (ἀρούρης Ν 707, Σ 544, νειοῖο Σ 547) ‘Ende des Ackers, wo der Pflug umkehrt’; daneben τέλσας· στροφάς, τέλη, πέρατα H. — Ausdruck der Landwirtschaft ohne sichere Etymologie. Am ehesten thematische Erweiterung von τέλος (Schwyzer 516 mit Fick u.a.), wobei immerhin die Erhaltung von -λσ- auffällt (s. Schwyzer 285). Nach Forbes Glotta 36, 260f. aus *τελ-τι̯-ο- mit ο-Erweiterung einer hochstufigen ( !)τι -Ableitung; nicht überzeugend. — Für die alte Anknüpfung an aind. karṣū́- f. ‘Furche’ noch Specht KZ 66, 23 f. und Pisani Athenaeum N. S. 18 (1940) 3 ff.; dazu noch Mayrhofer s.v. Andere Versuche von Charpentier KZ 40, 467 und Niedermann IF 26, 45f. (von Bq mit Recht abgelehnt). II-873
τέμενος myk. te-me-no. n. ‘abgesondertes Stück Land, Krongut, heiliger Bezirk’ (ep. ion. poet. seit Il.), Ganz vereinzelt als Vorderglied, z. B. τεμεν-ουρός m. ‘Wächter eines τ.’ (Knidos). Wenige Ableitungen: 1. τεμέν-ιος ‘zum τ. gehörig’ (S., Chios IVa), -ία f. Beiname d. ‘Εστία (Erythrae IIIa); ἐντεμέν-ιοι θεοί (Hypostase; Miletos, Priene). 2. -ικός ‘ds.’ (Anaxandr.?, St. Byz.,EM). 3. -ίτης m. Götterbeiname (’Απόλλων, Ζεύς u.a.; Th., Inschr. usw.), f. -ῖτις N. einer Anhöhe bei Syrakus (Th.); Fraenkel Nom. ag. 2, 210, Redard 213, 138 u. 27. — 4. -ίζω (ἐν- ~ Poll.) ‘ein τ. einrichten, weihen’ (Pl., D.H. u.a.) mit -ισμα n. (D. C.); προ- ~ ‘Vorbezirk des Tempels’ (Th. 1, 134, Hld.). Seit altere mit τέμνω verbunden (z.B. Z 194 τέμενος τάμον; vgl. H.: = πᾶς ὁ μεμερισμένος τόπος τινὶ εἰς τιμήν κτλ.), was nicht nur semantisch, sondern auch formal einwandfrei scheint, τέμε-νος wie z.B. γενε-τή (wenn nicht aus *τέμα-νος assimiliert mit Schwyzer 255 u. 362), Suffix -νος wie in κτῆ-νος, ἔρ-νος u.a. — Morphologische Bedenken bei Jacqueline Manessy-Guitton IF 71, 14ff. (m. ausführl. Beh. und Bibliographie). die mit Autran und H. van Effenterre akkad.-sumerische Herkunft erwägt : akk. temennu ‘Gründungsurkunde’, sumer. temen ‘ds.’; urspr. ‘abgegrenzter heiliger Bezirk’ ? — Der uralte Anschluß an τέμνω wäre dann Volksetymologie oder reines Wortspiel. II-873-874
τέμνοντα · ἀμέλγοντα, auch ἔτεμεν· ἤμελγεν H. — Von Fick BB 28, 108 zu einem idg. Wort für ‘schlürfen, schlucken’ in aind. cā́mati ‘schlürfen’ usw. gezogen. Wohlbegründeter Zweifel bei WP. 1, 514; zurückhaltend schon Lidén Arm. Stud. 20 A. 2. Eher ist mit einer semantischen Sonderentwicklung von τέμνω ‘schneiden’ zu rechnen (vgl. Fick GGA 1894, 246). II-874
τέμνω, ep. ion. dor. τάμνω (zu τέμει Ν 707 s. zu τετμεῖν), Aor. τεμεῖν, ep. ion. dor. ταμεῖν, Fut. τεμῶ, ion. τεμέω, τμη- (Archim. τμᾱ-) in Aor. Pass. τμη-θῆναι, Perf. Pass. τέτμη-μαι (seit Od., auch Pi.) und Akt. -κα (att.), Verbaladj. τμητός (att. usw., auch A. und S. in lyr.; ἐΰ-τμητος Hom.), ‘schneiden, ab-, zerschneiden, spalten, verwüsten’. sehr oft m. Präfix, z.B. ἀπο-, ἐκ-, ἐν-, κατα-, περι-, συν-, Zahlreiche Ableitungen. A. Mit ο-Abtönung: 1. τομή, dor. -ά f. ‘das Schneiden, Schnitt, der abgeschnittene Teil, Stumpf’ (seit Il.), ἀνα-, ἀπο-, ἐκ-, περι- ~ u.a. (von ἀνα-τέμνω usw.). 2. τόμος m. ‘Abschnitt, Stück, Teil eines literarischen Werkes, Papyrusrolle, Volumen’ (Kom., Inschr., Pap. usw.); oft zu den präfigierten Verba m adj. Funktion, z.B. ἀπότομ-ος (: ἀπο-τέμνω) ‘abgeschnitten, steil, schroff’ (ion. att.) mit f. -άς (D. S., J. u.a.), -ία f. ‘Schroffheit (hell. u. sp.). Adj. τομός ‘einschneidend, scharf’ (S., Pl. u.a.), oft als Hinterglied in Univerbierungen, z.B. δρυ-τόμος ‘holz- hauend’ (Il. usw.). Zu τομή und τόμος Chantraine Form. 21, Porzig Satzinhalte 253. — Von 1. (und 2.): 3. τομ-εύς (ἐκ-, περι-, ὑπο-, ἀπο-) m. ‘Schneidender, Schneide, Messer’, mathem. ‘Sektor’ (Trag. Adesp., Pl. Alk., X., Arist., hell. u. sp.; Bosshardt 38 f.); zu τομεύς, τομή, τόμος und τμῆμα als mathem. (geometr.) Termini Mugler Dict. géom. s.vv. 4. -ίας (gew. ἐκ- ~) m. ‘Geschnittener’ (ion. att.) mit -ιαῖος (PMag. Par., Gloss.). 5. -άς f. ‘Ausholzung, Lichtung’ (ark. IVa). 6. -ίς f. ‘Messer’ (LXX). 7. -ιον, pl. τὰ -ια ‘geschnittenes Opfertier, herausgeschnittene Teile eines Opfertieres, Schnitte’ (att. usw.), -ιος = -ίας (Pap.). 8. -αῖος ‘mit einem Schnitt versehen, abgeschnitten’ (A., E.). 9. -ικός nur mit ἀνα- (: ἀνατομ-ή) ‘zur Anatomie gehörig’ (Gal.) u.a. ebenso wie mit nominalem Vorderglied, z.B. λατομ-ικός (: λατομ-ία, λατόμ-ος) ‘zum Steinbruch, -brecher gehörig’ (D. S.). 10. -άριον n. ‘kleines Volumen’ (Stob., Eust., EM). 11. Denom. Verba: -άω nur Ptz. Dat. τομῶντι (πήματι) ‘schnittverlangend’ (S.Aj.582); ἐκ-, συν-τομίζω = ἐκ-, συν-τέμνω (PMag. Par., Suid.); ἐκτομ-άζω ‘kastrieren’ (Gloss.). — B. Mit Schwundstufe der ersten und Dehnstufe der zweiten Silbe: 1. τμῆ-μα, auch m. ἀπο-, περι-u.a., n. ‘Abschnitt, Teil’ (Hp., Pl., att. Inschr. u.a.), -μάτιον (Eust.), -ματώδης (Hp. Loc. Hom.). 2. -σις, auch m. ἀπο-, ὑπο-u.a., f. ‘das Schneiden, Verwüsten’ (Pl., Arist. usw.). 3. -τήρ m. ‘Zerschneider’ (Nonn.); -τής H. als Erkl. von ἐκτομεύς; -τικός (ἀνα- ~) ‘schneidend, stechend’ (Pl., Arist. usw.). 4. -δην ‘einschneidend’ (H 262). — C. Mit zweisilbiger Hochstufe: τέμα-χος n. ‘Stück, bes. von eingesalzenem Fisch’ mit Demin. -ιον n. (ion. att.); Bildung wie σέλαχος, στέλεχος u.a. (Chantraine Form. 403 u. 421, Schwyzer 496). Davon τεμαχ-ίτης (ὶχθῦς) m. ‘zerstückelter und eingesalzener Fisch’ (Kom., Pap.; Redard 115, zur Bild. Fraenkel Nom. ag. 2, 210f.), -ίζω (ἀπο-) ‘zerstückeln zum Einsalzen, einpökeln’ mit -ισμός, -ιστός (sp.). —D. Vom Aorist ταμεῖν : ταμεσί-χρως die Haut zerschneidend’ (Il.; schwerlich für *τεμασί- mit Schwyzer 362 nach Specht). —Zu τέμενος, ταμία, ταμίας, τάμισος s. bes. — Anfänglich standen ein schwundstufiges Nasalpräsens τάμνω und ein hochstufiger, urspr. athematischer Wurzelaorist ἔτεμον (3.sg. *ἔ-τεμε-τ) einander gegenüber, die durch wechselseitige Ausgleichung τέμνω (auch vom Fut. τεμῶ begünstigt) und ἔταμον ergaben. Ausführliche Behandlung (mit Belegstellen u. Lit.) von Forssman Glotta 44, 5 ff. Die einsilbigen τέ-τμη-ται, τμη-θῆναι usw. stimmen zu βέβληται, βληθῆναι u.a. Ein urgr. τμᾱ- scheint durch die von Archim. gebrauchten Formen (s. ob.) und durch τμᾶξαι (s. τμήγω) verbürgt zu sein; andererseits ist τέτμηνται bei Pi. I. 6, 22 einstimmig überliefert und ist auch in lyrischen Partien der Tragiker zu belegen (Forssman Unt. zur Spr. Pindars 158 ff.). — Neben dem themat. τάμ-ν-ω steht im Keltischen eine athematische nā-/nə-Bildung, air. tamnaid ‘schneidet ab’; Vermutungen über das Verhältnis der beiden Typen zueinander bei Cardona Lang. 36, 502 ff. Zu τάμνω (und τέμνω) stimmt formal lat. (con-)temnō ‘verachten, verspotten’. Eine schon von den Alten angenommene Bed.entwicklung aus ‘zerschneiden, verstümmeln’ (vgl. κατατέμνω, okkasionell auch ‘verspotten, herabsetzen’) ist möglich, aber nicht zu beweisen (anders über temnō W.-Hofmann s.v.). Ein n-Präsens wird auch fürs Balt.-Slavische vermutet, z.B. aruss. tьnu, tjati, russ. tnu, tjatь ‘schlagen’, ukr. tnu, t’áty ‘schlagen, schneiden, hauen, mähen’, lit. tinù, tìnti ‘dengeln’ (eig. ‘durch Klopfen mittels eines Hammers schärfen’), die auf eine Reduktionsstufe *temnō zurückgeführt werden; s. Vasmer und Fraenkel s.vv. m. weiteren Formen u. Lit.; zur ganzen Sippe auch WP. 1, 719f., Pok. 1062f. —S. auch τένδω und τμήγω. II-874-876
Τέμπεα, -η n. pl. Tal zwischen Olympos und Ossa (Hdt., Kal., Theok. u.a.) mit Τεμπ-ίς f. ‘zum Tempe gehörig’ (Nik.). -ικός ‘ds.’ (Plu., Ael.), -όθεν ‘von T.’ (Kall.); Ἄπλουνι Τεμπείτᾳ (Gyrton IIIa; Fraenkel Nom. ag. 2, 210, Redard 213 m. Lit.). — Appellativische Bed. unbekannt, mithin ohne sichere Etymologie. Hypothesen von Kretschmer KZ 36,264ff.: eig. *"Einschnitt", zu τέμνω; von Bally MSL 12, 329, Cahiers F. de Saussure 2, 58 f. : eig. *" Niederung", zu ταπεινός und lat. tempus ‘Schläfe’. II-876
τέναγος n. ‘seichtes Wasser, seichte Stelle, Untiefe’ (Pi., Hdt., Th., Arist. u.a.). Davon τεναγ-ώδης ‘voll Untiefen, seicht’ (hell. u. sp.), -ῖτις f. ‘ds.’ (AP; Redard 115), -ίζω (Str., Plu.), -όομαι (Xenokr. ap. Orib.) ‘ein τ. bilden, seicht sein’. — Bildung wie das Oppositum πέλαγος, viell. formal davon beeinflußt. Nach Bezzenberger BB 18, 267 u.a. (s. WP. 1, 724) zu lett. tîgas (*tingas) ‘tiefe Stelle zwischen zwei Untiefen, zwischen Sandbank und Ufer, auch das Kurische Haff’ (Bedenken bei Finzenhagen Die geogr. Terminologie des Griechischen [Berl. Diss. 1939] 29). Für Verbindung mit lat. stāgnum ‘stehendes Gewässer, Lache, Teich’ (von W.-Hofmann s.v. abgelehnt) noch Belardi Doxa 3, 220. II-876
τένδω ‘benagen’ (Hes. Op. 524; v.l. τένθω [s. τένθης]; coni. AP 9, 438,1). — Reliktwort; primäres thematisches Präsens, wozu als Iterativ lat. tondeō ‘scheren’ (wie σπένδω : spondeō). Das Keltische hat mehrere Verwandte, z.B. mir. ro-s-teind ‘er spaltete sie (die Nuß)’, Präs. teinnid, tennaid ‘spaltet, bricht’, tonn (< *tond-ā) ‘Haut’. Seit jeher mit τέμνω verbunden (idg. tem-d-?); s. Lit. bei Bq, W.-Hofmann s. tondeō, WP. 1,720, Pok. 1063, wo auch weitere Formen u. Lit. II-876
τένθης m. ‘Näscher, Leckermaul’ (Kom. u.a.) mit τενθ-εύω ‘Näscher sein’ (Poll.), -εία f. ‘Näscherei’ (Ar., Alkiphr.); als Hinterglied in λιχνο-τένθης ‘lüsterner Näscher’ (Poll.). Primäres Verb τένθει (als v.l. Hes. Op. 524 bei Sch. Ar. Pax 1009, Suid. s. τένθαις). Daneben προτένθ-αι m. pl. ‘Teilnehmer der Δορπία-Feier’ (am ersten Tage der Apaturien), auch ‘Vorkäufer’ (Kom. u.a.), sg. Adj. ‘gefräßig’ (Ael.), mit -εύω ‘vorwegkosten, im voraus aufkaufen, vorausnehmen’ (Ar.), -εύομαι ‘ds.’ (Eust.). Zu den Formen noch Georgacas ’Αφιέρ. Τριανταφυλλίδη 522. — Hierher noch mit ο -Abtönung nach Bechtel Dial. 1, 310 τόνθων· παρὰ Κορίννῃ, ἐπὶ νωτιαίου (cod. νοτιβίου) κρέως τὸ ὄνομα H.; zu *τόνθος wie γρόνθων : γρόνθος. Kann von τένδω schwerlich getrennt werden. Somit alte Variation δ ~ θ und weiterhin zu τέμνω (seit Curtius) ? II-876-877
τενθίνοι · λίθοι πλατεῖς H. — Ganz fragwürdige Hypothese von Mayrhofer Wien. Stud. 67, 162: eig. *’behauen’ > ‘glatt’, zu aind. gandhá- m. ‘Geruch’ (eig. *’Stich, Schlag, Hieb’). II-877
τενθρηδών, -όνος f. ‘Wespe, Waldbiene’ (Arist., Dsk.), -ήνη f. ‘ds.’ (Nik.) mit -ήνιον n. ‘Nest der τ.’ (Arist.), -ην(ι)ώδης ‘wabenähnlich, durchlöchert’ (Hp., Plu., Demokr. ap. Ael.; in der Überlieferung stark entstellt, z.T. zweifelhaft). — S. ἀνθρηδών, ἀνθρήνη, auch πεμφρηδών, θρῆνος und τέρθρον. II-877
τέραμνα, auch τέρεμνα; sg. Dat. -άμνῳ (Maiist. 12). Zum Plur. vgl. τὰ οἰκία, lat. aedēs, -ium u.a.m. Die Form τέρεμνα, gewöhnlich seit J. Schmidt KZ 32, 393 als progressive Assimilation erklärt, kann sich nach βέλεμνα, κρήδεμνα u.a. gerichtet haben. — Dazu τέραμνοι· στεγανοὶ σκιαί, σκηνώματα und τέραμνος· κυψέλη H. n. pl. ‘Haus, Wohnung’ (E., fast nur in lyr., auch Artem.), — Ohne unmittelbare oder sichere außergriech. Entsprechung. Seit Fick (z.B. BB 1, 171) zu einem idg. Wort für ‘Balkenbau, Gebäude, Wohnung’ gezogen mit Verwandten in mehreren Sprachen: ital., z.B. umbr. tremnu ‘tabernaculo’ (in der Stammbildung zu τέραμνα stimmend), lat. trabs ‘Balken’ (mit taberna ‘Bude, Wohnraum’ aus *trab-), kelt., z.B. akymr. treb ‘Wohnung’, balt., z.B. lit. trobà ‘Haus, Gebäude’, wohl auch germ., z.B. asächs. thorp, ahd. dorf ‘Dorf’ (vgl. zu τύρβη). In Betracht kommt noch, u.zw. eher als frühe Entlehnung denn als urverwandt, slav., z.B. aksl. trěmъ ‘turris’, russ. térem ‘hohes Gemach, Hallet Von diesen sämtlichen Wörtern weicht indessen τέραμνα durch seine zweisilbige Stammform ab; ein urspr. *τέραβ-να ist übrigens, obwohl unbedenklich, keineswegs sicher. Für vorgriech. Herkunft Krahe Die Antike 15, 181. — Weitere Formen m. Lit. und Diskussion bei WP. 1, 757f., Pok. 1090, W.-Hofmann s. trabs, Fraenkel s. trobà, Vasmer s. tērem, Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. þaúrp. Vgl. noch θεράπνη (s. θεράπων) m. Lit. II-877
τεράμων, -ονος ‘weich (gekocht)’, von Hülsenfrüchten u.a. (Thphr., Phot.) mit τεραμό-της f. ‘Weichheit’ (Thphr.; vgl. μειότης zu μείων). — Wohl sekundär zu ἀτεράμων wie πήμων zu ἀπήμων (s. πῆμα) und τέραμνον· ἁπαλόν, ἑψανόν (Phot., Suid.) zu ἀτέραμνος. Letzten Endes jedenfalls zu *τέραμα, s. ἀτέραμνος.— Vgl. τέρην. II-878
τέρας, -αος und -εος (Hdt.), pl. -αα (-ā, -a), -εα, metr. gedehnt τείρεα, hell. -ατος, -ατα usw. n. ‘Vorzeichen, Wahrzeichen, Wunder, Schreckbild, Ungeheuer’ (ep. poet. seit Il., auch icn. att. Prosa); zum Wechsel -αος : -εος usw. Schwyzer 242 m. Lit. Oft als Vorderglied, z.B. τερατο-λόγος ‘Wunderdinge erzählend, wundervoll’ (Pl., Philostr.) mit -ία (Isok. usw.). -έω (Arist. usw.), -ημα (sp.). Auch τερα[σ]-σκόπος (neben τερατο- ~) m. ‘Zeichendeuter’ (Pi., Trag.). Davon 1. τερατ-ώδες ‘wunderbar, bedeutungsvoll’ (att.), 2. -ίας m. ‘Wundertäter’ (D. S.; vgl. Τειρεσίας unten), 3. -ικῶς ‘wundervoll’ (Epikur.). 4. τεράσ-τιος ‘Vorzeichen bringend, von übler Vorbedeutung, seltsam’ (hell. u. sp.; wie Σεβάστιος [: σεβασ-τός], Γεράστιος; wegen der Bed. kaum mit Georgacas Glotta 36, 184 zu τεράζω). 5. τέρασμα n. ‘Wunder’ (Plu.; wie φάντασμα u.a.). 6. Denom. Verba : a. τερατ-εύομαι, auch m. ἐπι-, ἀπο-u. a., ‘von wunderbaren Dingen reden, aufschneiden’ (att. hell.) mit -εία f. (att. hell.), -ευμα n. (Ar., D. H.). b) -όομαι ‘wie ein Wunder anstaunen’ (Timo). c) τεράζω (-ᾴζω Hdn. Gr.; vgl. Schwyzer 515A2) ‘Vorzeichen deuten’ (A. Ag. 125 [lyr.]). 7. τερατ-ισμοί m. pl. ‘Wunder’ (Lyd.: *τερατίζω). — 8. Τειρεσίας m. PN mit metr. Dehnung für *Τερετ-ίας (vgl. 2. oben). — Altertümliches Wort auf -ας wie κτέρας, βρέτας, σέλας u.a. (vgl. Specht Ursprung 299), ohne sichere Anknüpfung. Nach Curtius 206 u.a. (ausführlich Scherer Gestirnnamen 30 f.) zu aind. tā́raḥ pl. ‘Sterne’ (wozu ἀστήρ usw.; s.d.); semantisch schwierig. Erwägenswert ist Osthoffs Kombination mit πέλωρ (und τέλωρ) ‘Ungeheuer, Ungetüm’ (s.d.), ganz fraglich seine weitere Heranziehung von lit. kẽras ‘Zauber, Gaukelei’. russ. čáry ‘Zauber’ und, mit anlaut. s-, awno. skars n. ‘Ungeheuer, Riesin’, wozu noch mit ā-Präfix aind. āścarya- ‘seltsam, wunderbar, außergewöhnlich’, urspr. Subst. n. ‘Wunder’ (anders darüber Kuiper Indoir. Journ. 5, 136 ff.). — Nach H. Lewy KZ 58, 30 f. aus assyr. tērtu ‘Vorzeichen, Omen’ (morphologisch schwierig). II-878
τερέβινθος s. τέρμινθος. II-878
τερετίζω, ‘zwitschern, zirpen, summen’ (Phryn. Kom., Arist., Thphr. usw.) ganz vereinzelt mit συν-, ὑπο-, mit τερέτ-ισμα n. (Arist., hell. u. sp.), -ισμός m. (sp.) ‘das Zwitschern usw’. — Nach allgemeiner, wohl richtiger, obwohl nicht unmittelbar einleuchtender Annahme lautmalend (literarisch aufgeputzt für *τιριτίζω? Vgl. τέττιξ : τιτίζω). II-878-879
τέρετρον n. ‘Bohrer’ (Od., att. Inschr., LXX, Plu. u. a.); Demin. -τριον (Thphr.). — Primäres Nom. instrumenti mit τρο-Suffix zu der in τέρε-σ-σεν· ἔτρωσεν, ἐτόρνωσε H. und τερέ-σω (Eust.), lat. tere-bra ‘Bohrer’ vorliegenden zweisilbigen Hochstufe neben der einsilbigen in τρῆ-σαι usw.; s. τετραίνω, auch τείρω, τορεῖν, mit weiteren Verweisen; idg. tro- Suffix auch in kelt., z.B. air. tarathar ‘Bohrer’. — Ebenso mit δον-Suffix τερηδών, -δόνος f. ‘Bohrwurm, Knochenfraß’ (Hp., Ar., Arist. usw.) mit -δονίζομαι ‘vom Bohrwurm od. Knochenfraß verzehrt werden’, -δονισμός m. (Dsk. u.a.); vgl. τενθρηδών, ἀλγηδών u.a.; dazu Gil Fernández Nombres de insectos 115. II-879
τέρην, -εινα, -εν ‘zart’ (ep. poet. seit Il.; Treu Von Homer zur Lyrik 188 ff.). Als Vorderglied in τερενό-χρως ‘mit zarter Haut’ (Anaxandr., Opp. u.a.). Steigerungsformen : τερέν-τερος (Antun.), τερενώ-τερος (Lyr. Adesp.), f. τερεινο-τέρη (AP); vgl. Leumann Mus. Helv. 2,9f. = Kl. Schr. 223 f. — Bildung wie ἔρσην, ἄρσην und bis auf den thematischen Vokal mit sabin. terenum ‘molle’ identisch. Hierher noch lat. tener, -era, -erum ‘zart’, wenn nach tenuis aus *terenos umgestellt (s. W.-Hofmann s.v.). — Vgl. τέρυς, τεράμων. II-879
τερθρεύομαι ‘spitzfindig reden’ (D., Arist., Plu. u.a.) mit τερ-θρ-εία f. ‘spitzfindige Rede, Haarspalterei’ (Isok., Phld., D. H. u.a.), auch als militärischer Fachausdruck = ἡ στρατεία ἡ ἐν τοῖς μέρεσιν καλουμένη (Phot., Suid.; ähnl. EM 753, 5), -εύμασι· φλυαρίαις H., -εύς m. als PN (Hermipp.). — Kann (als Denominativum) von τέρθρον ‘oberstes Ende, Spitze’ schwerlich getrennt werden, obwohl eine semantisch befriedigende Begründung fehlt. Prellwitz erinnert an μετεωρολόγος; man könnte vielleicht auch nhd. spitzfindig, frz. pointiller ‘nörgeln, sich bei Kleinigkeiten aufhalten’ (pointille, point, -e), poin-tillerie ‘Nörgelei, Haarspalterei’ zum Vergleich heranziehen. Andere Hypothesen bei Richardson Class Quart. 39, 59ff. (morphologisch nicht überzeugend). — Seit Curtius (mit Heinr. Schmidt), Brugmann Grundr.1 II: 1, 90 (2II : 1, 128) als Reduplikationsbildung von θρέομαι (s. auch τονθορύζω) erklärt; weder formal noch semantisch einwandfrei. II-879
τέρθρον n. ‘oberstes Ende, u.a. der Segelstange, Spitze, höchster Punkt’ (h. Merc. 322, Emp., Hp., E. Fr.371, Poll.; Einzelheiten bei Seeck Herm. 95, 49 m. A. 4). Davon τέρθριοι (κάλοι) m. pl. ‘Schiffsseile am Ende der Segelstange’ (Ar. Eq. 440, Erot., Gal.), τερθρία πνοή (S.Fr. 333) = ὀπισθία πνοή (vgl. Pearson z. St.). Aus H. : τερθρωτήρ· ὅπου ὁ πρῳρεὺς προορᾱͅ τὰ ἐν τῇ θαλάσσῃ (vgl. τροπωτήρ, σαυρωτήρ) und τεθρηδών (aus τερθρ- dissim.)· πρῳρεύς. — Alte Primärbildung mit θρο-Suffix von einem Verb ‘hinübergelangen, ans Ende gelangen’, s. τέρμα. Vgl. noch τερθρεύομαι m. Lit. II-879-880
τέρμα n. ‘Ziel (der Rennbahn), Endpunkt, höchster Punkt, oberste Gewalt’ (vorw. ep. poet. seit Il.). Als Vorderglied m τερμο-δρομέω ‘ans Ziel laufen’ (Man.), τερματ-οῦχος H. als Erld. von βαλβιδοῦχος. Oft als Hinterglied (auch auf τέρμων beziehbar). z.B. ἀ-τέρμων ‘ohne Ende, grenzenlos’ (A., E., Arist. u.a.). Davon 1. τέρμ-ιος ‘am Ende befindlich, letzt’ (S.); vgl. στόμιος von στόμα. 2. -ιεύς m. Bein. des Zeus (als Inhaber der obersten Gewalt oder als Grenzwächter? Lyk.), vgl. Bosshardt 66 f.; nach Πολι-εύς, nicht mit Bosshardt von τέρμιος. 3. -ιόεις Beiwort von ἀσπίς (H 804), von χιτών (τ 242, Hes. Op. 537), Bed. unklar (nach den Alten = ποδηνεκής, zustimmend Picard Rev. arch. Sér. 6 : 46, 68ff.), vgl. Trümpy, Fachausdrücke 24; Bildung wie τειχιόεις (s. zu τειχος m. Lit.); daraus τέρμις· πούς H. (anders darüber Lejeune Mem. de phil. myc. 338f. und Minos N. S. 9,35m. A. 62 anläßlich myk. te-mi-dwe-te, -ta; noch anders v. Blumenthal Hesychst. 46). 4. -άζω ‘begrenzen’ (Tab.Heracl., ThermonIIIa) mit -αστῆρες pl. m. ‘Grenzbehörden’ (Epid.IIIa; Fraenkel Nom. ag. 1, 159 m. A. 1). 5. -ατίζω, ganz vereinzelt m. ἀπο-, ἐπι-, ‘ds.’ (Str., S.E., Vett. Val. u.a.). — Daneben τέρμων, -ονος m. ‘Ende, Grenze, Kante’ (A., E., hell. u. sp. Prosa; wie μνῆμα : μνήμων u.a.) mit τερμ-όνιος ‘am Ende befindlich’ (A. Pr. 117 [lyr.]), -ονίζω ‘abgrenzen’, -ονισμός ‘Abgrenzung’ (Epid. IIIa); erweitert τερμο-σύνᾱ f. (Trag.Adesp. 509 [lyr.]), Gelegenheitsbildung (Wyss -σύνη 40). — Zu τέρμα bzw. τέρμων stimmen lat. termen, -inis n. bzw. ter-mō, -ōnis m. ‘Grenzstein, Markstein, Grenze’ ebenso wie, formal, aind. tárman- n. ‘Spitze des Opferpfostens’ (unbel.), su-tárman- ‘eine schöne Überfahrt gewährend’ (RV; vom Schiff); dazu mit thematischer Erweiterung lat. terminus und umbr. termnom-e ‘ad terminum’. Hierher noch venet. termo ‘terminus’, auch heth. tarma- ‘Nagel, Pflock’, wenn urspr. *’Grenzpflock’ (Stammvokal mehrdeutig; Kronasser ̨ 102, 4); vgl. indessen auch zu τόρμος. Das zugrunde liegende Verb ist in aind. tárati, tiráti ‘übersetzen, hinüberfahren’ vorhanden. —Uralte Beziehung zu τετραίνω, τείρω ‘durchbohren usw.’ ist nicht ausgeschlossen. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 732 ff., Pok. 1074 f., Bq s. τέρμα und τερμιόεις, W.-Hofmanns.terminus, Mayrhofer s. tárma. S. auch τέρθρον. II-880
τέρμινθος, sekund. τερέβινθος (Hp., Arist., Thphr., LXX usw.), mit Metathese τρέμιθος (Nik. Th. 844) f. ‘Terpentinbaum, Pistacia Terebinthus’. Davon τερμίνθ-ινος (τερεβ-) ‘zum Terpentinbaum gehörig’ (X., Diokl. Fr., Thphr., u.a.) f. -ίς haplologisch für -ινίς (Nik. Al. 300); τερεβινθ-ώδης ‘reich an Terpentinbäumen’ (AP), -ίζω ‘terpentinähnlich sein’ (Dsk.). Τερμινθεύς (Lyk.), Τερβ- (Miletos IIa) Bein. des Apollon als Arzneigott (Bosshardt 68f.), Τρεμιθοῦς ON (Kyros; Ptol., St.Byz. u.a.). — Myk. qe-pi-ta?? (Peruzzi Minos 8,7ff.; abzulehnen). — Vorgr. LW unbekannten Ursprungs. Pelasgische Etymologie bei v.Windekens Le Pelasgique 138f. (m.Lit.), ZDMG 107, 555. Die jüngere Form τερέβινθος eher mit Güntert Reimwortbild. 138 nach ἐρέβινθος als mit Dissim. μ-ν zu β-ν (vgl. Schwyzer258). II-881
τερμιόεις, τέρμων s. τέρμα. II-881
τέρνακα · τῆς κάκτου τοῦ φυτοῦ καυλόν H. — Bildung wie δόναξ usw. usw., wohl zunächst von *τέρνον, -ος, das sich nur im Ablaut von aind. tr̥ṇam n. ‘Gras(halm), Stroh, Kraut’, germ., z.B. got. þaúrnus, nhd. Dorn m., slav., z.B. aksl. trъnъ ’ἄκανθα’ unterscheidet (idg. *tr̥no / u- bzw. *terno-). II-881
τέρπομαι, Aor. ταρπῆναι, ταρφθῆναι, τερφθῆναι, ep. auch 1. pl. Konj. ταρπώμεθα, mit Redupl. z.B. τετάρπετο, τέρψασθαι, Fut. τέρψομαι ‘sich sättigen, sich erquicken, sich ergötzen, genießen’, auch Akt. τέρπω, τέρψαι, τέρψω ‘sättigen, erquicken, ergötzen’. Ausführliche Behandlung von J. Latacz Zum Wortfeld "Freude" in der Sprache Homers. Heidelberg 1966. S. 174-219. auch m. ἐπι-, κατα- u.a. (seit Il.). Wenige Ableitungen: 1. τερπ-νός ‘ergötzlich, erfreulich’ (seit θ 45 [v. l.]) mit -νότης f. (LXX u.a.); zum neugebildeten Superlativ τέρπ-νιστος (Kall.) Seiler Steigerungsformen 80 f. 2. τέρψις f. ‘Ergötzung, Genuß’ (vorw. poet. seit Hes.). 3. τερπ-ωλή f. ‘ds.’ (σ 37, Archil., Thgn., sp. Prosa; Porzig Satzinhalte 235). 4. τέρπεα od. -η (Dat. -εσι) n. pl. ‘ds.’ (Epigr. Itanos Ia-Ip). Kompp. : ἀ-τερπ-ής ‘unergötzlich, unerfreulich’ (seit Il.; direkt zu τέρπομαι?). Gegensatz ἐπιτερπ-ής (: ἐπι-τέρπομαι; seit h.Ap.; Zumbach Neuerungen 22); unsicher ἀτέρπου ὀιζύος (Z 285); zu ἄ-τερπνος = ἄγρυπνος (Stesich., Ibyk.) Frisk Adj. priv. 9 m.A.L Als Vorderglied wahrscheinlich in τερπι-κέραυνος Beiwort des Zeus ‘der sich an Donner und Blitz erfreut’ (Hom., Hes., Schwyzer 444 m. A. 9 u. Lit.; dazu Chantraine Beitr. zur Indog. u. Keltol. [1967] 23 f., der einen alten Wechsel τερπι- : ἀ-τερπής anzunehmen geneigt ist); τερψί-μβροτος ‘Menschen erfreuend’ (Od., h. Ap. u.a.; Schwyzer 445, Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 33ff.). Eigennamen, z.B. Τέρπ-ανδρος mit Kurzformen Τέρπης (AP), Τέρπων Silen- und Satyrname (Vaseninschr.; Schulze Kl. Schr. 701 u. 715f.). Πολύ-τερπος (Korinth VIa; Threatte Glotta 45, 186ff.), Patron. Τερπ-ιάδης (χ 330); Εὐ-τέρπη, Τερψι-χόρη (seit Hes.). — Das thematische hochstufige Wurzelpräsens τερπομαι, τέρ- πω hat ein direktes Gegenstück in aind. tarpati ‘sich sättigen, befriedigt werden’ , das indessen Neubildung ist für die früher belegten tŕ̥pyati, tr̥pṇóti, tr̥mpati (Narten Sprache 14, 124 m. A. 69). Auch in τέρπομαι will Specht KZ 64, 68 eine Neubildung (für *τάρπτω = tŕ̥pyati) sehen. Daneben mit Schwundstufe wie in ταρπ-ῆναι (für *τραπ-ῆναι?) auch der themat. Wz.-aor. aind. á-tr̥p-at, ebenso germ., z.B. got. þaúrban, ahd. durfan ‘bedürfen’, deren Zugehörigkeit indessen aus semantischen Gründen unsicher ist. Parallele Neubildungen sind die s-Aoriste τέρψασθαι, -ψαι und aind. (Gramm.) atārpsīt. ehenso die Futura τέρψομαι, -ω und aind. (Gramm.) tarpsyati. Gegen-über der Neubildung τέρψις steht mit ursprünglicher Schwundstufe aind. tŕ̥pti- ‘Sättigung’. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 736f., Pok. 1077f., Fraenkel s. tar̃pti, Mayrhofer s. tŕ̥pyati; ält. Lit. auch bei Bq. II-881-882
τέρσομαι (Hom., Hp.), Aor. τερσῆναι (P 519), -ήμεναι (ζ 98) ‘trocken werden’, Akt. τέρσαι (Theok., Nik.), Opt. Med. 2. sg. τέρσαιο (Nik.), Präs. τερσαίνω, -ομαι (hell. Epik) mit Aor. 3. sg. τέρσηνε (P 529) ‘trocken machen, abtrocknen’. — Alter Ausdruck für ‘trocken werden, machen’ mit mehreren Verwandten in anderen Sprachen. Seit alters wird τέρσομαι mit got. *ga-þaírsan gleichgesetzt. Belegt ist aber nur ein Ptz. Prät. Akk. sg. f. gaþaúrsana (handu = ἐξηραμμένην χεῖρα), das ebensogut zu ga-þaúrsnan ’ξηραίνεσθαι’ gehören kann und jedenfalls nicht auf ein hochstufiges Präsens schließen läßt, s. Specht KZ 64, 68 ff., der deshalb auch τέρσομαι als eine Neubildung betrachtet. Da indessen die Hochstufe auch in τερσῆναι (für erwartetes *ταρσῆναι) u.a. erscheint, dürfte τέρσομαι jedenfalls auf ein beträchtliches Alter Anspruch machen. Zur Erhaltung der Lautgruppe -ρσ- Schwyzer 285 und Forbes Glotta 36, 252. — Daneben ein schwundstufiges Jotpräsens in aind. tŕ̥ṣyati = got. þaúrsjan ‘dürsten’ und ein Kausativum in aind. tarṣáyati ‘dürsten lassen’ = lat. torreō und germ., z.B. ahd. derran ‘dörren’. Hierher noch mehrere Nomina, z.B. ταρσός (s.d.) mit τρασιά, lat. terra, germ.. z.B. nhd. Durst. Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 1, 737f.. Pok. 1078f., W.-Hofmann s. torreō und terra, Mayrhofer s. tŕ̥ṣyati, Feist s. *ga-þaírsan. — Das altertümliche τέρσομαι wurde im. Griech. durch die neugebideten αὐαίνομαι, -ω (vom alten αὖος), ξηραίνομαι, -ω zurückgedrängt und ersetzt. II-882
τέρυς ‘zart, schwach’ nur in τέρυ· ἀσθενές, λεπτόν H., τέρυας ϊππους· οὕτω λέγονται ὅσοι ἀδδηφάγοι εἰσί. ἔνιοι τοὺς ἀσθενεῖς H. Daneben τερύνης· τετριμμένος ὄνος, καὶ γέρων ἢ δυσανάληπτος γέρων; τερύσκεται· νοσεῖ, φθίνει, τερύσκετο· ἐτείρετο H. (wie μεθύσκω : μέθυ). — Zu τερύνης vgl. aind. táruṇa-, aw. tauruna-’jung, zart’; neben dem zweisilbigen τερυ- steht τρυ- in τρύω (s.d.); vgl. noch zu τιτρώσκω. Zum Stammwechsel in τέρ-υ : τέρ-ην Benveniste Origines 51 und 122, auch Specht Ursprung 129. Ein entsprechender s-Stamm kann in κυκλο-τερής ‘rund gedrechselt’ (vgl. zu κύκλος) vorliegen; zur Bed. vgl. Hdt. 4, 36 : τὴν γῆν ἐοῦσαν κυκλοτερέα ὡς ἀπὸ τόρνου. Weitere, mehr oder weniger hypothetische Kombinationen bei WP. 1, 728 ff., Pok. 1070 f.; auch Bq s.v. und Mayrhofer s. táruṇaḥ. II-883
τέρχνος, τρέχνος n. ‘Schößling, Zweig’ (Max., AP, H.); kypr. τὰ τέρχνιjα (τρεχ- ?; geschr. te-re-ki-ni-ja) ‘Früchte’. — Bildung wie ἔρνος, κτῆνος u.a.; sonst isoliert. Für Anknüpfung an τρέχω Niedermann IF26,46f.; andere Vorschläge bei Prellwitz KZ 42, 386 und Vendryes MSL 13, 406ff. (s. Bq, W.-Hofmann s. termes und WP. 1, 862 f., Pok. 258). — Bei τέρχνεα = ἐντάφια H. handelt es sich offenbar um eine Spezialisierung der Bed. ‘Früchte’; vgl. καρποί, κάρπωμα, -ωσις auch ‘Früchte als Opfergaben’, κάρπωσις· θυσία ’Αφροδίτης ἐν ’Αμαθοῦντι H. II-883
τέσσαρες, -α (Hom. [attizistisch für τέσσερες? Wackernagel Unt. 13] u. a.), att. τέτταρες, ion. ark. hell. τέσσερες, dor. nw. gr. τέτορες, äol. (Hom.) πίσυρες, lesb. πέσ(σ)υρες, böot. πέτταρες ‘vier’ Davon das Ordinale τέταρτος, ep. auch τέτρατος, böot. πέτρατος ‘der vierte’ mit τεταρτ-αῖος (Theok. τετόρτ-αιος) ‘am vierten Tage eintreffend’ (ion. att.), m. (sc. πυρετός) als Fieberart ‘Quartana’ (Strömberg Wortstud. 74ff.). Kollektiva: τετράς (böot. πετράς) f. ‘Periode von vier Tagen, Vierzahl’, gew. ‘der vierte Tag des Monats’ (seit h. Merc., Hes.); τετρακτύς, -ύος f. ‘Vierzahl’ (Pythag.). Zahladverb τετράκις (seit ε 306; böot. π-), posthom. auch -κι ‘viermal’. Weitere Adverbia: τέτρα-χα, -χῆ, -χόθι, -χῶς u.a. (ion. att.); auch -χθά (Hom.); dazu Adj. τετραξός (Arist.), -ασσός (sp. Pap.), wie διξός, δισσός usw. — Weitere Einzelheiten m. Lit. Schwyzer 589 f., 597 f. Als Vorderglied in τεσσαρά-κοντα, att. τετταρά-κοντα, ion. hell. τεσσερά-κοντα, dor. τετρώ-κοντα ‘vierzig’; auch in τεσσαρά-βοιος ‘vier Rinder wert’ (Ψ 705; Risch Mus. Helv. 2, 19) u.a. Dafür sehr oft τετρα-, z.B. τετρά-κυκλος ‘vierräderig’ (Hom. usw.), τετρα-κόσιοι, dor. -κάτιοι ‘vierhundert’; myk., z.B. qe-to-ro-we = τετρ-ωες ‘mit vier Ohren’. — Das idg. Zahlwort für ‘vier’ hatte eine sehr verwickelte Flexion, die sich an Hand der einzelsprachlichen Zeugnisse im großen und ganzen restituieren läßt. Für das Griech. kommen folgende Formen besonders in Betracht. Nom. *qʷetu̯ores in τέτορες mit τ statt σσ, ττ nach τέτρασι u.a. (anders Fraenkel Phil. 97, 162); damit identisch arm. č̣ork‘, toch. A śtwar, B śtwer; mit Länge des ō aind. catvā́rah, got. jidwor, mit sekund. a in der Anfangssilbe lat. quattuor. Akk. *qʷeturn̥s in πέσυρας = aind. catúraḥ, lit. keturì, got. fidur-, z B fidur-dogs ’τεταρταῖος’; dazu neuer Nom. πέσυρες, wozu mit Reduktionsvokal πίσυρες (vgl. Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 5). Lok. *qʷetu̯r̥su in Dat. τετράσι (neben aind. catúrṣu nach catúraḥ). Ordinale *qʷetu̯r̥-tos in τέτρατος, τέταρτος = lit. ketuĩrtas, toch. A śtärt, B śtarte (vgl. v. Windekens Orbis 16, 473) neben aind. caturtháḥ. — In τέσσερες kann wie im Kollektiv lit. ketverì, aksl. četverъ, idg. *qʷetu̯eres erhalten sein; nach anderer Auffassung (z.B. Bechtel Dial. 3, 156 f.) dagegen τέσσερες durch Vokalassimilation aus τέσσαρες, dessen α (statt ο) jedenfalls eine sekundäre Schwachstufe enthält (vgl. τέταρτος). Unklar τετρώκοντα (vgl. lat. quadrāginta?). — Weitere Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer a. O. und bei Szemerényi Numerals 15ff., 79 ff., 115ff.; für Hom. auch Chantraine Granun. hom. 1, 25, 114, 260; für die übrigen Sprachen außer Spezialwörterbüchern und Grammatiken noch WP. 1, 512, Pok. 642 ff. — Vgl. auch τράπεζα und τρυφάλεια. II-883-884
τεταγών redupl. Ptz. Aor. (wie ἀμ-πεπαλών; s. πάλλω), ‘fassend, packend’ (Α 591, Ο 23), — mit dem lat. Perf. te-tig-ī (aus *te-tag-ai zu tangō, alat. Konj. tagam ‘berühren’) urverwandt. Weitere, z.T. unsichere Kombinationen (u.a. ags. þaccian ‘sanft berühren, streichen’) bei WP. 1, 703f., Pok. 1054f., W.-Hofmann s. tangō. II-884
τετανός, τέτανος s. τείνω. II-884
τετίημαι Perf. des erreichten Zustandes (Schw.-Debrunner 263 m. A. 1) im 2. du. τετίησθον (Θ 447), sonst nur im Ptz. τετιημένος (Hom., Hes. Th. 163), auch Akt. τετιηώς (-ότες, -ότι Il.). ‘bin betrübt, bekümmert’ — Im Griech. isoliert (zur Bildung Schwyzer 768 u. 770), ohne genaue od. sichere außergr. Entsprechungen. Verschiedene Hypothesen sind bei Bq registriert; dazu WP. 1, 508, Pok. 636, W.-Hofmann s. cūra und quiēs; vgl. noch τηρέω. II-884
τετμεῖν (τέτμεν, ἔτετμεν, τέτμον, Konj. τέτμῃ usw.) reduplizierter Aor. wie πε-φν-εῖν u.a. (Schwyzer 748). ‘antreffen, erreichen, teilhaft werden’ (ep. seit Il.), — Ohne Etymologie. Die formal naheliegende Anknüpfung an τέμνω ‘schneiden’ (Ebel KZ 2, 48; vgl. Schwyzer 748 A. 5) entbehrt einer überzeugenden semantischen Begründung. Andere (unhaltbare) Vorschläge bei Bq (abgelehnt). Toch. AB täm- ‘geboren werden’, Ka us. ‘erzeugen, hervorbringen’ (v. Windekens Philol. Stud. 11, 175f.) weicht in der Bed. stark ab. — Hierher vielleicht das dunkle τέμει (Ν 707); vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 309 (abzulehnen Deroy Ant. class. 15, 227 ff.: intr. pass. ‘être sépare’, von τέμνειν). II-884-885
τετραίνω (A. in lyr., Hdt.), Aor. τετρῆναι (Hom.), τετρᾶναι (att. Inschr.), Med. τετρήνασθαι (Ar., Gal.), Pass. τετρανθῆναι (Lyk., AP), Fut. τετρανέω (Hdt.), -νῶ (IVa); daneben Aor. τρῆσαι (Hp., Pl., hell. u. sp.), Med. -σασθαι (Gal.), Pass. -θῆναι (Trypho ap. Ath., Gp.), Fut. τρήσω (Lyk. u.a.), Perf. Med. τέτρημαι (ion. att.) mit den sekundären Präs. τιτράω, τίτρημι, τιτραίνω (hell. u. sp.), wozu Aor. τιτρᾶναι (Thphr.), ‘durchbohren, durchlöchern’. meist m. Präfix, bes. δια-, συν-, Davon 1. τρη-τός ‘durchbohrt’ (seit Il.; Ammann Μν. χάριν 1,16), ἄ-τρη-τος (Pl., Arist. u.a.), von den Präfix kompp. z.B. παράτρητος (Mediz. u.a.). 2. τρῆμα (διά-, παρά-, ἔκ- ~) n. ‘Loch, Öffnung, Nadelöhr, Punkt auf dem Würfel’ (ion. att.) mit -άτιον (Hero u.a.), -ατώδης ‘durchlöchert’, -ατόεις ‘ds.’ (AP), -ατίζω ‘Würfel spielen’, -ατίκτας (dor.), -ατῖται (pl.) ‘Würfelspieler’ (Sophr., Poll., H.; Redard 47 f.). 3. τρῆσις (διά-, σύν- ~ usw.) f. ‘das Durchbohren, Öffnung, Loch’ (ion. att.). — Die Formen τέτρημαι, τρητός, τρῆμα mit einsilbiger langer Wurzelsilbe stimmen zu βέβλημαι, βλητός, βλῆμα, τέτμημαι, τμητός, τμῆμα usw.; dazu die zweisilbigen τέρε-τρον, ἀ-τέρα-μνος wie βέλε-μνα, τέμα-χος. Weitere Einzelheiten zum Ablaut bei Schwyzer 360 f. Das zugehörige Wz.-Präsens ist in lat. terō ‘(zer-)reiben (mit trī-vi wie τρί-βω) erhalten. — Die zusammengehörigen τετραίνω, τετρανέω, τετρᾶναι müssen Neubildungen sein, anscheinend nach den Verba auf -αίνω ("nach βαίνω : βέβηκα?" Risch ̨ 118; vgl. noch δραίνω für δράω). Auf den Vergleich mit lit. trinù ‘(durch)reiben’ (WP. 1, 729, Pok. 1071) ist angesichts der starken Produktivität der Nasalverba im Litauischen nicht viel zu geben. Auffallend ist indessen auch der ε-Vokal der Reduplikationssilbe, der aus dem Perfekt geholt zu sein scheint und jedenfalls besser zu einem Aorist als zum Präsens paßt; vgl. die vereinzelt belegten τέτορεν, τετορήσας u.a. (s. τορεῖν). Ein Nomen *τέ-τρ-ος (vgl. πέπλος) schwebt in der Luft. Vgl. τείρω und τορεῖν. II-885
τέτραμος, -μαίνω s. τρέμω. II-885
τέτραξ, -ακος, -αγος m. N. eines Vogels, nach Thompson Birds s.v. ‘Birkhahn’ od. ‘Perlhuhn’, nach Benton JHSt. 81, 48 ff. (m. ausführlicher Beh.) ‘große Trappe’ (Epich., Ar., hell. u. sp.); davon τετράζω ‘gackern’ (Alex. Mynd.). — Daneben τέτριξ, -ιγος f. (Arist.), Identifikation unsicher (Thompson s.v.). Aus H. noch: τετράων· ὄρνις ποιός (lat. tetrāō Plin.), τετράδων· ὄρνεόν τι. ’Αλκαῖος, τετραῖον· ὀρνιθάριόν τι. Λάκωνες, τατύρας· ὁ φασιανὸς ὄρνις u.a.m. — Zu τέτραξ, -ιξ vgl. z.B. κόραξ, πέρδιξ. Ähnliche Vogelnamen sind lit. tetervà ‘Birkhenne, -huhn’, tẽtervinas ‘Quer-, Birkhahn, Trappe’, slav., z.B. russ. téterev ‘Birkhahn’, awno. þiðurr ‘Auerhahn’, aind. tittiráḥ ‘Rebhuhn’. Ursprünglich lautnachahmend; unsichere Verblutungen zur Stammbildung bei Specht Ursprung 48. Weitere Formen m. Lit. bei Fraenkel, Vasmer und Mayrhofer s.vv., WP. 1, 718, Pok. 1079; s. auch W.-Hofmann s. tetrax. II-886
τέττιξ, -ῑγος (-ῑκος Hdn. Gr.) m. ‘Baumgrille, Zikade’ (seit Il.); übertragen von einer Haarnadel in Gestalt einer Zikade (att.). Als Vorderglied u.a. in τεττιγο-μήτρα f. ‘die unterirdische Larve der Zikade’ (Arist.; Strömberg Wortstud. 23). Davon τεττίγ-ιον H. s. κερκώπη, auch als N. einer Münze (Delos IlIa); -όνιον n. Bez. einer kleinen stummen Zikade (Arist.. Plm.. vgl. τιτιγόνιον und zu τρίζω; Suffix nach ἀηδ-, χελιδ-όνιον); -ότης f. ‘der Zustand einer Zikade’ (Arist.-Komm.), -ώδης ‘zikadenähnlich’ (Luk.). — Onomatopoetisch; vgl. τιτίζω s. τιτιγόνιον und Gil Fernández Nombres de insectos 130 f., 190. II-886
Τευδάρεως s. Τυνδάρεως. II-886
τευθίς, -ίδος (auch -ῖδος) f. ‘Art Tintenfisch’ (Semon., Ar., Thphr. u.a.), θεῦτιν Akk. (Hippon. ex H.); auch τεῦθος m. von einer größeren Art (Arist.); τευθιάς f. (Philox.). Davon τευθίδ-ιον n. (Kom.), -ώδης ’τ.-ähnlich’ (Ath.). Einzelheiten bei Thompson Fishes s.v. — Etymologie unbekannt, wahrscheinlich Fremdwort; vgl. ON Τευθ-ίς (Arkadien), -έα (Achaia). Verschiedene idg. Deutungsversuche: eig. "das Wasser trü-bend, verwirrend", zu aind. dódhat- ‘erschütternd, ungestüm, tobend’ usw. (idg. dheu-dh- WP. 1, 839 mit Fick u.a., Pok. 264 f.); zu idg. dheu-dh-, aber auf die Farbe bezogen ebenso wie der Pfl.name τεύθριον = πόλιον, ἐρυθρόδανον (Schindler KZ 81, 71 mit Vorbehalt); zu dheu- ‘laufen, rinnen’ (woraus ‘saftig’ und ‘färben’; Tovar Münch. Stud. 10, 77 ff.; dazu noch myk. te-u-ta-ra-ko-ro?); ebenso, aber pelasgisch (Carnoy Ant. class. 24, 25, REGr. 69, 288). Semit. Etymologie bei Lewy Fremdw. 18, RhM 80, 108 und Grimme Glotta 14, 17.— Vgl. zu τεῦτλον. II-886-887
Τεῦκρος m. Sohn des Telamon, der beste Bogenschütze vor Ilios (Il. u.a.), eig. Eponym der Teukrer, die in der späteren Lit. (A., Hdt.) mit den Troern aufs engste verknüpft wurden, urspr. vielleicht N. eines Fürsten- oder Priestergeschlechts in Kilikien und auf Kypros (Kretschmer Einl. 189 f.; vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 82 A. 1 m. Lit.). — Nach v. Windekens Minoica 448ff. pelasgisch, u.zw. als "Bogenschütze" zu τόξον (?). Anders Blümel IF 43, 271 f.: als "Sohn eines Kebsweibs" mit τεῦχρος· ἀδελφὸς νόθος H. identisch. II-887
τευμάομαι nur τευμήσατο ‘errichtete, baute’ (Antim.; vgl. zu Kall. Fr.567 Pfeiffer), τευμᾶται· τεχνάζει H. — Von *τεύμα (*τεῦμα?; vgl. Schwyzer 725 A. 9), welch letzteres mit aw. šyaō-man- n. ‘Tat, Werk’ identisch sein kann: idg. *qi̯eu-men-. Ein primäres Verb liegt in σεύομαι vor (s.d.). — Daneben τευτάζω, auch -άζομαι, Perf. τετεύτακα ‘sich anhaltend mit etw. beschäftigen, andauernd betreiben’ (Kom.., Pl.), auch -άσσω (Orac. in Ath. Mitt. 25, 399); davon τευτασμός· στραγγεία H. — Bildung der Umgangssprache auf -τάζω, wohl als Erweiterung von -τω, -τάω (Schwyzer 706 : 4); letzten Endes zum selben primären Verb wie τευμάομαι. Fick-Bezzenberger BB 6, 236; weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 363. Anders Szemerényi Misc. Etym. (Budapest 1938) 4ff.: zu τεύχω usw. II-887
Τευταμίδης (-ᾱο Λήθοιο Β 843) Patronymikon von Τεύταμος (vgl. Πρίαμος u.a. Schwyzer 494; anders Prellwitz KZ 45, 159), — von einem idg. Wort für ‘Volk’ in germ., z.B. got. þiuda, osk. touto ‘civitas, populus’, lit. tautà ‘Volk, Nation, Land’, kelt., z.B. tuath ‘Volk’, idg. *teutā; gewöhnlich als illyrisch erklärt (so bes. Krahe, z.B. Die Spr. d. Illyrier 1, 60f.). Ebenso Τευτί-απλος N. eines Eleers (Th.3,29); zum Hinterglied s. ὀλιγηπελέων. II-887
τεῦτλον, ion. hell. σεῦτλον n. ‘Mangold, Beta maritima’ (Hp., Kom., Thphr., Pap. u.a.). Als Vorderglied in τευτλο-φακῆ f. ‘ Mischung von Mangold und Linsen’ (Mediz.). Davon τευτλ-ίον, σ- (Ar., Diokl.Fr., Thphr., Pap. u.a.), -ίς (Thphr., Diph.); Τευτλοῦσσα f. "Mangoldinsel", Insel an der Küste Kariens (Th.). — Unerklärtes Fremdwort. Abzulehnen Tovar Münch. Stud. 10, 77 ff.: eig. ‘saftig’ zu idg. dheu- ‘laufen, rinnen’ mit weiterer Einbeziehung von τευθίς (s.d.). Der Wechsel τ- : σ-kann auf künstliche Attizisierung bzw. Ionisierung zurückgehen. II-887
τεύχω, Aor. τεῦξαι, -ασθαι, mit Redupl. τετυκεῖν, -έσθαι (κ analog.; Erklärungsversuch von Osthoff ZGdP 304 ff). Pass. τυχθῆναι, Fut. τεύξω, -ομαι, Pass. τετεύξομαι, Perf. Ptz. τετευχώς (μ 423, passiv; myk. te-tu-ko-wo-a), Ind. τέτευχα (sp.), τετεύχαται (Ν 22), τέτυκται, Plqpf. (ἐ)τετεύχατο, (ἐ)τετύμην, ‘verfertigen, fertigbringen, herstellen’, von Handarbeit, Bau- und Holzwerk, ‘bereiten’, oft von Speise und Trank, ‘veranstalten, verursachen’ (ep. poet. seit Il.; zum ep. Gebrauch Porzig Satzinhalte 119ff.). auch m. ἀμφι-, ἐπι-, κατα- u. a., Davon 1. Verbaladj. τυκτός ‘(künstlich) bearbeitet, vollendet’ (Hom., Theok.; Ammann Μν. χάριν 1, 19f.), εὔ-τυκτος ‘wohl gearbeitet, schön gebildet’ (Hom., B.); τευκτός ‘ds.’ (Antiph., H., Suid.). νεό-τευκτος ‘neu verarbeitet’ (Φ 592). 2. τεῦχος, meist -εα, -η, n., pl. ‘Rüstzeug, Waffen, Ausrüstung’ (ep. usw.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 75ff.), sg. ‘Gerät, Gefäß’ (Trag., X., Arist. usw.), ‘Papyrusfutteral’ (Pap.), auch vom mensch- lichen Körper (Hp., Arist.). Kompp., z.B. τευχεσ-φόρος ‘Rüstung tragend’ (A., E.), τευχο-πλάστις f. ‘Gefäße verferti- gend’ (Lyk.); ἀ-τευχής ‘ohne Rüstung’ (E.,AP), auf das Verb bezogen νεο-τευχής = νεό-τευκτος (Ε 194). Davon τευχ-ηστής (ἀνήρ) ‘bewaffneter Krieger’ (A., Kall., A. R. u.a.; vgl. unten), -ηστήρ ‘ds.’ (A.), -ήεις ‘bewaffnet’ (Opp.; analogisch, Thieme Stud. 71 A. 3), -ήρης ‘ds.’ (Orph.), -ῖτις f. Pflanzenname = σχοῖνος ’Αραβική (Dsk.), -ītēs (Plin., Redard 77). 3. τεύχημα n. (A.Fr. 375 = 6 M.), entweder aus τεῦχος erweitert oder von τευχέω, das in τετευχῆσθαι ‘bewaffnet sein’ (χ 104) vorliegt für erwartetes *τετευχέσ-(σ)θαι wie τευχησ-τής, -τήρ (für τευχεσ-nach ὠμηστής, ὀρχηστής u.a.); ἀ-τεύχ-ητος ‘ohne Rüstung’ = ἀτευχής (AP, hell. Ep.); s. Wackernagel Unt. 249. — 4. τεύκ-τωρ, -ορος m. ‘Verfertiger, Schöpfer’ (Man.), -τήρ m. ‘ds.’ H., Phot., Suid.). 5. τεῦγμα n. ‘Werk’ (Dosiad. Ara), τεῦξις· κατασκευή, ποίησις H., auch τύξιες pl. ‘Künste’ (Athen II p), τύξιν· τεῦξιν, παρασκευήν H. — 6. Τυχίος m. PN, der dem Aias seinen Schild verfertigte (Η 220: Τυχίος κάμε τεύχων). —7. Ganz fraglich myk. to-u-ka = τουχά ‘Konfektion ?, Entgelt dafür?’ (Björck Eranos 52, 275, Mühlestein Bibl. Orient. 22, 195). — Neben τεύχω, τεῦξαι ‘verfertigen’ steht das Nasalpräsens τυγχάνω mit τυχεῖν in der etw. konkreteren und somit ursprünglicheren Bed. ‘das Ziel, den Zweck erreichen, (zufällig) begegnen’; an der ursprünglichen Zusammengehörigkeit ist kaum zu zweifeln. Genaue oder sichere außergriech. Entsprechungen dieser gewiß altererbten Wortgruppen fehlen. Eine Hypothese s. τυγχάνω. II-888
τέφρᾱ, ep. ion. -ρη f. ‘Asche’ (seit Il.). Wenige Kompp., z.B. ἔν-τεφρος ‘aschfarben’ (Dsk., Ath., Strömberg Prefix Studies 128 u. 130). Davon viele, meist farbenbezeichnende Adj.: τέφρ-ινος (Hp.), -αῖος (Ael.), -ακός (neben σποδιακός), τὰ τεφρακά ‘aschfarbene Salben’ (Aet.), -ός (Arist., Herod. u.a.: nach χλωρός, ἐρυθρός u.a.), τὸ τεφρόν ‘aschfarbene Salbe’ (sp. Mediz.), -άς f. ‘Art Zikade’ (Ael.; nach der Farbe, Gil Fernández Nombres de insectos 100), -ήεις (Nonn.; von τέφρα oder aus τεφρός erweitert), -ώδης ‘aschenähnlich’ (Thphr., Str. u.a.). Verba: τεφρ-όομαι, -όω, auch m. κατα-, ἀπο-, ἐκ-, ‘eingeäschert werden, einäschern’ (hell. u. sp.) mit -ωσις f. (Dsk., Sch.); -ίζω ‘aschfarben sein’ (Dsk., Aret.), ἐτέφρισεν· ἐνέπρησεν H. — Bildung wie πέτρα, ἕδρα, χώρα, λαύρα u.a. (eig. Adj., sc. κόνις? Leumann Kl. Schr. 184); zunächst wohl aus einem ρ-Stamm erweitert. — Seit Collitz BB 3, 321 gewöhnlich zu einem Verb für ‘brennen’ in aind. dáhati, lit. degù, toch. AB tsäk- usw. gestellt, idg. dhegʷh-, wofür besonders das allerdings nicht sichere θέπτανος· ἁπτόμενος H. (s.d.) spricht. Weitere Formen m. reicher Lit. bei W.-Hofmann s. febris, das wie τέφρα einen r-Stamm voraussetzt (Einzelheiten bei Leumann a. O.); vgl. ebd. s. favilla (mit foveō). — Anders Curtius 501 f.: aus *tep-s-rā zu aind. tápas- n. ‘Hitze’, tápati ‘erhitzen’, tak-mán- m. ‘Fieber’ (aus *tap-mán-, Hoffmann KZ 78, 89 f.), lat. tepeō, wohl auch umbr. tefra Akk. pl. n ‘carnēs cremandās’ usw. — Abzulehnen Specht Ursprung 340 und Wood Post-Consonantal w (1926) 25 (s. W.-Hofmann s. favilla). II-888-889
τέχνη f. ‘Kunstfertigkeit, Handwerk, Gewerbe, Kunst; Kunstgriff, List’ (seit Il.); Näheres zur Bed. Isnardi Par. del Pass. 16, 257ff. Zahlreiche Ableitungen 1. Dennnutiva: τεχν-ίον n. ‘Künstchen, Gewerb- chen’ (Pl., mittl. Kom. u.a.), -ύδριον n. ‘ds.’ (Pl. R. 475e), -ύφιον n. ‘Werkstatt’ (Suet. Aug. 72). 2. -ίτης m. ‘Handwerker, Künstler’ (ion. att.; ausführlich Redard 34 f.) mit f. -ῖτις, -ιτι-κός, -ιτεύω, -ιτεία, -ίτευμα. 3. Adj. -ικός ‘kunstverständig, praktisch, künstlerisch, technisch’ (Epich., Pl. usw.; Chantraine Études 120), -ήεις ‘kunstvoll, künstlich’ (Od., Q. S. u.a.), -ήμων ‘ds.’ (Opp., AP), -ητός ‘künstlich’ (Hp., Plu. u.a.; von τεχνάομαι?), -ητικός ‘ds.’ (Plb.). 4. -οσύνη f. = τέχνη (AP; Erweiterung). 5. Verba: a. -άομαι, oft m. Präfix, z.B. ἐπι-, ἐκ-, προ-, ‘künstlich verfertigen, ausüben, listig ersinnen’ (seit Il.) mit -ημα, -ησις, -ήτωρ, (-ητός?); b) -άζω, -άζομαι, auch m. ἐπι- u.a., ‘ds.’ (ion. att.) mit -ασμα, -ασμός; c) -όω (προ-) ‘in eine Kunst einführen’ (Gal.) mit -ωσις. — Zur Geschichte des Wortes Technik Heyde Humanismus und Technik 9 (1963), 25 ff. Als Vorderglied z.B. τεχνο-γράφος m. ‘Darsteller der Redekunst’ (Arist., D.H. u.a.); oft als Hinterglied, z.B. ἄ-τεχνος ‘kunstlos, ungeschickt’ (ion. att.), auch -τέχνης, z.B. πολυ-τέχνης ‘in vielen Künsten erfahren’ (Sol.). — Bildung wie πάχνη, λάχνη, λύχνος (s. dd.), somit zunächst auf *τέκσνᾱ zurückzuführen. Wie sich das verwandte τεκτων dazu verhält, ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich gehen beide unabhängig voneinander von demselben Verb aus (aind. tákṣati usw., s. τέκτων), was eine Grundform *τεκτ-σνᾱ, evtl. über einen σ-Stamm *τέκτος, ergeben würde (Schwyzer 326 m. Lit.). II-889-890
τέως, ep. τῆος (geschr. τείως, τέως, τεῖος) ‘so lange’ (seit Il.); τάως· τέως. Κρῆτες H. (für *τᾶς aus *τᾶος nach τέως; vgl. ἇς = ἕως und Schwyzer 650 A. 3). — Aus urgr. *τᾶϝος und mit dem aind. Demonstrativum tā́vat (Stamm tā-vant-) ‘se weit’ bis auf den unklaren Endkonsonanten identisch; s. ἕως m. Lit. II-890
τῆ Interj., bei Hom. immer mit Ipv. verbunden ‘da! hier! nimm!’ (vorw. Hom.), pl. (verbalisiert) τῆτε (Sophr.). — Alter demonstrativer Instrumental, mit lit. tè ‘ds.’ identisch, idg. *tē vom Pronominalstamm *to- (s. το-). Einzelheiten bei Schwyzer 550 m. A. 2 und 613, Schw.-Debrunner 579 m. A2. Vgl. τῆνος. II-890
τήβεννα, -ος f. Bez. eines Kleidungsstücks der Vornehmen, = lat. toga (hell. u.sp.); τηβεννο-φορέω ‘eine τ. tragen’ (Larissa IIa). Davon τηβενν-ίς (Poll., cod. τημενίς), -ικός ‘aus einer τ. bestehend’ (Str.), -ειος ‘zu T. gehörig’ (Suid.). — Fremdwort unbek. Herkunft, nach den Alten von dem arkad. PN Τήμενος, Τήβεννος. Grošelj Živa Ant. 7, 229 vermutet orientalischen Ursprung, evtl. durch etruskische Vermittlung. II-890
τήθεα (P 747), -η (Nik., Poll.) n. pl., -ος sg. (Arist. Fr. 309), auch τήθυον (v.l. -εον; Arist.) n. Bez. eines Seetiers, wahrscheinlich ‘Seescheide, Ascidia’; Demin. τηθυνάκια pl. (Epich. 42, von den Herausgg. beanstandet; wenn richtig, von *τηθύνη (vgl. χελύνη) nach ὀστράκια u.a.). — Ohne überzeugende Etymologie. Ausführliche Behandlung von Kalén Quaest. gramm. gr. 20 ff., 98 ff.: von der Form. τήθυον (aus *θή-θυον) ausgehend, will er das Wort mit θῆσθαι und *θύον (wozu θύλακος) verbinden und als "Saugsack" erklären (vgl. γήθυον); dazu noch als Rückbildung die Seegöttin Τηθύς (?). Zur Sache Thompson Fishes s. τήθυον. II-890
τήθη (-ή) f. ‘Großmutter’ (att.), τηθίς, -ίδος f. ‘Vaters- od. Mutterschwester, Tante’ (Ls., D., hell. u. sp.), τηθία ‘alte Frau’ (Eust.); προ-τήθη f. ‘Urgroßmutter’ (D. C., Poll.), ἐπι-τήθη f. ‘ds.’ (Theopomp. Kom., Poll.). — Redupliziertes Lallwort mit Dissimilation; vgl. illyr. deda ‘Amme’ (Krahe IF 55, 121 f.), slav., z.B. aksl. dědъ m. ’πρόγονος’, russ. ded ‘Großvater’, lit. dė̃dė, dėdė̃, dė̃dis ‘Onkel, Oheim’, auch neuphryg. daditi Dat. ‘Gattin’ (Haas Sprache 6, 15). Einzelheiten m. Lit. bei Vasmer und Fraenkel s. v., dazu WP. 1, 826 und Pok. 235; fürs Griech. noch Schwyzer 193 und 423, Risch Mus. Helv. 1, 119. II-890-891
τήκω, dor. τάκω, Aor. τῆξαι, -ασθαι, Fut. τήξω ‘schmelzen, auflösen, verzehren’; öfter intr. τήκομαι, Aor. τακῆναι, auch τηχθῆναι, Fut. τακήσομαι, auch τήξομαι, Perf. τέτηκα, dor. τέτᾱκα, sp. τέτηγμαι ‘zerschmelzen, zerfließen, verwesen’, oft m. Präfix, z.B. συν-, κατα-, ἐν-, ἐκ- (seit Il.). Ableitungen. 1. τῆξις (σύν-, ἀπό-, ἔκ- usw.) ‘das Schmelzen’ (Hp., Arist., hell. u. sp.). 2. σύν-, περί-τηγμα n. ‘das Zusammengeschmolzene, das Hinschwinden’ (Arist.) bzw. ‘Schlacke’ (Chrysipp.). 3. τηκεδών, -όνος f. ‘Abzehrung, Verwesung, Schmelze’ (λ 201, Hp., Pl. usw.). 4. τηκ-τός ‘schmelzbar, flüssig’ (Pl., E., Arist. u.a.), -τικός (συν-) ‘auflösend’ (Arist., Dsk. u.a.). — Mit Schwundstufe 5. τακ-ερός ‘schmelzend, flüssig, weich, zart’ (Hp., Kom. usw.; vgl. φανερός, σφαλερός u.a., Schwyzer 482) mit -έρωσις f. (Mediz. u.a.); auch -ηρός ‘ds.’ (Dsk.). 6. Unsicher τάκων (-ᾰ-), -ωνος m. N. einer gewürzten Speise, ‘Wurst, Fleischkloß’? (Poll. 6, 53 aus Krates Kom.). — Ohne direkte außergriech. Entsprechung. Zu τέτηκα, τέτᾱκα : τᾰκῆναι vgl. z.B. λέληκα, λέλᾱκα : λᾰκεῖν. Bei Abtrennung des -κ- ergibt sich in beiden Fällen Anknüpfung an primäre Verba in anderen Sprachen: wie λέ-λη-κα : aksl. la-jǫ, -jati ‘bellen, schelten’ ebenso τέ-τη-κ-α : aksl. ta-jǫ, -jati ‘sclmelzen’ mit ta-lь ‘schmelzend, flüssig, τακερός’; dazu noch arm. t‘a-nam (ā od. ᾰ), Aor. t‘a-c̣i ‘benetzen’, -c̣ay ‘feucht werden’; aus dem Kelt. z.B. air. tām ‘Tod, Pest’. Das Latein zeigt eine bh-Erweiterung in tābēs f. ‘Zersetzung, Verwesung’, tābēsco ‘schmelzen, hinsiechen’ u.a.m. — Weitere Formen mit reicher Lit. bei WP. 1, 701, Pok. 1053, W.-Hofmann s. tābēs, Vasmer s. táju. Vgl. noch τῖλος, τῖφος. II-891
τῆλε Adv. u. Präp. (ep. seit Il.). ‘in der Ferne, fern, weit (von)’ Sehr oft als Vorderglied, z.B. τηλε-κλειτός ‘weitberühmt’ (ep. seit Il.), PN Τηλέ-μαχος eig. "Fernkampfer" (Gegensatz ἀγχέ-μαχος; auch Τηλί-μαχος [ark.] nach ἀγχί- ~); zur Begründung Trümpy Fachausdrücke 114, Werner Ling. Balk. 6, 53 ff. m. Lit. Daneben τηλ-οῦ, -όθι ‘ds.’, -όθε(ν) ‘aus (in) der Ferne’, -όσε ‘in die Ferne, weithin’; auch τηλε-δαπός ‘aus fernem Lande stammend, in der Ferne befindlich’ nach ποδ-απός, ἀλλοδαπός u.a. (alles vorw. ep. seit Il.); unklar τήλεμος (Theognost. Kan.; nach τῆμος, ἦμος oder dem Kurznamen Τήλεμος?). Steigerungsformen τηλο-τάτω (Od.), -τέρω (Hp., Arat.), -τερος (AP), τήλιστα (Orph.; Augenblicksbildung nach ἄγχιστα, Seiler Steigerungsformen 109). — Daneben äol. πήλυι (-οι) = τῆλε, τηλοῦ, Lok. (Schwyzer 622) mit böot. PN Πειλε-στροτίδας. — Unklare Bildung auf -ε (Schwyzer 63. ) von einem dehnstufigen idg. Nomen *qʷēl-; wie πάλαι (s.d.) zu τέλος ‘Ende, Ziel usw.’. II-891-892
τηλία f. ‘Tisch od. Brett mit erhöhtem Rand’, vom Tisch eines Bäckers, vom Gerügt eines Hahnen- od. Wachtelkampfes, von einem Würfelbrett (Kom., Aeschin., Arist., Pap. u.a.). auch von einem Siebreif oder Sieb (Ar. Pl. 1037, wo Sch. σηλία); unklar Ar. V. 147 (von einem Rauchfang?). Unsicher σαλ[ία] ‘Sieb’ (Suppl. Epigr. 1, 414, Kreta V-IVa). — Isolierter technischer Aufdruck, Bildung auf -ία wie σχεδία, κλισία. ἑστία u.a. aber sonst dunkel. Im Sinn von ‘Siebreif’ wird τηλία, σηλία allgemein zu σήθω, δια-ττάω ‘seihen’ gezogen, an und für sich annehmbar; in der üblichen Bed. ‘Tisch, Brett’ dagegen mit mehreren Wörtern für ‘Fläche usw.’, z.B. aind. talam n. ‘Fläche’, lat. tellūs, verbunden (Bq s.v., WP. 1, 740. Pok. 1061). Dabei wird aber, wie Scheller Oxytonierung 62ff. richtig bemerkt, dem besonderen Charakter dieser Tische nicht genügend Rechnung getragen. Scheller ist deshalb geneigt, die Bed. ‘Siebreif’ oder ‘Sieb’ als die ursprüngliche anzusehen und im übrigen mit einer Übertragung zu ‘Spiel-, Backtisch usw.’ zu rechnen, eine Hypothese, die sich mangels konkreter Anhaltspunkte nicht beweisen läßt. II-892
τηλίκος, dor. τα- ‘in solchem Alter, so alt, so jung, so gross’ (ep. poet. seit Il.). Davon τηλικόσδε, τηλικοῦτος (nach ὅδε über τηλικόν-δε usw., οὗτος) ‘ds.’ (att.; Schwyzer 612). — Mit κ-Suffix aus idg. *tāli- in lat. tālis (neben aksl. tolь ‘soviel, so sehr’ aus *toli-) vom demonstrativen *tā ‘so’ (s. το-) mit li-Suffix (Schwyzer 495). Die Form deckt sich genau mit mind. tārisa-’ein solcher, derartig’, das aber aus aind. tādŕ̥śa- stammt (Mayrhofer s. tādŕ̥k). Vgl. πηλίκος und ἡλίκος. Hypothesen zur Bildung von Szemerényi A.I.O.N. 2, 1 ff., dazu kritische Bemerkungen von Lejeune Rev. ét. anc. 63, 433 f. II-892
τῆλις, -εως, -ιος f. ‘Bockshorn, Trigonella’ (Hp., Thphr., Pap. u.a.). Davon τήλ — ινο ς ‘ von Bockshorn’ , -ον (μύρον) n. (hell.u.sp.). -ίνη = κύτισος (Ps.-Dsk.; Strömberg Pfl. 43f.), -ίτης οἶνος (Gp.; Redard 100); zu ἐπι-τηλίς s. bes. — Daneben τᾶλις, s. bes. — Nicht sicher erklärt. Seit Bezzenberger-Fick BB 6, 238. Fick 1, 440 als altererbt mit aind. tāla- m. ‘Weinpalme’, lat. tālea ‘Stäbchen, Setzling’, alit. talokas ‘erwachsene Tochter, junges Mädchen’ verbunden. Gegen den Vergleich mit aind. tāla- und lat. tālea Mayrhofer bzw. Ernout-Meillet s.v.; alit. tal-okas weicht jedenfalls in der Vokalquantität ab. Nach Schneider IF 57, 200 und v. Windekens Lex. étym. s.v. (als Alternative) hierher noch toch. B śaktālye, A śäktālyi ‘Same’; abzulehnen (vgl. Pedersen Tocharisch 95). II-892-893
τηλύγετος expressivfamiliäres Beiwort von Kindern, unbekannter Bed. (’zart, zärtlich geliebt’ ?) und Herkunft (ep. seit Il.). — Von den Alten sowohl mit τέλος ‘Ende’ als ‘spätgeboren’ verknüpft (Sch. T I 482) wie mit τῆλε als ‘ferngeboren’ oder sogar ‘entfernt’ verbunden (E. IT 829 lyr. [dazu Stinton ClassRev. N.S. 15, 146 A. 1], Simm., H. in τηλυγέτων ἀποικιῶν· τῶν μακρὰν ἀπεχουσῶν; aber τηλύγετος· ὁ τηλοῦ τῆς ἡλικίας τοῖς γονεῦσι γεγονώς, ἐπὶ γήρᾳ παῖς μονογενής). Ähnlich z.B. Stanford ClassRev. 51, 168: ‘fern, d.h. in Abwesenheit des Vaters geboren’. Nach anderer Auffassung zu τᾶλις ‘junge Frau’ (K. Fr. W. Schmidt Glotta 19, 282ff., Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 41 ff.; dazu Leumann Hom. Wörter 214 A. 8). — Zur Bildung vgl. ἀτρύγετος, Ταΰγετος. Ältere Lit. bei Bq. II-893
τημελέω, -ῆσαι ‘sorgen, warten, pflegen’ (E., Pl. Lg. 953a, D.H., Plu. usw.). Davon τημέλεια f. ‘Sorgfalt, Pflege, (Hp. Ep.. u.a.), -ία f. (Sch.), τημελητής· ἐπιμελητής H. Mit Privativpräfix ἀ-τημέλητος, -τως ‘unbesorgt, ungepflegt, ver- nachlässigt’ (A.Ag.891, X. u.a.), ἀ-τημελής, -έως, -ῶς ‘ds.’ (E. Fr. 184, A. R., Plu.) mit ἀτημέλ-εια (Plu.), -ίη (A. R.). Ruckbildung τημελής, -ές (H., Phot., Suid.), -έως, -ῶς (Aglaias, Max. Tyr.). — Nicht sicher erklärt. Die partielle Ähnlichkeit mit μέλομαι hat zu wiederholten Versuchen geführt, τημελέω auch etymologisch daran anzuschließen. Güntert Reimwortbild. 157 sieht darin eine Kreuzung von *τημέω zu lit. tė̃myti(s) ‘sich merken, sich dem Gedächtnis einprägen’ (slav. LW, s.u.) und *μελέω. Für Verbindung mit lit. tė̃myti(s) schon Fick 1, 442; dazu noch russ. tjámitь ‘verstehen, erfassen’ (Prellwitz 448 u.a.; s. Vasmer s. tjam). Nach Pisani Ist. Lomb. 77, 564ff. wäre dagegen τημέλεια (woraus τημελέω) durch Silbendissimilation aus *τηλε-μέλεια entstanden, somit eig. "Fernsorge" (τημελέω = ‘curare da lungi, prevedere’), semantisch nicht ganz überzeugend. Anders Frisk Eranos 41, 50 ff. (Kl. Schr. 346 ff.): τημελέω von *τη-μελος (-μελη), Bildung wie θυ-μέλη, πι-μελή u.a., wozu τη-ρέω mit Suffixwechsel μ : ρ wie in κλῆ-μα : κλῆ-ρος u.a. Da das μελ-Suffix sich in μ-ελ- zerlegen läßt, wäre auch bei dieser Deutung Verwandtschaft mit russ. tjámitь und dem aus dem Slavischen entlehnten lit. tė̃myti(s) möglich. II-893
τήμερον (att.), ep. ion. hell. σήμερον, dor. σάμερον Adv. ‘heute’ (seit Il.). Davon σημερινός ‘heutig’ (Kall. u.a.). — Aus *κι-άμερον (vgl. αὔριον), Univerbierung von dem pronominalen κι- ‘hier, dieser’ (s. ἐκεῖ) und ἡμέρα, ἀμέρα, evtl. über ein Adj. *κι-άμερος ‘zu diesem Tage gehörig’. Vgl. Schwyzer 613 m. A.7. II-894
τῆμος, dor. τᾶμος Adv. ‘da, dann, zu dieser Zeit’ (cp. poet. seit Il.), sekundär (nach ἦμαρ, ἡμέρα) ‘heute’ (A. R.), adjektiviert τὸ τᾶμον sc. ψάφισμα ‘der dieszeitige, heutige Beschluß’ (thess.); erweitert τημοῦτος (Hes., Kall., Nik.), τημόσδε (Theok., Kall.) ‘ds.’. — Wie τέως, urgr. *τᾱ-ϝος vom Pron. το-, τᾱ-, u. zw. mit μ-Suffix, das auch in aksl. tamo ‘dort(hin)’ vorliegt und mit aind. und heth. -mant- (aind. Schwundst. -mat) in Verbindung stehen mag; wie *τᾱ-ϝος : aind. tā́-vat auch -μος : aind. -mat. —Neben τῆμος, τᾶμος steht das Relativum ἦμος, ἆμος (idg. *i̯ā-) ‘als, während’ (ep. poet. seit Il., vereinzelt bei Hp. und Hdt.). — Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer 528, Schw.-Debrunner 651 m. A. 1; dazu Leumann Hom. Wörter 312 f. und Vasmer s. tam. II-894
τήνελλα ritueller Ruf, nach Sch. Ar. Av. 1764 von Archilochos aus dem Demeterkult in Paros geholt und in einem Gedicht angewandt (τήνελλα καλλίνικε χαῖῤ ἄναξ ‘Ηράκλεες Fr. 119); danach τήνελλα καλλίνικος an einen Sieger ("Hurra! Heil!"; Ar.). Daraus τήνελλος ‘dem man τ. zuruft’ (Ar. Eq. 276). — Ursprung unbekannt; vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 292 m. A.l. II-894
τηνίκα, dor. (Theok.) τανίκα ‘dann, zu dieser Zeit’ (S., A. R., Theok.). Dazu τηνικ-αῦτα (ion. att.), -άδε (Pl., Plb., Ph. u.a.) ‘ds.’ (wie ἐνθ-αῦτα, -άδε). — Vom Demonstr. το- (s.d.) mit derselben unklaren Bildung wie ἡνίκα (s.d. m. Lit.). II-894
τῆνος dor. Demonstr. = ἐκεῖνος (Epich., Sophr., Theok., Inschr. u.a.). Davon την-εῖ = ἐκεῖ (Epich., Theok., Delph. usw.). -όθι ‘dann’ (Theok.), -ῶ (Theok.) und -ῶθε(ν) (A. R., Theok., AP) = ἐκεῖθεν; zu την-εῖ (alter Lok.), -ῶ (Abl.) Schwyzer 549f. — Bildung wie ἐκεῖνος (s. d. m. Lit.) somit aus *τέ-ενος oder -τή-ενος, vom Demonstr. το- (vgl. τῆ). II-894
τηρέω, -ῆσαι, ‘beobachten, behüten, aufpassen, im Auge haben, besorgen’ (h. Cer., Thgn., Alkm., Pi., att.; böot. δια-ταρέω [IIa] hyperdial.; Thumb- Scherer 17) oft m. Präfix, z.B. παρα-, ἐπι-, δια-, συν-, Mehrere Ableitungen. 1. τήρη-σις (παρα-, ἐπι-, δια-, συν-) f. ‘das Beobachten, Bewachung, Aufbewahrung’ (att. hell. u. sp.) mit παρατηρή-σιμος (H. zu ἀποφράδας). 2. -μα (παρα-) n. ‘Beobachtung’ (D. H., A. D. u.a.). 3. -τής (παρα-, ἐπι-, τοπο-, κνισο-) m. ‘Hüter, Wächter’ (hell. u. sp.), -σία (nur καιρο-, τοπο-) f. ‘das Wahrnehmen der rechten Zeit bzw. des rechten Ortes’ (Aristeas, sp.). 4. -τήριον = lat. servatorium (Gloss.). 5. -τρα n. pl. ‘Bewachungskosten’ (Pap. IIIp). 6. -τικός (παρα-, ἐπι-, δια-, συν-) ‘beobachtend, bewahrend’ (sp.). Auch 7. ἐπιτηρ-ία f. ‘Achtgeben, Sorge’ (Pamphyl.; von ἐπιτηρ-έω). 8. τηρός m. ‘Hüter’ (A. Supp. 248; wohl Rückbildung). — Ohne sichere Etymologie. Da das ἅπ. λεγ. τηρός am ehesten als eine Rückbildung zu betrachten ist, bleibt die nähere Vorgeschichte der Sekundärbildung τηρέω dunkel. Entfernter Zusammenhang wird angenommen mit aind. cā́yati ‘wahrnehmen, Scheu, Besorgnis haben’ und slav., z.B. aksl. čajǫ, -ati = ἐλπιζω, προσδέχομαι, προσδοκῶ (Zubatý Arch. slav. Phil. 16, 386 u.a.): idg. qʷēi-; τηρ-έω somit aus *qʷē(i)-r-(WP. 1,508, Pok. 636, Vasmer s. čájatь m. weiterer Lit.). Dazu mit Schwundstufe τετίημαι (Schulze KZ 27, 425 = Kl. Schr. 53)? — Über aind. cāra- ‘Kundschafter, Späher’, früher irrtümlich mit τηρός gleichgesetzt, s. Mayrhofer s.v. (zu car- ‘sich herumtreiben’ = πέλομαι). — Vgl. noch τημελέω. II-894-895
τητάομαι, dor. (Pi.) τατ-, nur Präsens, bes. Ptz. τητώμενος, ‘entbehren, darben, beraubt sein’ (Hes. Op. 408, S., E., auch Pl., Arist. u.a.). Daneben τήτη· ἀπορία, ἔνδεια, στέρησις; τήτει· σπάνει (wie χήτει) H. — Da das nur lexikalisch überlieferte τήτη als Rückbildung verdächtig ist (Schwyzer 501), wird τητάομαι unter die Verba auf -τάω einzureihen sein (Schwyzer 705). Aber auch bei dieser Beurteilung ist mit einer zugrunde liegenden nominalen Dentalableitung zu rechnen, wie sie in aksl. tatь m. ‘Dieb’ u.a. (idg. *tā-t-i-) erscheint; s. τηΰσιος. II-895
τῆτες (att. Kom. u.a.), ion. σῆτες (EM), dor. hell. σᾱ͂τες (Gela, PCair. Zen. IIIa; vgl. Mayser Pap. I : 3, 126), auch τᾶτες, τῆδες, τῆτα (Sch., Eust., Suid.); myk. za-we-te (?) Adv. ‘heuer, in diesem Jahr’. Davon τητ-ινός (Luk. Lex., Hdn. Gr., Phryn., Poll.), σατ-ινός (PCair. Zen., EM) ‘heurig, diesjährig’; auch σητ-άν(ε)ιος (ion. hell. u. sp.), σατ- (Sch.), τητ- (Poll. v.l.) ‘ds.’ (von Feldfrüchten); zum Suffix vgl. ἐπηετ-ανός, κριθ-, σιτ-ανίας; dazu σητ-αν-ώδης ‘ds.’ (Hp. ap. Gal.), σητείους· νέους H. — Erstarrter Akk. n. eines Adjektivs (vgl. τρί-ετες) von ϝέτος und dem Demonstr. *ḱi- (s. ἐκεῖ). Für das zu erwartende *κι-(ϝ)ετες (= alb. si-vjet ‘dieses Jahr’; Mann Lang. 28, 33) scheinen σῆτες, τῆτες, τᾶτες nach den sinnverwandten σήμερον, τήμ-, σάμ- eingetreten zu sein (Brugmann Sächs. Ges. Ber. 1901, 99, 101 u. 105). II-895
τηΰσιος, dor. ταΰσιος ‘eitel, vergeblich’ (γ 316 = o 13, h. Ap., Alkm., B., A. R., Theok.); ταύσιμον· μάταιον H. (für -σιον?). — Isoliertes poet. Adj. Wenn urspr. ‘trügerisch’, von einem Wort für ‘Dieb’ in aind. tāyú-, aw. tāyu-; das primäre Verb ist in heth. taizzi ‘stehlen’, slav., z.B. aksl. tajǫ, -jiti ‘verbergen, verheimlichen’ erhalten. Nach einer ansprechenden Vermutung von Neumann Heth. u. luw. Sprachgut 65 hierher auch τεγοῦν· Λυδοὶ τὸν λῃστήν H. (mit γ = j). — Das Suffix -σιος kann direkt an ein Nomen *ταΰς nach Muster von δημόσιος ( : δημό-της) : δῆμος angeschlossen sein (vgl. noch das synonyme ἐτώ-σιος), ein vermittelndes *ταΰ-τᾱ(ς) (Brugmann IF 11, 105f.) scheint nicht notwendig. Vgl. Bechtel Lex. s.v.; weitere Lit. bei WP. 2, 610, Pok. 1010, Vasmer s. tájna. Vgl. τητάομαι. II-895-896
τιά̄ρα auch τιά̄ρας, ion. τιήρης m. (H. τιάρις) f., Bez. einer persischen Kopfbedeckung, ‘Tiara, Turban’ (Hdt., A., X. u.a.). Kompp., z.B. τιαρο-ειδής ’τ.-ähnlich’ (X.), περι-τιάρα, -ριον ‘runde Kopfbedeckung’ (Tz. mit Sch.). — Orientalisches Fremdwort unbekannten Ursprungs. Abgelehnte Deutungsversuche aus dem Idg. bei Bq. — Lat. LW tiāra, tiārās. II-896
τιβήν, -ῆνος m. ‘Dreifuß’ (Lyk., EM), τίβηνος· λεβης, τρίπους H. — Unerklärtes Fremdwort; vgl. Solmsen Beitr. 142. II-896
τιγγάβαρι s. κιννάβαρι. II-896
τίγρις, -ιος, -ιδος f. ‘Tiger’ (Arist., Thphr., mittl. Kom. usw.); ἱππό-τιγρις ‘Art großer Tiger’ (D. C.; ἱππο- vergrößernd), τιγρο-ειδής ‘tigerfarben’ (D. C.). Daneben der Flußname Τίγρης, -ητος m. (Hdt., X., Arr. usw.), auch Τίγρις, -ιος, -εως, -ιδος (Arist., Plb., Str., Plu. u.a.). — Orientalisches LW, zunächst aus dem Iranischen. Nach Varro L. L. 5, 100 armenisch, nach D. P., Eust. u.a. medisch, eig. ‘Pfeil’, somit = aw. tigri- m. ‘Pfeil’ neben tiɣra-, apers. tigra- ‘spitzig’ (vgl. aind. tigmá- ‘ds.’ u.a. s. στίζω). Ebenso der FN ("vehementissimum flumen" Varro, "ποταμὸς ὤκιστος ἁπάντων" D. P.) = apers. tigrā. Dabei ist für den Flußnamen, viell. auch für den Tiernamen mit volksetymologischer Angleichung eines Fremdworts an das Iranische zu rechnen (vgl. mpers., akk. Diqlat ‘Tigris’). — Daraus lat. tigris usw. II-896
τιθαιβώσσω ep. (urspr. volkstümliches) Wort der Landwirtschaft: von Bienen (ν 106 ‘Honig sammeln’?), von Hühnern (Nik. Th. 199 ‘brüten, füttern, pflegen’?), vom Bewässern des Saatfeldes (Lyk. 622 ‘fruchtbar machen, ernähren’?), von einem Köcher (Antim. in PMilan. 17, 37 ‘vollstopfen, aufspeichern’ ?). — Bildung auf -ώσσω, vielleicht mit Reduplikation (vgl. Schwyzer 733 u. 648). Schon wegen der schwer bestimmbaren Bed. etymologisch dunkel. Idg. Etymologie bei Bq (abgelehnt). II-896
τιθασός ‘gezähmt, zahm, veredelt, mild’ (A. Eu. 356 [lyr.], S. Fr. 866, Pl., Arist. usw.). Davon τιθασ-εύω, auch m. ἐκ-, προ-, ‘zähmen, veredeln’ (Pl., D., X., Arist. usw.) mit -εία f. ‘Zähmung’ (Pl. u.a.), -ευσις f. ‘ds.’ (Plu. u.a.), -εύματα pl. n. ‘Zähmungsmaßnahmen’ (Porph.), -ευτής m. (Ar.), -εύτωρ m. (Opp.) ‘Zährner, Bändiger’, -ευτικός ‘zum Zähmen geeignet, leicht zu zähmen’ (Arist.); ἀ-τιθάσευτος ‘ungezähmt, wild’ (hell. u. sp.), auch ἀ-τίθασος ‘ds.’ (Ph.). — Rückbildung τιθαὶ ὄρνιθες (Arat. 960), τιθὰς ὄρνις (AP 9, 95). Von den übrigen Wörtern auf -ασος (z.B. πέτασος, ἅρπασος, Fremdwörtern wie κέρασος und θίασος, Kurznamen wie Δάμασος, Ἔρασος) unterscheidet sich τιθασός sowohl durch seine Oxytonierung wie durch seine adjektivische Funktion; offenbar ist das eine durch das andere bedingt (vgl. die zahlreichen Zweisilber καμψός, ῥυσός usw.). Seit jeher (vgl. Curtius 253) wird τιθασός mit θῆσθαι ‘saugen’, τιθήνη ‘Amme’ usw. verbunden; urspr. Bed. wäre somit *’Säugling’, was wohl möglich sein wird (zurückhaltend Curtius a. O.). Weiteres bei Brugmann Sächs. Ges. Ber. 1899, 217. II-897
τίθημι, Aor. ἔθηκα (böot. ἀν-έθε? wohlbegründete Bedenken von Forssman Münch. Stud. 23, 7 ff.), pl. ἔθεμεν, Fut. θήσω (alles seit Il.), Aor. Pass. ἐτέθην (att.), Perf. τέθηκα, -εικα, Med. -ειμαι (j.-att., hell. u. sp.), ‘(hin)setzen, (nieder)legen, (fest-, her)stellen, gründen, einrichten, schaffen’. überaus oft m. einem oder zwei Präfixen in versch. Bedd., z.B. ἐπι-, κατα-, συν-, προ-, προσ-, ὑπο-, Zahlreiche Ableitungen, die größtenteils unter besonderen Schlagwörtern behandelt sind: θέσις, θεσμός, θέμις, θέμεθλα, θεμε(ί)λια, θεμέρη, θεμόω, θήκη, θωή, θωμός, θᾶκος, θαμά, θάμνος. Außerdem noch 1. θῆμα n., fast nur von den präfigierten Verba, z.B. ἀνάθη-μα n. ‘das Aufgestellte, Weihgeschenk’ (seit Od.) mit -ματικός (Plb.). 2. θέμα (Schwachstufe sekundär) n. ‘Satz, Einsatz, Thema usw.’ (Arist., hell. u. sp.) mit θεμ-άτιον, -ατικός, -ατίτης, -ατίζω, -ατισμός; ἀνά-, ἐπί-θεμα usw. von ἀνα-, ἐπι-τίθημι usw. 3. θημών, -ῶνος m. ‘Haufe’ (ε 368, Arist., Opp. u.a.), θημων-ιά f. ‘ds.’ (LXX u.a.; Scheller Oxytonierung 69). 4. θέ-της m. als Simplex nur Is. 10, 24 = ‘Versetzer, Verpfänder’ und Pl. Kra. 389 d (Augenblicksbildung), überaus oft in Univerbierungen, z.B. ἀγωνο-θέ-της (: ἀγῶνα θεῖναι) ‘Kampfordner, Kampfrichter’ (ion. att.; ausführlich Fraenkel Nom. ag. 1, 42 ff.) mit ~ -θέτις, -θετικός, -θετέω, -θεσία. 5. θε-τήρ· τολμητής, πράκτης H., διαθε-τήρ ‘Anordner’ (Pl. Lg., Them.; ~ -της Hdt. u.a.), ἀγωνο-θε-τήρ = ~ -της (Versinschr. Catana); vgl. Fraenkel a. O. 6. θετός ‘adoptiert’ (Pi., ion. att.); oft zu den präfigierten Verba, z.B. ἐπίθε-τος ‘hinzugefügt, künstlich’ (att. usw.); θητόν· βωμόν H. 7. θετικός (: θέσις) ‘zu einer θέσις gehörig, d.h. ‘auf die Adoption bezüglich, zum Disputieren geeignet usw.’ (Arist., hell. u. sp.); συνθε-τικός (: σύνθεσις) u.a. 8. -θε-σίαι, -ία in συν-, ἐκ-, ἐπι-θεσία(ι) ‘Vertrag, Auftrag usw.’ (Il. u.a.; Schwyzer 469), ἀγωνο- ~ s. 4. oben. — Altererbtes Verb für ‘hinsetzen, niederlegen, gründen, schaffen’ (zur Bed. Benveniste Word 10, 252 f.), das in allen idg. Sprachen weiterlebt oder stärkere oder schwächere Spuren hinterlassen hat. Die nachstehende Übersicht beschränkt sich auf Formen und Wörter, die das Griechische direkt angehen. 1. Akt. Wurzelaor. böot. ἀν-έθε̄ (? s. ob.), wenn überhaupt richtig, = aind. ádhāt, apers. adā, arm. ed, idg. *ē-dhē-t. 2. Mit κ-Erweiterung θῆκε (Hom.) = alat. fēced, idg. *dhēq-et; myk. te-ke? (Bed. unsicher). 3. Med. Wurzelaor. ἔθετο = aind. adhita, idg. *é-dhə-to. 4. Redupliziertes athemat. Präsens τίθημι : aind. dádhāmi, aw. daδąmi (für älteres di-?), idg. *dhí-dhē-mi. 5. Verbaladj. θετός formal = aind. hitá- (für *dhitá-) ‘hingestellt, bestimmt, geeignet usw.’, idg. *dhə-tó-; ἐπίθετος = aind. ápihita- : lat. con-ditus; θητόν (-ός?) formal = aw. ap. dāta- n. ‘Gesetz’, lit. dė́tas ‘gesetzt’. 6. Vgl. noch Fut. θήσω: aind. dhāsyā́mi, lit. dė́siu (gemeinsame Grundlage ganz unsicher). 7. θῆμα formal = aind. dhā́man- n. ‘Sitz, Stätte, Satzung, Gesetz usw.’, aw. dāman- n. ‘Stätte, Schöpfung’, idg. *dhē-mn̥. 8. θετήρ : aind. dhātár-, aw. dātar- m. ‘Anstifter. Schöpfer’, lat. con-ditor ‘Anleger, Gründer’. — Griechische Neubildung τέθη-κ-α (wie ἕστηκα) gegenüber aw. daδa, aind. dadháu; dazu τέθεικα, τέθειμαι nach εἷκα, εἷμαι. Ebenso ἐτέθην (wie ἐστάθην u.a.; schwerlich Neubildung zu ἐτέθης angebl. = aind. adhithās). — S. noch zu θέσις, θέμις usw. — Weitere idg. Formen, die fürs Griech. nicht in Betracht kommen, bei WP. 1, 826ff., Pok. 235ff. ebenso wie in den Spezialwörterbüchern, bes. W.-Hofmann s. faciō. Einzelheiten zur griech. Morphologie und Flexion m. Lit. bei Schwyzer 686ff.. 741, 761 f., 774f., 782. II-897-898
τιθήνη, dor. (Pi.) -ᾱ f. ‘Amme’ (Il., Pi., S. in lyr., auch Pl., Arist. usw.). Davon τιθην-έομαι, vereinzelt m. ἀνα-, ἐκ-, συν-εκ-, selten -έω ‘Amme sein, säugen, stillen, aufziehen, pflegen’ (h. Cer., Thgn., S. in lyr., auch Hp., X., LXX u.a.), -εύομαι (H.), mit -ησις, -ημα, -ητήρ, -ητήριος (Pl., E., Thphr., AP u.a.), -ίαι, -εῖαι f. pl. (LXX, Opp.), -ευτῆρες (coni. orac. Sibyll.; Fraenkel Nom. ag. 1, 135). Neugebildeter Aorist ἐτιθήνατο (Luk. Trag. 94; wie von *τιθαίνομαι). — Daraus τιθηνός m. ‘Pflegevater’ (LXX, Nik., Plu. u.a.), auch Adj. ‘pflegend, nährend’ (E., Lyk.); vgl. Lommel Femininbild. 13. — Kurzformen m. expressiver Gemination: τίτθη f. ‘Amme’ (Ar., Pl., Thphr. u.a.), auch ‘Mutterbrust’ (Arist. u.a.) mit τιτθεύω (ἐκ-) ‘säugen, stillen’ (D., Arist. u.a.), -εία f. (D., Sor.); τιτθός m. ‘Mutterbrust’, auch von der Brust des Mannes (Hp., att.) mit -ίον, -ίδιον (Kom.), -ίζομαι (Aq.). — Reduplikationsbildung der Kindersprache von θῆσθαι ‘saugen’. Zum ν-Suffix vgl. γαλαθηνός (s. γάλα). Nach Nehring Glotta 14, 177 f. wäre τίτθη die ursprüngliche Form und τιθήνη eine Ableitung davon. II-898-899
τιθύμαλλος pl. auch -α (AP) m., ‘Wolfsmilch, Euphorbia Peplus’ (Kom., Thphr., Dsk.), -ίς f. Bez. verschiedener Pflanzen (Dsk., Ps.-Dsk. u.a.); zur Begriffsbestimmung Strömberg Pfl. 19. — Wohl Reduplikationsbildung; vgl. θυμελαία (Schwyzer 423)? II-899
Τιθωνός m. Sohn des Laomedon, von Eos entführt (Il., Hes. usw.) s. Τιτᾶνες. II-899
τίκτω (< *τι-τκ-ω), -ομαι, Aor. τεκεῖν, τεκέσθαι, Fut. τέξω, öfter und ursprünglicher -ομαι (alles seit Hom.), Inf. τεκεῖσθαι (h. Ven. 127, Versende; Zumbach Neuerungen 31), Perf. τέτοκα (seit Hes.), intr. ἐντετοκυῖα (Ar.), Pass. Aor. τεχθῆναι (Hp.,LXXu.a.),Perf. τέτεγμαι (sp.), ‘gebären, erzeugen’, auch übertr. ‘hervorbringen, verursachen’. auch m. ἀπο-, ἐκ-, ἐν- u.a., Viele Ableitungen. 1. τέκος n. ‘Kind, Junges’ (ep. poet. seit Il.). 2. τόκος m. ‘das Gebären, die Geburt, Nachkommenschaft’ (seit Il.), ‘Zins’ (Pi., Sophr., att. usw.) mit mehreren Ablegern: 3. τοκάς f. ‘die Gebärerin’, meist von Muttertieren (seit ξ 16). 4. τοκίς f. ‘ds.’ (hell. Pap.). 5. τοκαδεία f. ‘Geflügelzucht’ (: *τοκαδεύω, Pap.). 6. τοκαρίδιον· usurula (Gloss.). 7. lat. toculliō ‘Wucherer’ aus hell. *τοκυλλίων bzw. *τὰ τοκύλ-λια (Leumann Sprache 1, 207 = Kl. Schr. 173 f.). 8. τοκήεσσα f. ‘Gebärerin, fruchtbar’ (Hp.; episch?, Leumann Hom. Wörter 309 A. 82). 9. τοκεῖον n. ‘Brutstätte’ (hell. Pap.). 10. τοκ-εῖς, ep. -ῆες m. pl. ‘Eltern’ (seit Il.), sg. -εύς ‘Erzeuger, Vater’ (Hes., A.; Chantraine REGr. 59-60, 245 f. Bosshardt 28). 11. τοκεῶνες pl. ‘ds.’ (Herakleit. 74; vgl. Diels z.St. und West ClassRev. 81, 127f., auch Schwyzer 521 u. 839). 12. τοκετός m. = τόκος (Hp., Arist.; vgl. παγετός : πάγος u.a.). 13. τοκίζω, auch m. ἐκ- u.a., ‘auf Zinsen leihen, wuchern’ (att., hell. u. sp.) mit -ισμός, -ιστής, -ίστρια. 14. τοκάω ‘gebären sollen’ (Kratin.; Schwyzer 731). — 15. Vom Präsensstamm τικτικόν (φάρμακον) n. ‘Arznei für Gebärerinnen’ (Ar. Fr. 872). — 16. ἐπί-τεξ f. ‘vor der Niederkunft, der Niederkunft nahe’ (s. bes.); danach καλλί-τεξ = καλλί-τεκνος (Hp. Epin.) u.a. —17. Als Hinterglied in zahlreichen Univerbierungen, z. B. μονο-τόκος ‘ein Junges gebärend’ neben εὔ-τοκος ‘mit leichter Geburt, leicht gebärend’ (Arist. usw.) mit μονο-, εὐ-τοκέω, -ία u.a.m. —Zu τέκνον s. bes. — Als Verb isoliert. Über vermutete Reliktwörter im Germ. und Aind. s. τέκνον. II-899-900
τίλλω, -ομαι (seit Il.; sehr selten in att. Prosa), Aor. τῖλαι, -ασθαι, Fut. τιλῶ, -οῦμαι (Kom. usw.), Aor. Pass. τιλθῆναι (Ar.), τιλῆναι (LXX, Pap. u.a.), Perf. Med. τέτιλμαι, bes. Ptz. τετιλμένος (Ar., LXX usw.), Akt. τέτιλκα (hell.), ‘rupfen, (sich) ausrupfen, raufen, abpflücken’. auch m. παρα-, ἀπο-, περι- u.a., Davon 1. τιλμός (ἀπο-, παρα-) m. ‘das Ausrupfen’ (A. in lyr., Hp., Men., Pap.). 2. τίλμα (ἀπό-, διά-) n. ‘das Ausgerupfte Zerrupfte, Charpie’ (Mediz., Herod., Theok. u.a.) mit -μάτιον (Mediz.). 3. τίλσις f. ‘das Ausrupfen’ (Arist., Pap.). 4. τίλτρον n. ‘Ausrupferlohn’ (sp. Pap.). 5. παρατίλ-τρια f. ‘Ausrupferin’. Ben. einer Sklavin (Kratin., Philostr.). Als Hinterglied in νάκο-τιλτος ‘dem das Vlies berupft ist, wovon die Wolle abgerupft ist’, -τίλτης, -τιλτέω (Kom.); dazu als Rückbildungen (*θρυο-τίλτης, *ὁλό-τιλτος) θρυο-τίλλω, ὁλο-τίλλω ‘Binsen ausrupfen’ bzw. ‘gänzlich ausrupfen’ (nur Ptz. Präs. m starker Abkürzung; Rechenschaftsbericht PLond. Ip). Rückbildungen ebenfalls τίλοι m. pl. ‘die feinen Haare der Augenbrauen’ (Poll.), τιλλά· πτερά H. (leg. πτίλα?). — Ein Verb τίλλω (aus *τιλ-ι̯ω) kann selbstverständlich keine alte Primärbildung sein. Wenn nicht entlehnt, muß es auf ein Nomen *τίλος oder τίλον zurückgehen. Ohne außergriech. Anknüpfung (abzulehnende Vermutung von Osthoff ZONF 13, 9). Ob für *πτίλλω (zu πτίλον), zunächst durch Dissimilation in παρα-, περι-, ἀπο-(π)τίλλω? II-900
τῖλος m. ‘dünner Stuhlgang, Diarrhöe’ (Sophr., Poll.), ἱππό-τιλος ‘Pferdediarrhöe’ (Hippiatr.). Davon τιλάω, öfter m. Präfix, z.B. κατα-, ἐν-, προσ-, ἀπο-, ‘dünnen Stuhlgang haben, be- kacken’ (Ar., Hippon., Hippiatr.) mit τίλημα n. (EM). Dazu wahrscheinlich auch τίλων, -ωνος m. N. eines Fische im thrakischen See Prasias (Hdt., Arist.), s. Strömberg Fischn. 61 f.; vgl. noch ὀπισθυ-τίλη, böot. ὀπιτθο-τίλα f. ‘Tintenfisch’ (Stratt., H.; nach σπατίλη?; s.d.). — Ohne direkte außergriech. Entsprechung. Neben τῖλος aus idg. *tī-lo- stehen mit anderen Suffixen u.a. : idg. *tī̆-r- in arm. t‘rik‘ (aus t‘ir-ik‘) ‘Mist, Dünger’; idg. *tī-n- in ags. þīnan ‘feucht, naß sein od. werden’, aksl. tina, russ. tína ‘Schlamm, Kot’; idg. *tī-men- in aksl. timěno, russ. timénije ’ἰλύς, Sumpf’; idg. *tī-t- in awno. þīdr ‘aufgetaut, frost-, eisfrei’; idg. *tī-bh- in τῖφος (s.d.). Hierher noch nach Krahe Beitr. z. Namenforsch. 14, 14 (m. Lit.) illyr. Fluß- und Ortsnamen, z.B. Tilyrium. — An idg. tī- schließt sich als Hochstufe tā- (aus tāi-) in -τάκω, τήκω usw.; s.d. m. weiterer Lit., bes. Persson Beitr. 1, 462ff., außerdem Vasmer s.vv. (ebenfalls m. Lit.) und Specht Ursprung 266. — Anders über τῖλος Merlingen Μν. χάριν 2, 57. II-900-901
τιμή, dor. -ά f. ‘Schätzung, Preis, Wert, Ehre, Ehrenamt’ (seit Il.); ‘Entschädigung, Buße, Strafe’ (Hom.; vgl. Adkins Bull. Inst. Class. Stud. 7,23ff.). Viele Kompp., z.B.τιμ-ωρός (s.bes.), ἄ-τιμος ‘ehrlos, rechtslos, verachtet’ (seit Il.), selten ‘ohne Entschädigung’ (π 431), ‘ungestraft, ungerächt’ (A., Pl.), mit ἀτιμ-ία, -ίη f. ‘Ehrlosigkeit, Entehrung’ (seit ν 142), -άω ‘entehren, mißachten’ (ep. poet. seit Il., auch ep. Prosa), -άζω (seit Il.), -ωθῆναι, -ῶσαι, -όομαι, -όω ‘entehrt, geächtet werden’, bzw. ‘entehren, ächten’ (ion. att.), wozu ἀτίμ-ητος, ἀτιμ-αστήρ, -ωσις u.a.m. Ableitungen. 1. τίμ-ιος ‘geschätzt, geehrt, wertvoll, kostbar’ (seit κ 38; vgl. zu τῖμος unten) mit -ιότης, -ιόομαι; als Vorderglied in τιμι-ώρα f. ‘teuere Zeit, Teuerung’ (hell. u. sp. Inschr. u. Pap.). 2. -ήεις, ep. -ῆς, dor. -άεις, pamph. -άϝεσα (f.) ‘geschätzt, geehrt’ (Hom., Pi. usw.). 3. -αῖος ‘hochgeschätzt’ (Diokl. Kom.), PN Τίμαιος. 4. -ίλος ‘ehrenwert’ (kypr.; wie ὀργ- ίλος, Kretschmer Glotta 4, 317). 5. -ίδαι m. pl. ‘Kampfordner’ (ark.kypr.; Fraenkel Nom.ag.2,20, Kretschmera.O.). 6. Denominatives Verb τιμάω, oft m. ἐπι-, προ-, ἀπο-, ἐν-, ἐκ- u.a., ‘schätzen, würdigen, ehren, abschätzen’ (seit Il.) mit τίμ-ημα, -ησις, dor. -ασις, ark. -ασία (Chantraine Form. 84), -ητής, böot. -ατάς, -ητήρ, -ητήριος, -ητικός, -ητεύω, -ητεία; von den präfigierten Verba z.B. ἐπιτίμ-ησις f. ‘Vorwurf, Tadel’, -ημα -ητής u.a. Von τιμάω (und von τίμιος?) noch als Rückbildung (Schwyzer 492; anders Porzig Satzinhalte 283 f.) τῖμος m. ‘Wert, Preis’ (Archil., Herod., A., Kom. Adesp., sp. Prosa) mit τιμοῦς (< -όεις) in τιμοῦντας· τιμίους ὄντας H., τιμούστερος (Olbia IIIa; Schwyzer 535); τετίμο̄νται (Elis) von τιμόω, das sich nicht nur als Denominativ von τῖμος (Schwyzer 727), sondern auch als Analogiebildung zu ἀτιμόω erklären läßt. — Dazu eine Fülle von PN sowohl zweigliedrige wie Kurznamen, z.B. Τιμα-, Τιμη-, Τιμο-, Τιμησι-κράτης, ’Εργό-τιμος, Τίμαιος, Τίμων usw. usw. — Zur Bed. usw. von τιμή s. Lit. zu εὔχομαι und ποινή, außerdem Greindl RhM 89, 223ff., Pötscher WienStud. 73, 35ff., Mohrmann Sprachgesch. u. Wortbed. 321 ff. — Zu τίω; s.d. II-901
τιμωρός (Hdt., att.), dor. τιμάορος (Pi., Trag.), hell. Ep. τιμήορος (A. R.) ‘beschützend, Beschützer, rächend, Rächer’ mit τιμωρ-ία, -ίη, -έω, -έομαι, -ησις, -ημα, -ητής, -ητήρ, -ητικός, -ίζομαι. — Eig. "die τιμή wahrend, bewachend", aus *τιμα-ϝορ-ος, Univerbierung (Zusammenbildung) von τιμή und ὁράω (s.d.). — Anders McKenzie Class Quart. 15, 186 (zu ἄρνυμαι; abzulehnen). II-901-902
τινάσσω, Aor. τιν-άξαι, -αχθῆναι, Fut. -άξω, Perf. Med. τετί-ναγμαι, ‘schwingen, schütteln, erschüttern’ (ep. ion. äol. poet. seit Il.). auch m. ἐκ-, ἐν-, ἀπο-, δια- u.a., Davon τιναγ-μός (ἐκ-, ἐν-, ἀνα-) m. ‘das Schütteln, Erschüttern’ (LXX, hell. u. sp. Pap. u.a.), -μα (ἀπο-, ἐν-) n. ‘Erschütterung’ (LXX, AP), τινάκ-τωρ m. ‘Erschütterer’, von Poseidon (S. in lyr., Nonn.), -τειρα f. vom Dreizack des Poseidon (A. Pr. 924); ἐκτιναγμός auch ‘(plötzliches) Weggehen, Absatz einer Ware’ (Pap.); vgl. ἐκτινάξαι· ἀποκινῆσαι H. und ἀποκινεῖν· τὸ ἀπέρχεσθαι καὶ ἀποτρέχειν Suid. (Kapsomenakis Voruntersuchungen 13 ff.). -ακτρον n. ‘Getreideschwinge’ (Pap. IIIp), -αξις f. ‘das Wegstoßen’ (Heph. Astr., EM). — Nicht sicher erklärt. Erwägenswert Fick BB 16, 282: τινάξαι, -ξω aus *κινάξαι, -ξω (zu κινέω, κίνυμαι) dissimiliert, wozu τινάσσω ( : πατάσσω, ἀράσσω u.a.). Dazu ἀκίναγμα, -αγμός ? (Schwyzer 733 A. 4 m.Lit.; anders s. ἀκῑνάκης). II-902
Τινδαρίδαι s. Τυνδαρίδαι. II-902
τινθαλέος ‘kochend heiß’ (Nik., Nonn. u.a.), δια-τινθαλέος ‘ds. (Ar. V. 329; vgl. διά-θερμος). — Bildung wie αὐαλέος u.a. von τινθός. Bed. unklar: ‘heißer Wasserdampf’ eines Kessels? (Lyk. 36); vgl. τιντόν· ἑφθόν H. (alphabet. unrichtig). II-902
τινθυρίζω ‘zwitschern’ (Kall.). — Schallwort; vgl. τιτίζω (s. τιτιγόνιον) und ψιθυρίζω. II-902
τίνω, -ομαι (ion. ῑ, att. ῐ), auch τείνυμαι (Hom., Hes., Hdt.), kret. Ipv. ἀπο-τεινύτω (Va), hell. u. sp. (ἀπο-)τείνυμι, -τίννυμι, -τιννύω, ark. ἀπυ-τειέτω, Aor. τεῖσαι (äol. πεῖσαι), -ασθαι, Fut. τείσω (kypr. πείσει), -ομαι (seit Hom.), Pass. Aor. τεισθῆναι, Perf. τέτεισμαι (att.), Akt. τέτεικα (hell.), Akt. ‘bezahlen, entrichten, büßen’, Med. ‘(sich) bezahlen od. büßen lassen, bestrafen, sich rächen’. auch m. Präfix, bes. ἀπο- und ἐκ- (wozu προσ-απο-, προσ-εκ- u.a.), Wenige Ableitungen: τίσις f. ‘Bezahlung, Entschädigung, Buße, Strafe, Rache’ (ep. ion. poet. seit Il.); von ἐκτίνω : ἔκτισις (auch -ει- nach τεῖσαι, τείσω), ark. ἔστεισις f. ‘Bezahlung, Büßung’ (att. hell. u. sp.), ἔκτεισμα n. ‘ds.’ (Pl., hell.); von ἀποτίνω : ἀπότισις f. ‘Rückzahlung (Ath.; vgl. unten), ἀπότεισμα n. ‘ds.’ (Amorgos). — Auch τιτυς in Gen. τιτυϝος ‘Buße’ (Gortyn; Fraenkel Nom. ag. 1, 32 m. A. 2, Ruijgh L’élém. ach. 109f. m. Lit.); τίτας dor. für *τί-τής m. ‘Rächer, rächend’ (A. Ch. 67 [lyr.]), auch Bez. einer Behörde (Gortyn), τίται· εὔποροι, ἢ κατήγοροι τῶν ἀρχόντων H.; auch ἀ-τίτας ‘Nichtbüßer, Nichtzahler’ (A. Eu. 256 [lyr.]), s. Fraenkel Nom. ag. 1, 183 f. — Aus dem Quantitätswechsel in τίνω, τίνομαι ergibt sich als Grundform ein thematisches Nasalpräsens *τι-νϝ-ω; daneben das athematische τεί-νυ-μαι (meistens geschr. τῑν(ν)-; darüber Wackernagel Unt. 77 ff. mit wichtigen Einzelheiten) mit sekundärer Hochstufe für *τῐ-νυ-μαι nach τείσασθαι, τείσομαι; zu den letztgenannten Formen trat ark. ἀπυ-τειέτω. Die später bezeugten τεισθῆναι, τέτεισμαι, τέτεικα sind Neubildungen. Weiteres bei Schwyzer 642, 685, 697 m. A. 4, 782, Chantraine Gramm. hom. 1, 303 f. — Ein urspr. *τί-νυ-ται deckt sich formal mit aind. ci-nu-te = idg. *qʷi-nu-tai (Akt. ci-no-ti), das indessen erst episch u.zw. im Sinn von ‘wahrnehmen, beobachten’ belegt ist. (Über ein anderes cinóti, cinuté s. ποιέω). Unter Annahme einer Bed.entwicklung ‘wahrnehrnen, beobachten, animadvertere’ > ‘rächen, strafen’, verbindet man damit das hochstufige thematische cáyate ‘rächen, strafen’ (wäre gr. *τείεται = idg. *qʷeietai; vgl. Akt. ark. ἀπυ-τειέτω), wozu mit Reduplikation das akt. aw. ci-kayat̃ ‘soll büßen, ἀποτεινύτω’ (aind. Ind. cikéti ‘nimmt wahr, bemerkt’). Daneben die dehnstufige Aktivform cā́yati ‘wahrnehmen, beobachten, Scheu, Besorgnis haben’ das zu τίω ‘ehren’ (s.d.) eine Brücke schlagen kann (vgl. noch τηρέω). Hochstufige außerpräs. Formen, die rein strukturell an τείσω, τείσασθαι erinnern, sind aind. Fut. ceṣyati, Aor. aceṣṭa (ep. klass.). Altes Erbgut kann stecken in τίσις (s. oben) = aind. ápa-citi- f. ‘Vergeltung’, idg. *(apo-)qʷi-ti-. — Für weitere Diskussion s. τίω und ποινή. II-902-903
τίπτε ‘warum doch?’ (Hom., A. Ag. 975 [lyr.]). — Wohl aus τί ποτε synkopiert; s. zuletzt Szemerényi Syncope 21 8 f. mit Kritik anderer Ansichten (u. Lit.) : τί-πτε = lat. mihī-, suā-pte usw. (Kretschmer 31, 365); aus *τιτ-πε = lat. quippe (Schwyzer, z.B. 266). II-903
τίς (thess. κις, ark. kypr. σις, el. junglak. τιρ), n. τί, Gen. τέο (ion.), τοῦ (att.), jünger τίνος, Dat. τέωι, τῶι, τίνι, Akk. τίνα usw. ‘wer, welcher, -e, -es, was?’; τις, τι, Gen. τεο, του, τινος, Dat. τεωι, τωι, τινι, Akk. τινα enkl. ‘irgendwer, irgendwelcher, irgendwas’. — Altererbtes interrog. und indefin. Pronornen, mit lat. quis, quid, heth. kuiš, kuit u.a. identisch : idg. *qʷi-s, qʷi-d. Ebenso Gen. τεο = aksl. česo, got. ƕis ‘cuius?’ : idg. *qʷe-so; daneben aw. čahyā aus *qʷe-si̯o. Nach τέο, τοῦ Dat. τέωι, τῶι. Die ν-Formen (schon hom.) gehen vom Akk. τίνα aus, der nach ἕν-α u.a. aus *τίν (= heth. kuin, aw. čim u.a.) erweitert wurde; davon τίν-ος, τίν-ι usw. (vgl. Ζῆν-α, Ζην-ός, Ζην-ί). Ein alter pl. n. ist noch zu spüren in ἅ-σσα, ἅ-ττα = ἅ-τινα und in ἄ-σσα, ἄττα (durch falsche Zerlegung von ὁπποῖά σσα in ὁποῖ’ ἄσσα u.ä. entstanden). Daneben böot. τά, megar. σά ‘warum, wieso?’ (s. bes.). — Weitere Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer 615f., dazu noch Ruijgh L’élém. ach. 101 f.; weitere Formen aus den übrigen Sprachen, ebenfalls m. Lit., bei WP. 1, 519 ff, Pok. 644ff., W.-Hofmann s. quis und quī. II-903-904
Τῑτᾶνες, ep. ion. Τιτῆνες pl., selten sg. Τιτάν, -ᾶνος, m. ‘die Titanen’, Söhne des Uranos und der Gaia (seit Il.). Als Vorderglied u.a. in Τιτανο-κτόνος ‘T. tötend’ (Batr.). Davon Τιτ-ανίς. -ηνίς f. ‘Titanentochter’, Beiw. der Θέμις, der Τηθύς u.a. (A., E., Kall.), -ανίδες pl. (Akus.), -ηνιάς ‘ds.’ (Kall.), -ανικός ‘titanisch’ (Pl., Plu. u.a.), -άνιος ‘ds.’ (An. Ox.), -ανώδης ‘ds.’ (Agatharch., Luk.), -άνια n. pl. ‘Titanenfeier’ (Theodor. Gr.). — Bildung wie die Ethnika auf -ᾶνες wie ’Αθαμ-, ’Ακαρν-, ‘Ελλ-ᾶνες usw.; wegen der unbekannten appellat. Bed. ohne Etymologie. Allerlei Hypothesen: zu τιταίνω, u.zw. entweder — ‘strecken’ (als ithyphallische Gottheiten) oder = τίνομαι als "die Bestrafer, die Rächer"; zu diesen Deutungen, die auf eine umstrittene Stelle bei Hes., Th. 207ff., zurückgehen, s. Duhoux Recherches de Philologie et de Linguistique (Louvain 1967) 35ff.; zu τιτός (τίω) als "die Geehrten" (Solmsen IF 30, 35 A. 1 mit Sch.Ven. Ξ 274); zu protidg. *tīta = alb. ditë ‘Tag’ als Lichtgötter (idg. dī- ‘scheinnen’, s. Ζεύς; Kretschmer Glotta 14, 308ff. u. 30, 96). Nach Nehring Glotta 14, 167 ff. (ausführl.) wäre Τιτάν eig. ‘Sonnengott’, aber aus einer kleinasiatischen Quelle. — Hierher nach weitverbreiteter Auffassung auch Τιτώ f. N. einer Göttin, die den Tag heraufführt (Kall., Lyk.). Auch der mythische Name Τιθωνός und τίταξ· ἔντιμος ἢ δυνάστης. οἱ δὲ βασιλεύς H. u. a. m. werden von Kretschmer a. O. bzw. Nehring Glotta 14, 153ff. damit verbunden. — Ausführlich über die Titanen m. reicher Lit. Nilsson Gr. Rel. I 510ff. II-904
τίτανος f. ‘Kalk, Gips, Kreide, Marmorabfall’ (Hes. Sc. 141, Arist., Str., Mediz. u.a.); auch τίτανις f. (Mediz.); τίτανος und τέτανος· κονία, χρίσμα, ἄσβεστος H. Davon τιτανωτὴ χρόα· γυψωτὴ ἢ λευκόχροος, τιτανωμένας· γεγυψωμένας H. — Technisches Wort unbekannten Ursprungs, ohne Zweifel LW wie die Mehrzahl der Ausdrücke für ‘Kalk’ u.ä. (Schrader-Nehring Reallex. 1, 552). Hypothese von Reichelt IF40, 47 (zustimmend Krahe ZONF 11, 78, Osthoff ebd. 13, 1ff, Merlingen Μν. χάριν 2, 57): als Erbwort zu aind. śvitná- ‘weißlich’; dazu noch ON Τιτάνη, äol. lak. Πιτάνη und, mit abweichendem Anlaut, κίττανος· ἡ κονιακὴ τίτανος H. (Kreuzung mit κόνις?). II-904
τίτθη, τιτθός s. τιθήνη. II-904
τιτιγόνιον n. N. eines τέττιξ-ähnlichen Insekts (Epil. Kom., Paus. Gr., EM, Eust.). — Setzt zunächst ein *τιτιγών voraus (vgl. τρυγών, χελιδών, ἀηδών, alle mit -όνιον); ein onomatopoetisches τῑτίζω, τῑτίζοντας ‘zwitschern’ wurde von Zenod. in Β 314 für τετριγῶτας gelegen. Rückbildung τιτίς, -ίδος f. N. eines kleinen Vogels, auch ‘pudendum muliebre’ (Phot.). Daneben τίτυρος, τιτύρας als Vogelnamen (H.). II-905
τιτρώσκω (ion. att.; τρώω φ 293), Aor. τρῶσαι, Fut. τρώσω (seit Il.), Pass. Aor. τρωθῆναι, Perf. τέτρωμαι (Pi., ion. att.), Akt. τέτρωκα (sp.) ‘verwunden, verletzen, beschädigen’; auch m. Präfix, z.B. κατα-, ἐκ-, letzteres im Sinn von ‘unzeitig gebären, eine Fehlgeburt tun’ mit athem. Wz.-Aorist ἐξέτρω· ἐξεβλάβη, ἐξεκόπη ἡ κύησις (EM), Konj. ἐκτρῷ (vgl. Schwyzer 743). Davon 1. τρῶ-σις f. ‘Verwundung’ (Hp., Arist., Thphr., Plu. u.a.). 2. -σμός m. ‘Fehlgeburt’ (Hp., Dsk.). 3. -μα (ion., dor. [Theok. 21, 50]), att. τραῦμα n. ‘Wunde, Schaden, das Leck (an Schiffen), Schlappe, Niederlage’ mit Demin. -μάτιον, -ματίας, -ίης m. ‘der Verwundete’ (Pi., ion. att.), -ματικός ‘zu Wunden gehörig’ (Dsk.), -ματιαῖος ‘verwundet’ (Pap.), -ματίζω ‘verwunden’ (ion. att.), -ματισμός m. (Ruf.). 4. -τός ‘verwundbar’ (Φ 568; Ammann Μν. χ. 1, 14). — Dazu, semantisch verselbständigt, ἔκτρω-μα, -σις, -σμός ‘Fehlgeburt’ (Hp., Arist. usw.) mit -ωτικός (Plu.), -ματικός, -ματιαῖος, -ματισμός (Gloss.). — Wegen att. τραῦμα wird das analogisch durchgeführte τρω-auf ein langdiphthongisches τρωυ- zurückgeführt und weiterhin zunächst mit τέρυς (s.d.) usw. verbunden (z.B. Persson Beitr. 2, 735 u. öfters, Schwyzer 743 m. Lit.), was angesichts des Aorists τορεῖν (s.d.) Bedenken erregt; τορεῖν : τέτρωμαι wie z.B. πορεῖν : πέπρωται. Das alleinstehende att. τραῦμα somit Neubildung nach θραῦμα, θραύω (WP. 1, 730 zögernd)? Vgl. noch τείρω, τετραίνω, τεράμων, τέρετρον u.a.m. II-905
τιτ(τ)υβίζω, ‘zwitschern’, von Schwalben u. a. (Ar., Babr. u.a.), ‘gackern’ vom Rebhuhn (Thphr. Fr. 181). auch m. ἀμφι-, — Schallwort wie die ähnlich, aber unabhängig davon gebildeten aind. tittiráḥ ‘Rebhuhn’, ṭiṭ(ṭ)ibhaḥ Vogelname ‘Parra jacana’, lit. titìlvis ‘Strandläufer’, tilvìkas ‘Brachhuhn, Schnepfe, Strandläufer’ u.a., s. Mayrhofer und Fraenkel s.vv. II-905
τίτυρος (τῑ-; metr. Dehnung?) m. ‘Bock’ (Sch. Theok. 3, 2; -ίς Phot.), ‘Leitbock, -hammel’ (dor.; Serv. ad Verg. E. Prooem.), = Σάτυρος (Ael.), aber Τίτυροι von Σάτυροι und Σιληνοί unterschieden (Str. 10, 3, 15); Bez. eines kurzgeschwänzten Affen (Thphr.; vgl. σάτυρος); N. eines Schafhirten (Theok., Verg.), Vater des Dichters ’Επίχαρμος (Suid.), Τιτυρεία γυνά (Larissa IIIa). Auch τιτύρ-ινος (αὐλός) ‘Hirtenpfeife’ (Ath., H.); -ιστής m. ‘Pfeifer’ (App.; nach κιθαριστής u.a.; τίτυρος auch = κάλα-μος H.). Zu τίτυρος = ὄρνις s. τιτιγόνιον. — Reduplikationsbildung unbek. Herkunft. Wie das laut- und sinnähnliche σάτυρος (s.d.) von Solmsen IF 30, 32ff. zu idg. tū̆- ‘schwellen’ gezogen; ebenso Τιτυός (eig. "der Geile"). Ähnlich Brugmann IF 39, 114ff. (τι- verstärkend wie σα- in σά- τυρος; vgl. Kretschmer Glotta 13, 270f.). Ablehnend Nehring Glotta 14, 158ff., der beide Wörter als kleinasiatisch betrachtet. Für kleinasiat.-mediterranen Ursprung auch Deroy Par. del Pass. 17, 421 ff.: -τυρος zu ταῦρος (nach D. ebenfalls kleinasiatisch). II-905-906
τιτύσκομαι nur Präs. u. Ipf. 1. ‘zielen’, mit Waffen u.a., auch mit Gedanken ‘hinzielen, streben’ (Hom., Theok., AP); 2. ‘zurecht machen, bereiten, anschirren’ (Il.), in dieser Bed. nachhom. -ύσκω (B., Arat., Lyk. u.a.). Daneben τετύσκετο· κατεσκευάζετο, τετύσκων· ἐμφανίζων H. (zur ε-Redupl. Schwyzer 710; vgl. noch τετυκεῖν, -έσθαι s. τεύχω). — Redupliziertes σκ-Präsens, aus *τι-τυχ-σκομαι (τι-τυκ-?) zu τεύχω, τυγχάνω. Specht KZ 61, 281 erwägt urspr. *τυ-τυ- (mit Dissimilation); nicht glaubhaft. Zum Gebrauch bei Hom. Trümpy Fachausdrücke 1 1 0 f. II-906
τίφη f. 1. ‘einkörniger Weizen, Einkorn, Triticum monococcum’ (Arist., Thphr. u.a.). 2. N. eines Insekts = σίλφη, τίλφη (Poll., Phryn., Ael.). 3. Bed. unklar (Ar. Ach. 920, 925), nach Sch. Rav. ad loc. et Suid. s. θρυαλλίς = σίλφη. Adj. τίφινος ‘zum Einkorn gehörig’ (Gal., Orib.). — Unerklärt. II-906
τῖφος n. ‘sumpfige Stelle, Sumpf, Teich’ (Theok., A. R., Lyk.) mit τιφώδης ‘sumpfig’ (Str.), τίφια ὄρνεα· τὰ ἐν τοῖς ἕλεσι γινό-μενα H.; auch τίφυον n. ‘Scilla autumnalis, Meerzwiebel’ (Thphr.; vgl. ἴφυον) ? — Als τῖ-φος (Genus wie ἕλος, τέναγος) zu τῖ-λος, τά-κω, τή-κω mit Labialsuffix wie lat. tābēs; s. τῖλος und W.-Hofmann s.v. m. Lit. II-906
τίω (ep. ῑ̆ metrisch bedingt, sonst nur ῐ), Aor. τῖσαι, Fut. τίσω, Perf. Ptz. Pass. τετιμένος, ‘ehren, schätzen, hochschätzen’ (ep. poet. seit Il.); vereinzelt mit προ-, περι-; πολύ-τῑ-τος ‘hochgeehrt’ (Orac. ap. Hdt. 5, 92), ἀ-τί-ετος ‘ungeehrt’ (A. in lyr.), ‘nicht ehrend’ (E. in lyr.), auch ἀ-τίει (Thgn. 621) als Kontrastbildung zum vorausgehenden τίει, danach ἀτίουσι (Orph. L. 52); zu ἀτίζει s. bes. Davon τιμή, s. bes. — Obwohl ohne unmittelbares außergriech. Gegenstück stellt wahrscheinlich das ausgeglichene τίω usw. eine alte Abzweigung des auch in τίνω vorliegenden, altererbten Verbs dar. Neben den schwundstufigen griech. Formen stehen im Aind. Formen mit ebenfalls durchgeführter Hoch- oder Dehnstufe in cā́yati, Ptz. Med. cā́yamāna- ‘wahrnehmen, Scheu haben, ehren’, cāyú- ‘Ehrfurcht bezeugend (? )’ u.a.; zur Bed. vgl. lat. observāre ‘beobachten, verehren usw.’. Die von Schulze Q. 355 f. unter Zustimmung vieler Gelehrten (Fraenkel Nom. ag. 1, 184f., Wackernagel Unt. 77 A. 1, 79 A. 1, Schwyzer 697 A. 4) vorgenommene Scheidung eines q[u̯]ei-, qʷĭ- ‘zahlen, büßen, τίνω, cáyate’ und eines qʷēi-, qʷī- ‘verehren, τίω, cā́yati’ läßt sich kaum aufrechterhalten (zu bemerken u.a. die doppelte Bed. von τιμή); für die ältere Auffassung eines gemeinsamen Ursprungs (Curtius 488 f., Fick 1, 24 n. 379) noch WP. 1, 508f., Pok. 636f. II-906-907
τλήμων, τλῆναι s. ταλάσσαι. II-907
τμήγω, Aor. τμῆξαι, -ασθαι (äol. [Pi., Balb.] τμᾶξαι), Fut. τμήξω, Aor. 2. 1. sg. διέτμᾰγον (η 276), Pass. 3. pl. (διε)τμάγεν (Hom.), hell. u. sp. τμηγῆναι, ‘zerschneiden, spalten, trennen’ (ep. seit Il.). auch m. Präfix, bes. ἀπο-, δια-, Davon ἀπο-τμήξ, -ῆγος ‘abgerissen, steil’ (σκοπιή, A. R. 2, 581; vgl. ἀπορρώξ), -τμηξις f. ‘das Abschneiden’ (sp.), τμῆγος· ...βούτμημα; unklar τμήγας· γατόμος, ἀροτήρ H — Erweiterung von τμη- in τμη-τός, -θῆναι u.a. (: τέμνω) nach verschiedenen Vorbildern. Das kurzvokalige τμάγεν (: ἐτμάγην) erinnert an ἐρράγην, ἐάγην; danach das ἅπ. λεγ. διέτμαγον?; τμῆξαι, τμήξω wie ῥῆξαι, ῥήξω usw., s. Risch par. 90, Chantraine Gramm. hom. 1, 392 u. 400. Güntert Reimwortbild. 132 vermutet Kreuzung mit θήγω (θάγω). Versuch einer semantischen Differenzierung gegenüber τέμνω bei Chantraine 1, 330. II-907
το-, τᾱ- in Akk. τόν, τήν, dor. τάν, τό, Nom. pl. τοί, ταί (ep. poet. dor. u.a.), τά usw. — Altererbtes Demonstrativum, im Griech. vorw. als Artikel gebraucht, mit aind. tám, tā́m, tád, Nom. pl. m. té usw. identisch, auch germ. z.B. got. þan-a, þo, þat-a, þai; mit neugebildetem Nom. sg. lit. tàs, tà, aksl. tъ, ta, to u. a. m., idg. *to-, tā, Akk. *to-m, tā-m, to-d, pl. *toi usw. — Weitere Formen aus verschiedenen Sprachen m. reicher Lit. bei WP. 1, 742f., Pok. 1086f., W.-Hofmann s. iste; fürs Griechische noch Schwyzer 609 f. m. Lit. — Vgl. ὁ, ἡ (ἁ). II-907
τοι (dor. auch τοί) ‘dir’ ep. ion. dor. äol. Dat. sg. (ion. att. σοί) von σύ (s.d.), — = aind. te. Daraus att. τοι als enklit. Part. etwa ‘ja, doch, fürwahr’. — Daneben am Satzanfang und orthotoniert τοὶ γάρ, τοιγάρ (ep. poet.), für das Zusammenhang mit dem Demonstr. το- vermutet worden ist; s. Schwyzer-Debrunner 580 ff., wo auch über die verstärkten τοιγάρτοι, τοιγαροῦν ebenso wie über τοίνυν, μέντοι usw. II-907-908
τοιθορύσσω s. τανθαρύζω. II-908
τοῖος, τοία (ion. -η), τοῖον demonstr. Pron. ‘so beschaffen’ (vorw. ep. poet. seit Il.). Davon τοιοῦτος, τοιόσδε ‘ds.’ (vorw. ion. att. Prosa) nach οὗτος, ὅ-δε (vgl. τηλίκος, -οῦτος, -όσδε). — Griech. Neubildung vom Pronominalstamm το-; Erklärung strittig. Nach W. Petersen TransAmPhAss. 46, 59ff. (zustimmend Schwyzer 609 A. 5) ist von dem Gen.pl. τοίων = aind. téṣām, awno. þeira, idg. *toisōm, von idg. *to-, gr. το- (s.d.). auszugehen, wozu τοῖοι, τοῖος usw. Ebenso ποῖος, οἷος aus ποίων, οἵων (= aind. kéṣām, yéṣām); danach auch die übrigen auf -οῖος. — Anders, nicht vorzuziehen, Schulze ZGLE 435 A.3: ποῖος aus *πο-οιϝος mit got. ƕaiwa ‘wie?’ aus idg. *qʷo-oiu̯os zu aind. éva- ‘Art und Weise’; ebenso τοῖος, οἷος. Wie Schulze urteilen u.a. Brugmann Grundr.1 II : 1, 79 und Fraenkel Glotta 32, 19. Ältere, abzulehnende Erklärungen bei Brugmann-Thumb 212 und J. Schmidt KZ 25, 93. Weitere Lit. bei Schwyzer a. O. II-908
τόλμη (sehr selten), gew. τόλμᾰ (ion. att.; vgl. τολμήεις, -μάω unten), dor. τόλμᾱ (Pi.) f. ‘Wagemut, Kühnheit, Tollkühnheit, Verwegenheit, Frechheit’ (zur Bed. Chantraine Form. 150, auch [bei Soph.] Zawadzka Eos 54, 44ff.). Oft als Hinterglied, z.T. auf τολμάω bezogen, z.B. ἄ-τολμος ‘ohne Wagemut, nichts wagend’ (Pi., ion. att.), πάν-τολμος ‘alles wagend’ (A., E.); ἀπότολμ-ος ‘verwegen, kühn’ (sp.), von ἀπο-τολμάω. Davon 1. τολμ-ήεις, dor. -άεις ‘kühn, verwegen, duldend’ (Hom., Pi.). 2. -ηρός ‘ds.’ (att.) mit -ηρία f. (hell. Pap.). 3. Denom. άω, Hdt. -έω, Aor. -ῆσαι usw., auch m. ἀπο-, ἐπι-, κατα- u.a., ‘Wagemut zeigen, sich erkühnen, über sich gewinnen, ertragen’ (seit Il.) mit -ημα n. ‘Wagnis, kühnes Unternehmen’ (att.), -ησις f. ‘verwegene Tat’ (Pl. Def.), -ητής m. ‘Wagehals’ (Th., Ph. u.a.; Fraenkel Norn. ag. 2, 72 f.) mit volkstümlicherem -ητίας ‘ds.’ (Kom. Adesp. u.a.), -ητικός = -ηρός (sp.). 4. Hypokoristisch τόλμιλλος m. ‘Wagehals’ (Theognost. Kan.). — Bildung mit μη-(μᾱ-)Suffix wie ῥώμη, χάρμη, γνώμη usw. zu ταλάσσαι; zum ο-Vokal Schwyzer 362 f. Die fast alleinherrschende Form τόλμα ist sekundär als Rückbildung zu τολμάω entstanden (Solmsen Wortforsch. 266). II-908
τολύπη f. ‘Knäuel von Wolle oder Garn’, auch übertr. von Zwiebelknollen, Kürbissen, kugelförmigen Kuchen (Ar. Lys. 586 [anap.], Eub., S. Fr.1102, LXX, AP usw.). Daneben τολυπεύω, auch m. ἐκ-, ‘die Wolle oder das Garn auf ein Knäuel wickeln’ (Ar. Lys. 587 [anap.], doppelsinnig τ 137), m.eist übertr. ‘anzetteln, mit Mühe vollbringen, durchmachen’ (ep. poet. seit Il.) mit -ευμα n. = τολύπη, -ευτικός (Phot., Suid., H.). — Nicht sicher erklärt. Nach Fick GGA 1894, 247 zu τύλος ‘Wulst’ (τολυπ- aus *τυλυπ-; zum Lautl. vgl. τορύνη). Zustimmend Bechtel Lex. s.v., der indessen Ficks weitere Identifikation mit τυλίσσω mit Recht ablehnt. Hubschmid Thes. Praenom. 1, 54 sucht in τολύπη ein voridg. p-Suffix. Frühere Hypothesen in der Lit. bei Bq (abgelehnt). II-909
τόμουροι (-οῦροι) m. pl. Bez. der Zeuspriester in Dodona bei Str. 7, 7, 11, der ebenso wie Eust. z. St. es als v. l. in π 403 zitiert (von v. Wilamowitz Die Heimkehr des Odysseus 148 A. 1 der Lesart θέμιστες der Vulgata vorgezogen); Vok. sg. τόμουρε· μάντι (Lyk. 223). Nach H. = προφῆται, ἱερεῖς, οἰωνοσκόποι, διάκονοι. — Unerklärt. Von Str. a. O. als *τομάρ-ουροι = τομαρο-φύλακες ‘Wächter des Beiges Τόμαρος (Τμάρος)’ bei Dodona gedeutet. II-909
τονθορύζω, Aor. -ύσαι, Fut. -ύξω, auch -ίζω und τονθρύζω, ‘murmeln, undeutlich reden, röcheln’ (A. Fr. 298 = 630 M., Ar., Herod., Luk., Opp. u.a.). vereinzelt m. ὑπο-, δια-, Davon τονθ(ο)ρυσμός m. ‘das Murmeln’ (Phryn.), τονθρυστής = γογγυστής (Aq.); Rückbildung τονθρύς· φωνή H. — Expressive Reduplikationsbildung mit Dissimilation zu θόρυβος, θρυλέω, θρέομαι (s.dd.); Suffix wie γογγύζω, γρύζω, ὀλολύζω u.a. (Schwyzer 716). — Daneben τονθολυγέω ‘gurgeln, glucksen’ (Pherekr.); vgl. οἰνο-φλυγέω, -φλυξ, πομφόλυξ, -ύξαι. — Zu τοιθορύσσειν s. τανθαρύζω. II-909
τόξον n. ‘Bogen’, pl. ‘Schießgerät(e), (Bogen und) Pfeile’ (seit Il.; zum Plur. Schwyzer-Debrunner 43 u. 51, Chantraine Gramm. hom. 2, 31 f.). Kompp., z.B. τοξο-φόρος m. f. ‘den Bogen tragend, Bogenträger(in)’, Beiw. des Apollon, der Artemis u.a. (ep. poet. seit Φ 483, auch Hdt.), τοξό-κλυτος ‘bogenberühmt’ (Pi., B.), auch κλυτό-τοξος eig. ‘mit berühmtem Bogen’, Beiw. des Apollon (Hom., B.) wie z.B. ἀγκυλό-τοξος ‘mit krummem Bogen’ (Il., Pi.). Zahlreiche Ableitungen. 1. τοξ-ότης, dor. -ότας m. ‘Bogenschütze’ (seit Il.), f. -ότις f. (Kall. u.a.), Bed. unklar bei Plb. 8, 7, 3 (jedenfalls nicht mit LSJ ‘loophole for shooting arrows’); auch Pfl.name = ἀρτεμισία (Poet. de herb.). 2. -ῖτις f. (νευρά) ‘Bogenschuß (Hero, Ph. Bel.), Beiw. der Artemis (Kos); Redard 241 A. 19 u. 214; unsicher -ιτησία = ἀρτεμισία (Ps.-Dsk. 3, 113; leg. -ῖτις?). 3. -ίας in Τοξίου βουνός· τοῦ ’Απόλλωνος τοῦ ἐν Σικυῶνι H. 4. ία f. N. einer Göttin (neben Ἄρτεμις erwähnt; Gortyn; vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 182, Nilsson Gr. Rel. 1, 483 A. 3). 5. -οσύνη f. ‘Bogenkunst, -kunde’ (Ν314, E. in lyr.; Wyss 24). 6. -ιανοί pl. ‘Leute die unter dem τοξότης (dem Sagittarius) geboren. sind’ (Cat. Cod. Astr.). 7. -εύς m. myth. PN (Hes. Fr. 110, 4), Kurzname wie Τόξος (korinth. Vase; Fraenkel Nom. ag. 1, 236, auch Bosshardt 120). 8. Demin. -άριον n. (Luk. u.a.). 9. -ικός ‘zum Bogen, Bogenschützen gehörig’, -ική (τέχνη) f. (att.), -ικόν (φάρμακον) n. ‘Pfeilgift’ (Arist., Str. u.a.); auch für *τοξοτικός (Chantraine Ét. 116). 10 -ωτός = arcuatus (Gloss.). — 11. Denominativum -εύω, oft m. Präfix, z.B. κατα-, ἀπο-, ἐκ-, ‘mit Bogen schießen’ (seit Il.) mit -ευμα n. ‘Geschoß, Pfeil’ (ion. att.), -ευσις f. ‘das Bogenschießen’ (Lib.), -εία f. ‘ds.’ (hell. u. sp.); -ευτής m. ‘Bogenschütze’ (Ψ 850 u.a.), auch -ευτήρ m. (Arat., Nonn. u.a.); meist vom Sternbilde (metr. bedingt für -ότης, -ευτής; Scherer Gestirnnamen 170 f., s. auch Fraenkel Nom. ag. 1, 135 A. 12), f. -εύτειρα (Opp.), -ευτική f. ‘Bogenkunst’ (Gal.). — Auch 12. -άζομαι, auch m. ἐπι-, ‘nach jmdm. mit Bogen schießen’ (Hom., Opp.), -άζω ‘ds.’ (Herakleit. All.); vom pl. τόξα (Schwyzer 734) ? — Zu τόξον nebst Ableitungen bei Homer s. Trümpy Fachausdrücke 66 f., 109 f. — Statt des altererbten βιός tritt schon bei Hom. τόξον als das weit üblichere Wort für ‘Bogen’ ein und ist vielleicht schon im Mykenischen zu belegen: to-ko-so-ta = τοξότας, to-ko-so-wo-ko (Hinterglied mehrdeutig). Da die iranischen Völker, zumal die Skythen als Bogenschützen berühmt waren, liegt für τόξον iranische (skythische) Entlehnung nahe, wobei sich npers. taχš ‘Armbrust, Pfeil’ ebenso wie skyth. PN Τόξαρις, Τάξακις sofort zum Vergleich melden (Hübschmann ZDMG 38. 430, Benveniste Mél. Bq 1, 37 ff.; von Heubeck Minos 6, 56 A. 4 m. Lit. wegen der myken. Dokumentierung angezweifelt; vgl. noch dens. Würzb. Jb. 4, 201). Mit iran. *taxša- (und mit τόξον) ist schon längst (Schrader BB15,284ff.; s. noch Schrader-Nehring Reallex. 2, 166) lat. taxus ‘Eibe’ als urverwandt verbunden worden, was für das iranische Wort immer in Betracht kommt. — Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 716f. Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Orbis 4, 532 ff. Noch anders Deroy Ant. class. 23, 317 (zu τέχνη, τέκτων). II-909-910
τοπάζιον auch -αζος m. (AP, J., Orph. u.a.), -αζον n. (Eust.) n. (LXX, Str., D. S., Apok.), ‘Topas’, wahrsch. auch vom Chrysolith und von anderen Steinen (A. Schramm P.-W. II.6, 1717f.). — Fremdwort, nach Iuba bei Plin. HN 37, 108 aus der Sprache der Trogodyten, zunächst nach einer gleichnamigen Insel im Roten Meere (ebenso HN 6, 169 u.a.). Eine andere (vulgäre) Schreibung scheint in ταβάσιος, -ις (PHolm.) vorzuliegen; vgl. Lagercrantz zu PHolm. 4, 12. II-910-911
τόπος m. Wenige Ableitungen. 1. τοπ-ικός ‘örtlich’ (Arist., Pap., Mediz. u.a.). 2. -ιον n. ‘Platz, Begräbnisplatz’ (PLond., Inschr. Kleinasien). 3. -ίτης m. ‘Ortsbewohner’ (St. Byz.; Redard 27). 4. -εῖον (-ήϊον) n. ‘Strick, Seil’ (Kom., Kall., hell. Inschr.). Denom. Verba: 5. τοπ-άζω, auch m. ὑπο- ‘auf einen Ort, Punkt hinzielen, vermuten, erraten’ (att.) mit -αστικός ‘erfinderisch, scharfsinnig’ (Men.), ὑποτοπ-ασμός m. ‘Vermutung’ (J.). 6. -ίζω ‘lokalisieren’ mit -ισμός (Arist. -Komm.), ἐκτοπ-ίζω = ἔκτοπον ποιέω, ‘entfernen’ mit -ισμός, -ιστικός (Arist., hell. u. sp.). 7. ὑπο-τοπέομαι, -έω (-εύω) ‘vermuten, argwöhnen’ (ion., Th., Ar. u.a.). ‘Ort, Stelle, Gegend, Distrikt, Raum, Thema einer Rede usw.’ (ion. att. seit A.). Als Vorderglied u.a. in τοπ-άρχης m. Vorsteher eines Distrikts, bes. in Ägypten, mit -έω, -ία (LXX, Pap. usw.); oft als Hinterglied, z.B. ἄ-τοπος ‘nicht an seiner Stelle, unangebracht, ungewöhnlich’, ἐν-τόπ-ιος ‘in der Gegend befindlich, einheimisch’ (Pl. usw.). — Wort der Alltagssprache, das sich wegen der allgemeinen Bed. einer sicheren Beurteilung entzieht. Hypothetische Vorschlage: zu lit. tenkù, tèkti ‘hinreichen, sich hinstrecken, zuteil werden usw.’ (Osthoff IF 8, 23; anders über tenkù WP. 1, 715, Fraenkel s.v.); zu lit. tampù, tàpti ‘werden, entstehen’, pri-tàpti ‘antreffen, kennenlernen’, ags. þafian ‘zustimmen, gewähren, gestatten, dulden’ (Bezzenberger BB 27, 178 etwas zurückhaltend; ablehnend für tàpti Stang NTS 16, 259). Weiteres bei WP. 1, 743 und Pok. 1088; auch Bq. — Noch anders v. Windekens Ling. Posn. 9, 38: zu aksl. tepǫ, teti ‘schlagen’ oder, als Alternative, als pelasgisch zu τύπος; letzteres ganz willkürlich. — Zum Bedeutungsparallelismus von τόπος und lat. locus Chantraine Mél. Ernout 51 ff. II-911
τόρβηλος · μεμψίμοιρος H. — Von Specht KZ 59, 34 A. 1 einleuchtend durch Dissimilation aus *τόλβηλος erklärt und mit dem sonst isolierten τέλβεσθαι· μεμψιμοιρεῖν, ἐπικαλεῖν H. (alphabetisch unrichtig) verbunden. II-911
τόργος m. ‘Geier’ (Kall. Fr. 204, Lyk.), τόργος ὑγρόφοιτος ‘Schwan’ (Lyk.). — Wort der gelehrten alexandrinischen Dichtung, ohne befriedigende Etymologie. Nach Fick 1, 570 u.a. zum germanischen Wort für ’Storch’, awno. storkr u.a. (vgl. WP. 1, 629, Pok. 1023). Thompson Birds s.v. vergleicht kopt. t(o)re, θre ’ἰκτῖνος’ (?). Nach H. von Τόργιον· ὄρος ἐν Σικελίᾳ, ὅπου νεοττεύουσιν οἱ γῦπες, aber dann natürlich eher Τόργιον von τόργος als umgekehrt. — Anläßlich Γοργώ erwähnt Leumann Hom. Wörter 148 A. 118 τόργος; seinem zögernden Vorschlag, darin eine Entstellung aus *γόργος zu sehen, steht er indessen selbst sehr skeptisch gegenüber. — Ein altes Wort für ‘Geier’ ist αἰγυπιός; s. noch γύψ und ἰκτῖνος. II-911-912
τόρδῡλον (Ruf. ap. Orib., Gal., Plin.), -ύλιον (Dsk.), -ῑλον (Nik. [-ει-], Dsk.), -ίλιον (Dsk. v.l.) n. N. einer Doldenpflanze, ‘Sesel, Tordylium offlcinale’. — Nicht sicher erklärt. Liden Stud. 17 vergleicht damit den nnorw. Namen einer Gebirgspflanze, tort, turt(a) ‘Sonchus alpinus’, wozu noch στόρθη, στόρθυγξ; s.d. m. weiteren Formen u. Lit. II-912
τορεῖν Aor. 2. (ἔτορε Λ 236, τορεῖν· τορῆσαι, τρῆσαι, τεμεῖν H.), mit Redupl. τέτορεν· ἔτρωσεν, τετόρῃ· τρώσῃ H.; dazu das Ptz. τετορήσας (h. Merc. 119; Versende), Fut. τετορήσω ‘mit Tönen durchbohren, in schrillen Tönen verkünden’ (Ar. Pax 381; Parodie, Schwyzer 783), Perf. Ptz. τετορημένος (Nonn.). Daneben Aor. 1. τορῆσαι = τορεῦσαι ‘stechen, ziselieren, formen’ (Arat., AP, Sardis), aber mit ἀντι- ‘durchbohren, -dringen, eindringen in’ (Ε 337, Κ 267; Versende, Chantraine Gramm. hom. 1, 416), danach Fut. Ptz. ἀντι-τορήσων (h. Merc. 178; Versende, vgl. oben) und Präs. Ptz. ἀντι-τοροῦντα (ebd. 283); Aor. Pass. δια-τορηθῆναι (Anon. ap. Suid.); Vbaladj. τορητός ‘verwundbar’ (Lyk.). ‘durchbohren’ Auch τορεύω, -εῦσαι, auch m. δια-, ‘schnitzen, erhabene Arbeit in Metall ausführen, formen’ (S. Fr. 315, hell. u.sp.; oft mit τορνεύω zusammengeworfen, s. τόρνος); ᾠδὴν τορεύειν (Ar. Th. 986; lyr.) ‘einen Gelang ziselieren’ od. von einem durchbohrenden, schrillen Gesang (zu τορός) ? (Bentley τορν-; vgl. διάτορος unten). Davon τορευ-τός ‘ziseliert, graviert’, -τής m. ‘Ziseleur, Graveur’, -τική (τέχνη) ‘Gravierkunst’, -μα n. ‘getriebene, gravierte Arbeit’, -σις = caelatura (Gloss.), -εία f. ‘das Gravieren’, -εῖον n. ‘getriebene Arbeit’ (alles hell. bzw. sp.). Auch τορεύς m. ‘Bohrer’ (Philyll. ap. Phot., AP), wohl eher Rückbildung von τορεύω als von τόρος ‘ds.’ (att. Inschr. IVa, H., Eust.; vgl. Bosshardt 44 f.). Letzteres könnte vom primären Verb ausgehen wie διάτορος ‘durchbohrend, -dringend, laut’, auch ‘durchbohrt’ (A., S., Plu., Luk.: δια-τετραίνω) wie διά-φορος, -βολος usw. — Der Aorist τορεῖν ist wie πορεῖν, μολεῖν, θορεῖν u.a. zu beurteilen; s. dd. m. Lit. Wie πορεῖν formal zu πείρω und πέπρωται ebenso τορεῖν : τείρω : τέτρωμαι. Dazu als Neubildung ep. ἀντι-τορῆσαι, -τορήσων, -τοροῦντα (s. oben). Dagegen τορῆσαι ‘ziselieren’ (hell.) Wechselform zu τορεύω, das eine Neubildung nach χαλκεύω u.a. ist. Weiteres s. τορός, τετραίνω, τείρω und τέρυς. II-912-913
τόρμος m. ‘Zapfenloch, Radnabe, Radbüchse, Zapfen’ (Hdt., Ph. Bel., Hero Bel., hell. Inschr. u.a.) mit τορμ-ίον n. ‘kleiner Zapfen’ (Ph. Bel.), -ικά n. pl. ‘Verzapfungen’ (Hero Bel.). Daneben τόρμη f. = πλήμνη, καμπή, καμπτήρ, νύσσα, ὕσπληξ, δρόμος (Ael. Dion., H., Suid.), auch (wie τόλ-μη : -μᾰ) τόρμᾰ f. (Lyk. 262) Bed. unklar: = πλήμνη od. νύσσα? (nach Sch. = τὸ χάραγμα τὸ ἀπὸ τοῦ τροχοῦ; vgl. Solmsen Beitr. 266 f. ); βουβῶνος ἐν τόρμαισι (ebd. 487) Bed.? Aus H. noch ἐκ τορμῶν· ἀπὸ τοῦ καμπτῆρος ἢ τοῦ σύμπαντος δρόμου und ἐκτορμεῖν· ἐκτετράφθαι τοῦ δρόμου. Technisches Wort für ‘Zapfenloch, Büchse, Zapfen’. Daraus anscheinend nach den Zeugnissen der Lexikographen ‘Zapfen am Ende der Laufbahn, Umbiegung, Laufbahn’. — Kann mit dem german. Wort für ’Darm’, awno. þarmr m. unmittelbar gleichgesetzt werden, urg. *þarma-z; eig. "Bohrung, aufgebohrter Durchgang", zu τείρω, τετραίνω, τορεῖν; vgl. noch τράμις, auch τέρμα, das sich mit τόρμη = καμπή, νύσσα auch inhaltlich berührt; daselbst auch über heth. tarma- ‘Nagel, Pflock’. II-913
τόρνος m. ‘Schnitzmesser, Dreheisen, Drehbank, Eisen zur Vorzeichnung eines Kreises, Zirkellinie’ (Thgn., ion. att.). Einige Kompp. z.B. ἔν-τορνος ‘mit einem Dreheisen bearbeitet, gedrechselt, rundgedreht’ (Pl., Arist., Inschr. u.a.) mit ἐντορν-ία, -εύω (Hero). Davon 1. τορν-ίσκος m. ‘Dreheisen’ (Ph. Bel., Delos; vgl. ὀβελ-ίσκος u.a. Chantraine Form. 408). 2. -ία σταφυλή (Poll.), -ιος οἶνος (Hp.). 3. -όομαι, -όω ‘eine Kreislinie ziehen, abzirkeln’ (Ψ 255, ε 249, D. P., Tryph., H.), -ωτός ‘gedreht, gedrechselt’ (Hdn. Gr.), ἀπο- ~ ωσις f. ‘Abrundung’ (Heliod. ap. Orib.). 4. -εύω, auch m. ἀπο-, κατα-, περι- u.a., ‘im Kreise drehen, drechseln’ (E. in lyr., Ar,. Pl. usw.) mit -ευμα n. ‘drehende Bewegung’ (E. HF 978), pl. ‘Drehspäne’ (Hp., hell. Inschr. u.a.), -εία f. ‘rundes Holz zum Schiffsbau’ (Thphr.), -ευτός ‘gedrechselt, zum Drechseln geeignet’ (hell.; vgl. τορονευτός unten), -ευτής m. ‘Drechsler’ (att. Inschr. u.a.), -ευτήριον n. ‘Dreheisen’ (Thphr.). — Daneben τόρονος (cod. -όνος)· τόρνος. Ταραντῖνοι H.; τορονευτός = τετορνευμένος (lakon. in Edict. Diocl.); Einschubvokal oder alte Zweisilbigkeit wie in τέρε-τρον?; s. Schwyzer 259 u. 362, Bechtel Lex. 4. — Technisches Wort der Zimmerleute, besonders auf das Drechseln bezogen. Als Nom. instrumenti mit νο-Suffix (vgl. θρᾶνος u.a.) gehört τόρ(ο)νος mit τέρετρον zur umfassenden Gruppe von τείρω, τετραίνω, τορεῖν, lat. terō usw. Begrifflich nahe steht außer τόρος, τορεύω (s. τορεῖν) besonders κυκλο-τερής ‘rund gedreht, (kreis)rund’ (s. τέρυς); vgl. κύκλου τόρνος (X.), κυκλοτερὲς τορνεύσασθαι (Pl.); zu beachten noch lat. teres, -etis ‘glattrund, festgedreht, wohlgedrechselt’. — Die frühere Gleichsetzung mit lit. tar̃nas ‘Diener, Aufwärter’ (Prellwitz u.a.) ist aufzugeben; wenn letzteres, wie allgemein angenommen wird (Fraenkel s.v.), zu τέρην gehört, besteht aber ein indirekter Zusammenhang zwischen τόρνος und tar̃nas, s. Persson Beitr. 2, 640 A. 3. Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 1, 728ff., Pok. 1070ff.; ält. Lit. auch bei Bq. — Lat. LW tornus (> frz. tour usw.). II-913-914
τορός, -ῶς Adv. ‘laut, gellend, vernehmbar, deutlich’ von der Stimme, auch ‘schnell, flink’ (A. [oft], auch E., Ar., Emp., Pl., X. usw.). — Bildung wie θοός, τομός, λοιπός, δοκός u.a. (Schwyzer 459) zu τορεῖν, τείρω, somit eig. *"(durch)bohrend, durchdringend". — Gegen Anknüpfung an lit. tariù, tarýti, tar̃ti ‘sagen, aussprechen’, heth. tar- ‘sagen, melden, nennen’ (z.B. 3. pl. taranzi), slav., z.B. russ. torotóritь ‘plappern, schwatzen’ (WP. 1, 744, Pok. 1088f. mit Fick), die Benveniste Hitt. et indoeur. 119ff. gewiß richtig zu einer besonderen Wz. ter- ‘klar sprechen, erklären’ ziehen will (dazu noch arm. ent‘eṙnum ‘lesen, ἀναγιγνώσκειν’ aus *ənd-t‘-), spricht außer der speziellen Bed. von τορός auch der Umstand, daß ter- ‘sprechen’ sonst im Griech. keine Vertreter hat, während terə- ‘durchbohren’ sehr stark produktiv war. Zu τορός gehört dagegen als davon unabhängig gebildet aind. tārá- ‘durchdringend, laut, gellend’ (vgl. Mayrhofer Sprache 10, 193f.), ebenso mir. tairm ‘Lärm’. — Die Frage, ob letzten Endes eine Verbindung bestanden hat zwischen diesen beiden Sippen (wozu noch die Ausdrücke für ‘hinübergelangen usw.’ in τέρμα [s.d.]), gehört zu den unlösbaren Problemen der vorgeschichtlichen Semasiologie (formale Bedenken bei Mayrhofer a. O.). — Zu τόρος ‘Bohrer’ s. τορεῖν. II-914
τορύνη 1. dor. -α (ῡ Ar., ῠ AP 6, 305) f. ‘Rührlöffel, Rührkelle’ (Sophr., Ar., Pl.). Davon τορυνάω, auch m. συν-, ‘umrühren’ (Mediz., Eub.), auch τορύνω (Ar. Eq. 1172), wohl als Rückbildung (anders Schwyzer 491: τορύνη Rückbildung von τορύνω). — Bildung wie κορύνη, σιβύνη, χελύνη u.a.; nicht sicher erklärt. Semantisch sehr ansprechend ist die Anknüpfung an ein germ. Verb für ‘schnell herumdrehen, durcheinander rühren’, z.B. ags. þweran, ahd. dweran mit ags. þwiril, ahd. dwiril ‘Quirl, Rührstab’ (urg. *þu̯er-ila-). Man muß aber dann mit Fick BB 1, 335 und Froehde BB 14, 107 ein urspr. schwundstufiges *τυρ-ύνη ansetzen, woraus durch Dissimilation τορύνη (vgl. zu κόκκυ); vgl. noch Specht Ursprung 150 und 351 A.1, wo, wenig überzeugend, ein alter Suffixwechsel n : l angenommen wird. Eine Wechselform tor- neben tu̯or-(Persson Beitr. 1, 122 A. 5; auch [mit starkem Vorbehalt] WP. 1, 749) läßt sich nicht rechtfertigen; gegen Anknüpfung an τείρω (J. Schmidt KZ 32, 351, 353, 384) spricht entschieden die Bedeutung. — Hierher vielleicht auch lat. trua ‘Schöpfkelle, auch zum Umrühren beim Kochen’ (ausführlich darüber mit alternativer Erklärung W.-Hofmann s.v.); vgl. noch zu ὀτρύνω. Vgl. τύρβη und τυρός. II-914-915
τορύνη 2. · σιτῶδές τι H. — Nach Fowkes Word 2, 49 hierher noch einige kymr. Wörter, z.B. pori ‘graze, browse, eat, pasture’. s. πύρνος. II-915
τόσος, ep. auch τόσσος, myk. to-so. demonstr. Pron. ‘so groß, so viel’ (ep. poet. seit Il., in d. Prosa nur Ntr. τόσον); Davon τοσ(σ)οῦ-τος, τοσ(σ)όσδε ‘ds.’ (seit Il.; wie τοιοῦτος u.a.; s. τοῖος), τοσσ—ος ‘ds.’ (Theok., nach τῆνος), -άτιος ‘ds.’ (A. R., AP u.a., wie ὑστάτιος u.a.), -άκι (Hom., Simon. u.a.), τοσάκις (Polyaen.) ‘so oft’, -αυτάκις (And., Pl., Arist.). — Aus *τότι̯-ος, Adjektivierung von idg. *toti (indekl.) in aind. táti, lat. tot, toti-dem ‘so viele’; zunächst pl. τόσ(σ)οι ‘so viele’, wozu sg. τόσ(σ)ος ‘so groß’. Vgl. Schwyzer 612 m. A. 3 u. 4, 613 m. Lit. II-915
τόσσαι Inf. ‘antreffen, geraten, zufällig dasein od. vorhaben’ (Pi., Fr. 22), Ptz. τόσσαις äol. für *τόσσας (Pi. P. 3, 27), auch ἐπι-τόσσαις und 3. sg. Ind. ἐπέτοσσε = ἐπέτυχε (Pi. P. 10, 33 bzw. 4, 25). — Ohne sichere Etymologie. Wegen der semantischen Übereinstimmung mit τυχεῖν will Pisani Ist. Lomb. 77, 565 in τόσσαι eine falsche Ionisierung von böot. *τόξαι sehen für *τύξαι = τυχεῖν. Vgl. noch Schwyzer 755 A. 2 m. Lit. II-915
τότε (ion. att. ark.), äol. τότα, dor. τόκα ‘damals’; τοτὲ (μὲν ... τοτὲ δὲ) ‘bisweilen’, — demonstr. bzw. indef. Adv. vom demonstr. το- (s.d.) mit verschiedenen Partikeln; s. zu ὅτε und πότε. II-915
τόφρα demonstr. Adv. ‘so lange, bis dahin, inzwischen’ (ep. poet. seit Il.). — Vom demonstr. το- mit unklarem Hinterglied; s. ὄφρα m. Lit. II-915
τράγος m. ‘Ziegenbock, Bock’, auch metonym. = ‘Bocksgestank’ (ep. ion. poet. seit ι 239, hell. u. sp. Prosa), oft übertr. ‘Pubertät’ (Mediz.), ‘Geilheit’ (Luk.), N. eines Fisches = das Männchen von μαινίς (Arist. u.a.; verschiedene Benennungsmotive denkbar, s. Strömberg Fischn. 102 f.), N. verschiedener Pflanzen, u.a. = ἐρινεός in Messenien (Paus.; zu den wechselnden Ben.motiven Strömberg Pfl. 142), ‘Speltkorn’ (Dsk. u.a.), N. eines Sternbildes der Dodekaoros bzw. eines Kometen (Cat. Cod. Astr. und Lyd. Ost.; Scherer Gestirnnamen 211 u. 107) u.a.m. Oft als Vorderglied, u.a. in Pflanzennamen. z.B. τραγο-πώγων (Strömberg a. O.); auch als Hinterglied, z.B. βού-τραγος m. ‘Ochsen-Bock’, N. eines Fabeltiers (Philostr.). ἐπί-τραγοι m. pl. ‘üppige aber unfruchtbare Schösse der Weinranke’ (D. H., Poll., EM) mit ἐπιτραγ-ίας m. Bez. einer unfruchtbaren und sehr fetten Karpfenart (Arist.; vgl. τραγάω unten); ’Επιτραγία f. Bein. der Aphrodite (Plu. Thes. 18 mit unhaltbarer Erklärung, att. Inschr. d. Kaiserzeit). — Zu τραγῳδός s. bes. Davon 1. τραγ-ίσκος m. ‘Böcklein’ (Theok., AP), Fischn., ‘Bückling’ (Marc. Sid.), auch Bez. eines Ornaments (Delos IIa). 2. -αινα f. ‘Hermaphrodit’ (Arist.). 3. -ικός ‘bocksartig’ (Plu., Luk. u.a.), meint = τραγῳδικός ‘der Tragödie zugehörig, tragisch’ (ion. att.; wie κωμικός = κωμῳ-δικός) mit -ικώδης μῦθος (Palaeph.), -ικεύομαι ‘wie ein Tragöde reden’ (Sch.). 4. -ε(ι)ος ‘vom Bock’ (sp.), -είη (Theok.), -έα (Thphr.), -ῆ (Poll., Eust.) f. (sc. δορά) ‘Bocksfell’. 5. -ινος = -ειος (AP). 6. Τράγιος m. Monatsname in Thessalien (Inschr.); -ιον n. Pfl.namen (Dsk.), nach dem Geruch (Strömberg 61) oder als Bocksfutter? (Andrews ClassPhil. 56, 76). 7. -ανός H. als Erkl. von χόνδρος. Denom. Vba: 8. τραγ-ίζω (ὑπερ-) ‘die Stimme wechseln, grob reden’ (Hp., Arist.), ‘wie ein Bock stinken’ (Gal., Dsk.). 9. -άω ‘die Stimme wechseln’ (Gal. u.a.), ‘üppig wachsen, nur Laub und Schösse treiben ohne Frucht anzusetzen’, von Weinstöcken (Arist., Thphr.); vgl. ἐπίτραγοι oben und Strömberg Fischnamen 103; Bildung wie καπράω u.a. — Eig. "Nager, Nascher", Nom. ag. von τραγεῖν (Kretschmer KZ 38, 136 u.a. mit Pott). Über andere Vorschläge (abzulehnen) s. Bq. — Ein altes idg. Wort für ‘Ziegenbock’ war lat. caper, dessen griechische Entsprechung κάπρος aber nach der Schöpfung von τράγος die Bed. ‘Eber’ erhielt. Vgl. αἴξ, ἀρνειός, κριός. II-915-916
τραγῳδός (att. hell. u. sp.), böot. τραγαϝυδος (Orchom. Ia, archaisierend) m. ‘Sänger und Tänzer im tragischen Chor, tragischer Schauspieler’, ganz vereinzelt und meist unsicher ‘Tragödiendichter’ (für gew. τραγῳδ(ι)ο-ποιός, -διδάσκαλος; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 90), οἱ τραγῳδοί auch = ‘Aufführung einer Tragödie’. Davon 1. τραγῳδ-έω ‘als τραγῳδός auftreten, in der Tragödie behandeln, mit tragischem Pathos darstellen od. erzählen’ mit den späten -ημα, -ητής, -ητός. 2. -ία f. ‘Tragödie’, auch (Pl., hell. u. sp.) ‘ernste, erhahene Dichtung, erhabene, pomphafte Darstellung’. 3. -ικός ‘nach Art eines tragischen Schauspielers’ (Ar.). 4. -άριον n. Demin. von -ία (D. H.). 5. -εύς = -ός (Sch.). — Wahrscheinlich nach Muster von ῥαψῳδός (s.d.) gebildet (Else Herm. 85, 17ff. m. Lit.), aber sonst dunkel. Nach einer alten Auffassung (Marm. Par. ep. 43 usw.) von dem Bock, der als Preis dem Sieger in dem ältesten dramatischen Agon zugefallen sein soll; ebenso mit neuen Argumenten Else a. O. II-916-917
τράκτα n. pl. ‘Kuchenschichten, καπύρια’ (Ath.), τράκτον sg. ‘weißes, gebleichtes Wachs’ (EM) = τρακτὸς κηρός (sp. Med.) mit τράκτ-ωμα n. ‘Pflaster aus weißem Wachs’ (Hippiatr.), -αΐζω ‘wie Wachs weißfärben od. bleichen’ (EM). Daneben τρακτ-εύω ‘verwalten, betreiben’ mit -ευτής, -ευτικός (Cod. Iust., Lyd. Mag. u.a.), auch -αΐζω ‘ds.’ (Men. Prot.). — Aus lat. tractum ‘Kuchenschicht’, tractāre. II-917
τράμις f. ‘der enge Raum zwischen den Beinen vom After bis zur Scham, das Perineum’ (Archil., Hippon., Ar., Ruf., Luk.), nach H. = τὸ τρῆμα τῆς ἕδρας, ὁ ὄρρος. τινὲς ἔντερον, οἱ δὲ ἰσχίον. Dazu διάτραμις = λισπόπυγος (Stratt.). — Schwundstufiges Verbalnomen mit μι-Suffix neben dem hochstufigen τόρμος mit μο-Suffix; zu τείρω, τετραίνω. II-917
τράμπις, -ιδος, -ιος f. nach Sch. Lyk. ’βαρβαρικὸν πλοῖον’ (Lyk., Nik. [v.l. -βις]). — Isoliertes technisches Fremdwort. II-917
τρᾱνής, sp. auch -ός, oft Adv. -ῶς, -όν ‘klar, deutlich, bestimmt, sicher’ (Trag., D. H., Ph., Plu. u.a.), περί-τρανος ‘sehr klar’ (hell. u. sp.). Davon τραν-ότης f. ‘Deutlichkeit’ (Ph., Plu. u.a.), -όω, auch m. δια-, ἐκ-, ‘deutlich machen, auffallen’ (sp.) mit -ώματα (γλώσσης) pl. ‘Wahrnehmungen’ (Emp. 4, 11; vgl. πιστώματα Μούσης 5, 2, anders Porzig Satzinhalte 189), -ωτικός ‘zur Aufhellung dienend’ (Theol. Ar.). — Wohl mit dem synonymen τορός auch formal verwandt und somit als *’durchdringend" zu verstehen. Nähere formale Analyse unsicher, aber wahrscheinlich enthält τρᾱνής eine einsilbige Dehnstufe zu τέρε-τρον, τερά-μων neben τρῆ-σαι (: τετραίνω), τρῶ-σαι (: τιτρώσκω). Vgl. bes. lat. trāns, in-trāre, die aber zu der von in τέρετρον u. Verw. allerdings nicht rein zu scheidenden Sippe τέρμα usw. gestellt werden. Suffix wie σαφηνής u. a. (s. σαφής). —Abzulehnen Prellwitz Glotta 19, 102 f.: aus τρ-ᾱν- mit hervorhebendem -ᾱν-. II-917
τράπεζα (seit Il.), dor. τράπεσδα (Alkm.), böot. τρέπεδδα (Orchom. IIIa), myk. to-pe-za f. ‘Tisch, Eßtisch, Tafel, Mahlzeit, Platte, Wechslertisch, Bank’. Kompp., z.B. τραπεζο-φόρος m. ‘Tischträger’ (Ar.Fr. 124) f. Bez. einer Priesterin d. Athene (Lykurg. u.a.; vgl. τραπεζώ unten), n. τὸ τ.-ον ‘Kredenztisch, Anrichtetisch’ (Cic., Poll. u.a.), ὁμο-τράπεζος ‘am selben Tisch essend’ (Hdt., Pl. u.a.). Ableitungen. 1. Demin. τραπέζ-ιον n. (jungatt.), geometr. ‘Trapez’ (Arist. usw.; Mugler Dict. geom. s.v.). 2. -εύς in κύνες τραπεζῆες ‘Tischhunde’ (Hom.). ‘Schmarotzer’ (Plu. u.a.). 3. -ίτης, dor. -ίτας, böot. τρεπεδ(δ)ί-τας m. ‘Geldwechsler, Bankier, Bankdirektor’ (jungatt. hell. u. sp.) mit -ιτικός, -ιτεύω, -ιτεία, f. -ῖτις (Pap. VIp), -εῖται κύνες = -ῆες κ. (Hdn. Gr.; -ει- wohl nur itazistisch), -ίτην Πάριν· τὸν παραβάντα τὴν τράπεζαν (Trag. Adesp. 270), ἐντραπεζίτης = παράσιτος (Suid., Zonar.); Einzelheiten bei Redard 39 f. 4. -ία f. ‘Tischlerhandwerk’ (Thphr.; Scheller Oxytonierung 40 f.). 5. -ότης f. ‘das Tischsein, die Idee des Tisches’ (Pl. ap. D. L.; Scheller 29 A. 3, Chantraine Études 20). 6. -ήεις ‘zum Tisch gehörig’ (Nik., Opp.). 7. -ώδης ‘trapezförmig’ (Str.u.a.). 8. -ώ(ν)· ἱέρειά τις ’Αθήνησιν H. (= τραπεζοφόρος oben). 9. -όομαι, -όω ‘aufgetischt werden, (als Opfer) auftischen’ (S. Fr. 611, hell. u. sp. Inschr.) mit -ώματα pl. ‘aufgetischte Opfergerichte’ (Pergamon IIa), -ωσις f. ‘Auftischung’ (Plu.).— 10. Τραπεζοῦς, -οῦντος f. Stadt in Arkadien und an der Südküste des Schwarzen Meeres mit χώρα Τραπεζουντία (Paus. u.a.; nach der Form des Geländes?; andere Frage bei Leumann Hom. Wörter 301). — Univerbierung (Zusammenbildung) mit ια-Suffix vom Wort für ‘Fuß’ (vgl. ἑκατόμ-πεδ-ος; s. πούς u.a.) und einer schwundstufigen Form des Zahlworts ‘vier’. (Gegen diese herkömmliche Auffassung Treweek bei Shipps Essays 18 A. 32). Durch volksetymolog. Anschluß an ‘drei’ entstand τρίπεζαν· τὴν τράπεζαν. Βοιωτοί H., woraus τρέπεδδα (Thumb-Scherer 2, 20 u. 33). Neben τρα- in τρά-πεζα steht τρυ- in τρυφάλεια (s.d.), das zur zweiten Silbe in aw. čaθru-, altgall. petru-, lat. quadrustimmt; dazu kommt -τυρ- in πίσυρες u.a. (s. τέσσαρες), vielleicht auch in Τυρταῖος (von *τυρτος ‘vierter’ ? zum strittigen heth. dui̯analliš ‘zweitrangiger’ oder ‘viertrangiger’ ? s. Kronasser Etymologie II 362 m. A.1); eine vierte Variante wird in myk. to-peza, wenn für *τορ-π. (aus τρο-π. umgestellt? Shipp a. O.) vermutet. Als idg. Grundform wäre ein schwundstufiges *qʷtu̯r̥- anzusetzen mit Schwund des Anfangskonsonanten. Weiteres s. τέσσαρες m. Lit. II-917-918
τραπέω nur Präs. u. Ipf. ‘keltern’ (η 125, Hes. Sc. 301, Anan.), τραπῆν· ληνοπατεῖν, τραπέοντο (auch [äol.?] τροπέοντο)· ἐπατοῦντο (ἐπάτουν) H. Davon τραπητός· ὁ οἶνος. auch οἱ τραπηταί als Erklärung von πατηταί H. Mit ο-Vokal. τροπήϊον n. ‘Kelter’ (Hippon.), πρό-τροπος (οἶνος) ‘Wein vor der Kelterung’ (Mediz. u.a.), Οἰνο-τρόποι f. pl. Beiw. der drei Töchter des Anios (Lyk. 580; vgl. Sch. z.St.; nach anderen zu τρέπω). Zu ἀτραπός s. bes. — Eig. "austreten", schwundstufiges Präsens, am ehesten in iterativintensiver Funktion und zu alb. sh-tip, sh-typ (aus *trip- = gr. τραπ-) ‘zertreten, zerstoßen’ stimmend. Daneben mit e-Stufe, balt., z.B. lit. trepsė́ti ‘(mit den Füßen) scharren, stampfen’, mit urspr. ο-Abtonung u.a. lit. trapinė́ti ‘mit den Fußen stoßen’, slav. z.B. russ. tropátь ‘stampfen, trampeln, klopfen’, formal = germ., z. B. asächs. þrabōn, nhd. traben. Weitere Formen, fürs Griechische ohne Interesse, m. Lit. bei WP. 1, 756, Pok. 1094, Fraenkel und Vasmer s.vv., auch W.-Hofmann s. trepidus. Dazu fürs Griech. Bechtel Lex. s. ἀταρπός. — Vgl. τρέπω, auch zu τρύξ. II-918-919
τραυλός ‘mit einer Sprachstörung behaftet, mangelhaft, holperig sprechend’ z.B. ‘lispelnd, stotternd’, übertr. von Schwalben ‘zwitschernd’ (Hdt., Hp., Kall. Kom., Arist., AP u.a.), τραυλό-φωνος H. s. Βάττος (neben ἰσχνόφωνος; aus Hdt. 4, 155), ὑπό-τραυλος ‘etwas lispelnd’ (Hp.), ποικιλό-τραυλα (Theok., von den μέλη der κόσσυφοι); PN Τραύλη (Lucr.; Schulze Kl. Schr. 680). Davon τραυλ-ότης f. ‘Sprachstörung’ (Arist., Plu.), -ίζω (ὑπο-) ‘rnangelhaft usw. sprechen’ (Ar., Arist., Luk. u.a.) mit -ισμός (Plu.); auch -ωσις (: *-όομαι, Gal.). — Bildung wie τυφλός, χωλός, σιφλός und andere Ausdrücke für physische und psychische Gebrechen (Chantraine Form. 238); im übrigen unklar. Ganz fragliche Hypothese von Wackernagel Verm. Beitr. 16 f. = Kl. Schr. 1, 777 f. (mit Kluge): aus *τρα(σ)ύς = got. þaúrsus ’ξηρός’ (s. τέρσομαι) erweitert, wozu noch ἀτειρής aus *ἀ-τερσ-ής (vgl. s.v.). Dafür könnte immerhin ἰσχνό-φωνος (neben τραυλός Hdt. 4, 155) sprechen; anderseits ist ein Wegfall von σ in τραυλός (und in ἀτειρής) angesichts τρασιά und τέρσομαι nicht glaubhaft. Oder zu τραῦμα? II-919
τραύξανα n. pl. ‘dürres Holz, Reisig’ (Pherekr.), auch τραύσανον· ξηρὸν πᾶν ἢ φρύγανον H. (zu σ für ξ Schwyzer 211). — Für τρώξανα (s. τρώγω) nach θραύω (nicht alter Ablaut ω[υ] : αυ; vgl. Schwyzer 346). II-919
τράφηξ, -ηκος m. Bed. unsicher, nach H. (ähnlich EM, Sch. Lyk. u.a.) = χάραξ, σκόλοψ. ἔνιοι τὸ δόρυ, ἄλλοι τὸ τῆς νεὼς χεῖλος; nach EM auch = τὸ ξύλον ἔνθα τιθέασι τὸν ἄρτον. Literarisch selten: Bito (’Balken, Pfahl’ ?),Lykophr. 641 (’Balken, Brett’ ?), 1001 (’Speer’?), att. Inschr. IVa (’Schiffsbord’?). Bei H. noch: τράπηκι· δόρατι (aus Lyk. 1001?); auch mit o (äol. oder nach τροπή, τροφή?) : τρόφηξ (cod. -φῆς)· χάραξ, σκόλοψ (cod. σκώληξ), τρόπηκος· μερὶς τῆς κώπης ὁ τρόπηξ, οὖ ἐπιλαμβάνονται οἱ ἐρέσσοντες· ὥστε ἀπὸ μέρους τὴν κώπην. — Gerätename auf -ηξ (vgl. οἴαξ, πήληξ u.a.), dessen nicht genau feststellbare Bedeutung das Etymologisieren stark erschwert. Eine Verbindung mit lat. trabs ‘Balken’ usw. mit Fick 1, 447 (zweifelnd; des weiteren s. W.-Hofmann s.v., WP. 1, 757, Pok. 1090; vgl. zu τέραμνα) ist gewiß nicht undenkbar, läßt sich aber nicht näher begründen. Für fremde Herkunft (bes. wegen des Suffixes) Porzig ZII 5, 269. II-919-920
τράχηλος, dor. (Epid.) -αλος m. ‘Hals, Nacken’, bisweilen mitsamt dem Kopf, auch übertr. (ion. att.; zur Bed. Powell ClassRev. 53, 58, Shipps ebd. 58, 52). Als Vorderglied u.a. in τραχηλο-κοπέω ‘den Hals abschneiden’ (Plu., Arr. u.a.; wie δειρο-τομέω u.a.); sehr oft als Hinterglied, z.B. περι-τράχηλος ‘um den Hals laufend’ (ἅλυσις, Pap. IIp) mit περιτραχήλ-ιον, -ίδιον n. ‘Halsband’ (hell. u. sp.). Davon 1. τραχήλ-ια n. pl. ‘Fleischabfall, eig. vom Halse’ (Hp., Korn.). 2. -ιον n. "Halsstück", ‘das untere Speerende’ (EM, Harp.). 3. -ίς· collare (Gloss.). 4. -ιαῖος ‘vom Halse’ (Hippiatr., H., Eust.). 5. -ιμαῖος ‘ds.’ (Str.). 6. -ιώδης ‘halsstarrig’ (EM), -ώδης ‘halsähnlich’ (Sch.). 7. -ίζω (ἀπο-, προσ-) ‘den Hals zurückbiegen, bloß-legen, umdrehen’, übertr. von einem Schiff ‘dem Winde zudrehen’, auch ‘entblößen, enthüllen; überwältigen’ (hell. u.sp.) mit -ισμός, -ιστήρ (sp.); älter ἐκ-τραχηλίζω ‘den Reiter kopfüber werfen’, vom Pferde, übertr. ‘ins Verderben stürzen’ (Ar., X., D. usw.) mit -ισμός (Gloss.); παλι-τραχη-λίζω ‘halsstarrig sein’ (Pap. IIIa). 8. -ιάω ‘den Nacken stolz gebogen tragen, stolz einhergeben’ (LXX u.a.; wie γαυριάω u.a.). — Gegenüber den altererbten αὐχήν und δέρη repräsentiert τράχηλος offenbar eine, anfänglich wohl volkstümliche und expressive, Neubildung, ein Umstand, der für Entstehung innerhalb des Griechischen spricht. Am nächsten liegt unzweifelhaft die Anknüpfung an τρέχω, τροχός (Pedersen IF 5, 56, Zupitza KZ 36, 57), wobei indessen eine sonst nicht nachgewiesene Schwachstufe anzunehmen ist. Es könnte sich jedoch sowohl in τράχηλος wie in dem gleichgebildeten γαμφη-λαί (zu γόμφος) auch um einen volkstümlichen α-Vokal handeln. Die zahlreichen Fälle, wo der Hals als "Dreher, Drehung" bezeichnet wird, z.B. aksl. vratъ zu vratiti ’στρέφειν’, wohl auch lit. kãklas (s. zu κύκλος), sind mit τράχηλος ("Läufer") nicht ganz vergleichbar, wurzeln aber in einer ähnlichen Vorstellung. Vgl. dazu Schulze KZ 57, 250 und 56, 9 und 105 (= Kl. Schr. 380 u. 626f.). II-920
τραχύς, ep. ion. τρηχύς ‘rauh, uneben, steinig, holperig’, übertr. ‘streng, barsch’ (seit Il.). Einige Kompp., z.B. τραχύ-φωνος (-η-) ‘mit rauher Stimme’ (Hp., D. S. u.a.), ὑπό-τραχυς (-η-) ‘etwas rauh’ (Hp. u.a.). Davon 1. τραχύ-της (-η-), att. τραχυ-τής f. ‘Rauhheit, Unebenheit, Strenge’ (Demokr., Pl., X., Arist. usw.); zur att. Oxytonierung Schwyzer 382 m. Lit. 2. -ύνω, auch m. ἀπο-, ἐκ- u.a., ‘rauh usw. machen, erbittert, vereinzelt ‘rauh sein’, Pass. ‘barsch, erbittert sein’ (A., Pl., Arist. usw.) mit -υντικός ‘rauh machend’ (Arist., Dsk.), -υσμα n. ‘Rauhigkeit, Härte’, -υσμός m. ‘das Rauhmachen’ (Mediz. u.a.). 3. τρᾶχος· duretum (Gloss.: wie ταχύς : τάχος u.a.). 4. τραχ-ώματα n. pl. ‘Verhärtungen im Auge, Trachom’ (Dsk., Gal., Pap.IIIp; nach γλαύκωμα u.a.) mit -ωματικός (Gal.). 5. -ών, -ῶνος m. ‘rauhe, steinige Gegend’ (Str., D. H., Pap. IIp u.a.), Τράχων, -ωνος N. eines syrischen Gaues und Berges (J., Str.) mit -ωνῖτις (χώρα Ev. Luk.), -ωνῖται m. pl. (J., Ptol. u.a.; Redard 163). 6. Τραχίς (-ίν), Τρηχίς, -ῖνος f. Stadt Thessaliens (seit Β 682) mit -ίνιος, -ινίς (ion. att.); vgl. Σαλαμίς, ’Ελευσίς u.a. (Schwyzer 465). 7. Myk. ON ta-ra-ke-wi-[ja]? (Lejeune REGr. 75, 342). — Von derselben einsilbigen Stufe wie θράσσω, τέτρηχα gegenüber den zweisilbigen ταράξαι, ταράσσω. Weiteres s. θράσσω. MachekListy filol. 72, 74 zieht noch heran slav., z.B. ačech. drážiti ‘ad iram irritare’; anders darüber WP. 1 , 875, Pok. 273 f. , Vasmer s. -dražitь. — Eine andere einsilbige Form ist τάρχη· τάραξις mit ἄταρ[α]χον· ἀχείμαστον H.; dazu Schwyzer 362. II-921
τρεῖς (ion. att.), Als Vorderglied τρι-, z.B. τρι-ήρης (s. ἐρέτης), daneben τριά̄-κοντα, ion. τριή- ~ ‘dreißig’ mit -κόσιοι, ark. -κάσιοι, dor. -κάτιοι ‘dreihundert’ (Erklärung strittig, s. Szemerényi Numerals 16f., 115f.), -κάς, -κάδος f. ‘die Zahl dreißig, Versammlung von 30 Personen, der dreißigste Tag des Monats’ (ion. att.). Davon 1. Zahladv. τρίς ‘dreimal’ (seit Il.), auch τρι-άκις (Ar. u.a.; nach τετράκις usw.); ganz fraglich myk. ti-ri-se-ro-e (s. Morpurgo Lex.). 2. Ordinale τρί-τος (seit Il.), äol. τέρτος (mit Τέρτιος u.a.), erweitert τρίτ-ατος (ep. poet. seit Il.; nach τέτρ-ατος u.a.), äol. τέρτ-ατος (Pi.; codd. τετρ-); davon τριτ-αῖος ‘am dritten Tage eintreffend, dreitägig usw.’ (ion. att.), von τρίτη (sc. ἡμέρα), -εύς m. ‘der dritte Teil eines μέδιμνος’, -εύω, -ευμα, -ευτής, -εία (hell. u. sp. Inschr.; vgl. Bosshardt 78), -εῖα n. pl. ‘der dritte Preis’ (Pl. u.a.; wie πρωτεῖα, ἀριστεῖα u.a.). 3. Distributive Adv. τρί-χα, -χῇ, -χόθεν, -χοῦ, -χῶς, -χθά ‘dreifach, in drei Teilen, an drei Stellen usw.’ (Schwyzer 598) mit τρισσός, τριττός, ion. auch τριξός ‘dreifältig’ (wie δισσός usw.). 4. τριάς, -άδος f. ‘Dreizahl’ (Pl., Arist. usw.) mit -αδικός, -αδίζω (sp.). 5. τρίτρα n. pl. ‘dreifache Zahlung’ (Gortyn); s. Fraenkel Nom. ag. 1, 203 ff. —Zu τριττύς, τρίαινα, τριάζω s. bes. äol. (Gramm.) τρῆς, dor. τρῆς (Thera), τρέες (Gortyn), n. τρία, Gen. τριῶν, Dat. τρισί, äol. τρίσσι, ion. auch τριοῖσι (Hippon.), Akk. τρεῖς (ion. att.), altatt. usw. τρῖς, dor. τριινς (Gortyn) ‘drei’. — Die Nominativformen τρεῖς, τρῆς, τρέες können alle auf idg. *trei̯-es zurückgehen, woraus auch aind. tráyah, lat. trēs u.a. Daneben stand eine schwachstufige oblique Form im Akk. *tri-ns > got. þrins, gortyn. τριινς (zweisilbig nach τριῶν, -σί), mit Kontraktion τρῖς; dafür ion. att. τρεῖς nach dem Nom. Ebenso Gen. τριῶν = lat. trium, Dat. τρισί wie aind. Lok. triṣú. Ntr. τρία aus idg. *trii̯ə neben aind. trī(-ṇi), lat. trī-ginta (tria Neubildung) wie z.B. ἡδεῖα neben aind. svādvī, lat. suāvi-s. — Zum Zahladv. τρίς stimmen aind. tríḥ, lat. ter (Plaut. terr < *ters < *tris). Altererbt ebenfalls τρί-τος = toch. B trite, A trit (vgl. noch ved. Tritáḥ bei Mayrhofer s.v. mit weiteren Ausführungen); daraus mit i̯o-Umbildung aw. þrit-ya-, lat. tertius; daneben, gleichfalls alt, aind. tr̥tī́ya- u.a. Als Vorderglied z.B. τρί-πους wie aind. tri-pád-, lat. tri-pēs ‘dreifüßig’. — Weitere Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer 589, 595, 597. Für die übrigen Sprachen außer den betreffenden Grammatiken und Spezialwörterbüchern noch WP. 1, 753 f., Pok. 1090 ff., dazu die Diskussion bei Szemerényi Numerals (s. oben). Hypothesen über die Vorgeschichte der Zahl ‘drei’ bei Porzig Gliederung 203, Knobloch Pyramide 4 (1952) 81 f. II-921-922
τρέμω, nur Präs. und Ipf. (bis auf τετρέμηκα EM) ‘(vor Furcht) zittern, beben’ (seit Il.). auch m. ὑπο-, περι-, ἀμφι-, Davon τρόμος m. ‘Zittern, Beben, Furcht, Angst’ (seit Il.) mit τρομ-ός ‘zitternd’ (E. Fr. 876), -ερός (Sapph., E., A. R. u.a.), -ώδης (Hp., Str., Plu.), -αλέος (Eust.), -ικός (Gloss., Suid.) ‘ds.’. Auch τρομέω (ὑπο-, περι-, ἀμφι- u.a.) = τρέμω, deverbativ oder denominativ (Chantraine Gramm. hom. 1, 348, Schwyzer 720), urspr. nur Präs. und Ipf. (seit Il.), Aor. τρομῆσαι erst. sp. (LXX [v.l. ἐτρόμασαν wie von τρομάζω], lit. Pap. IIIp). PN Τρόμης, -ητος m. erfunden für ’Ατρόμητος (Dem.) u.a. — Mit Reduplikation und Schwundstufe (vgl. τέτανος u.a.) τέτραμος m. ‘Zittern’, auch τέτρομος nach τρόμος (Hp. u.a.) mit τετραμ-αίνω, v.l. τετρεμ- nach τρέμω (Hp., Ar., Gal. u.a.; Specht KZ 61, 280 A.1). — Adv. ἀ-τρέμ-ᾰ, -ᾰς ‘ohne Zittern, unbeweglich, ruhig’ (seit Il.), Erklärung strittig, vgl. ἠρέμα(ς), ἦκα (und Schwyzer 516 u. 622); auch ἀτρεμ(ε)ί (Ar.). Adj. ἀ-τρεμ-ής mit -ία, -έω, -ίζω (vorw. ion. poet. seit Hes., Thgn.), *αῖος (Hp., E. in lyr., Kall. u.a.). Altes primäres Präsens, mit lat. tremō ‘zittern’, alb. trem ‘erschrecken’, toch. A träm-, tärm- (z.B. 3. pl. tärmiñc) ‘zürnen, aufgebracht sein, zittern’ identisch; dazu toch. B tremi pl. ‘das Zittern’ = gr. τρόμοι (v. Windekens Orbis 15, 253). Mit Tiefstufe lit. trìmstu, trìmti ‘zittern usw.’ (Hochstufe tremiù, trem̃ti ‘niederschmettern’ ). Weiteres bei W.-Hofmann u. Fraenkel s.vv., WP. 1, 758, Pok. 1092f. Vgl. ταρμύσσω und τρέω. II-922-923
τρέπω, dor. ion. auch τράπω, -ομαι, Aor. 1. τρέψαι, -ασθαι, 2. τραπεῖν, -έσθαι, Fut. τρέψω (ἐπι-τραψῶ Kreta), τρέψομαι, Pass. (intr.) Aor. τραφθῆναι, Perf. τέτραμμαι (alles seit Hom.), auch τραπῆναι (A. usw.), τρεφθῆναι (E.), Ptz. ἐν-τρεπέντες (Pap. IIa), Perf. Akt. τέτροφα, später τέτραφα (att.), ‘wenden, drehen, kehren, in die Flucht schlagen; sich wenden, verkehren, sich ändern, die Flucht ergreifen usw.’. sehr oft m. Präfix. ἀνα-, ἀπο-, ἐκ-, ἐν-, ἐπι-, μετα-, παρα-, περι- usw. mit verschiedenen Sinnfärbungen, Zahlreiche Ableitungen (gedrängte Übersicht). A. Mit ο-Abtönung: 1. τρόπος m. ‘Wendung’, meist übertr. ‘Art und Weise, Sitte, Gesinnung, Charakter’ (Pi., ion. att.; zur Bed. Kuiper Mnem. 36, 419ff.), auch ‘Balken’ (Moschio ap. Ath. 5, 208c; auch ngr., = δοκὸς τετραμμένος, s. Φάβης bei Kretschmer Glotta 11, 249). Kompp., z.B. πολύ-τροπος (s. πολύς; zur Bed. noch van Groningen MAWNied. N. R. 9 : 8, 15) mit -ια (Hdt., Hp. usw.); oft von den Präfixkompp., z. B. ἐπίτροπ-ος m. ‘Aufseher, Vorsteher, Verwalte (ion. att.). Davon τροπ-ικός ‘zur Wende gehörig’ (Arist. usw.), ἐπιτροπ-ικός, -εύω, -εία, -ευσις, -εύσιμος, -ευτικός. Denom. τροπ-όομαι, -όω, auch m. κατα- u.a., ‘in die Flucht schlagen’ (LXX, D. H. u.a.). 2. τροπός m. "Dreher", ‘Riemen, vermittelst dessen das Ruder um die κληΐς beim Rudern sich drehte’ (Od., Opp.) mit τροπ-όομαι ‘mit τροπός versehen (werden)’ (A., Ar., Poll.), -ωτήρ m. = τροπός (Ar., Th. u.a.). 3. τροπή f. ‘Wendung (der Sonne, des Feindes usw.), Wechsel’ (seit ο 404); sehr oft zu den Präfixkompp., z.B. ἀποτροπ-ή f. (: ἀπο-τρέπω) ‘Abwendung usw.’ (att.) mit -αιος, -ιμος, -ία, -ιάζω, -ίασμα, -ιασμός, -ιαστής. Davon τροπ-αῖος ‘Wendung (der Feinde) herbeiführend, Sieg verleihend’; τὸ τροπαῖον, -αιον ‘Siegesdenkmal’ (att.; sc. σημεῖον od.ä.; Georgacas Glotta 36, 185; zum schwankenden Akz. Scheller Oxytonierung 128 A. 2). 4. -τροπία f. sehr oft in Ableitungen, z.B. ἐντροπ-ίη = εντροπ-ή ‘Rücksichtnahme, Achtung’ (Hp.), -ίαι pl. ‘(listige) Wendungen, Ränke’ (h. Merc.), μετατροπ-ίαι pl. Wechselfälle des Schicksals’ (Pi.); παλιντροπ-ίαι pl. ‘Sinnes-änderungen’ (A. R.: παλίν-τροπος). 5. -τρόπιον n. in Ableitungen, z.B. ἐκτρόπ-ιον N. einer Augenkrankheit, ‘Verdrehung der Augenlider’ (Mediz.), ἡλιοτρόπ-ιον Pfl.name ‘Sonnenwende’ (Thphr. u.a.), ‘Sonnenuhr’ (Delos IIIa u.a.). 6. τροπίας οἶνος (auch ἐν-, ἐκ-) ‘umgeschlagener, saurer Wein’ (Ar. u.a.). 7. τρόπις, -ιος (-ιδος, -εως) f. ‘Grundbalken des Schiffs, Schiffskiel’ (ep. ion. seit Od., Arist. usw.), Bildung wie τρόφις, στρόφις, τρόχις u.a.; somit eig. "Wender"? (zur Bed. vgl. τρόπος = ‘Balken’ [s. ob.] und Hermann GGN 1943. 5 f.). Davon τροπιδεῖα (auch -ια) pl. ‘ds.’ (Pl. Lg. 803a, Pell.. Phot.); ναῦς τετροπισμένη (: τροπίζω) ‘mit Kiel ausgerüstet’ (Hp.); Hypostase ὑπο-τρόπι-ος ‘unter dem Kiel befindlich’ (Opp., Orph.). 8. -τροπεύς nur in ἀνατροπ-εύς m. ‘Umstürzer Zerstörer’ (: ἀνατροπ-ή, ἀνα-τρέπω; Antipho, Plu., D. Chr., Bosshardt 60). 9. Adv. -τροπάδην, dor. -δᾱν, nur von den Präfixkompp., z.B. προτροπ-άδην ‘vorwärtgerichtet, Hals über Kopf’ (P 304, Pi., Pl. usw.); τρόπα παίζειν N. eines Spiels (Kratin., Poll.; vgl. Schwyzer 623 A. 1). 10. τροπέω = τρέπω (Σ 224; myk. to-ro-qe-jo-me-no? vgl. unten), iter. od. denom.; auch m. παρα-, περι- (Hom. u.a.) und nominalem Vorderglied, z.B. κακοτροπ-έω ‘schlecht handeln’ (: κακό-τροπος, Hp.). 11. -τρο-πάζομαι nur in ὑπετροπάσθην ‘kehrte zurück, bekam einen Rückfall’ (: ὑπότροπ-ος, ὑπο-τρέπομαι; Pap.IIIa); auch -τρο-πιάζω, mit ὑπο- ‘einen Rückfall bekommen’ mit -ιασμός (Hp.), ἀπο- ~ ‘abwenden’, -ιασμός u.a. (LXX, Pap. u.a.). 12. Mit λ-Erweiterung (vgl. Bechtel Lex. 318 f.): τροπαλίζει· στρέφει mit -ισμός· μεταβολή H.; Ptz. ἐν-τροπαλιζόμενος ‘sich umdrehend, zurückwendend’ (Il., Q. S.), Ipf. μετα-τροπαλίζεο ‘wandtest dich um’ (Υ 190). 13. τροπᾱλίς (v.l. -αλλίς). -ίδος f. ‘Bündel’, von Zwiebeln (Ar. Ach. 813), τρόπηλις (Hdn. Gr.), τρι(τ)οπηλίς H., Bildung unklar (unbefriedigend Bechtel Dial. 2, 205 f.). — B. Mit ε-Vokal : 1. -τρεψις in ἀπό-, ἔκ-, ἀνά- ~ (von ἀπο-τρέπω usw.) ‘Abneigung’ bzw. ‘Verdrehung’ bzw. ‘Umwendung’ (Hp., Arist. u.a.). 2. τρεπτικός ‘eine Umwandlung od. Wendung verursachend’ (sp.), meist von den präfigierten Verba, z.B. προτρεπ-τικός ‘auffordernd’ (att.). C. Mit tiefstufigem α-Vokal: 1. τραπ-έμπαλιν Adv. ‘rückwärts gedreht’ (: ἔμπαλιν τραπέσθαι, Pherekr.; Schwyzer 633). 2. -τρα-πελος nur mit Präfix, z.B. εὐτράπ-ελος (: εὖ τραπέσθαι) ‘sich leicht drehend, beweglich, gewandt, witzig’ (Pi., att.) mit εὐτραπελ-ία, -ίζομαι, -εύομαι; ebenso δυσ-, ἐκ-, ἐν- ~ usw.; τραπελιζόμενος· συνεχῶς ἀναστρεφόμενος H. D. Mit Dehnstufe: τρωπάω, -άομαι, auch m. ἀπο-, παρα-, ἐπι-, μετα-, nur Präs. und Ipf., Iterativum (Chantraine Gramm. hom. 1, 358). — Die obigen Formen bilden ein ziemlich wohl zusammengehaltenes System, das sich schon früh aus einem anscheinend bescheidenen idg. Keim innerhalb des Griechischen reich entfaltet hat. Aus anderen Sprachen meldet sich zunächst lat. trepit ‘vertit’, das indessen nur bei Paul. Fest. p. 367 vorkommt und vielleicht eine Grammatikerkonstruktion ist. Formal zu τρέπεται stimmt aind. (ep. klass.) trápate ‘schämt sich, wird verlegen’; angesichts gr. ἐντρέπομαι ‘sich um etw. kümmern’, auch ‘sich vor jmdm. schämen’ ist diese Zusammenstellung auch semantisch unbedingt möglich. Dann fuhrt der Weg weiter zu lat. turpis ‘häßlich’ (eig. *"wovon man sich abwendet, wovor man sich scheut"?). Noch unsicherer ist der Vergleich mit heth. te-ri-ip-zi von der Ackerarbeit, etwa ‘pflügen’ ? Bei diesen Kombinationen wird die Einbeziehung von myk. to-ro-qe-jo-me-no (Bed. unbekannt) und von lat. torqueō hinfällig. — Von τρέπω ‘wenden’ ist τραπέω ‘austreten, keltern’ wahrscheinlich zu trennen. Weiteres bei WP. 1, 756f., Pok. 1094, W.-Hofmann s. trepit und turpis, Mayrhofer s. trápate. II-923-925
τρέφω, dor. τράφω, -ομαι, Aor. 1. θρέψαι, -ασθαι, ἔθραψα (Epigr. Kreta II-IIIp), 2. (meist intr.) τραφεῖν, Pass. (intr.) τραφῆναι (alles seit Il.), θρεφθῆναι (vereinzelt seit Hes.), ἐθράφθη (Eretria VIa), Fut. θρέψω, -ομαι (h. Ven. usw.), Perf. τέτροφα (ψ 237 u.a., intr., auch trans.), Med. τέθραμμαι (ion. att.), wonach τέτραφα (Plb.), auch τέτρεφας (Pap. IIIa, nach τρέφω), ‘dick machen, in die Breite wachsen lassen, nähren, erziehen, hegen’, auch von der Milch, γάλα, ‘gerinnen machen’ (ι 246) und vom Käse, τυρός (Theok. 25, 106, vgl. τροφαλίς unten); zur Bed. im allg. Benveniste Word 10, 253 f.; zum sekundären Gebrauch von τραφεῖν in intr. Bed. Leumann Mus. Helv. 14, 78 A. 11 (Kl. Schr. 263A.4). oft m. Präfix, z.B. ἀνα-, ἐκ-, συν-, Zahlreiche Ableitungen (gedrängte Übersicht). A. Mit o- Abtönung. 1. τροφή (ἀνα-, ἐκ-, δια- usw.) f. ‘Ernährung, Nahrung, Pflege, Geschlecht’ (Pi., ion. att.). 2. τροφός f., sekund. m. ‘Amme, Ernährer(in), Pfleger(in)’ (seit Od.; zum Genus Lommel Femininbild. 2, Schw.-Debrunner 32); dafür τροφώ f. ‘ds.’ (sp., Rhodos). 3. -τροφος, zu den präfigierten Verba, z.B. σύντροφ-ος ( : συν-τρέφω) ‘zugleich ernährt od. aufgezogen, vertraut’ (ion. att.); mit nomin. Vorderglied, z.B. νεό-τροφος ‘frisch genährt, neugeboren’ (A. in lyr., Kratin.), κουρο-τρόφος ‘Knaben erziehend, Jugendpflegerin’; oft als Beiwort versch. Göttinnen (seit ι 27). — Von τροφή (und τροφός, nicht immer rein zu scheiden, z.T. auch direkt auf τρέφω beziehbar): 4. τροφεύς (ἀνα-, οἰωνο-) m. ‘Ernährer, Pfleger’ (att.; Ersatz des zunächst femin. τροφός, Bosshardt 39). 5. τροφίας m. ‘in der Mast stehend’ (Arist., Inschr. u.a.; Gegensatz φορβάς). 6. τρο-φῖτις f. (συγγραφή, auch γυνή, γῆ) ‘die Nahrung betreffend, für die Nahrung sorgend’ (Pap.; zur Erklärung Mayser Pap. I : 3, 104, Redard 109 m. Lit.). 7. τρόφιον n. ‘Nahrung, Unterhalt, Diät’ (Mediz. u.a.). Adj.: 8. τρόφ-ις ‘feist, dick, groß’ (Λ 307 [κῦμα], Hdt., Lyk.), wie τρόπις u.a.; zur adj. Bed. Schw.-Debrunner 176; davon τροφιοῦται· παχύνεται H. 9. -όεντα κύματα ‘ds.’ (Ο 621, γ 290); metr. Erweiterung, Risch ̨ 56e; vgl. τροφέοντο unten. 10. -ιμος ‘nährend, ernährt, aufgezogen’, m. ‘Pflegevater, Pflegling, Zögling’ (ion. att.; Arbenz 51f., 58 f.), f. -ίμη ‘Hausfrau’ (Poll.), -ιμότης f. (Eust.). 11. -ικός ‘die Ernährung betreffend’ (Gal., Poll.), ἱππο-τροφ-ικός (Pap. Il.a). 12. -ώδης ‘zur Ernährung dienend, ernährend’ (Arist. u.a.). -ιώδης ‘geronnen, dick’ (Hp.; bei H. s. σῦφαρ dafür -ώδης). 13. -ητικός ‘zum Lebensunterhalt gehörend’ (Pap. IIIp). Vba: 14. -εύω ‘säugen, stillen’ (LXX, Pap. u.a.) mit -εία f. ‘Ammendienst’ (Pap. Ia), -εῖα n. pl. ‘Erzieher-, Ammenlohn, Lebensunterhalt’ (att.), ‘Kostgeld’ (Pap.), auch direkt zu τροφ-εύς, -ός. 15. -έω ‘ds.’ (Pap., auch Gal.?), -ήματα pl. (Mediz.; nicht sicher; vgl. Chantraine Form. 178); aber ἱππο-τροφ-έω (att.) von ~ -ος. Iterativ τροφέοντο ‘schwollen an’ nach Aristarch. γ 290 für τροφόεντα. —16. -τροφία f. Abstraktum zu -τροφος, z.B. συντροφ-ία ‘gemeinsame Erziehung usw.’ (hell. u. sp.), ἱπποτροφ-ία ‘das Halten von Pferden, das Gestüt’ (Simon., Pi., att.). — 17. Mit λ-Erweiterung (vgl. τρέπω A 12): τροφαλίς, -ίδος f. ‘frischer Käse’ (Kom., Arist.), auch -άλιον n. (Kom.), τρυφαλίς (LXX, Luk., Hdn. Gr., H.; volksetymol. nach τρυφή), τράφαλλ-ος, -ίς H. — B. Mit ε-Vokal: 1. θρέμμα (ἀνά-) n. ‘das Aufgezogene, Zögling, Brut’ (ion. att.) mit -άτιον, -ατικός. 2. θρέψις (ἀνά-, ἔκ-) f. ‘Aufzucht’ (Mediz., S. E. u.a.). 3. θρεπτικός (ἀνα-) ‘nahrhaft’ (Pl., Arist. usw.). 4. θρέπ-τρα n. pl. ‘Pflegelohn’ (Il., Q. S.), -τήρια n. pl. ‘ds.’ (Hes., h. Cer.), ‘Nahrungsmittel, Nahrung’ (S.), -τήριος ‘nahrhaft’ (A.). -τήρ m. ‘Pflegevater’ (Inschr., AP), f. -τειρα ‘Pflegerin’ (E., Opp., AP), -τρᾱ f. ‘ds.’ (Inschr.), -τήτωρ = -τήρ (Pap. VIp). 5. θρεπ-τάριον = θρεμμάτιον (sp. Inschr. u. Pap.). 6. τρέφος n. = θρέμμα (S. Fr. 154; v.l. βρέφος). 7. -τρεφής, sehr gewöhnlich, z.B. Διο-τρεφής ‘von Zeus ernährt’ (Il., Hes.). 8. PN Τρεφέ-λεως (Paros; vgl. Brandenstein Sprachgesch. u. Wortbed. 62). — C. Mit tiefstufigem α-Vokal: 1. τραφερός Beiw. von γῆ (Hom., h. Cer.), von ἄρουρα, κέλευθος u.a. (hell. u. sp. Epik), Gegensatz ὑγρός, somit ‘fest’; auch von Fischen ‘feist’ (Theok.). 2. -τραφής, z. B. εὐ-τραφής ‘wohlgenährt, fett, feist’ (Hp., Trag., Arist. u.a.). 3. τάρφεα, -ύς s. bes. — Zu θρόμβος s. bes. — Zu τροφιά (Erot.) Scheller Oxytonierung 91. — Wie bei τρέπω ist auch bei τρέφω aus einem unansehnlichen idg. Keim eine Fülle verschiedener verbaler und nominaler Formen herausgewachsen. Eine genaue Entsprechung des primären thematischen Präsens τρέφω oder der übrigen Formen ist überhaupt nicht belegt. Formal am nächsten kommen zwei litauische Verba; das hochstufige Jotpräsens drebiiù, Inf. drė̃bti (= lett. drēbt ‘schlackern, vom feuchten Schnee- gestöber’) ‘etw. Dickflüssiges werfen, so daß es spritzt’ und das tiefstufige Nasalpräsens drimbù, Inf. drìbti ‘in Flocken niederfallen, hinplumpsen usw.’. Begrifflich berühren sich die griech. Wörter z.T. auch mit einigen Ausdrücken für ‘Bodensatz, Hefe u.a.’ im Germanischen, Slavischen und Keltischen, z.B. mnd. draf, ahd. pl. trebir ‘Treber’, engl. draff ‘Treber, Hefe’, russ. drobá (auch drob, drebá) ‘Bodensatz, Bierhefe, Schlempe, Treber’ (aus dem Germ. entlehnt?), mir. drab ‘Treber, Hefe’ (alles aus idg. *dhrobh-). Von besonderem Interesse ist awno. drafli m. ‘gekäste Milch’, das zu τροφαλίς, gewiß zufällig, auch im Suffix stimmt (zuletzt Holthausen KZ 71, 50). — Ursprünglich hat es sich offenbar um ein volkstümliches Wort mit anschaulicher Bed. gehandelt, das im Griech. mit abstraktem Inhalt gefüllt und literarisch veredelt wurde. Die von Benveniste (s.o.) für τρέφω angesetzte Bed. ‘favoriser (par des soins appropriés) le développement de ce qui est soumis à croissance’ entspricht gewiß gut dem tatsächlichen Gebrauch des griechischen Verbs, tut aber seinem ursprünglichen konkreteren Inhalt schwerlich recht, der sich in τρέφειν γάλα (nach B. eig. ‘favoriser la croissance naturelle du lait, le laisser atteindre l’état où il tend’), τρ. τυρόν (mit τροφαλίς), auch in τρ. ἀλοιφήν (ν 410), τρ. ἅλμην (ψ 237) noch fühlbar macht. —Zu den nasalierten Formen s. θρόμβος. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 876 (mit Ausscheidung der Wörter für ‘Bodensatz usw.’), Fraenkel s. drìbti, Vasmer s. drobá, auch Mayrhofer s. drapsáḥ ‘Tropfen’, das ebenfalls hierher gehören kann (zur Bed. vgl. θρόμβος). II-925-927
τρέχω (seit Il.), dor. (Pi.) τράχω, vorw. Präs. u. Ipf. (vgl. unten), dazu Aor. θρέξαι (Ν 409 u.a.), Iter. θρεξασκον (Σ599,602), Fut. (ἀπο- usw.)-θρέξομαι (Ar.), Simpl. θρἐξω (Lyk. 108), unsicher θραξεῖται· ... πορεύσεται H. (s. Latte z. St.), ‘laufen, eilen’. sehr oft m. Präfix, z.B. ἀνα-, ἐν-, ἐπι-, παρα-, περι-, συν-, ὑπο-, Zahlreiche Ableitungen (gedrängte Übersicht). 1. τροχός m. ‘Rad’ ("Laufer"), ‘Folterrad, Reif, (Töpfer)-scheibe, runder Kuchen usw.’ (seit Il.), πρό-τροχος ‘Vorderrad’ (Ath. Mech.), ὑπό-τροχος "mit Rädern unten", ‘mit Rädern versehen’ (hell.), Demin. τρόχ-ιον, -ίσκος, -ίσκιον, -ισκάριον. 2. τρόχος m. ‘(Kreis)lauf’ (Hp., S., E.); τροχός Adj. ‘laufend, eilend’ (Pi.), ‘kreisrund’ (Lyd.; unsicher); öfter von den präfigierten Verba, z.B. περίτροχ-ος (: περι-τρέχω) ‘im Kreise herumlaufend, kreisrund’ (Ψ 455, A. R., Kall. u.a.), -ιον n. ‘Radkranz’ (Papp. Mathem.). 3. τροχή f. = τρόχος ‘Lauf’ (Trag.Adesp.). 4. τρόχις m. ‘Läufer, Bote’ (A. Pr. 941, S. Inach.; wie τρόπις u.a.). — Weitere Ableitungen, z.T. von τροχός bzw. τρόχος ausgehend. A. Adj. 1. τροχ-αῖος (πούς) m. ‘der Trochäus’ (Pl., Arist. usw.), -αϊκός ‘trochäisch’, -αῖα (πανία ‘Spule’) ‘laufend’ (AP). 2. -ιαῖος (σφήν) ‘zu einem Folterrad gehörig’ (LXX). 3. -ιμος ‘eilend’ (S. Fr. 219 neben βάσιμος, Arbenz 81). 4. -ερός (ῥυθμός) ‘laufend’ (Arist.). 5. -όεις, -εός, -ιός ‘radförmig, kreisrund’ (hell. Dicht.). 6. -ικός (χαλκός) ‘granuliert’ (Pap.). 7. -ώδης ‘radähnlich’ (Apollon. Lex.). 8. -αλός ‘im Kreide laufend, kreisrund’ (poet. seit Hes. Op. 518) mit -αλεῖον n. ‘Kugel, Sphäre’ (Arat.), -αλισθεὶς δίσκος ‘gerollt’ (Pherelkyd.); mit Präfix, z.B. εὐ-τρόχαλος = εὔ-τροχος ‘gut, schnell laufend’ Hes., hell. Epik.) — B. Subst. 1. τροχ-ιά f. ‘Umfang des Rads, Geleise’ (hell. u. sp.; Scheller 76 f. m. vielen Einzelheiten). 2. -ίλος m. ‘Strandläufer, Zaunkönig (ion. att.); techn. ‘Scheibe eines Flaschenzugs’ (Pl. R. 397 a [v.l.], att. Inschr, 329-8a, Hero) mit -ιλία (-έα, -εια), -ιλεῖον, -ιλίδιον (s. Scheller 64 f.); architekt. ‘die Einziehung an den Basen der Säulen’ (Vitr.). 3. -ίας· πορ<ε>ίας H.; auch als Beiwort von χαλκός (Poll.; vgl. -ικός; Gegensatz τυπίας). 4. -ίτης οἶνος (Dsk.; unsicher, vgl. Redard 97). 5. -άδες· σανδάλια ἀπὸ αἰγείου δέρμα-τος H., -άδια (Edict. Diocl.) mit -αδάριος m. ‘Schuhmacher’ (Attika, Kaiserzeit); διατροχάδες· εἶδος ποιήματος, ὡς ἱστορεῖ Πραξιφάνης H. 6. -αντήρ m. ‘runde Hervorragung am Hüftknochen’ (Gal., H.); -αντῆρες· πρὸς τὰ πηδάλια. καλεῖται τῆς πρύμνης μέρος H., wie von *τροχαίνω (vgl. σημαντήρ u.a.). 7. -μαλος, pl. -οι, -α ‘runder, vom. Wasser glattgeriebener Stein’ (Thphr., Nik., Lyk.), von *τροχ-μός (Schwyzer 492) oder Kreuzung von τροχαλός und ὁμαλός mit oppositivem Akz.? 8. -ωσις f. ‘Kreisbewegung’ (Lyk.), wie von *τροχόομαι; kann auch aus τροχός erweitert sein (vgl. Chantraine Form. 279). —C. Adv. τροχ-άδην ‘im. Laufe’ (Epigr., A. D.), ἐπι- ~ (: ἐπι-τροχ-ος, ἐπι-τρέχω) ‘in raschem Anlauf, geläufig’ (Hom. u.a.). — D. Verba. 1. τροχ-άω ‘laufen’ Iterat., -όωντα (ο 451), auch m. ἐπι-, περι-, συν-, ὑπο- (hell. u. sp. Dicht.). 2. -άζω, -άσαι, oft m. Präfix, z.B. δια-, ἐν-, ἐπι-, παρα-, προσ-, συν-, ‘ds.’ (Hdt., X, E., Arist., hell. u. sp.; Nebenform zu -άω, z.T. denominativ) mit -αστής, -αστικός, -ασμός, -ασμα. 3. -ίζω, ganz vereinzelt m. κατα- u.a., ‘auf dem Rade umdrehen, mit Rädern versehen’ (Antipho, Arist., Bito, D. S. usw.), -ίζομαι ‘(herum-)laufen’ (Arist.; v.l. -άζομαι) mit περι-τροχισμός ‘das Herumlaufen’ (Antyll. ap. Orib.). 4. -ιάζω· roto, rotor (Gloss.) mit -ίασμα n. ‘Räderwerk’ (Bito). 5. -εύομαι = rotor (Dosith.). 6. Mit Dehnstufe τρωχάω (μετα-, περι-) Iterat. (χ 163, ζ 318. A. R., Q. S. u.a.; Schwyzer 719). — Mit ε-Vokal: θρεκτ-ικός ‘zum Laufen geschickt’ (nach Moiris att. für τροχαστικός), -ικώτατος· ὀξύτατος H. Als Vorderglied in τρεχέ-δειπνος ‘zum Schmause rennend’ (Plu., Ath., als PN Alkiphr.); als Hinterglied in [εὐθ]υ-τρεχής ‘gerade laufend’ (att. Inschr. 307-6a), dazu ἐντρεχ-ής (: ἐν-τρέχω) ‘bewandert, geschickt’ (Pl., sp.) mit -εια (sp.). — Zu ὀλοοίτροχος s. bes. — Wie das synonyme θέω war τρέχω ursprünglich als durativinfektiv auf den Präsensstamm beschränkt (Aor. δραμεῖν [s.d.], auch ἀπο-δρᾶναι). — Als Verb isoliert. Dagegen stimmt zu τροχός ‘Rad’ völlig air. droch ‘Rad’ (idg. *dhrogho-). Eine dehnstufige Form (: τρωχ-άω) wird außerdem wahrscheinlich gemacht durch arm. durgn, Gen. drgan ‘Töpferrad’ (urspr. Wz.nomen; wäre gr. *θρώξ, τρωχ-ός); zum Lautlichen Lidén Armen. Stud. 33ff.; anders Meillet BSL 36, 122, dazu noch Pisani Sprache 12, 228. — Das germ. Verb für ‘laufen’ in got. þragjan u.a. setzt anl. t- voraus, ebenso viele kelt. Wörter, z.B. kymr. korn. tro ‘Wechsel, Zeit’, air. traig ‘Fuß’; s. WP. 1, 752 f., Pok. 1089, W.-Hofmann s. trahō m. weiterer Diskussion. — S. auch τράχηλος und τέρχνος. II-927-929
τρέω, Aor. τρέσ(σ)αι, ‘voll Schreck fliehen, sich fürchten’ (vorw. ep. poet. seit Il.), ‘in der Verbannung leben’ = φεύγω (ArgosVI-Va); ὁ τρέσας ‘Deserteur, Fahnenflüchtiger’ (Sparta), wozu τρεσᾶς, -ᾶ ‘ds.’ (Kom.; vgl. Schwyzer 461 m. Lit.). Negiertes Verbaladj. ἄ-τρεσ-τος ‘unerschrocken’ (Trag.). auch m. δια-, παρα-, περι-, ὑπο-, Daneben ἔτερσεν· ἐφόβησεν H. (späte Metathese od. alt? vgl. unten). — Näheres zur Bed. usw. Trümpy Fachausdrücke 222 ff. — Altererbte Wortsippe mit Vertretern in mehreren Sprachen. Zu dem hochstufigen τρέω (< *τρέσ-ω) stimmt genau aind. trásati ‘Angst haben, zittern, beben’. Daneben im Iran. und Balt. ein tiefstufiges sḱ-Präsens: aw. fra-tərəsaiti, apers. tarsatiy ‘Angst haben, fürchten’, lit. trišù (Inf. trišė́ti) ‘zittern, schaudern’ (idg. *tr̥s-(s)ḱo). Kausativum : aind. trāsayati ‘erschrecken, erzittern machen’, aw. θrā̊ŋhayete ‘in Furcht versetzen’. Ebenso, aber mit anderer Stellung der Liquida (idg. ters-, tors-), im Ital. : umbr. tursitu ‘terreto, fugato’ (aus tors-); mit unerklärtem e-Vokal lat. terreō ‘(er)schrecken, abschrekken’; nach W.-Hofmann mit Ernout-Meillet von terror (das indessen später belegt ist); anders Fraenkel s. triśė́ti (für *terrĕre mit Berufung auf gr. ἔτερσεν; wenig einleuchtend). Dazu aus dem Kelt. mir. tarrach ‘furchtsam’ (aus *tr̥s-āko-). Weitere Formen aus dem Indoiran. bei Szemerényi Sprache 12,206; aus dem Baltischen bei Fraenkel s. trišė́ti, trė̃sti, trìsti, trasyti (m. Lit.); dazu noch WP. 1, 760, Pok. 1095, W.-Hofmann s. terreō. — Zu ἄ-τρεσ-τος stimmt aind. (sam-ut-)trasta- ‘erschrocken, zitternd’, beide wegen der Hochstufe neugebildet nach τρέω, trásati für idg. *tr̥sto- (gr. *ἄ-τρασ-τος) in aw. taršta- ‘furchtsam’. — Neben tres- in τρέ(σ)-ω stehen trem- in τρέμω (Kreuzung in got. þramstei ‘Heuschrecke’ u.a. ?) und trep- in lat. trepidus (vgl. τραπέω), was auf alte Kontaminationen und Entgleisungen schließen läßt. Für ein gemeinsames zugrunde liegendes ter- (mit dreifachen Erweiterungen) bieten aind. taraláḥ ‘sich hin und her bewegend, zitternd, unstet’ und alb. tartalis ‘zapple’ einen ungenügenden Anhalt; s. Mayrhofer s.v. — Vgl. τρήρων. II-929-930
τρῆμα, τρῆσις, τρητός s. τετραίνω. II-930
τρήρων, -ωνος Beiwort der Taube, πέλεια, -ειάς (Hom., h. Ap., A. R.), auch des κέπφος benannten Wasservogels (Ar. Pax 1067), auch = περιστερά metaphorisch für ‘Frau’ (Lyk.); πολυ-τρήρων ‘reich an Tauben’ (Β 502, 582), danach εὐ-τρήρων ‘ds.’ (Nonn.). — Individualisierende Substantivierung von τρηρός in τρη[ι]ρόν· ἐλαφρόν, δειλόν, ταχύ, πλοῖον μικρόν H. Wegen der dor. Form τραρόν· τ[ρ]αχύ (mit Dissimilation ταρόν· ταχύ) H. ist von *τρασ-ρόν auszugehen mit Tiefstufe zu τρέσσαι, τρέω (s.d.). — Im Sinn von ἐλαφρόν, ταχύ wird τρηρόν gewöhnlich (Bq, WP. 1, 749 u. 760, Pok. 1095 u. 1100) als besonderes Wort zu ὀτρηρός, ὀτραλέος (s.d.) gezogen; eine Kontamination ist ebenfalls denkbar. II-930
τριάζω, -άσσω, -άττω, Aor. -άξαι, Pass. -αχθῆναι (ἀπο-) als Ausdruck der Sportsprache ‘dreimal zum Boden werfen und damit endgültig siegen’, vom Faustkämpfer (Poll., EM, Zonar., H. u.a.), mit τριακτήρ m. ‘Sieger (im Faustkampf)’, ἀτρίακτος ‘unbesiegt’ (A. Ag. 171 bzw. Ch. 339, beide lyr.); πεντε-τριά-ζομαι ‘fünfmal besiegt werden’ (AP). Aor. τριάσαι mathem. ‘mit drei multiplizieren’ (Theo Sm., Iamb.) mit ἀτρίαστος ‘nicht verdreifachbar’ (Dam.); τριαγμός, -οί (Harp. u.a.), -ασμοί (Suid.) ‘Triade(n)’ N. eines philos. Werks des Ion v. Chios. — Denom. von τρεῖς, τρία (s.d.). II-930
τρίαινα f. ‘Dreizack’, Waffe des Poseidon (ep. poet. seit Il.), mediz. Bez. eines Brenneisens (Paul. Aeg.); auch als Vorderglied, z.B. τριαιν-οῦχος m. ‘Schwinger der τ.’ (Plat.-Komm.). Denom. τριαινόω, auch m. συν- u.a., ‘(mit dem Dreizack) erschüttern’ (E., Kom.); davon wahrscheinlich τριαινατῆρες· ἀντὶ τοῦ ἀροτριοῦντος H. (wohl für τριαινω-). — Von τρεῖς, τρία nach den Gerätenamen auf -αινα, z.B. ἄκαινα, ἀρύταινα (vgl. Schwyzer 475 A. 6). Chantraine Form. 109 erwägt volksetymolog. Umbildung nach dem Zahlwort. Ältere, abzulehnende Erklärungen bei Bq. II-930
τρίβω, -ομαι, Aor. τρῖψαι, -ασθαι (seit Il.), Fut. τρίψω, -ομαι (seit Od.), Pass. Aor. τρῐβῆναι, τριφθῆναι, Perf. τέτριμμαι (ion. att.), 3. pl. ion. τετρίφαται, Akt. τέτρῐφα (hell. u. sp.), ‘(zer)reiben, aufreiben, erschöpfen, verbrauchen, abnutzen’; Med. ‘sich mit etw. beschäftigen’. sehr oft m. Präfix, z.B. ἀπο-, δια-, ἐκ-, ἐπι-, κατα-, συν-, Zahlreiche Ableitungen. 1. τρῐβή (δια-, ἀπο- usw.) f. ‘das Zerreiben, Abnutzung, Übung, Beschäftigung, Zeitvertreib, Aufschub’ (ion. att.); dazu mehrere Bildungen: 2. τρίβων, -ωνος m. (f.) a. ‘(abgenutzter) einfacher Mantel’ (att.) mit den Dentin. -ώνιον (att.), -ωνάριον (hell. u. sp.); -ωνικῶς ‘wie ein abgenutzter Mantel’ (Ar. V. 1132 mit Anspielung auf Bed. b; Chantraine Études 99); b. ‘verschmitzt(er Mensch), geübt, kundig’ (Hdt., E., Kom. u.a.) mit -ωνεύομαι Bed. unklar (Antipho). 3. τριβ-άς f. ‘unzüchtiges Weib’ (sp.). 4. -εύς m. ‘Reiber, Masseur, Mörserkeule usw.’ (hell. u. sp.). 5. -ακός ‘abgerieben, verschlagen, geübt’ (hell. u. sp.; wohl zu τρίβων, Schwyzer 497). 6. -αξ m. f. ‘verschmitzter Mensch’ (sp.; wie μεῖραξ u.a.). 7. -ικός ‘auf Übung gegründet’ (sp.). 8. -ίδι(ο)ν H. als Erkl. von δ<ο>ῖδυξ. 9. -αία f. ‘Mörser’ (Suid., Zonar.). 10. -ανον n. Bez. eines Hohlmaßes (Gal., Pap.), = λήκυθος H. — Weitere Ableitungen: 11. τρίβος f. m. ‘abgetretener Weg, Pfad’ (Hdt., E., X. usw.), auch = τριβή ‘Übung, Abnutzung usw.’ (h. Merc., A. in lyr. u.a.), ‘Reibung, Reibungsfläche’ (Hp.); vgl. Porzig Satzinhalte 318. 12. τρῖμμα sekund. -ί-) n. ‘Geriebenes, Schabsel, Bruchstück’ (Hp., Inschr., Gal.), ‘Trank aus geriebenen Gewürzen’ (Kom., Pap. u.a.), ‘geriebener Mensch’ (Ar.); Demin. -μάτιον (Kom., Mediz.); oft von den präfigierten Verben, z.B. περίτριμμα ‘abgefeimter Mensch’ (Ar., D.), ‘Einreibung’ (Mediz.), ἐπί-τριμμα ‘Putz, Schminke’ (Joh. Chrys.; Cadiou REGr. 72, 110); τριμμός m. ‘abgetretener Weg’ (X. u.a.), ἐπι-, συν-τριμμός ‘Auf- reibung’ (LXX). 13. τρῖψις (ἀνά-, ἔν-, σύν- u.a.) f. ‘Reibung, Abnutzung, Massage’ (ion. att.). — Als Hinterglied: 14. -τριψ, z.B. ἀμφί-τριψ ‘durchtrieben, verschätzt’ (Archil.), οἰκό-τριψ ‘Haussklave’ (Ar. u.a.), eher = ὁ οἶκον τρίβων als ὁ ἐν οἴκῳ τριβόμενος, somit trans. wie πορνό-τριψ, σκευό-τριψ, πεδό-τριψ u.a. (dagegen αἰγό-τριβες ἀτραποί ‘von Ziegen abgetretene Pfade’ [D. H.]); anders, schwerlich richtig, Fraenkel Nom. ag. 2, 162. Mit Umbildung nach den σ-Stämmen: 15. -τρῐβής, z.B. ἐν-τριβής ‘geübt erfahren’, ἀ-τριβής ‘ungerieben, ungebahnt, ungeübt, unbeschädigt’ (att.); daneben ἀ-τρίβαστος vom Pferd ‘untrainiert’ (X. Eq. Mag. 8, 3 : Gegensatz οἱ τοὺς πόδας ἐκπε-πονημένοι), wie von *τριβάζω (δια-τριβάζομαι Achmes Oneiro-krit.; vgl. E.Ekman Zu Xenophons Hipparchikos [Diss. Uppsala 1933] 78), wenn nicht analogisch nach den zahllosen Privativa auf -αστος. 16. Nach den ᾱ-Stämmen: -τρίβ-ης, z.B. παιδο-τρίβης, -ου m. = ὁ παῖδας τρίβων ‘Turnmeister’ mit -ία, -ίη, -έω, -ικός (ion. att.). — Zu ἀλετρίβανος s. bes. — Das ganze Formensystem ist auf dem langvokaligen Präsens τρί̄βω aufgebaut; dazu analogisch die kurzvokaligen τρῐβῆναι (nach ῥιφῆναι, τυπῆναι u.a.), τρίβος, -ή (: στίβος, στίχος u.a.) usw. — Ohne genaue außergriech. Entsprechung. Am nächsten kommen lateinische Formen wie Pf. trī-vī mit trī-tus, dē-trī-mentum usw. Toch. AB triw- ‘sich vermischen’ (nicht ‘zermalmen’) weicht dagegen in der Bed. stark ab. Ein labialer Auslaut erscheint auch im Slav., z.B. ksl. trěbiti, russ. terebítь ‘roden, reinigen’, die aber auf idg. *terb(h)- zurückweisen und somit höchstens indirekt mit τρίβω zusammenhängen können; s. Vasmer s. téreb und W.-Hofmann s. terō. Lautlich und semantisch mehrdeutig ist heth. te-ri-ip-zi Aufdruck des Ackerbaus (neben ḫarš- ‘aufreißen, beackern’), s. τρέπω. —Weiteres s. τείρω, τετραίνω, τιτρώσκω, τρύω m. Lit. II-930-932
τρίγλη, dor. -ᾱ, sekund. -ᾰ (-ῖ- und -ί-) f. Demin. τριγλ-ίς f. (Antiph., Arist. u.a.), -ίον n. (hell. Pap., Gp.); dazu -ῖτις f. ‘Art ἀφύη’ (Dorio ap. Ath.; Redard 85). — Daneben τριγόλας m. N. eines Fisches (Sophr.). ‘Trigla, Knurrhahn’, ein Fisch (Epich., Sophr., att. Kom., Arist., hell. Pap. usw.; zu den Formen usw. Solmsen Wortforsch. 260); τριγλο-φόρος ‘Knurrhähne fangend’ (AP), ~ -βόλος ‘ds.’ (Plu.). — Von τρίζω (s.d.) mit Beziehung auf den knurrenden Laut, der beim Aneinanderreiben der Kiemendeckelknochen entsteht, wenn dieser Fisch aus dem Wasser genommen wird; s. Bechtel KZ 49, 120 und Strömberg Fischnamen 71 ff. Vgl. τριγλίζειν· κατὰ μίμησιν ἐπὶ τῶν γελώντων H. (wie κίχλη : κιχλίζω). — Die Nebenform τριγόλας hat sich an die Nomina auf -όλας, -όλης, z.B. μαινόλας, -όλης, angeschlossen (Bechtel Dial. 2, 245). — Ausführlich über τρίγλη Thompson Fishes s.v. II-932
τρίζω (ω 5, 7, Hp., Arist. u.a.), weit gewöhnlicher Perf. (m. Präs.bed.) τέτρῑγα (seit Il.), sp. Fut. τρίσω (Sm.), τριζήσω (Aq.), ‘schwirren, knirschen, knarren’. auch m. ἀνα-, δια-, ὑπο- u.a., Davon τριγμός, τρισμός m. ‘das Schwirren, das Knirschen usw.’, von Tieren (Rebhuhn, Maus, Fischen), auch von Zähnen und Sägen (Hp., Arist., Thphr., Plu. u.a.); τρίγλη (s. bes.); vgl. noch τριξέλλας = gryllus (Gloss.) und τριγόνια v.l. für τεττιγόνια (Arist.) bei Gil Fernandez Nombres de insectos 124 f. — Schallwort wie στρί(γ)ξ (s.d.), lat. strīd(e)ō ‘zischen, schwirren, knirschen’, wohl auch toch. A trisk- ‘dröhnen’ (sḱ-Präsens); s. W.-Hofmann s.v., v. Windekens Lex. étym., auch Duchesne-Guillemin BSL 41, 148. Vgl. τρύζω. II-932
τριόρχης, auch -ος m.. N. einer Falkenart, viell. ‘Mäusefalke, Buteo vulgaris’ (Semon., Ar., Arist., Thphr. usw.). — Wahrscheinlich Fremdwort, an τρι- und ὄρχις angelehnt mit Umbildung des Hinterglieds, vgl. ἔν-ορχος und ἐν-όρχης (s. ὄρχις), auch δεσπότης. Eine Anspielung auf die volksetymologische Bed. ‘dreihodig’ = ‘sehr geil’ bei Timae. 145 (Plb. 12, 15, 2). Einzelheiten bei Thompson Birds s.v. II-932-933
Τριπτόλεμος m. eleusinischer Heros, Begründer und Verbreiter des Ackerbaues (h. Cer. usw.). — Erklärung strittig. Nach Kretschmer Glotta 12, 51 ff. (m. Lit.) eig. "der vielfach (eig. dreifach) sich Mühende" von π(τ)όλεμος in einer vermuteten alteren Bed. * ‘Anstrengung, Mühe’ (s. πελεμίζω). Anders Nilsson Arch. f. Religionswiss. 32, 84 f.: der eleusinische Adlige sei wegen seines Namens zum Vertreter des Ackerbaues erwählt, weil man seinen Namen volksetymologisch mit τρίπολος ‘dreimal gepflügt’ (’dreifach gefurcht’ ? Armstrong ClassRev. 57, 3 ff.) verknüpfte (ähnlich v. Wilamowitz Glaube 2, 51). Ablehnend Kretschmer Glotta 27, 29f. II-933
τρίς, τρίτος s. τρεῖς. II-933
Τριτογένεια s. Τρίτων. II-933
τριττύς (att.), τριπτύς (Keos), τρικτύς (Delos, s.u.), -ύος f. 1. ‘der dritte Teil einer Phyle’; τριττύ-αρχος m. ‘Vorsteher einer τ.’ mit -αρχέω (Pl., Inschr., Poll. u.a.), auch τρικτυ-αρχέω (Delos III u. IIa). 2. ‘Opfer aus drei Tieren’ (Kall., Sch.). 3. ‘Dreizahl’, von einem dreifältigen Sieg (Philostr.); τριτύς· τριάς H. Davon τριττύα f. ‘Opfer aus drei Tieren’ (Ister, Porph.; ganz fraglich Epich. 187, eher -κτύα); auch τριττο(ι)α (Athen Va) und τρικτοι<α> (Sophr. 3; unsicher) ‘ds.’; unklar τρικτευαν κηυαν (Delph. IVa), s. κηυα. — τρίκτειρα (-εῖρα cod.)· θυσία ’Ενυαλίῳ. θύεται δὲ πάντα τρία καὶ ἔνορχα H. Zu τριττύα : τριττύς vgl. z.B. δελφύα : δελφύς (Schwyzer 463). Daneben τριττοια (Akz. unbekannt), wohl nach τριττός (wie auch τριττύς; vgl. unten) im Anschluß an die Nomina auf -οία, -οια; daraus -οα mit Wegfall des ι. — Die Form τρικ-τύς setzt eine Gutturalerweiterung voraus, wie sie auch in τρισσός, τριττός, τριξός (aus *τριχ-ι̯ός) vorliegt; eine ursprüngliche Tenuis -κ- ist auch denkbar angesichts aind. tri-ká- ‘dreifach’. Dafür τριττύς nach τριττός. Die dritte Variante τριπτύς könnte nach τρί-πτυχος ‘dreifach’ eingetreten sein. — Weiteres bei Schwyzer 597, Fraenkel Nom. ag. 1, 205ff.; zum Semantischen Benveniste Noms d’agent 74. II-933
Τρίτων (ῑ), -ωνος m. Meergott, Sohn des Poseidon und der Amphitrite (Hes. usw.), später im Plur. ‘Tritonen’. Meer- dämonen in Mischgestalt (Mosch., Paus.). Auch Gott des Sees Tritonis in Libyen (Hdt., A. R.), außerdem als N. eines Flusses in Libyen (Hdt., A. u.a.), = Νεῖλος (A. R. u.a.). in Böotien (Str., Paus.). Davon Τριτων-ίς f. See in Libyen (Pi., Hdt.), Quelle in Arkadien (Paus.), N. der Athene = Τριτογένεια (A. R.), ‘Tritonfigur’ (hell. Pap.); -ιον οἶδμα(Orph.); -ίσκος m. ‘kleine Tritonfigur’ (Delos IIa). Verb ἐντριτωνίζω (Ar. Eq. 1189), scherzhafte Augenblicksbildung vom Mischen des Weins mit Wasser, auf Τριτογενής (= Τριτογένεια) anspielend. — Appellativische Bed. unbekannt, mithin ohne Etymologie. Seit langem (Windisch PBBeitr. 4, 268; weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 760) mit einem kelt. Wort für ‘Meer’, air. triath, Gen. trethan verbunden. Zu dem irrigen Vergleich mit dem ved. Gottesnamen Tritáḥ m. (= aw. PN þrita- mit ĭ gegenüber ῑ in Τρίτων; vgl. zu τρεῖς) s. Mayrhofer s.v. m. Lit. — Mit Τρίτων hängt offenbar der Name seiner Mutter ’Αμφιτρίτη zusammen (wohl volksetymologisch an ἀμφί angelehnt). Fernzuhalten ist dagegen wahrscheinlich der Beiname der Athene Τριτογένεια (seit Il.; vereinzelt auch Τριτογενής; Kurzname Τριτώ [AP]), der indessen einer sicheren Deutung noch entbehren muß. Nach Kretschmer Glotta 10, 38 ff. (mit Lippold) eig. "die Stammtochter, die echtgeborene, rechtbürtige Tochter (des Zeus)" als Konträrbildung zu den Τριτο-πάτορες, "den Stammvätern, den echten Ahnen" (-ῑ- somit metr. gedehnt); zustimmend Pötscher Gymnasium 70, 529 f. — Über andere Deutungen s. Kretschmer a. O., auch dens. Glotta 12, 214 und 21, 178, v. Wilamowitz Glaube 1, 237 A.1. Weitere Versuche bei Kristensen MAWNied. N. R.I : 4, Budimir Živa Ant. 3, 5ff. II-933-934
τριχάϊκες (ᾱῑ) m. pl. Beiwort der Dorier (τ 177, Hes. Fr. 191), — wahrscheinlich ‘haarschüttelnd’ wie κορυθ-άϊξ (χ 132) ‘helmschüttelnd’. So (mit Apollon. ap. Sch. zu τ 177, EM) u.a. Leumann Hom. Wörter 65. Das Wort wurde aber früh auf die drei Stämme der Dorier bezogen (so schon Hes. a. O.), eine Erklärung, die in neuerer Zeit mehrfach Beifall gefunden hat (s. Bq, Leumann a. O., auch Fraenkel Gnomon 23, 374). Man hätte aber dann unbedingt *τρί-ϝῐκες erwartet. — Andere Pisani Arch. glottol. it. 50,1 ff. zu (’Αχαιϝοί usw.). II-934
τροπαλίς, τρόπις, τρόπος u.a. s. τρέπω. II-934
τροφαλίς, τροφή, τρόφις u.a. s. τρέφω. II-934
τροχός, τρόχος s. τρέχω. II-934
τρύβλιον n. Bez. eines Trinkgeschirrs od. eines Gefäßes von unbekannter Form und wechselnder Größe (Ar., LXX, Ev. Matt.), auch als Hohlmaß (Mediz. u.a.). — Gewöhnlich als ‘Schale, Schüssel’ erklärt, nach v. Effenterre Rev. de phil. 3. sér. 37, 41 ff. vielmehr ‘Krug, Topf’. Technisches Wort ohne Etymologie. II-934-935
τρῠγάω, Aor. τρυγῆσαι, Fut. τρυγήσω, ‘einernten, bes. von der Weinlese, abernten’ (seit Il.). vereinzelt m.. ἀπο-, ἐκ-, προ- u.a., Daneben, wohl als Rückbildung, τρύγη f. ‘Weinlese, Ernte’ (h.Ap.55, Pap.IIp, Ath., AP u.a.), ‘Dürre, Trockenheit’ (Nik. Th. 368), vgl. Zumbach Neuerungen 39; als Vorderglied in τρυγη-φόρος ‘Wein od. Feldfrüchte tragend’ (h. Ap.). Weitere Ableitungen: 1. τρύγ-ητος m. ‘Weinlese, Zeit der Weinlese, Ernte’ (wie ἄμητος u.a.; Th., Thphr., LXX, Pap. usw.) mit -ητικός ‘zur Weinlese gehörig’ (sp. Pap.). 2. -ησις f. ‘Weinlese’ (Pap. III a, Plu.) mit -ήσιμος ‘erntereif, vindemialis’ (EM, H., Gloss.; Arbenz 87). 3. -ημα n. ‘Ernte (von Honig’; Atticista ined.). 4. -ητήρ m. (Hes. Sc.), -ητής m. (LXX, Pap. u.a.) ‘Winzer, Erntearbeiter’, f. -ήτρια (D., Poll.), -ητήριον n. ‘Weinkelter’ (Gloss.); προ-τρυγητήρ, -τής N. eines Sterns, der kurz vor der Weinlese aufgeht (seit Ende Va; vgl. Scherer Gestirnnamen 123 f.). 5. τρύγος n. m. = τρύγη (Et. Gud., H.). 6. PN Τρυγ-αῖος (Ar.), -ία N. einer Bacchantin (Nonn.). 7. διατρύγιος (ὄρχος; ω 342), viell. ‘zu verschiedenen Zeiten reifend’; anders Schw.-Debrunner 449 m. A. 6: ‘mit Fruchtbäumen od. Reben durchsetzt’; Προτρύγαιος Bein. des Dionysos (Ach. Tat., Ael.), θεοὶ H. (Poll.); προτρύγαια· ἑορτὴ Διονύσου καὶ Ποσειδῶνος H. —Auch τρύγει, τρυγεῖ, τρύσκει = ξηραίνει, -εται (Zonar., Theognost., H.), ἔτρυγεν· ἐξηράνθη, ἐπὶ λίμνης H.; zur Bed. vgl. oben τρύγη und τρυγαβόλια· εἰς ἃ καρποὺς ξηροὺς ἀπετίθεντο H. — Unklar ὀτρύγη (-χη cod., alphab. unrichtig)· χόρτος, καλάμη H. (auch Mediz. bei Gal.? Kretschmer Glotta 5, 275 f. m. Lit.) mit ὀτρυγη-φάγος Beiw. des Esels (Archil. 97; bei H. auch ἀ-), nach den alten Gramm. und Bechtel Dial. 3, 120 mit ο-Prothese = τρυγη-φάγος, was von Hoffmann Dial. 3, 276 wohl mit Recht abgelehnt wird. Eher = ἀκανθο-φάγος; zustimmend Schwentner IF 63, 35 f., der auf eine ähnliche ags. Bez. des Pferdes risci bita ‘Rispen-, Binsenbeißer’ hinweist. — Ohne Etymologie — falls nicht zu τρύξ; s.d. II-935
τρύγοιπος m. ‘Mostsieb, Mostseihe’ (Ar., Phryn., Poll.) mit -έω (Suid.). — Bildung wie πυρ-φόρος u.a., von τρύξ (s.d.) und einem als Nom. agentis fungierenden Hinterglied zu einem Verb für ‘seihen usw.’, das auch in einem germ. Wort für ‘Sieb’ eine Spur hinterlassen hat, z.B. ahd. Sib, ags. sefe n.; hierher vielleicht auch (wegen des porösen Stengels) ein nord. Wort für ‘juncus’, z.B. awno. sef n. (idg. *sip-). Auch ein slav. Wort, skr. sipiti ‘rieseln, fein regnen’ ist herangezogen worden. WP. 2, 467, Pok. 894 m. weiteren Einzelheiten und Lit. — Ob hierher noch εἴβω als Kreuzung von λείβω und *εἴπω? Zum Lautlichen auch Schwyzer 299. II-935-936
τρύζω (στρύζω Erot.), ganz vereinzelt Aor. τρύξαι, ‘girren, turteln, murmeln’ (I 311, Hp., hell. u. sp. Epik). auch m. ἐπι- u.a., Davon τρυγών, -όνος f. ‘Turteltaube’ (Ar., hell. u. sp. Epik), auch als Fischname, ‘Stachelroche’ (Epich., Arist. u.a.); Ben.motiv strittig, tabuisierender Euphemismus ? (Strömherg Fischn. 118f.), Bildung wie ἀηδών, ἀλκυών u.a. Demin. τρυγόνιον n. (AP, Them.), auch ‘Taubenschlag’ (Ps.-Dsk. u.a.), -ιος Adj. (Opp.). — Auch τρυσμός m. ‘das Girren usw.’ (Hp., Gal., H.), wie γογγυσμός, γρυσμός u.a. — Schallwort auf -ύζω wie γρύζω, ἰύζω usw.; vgl. τρίζω. — Daneben τρυλ(λ)ίζω (ἐν-) ‘glucksen, murmeln’ (Ar. Th. 341, Hp., Poll.) mit -ισμός (Hp.); vgl. bes. θρυλίζω (s. θρῦλος). II-936
τρυήλη(ς), -ίς ‘Schöpfkelle’ (Luk. Lex., H.). — Aus lat. truella ‘Schöpfkelle, Napf’ nach τρύω und den Gerätenamen auf -ήλη, z.B. ξυήλη. Daneben τρυπήλα· τορύνη H. nach τρυπάω? —Osthoff Etym. parerga 167 f. II-936
τρύμη auch τρῦμα (Sch.) mit -άτιον (EM). f. ‘(geriebenes) Loch’ (Sch.), übertr. ‘geriebener, abgefeimter Schläuling’ (Ar. Nu.448); Davon τρυμαλ-ιά f. ‘Loch’ (LXX, Ev. Mark. u.a.), auch sens. obscen. (Sotad.), -ῖτις· Αφροδίτη H.; zur Bildung usw. Scheller Oxytonierung 89 f. und s. ἁρμαλιά. — Auch τρύμα (ῠ) = πόνος (Theognost. Kan.). — Verbalnomen zu τρύω, s.d. II-936
τρύξ, -γός f. ‘junger ungegorener Wein mit den Hefen, Most’ (ion. seit Archil., Kom., Theok., Thphr. usw.). Als Vorderglied in τρύγ-οιπος, s. bes. Als Hinterglied u.a. in ὑπό-τρυγος ‘hefig’ (Hp.). Davon 1. τρυγ-ία f. ‘Hefe (des Weines), junger Wein’ (Ph. Bel., Mediz., Pap. Ip), vgl. ἀντλία u.a. (Scheller Oxytonierung 49), -ίας (οἶνος) ‘ds.’ (LXX, Pap.IIIp u.a.). 2. -ιος· τρυγία οἴνου ἢ ἐλαίου H. 3. -ινον n. ‘aus Hefe bereiteter Farbstoff’ (auct. ap. Plin.). 4. -ώδης ‘hefeähnlich, hefig’ (Arist., Mediz. u.a.). 5. -ερός ‘ds.’ (Polyzel. Kom. V-IVa). — Ohne sichere Etymologie. Die seit Fick 1, 447 (WP. 2, 642, Pok. 1032) übliche Anknüpfung an τάργανον ‘verdorbener Wein, Weinessig’ ist weder lautlich noch begrifflich ganz befriedigend. Die formale Identität mit τρυγάω fällt auf, um so mehr als sich beide Wörter auf Weinbau und Weinbereitung beziehen. Wurde mit τρυγάω ursprünglich nicht nur die Weinlese sondern auch die erste Bereitung der geernteten Trauben gemeint? Hat sich sodann, weil τραπέω als besonderer Ausdruck des Kelterns eintrat, τρυγάω auf die Weinlese beschränkt und sekundär auch auf andere Feldfrüchte bezogen ? — Für vorgriech. Herkunft sowohl von τάργανον und τρύξ wie von dem damit verbundenen τρύγη Porzig ZII 5, 271 f. II-936-937
τρῡπάω, Aor. τρυπῆσαι usw., ‘(durch)-bohren’ (seit ι 384); auch m. ἐκ-, δια- u.a., ἐκ-τρυπάω auch intr. ‘aus einem Loch entschlüpfen’ (ἐκτετρύπηκεν Ar.Ek.337; von τρύπη [s.u.]?). Davon 1. τρύπ-ημα mit -ημάτιον n. ‘Bohrloch, Loch’ (Kom., Arist., Hero u.a.), ἐκ- ~ auch ‘Bohrspäne’ (Thphr.). 2. -ησις (ἐκ-, περι-) f. ‘das (Durch)bohren’ (Hp., Arist., Thphr. u.a.). 3. -ητής m. ‘der Bohrende’ (Pl. Kra.), -ητήρ m. ‘durchbohrtes Gefäß’ (Ph.Bel.). Ferner τρύπ-ανον n. ‘Bohrer, Drillbohrer, Trepan, Reibeholz zum Feuermachen’ (seit ι 385) mit -άνιον, -ανώδης, -ανικός, -ανίζω, -ανισμός (selten u.sp.); auch -άνη f. ‘ds.’ (Hdn. Gr., H.), -ανία f. ‘Riemen eines Drillbohrers’ (Poll.; vgl. Scheller Oxytonierung 58 A. 4). Rückbildung τρύπη, τρῦπα f. ‘Loch’ (Hdn. Epim., AP, H., Eust.; vgl. unten). — Als Vorderglied in τρυπ-αλώπηξ ‘Fuchs, der in ein Loch hineinschlüpft’, Bez. eines Schläulings (Kom. Adesp.). — Zunächst zu τρύω (s.d.), wozu noch τρύχω; daneben τρίβω, τείρω, τετραίνω, τιτρώσκω (s. dd.). Mehrere ähnliche Bildungen sind im Baltischen und Slavischen zu finden: lit. trupù, -ė́ti ‘zerbröckeln’, traupùs ‘spröde’, aruss. trupъ ‘Baumstamm, Leiche(nfeld)’, russ. trup ‘Leiche’; weitere Formen m. reicher Lit. bei Fraenkel und Vasmer s.vv. (WP. 1, 732, Pok. 1074). Zu bemerken immerhin der Quantitätsunterschied zwischen gr. τρῡπ- und balt.-slav. trŭp-, troup-. Ein alter p : m-Wechsel in τρυπ-άω : τρύμ-η (Specht KZ 68, 123) ist nicht glaubhaft. — Die Vorgeschichte von τρυπάω bleibt im übrigen ungewiß. Wegen des späten und vereinzelten Vorkommens von τρύπη ist das Verb kaum als denominativ aufzufassen (vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 357); eher alte Iterativbildung; τρύπανον ist morphologisch mehrdeutig. II-937
τρῡτάνη f. ‘das Zünglein an der Waage’ (ion. att.) mit -ανεύω ‘wiegen’ (Golss.). — Bildung wie πλεκτάνη, βοτάνη u.a. von τρύω; somit eig. von der Öffnung, in der sich die Zunge bewegt, "foramen, intra quod linum vel lingua, de quo examinatio est" (Sch. zu Pers. 1, 7 als Erklärung von lat. LW trutina). II-937
τρυφάλεια f. Bez. eines Helms (Il., χ 183), eig. ‘mit vier φάλοι versehen’, = κόρυς τετράφαλος. — Univerbierung von τρυ-’vier’ (Schwundstufe von τέσσαρες; s.d. und τράπεζα) und φάλος rnit εια-Suffix, wohl eig. Adj. (zu κόρυς) nach ἠρι-γένεια usw. Zur Sache Trümpy Fachausdrücke 40 ff. m. weiterer Lit. (u.a. Bechtel Lex. s.v.); dazu noch Gray Class Quart. 41, 114 ff. und Krischen Phil. 97, 184 ff. II-937
τρυφή, τρύφος s. θρύπτω. II-938
τρύχω (ῡ) fast nur Präs. u. Ipf. (Fut. Ptz. τρύξοντα ρ 387), ‘aufreiben, erschöpfen, quälen’, Med. ‘sich aufreiben, schmachten’ (vorw. ep. ion., poet. seit Il.). auch mit κατα- u.a., Davon τρῦχος n. ‘Lumpen, Fetzen, zerlumptes Kleid’ (S., E., Ar., Arist., Thphr.; wie λαῖφος u.a.) mit Demin. τρυχ-ίον n. (Hp.. Aret.), Adj. -ηρός ‘zerlumpt, abgenutzt’ (E.), ‘aufreihend, quälend’ (Vett. Val.), nach λυπηρός u.a.; -ινος ‘zerlumpt’ (J., Gal. u.a.). Denominativ τρυχόομαι, -όω (ἐκ-) = τρύχομαι, -ω in τετρυχωμένος (Hp., Th. usw.), τρυχ-ωθῆναι (Hp.), -ῶσαι, -ώσειν (Th.), -οῦται (Mimn.), -όω (Gal., Hdn.); davon -ώσεις f. pl. ‘Qualen’ (Max. Tyr.). — Bildung wie σμή-χ-ω, νή-χ-ω, ψώ-χ-ω usw. (Schwyzer 702 und 685, Chantraine Gramm. hom. 1, 330); s. τρύω. II-938
τρύω, Aor. τρῦσαι, Fut. τρύσω, meist Perf. Pass. τέτρῡμαι mit Ptz. τετρυμένος, ‘aufreiben, erschöpfen’ (ion. att.). vereinzelt m. ἀπο-, κατα- u.a., Als Vorderglied in τρυσ-άνωρ ‘Männer erschöpfend’ (S.), τρυσί-βιος ‘das Leben aufreibend’ (Ar.), τρυσ-ίππιον n. ‘Zeichen, das man einem ausgedienten Pferd aufbrannte’ (Eup., Poll., EM) mit Rückbildung τρύσιππος m. Bez. des betreffenden Pferdes (Theognost. Kan.). Davon τρῦσις· νόσος, πόνος; τρυσ[σ]όν· νοσερόν, λεπτόν, ἀσθενές H.; τρύος n. = πόνος (Kall. ap. Et. Gen.; s. Powell Coll. Alex. 96). Auch τρύσκει· τρύχει, ξηραίνει H. — Die häufigste Form, Perf. Pass. τέτρῡμαι stimmt zu εἴρῡμαι (< *ϝέ-ϝρῡ-μαι), εἴλῡμαι (< *ϝε-ϝλῦ-μαι), πέ-πνῡ-μαι u.a. und kann die übrigen Formen nach sich gezogen haben. Die gleiche Tiefstufe auch in τρῦμα, -μη, τρῡπάω, τρύχω. Sie ist ebenfalls auf balt.-slav. Boden zu belegen in aksl. tryjǫ, tryti ’τρίβειν’, lit. trū-n-iù, -n-ė́ti ‘faulen, modern, verwesen’ neben trŭ-, treu- in aksl. trovǫ, truti ‘aufreiben’, lit. trunù, -ė́ti = trūnė́ti. Eine hochstufige Form liegt in τέρυς vor, s.d. Vgl. noch τείρω, τετραίνω, τιτρώσκω mit weiterer Lit. II-938
τρώγω, Aor. τραγεῖν (fast nur m. Präfix, bes. ἐν-), junger κατα-τρῶξαι, Fut. τρώξομαι, Perf. Pass. τέτρωγμαι, ‘zernagen, abfressen, essen’, meist von rohen Früchten (ion. att. seit ζ 90), später ‘essen’ im. allg. oft m. Präfix, bes. im Aor., z.B. κατα-, ἀπο-, παρα-, ἐν-, Zahlreiche Ableitungen. A. Mit Hochstufe: 1. τρῶγ-ες m. pl. = θηρία τὰ ἐν τοῖς ὀσπρίοις (Stratt.; wie θρίψ, πτώξ usw.); als Hinterglied u.a. in κυαμο-τρώξ ‘Bohnenfresser’ (Ar.); vgl. τρῶγας (zu 3. unten). 2. τρώκ-της m. ‘Nager, Näscher, Betrüger, Schelm’ (ξ 289, ο 416 u.a.; zur Bed. usw. Fraenkel Nom. ag. 1, 75 f.); auch N. eines Fisches (Ael., lat. LW tructa? W.-Hofmann s.v.); als Hinterglied, z.B. in πτερνο-τρώκτης (Batr.); -τίς f. (Tz.), -τικός ‘gefräßig’ (Ph., Tz.). 3. τρώγ-λη f. ‘Höhle, Loch’ (Hp., Herod., Arist., LXX, Batr. u.a.) mit -λύδριον Demin. (Hdn. Gr.), -λίτης m. N. eines Vogels (Hdn.Epim., Eust.; ausführlich Redard 85), -λῖτις f. Beiw. verschiedener Pflanzen = τρωγ(λ)ο-δύτις, -δυτική (Edict. Diocl. u.a.; s. unten und Redard 77). Als Vorderglied in τρωγλο-δύτης m. "Hohlenkriecher", von allerhand Tieren, z.B. Füchsen, Schlangen, auch ‘Zaunkönig’, mit -δυτέω, -δυτικός (Arist. u.a.); -δύνων m. parod. Beiwort einer Maus (Batr.). Daneben Τρωγο-δύται m. pl. N. eines äthiopischen Volkes (Hdt. 4, 183 codd. ABC, Pap. u.a.; bei Str. u.a. auch Τρωγλο- ~ geschr.) mit — δύτις , -δυτικός (D. S., Plu. u.a.); vgl. τρῶγας· τρώγλας H. und Schwyzer 260 m. Ber. u. Nachtr. (830; m. Lit.). 4. τρωγ-άλια n. pl. (selten sg.) ‘Näschereien’ (Pi., Fr. 124, Ar., Arist., hell. Inschr. u.a.). 5. -ανα n. pl. ‘ds.’ (Sparta Ip). 6. -ματα pl. ‘ds.’ (Philox.). 7. τρῶξ-ις (ἀπό-) f. ‘das Nagen’ (Hp., Arist. u.a.) mit -ιμος ‘eßbar, in rohem Zustande’ (Theok.), -ιμα n. pl. ‘eßbare Früchte’ (Hp., Pap.; Arbenz 50). 8. -ανα n. pl. ‘dürres Holz’ (Thphr.), wie λείψανα, ὄψανα u.a. (vgl. τραύξανα). 9. -αλλίς, -ίδος f. ‘Heuschrecke’ (Alex., Dsk., Plin. u.a.), wie θρυαλλίς, πυραλλίς u.a. (Schwyzer 484, Chantraine Form. 252). — B. Mit Tiefstufe (vom Aorist τραγεῖν): 1. τραγ-ανός ‘eßbar’ (Hdn. Gr., EM), wie ἐδανός. 2. -αλίζω = τρώγω (Ar. ?K 674), nach πυκταλίζω u.a.; -άλια = τρωγάλια (Theognost.). 3.-ήματα n.pl. (selten sg.) ‘Näschereien, Nachtisch’ (Kom., X., Arist. usw.) mit -ημάτια, -ηματώδης, -ηματίζω, -ημα-τισμός; nach ἐπιφορήματα u.a. (Specht KZ 65, 213). — Zu τράγος s. bes. — Zum Ablaut τρώγω : τραγεῖν Schwyzer 340 u. 359. Derselbe Wechsel kann in zwei armen. Wörtern vorliegen, die sich aber wegen des Lautwandels begrifflich voneinander entfernt haben: aracem ‘weiden’ (= τραγεῖν), t‘urc, Gen. t‘rcoy ’γνάθος, Kinnbacke’, das auf idg. *trōĝ- zurückgehen kann (eig.*"Esser, Kauer"); s. Lidén Armen. Stud. 33ff. Hierher noch toch. AB trāsk- ‘kauen’, wahrscheinlich aus *trāk-sk-, mit mehrdeutigem Vokal (sowohl ō wie ᾰ denkbar); v. Windekens Lex. étym. s.v. — Eine davon unabhängige Gutturalbildung zeigt got. þaírko ‘Loch’ (idg. terg-), womit lat. tergō, -eō ‘abreiben, abmischen’ verbunden zu werden pflegt (W.-Hofmann s.v., WP. 1, 732, Pok. 1073). — Weitere Beziehung zu τρω- in τιτρώσκω usw. (s.d.) ist sehr erwägenswert. II-938-939
τύβαρις, Akk. -ιν Bez. einer dorischen Salatspeise = "ἐν ὄξει σέλινα", d.h. ‘in Weinessig eingemachter Eppich’ (Poll. 6, 71). — Unerklärt. Gegen Verbindung mit dem ON Σύβαρις (Fick BB 22, 50) Neumann Heth. u. luw. Sprachgut 86f., der statt dessen mit begreiflichem Vorbehalt τύβαρις mit bildluw. tu-warsa- ‘Wein, Weinstock’ (voraus auch θύρσος) verknüpfen will. II-940
τυγχάνω, Aor. τυχεῖν, ep. auch τυχῆσαι, redupl. Formen Konj. τετύχῃσι, Opt. τετύχοιμι (sp. und künstlich), Fut. τεύξομαι (alles seit Il.), Perf. τετύχηκα (seit κ 88), Ptz. -ηκώς od. -ηώς (P 748), τέτευχα (jungatt. usw., ἐτετεύχεε Hdt.), τέτυχα (Aristeas u.a.), Med. Aor. τεύξασθαι (LXX), Pass. ἐν-ετεύχθην, Perf. ἐπι-τέτευγμαι (Plb.), ‘das Ziel, den Zweck erreichen, treffen, antreffen, zufällig begegnen’, intr. ‘sich treffen, zufällig zuteil werden. sich zufällig ereignen’. sehr oft m. Präfix, z.B. ἐν-, ἐπι-, ἀπο-. συν-, Ableitungen: 1. τύχη f. ‘Zufall, Ereignis, Glückszufall, Schicksal, Los’, auch personifiziert wie lat. Fatum (seit h. Cer. 420, Hes. Th. 360; appellat. seit Archil. u. Pi.), mit τυχ-ηρός ‘zufällig, glücklich’ (A. in lyr., Ar., Arist. usw.), -αῖος ‘zufällig’ (Plu., J., AP), τὸ Τυχαῖον ‘templum Fortunae’ (D. C., Inschr.), ἡ Τυχαία = Τύχη (Inschr. Palästina); τὰ Τυχεῖα ‘Fest zu Ehren der Τύχη’ (Lampsakos); -ικός ‘zufällig’ (Plb., Phld. usw.), -άδιον n. Demin. (Eust.); -άζεσθαι· στοχάζεσθαι H. (τυχασάμενον Erot. = στοχασάμενον Hp.); ἐντυχαλός· ἐντευκτική H. Τύχων, -ωνος m. Bein. des Hermes u.a. (Magnesia IIIa, Str., AP u.a.). 2. τεῦξις f. ‘Erreichung’ (Plu., Arr., S. E. u.a.), früher und öfter zu den präfigierten Verba, z.B. ἐπί- ~ ‘Erreichung, Erlangung’ (Arist. u.a.). ἔν- ~ ‘Zusammenkunft, Besuch, Gesuch’ (Pl., Arist. usw.). ἀπο- ~ ‘das Verfehlen, Fehlbitte’ (hell. u. sp.) mit ἐπι-, ἐν-, ἀπο-τευκτικός usw. 3. ἀπό-, ἔν-, ἐπί-τευγμα (zu ἀπο-τυγχάνω usw.) n.: ἀπό- ~ ‘mißlungenes Unternehmen’ (Arist. usw.). ἔν- ~ ‘Begegnung’ (D. S.), ἐπί- ~ ‘Erfolg, Glück’ (hell. u. sp.); aber τεῦγμα zu τεύχω (s.d.). — 4. Als Hinterglied -τυχής mit Beziehung auf sowohl τύχη wie τυχεῖν, z.B. εὐ-τυχής ‘glücklich’, δυσ-τυχής ‘unglücklich’ mit -ία, -έω, -ημα, -ησις (Pi., ion. att.); sehr oft zu den präfigierten Verba, z.B. ἐπιτυχ-ής (: ἐπι-τυχεῖν) ‘das Richtige treffend, erfolgreich’ mit -ία, -ίη ‘Erfolg. Glück’ (ion. att.). Auch -τυχος (ganz selten), z.B. ὀψί-τυχος ‘der (das Glück) spät erreicht’ (sp.). Als Vorderglied in PN, z.B. Τυχ-άρετος, Τύχ-ανδρος. — Neben dem Nasalpräsens τυγχάνω und dem themat. Wz.-Aor. τυχεῖν steht seit Beginn der Überlieferung mit abweichender Bed. das hochstufige Wz.-Präs. τεύχω mit dem σ-Aorist τεῦξαι (s.d.). Die semantische Differenzierung hängt wahrscheinlich mit der verschiedenen Bildungsweise, zumal der Präsentia, zusammen (Chantraine Gramm. hom. 1,316 m. Lit.; vgl. Schwyzer 701 u. 756). Beide Paradigmata haben sich aus einem nicht näher bestimmbaren idg. Keim im Griech. durchaus selbständig entwickelt; vgl. die Ausführungen bei Kuiper Nasalpräs. 156 f. m.. Lit. Als Verwandte werden seit langem einige germ., auch einige baltoslav. und kelt. Wörter betrachtet, z.B. got. daug, ahd. toug (Präteritopräs.) ‘es taugt, nützt’ mit ahd. tuht ‘Tüchtigkeit, Kraft’, nhd. tūchtig, lit. daũg ‘viel’, russ. djužij ‘stark, robust, kräftig’, ir. dūal ‘passend’, dūan ‘Gedicht’, alles aus idg. dh(e)ugh- herleitbar. In jeder Hinsicht mehrdeutig dagegen heth. duqqa-, z.B. UL duqqari ‘es ist nicht von Wichtigkeit’ (Hofmann Et. Wb. mit Sturtevant). WP. 1, 847 u. Pok. 271 m. Lit. und weiteren Hypothesen, auch Fraenkel und Vasmer s.vv., ebenfalls m. Lit. —Semantisch besser zu τύχη, τυγχάνω stimmt ein kelt. Wort für ‘Glück’, ir. tocad, kymr. tynged, das aber eine Tenuis -k- voraussetzt und deshalb auch anderswo untergebracht worden ist (idg. tenq-; WP. 1, 725f., Pok. 1068). — Anders über Τύχη Pisani REIE 1,238 ff.: als Bez. einer alten theriomorphen Fruchtbarkeitsgöttin zu aind. Kāma-duh(ā) "Die Wünsche gewährende", ‘Wunschkuh’ und nur volksetymologisch an τυγχάνω angeschlossen (das von P. zu τύ-πτω, lat. tu-ndō usw. gestellt wird[?]); dagegen Herzog-Hauser WienStud. 63, 157 ff. Weitere Lit. zu τύχη bei Luther Weltansicht und Geistesleben 62 f., dazu noch P. Joos Τύχη, φύσις, τέχνη. Studien zur Thematik frühgriech. Lebensbetrachtung. Diss. Zürich 1953, A. Zimmermann Tyche bei Platon. Diss. Bonn 1966. Näheres zu τυγχάνω bei Homer Trümpy Fachausdrücke 117f. II-940-941
τυΐ · ὧδε. Κρῆτες, ἰν τυΐν· ἐν τούτῳ H. Dazu äol. τυῖδε ‘hier’ (Sapph.). — Bildung nach *πυϊ in arg. kret. ὀ-πυι, Lok. von πυ-= aind. kū́ ‘wo?’, kú-tra ‘wo(hin)?’, osk. puf ‘ubi’ usw.; idg. qʷu- neben qʷo- in πόθεν (s.d.) usw. — Mit Übergang von υι zu υ (Schwyzer 199) und hinzugefügtem -ς ergaben sich πῦς (Sophr.), rhod. ὅπυς u.a., s. Schwyzer 622 m. Lit. u. weiteren Einzelheiten. II-941
τύκος (Poll. 7, 118 u. 125), τύχος (hell. Inschr., H.; bei E. HF 945 τύχαις cod. für τύχοις od. τύκοις) m. ‘Gerät zum Bearbeiten der Steine, Schmiedehammer, Steinaxt’, auch ‘Streitaxt’ (Hdt. 7, 89: codd. κ und χ). Als Hinterglied in εὔ-τυκος (-χ-) ‘bereit, fertig’ (B., A., Theok., Kall. u.a.) mit εὐτυκ-άζου (cod. -αζον)· εὔτυκ[τ]ον ἔχε, ἕτοιμον H. (danach bei A. Th. 150 [lyr.] wiederherzustellen), -ίζω (EM), -ῶς· ῥᾳδίως καὶ τὰ ὅμοια H. Davon τυκ-ίζω ‘Steine bearbeiten’ (Ar. Av. 1138, Poll.) mit -ίσματα (τυχ-) n. pl. ‘Steinbauten, -mauern’ (E.), auch ἀπο-τυχίζω = ἀποπελεκάω (Paus. Gr., H.), ἐκ-, προσ- ~ (att. Inschr. IVa; vgl. P. Maas Glotta 35, 300), -ίον = τύκος (Enst.), -άνη f. ‘Dreschvorrichtung, Dreschflegel’, lat. tribula, trahea (Theognost., Eust., Gloss.), -άνιον n. ‘ds.’ (Pap., Gloss.). Auch τυτάνη· ὄργανόν τι, ᾧ χρῶνται εἰς τὸν ἀλοητὸν τοῦ σίτου H. (nach den Nomina auf -τάνη?) und τρυγάνη· ἡ τὸν σῖτον ἀλοῶσα (Gloss.; nach τρυγάω?). — Als urspr. Verbalnomen (vgl. Porzig Satzinhalte 319) gehoert τύκος zu einem slav. Verb für ‘stechen, stoßen’ in aksl. tъknǫti, russ. tknútь, wozu noch mit anderen Ablaut aruss. kslav. is-tukati ‘aus Metall schneiden, gießen’ mit istukanъ ‘geschnitten, gemeißelt’, russ. istukán ‘Idol, Götterbild’; auch aksl. tykati, russ. týkatь ‘stechen, stoßen’ = lett. tūkât ‘kneten, drücken’. Mit letzterem läßt sich auch ein germ Verb gleichsetzen, ahd. dūhen ‘drücken’, ags. þȳ(wa)n, þēon ‘drücken, stoßen, stechen’. Auch ein isoliertes kelt. Nomen kann hierher gehören, air. toll, kymr. twll ‘hohl. Höhle, Loch’ (aus idg. *tuq-slo-). Weiteres (nach Curtius 219f., Fick 1,446; 2,134 u.a.) bei WP. 2, 615f., Pok. 1032, Vasmer s. tkatь, týkatь und istukán. — Die sehr gewöhnliche aspirierte Form τύχος, -ίζω ist von τεύχω u. Verw. beeinflußt. II-941-942
τύλη (-ῡ- AP) τύλος m. ‘Wulst, Schwiele, Buckel, Nagel, Pflock’ (X., Ar., Nik., Hero, Str. usw.). f. ‘Wulst, Schwieg, Polster, Pfühl’ (Sapph., Kom., Pap., AP u.a.); Einige Kompp., z.B. τυλ(ο)-υφάντης m. ‘Polsterweber’ (Hyp., Pap. VI-VIIp), -ειδής ‘wulst-, schwielenähnlich’ (Mediz.), περί-τυλος ‘von τύλοι umgeben’ (Delos), ‘schwielig’ (Sor.). Davon 1. Demin. τυλ-ίον n. ‘kleiner Nagel’ (Hero u.a.), -άριον n. (: τύλη, τύλος Pap. u. Inschr. III-VIp u.a.), -αίνιον n. ‘kleine Schwiele’ (Aret.; von *τύλαινα nach φλύκταινα?). 2. -εῖον n. ‘Polster’ (S.Fr. 468, hell. Pap. u.a.). 3. τύλαρος· μάνδαλος, τυλαρώσας· μανδαλώσας H. 4. τύλ-ων, -ωνος m. ‘mit schwieliger Haut versehen’ (Gloss.). 5. -όεις ‘schwielig’ (Nik.), -ώδης ‘ds.’ (Plu., Mediz.). 6. τυλό- ομαι, -όω, auch m. ἀπο-, ἐκ-, περι- u.a., ‘Schwielen bekommen, schwielig machen’ (X., Theok., Mediz. u.a.), τυλωτός, τετυλω-. μένος ‘mit Buckeln beschlagen’ (Hdt.); davon (ἐκ-, περι-)-τύλωσις (Mediz. u.a.) mit -ωτικός; -ωμα n. (Poll., H.). 7. τυ-λίσσω, -ίττω, fast nur m. Präfix, bes. ἐν-, zu einer Wulst machen, knäueln, (ein)wickeln’ (Kom., Hp., Ev Matt., Luk., Gal. usw.) mit τύλ-ιγμα H. als Erkl. von ἕλιξ, -ιγμός m. ‘das Wickeln’ (Sch.). Rückbildung ἐντύλη f. ‘Einwickeltuch’ (Pap.IIa; vgl. Mayser Pap. I: 2, 22). — Unklar τύλλος m. etwa ‘Kasten’ (D. C. 79, 20). — Wegen seiner schwankenden Bed. und seines kleinen, wenig charakteristischen Lautkörpers gibt sich ein Wort wie τύλη, -ος nur allzu leicht zu etymologischen Kombinationen her. Als Verwandte werden u.a. angeführt: aus dem. Baltoslav. (-ū-) apreuß. tūlan Adv. ‘viel’, lit. tū́las ‘so mancher, ziemlich viel’, tulìs ‘Dille am Wagen, Stecksel, Achsnagel usw.’, aksl. tylъ, russ. týl ‘Nacken’; aus dem Germ. awno. þollr ‘Baum, Pflock’, ags. þoll, mnd. dolle, nhd. Dolle ‘Ruderpflock’, obd. Doll-fuß ‘angeschwollener Fuß, Klumpfuß’, mnd. westfäl. dülle ‘Beute’ (Holthausen IF 62, 157), alles anscheinend aus idg. *tul-no-; aus dem Lat. tullius etwa ‘Schwall, Guß’, aus dem Kelt. kymr. twl ‘runde Erhebung’, aus dem Alb. tul ‘Fleischstück ohne Knochen, Wade’, aus dem Aind. tū́lam n. ‘Rispe, Wedel, Büschel usw.’ (von Mayrhofer stark angezweifelt). Aus dem Griech. wurde noch σάλος ‘unruhige Bewegung des Meeres, Wogenschwall’ (vgl. lat. tullius) hierher gestellt (Persson Beitr. 1, 484 mit Prellwitz). — Da in einer idg. Lautfolge tul- die Liquida suffixal sein muß, stellt sich tu-l- neben tu-m- und tu-bh- (s. τύμβος, τύφη) als eine Erweiterung von tū̆-(tēu-, təu-) ‘schwellen’ heraus. Ausführlich darüber WP. 1, 709 f., Pok. 1081; dazu noch W.-Hofmann, Fraenkel und Vasmer s.vv. Vgl. noch ταΰς, σωρός, σῶς. II-942-943
τύμβος 1. m. ‘Erdhügel, Grabhügel, Grab’ (seit Il.). Kompp., z.B. τυμβο-χόος ‘grabaufschüttend’ (A.) mit τυμβοχο-έω ‘einen Grabhügel aufwerfen’ (Hdt., v.l. Φ 323), -η f. ‘das Aufwerfen eines Grabhügels’ (v.l. Φ 323; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 86), ὀθνιό-τυμβος ‘im fremden Lande bestattet’ (Man.). Davon 1. Adj. τύμβ-(ε)ιος ‘zum Grabhügel gehörig’ (Lyk., Inschr.), -ίδιος ‘ds.’ (Orph.; wie κουρ-ίδιος u.a.). 2. -ίτης λᾶας ‘Grabstein’ (AP; Redard 115). 3. -ίον n. Demin. (Sch.). 4. τυμβὰς γυνή· τυμβάδας ἔλεγον τὰς φαρμακίδας, ἀπὸ τοῦ περὶ τοὺς τύμβους διατρίβειν καὶ τοὺς νεκροὺς ἀκρωτηριάζειν H. 5. -οσύνη N. einer Mauer in Konstantinopel, die mit Grabsteinen instandgesetzt war (VIp). 6. τυμβεύω ‘begraben’, intr. ‘im Grabe ruhen’ (S., E., Ar. u.a.), ἐν-τυμβεύομαι ‘im Grabe ruhen’ (Ph.), mit -εία f. ‘Begräbnis’ (Suid.), -ευμα n. ‘Grab’ (S.), ‘Leichnam’ (E.). — Mehrere Hypostasen, z.B. ἐπιτύμβ-ιος (A., S., Plu., AP u.a.), -ίδιος (A. in lyr. u.a.) ‘an od. auf dem Grab, zum Grab gehörig’. — Neben τύμβος steht in derselben Bed. korkyr. τῡμος (VIa; Länge metr. gesichert), das bis auf die Vokallänge zu lat. tum-ulus ‘Erdhügel’ stimmt und sich weiterhin mit lat. tum-eō, germ., z.B. ags. þūma, ahd. dūmo, nhd. Daumen u.a.m. verbinden läßt. Dagegen steht das anscheinend mit β erweiterte τύμβος allein da, sofern man es nicht mit den mehrdeutigen kelt. Formen mir. tomm m. ‘kleiner Hügel’, kymr. tom f. ‘Erdhügel’ identifizieren will. Es bleibt deshalb zu erwägen, ob nicht τύμβος (wie auch die kelt. Wörter) eine nasalierte Form der in τύφη (s.d.) vorliegenden bh-Erweiterung ist; zur Deaspiration nach dem. Nasal vgl. θρόμβος, θάμβος und ganz besonders die sinnverwandten κόρυμβος : κορυφή. Aind. tumbaḥ m. ‘Flaschengurke’, wahrscheinlich auch tuṅgaḥ ‘hoch, Anhöhe’ sind fernzuhalten (s. Mayrhofer s.vv.). — Die Annahme, τύμβος sei eine vorgriech. Entsprechung von τάφος (Merlingen Das "Vorgriechische" 3f. u.a. mit Georgiev), scheitert schon an den von Haus aus verschiedenen Bedd. dieser Wörter, da τάφος (mit τάφρος und θάπτω) den Graben, die Grube (= fossa), τύμβος dagegen (wie tumulus) den Hügel bezeichnet. — Weiteres bei WP. 1, 708 u. 712f., Pok. 1080 u. 1082, W.-Hofmann s. tumeō (m. Lit.). Altere Lit. auch bei Bq. — Aus τύμβος mlat. tumba ( > frz. tombe usw.). Arm. t‘umb ‘Aufschüttung, Erdwall’, von Adjarian MSL 20, 162 als urverwandt mit τύμβος betrachtet, hängt wohl höchstens indirekt damit zusammen. Ob zu syr. [Lex.] tunpā ‘collis’? (Prof. Lewin mündlich). II-943-944
τύμβος 2. in ὦ τύμβε von einem Alten (Ar. Lys. 372), γέροντα τύμβον bzw. γέροντος ... τύμβου (E. Med. 1209, Herakl. 167); τυμβογέρων· ἐσχατογήρως καὶ παρηγμένος τῇ διανοίᾳ H. (Ar. Fr. 35, Kom.Adesp. 1172 u.a.); παρτετύμβει· παραφρονεῖ, ἡμάρτηκεν H.; τετυμβωμένος = decrepitus (Gloss.). — Offenbar metaphorischer Gebrauch von 1. τύμβος. Anders Bq (m. Lit.); abzulehnen. II-944
τύμπανον, auch τύπανον n. ‘Handpauke, Handtrommel’ (ion. att. seit h. Hom. 14, 3), auch übertr. als technischer Ausdruck, ‘Folterwerkzeug’ (Ar. u.a.), ‘Wasserrad’ (Plb., Pap.), ‘Trommel in einer Maschine’ (Hero; auch -ος m.) usw. Vereinzelte Kompp. wie τυμπανο-τερπής ‘sich an Trommeln ergötzend’ (Orph.,) φρεατο-τύπανον n. ‘Wasserrad’ (Plb.). Zahlreiche Ableitungen. 1. τυμπάν-ιον n. ‘Maschinentrommel’ (Hero), Bez. einer Haartracht (Str.) usw. 2. -εύς m. ‘Zylinder’ (Hero). 3. -άριος m. ‘Trommler’ (Pap. VIp). 4. -ίας, ion. -ίης (ὕδρωψ) m. ‘Art Wassersucht (wobei der Bauch wie eine Trommel ausgespannt wurde)’, bzw. ‘der daran leidende’ (Mediz.). 5. -ίτης m. ‘Art Wassersucht’ (Mediz.; Redard 104). 6. -ικός ‘an Wassersucht leidend’ (Alex. Trall.). 7. -όεις ὕδρωψ (Nik.). 8. -ώδης ‘paukenähnlich’ (Sor.). 9. τυμπανίζω ‘die Pauke schlagen, trommeln’ (Kom., LXX, Str. u.a.), auch = ἀπο- ~ (Ep. Hebr., Luk.); davon τυμπαν-ισμός m. ‘das Trommeln’ (Ar. u.a.), -ιστής m. ‘Trommler’ (Str., Pap.), pl. N. eines Schauspiels des Soph., -ίστρια f. (D., Luk.); ἀπο-τυ(μ)—ανίζω ‘auf dem Rade ausspannen, foltern, prügeln’ (Lys., D., Arist., Pap. usw.) mit -ισμός (Cat. Cod. Astr.). 10. τυμπανόομαι ‘wie eine Trommel ausgespannt werden’ (Hippiatr.). — Bildung wie ὄργανον u.a. Seit alters (z.B. EM 771) zu τύπτω gezogen (daraus die Schreibung τύπανον), wobei der Nasal entweder als sekundär oder als schon idg. (aind. pra-stumpati [Gramm.] ‘mit den Hörnern stoßen’; Kuiper Nasalpräs. 106 f.) betrachtet wurde. Nach anderer Auffassung semit. LW (aram. tuppa, hebr. top u.a. ‘die Trommel schlagen’) mit volksetym. Anschluß an τύπτω und die Gerätenamen auf -ανον; aus sachlichen Gesichtspunkten sehr erwägenswert, s. E. Masson Recherches 94 f. m. Lit. II-944-945
Τυνδαρίδαι, dor. Inschr. Τιν-, m. pl. Bein. der Dioskuren Kastor und Polydeukes, dor. sg. -δᾱς, (h. Hom., Pi., Hdt. usw.) als Söhne des Τυνδάρεος (seit Od.), att. -εως (auch Τευδ-), und der Λήδα. Davon Adj. Τυνδάρ-ειος, f. -ίς Bez. der Klytaimestra und der Helena als Töchter des T. — In Τινδαρίδαι mit Maresch Glotta 14, 298 ff. eine Entsprechung der Διὸς κοῦροι sehend, erklärt Kretschmer Glotta 30, 87ff. (m. Lit.) das Wort als protoidg. mit Anschluß an den etruskischen Namen des Jupiter, Tina, Tinia (aus idg. Din-; s. Ζεύς) und etr. θur, tur ‘Sohn’. Eine konkurrierende Deutung bei Alessio Studi etr. 18,417: Τιν-δαρίδης = Θεό-δωρος als ägäisches Substratwort, zu etr. tur = δῶρον. — Ablehnend Nehring Lang. 16, 1ff.; vgl. noch Belardi Doxa 3, 220 und Schwyzer 65 m. weiterer Lit. II-945
τυννός ‘klein, gering’ (Kall., Theok. u.a.), τυννοῦτος, -ί ‘so klein’ (Ar.), nach τηλικ-οῦτος. — Familiäres Wort mit hypokoristischer Gemination; vgl. τυτθός. II-945
τύντλος m. ‘Kot, Schlamm’ (Men., Sch. Ar. Pax 1148) mit τυντλ-ώδης ‘schlammig, trübe’, von der Rede (Kom. Adesp.), -άζω (Ar.) von den Weinstöcken, was verschieden erklärt wird : πηλοπατέω, ἐπιρραίνειν πηλῷ usw. (s. LSJ). — Unerklärt; ob Kreuzung von τύρβη und ἄντλος? II-945
τύπτω, Aor. τύψαι, auch τυπεῖν (E. in lyr.), τυπτῆσαι (sp.), Pass. τυπῆναι, auch τυφθῆναι und τυπτηθῆναι (sp.), Perf.Pass. τέτυμμαι (alles seit Il.), Fut. τυπτήσω (att.), τύψω (sp.), Perf. Akt. τετύπτηκα (Philostr., Poll.), τέτυφα (Theodos.), Ptz. τετύποντες? (Kall.; Schwyzer 749), ‘mit einer Waffe, einem Stock u. dgl. stoßen, stechen, schlagen’. Zum Gebrauch bei Homer Trümpy Fachausdrücke 98 ff.; zum Suppletivsystem τύπτω : ἐπάταξα : πέπληγα Bloch Suppl. Verba 83 ff. auch m. προ-, κατα- u.a. Zahlreiche Ableitungen. A. τύπος m. ‘Stoß, Schlag; Gepräge, erhabene Arbeit, Relief, Umriß, Gestalt; Abbild, Vorbild, Typus (nachhom.); zur Bed.geschichte Lippold Jb. d. deut. arch. Inst. 40, 206ff.; Roux Rev. ét. anc. 63, 5ff. (m. weiterer Lit.). Oft als Hinterglied, z.B. ἀντί-τυπος ‘einen Gegenstoß verursachend, zurückschlagend, wider- hallend, widerspenstig, hart; ein Abbild enthaltend, entsprechend’, Subst. n. und m. ‘Abbild’ (ion. att.) mit ἀντιτυπ-ία, -έω, -ής, -ησις. Davon 1. Demin. τυπ-ίον, -ίδιον n. ‘kleines Vorbild’ (hell. Inschr.), -άριον n. ‘kleine Figur’ (Tz.). 2. -ίς f. ‘Keule, Hammer’ (A. R., Kall. u. a.; wie κοπίς u. a.; Chantraine Form. 338), -άς f. ‘ds.’ (S. Fr. 844, H.; wie λεπάς u.a.). 3. -ετός m. = κοπετός (D. H.), -ητός ‘ds.’ (Epigramm). 4. τύπης· πλήκτης (H. Theognost.; wohl für -της). 5. -ίας χαλκός ‘gehämmertes Kupfer’ (Poll.; Gegensatz τροχίας). 6. -ικός, Adv. -ικῶς ‘flgürlich, vorbildlich, eindrucksfähig’ (Plu., Gal., Ep. Kor. u.a.), -ώδης ‘die Grundzüge enthaltend, im Umriss’ (Arist., Str. usw.). Verba: 7. -όομαι, -όω,sehr oft m. Präfix, z.B. ἀνα-, ἀντι-, ἐκ-, ἐν-, ὑπο-, ‘einen Eindruck empfangen, geformt werden; formen, bilden, modellieren’ (ion. att.) mit -ωσις, -ωμα, -ωτής, -ωτός, -ωτικός (ἀνα- ~ usw.). 8. -άζομαι = όομαι (Opp.); -άζειν· κόπτειν mit -αστήριον· τὸ τῶν ἁλιέων στυμνίον H. — B. τυπή f. ‘Hieb, Stoß’ (Ε 887, A. R., Nik.; Porzig Satzinhalte 232); τύμμα n. ‘Hieb, Stich, Wunde’ (Hp., A, Arist. usw.); τύψις m. ‘das Schlagen, Wunde’ (J., Nik.), ὑπό- ~ techn. Ausdruck unklarer Bed. (Delos IIa). — C. Zu bemerken noch ἐντυπ-ὰς (Adv.) κεκαλυμμένος ‘mit den Umrissen hervortretend’, d.h. ‘straff, dicht eingehüllt’ (Ω 163; ähnlich A. R., Q.S.; = ὥστε τὸν τύπον τοῦ σώματος φαίνεσθαι II.); dazu ἐντυπαδία· ὅταν τῷ ἱματίῳ τὴν χεῖρα πρὸς πρόσωπα κατειλημμένος στήσῃ H. (richtig?, vgl. Latte z. St.); vgl. ἔν-τυπος ‘geprägt, gemünzt’ (ἀργύριον Poll.), ‘eindrucksfähig’ (Phot.). ἐντυπόομαι, -όω ‘eine Prägung erhalten, einprägen’ (Arist., hell. u. sp.), ἐντετύπασται ‘er ist eingehüllt’ (Pisidien). Mit verbaler Beziehung προτυπ-ής ‘vordringend’ (Plot.; H. R. Schwyzer Mus. Helv. 20, 190 ff.); ὀρο-τύπος ‘den Berg schlagend’ (ὕδωρ; A. Th. 85 [lyr.]), ὄρει- (ὀρεο-, ὀροι-)τύποι pl. ‘Bergarbeiter’ mit -ία, -ίη (Hp., Thphr., Nik. u.a.). — Zu τύμπανον s. bes. — Regelmäßiges, auf der Tiefstufe aufgebautes Paradigma mit idg. Verankerung: aind. tupáti, tumpáti, tópati usw. ‘verletzen’ (Dhp.), aksl. tъpati ‘pochen (Herz)’, tъpъtъ ’ψόφος’,russ. tópot ‘Stampfen’. Hinzu kommen verschiedene Formen mit anl. s- in wechselnden Bedd.: aind. pra-stumpati ‘mit den Hörnern stoßen’ (Gramm.), lat. stupeō ‘betäubt, erstarrt sein, staunen’, stuprum ‘Entehrung’ (eig. *Betäubung’?), wohl auch στύπος (s.d.) u.a.; WP. 2, 618f., Pok. 1034, W.-Hofmann, Vasmer und Mayrhofer s.vv. II-945-946
τύραννος m. ‘unumschränkter Herrscher, Alleinherrscher, Tyrann’, vereinzelt f. ‘Herrin, Fürstin’, auch als Adj. ‘herrisch, gebieterisch, herrschend’ (seit h. Mart., Pi., ion. att. usw.). Kompp., z.B. μισο-τύραννος ‘Tyrannen hassend’ (ion. att.), τυραννο-κτόνος m. f. ‘tyrannenmordend, Tyrannenmörder’ (sp.). Davon 1. τυρανν-ίς (ἀρχή? Schwyzer 465) f. ‘Allein- herrschaft, ( Gewalt )herrschaft, Tyrannei’ (Pi., ion. att. seit Archil.). 2. -ία f. ‘ds.’ (Xenoph., sp. Pap.). 3. -εῖον, oft pl. -εῖα ‘die Residenz eines Alleinherrschers’ (Str., D. S.,J.,Plu. usw.). 4. -ικός ‘dem Alleinherrscher gehörig, geziemend, gewalttätig, tyrannisch’ (seit A.; Chantraine Études 116ff., 151). Verba: 5. -εύω (nach βασιλεύω), -έω, ganz vereinzelt m. συν- u.a., ‘Alleinherrscher sein, (unumschränkt) herrschen’ (ion. att.). 6. -ησείω Desider. ‘nach der Tyrannei streben’ (Sol. ap. D. L.). 7. -ιάω ‘an Herrschsucht leiden, nach der T. streben’ (J., D. L. u.a.). 8. — ίζ ω ‘es mit dem Tyrannen halten’ (D.). — Unerklärtes Fremdwort aus der kleinasiat.-ägäischen Kultursphäre (wie βασιλεύς, wohl auch ἄναξ, gegenüber dem sicher altererbten κοίρανος). Über die zahlreichen ergebnislosen oder ganz unsicheren Hypothesen, u.a. zu etr. turan ‘Venus’ (eig. *’Herrin’?), orientiert Heubeck Praegraeca 68 ff. Lit. auch bei v. Windekens KZ 74, 123ff. II-946-947
τύρβη (σύρβη Suid., Eust.) f. ‘Verwirrung, Lärm, Getümmel’ (Hp., Isok., X., Plb. u.a.); Adv. τύρβᾰ (σύρβα H.)’durcheinander’(A.Fr. 311,3 = M. 61 8, 3; Akk.sg.? Schwyzer 623 A. 1). Davon τυρβάζω (ἀνα-) ‘durcheinander rühren, verwirren, ausgelassen sein’ (Ar. u.a.) mit -ασία f. (Poll., H.), -ασμα (unsicher; sp.). Unklar τύρβησις· +? ἡλιβατὸν ἀέρα und Τυρβηνός· ἐπίθετον τοῦ ’Απόλλωνος H. — Auch συρβάβυττα ( ? ) ‘drunter und drüber’ (Ar.Fr. 866; Schwyzer a. O.); συρβηνεύς = αὐλητής (σύρβη γὰρ ἡ αὐλοθήκη) ἢ ταραχώδης (H. = Kratin. 84), συρβηνέων χορός (Ath., Suid.); vgl. Bosshardt 44. — Mit τύρβη, woraus σύρβη entweder rein lautlich (Schwyzer 308) oder volksetymologisch nach σύρω, läßt sich lat. turba ‘Verwirrung, Lärm, Gedränge, Schar’ unmittelbar gleichsetzen. Dagegen ist awno. þorp n. ‘Gehöft’, auch ‘Schar, Menschenhaufen’, von asächs. thorp, ahd. dorf nicht zu trennen und gehört wahrscheinlich anderswohin (s. τέραμνα). Neben turba, τύρβη stehen mit m-Suffix lat. turma ‘Schar, Schwadron, Schwarm’ und germ., z.B. ags. þrymm m. ‘Menge, lärmende Schar usw.’; weitere Anknüpfungen s. ὀτρύνω und τορύνη, auch τυρός. — Da indessen eine Lautfolge turb- gegen das idg. Lautsystem verstößt (es wäre *tu̯r̥b- zu erwarten; außerdem ist idg. b verdächtig), bleibt ein gemeinsamer idg. Ursprung für τύρβη und turba etwas fraglich. Auch als Vertreter von idg. *tu̯r̥bhdürfte sich freilich lat. turba erklären lassen, aber für τύρβη scheint eine solche Grundform ausgeschlossen. Ernout-Meillet erwägen für turba Entlehnung aus dem Griech. II-947
τῡρός m. ‘Käse’ (seit Il.). Kompp., z.B. τυρό-κνηστις f. ‘Käse- reibe, -messer’ (Ar., Delos IIIa u.a.); vgl. zu κνῆστις (s. -κναίω); πολύ-τυρος ‘käsereich’ (Pherekr.). Zu βούτυρον (-ος) s. bes. Davon 1. Demin. τυρ-ίον n. (Kom., Pap. u.a.), -ίσκος (sp.), -άσιον n. (Pap. IIIa; od. ‘Gerät zur Käsebereitung’ ?; s. Mayser Pap. I : 3, 44). 2. -ακίνᾱς m. (dor.) ‘Art Käsekuchen’ (Philox. V-IVa; von *-άκινος nach ὀμφάκ-ινος u.a.). 3. -ίτης (πλακοῦς) ‘Käsekuchen’ = lat. scriblīta (Gloss.; Redard 91; vgl. zu στρεβλός). 4. -όεις, -οῦς, dor. -ῶς, f. -οῦσσα, -ῶσσα (ἄρτος, πλακοῦς) ‘käseartig, Käse’ (Sophr., Theok. u.a.), -ώδης ‘ds.’ (Hp., Kos IV-IIIa, Plu. u.a.). Verba: 5. τυρ-εύω, auch m. ἐν-, ‘Käse machen, käsen’, übertr. ‘untereinander mengen, listig anstellen’ (Kom. Adesp., D., Arist. u.a.) mit -εύματα n. pl. ‘gekäste Speisen, Käse’ (E.), ‘listige Ränke’ (Kom. Adespa.), -εία f. ‘ds.’, auch ‘das Käsen, Käsepresse’ (Tab. Heracl., Mykale IVa, Arist. u.a.), -ευσις f. ‘das Käsen’ (Arist.), -ευτήρ m. ‘Käse- bereiter’ (‘Ερμῆς, AP). 6. -έω ‘käsen’ im Aor. ἐτύρησας (Alkm.). 7. -όομαι, -όω, auch m. ἀπο-, ἐπι-, συν-, ‘Käse werden’, Akt. = -εύω (Ar., LXX, Dsk. usw.) mit -ωτός, -ωσις (sp.). — Altes Wort für ‘Käse’ od. dgl., mit aw. tūiri- n. ‘käsig gewordene Milch, Molke’ (wozu tūirya- ‘verkäst, von der Milch’) bis auf die Stammbildung, viell. auch mit mind. (apabhr.) tūra- ‘Käse’ identisch oder wenigstens damit verwandt (s. Mayrhofer s. tuvaraḥ). Weitere Verknüpfungen strittig. Nach einer weitverbreiteten Auffassung (seit Solmsen IF 26, 112ff., 30,34ff.) zu der nicht unbekannten Wz. tū- ‘schwellen’ (s. τύλη und W.-Hofmann s. obtūrō). Dagegen nach Fick 1, 449 und Prellwitz zu tu̯er- ‘drehen, quirlen’ (s. ὀτρύνω, τορύνη, τύρβη); zustimmend Lidén KZ 61, 9 (und Schwyzer 481 A. 11) mit einer Fülle von semantischen Parallelen, u.a. ags. ge-þwēor ‘Käsestoff’ zu þweran ‘schnell herumdrehen, rühren’. Zum mehrdeutigen russ. tvaróg ‘Quark’ s. Vasmer s.v., wo das slav. Wort nicht nur mit τυρός, sondern auch mit lit. tvérti ‘fassen, umzaumen’ verbunden wird (vgl. σορός). II-948
τύρσις, -ιος, -ιδος, pl. -εις f. ‘Turm, Wohnturm, Mauerturm, Burg, Palast, mit Mauer und Turm befestigte Stadt’ (Pi., Hp., X., hell. Dicht. u.a.); bei H. auch τύρρις· πύργος, ἔπαλξις, προμαχών und τύρσος· τὸ ἐν ὕψει οἰκοδόμημα. Demin. τυρρίδιον n. (Sizilien). — Wie lat. turris aus einer Mittelmeersprache entlehnt (Kretschmer Glotta 22, 110ff. mit vielen Einzelheiten). Über die verschiedenen Versuche, τύρσις, turris als LW aus einer idg. Sprache herzuleiten (z.B. illyr. ON -dorgis wie Βου-δοργίς u.a., lyd. ON Τύρρα, Τύρσα mit Τυρσήνοί und *Turs-ci > Tusci neben Etrusci), s. Heubeck Praegraeca 65 f. m. reicher Lit., auch W.-Hofmann s.v. Aus lat. turris ahd. turri, wozu mhd. turn, turm, nhd. Turm usw. — Vgl. πύργος (ebenfalls LW) und πόλις (altererbt). II-948-949
τυτθός ‘klein, zart, jung’, pl. -ά (κεάσαι usw.) ‘in kleine Stücke (spalten usw.)’; Adv. τυτθόν, -ά ‘ein wenig, ein bißchen, kaum, mit genauer Not’ (ep. poet. seit Il.). — Lallwort mit expressivhypokoristischer Gemination und Aspiration. Ähnl. z.B. schwed. tutta ‘kleines Mädchen’, mit anderer Bed. ahd. tut(t)a ‘Brustwarze’ u.a.m. Vgl. τυννός, auch τατᾶ. II-949
τυτώ · ἡ γλαῦξ H. — Lautnachahmend; vgl. Plaut. Men. 653 noctuam, quae ’tū, tū’ usque dicat, lat. tutubāre ‘schreien, von der Eule’, lit. tūtúoti = nhd. tuten, tutùtis ‘erste Flöte, Pfeife’, N. eines Vogels, etwa ‘Krähe, Wiedehopf’, aind. thuthukr̥t m. N. eines Vogels (Lex.) usw. Ähnlich τοῦτις· ὁ κόσσυφος, ταύτασος· ὄρνις ποιός H. — WP. 1, 745, Pok. 1097 m. Lit., Fraenkel s. tutà 2., auch Schwentner KZ 65, 125. II-949
τύφη (ῡ?) f. N. einer zum Ausstopfen von Polstern und Betten verwendeten Pflanze, ‘Typha angustata’ (Thphr., Str., Dsk.), Bez. einer Kopfbekleidung (Tz.; vgl. lat. tūfa unten); -ήρης ‘aus τ. gemacht’ (AP). — Altererbtes Wort mit nahen Verwandten in lat. tūber, -eris n. ‘Höcker, Beule, Geschwulst, Knorren am Holz’ (vgl. zur Bildung gibber, ūber, later), in germ., z.B. anord. þūfa f. ‘Rasenhügel’, ags. þūf m. ‘Laubbüschel, Banner aus Federbüschen’. Aus dem Germ. lat. tūfa ‘Art Helmbüschel’ u.a.m.; dazu mgr. τοῦφα ‘Helmbusch’, ngr. epir. τοῦφα ‘dichtes Bund Gras’ (illyr.?); idg. *tū-bh- neben tu-l- in τύλη (s.d.), tu-m- in lat. tumulus (s. τύμβος). — WP. 1, 712f., Pok. 1080f., W.-Hofmann s. 1. tūber und tūfa. II-949
τυφλός ‘blind, dunkel, ohne Ausgang, verstopft’ (seit Z 139). Einige Kompp., z.B. τυφλό-στομος ‘mit blinder (= verstopfter) Mündung’ (Str.), ὑπό-τυφλος ‘halbblind, schwachsichtig’ (Plu. u.a.). Davon 1. Viele Tiernamen. Schlangennamen : τυφλ-ίας, -ώψ, -ῖνος, -ίνης; ngr. dial. -ίτης (Redard 85, Georgacas Μν. χάριν 1, 126); Fischnamen: -ῖνος, -ήν, -ινίδιον (Strömberg Fischn. 42; vgl. ἀτταγ-ῖνος, -ήν). 2. -ότης f. ‘Blindheit, Verstopfung’ (Demokr., Pl., Gal., Plu.). 3. -ώδης H. als Erkl. von βλάνος. 4. -όομαι, -όω, auch m. ἀπο-, ἐκ- u.a. ‘erblinden; blenden, verstopfen’ (Pi., ion. att.) mit -ωσις (ἀπο-, ἐκ-) f. ‘Erblindung’ (ion. att.). 5. -ώττω ‘erblinden, blind sein’ (hell. u.sp.; zur Bildung Schwyzer 733). Seiner Bildung nach gehört τυφλός zu den zahlreichen Adjektiven auf -λός, die physische oder geistige Gebrechen bezeichnen, z.B. σιφλός, χωλός, τραυλός, δειλός (Chantraine Form. 238). — Ohne unmittelbare außergriech. Entsprechung. Dem in τυφλός eingebauten l- Stamm entspricht ein u-Stamm in air. dub ‘schwarz’ aus idg. *dhubh-u-. Daneben steht im Germ. eine hochstufige thematische Bildung in get. daufs ’πεπωρωμένος’ (mit daub-ei ’πώρωσις’), awno. daufr ‘taub, träge’, ahd. toub ’taub, stumpfsinnig, unsinnig’, idg. *dhoubho-(Bildung wie κοῦφος und got. rauþs, nhd. rōt gegenüber ἐρυθρός). Als urspr. Bed. ist ‘nebelig, umnebelt, vom Geist und den Sinnen’ anzusetzen nach Ausweis des dazu gehörigen τύφομαι; s.d. mit weiteren Hinweisen. II-949-950
τύφοι · σφῆνες H. — Ähnliche Wörter begegnen im Germ., z.B. mnd. dövel, mhd. tübel, nhd. Döbel, Dübel m. (mit nd. Anlaut). engl. dowel ‘Klotz, Pflock, Zapfen, Nagel’ (urg. *dub-ila-; deminuierend od. nomen instrumenti). Dazu mit volkstümlicher Gemination schwed. dubb, norw. dobb ‘eiserner Bolzen’. Somit τύφοι für *θύφοι, idg. dhubh-. Fick 1, 466f., 3, 210; weitere Lit. und weitere Formen bei WP. 1, 848, Pok. 268; auch Bq. II-950
τύφομαι, -ω, Aor. τῠφῆναι (Ar. u.a.), θῦψαι (Plb., H., Suid.), Fut. τυφήσομαι (Men.), Perf. τέθυμμαι, τετύφθαι (Pl., Poll.), Plqu. ὑπ-ετέθυπτο (Apolloph. Kom. Va), Davon 1. τῦφος m. ‘Art Fieber’ (Hp.; Strömberg Wortstudien 69), ‘Dünkel, Stumpfsinn, Irrtum, Torheit’ (hell. u. sp.); als Vorderglied in τυφο-γέρων ‘geistesschwacher Alter’ (Ar.; vgl. τυμβο-γέρων). Dazu τυφ-ώδης ‘fieberhaft’ (Hp.; Strömberg Wortstud. 79), ‘umnebelt, aufgeblasen’ (Vett.Val.); -όομαι (meist Perf. τετύφωμαι), -όω, vereinzelt m. ἐκ-, ὑπο-, ἐπι-, ‘umnebelt, töricht, aufgeblasen sein’, Akt. ‘umräuchern, benebeln, täuschen’ (att., hell. u. sp.), -ωσις f. ‘Umnebelung’ (Tz.); Rückbildung ὑπότυφ-ος ‘aufgeblasen’ (Ion Chius). 2. τυφ-εδών, -όνος f. ‘Stumpfsinn’ (Kall.u.a.), -εδανός ‘stumpfsinnig’ (Ar. V. 1364); vgl. ληθ-εδών, -εδανόςu.a. (Schwyzer 486 u. 530, Chantraine Form.. 361 f.). 3. ὑπόθυψ-ις (θῦψις ‘das Räuchern, Sengen’ Suid.) f. ‘Anfeuerung, Antrieb’ (Plb.). 4. Τυφ-άων, -άονος (h. Ap., Hes. u.a.), -ῶν, -ῶνος (Pi. u.a.). -ώς, Gen. Akk. -ῶ (Pi., A., Ar., Hdt.) m. ‘Wirbelwind’, personif. ‘Typhon, Typhos’; auch -ωεύς, -ωέος m. ‘Typhoeus’ (Β 782f., Hes. Th. 821, h. Hom., A. R. u.a.), formale Erweiterung (Schw. 477, Bosshardt 97f.); dazu die Adj. -αόνιος, -αονίς, -ώνιος, -ωνικός (sp.). Weiteres zum Namen und Mythus Worms Herm. 8 1 , 34 ff. und van der Valk Mnem. 4 : 6, 279 ff. m. Lit.; zur Gesch. des Wortes in neuerer Zeit H. und R. Kahane in Etymologica (Festschrift Wartburg 1958) 417 ff. — Zu τυφλός s. bes. ‘rauchen, qualmen, glimmen’, Akt. ‘Rauch machen, räuchern, sengen, langsam verbrennen’ (ion. att.). auch m. ἐπι-, ὑπο- u.a., — Da die ziemlich seltenen außerpräs. Formen ebenso wie die Ableitungen allem Anschein nach auf dem. Präsens aufgebaut sind, ist bei dem etymologischen Vergleich von dieser Form auszugehen. — Genaue außergriech. Entsprechungen von τύφομαι, -ω fehlen. Formal an nächsten kommen die unter τυφλός behandelten Wörter für ‘blind, dunkel, schwarz, stumpf’. Daneben steht, im Auslaut abweichend, aind. dhūpaḥ m. ‘Räucherwerk’, das indessen eine Rückbildung vom Kausativen dhū-p-áyati ‘(be)räuchern’ ist (Mayrhofer s.v.) und damit für den Vergleich mit dem Labial in τύφω wegfällt. Dagegen kann das isolierte ahd. tūvar, tūbar ‘wahnsinnig’ in Betracht kommen, ebenso das germ. Wort für ‘Dunst, Nebel, Staub usw.’ in mnd. tuft, duft, anord. dupt, dopt, nhd. Duft. —Parallel damit geht eine Reihe anderer Bildungen, so mit m-Suffix θυμός und θύμος (s. dd.); mit l-Sufflx lit. dū́lis ‘Nebel, Dunst’. Bei Abtrennung aller Formantien kommen wir auf θύω ‘ein Rauch- od. Brandopfer darbringen’ und auf das damit wahrscheinlich uridentische θύω ‘einherstürmen usw.’ zurück; s.dd m. weiterer Lit. Reiche Lit. und weitere Formen auch bei Fraenkel s. dujà. II-950-951
τωθάζω, Aor. τωθάσαι, Fut. -άσομαι, ‘spotten, höhnen, necken’ (ion. att.); auch θωτάζει· ἐμπαίζει, χλευάζει, ἐπιθωτάζοντες· ἐπιχλευάζοντες H. auch m. ἐπι- u.a., Davon τωθ-ασμός (ἐπι-) m. ‘Hohn, Spott, Neckerei’ (Arist., Plb., D. H. u.a.), -άσματα pl. ‘ds.’ (Suid.), -αστής m. ‘Spötter’ (Poll., H.), -αστικός ‘spöttisch, höhnisch’ (D. H., D. L., Poll.). — Unerklärt. Vergebliche Versuche bei Bq (abgelehnt). II-951
ὑ kypr. Präp. und Präfix in ὑ τύχα = ἐπι τύχῃ (kypr. auch ἰ(ν) τύχαι), ὔ-χηρος f. ‘Handgeld’, att. τὰ ἐπίχειρα. — Wohl auch in dem unklaren Ausdruck υϝαις ζαν ’διὰ βίου ( ? )’ (von Schwyzer 631 A. 2 abgelehnt); neue, aus verschiedenen Gründen anfechtbare Deutungen bei Fraenkel IF 60, 142 ff., Hamp ClassPhil. 48, 240ff., Puhvel Lang. 30, 454ff., Lejeune BSL 50, 75ff. — Mit aind. ut-, ud- ‘empor, hinauf’, germ. z.B. got. ut ‘hin-, heraus’, nhd. aus usw. (auch venet. u? Lejeune Rev. et. anc. 54, 74ff.) identisch (idg. *ū̆d)? Einzelheiten m. Lit. bei Schw.-Debrunner 517 m. A. 5; weitere Formen bei WP. 1, 189f., Pok. 1108f. — Vgl. ὕβρις, ὕσπλη(γ)ξ, ὕστριξ, ὕστερος. II-951
‘Υάδες (ῠ und ῡ) f. pl. N. eines Sternbilder, ‘die Hyaden’ (seit Σ 486), sekund. sg. ‘Υάς von der ganzen Gruppe. — Bildung wie Πλειάδες, Κυκλάδες, χολάδες u.a. Im Altertum seit Hellanikos meist als " Regensterne" zu ὕει gezogen, eine Deutung, die indessen aus sachlichen Gründen nicht haltbar ist. Vielmehr von ὗς ‘Schwein’, wie bei Ἄρκτος,Ἔριφοι u.a. mit einem aus der Tierwelt geholten Gleichnis : die Sterngruppe mit dem hellen Aldebaran im Kreis der viel schwächeren übrigen Sterne konnte der Volksphantasie als Muttersau mit ihren Ferkeln erscheinen; vgl. noch συάδες· αἱ ὕες, ἐσχηματισμένως H. Ebenso lat. Suculae ‘ds.’, das nicht Lehnübersetzung aus dem Griech. zu sein braucht, sondern auch als unabhängige volkstümliche Schöpfung gut denkbar ist; s. Scherer Gestirnnamen 146 ff. m. ausführl. Behandlung, auch Szemerényi KZ 71, 2 16 f. II-952
ὕαινα f. ‘Hyäne’ (Hdt., Arist. u.a.), auch als N. eines Meerfisches ‘Charax puntazzo’ (Numen. ap. Ath., Ael.); in dieser Bed. auch ὑαινίς f. (Epich.; Thompson Fishes s.v. und Strömberg Fischn. 100 f. mit Vermutungen über das Benennungsmotiv). Davon auch ὑαίν-(ε)ιος ‘von der Hyäne’ (Plin., Kyrau.), -ίτης m. Bez. eines Steins (s. Redard 62; wohl nach der Farbenzeichnung). — Nach Muster von λέαινα, λύκαινα usw. usw. von ὗς ‘Schwein’. II-952
ὑάκινθος m. f. ‘Hyazinthe’ (Ξ 348, Sapph., Thphr., Theok., Paus. u.a.), Bez. eines blauen Stoffes od. einer blauen Farbe (LXX, Ph., J. Pap.), auch eines kostbaren Steins (sp.). Davon ύακίνθ-ινος ‘von der Hyazinthe, hyazinthfarbig’ (Od., E., X., Samos IVa usw.; zur Bed. vgl. Treu Von Homer zur Lyrik 51 u. 218, André Ét. sur les termes de couleur dans la lg. lat. [1949] 197f. m. Lit.), -ώδης ‘hyazinthähnlich’ (Dsk.), -ίζω ‘einer Hyazinthe ähneln’ (Plin.). — Auch N. eines lakon. Jünglings, der nach der Sage von Apollon durch einen unglücklichen Diskuswurf getötet wurde, eig. ein vorgriech. Gott, der von Apollon verdrängt zu einem Heros herabsank. aber auch mit diesem Gott zu ’Απόλλων ‘Υάκινθος (-θος) verschmolz. Davon τὰ ‘Υακίνθια (kret. ϝακ-) N. eines dor. Festes (Hdt., Th., X.), ‘Υακίνθιος (kret. Βακ-) m. dor. Monatsname (Sparta, Rhodos, Thera, Kreta usw.). Nilsson Gr. Rel. 1, 317f. m. Lit. Zur ion. Lautsubstitution in ‘Υάκινθος für urspr. ϝάκινθος Schwyzer 224 m. A.1, Kretschmer Glotta 13, 247 f. — Unerklärtes Fremdwort. Wiederholte Versuche, das Wort mit Hilfe pelasgischer od. protoidg. Hypothesen zu erhellen, bei Carnoy, z. B. Ant. class. 24, 26, und v. Windekens Ét. pélasg. 39ff (darüber André Rev. de phil. 83, 92 und Heubeck IF 67, 203). Umstritten ist das Verhältnis zwischen ὑάκινθος und dem gleichbedeutenden lat. vaccīnium; s. W.-Hofmann s.v. und Deroy Glotta 35, 185 ff., der wie Meillet MSL 15, 162 beide Wörter als unabhängige Entlehnungen aus einer Mittelmeersprache betrachtet und damit u.a. lat. bāca ‘Beere’ und gr. Βάκχος(!) verbinden will. Weitere Lit. bei v. Windekens a. O. II-952-953
ὕαλος, auch ὕελος (s. unten) f. (m.) ‘durchsichtiger Stein, z.B. Alabaster, Kristall, Bernstein’ (ion. att.), ‘Glas’ (Pl., Arist. u.a.; bei Hdt χυτὴ λίθος). Als Vorderglied u.a. in ὑαλ-ουργ-ός (ὑελ-) m. ‘Glasmacher’ (Str., Pap.) mit -ικός, -εῖον (sp.). Auch ὑάλη ‘ds.’ (H., Phot., Suid.) wie ψάμμη u.a. (Schw.-Debrunner 32 A. 4). Davon 1. mehrere Adj.: ὑάλ- (ὑέλ-)ινος ‘gläsern’ (Korinn., Hp., Ar., Inschr. usw.), -εος, -οῦς ‘ds., durchsichtig wie Glas’ (Str., Pap., AP u.a.), -ικός ‘zum Glasmachen dienend’ (J.), -ῖτις (ἄμμος, γῆ) ‘ds.’ (Thphr., Str., Redard 109), -όεις ‘glasfarben’ (AP), -ώδης ‘glasähnlich’ (Mediz.). 2. Subst. ὑαλ-ᾶς m. ‘Glasmacher’ (sp. Inschr.); -ωμα n. N. einer Augenkrankheit bei Pferden (Hippiatr.; wie γλαύκωμα u.a.); Demin. ὑέλιον n. ‘Spiegel’ (Suid.); davon (oder von ὕελος?) ὑ(ε)λι-άριος m. (Kleinasien). 3. Verb ὑαλ- (ὑελ-)ίζω ‘glasfarben sein’ (Dsk., Ph. Byz. u.a.). — Zur Sache M. L. Trowbridge Philological studies in ancient glass. Urbana 1928 (Ref. von Kretschmer Glotta 21, 177). Nach den alten Gramm. (Phryn. u.a.) war ὕαλος attisch, ὕελος hellenistisch; Näheres bei Schwyzer 243 Zus. 2. — Technisches Wort ohne sichere Erklärung. Auffallend ist die Ähnlichkeit mit dem Vorderglied (?) des "skythischen" (Plin. HN 37,33), d.h. nordeuropäischen Namens des Bernsteins suali-ternicum (Weise BB 12, 159 f., Schrader-Nehring Reallex. 1, 398). Über das Zusammenfließen von Wörtern für Glas und Bernstein (z.B. altgerm. glēsum [Plin., Tac.] ‘Bernstein’ und ahd. glas) s. ebd. 97. II-953
ὑβός (ὗβε [Vok.] Theok. 5, 43 metr. bedingt?) ’bucklig’ (Hp., Theok.), ὕβος (codd.; für ὗ-?) m. ‘Buckel, Höcker’, eines Kamels, eines kyprischen Ochsen (Arist.). Davon ὑβόομαι ‘bucklig werden’ (Gal.) mit ὕβ-ωμα n. ‘Buckel’ (von ὕβος erweitert? Chantraine Form. 187), -ωσις f. ‘Buckligkeit’ (Hp., Gal.). — Mit seinem β-Element gehört ὑβός zur selben Gruppe wie στραβός, κλαμβός und andere Bez. körperlicher Gebrechen (Chantraine Form. 261); es kann somit von diesen Wörtern formal beeinflußt sein. Eine überzeugende Etymologie fehlt. Hypothese von Petersson Balt. u. Slav. Wortstud. (Lund 1918) 74: zu lit. subinė̃ ‘After, Hinterer, Gesäß’, das von *subas = ὗβος abgeleitet wäre. Für voridg. Ursprung von ὑβός, κυφός ebenso wie von aind. kubjá-, kubhrá- Lombardo Ist. Lomb. 91, 243 f. — Frühere Versuche bei Bq (abgelehnt). II-953
ὕβρις, -ιος, -εος, -εως f. ‘Übermut, Überhebung, Maßlosigkeit, Zügellosigkeit, übermütige Handlung, Schimpf, Gewalttätigkeit, Freveltat, Mißhandlung’ (seit Il.). Ganz vereinzelte Kompp., z.B. ὑβρί-γελως m. ‘übermütiges Gelächter’ (Man.), μίσ-υβρις ‘den Übermut habend’ (LXX). Davon ὑβρίζω, dor. (Theok.) -ίσδω, Aor. ὑβρ-ίσαι, Pass. -ισθῆναι usw., oft m. Präfix, z.B. ἀφ-, ἐν-, ἐξ-, ἐφ-, καθ-, ‘übermütig, zügellos sein od. (be)handeln, Gewalt ausüben, freveln, mißhandelt (seit Il.) mit 1. ὕβρ-ισμα (ἐν-) n. ‘übermütige Handlung usw.’, auch ‘Gegenstand davon’ (Hdt., E., D., Plu. u.a.). 2. -ισμός m. ‘ds.’ (A.Fr. 179 = 485 M.). 3. -ισις (nur mit ἀνθ-) f. ‘Gegenbeschimpfung’ (Arist. -Komm.). 4. -ιστής (ἐφ-) m. ‘Gewalttäter, Frevler’ (Ν 633 [vgl. -ιστήρ], Od. usw.), f. -ιστις (EM); -ιστήρ m. ‘ds.’ (v.l. Ν 633, Opp., Nonn., AP), f. -ίστρια (LXX). 5. -ιστος ‘übermütig, schimpfend’ (Pherekr., Pl. Kom.), Steigerungsformen -ιστότερος, -ιστότατος (Hdt. 3, 81 [v.l. -ιστικώτερον], att.; zu -ιστής; s. Fraenkel Nom. ag. 1,209, Schwyzer 542 A. 3). 6. -ιστικός ‘ds.’ (att., Arist. usw.). 7. ἐφύβριστος (: ἐφυβρίζω) ‘schmählich, schmachvoll’ (LXX, Plu., Man., Vett.Val. u.a.). — Auch ὑβρίς, -ίδος f. N. eines nächtlichen Raubvogels, viell. ‘Uhu, Strix bubo’ (Arist., H.; wie ἀηδονίς u.a.)? — Ausführlich über Bedeutung und Gebrauch C. del Grande Hybris. Colpa e castigo nell’ espressione poetica e letteraria degli scrittori della Grecia antica da Omero a Cleante. Napoli 1947 (560 S.); weitere Lit. usw. bei Nilsson Gr. Rel. 1, 735ff. Der Begriff ὕβρις, der im griechischen Geistesleben eine zentrale Stellung einnimmt, hat noch keine überzeugende sprachliche Erklärung erhalten. Weite Zustimmung hat die Anknüpfung an das Präfix oder die Präposition ὑ- (s.d.) und das Adj. βαρύς, βρι-αρός (Bugge BB 14,63) gefunden (Prellwitz, Brugmann -Thumb 517, Bq, WP. 1, 189 u. 686, Pok. 477 u. 1103), obgleich sie vor allem morphologisch ganz unbefriedigend ist. Auszugehen wäre von der Vorstellung, "sich mit dem ganzen Gewicht seiner Kraft auf etwas stürzen" (?). Altere Versuche, an sich kaum weniger kühn, bei Curtius 540. Lewy Festschr. Dornseiff 227 denkt mit Vorbehalt an ir. ūabar ‘Übermut, Prahlen’. II-954
ὑγιής ‘gesund, unversehrt, heilsam’ (seit Θ 524). Ganz vereinzelt als Vorderglied, z.B. ὑγιο-ποιέω ‘heilen’ (D. S.). Davon 1. erweiterte od. umgebildete Adj.: ὑγι-ηρός ‘gesund, heilsam’ (Pi., ion. att.) mit -ηρέστερος (Hdt.) nach ὑγιέσ-τερος; ὑγί-εις ‘ds.’ (Pi.; nach χαρί-εις u.a.; Leumann Hom.. Wörter 66 A. 34); ὕγ(ε)ιος ‘ds.’ (Pap. II-IIIp, Gloss.); ὑγι-ώτερος (Sophr.). 2. Abstraktbildung ὑγι-εία, -ειᾰ, ion. -είη f. ‘Gesundheit’, auch personif. (Simon., Pi., ion. att.) mit -εινός ‘der Gesundheit zuträglich, zur Gesundheit gehörig, heilsam’ (ion. att.), hell. ὑγεῖα, -ία, PN (hell. u. sp.) ‘Υγ(ε)ῖος = lat. Hygīnus (Schwyzer 469, 194 u. 254, 15 u. 248); ganz vereinzelt -ότης f. ‘Gesund- heit’ in der Logik (S.E.). 3. Weitere Nomina: ‘Υγιάτης m. Bein. des Dionysos (Ath., Eust.; Redard 206; nach ’Αγυιάτης u.a.); ὑγείδιον n. N. verschiedener Salben (Gal.). 4. Verba: a. ὑγι-αίνω (δι-, ἐξ-, συν-) ‘gesund sein, sich wohlbefinden, körperlich und geistig’ (ion. att.) mit -ανσις f. ‘Heilung’ (Arist. u.a.). b. -άζω, -άζομαι (ἀφ-, ἐξ-) ‘gesund machen’ bzw. ‘genesen’ (Hp., Arist., hell. u. sp.) mit -άσματα n. pl. = ἀκέσματα (AB), -αστήριον n. ‘Krankenhaus’ (Pap. IIp, Gloss.), -αστός ‘heilbar’ (Arist.), -αστικός ‘zur Heilung dienend’ (Arist., Str., Gal. u.a.); ἀφυγι-ασμός m. ‘Heilung’ (Iamb.). c. -ῶσαι ‘heilen’ (Hp.; falsch für γυιῶσαι?). — Ausführlich über ὑγιής nebst Ableitungen Nadia van Brock Recherches sur le vocabulaire medical du grec ancien (Paris 1961, Études et commentaires 41) 143ff. Alte Univerbierung aus einem idg. Adverb (Präverb) *su-’wohl, gut’ (in aind. su-, aw. hu-, kelt., z.B. gall. su-, balt.slav. su-) und dem Verb für ‘leben’ in ζῆν (s. ζώω und βίος) mit Flexion nach den s-Stämmen: idg. *su-gʷii̯ē-s, wozu anal. ntr. ὑγιές und ὑγιέσ-τερος. Eine nahe Entsprechung bietet aw. hu-ǰyā-ti- f. ‘eine gute Lebensführung, εὐ-ζω-ΐα’. Zum Vorderglied vgl. noch ἐύς. F. de Saussure MSL 7, 89f., WP. 2, 512, Pok. 1037 f. m. weiterer Lit. Ält. Lit. auch bei Bq. II-954-955
ὑγρός ‘naß, feucht, wässerig, flüssig; weich, schlaff, geschmeidig’ (weit Il.). Davon 1. Subst. ὑγρ-ότης, dor. -ότας f. ‘Feuchtigkeit, Weichheit usw.’ (ion. att., Ti. Lokr.); -ηδών, -ηδόνος f. ‘ds.’ (Hp.); Sekundärbildung (statt *ὑγεδών?, Bloch Sprachgesch. u. Wortbed. 22 A. 21) wie κοτυλη-δών, ἀνδ-ηδών, begrifflich zu τηκεδών usw. (Chantraine Form. 361); -ίην· τὸ οὖρον. Διονύσιος H. 2. Verba: a. ὑγρ-αίνω, sehr oft m. Präfix, z.B. καθ-, δι-, ἐξ- (vgl. κάθυγρος oben), ‘benetzen, bewässern’ (ion. att.) mit -ανσις f. ‘Benetzung’ (Gal. u.a.), -αντικός ‘benetzend’ (Diph. Siph. ap. Ath. u.a.); auch καθυγρασμός f. ‘Benetzung’ (sp. Mediz.; vgl. ὑγράζω). b. -άζω ‘naß, feucht sein, werden’ (Hp.) mit -ασία f. ‘Feuchtigkeit’ (Arist., Thphr. u.a.), -ασμα n. ‘ds.’ (Hp.); auch auf -αίνω beziehbar. c. -ώσσω ‘naß, feucht sein’ (A. Ag. 1329; vgl. Schwyzer 732 ζ). Zahlreiche Kompp., z.B. ὑγρο-μελής ‘mit geschmeidi- gen Gliedern’ (X., Poll.), κάθ-υγρος ‘durchnäßt’ (Hp., Thphr. u.a.; vgl. Strömberg Prefix Studies 124 u. 155) mit naher Beziehung zu καθ-υγραίνω usw. — Ohne direkte außergriech. Entsprechung. Als entfernte Verwandte kommen in Betracht einerseits awno. vǫkr, Akk. vǫkvan ‘feucht, naß’, urg. *u̯aku̯a-, idg. *u̯og-u̯o- oder *u̯ogʷ-o-, anderseits lat. ūvidus (mit ūvēscō, ūveō) ‘ds.’, das auf idg. *ūgʷ-idos (bzw. *ougʷ-) zurückgehen kann, aber (zusammen mit ūmidus, ūmeō) auch andere Grundformen zuläßt. s. W.-Hofmann s.vv., WP. 1, 248f., Pok. 1118 mit weiteren Kombinationen (u.a. aind. ukṣáti ‘besprengen’). II-955-956
ὕδερος m. ‘Wassersucht’ (Hp., Arist.), · εἰς ἀμίδα ‘Harnruhr’ (Gal.; wegen der Polyurie, Strömberg Wortstud. 90). Davon die Adj. ὑδερ-ικός, -ώδης, -ιώδης ‘wassersüchtig; die Verba -αίνω, -ιάω mit -ίασις, -άω ‘an Wassersucht leiden’ (alles Mediz.). — Daneben ὅδερος· γαστήρ H. (ὁ- für ὑ- dialektisch? anders Güntert IF 27, 48). — Mit aind. udáram (aw. udara-) n. ‘Bauch’ bis auf Akzent und Genus formal identisch. Daneben lat. uterus m. (-um n.) ‘Unterleib, Bauch’, bes. ‘Mutterleib, Gebärmutter’ mit abweichendem -t- (Erklärung strittig) und, im Anlaut abweichend, baltische Formen, z.B. apreuß. weders ‘Bauch, Magen’, lit. vė́daras, vė́deras ‘Ein- geweide’ (pl. -aĩ), ‘Wurstmagen, Wurst, Unterleib’. — Allgemein wird ὕδερος wegen der Bed. von den übrigen obigen Wörtern (einschließlich ὅδερος) getrennt und zu ὕδωρ gezogen. Eine solche Annahme ist formal nicht besonders wahrscheinlich, da ein hochstufiges ὑδερ- dem Griechischen sonst fremd ist, und semantisch überflüssig : wie aind. udáram auch im Sinn von ‘krankhaft angeschwollener Bauch’ gebraucht wird, kann auch bei ὕδερος eine entsprechende Verschiebung stattgefunden haben, die durch volksetymologischen Anschluß an ὕδωρ erleichtert wurde. Dagegen blieb das lautlich abweichende ὅδερος davon unberührt. — Vermutungen über die Vorgeschichte von idg. *udero-, *u̯ēdero- bei WP. 1, 191 und W.-Hofmann s. vēnsīca. II-956
ὑδέω (metr. ged. -είω), auch ὕδω, ὕδειν (Suid. u.a.). ‘besingen, verherrlichen’ (hell. Epik, coni. E. Hyps. 3, 15) Daneben ὕδη· φήμη, ᾠδή (Theognost. Kan. 19), ὕδης· συνετός, ἢ ποιητής H. — Ohne sichere Etymologie. Am nächsten liegt, in ὑδέω dieselbe Schwundstufe von αὐδή (s.d. m. Lit.) anzunehmen, die auch in aind. Ptz. ud-itá-, Präs. Pass. ud-yáte zu vádati ‘sprechen’ zu belegen ist; eine andere Hochstufe ist in οὐδήεσσα Beiw. von Λευκοθέη und Κίρκη (v.l. Od.) vermutet worden. — Anders Pisani Ist. Lomb. 73, 490 ff.: dialektisch (über *οἰ-) für *ᾠδέω von ᾠδή; ernste Bedenken bei Belardi Doxa 3, 221. II-956
ὕδνον n. N. eines Pilzes, ‘Trüffel’ (hell. u. sp.), ὑδνόφυλλον· ἡ ἐπὶ τοῖς ὕδνοις φυομένη πόη H. (Pamphil. ap. Ath. 2, 62d). — Herkunft unklar. Nach WP. 1, 253 = Pok. 79 (mit zwei Fragezeichen) zu ὕδωρ als ‘saftig’. Anders Strömberg Pflanzennamen 79 (ebenfalls zögernd) : als ‘Regenpflanze’ zu ὕει ‘regnet’. Nach Winter AmJPh 72, 66 ff. von ὗς ‘Schwein’ und einem Wort für ‘Speise’, *(ἔ)δνον (= aind. ánnam); vgl. engl. sow-bread, nhd. Saubrot als Pfl.N. — Zum Fortleben von ὕδνον in der unterital. Gräzität Dawkins JHSt. 56, 1. II-956-957
ὕδρα, ion. -η f. ‘Wasserschlange’, bes. ἡ Λερναία ὕδρα (Hes., Herod., S., E., Pl.); ὕδρος m. ‘ds., Coluber nutrix’ (Β723, Hdt., Arist., Kall. u.a.). Über ὕδρα und ὕδρος als Sternbild (hell. u. sp. seit Eudox. ap. Hipparch.) Scherer Gestirnnamen 190. — Alte Ben. eines Wassertieres, bes. ‘(Fisch)otter’, mit aind. udrá- m. N. eines Wassertieres, aw. udra- m. ‘(Fisch)-otter’, germ., z.B. ahd. ottar ‘ds.’ identisch, idg. *udros m. Daneben mit ū (Länge sekundär; woher?) lit. ū́dra f., auch -as m., slav., z.B. russ. výdra f. ‘ds.’; mit volksetymol. Umbildung (nach lutum, lūtor?) lat. lutra f. ‘ds.’. Weiteres s. ὕδωρ (u.a. ἔνυδρις). II-957
ὕδωρ, -ατος n. ‘Wasser’ (seit Il.). In Kompp. unbeschränkt produktiv, z.B. ὑδρο-φόρος m. f. ‘Wasserträger’, ἄν-υδρος ‘ohne Wasser’ (ion. att.); zur Form des Hinterglieds Sommer Nominalkomp. 133 f.; auch ὑδατο-τρεφής ‘vom Wasser genährt’ (ρ 208), ἀν-ύδατος ‘ohne Wasser’ (Man.) u.a.; vereinzelt ὑδασι-<σ>τεγής ‘vor Wasser schützend, wasserdicht’ (AP 6, 90; zum. Dat. pl. als Vorderglied Schwyzer 446 und Fraenkel Nom. ag. l, 42 A. 2). Hypostasen, z.B. ἔν-υδρ-ις (-ίς) f. ‘Fischotter’ (Hdt., Ar., Arist.), Μεθ-ύδρ-ιον n. Stadt in Arkadien, "zwischen den Flüssen" (Th.) mit -ιεύς m. ‘Bewohner von M.’, Gen. pl. Μετυδριήων (Orchom.; mit altern unaspir. -υ-? Schwyzer Glotta 12, 5 A. 3). Zahlreiche Ableitungen (gedrängte Übersicht). A. Vorn Stamm ὑδρ-: Subst. 1. ὑδρ-ία f. ‘Wassereimer, Urne’ (att., Lokr. Va; eher kollekt. Abstraktbildung als von ὕδριος substantiviert; vgl. Scheller Oxytonierung 56) mit Demin. -ίσκη, -ίον, -ίδιον (hell. u. sp.). 2. -ινεῖον m. ‘ds.’ (Pap. II-IIIp; von *ὕδρῐνος od. *ὑδρῖνος). 3. -ότης f. ‘Feuchtigkeit’ (Prokl.). 4. -ωμα n. = -ευμα (s. unten; ägypt. Inschr.; Erweiterung od. von *-όομαι). 5. ὑδρανας Akk. pl. ‘Gefäß für Reinigungswasser’ (Andania Ia), eher von ὑδράνη als von ὑδράν (vgl. H.: ὑδράνη· τὸ ἀκραιφνὲς καὶ καθαρόν; ὑδράν· εἰς θυσίαν ἀκραιφνές. ‘Ρίνθων; ὑδρανός· ὁ ἁγνιστὴς τῶν ’Ελευσινίων). 6. ‘Υδρ-οῦς, -οῦντος m. Stadt in Kalabrien am ionischen Meere (Kretschmer Glotta 14, 89 f.). 7. -ών, -ῶνος m. Monatsname (Ptol.). 8. Myk. u-do-ro Bez. eines Gefäßes. — Adj. 1. ὑδρ-ηλός ‘wässerig, naß’ (ep. poet. seit ι 113, auch Hp.). 2. -ηρός ‘ds.’ (Sophr., Trag. Adesp. u.a.). 3. -ώδης ‘ds.’ (Thphr.). 4. -αῖος ‘zum Wasser gehörig’ (Olymp. in Phd.); οὐδραια· ὑδρία, μέτρον τι, ’Αττικοῦ μετρητοῦ ἥμισυ H. (lakon. od. böot.?). 5. -ιος ‘vom Wasser’ (Hero). 6. Unklar ὑδραλής· μετάβολος, auch ὄφις ὕδατος H. — Verba. 1. ὑδρ-αίνομαι, -αίνω (ἀφ-) ‘baden. bewässern, benetzen’ (Od., E. [fast nur in lyr.]) mit -αντικός (Pap. IIIa). 2. -εύομαι, -εύω, ganz vereinzelt m. ἐφ-, προσ-, ‘Wasser schöpfen, holen’ (seit Od.) mit -εῖον (-ήϊον), -εία, -ευμα, -ευσις, -εύς, -ευτής, -ευτικός. — B. Vom Stamm ὑδατ- (im ganzen jünger als ὑδρ-): Subst. 1. ὑδάτ-ιον n. ‘Wässerlein, kleiner Regen, Bächlein’ (Pl., Arist., Thphr. u.a.). 2. -ίς f. ‘Wasserblase’ (Mediz.; vgl. φλυκτίς u.a., Strömberg Wortstud. 102). — Adj. l. -ώδης ‘wässerig, wassersüchtig’ (Hp., Arist., Thphr. u.a.). 2. -ινος ‘zum Wasser gehörig, wässerig, wasserklar, geschmeidig’ (hell. u. sp.). 3. -ικός ‘vom Wasser, wässerig’ (Thphr.. Pap. IIp). 4. -όεις ‘wässerig, durchsichtig wie Wasser’ (AP, Nonn.). 5. -εινός ‘naß, feucht’ (Hp.; wie φωτ-εινός u.a.; Chantraine Form. 196). 6. -ηρός ‘Wasser enthaltend’ (A. Fr. 96 = 44 M.; wie αἱματ-ηρός). — Verba. 1. ὑδατ-όομαι (ἐξ-) ‘wässerig, wassersüchtig sein, werden’, ἐξ-υδατόω ‘ins Wasser verwandeln, mit Wasser verdünnen’ (Hp., Thphr. u.a.) mit -ωσις f. (Mediz.). 2. -ίζω nur in δι- ~ ‘zum Trinken geben’ (Sch.), ἐξυδατισθέν· ὡς ὕδωρ H.,ὑδατισμόςm.’Wassergeräusch’ (Mediz.). — C. Übrige Bildungen: 1. ὕδ-ος n. (Kall.Fr. 475), Dat. -ει (Hes.Op.61) ‘Wasser’. 2. ὑδ-αλέος ‘wassersüchtig’ (Hp.) wie μυδαλέος, ἀζαλέος usw., -αλίς· ὑδρωπιῶν H. (zur Bildung Strömberg Wortstud. 84). 3. -αρής ‘wässerig, verdünnt’, bes. vom Wein (ion. att.); τὸ ὑδαρόν H. als Erkl. von ὑδαρές; ἐξ-υδαρόομαι, -όω ‘Wasser werden, zu Wasser machen’ (Arist., sp.). — Zu ὕδρα, ὕδρος und ὕδερος s. bes. — Altes Wort für ‘Wasser’, in der Mehrzahl der idg. Sprachen erhalten. Zu ὕδωρ stimmt umbr. utur n., wozu mit alternierendem n -Stamm Abl. une aus *ud-n-i. Im Griech. ist dieser n-Stamm regelmäßig mit einer τ-Erweiterung versehen worden: *ud-n̥-t-, woraus Gen. ὕδ-α-τ-ος usw. Eine direkte Spur dieses n-Stammes hat man in einigen erstarrten Formen erkennen wollen: ἁλοσ-ύδνη Beiw. od. Bein. der Thetis u.a. (s.d.), auch, sehr hypothetisch, in den ON Καλ-υδών, -ύδνα. Das denominative ὑδραίνομαι könnte allenfalls statt eines älteren *ὑδαινω = aind. udanyáti ‘bewässern’ eingetreten sein. — Neben diesen Formen mit tiefstufigem ud- stehen in anderen Sprachen auch hochstufige Formen, z.B. heth. u̯adar, auch u̯edar. Dat.-Lok. u̯eden-i. Auch die übrigen Sprachen fügen sich mit verschiedenen Ausgleichungen in dieses System ein, z.B. aind. Gen. ud-n-ás, Lok. ud-án(-i), wozu ein neuer Nom. ud-a-kám n.; der r-Stamm erscheint u.a. im Adj. an-udr-ás = ἄν-υδρ-ος (s. oben). Derselbe Wechsel war auch einmal im Germanischen vorhanden nach Ausweis von got. wato, Gen. watins, awno. vatn gegenüber asächs. watar, nhd. Wasser usw. Im Vergleich zu diesem r-n- Stamm sind andere Bildungen spärlich vertreten. Der in ὕδος, Dat. ὕδει ganz sporadisch belegte s-Stamm findet sich in tiefstufiger Gestalt mit thematischer Erweiterung in aind. útsa- m. ‘Quelle, Brunnen’ (idg. *ud-s-o-) wieder. Dazu ein l-Stamm in ὕλλος ( ?; s. d.), vielleicht auch in ὑδαλέος neben ὑδαρής (s. C. oben; Benveniste Origines 45), wenn nicht analogische Neubildung. — Weitere Formen aus verschiedenen Sprachen, z.B. arm. get, Gen. -oy ‘Fluß’ (aus *u̯edom od. *u̯edos- n.), fürs Griechische ohne direktes Interesse, bei WP. 1, 252ff., Pok. 78ff. und in den Spezialw örterbüchern, bes. W.-Hofmann s. unda (Nasalbildung; zum infigierten aind. u-n-ád-mi, 3. pl. u-n-d-ánti ‘benetzen’ wie lit. vanduõ ‘Wasser’); daselbst auch reiche Lit. Neben diesem alten stoffbezeichnenden Neutrum. gab es im Idg. auch Wörter, die das Wasser als persönliches und lebendiges Wesen darstellten: im Westen lat. aqua und germ., z.B. got. aƕa, ahd. aha f. ‘Fluß, Gewässer’, im Osten aind. ā́pas f. pl., lit. ùpė ‘Wasser’ usw., s. Porzig Gliederung 205f. Dieselbe doppelte Anschauungsweise ist auch beim Begriff ‘Feuer’ zu belegen, z.B. πῦρ (s.d.) neben lat. ignis u.a. II-957-959
ὕει, ὑετός s. ὕω. II-950
υϝαις ζαν (kypr.) s. ὑ. II-950
ὕθλος m. ‘leeres Geschwätz, Possen’ (Pl., D., Porph., Jul.); ὑθλο-ρρήμων ‘leeres Geschwätz führend’ (Tz.). Davon ὑθλέω, auch m. ἐξ-, συν-, ‘schwatzen’ (Ar., Ephipp., Phld., Luk.). Vgl. noch ὑσθλός· σαλός, φλύαρος und ὑλλεῖ· θρυλλεῖ, λέγει, auch ὑλάει· θρυλλεῖ, ὑλακτει, λέγει, θρηνεῖ H. — Wort aus der volkstümlichen Umgangssprache, wohl mit θλο-Suffix (ἄεθλος u.a., Chantraine Form. 375); ohne Etymologie. Nach Persson Stud. 8 f. zu ὕει ‘es regnet’; anderer Vorschlag bei W.-Hofmann s. sūcus : zu ὑδέω (vgl. ὑλλεῖ oben). Chantraine a. O. erwägt onomatopoetischen Ursprung. II-950
υἱός (seit Il.), auch ὑός (att.); älter υἱύς (lak., gort. usw., altatt. auch ὑύς, ὕς; mykr i-ju ?); obl. Formen: Gen. υἱοῦ (kork. VIa [Epigr.], χ 238 usw.), υἱέος (seit Il.), υἱῆος (hell. u. sp. Epik), υἷος (Ho.m., thess.), Akk. ὑ(ι)όν, υἱύν, υἱέα, υἷα, Nom. pl. ὑ(ι)οί, υἱέες, υἱεῖς, υἱῆες, υἷες usw.; Einzelheiten zur Flexion bei Schwyzer 574 f., dazu Ruijgh Études sur la gramm. 361 f.; für Homer auch Chantraine Gramm. hom. 1, 227 f.; zur Erklärung auch unten. Zur Behandlung des intervok. ι Schwyzer 199 f. m. ‘Sohn’ Ganz vereinzelt als Vorderglied, z.B. υἱο-θεσία f. ‘Adoption’ (hell. u. sp.); Univerbierung von υἱὸν θέσθαι. Ableitungen: 1. Movierte Fem. υιη f. ‘Tochter’ (Sammelb. Ip), auch υα (Mytilene Ip[?]); vgl. Klaffenbach KZ 65, 258ff. 2. Demin. ὑΐδιον n. (Ar.), υἱάφιον n. (Gloss.). 3. Denomin. υἱόω, -όομαι ‘als Sohn adoptieren’ mit -ωσις f. ‘Adoption’ (sp.). 4. Bezeichnungen für ‘Enkel’: a. υἱωνός (Hom., Theok., Plu., sp. Inschr. u. Pap.), Bildung wie κοινωνός u.a.; s. Schmeja IF 68, 26 f., der die Zurückführung auf einen Langdiphthong υἱω[υ]- (z.B. Schwyzer 480) mit Recht ablehnt. Plur. υἱωνεῖς· υἱῶν υἱέες H. nach υἱεῖς (Bosshardt 78). Fem. υἱωνή ‘Enkelin’ (J., Gramm.). b. ὑ(ι)ιδοῦς (Pl., X., D., Arist. u.a.), ὑ(ι)ιδεύς (Isok., H.); Bildung wie ἀδελφιδοῦς u.a. (Schwyzer 510 m. Lit., Bosshardt 149). Fem. ὑϊδῆ (Pap.Ia, Poll., H.). — Der ο-Stamm in υἱός ist gegenüber dem υ-Stamm in υἱύς sekundär und wahrscheinlich schon früh daraus durch Dissimilation entstanden. Bei der Flexion von υἱύς erscheinen in den sog. starken Kasus neben den erwarteten hochstufigen Formen υἱέος (wie ἡδέος, πήχεος), υἱέι und υἱεῖ, υἱέες und υἱεῖς, Du. υἱέε, υἱεῖ (aus *sui̯eu̯-; vgl. unten) auch die tiefstufigen υἷος, υἷι (äol. Barytonese?), υἷές, υἷε (aus *sui̯u̯- neben *sui̯u- in υἱύς). Beide Reihen können alt sein; die durchgehende Tiefstufe ist indessen mit Ausnahme von thess. Gen. hvios auf das Epos beschränkt. Die Akkusative υἱέα, υἷα, υἱέας, υἷας sind alle Neubildungen für υἱύν, υἱύνς (gort. u.a.), Dat. pl. υἱάσι für *υἱύσι nach πατράσι usw. Zu υἱύς stimmt toch. B soy, A se ‘Sohn’ mit Cen. A seyo (aus idg. *sui̯eu̯os = υἱέος? v. Windekens Ling. Posn. 8, 40ff.); auch arm. ustr ‘ds.’, das nach dustr ‘Tochter’ umgebildet wurde, setzt eine entsprechende Grundform voraus. Daneben stehen in anderen Sprachen nhaltige Formen: aind. sūnúḥ, lit. sūnùs, aksl. synъ, germ., z.B. got. sunus, ahd. sunu, aw. hunu-, alles aus idg. *sū̆nus. Bei Abtrennung der formantischen Elemente -i̯u- bzw. -nu- ergibt sich Anschluß an ein Verb für ‘gebären’ in aind. sū́te, wozu su-tá- ‘Sohn’, eig. ‘Geborener’; daneben das kelt. Abstraktum air. suth aus *su-tu-s ‘Geburt, Frucht’. Auch für υἱύς, sūnúḥ u. Verw. empfehlen sich somit eine Zerlegung *su-i̯u-, su-nu- und eine entsprechende Grundbed. ‘Geburt, Leibesfrucht’. (Unwahrscheinliche Vermutung über die Entstehung von sū- ‘gebären’ bei Kronasser Acta Balto-Slavica 3 [1966] 80f.). Bemerkenswert ist die morphologische Sonderstellung dieser Wörter für ‘Sohn’ im Rahmen der übrigen Verwandtschaftswörter, insbes. der Wörter für ‘Vater, Mutter, Tochter, Bruder’, ebenso ihre etymologische Durchsichtigkeit. Vielleicht haben sie ein älteres Wort für ‘Sohn’ ersetzt, gerade wie sie ihrerseits von anderen Wörtern zurückgedrängt oder gänzlich ersetzt wurden, z.B. aind. putráḥ, aw. puϑrō, gr. παῖς, lat. fīlius, kelt., z.B. air. macc, lett. dêls. Ob im ital.-kelt. Gebiet Ableger von sū- ‘gebären’ im Sinn von ‘Sohn’ überhaupt je existiert haben, bleibt ja eine offene Frage. Gegen Verbindung von lyd. śuλoś angebl. ‘Sohn’ mit heth. DUMU-laš ‘Kind, Sohn’ Gusmani Sprache 8, 81 f. II-950-961
ὕκης Akk. pl. ὕκας ἀγεληϊς (Numen.), ὕκος (H.) m. (Antim., Philet., Kall.), N. eines unbekannten Fisches, nach Zenod. kyrenäisch = ἐρυθρῖνος, nach Hermipp. = ἰουλίς (s. Ath. 7, 304e, 320d, 327b u. c; Näheres bei Thompson Fishes s.v.). — Ohne sichere Etymologie. Anschluß an ὗς ‘Schwein’ ist sachlich möglich (Strömberg Fischn. 100 f.); zur problematischen Bildung s. μύκης. II-961
ὑλακόμωροι (ὑ̄- metr. gedehnt) Beiw. von κύνες (ξ 29, π 4), danach μόθος ὑ., ebenfalls von Hunden (Nonn. D. 36, 197). — Nachbildung von ἐγχεσί-μωροι, ἰό-μωροι (s. dd. m. Lit.), somit wahrscheinlich "bellberühmt". Als Vorderglied kommt zunächst das Subst. ὑλακή in Betracht; nach Porzig Satzinhalte 239 künstliche Bildung für das metr. unmögliche *ὑλακτο- ~ . Weiteres s. ὑλάω. II-961
ὑλάω (Med. Ipf.ὑλάοντο π 162 Versende) nur Präs. u. Ipf. ‘bellen’, von Hunden (Od., Theok.), übertr. von Kassandra (Tryph.), von einem Mann (S.Fr. 61 coni. für ὑλακτῶ). — Gewöhnlicher mit expressiver Erweiterung ὑλακτέω, Aor. ὑλάκτησα (Luk. Nek. 10), sonst nur Präs. u. Ipf., auch (fast nur sp.) m. Präfix, z.B. ἐξ-, περι-, προσ-, ‘ds.’ (seit Σ 586). Davon ὑλακτ-ικός ‘zum Bellen geneigt’ (Arist., Luk., Ph.), προσυλάκτ-ησις f. ‘das Schimpfen’ (Simp. in Ph.); ep. Ptz. ὑλακτιόωντες (Q.S., wie von *ὑλακτ-ιάω; metr. bedingt). — Daneben ὑλάσκω ‘ds.’ (A. Supp. 877 [lyr.], unsicher), Aor. ὑλάξαι (D. C.), Präs. ὑλάσσω (Chariton, Eust.). — Mehrere Nomina mit Gutturalsuffix: 1. ὑλ-ακή f. ‘das Gebell’ (Dicht. bei Pl. Lg. 967d, A. R., AP, Plu., Luk.) mit μαψ-υλάκᾱς m. ‘der vergeblich Bellende, Schreiende’ (Sapph., Pi.), ὑλακ-όεις ‘bellend’ (Opp.), -όωντες ‘ds.’ (Opp.), ‘Υλακ-ίδης Patron. (ξ 204),wievon *‘Υλαξ(= Hylax ... latrat Vg. Buk. 8, 106); zu ὑλακό-μωροι s. bes. 2. ὑλ-αγμός m. ‘das Gebell’ (Φ 575, X., Arist. u.a.; κυν- ~ Stesich.), -αγμα n. ‘ds.’ (A., E.), vgl. ἰυγμός, οἴμωγμα, -ωγμός, αἴαγμα usw.; somit von *ὑλάζω (Porzig Satzinhalte 238 f.)? — Daneben ὕλασμα n. (Kyran.). Zum hierhergehörigen Heroennamen Ὕλας Kretschmer Glotta 14, 33 ff. Zur Bildung von ὑλακτέω s. πυρακτέω m. Lit., dazu noch Fraenkel Nom. ag. 2, 95 f. und Schwyzer 706; ὑλάω wie βοάω, γοάω u.a. (urspr. athematisch? Schw. 683). — Altererbtes Schallwort mit Verwandten in lat. ululāre ‘heulen’, ulula f. ‘Kauz’, aind. ululí- ‘laut schreiend’, úlūka- m. ‘Eule’, lit. ulúoti ‘heulen’ usw. (aus dem Wruss. nach Fraenkel s. ulavóti m. Lit.). — Vgl. ὀλολύζω m. Lit. (dazu noch Pok. 1105). II-961-962
ὕλη f. ‘Wald, Gehölz, Holz, Bau-, Brennholz, Gesträuch’ (seit Il.), ‘Stoff, Material, Materie’ (Arist., Plb., Mediz. usw.); auch = τὸ καθίζον τοῦ οἴνου ἢ τοῦ ὕδατος (Phot.), ‘Bodensatz, Schlamm, Schleim, körperliches Sekret’ (Ar. Fr. 879, UPZ 70, 9 [IIa; vgl. Wilcken z. St.], hell. u. sp. Mediz.); vgl. ὗλις. Kompp., z.B. ὑλο-τόμος ‘holzfällend’, m. ‘Holzfäller’ (Il. usw.), ὑλᾱ-τόμος ‘ds.’ (Theok.), ὑλη-κοίτης m. ‘sein Lager im Walde habend’ (Hes.), ὑλη-ωρός m. ‘Waldaufseher’ (A. R., A.P), ὑλ-ωρός ‘ds.’ (Arist.) mit -ωρέω (thess.Va); dazu ὑλη-ώρεας εὐνάς Akk. pl. (Nik. Th. 55), ὑληρεύς· νομεὺς ἐν ὕλῃ φυλάττων H.; zum ganz unsicheren ὑλι-βάτης Fraenkel Nom. ag. 2, 75 m. A.1; ὑλο-μήτρα· εἶδος σκώληκος H.; zur Erklärung Strömberg Wortstud. 23 f. (abzulehnen Gil Fernandez Nombres de insectos 191). Als Hinterglied u.a. in ἔν-υλος ‘mit Materie versehen, materiell’ (Arist., sp.). Ableitungen. 1. Adj.: ὑλ-ήεις, dor. -άεις ‘reich an Wald, waldig’ (ep. poet. seit Il.), -ώδης ‘ds.’ (Th., S., X. u.a.), ‘schlammig’ (Dsk., Plu. u.a.), -ιμος ‘zum Wald gehörig’ (E.; Arbenz 82), -ικός ‘körperlich, materiell’ (Arist. u.a.; Chantraine Études 131), -αῖος ‘waldig, holzig, im Walde befindlich, materiell’ (hell. u. sp.), ‘Υλαίη f. N. einer waldigen Gegend am Borysthenes (Hdt.), -ῷος ‘zur Materie gehörig’ (Orph. Fr. 353; nach πατρῷος u.a.); -ειῶτα Vok. Beiw. des Πάν (AP 6, 106; nach Πὰν ὀρειώτας AP 9,824). 2. EN ‘Υλεύς N. eines Jagdhundes (X.). 3. Erweiterung ὕλημα n., meist pl. ‘Strauchwerk’ mit -ηματικός (Thphr.; Chantraine Form. 178). 4. Verba: a. ὑλ-άζομαι, Aor. -άσασθαι ‘Holz holen’ (att. Inschr., Poll., H.) mit -ασία f. ‘das Holzholen’ (att. Inschr.), -άστρια f. ‘Holzholerin’ (Phot.). b. ὑλ-ίζω, -ίσαι, Ptz.Pf. -ισμένος, auch m. Präfix, bes. δι-, ‘von Materie usw. reinigen, abklären, durchseihen’ (Kratin. 354, Pl. Ti. 69 a, Archyt., LXX, Dsk., Pap. usw.) mit -ιστήρ (δι-) m. ‘Seihetuch, Durchschlag’ (Mediz., Pap.), -ιστήριον (δι-) n. (Pap., Sch., H.), διύλ-ισμα n. ‘abgeklärte Flüssigkeit’ (Gal.), -ισις f. ‘Abklärung, Durchseihung’ (Suid.), -ισμός m. ‘Abklärung, Reinigung’ (Clem. Al.), ἀφύλ-ισμα γάλακτος als Erkl. von ὀρὸς γάλακτος H., -ισμὸς χωμάτων, παρ- ~ τενάγους ‘das Ausheben des Schlammes, Reinigung’ (Pap.; Westermann Aegyptus 6, 121 ff.). — Ohne Etymologie. Über die frühere Zusammenstellung mit lat. silva und sogar mit ξύλον s. Zachariae KZ 34, 453 ff. (ablehnend); weitere Lit. bei W.-Hofmann s. silva und WP. 2, 504 (u.a. Ehrlich Bet148). onung Von der Bed. ‘Brennholz’ aus- gehend erwägt Wackernagel Unt. 185 A.1 Anknüpfung an awno. usli m. ‘glühende Asche’ (zu εὕω, lat. ūrere usw.). — Gewöhnlich (s. Bq) wird ὕλη im Sinn von ‘Bodensatz, Schlamm usw.’ von ὕλη ‘Wald’ getrennt und als besonderes Wort zu lit. sulà ‘fließender Baumsaft’ usw. (s. ὕω) gezogen. Es handelt sich aber offenbar um eine späte Bed.entwicklung von ‘Materie’ zu ‘feste Materie, Bodensatz, Ausfällung’ im Gegensatz zum. klaren Wein und zum reinen Wasser, wie schon aus der Erklärung bei Phot. als ’τὸ καθίζον τοῦ οἴνου ἢ τοῦ ὕδατος’ ersichtlich ist. — Daß ὕλη ‘Wald’ aus ὕλη ‘Schlamm’ hervorgegangen wäre (Grošselj Živa Ant. 4, 304), ist schon aus chronologischen Gründen ausgeschlossen. II-962-963
ὑλίμη · μάχη τις H. — Kronasser Sprache 6, 178 erinnert an heth. šulli- ‘Streit, Zank’, šulliazi ‘streiten, zanken’, wozu sich auch eine Ableitung *šullima- ‘Streit’ mit dem im Heth. sehr gewöhnlichen ma- Suffix denken läßt. II-963
ὗλις (ὕλις) f. ‘Schlamm’ (Pap. IV u. IIIa, LXX, EM). — Aus ἰλύς durch Kreuzung mit ὑλίζω, ὕλη ‘Schlamm’ entstanden (vgl. IG 12, 94, 20; 23 neben 22, 2498, 9) II-963
‘Υλλεῖς m. pl. N. einer der drei dorischen Stammphylen (Hdt., St. Byz.), urspr. ein illyrischer Stamm (auch ‘Υλλῆες, Ὕλλειοι usw.; A. R., Skymn., D. P. usw.). — Abzulehnender Deutungsversuch von Lagercrantz Streitberg-Festgabe 218ff. (zu aind. sūrí- m. ‘Herr, Gebieter, Opferherr’); vgl. Kretsch- mer Glotta 15, 194. II-963
ὕλλος m. ‘der ägyptische Ichneumon’ (Tim. Gaz.), N. eines Fisches (Kyran.). — Wegen der Bed. am ehesten als Fremd- wort zu betrachten. Die von Curtius 248 und von Brugmann Grundr.2 I 529, Gramm.4 126 als unsichere Hypothese ("vielleicht") vorgeschlagene Anknüpfung an ὕδωρ usw. (aus *ὕδ-λος) ist in der folgenden Lit. meist ohne jede Reserve wiedergegeben worden. Vgl. noch W.-Hofmann s. lutra. II-963
ὑ̄μεῖς, Akk. ὑμᾶς, ion. ὑμέας, dor. ὑμές, Akk. ὑμέ, äol. ὔμμες, Akk. ὔμμε ‘ihr, euch’ (seit Il.). Davon die Possessiva ὑμέ-τερος, dor. auch ὑμός, äol. ὔμμος ‘euer’. — Die Akk. ὑ̄μέ, ὔμμε gehen auf *ὑσμε zurück (s. unten) und ergaben durch Angleichung an die Nominalflexion die Nom. ὑμές, ὔμμες, dann auch ὑμεῖς (aus -έες?) mit den neuen Akk. ὑμέας, ὑμᾶς. Hinzu kamen die Gen. ὑμῶν, ὑμέων, ὑμμέων und die Dat. ὑμῖν, ὑμίν, ὔμμι(ν) wie ἡμῶν, ἡμῖν usw. (s. ἡμεῖς). —Die altertümlichen ὑμέ, ὔμμε aus *ὑσμε haben ihr nächstes Gegenstück in indoiran. Formen wie aind. yuṣmā́n (Akk.) ‘euch’, aw. yūšmat̃ (Abl.), die indessen nicht nur mit durchgeführter Flexion versehen worden sind, sondern auch aus dem Nom. yūyám, g.aw. yūš, aw. yūžəm ein anlaut. i̯- bezogen haben. Die hieraus sich ergebende idg. Grundform *us-(s)me enthält die Schwundstufe der in lat. vōs, aind. vas (enkl.) u.a. vorliegenden Hochstufe der Kas. obl., idg. *u̯ō̆s. — Wie bei dem Pron. für ‘wir’ ist auch bei ‘ihr’ im Griech. sowie im Latein der besondere Nom. (got. jus, aind. yūy-ám usw.) verlorengegangen. — Einzelheiten m. reicher Lit. und Diskussion bei Schwyzer 600 ff.; weitere Formen aus den übrigen Sprachen bei WP. 1, 209f., Pok. 513f. und in den einschlagen grammatischen Spezialdarstellungen. II-963-964
ὑμήν 1., -ένος m. ‘dünne, zarte Haut, Häutchen, Membran, Sehne’ (Hp., Arist., Thphr., A. R. usw.). Als Vorderglied u.a. in ὑμενο-ειδής ‘membranartig’ (Hp., Arist. u.a.). Davon Demin. ὑμέν-ιον n. (Arist. u.a.), -ώδης ‘mit einem Häutchen versehen, membranartig’ (Hp., Arist. u.a.), -ινος ‘aus einem Häutchen bestehend’ (Klearch.), -όομαι ‘zu einem Häutchen werden’ (Hp., Gal.), -όω ‘mit einem Häutchen bedecken’ (Hp.-Komm. VIIp); ἐξυμεν-ίζω ‘ein Häutchen entfernen’ mit -ιστήρ m. ‘Messer zum Aushäuten’ (Mediz.). — Altererbtes, im Griech. isoliertes Wort, bis auf die Quantität des υ-, das Genus und den Akzent wahrscheinlich mit aind. syū́man- n. ‘Band, Riemen, Naht’ identisch; ähnlich apreuß. schumeno ‘Schusterdraht’ und heth. šumanza ‘Seil, Strick’ mit unklarer Erweiterung (vgl. Kronasser Etymologie I 199). Das zugrunde liegende Verb ist u.a. in lit. siū́ti, aind. sī́vyati, got. siujan, lat. suō ‘nähen’ (vgl. auch κασσύω) erhalten. Weitere Formen aus verschiedenen Sprachen m. Lit. bei WP. 2, 514f., Pok. 915 f., W.-Hofmann s. suō, Fraenkel s. siū́ti. Zur Wurzelanalyse noch Čop Sprache 6, 5 f. II-964
ὑμήν 2., -ένος (ὑ̄- metr. gedehnt), (Vok. ὑμέν Kall.Fr. 473 Pf.) m. Hochzeitsruf, sekundär Gott der Hochzeit, ‘Hymen’ (Trag., Ar., Theok., Opp., Ovid. u.a.), gewöhnlich in Verbindung mit ὑμέναιος ‘ds.’, auch ‘Hochzeit’ (Σ 493, Hes. Sc., Pi., Trag., Ar., Catull. u.a.), äol. ὑμήνᾰος (Sapph., Kyrene), ὑμήναιος (Kall.), z.B. ‘Υμὴν ὦ ‘Υμέναι’ ἄναξ (E. Tr. 314). Davon ὑμεν-ήϊος Bein. des Dionysos (AP), -αϊκὸν μέτρον (Serv.), -αιόω, auch m. ἀν-, συν-, ‘den ὑμέναιος anstimmen’ (A. Pr. 557 [lyr.], S.Fr. 725, Plu.), ‘heiraten’ (Ar.Pax 1076). — Ohne Zweifel als urspr. volkstümlicher Neckruf mit 1. ὑμήν im Sinn von ‘membrana virginalis’ identisch, s. Lamer PhW 1932, 381 gegen Bq und P. Maas Phil. 66, 590ff., der die Wörter trennen will, da die Kenntnis des betreffenden Organs und der Gebrauch von ὑμήν in der entsprechenden Bed. erst bei spätgriechischen Medizinern mit Sicherheit nachweisbar sind. Die fragliche Kenntnis ist aber gewiß ebenso alt wie die Menschheit und hat zu entsprechenden sprachlichen Ausdrücken schon früh Anlaß gegeben (vgl. Lamer a. O.), die aber begreiflicherweise nur selten in der Lit. zur Erscheinung kommen. Nach Osthoff MU 4, 139 (m. Lit.) wäre der Hochzeitsgott als der "Verbinder, Zusammenfüger" benannt (abzulehnen). — Für Ansetzung eines besonderen Hochzeitsrufes, u.zw. unbekannter, wahrscheinlich nichtidg. (vorgr.) Herkunft dagegen auch Muth WienStud. 67, 5 ff. m. ausführlicher Behandlung; zu ὑμέναιος noch Diehl RhM 89, 90. II-964-965
ὕμνος m. ‘Lied, Gesang, Fest-, Lobgesang, Klagelied, Hymnus. (seit θ 429). Kompp., z.B. ὑμν-ῳδ-ός m. ‘Hymnensänger’ mit -ία, -έω (A., E., Pl. usw.), πολύ-υμνος ‘mit vielen Gesängen, vielbesungen’ (h. Hom. 26, 7, Anakr., E. u.a.). Davon 1. das Demin. ὑμν-άριον n. (Lyd. Mens.), Adj. -ώδης ‘voll von Lobgelängen, lobpreisend’ (Philostr.), -ικός ‘aus Hymnen bestehend’ (Didyma II-IIIp). 2. Hypostase ἐφ-ύμν-ιον n. ‘Refrain’ (A. R., Kall. u.a.) mit -ιάζω (Eratosth.). 3. Verb ὑμνέω, oft m. Präfix, z.B. ἐφ-, ἀν-, καθ-, ἐξ-, ‘ein Lied singen, besingen, lobpreisen, im Gesange verherrlichen’ (Hes., h. Hom., Alk., Sapph., ion. att.usw.)mit ὑμνη-τής m. ‘Verherrlicher’ (Pl., att. Inschr.), -τήρ ‘ds.’ (AP, Opp.), f. -τρια (Attika, Pergam.), -στρια (Pergam.; nach προμνήστρια, ὀρχήστρια u.a.), -τρίς (Poll. v.l.), -σις f. ‘das Lobpreisen’ (LXX, D. S.), -τικός ‘lobpreisend’ (Str.). — Bildung wie στάμνος, θάμνος, σκύμνος u.a.; ohne sichere Etymologie. Formal am nächsten liegt unzweifelhaft Anschluß an ὑμήν (wie λιμήν : λίμνη, ποιμήν : ποίμνη u.a.), u.zw. im ursprünglichen Sinn von ‘Band, Naht’, wobei von einer Bed. ‘Liedgefüge’ o.a. auszugehen wäre (Brugmann Curt. Stud. 9, 256, Osthoff MU 4, 139). Die Erklärung kann sich auf eine antike Auffassung stützen (z.B. ὑφάνας ὕμνον bei B.), s. Diehl RhM 89, 89, Patzer Herm. 80, 323 A. 1. Die aus dieser Auffassung sich unmittelbar ergebende Anknüpfung an ὑφή, ὑφαίνω (Aufrecht KZ 4, 274 ff. mit Döderlein, Curtius 295 f.) stößt aber auf große lautliche Schwierigkeiten. Für Anschluß an ὑμήν als Hochzeitsruf (s. zu 2. ὑμήν) dagegen P.Maas Phil. 66, 590ff. — Andere Versuche: zu ὑδέω ‘be- singen’ aus *ὕδ-μος (W. Schmid RhM 61, 480); zu aind. sumná-m n. etwa ‘Wohlgefallen, Segen, Gunst’, auch ‘Gebet’? (Wood AmJPh 21, 181, Durante Rend. Acc. Lincei 1959, 388ff.); beide unter verschiedenen Gesichtspunkten abzulehnen. Das Wort wurde auch als mediterranes LW betrachtet; s. C. Autran Homere et les origines sacerdotales de l’épopée grecque I (Paris 1938) 33 (wie διθύραμβος, ἔλεγος, λίνος usw.). Nach Porzig Satzinhalte 346 hat sich ὕμνος (wie αἶνος) im Ausgang nach θρῆνος und λίνος gerichtet. — Weitere Lit. bei Bq; s. auch WP. 1, 252 und W.-Hofmann s. suō. II-965
ὕνις, -εως, -ιος seltene Nebenformen ὕννις (Sch. Hes. Op. 425, H.), ὕννη (H.), Akk.pl. ὕννας (Aesop.); ὑννι-μάχος ‘nut einer Pflugschar kämpfend’ (Max. Tyr.); Demin. ὕνιον (Pap. IVp). f. ‘Pflugschar’ (hell. u. sp. Pap., Corn., Babr., Plu., AP usw.); — Schon im Altertum (Plu. 2, 670 a) mit Recht zu ὗς ‘Schwein’ gezogen. Ebenso Curtius 382 (mit Grimm). Brugmann IF 28, 366 ff. sah darin ein Komp. von ὗς und einem Wert für ‘Schnauze’ (zu mhd. snouwen ‘schnauben, schnaufen’ usw.; vgl. WP. 1, 397) mit Ausgang nach ὀφνίς: idg. *su-sn-i-; dabei mußte die Geminata alt sein. Anders Lidén KZ 56, 219 f.: zu ὗς mit νι-Suffix nach ὀφνίς (richtiger ὄφνις?) und (okkasioneller) expressiver Gemination. Zur Sache vgl. z.B. kymr. swch ‘Schweineschnauze’ und ‘Pflugschar’. — Frühere Erklärungen bei Bq; dazu noch Sütterlin IF 29, 126 (ebenfalls abzulehnen). II-966
ὕπαρ n. indekl. ‘Wahrtraum’ im Gegensatz zu ὄναρ ‘Trugtraum’ (τ 547, υ 90), ‘wahre, sichtbare Erscheinung, Wirklichkeit, wacher Zustand’, oft als Adv. ‘in wachem Zustand, in Wahrheit, wirklich’ (Pi., ion. att., Epid. usw.). — Urspr. ‘*Schlaf’, ‘Traum’; der Gegensatz zu ὄναρ urspr. ‘Trugtraum’, dann ‘Traum’ führte zur Bed. ‘Wahrtraum’ bzw. ‘Wirklichkeit’ (Frisk Eranos 48, 131 ff. = Kl. Schr. 361 ff.). — Neben ὕπαρ steht mit altem Stammwechsel ὕπνος (s.d.); der r-Stamm erscheint noch in dem heth. Denominativum šuppar-ii̯a-’schlafen’, in lat. sopor, ebenso in dardischen Formen, z.B. kalasha isprāp ‘Schlaf’ (Morgenstierne bei Mayrhofer Bibl. Orient. 18, 23 m. A. 2). — Gewöhnlich wird ὕπαρ seit Hermann Gött. Nachr. 1918, 282ff. als Neubildung zu ὑπό erklärt nach dem Gegensatzbegriff ὄναρ, das mit der äolischen Präposition ὀν = ἀνά volksetymologisch verknüpft gewesen sein soll; dagegen Frisk a. O. II-966
ὕπατος metr. Erweiterung ὑπατ-ήϊος ‘ds.’ (Nonn.; nach ἀνδρήϊος usw. usw.). ‘der oberste, höchste’ (ep. ion. poet. seit Il.). Auch Subst. m. = lat. consul; dazu ἀνθ-ύπατος = proconsul usw. (Plb., D.H. u.a.). Davon (ἀνθ-)ὑπατ-ικός, -εύω, -εία (Str., D. S., D. H. usw.), ἀνθυπατ-ιανός = proconsularis(Iust.). — Nach ἔσχατος, δέκατος, μέσσατος usw. mit το-Suffix statt des mo-Suffixes in aind. upamá-, daśamá-, madhyamá-, lat. summus (< *sup-mo-s), decimus usw. Vgl. ὕψι, ὕψος. II-966
ὑπεμνήμυκε (Χ 491) s. ἠμύω. II-966
ὕπερ, ὑπέρ (metr. Dehnung ὑπείρ). Dialektformen : lesb. ἴπερ (Gramm.; Schwyzer 184 m. Lit.), pamph. ὑπαρ (-αρ für -ερ rein lautlich oder nach πάρ; Schw.-Debrunner 518 m. A. 2), ark. ὁπέρ, böot. οὑπέρ. Adv. ‘über, im Übermaß’ (sehr selten), Präp. m. Akk. u. Gen. (ark. auch Dativ [Tegea IIIa]) ‘über — hin(aus)’, örtlich u. zeitlich, ‘oberhalb, zum Schutz für od. gegen, wegen’ (seit Il.). Nominale Ableitungen. 1. ὕπερον n. (-ος m.) ‘Mörserkeule’ (seit Hes. Op. 423), ὑπέρα, pl. -αι f. ‘obere Taue an den Segeln, Lenktaue’ (ε 260 u.a.; Hermann Gött. Nachr. 1943, 8). 2. Steigerungsformen: ὑπέρ-τερος, -τατος ‘darüber befindlich, oberer, höher’ bzw. ‘oberster, höchster’ (ep. poet. seit Il., auch sp. Prosa); -ώτατος ‘ds.’ (Pi.; vom Adj. *ὕπερος; vgl. unten). — Neben ὑπέρ stehen im Indoiran. aind. upári, aw. upairi, apers. upariy ‘über — hin(aus)’, idg. *upér(i); zum Auslaut vgl. περ(ί), ἐν(ί). Dazu aus anderen Sprachen z.B. arm. ver (idg. *upér(i)) in i ver ‘hinauf, oben’ (i = gr. ἐν), germ., z.B. ahd. ubir (< *upéri), wohl = got. ufar ‘über’, lat. s-uper ‘oben, darüber’. Zu ὕπερος (urspr. Adj.) stimmen aw. upara-’der obere’, aind. úpara- ‘der untere, hintere, spätere’, lat. superus ‘der obere’. Weiteres bei WP. 1, 192, Pok. 1105 f.; zum Griech. besonders Schw.-Debrunner 518ff. — S. auch ὕπο, ὑπό. II-966-967
‘Υπερβόρεοι (-ειοι) m. pl. ‘Hyperboreer’, N. eines Fabelvolkes, das nach einem Bericht bei Hdt. 4, 32 ff. heilige, in Weizenhalme eingebundene Gegenstände zu den Skythen brachte; von den jeweiligen Nachbarn wurden die Gegenstände dann bis nach Delos weitergegeben. Die H. werden auch als ein seliges Volk nach dem Muster der Bewohner des Elysion geschildert (h. Hom. 7, 29, Pi. P. 10, 30, Hdt. a.O., Kratin. u.a.). Davon das Adj. ‘Υπερβόρεος τύχη (A. Ch. 373), -ὶς κόρη (D. H.). — Ohne sichere Etymologie. Nach Hdt. a. O. zu βορέας als "die jenseits des Nordwinds Wohnenden". Moderne Erklärer, z.B. Pedersen KZ 36, 319, haben es vorgezogen, den Volksnamen direkt an das Wort für ‘Berg, das dem Windnamen βορέας wahrscheinlich zugrunde liegt (siehe s.v.), anzuknüpfen: "die jenseits der Berge Wohnenden". — Dagegen wollte Ahrens RhM 17, 340 ff. die ‘Υπερβόρεοι als makedonische Bezeichnung mit den Περφερέες, den Begleitern zweier hyperboreischer Jungfrauen, die zuerst nach Delos geschickt wurden (Hdt. 4, 33), gleichsetzen. Ebenso, aber mit einer ganz eigenartigen Motivierung, v. Windekens RhM 100, 164ff. (mit Lit. und Referat der früheren Diskussion). II-967
ὑπερδεής nur in ὑπερδέα δῆμον ἔχοντας (Ρ 330) mit Hyphärese für -δεέα; — Bed. unklar, vielleicht ‘überaus mangelhaft’ zu δέομαι ‘ermangeln’ (Apollon. Lex., H.) mit Flexion nach den σ-Stämmen. Nach Eust. ad loc. dagegen zu δέος ‘Furcht’. vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 74 und Sommer Nominalkomp. 108. II-967-968
ὑπερήφανος, dor. (Pi., B.) -άφανος, Adv. -ηφάνως ‘überheblich, hochmutig, hoffärtig’, selten in gutem Sinn ‘hervorragend’ (Hes., Pi., B., A. Pr. 405 [lyr.], att. Prosa usw.). Davon ὑπερηφαν-ία, -ίη (καθ-) f. ‘Hochmut, Übermut’ (Sol., att. Prosa usw.). Erweiterte Form ὑπερηφανέοντες m. pl.’übermütig’ (Λ 694), nach ὑπερηνορέοντες u.a. (Risch ̨ 111b, Chantraine Gramm. hom. 1, 349). Denominativum ὑπερηφανέω (auch -εύω), vereinzelt mit καθ-, ἀνθ-, ‘übermütig sein, behandeln’ (hell. u. sp.). — Herkunft unklar. Wegen der expressiven Bed. ist mit Umbildungen zu rechnen, wodurch der Etymologe einen weiten Spielraum erhält. Der Komp.vokal -η- kann von ὑπερήνωρ u.a. stammen; der Ausgang -ανος kann auch suffixal sein. —Mehrere Hypothesen: Für Anknüpfung an φαίνομαι Bechtel Lex. s. ὑπερηφανέω. An Ableitung von *ὑπερήφων nach κατη-φόνες (Ω 253 = κατηφέες) denkt Schwyzer 489 A. 14. Nach Leumann Hom. Wörter 116 A. 83 wäre ein urspr. *ὑπερηφε-νέοντες aus *ὑπερηφενής ‘überreich’ (wie εὐηφενής zu ἄφενος) zu ὑπερηφανέοντες volksetymologisch umgebildet, wozu als Rückbildung ( ? ) ὑπερήφανος. — Ältere Lit. bei Bq. II-968
ὑπέρινος s. ἰνάω. II-968
ὑπερκύδας s. κῦδος. II-968
ὑπέροπλος Superl. ὑπεροπληέστατος (A. R. 2, 4; wie von erweitertem *ὑπεροπλήεις). ‘anmaßend, übermütig, übermäßig, gewaltig’ (ep. poet. seit Il.), Davon ὑπεροπλ-ία, -ίη f. ‘Anmaßung, Übermut’ (A 205, Rhian., Theok.), -ίζομαι nur Aor. Opt. -ίσσαιτο (ρ 268) ‘anmaßend, übermutig behandeln, geringschätzen, mißachten’ (nach Apollon. Lex.). — Bildung wie die sinnverwandten ὑπέρ-βιος, -θυμος, -μενής, -κύδας, -ήφανος, -φίαλος; somit eig. * ‘dessen ὅπλα überlegen sind’ = ‘(im Kampf) überlegen, hoffärtig’. Abzulehnen Trümpy Fachausdrücke 86 (mit weiteren Einzelheiten und Lit.) : zu *ὄπλον. -ος ‘Auge, Blick’ = lat. oculus. II-968
ὑπερφίαλος, Adv. -ως ‘überlegen, übermütig, übermaßig’ (ep. poet. seit Il.). — Ausgang wie in dem sinnähnlichen ἀτάσθαλος, wozu noch περιτρόχαλος, ὁμαλός u. a.; sonst unklar. Die alte Anknüpfung an φιάλη hat Marinatos Πρακτικὰ τῆς ’Ακαδημίας ’Αθηνῶν 40 (1965) 1ff. ausführlich zu begründen versucht; obwohl unbeweisbar, ist sie vielleicht nicht ohne weiteres abzulehnen. Seit Buttman Lex. 2, 209 ff. und Osthoff MU 4, 358 A. gewöhnlich mit ὑπερφυής ‘überwüchsig, -mäßig’ und lat. superbus verbunden, wobei das -ι- wurzelerweiternd sein soll (vgl. zu φῖτυ; anders, unhaltbar, Bechtel Lex. s.v.). Eine Dissimilation υ — υ zu υ — ι aus *ὑπερ-φύ-αλος (Mastrelli Stud it filcl. 32, 109) scheint nicht ausgeschlossen (vgl. zu πίτυρα). II-968-969
ὑπερῴα, ion. f. -ῴη ‘Gaumen’ (Χ 495, Hp., Arist., Plu. u.a.). Daneben ὑπερώϊον, -ῷον n. ‘Oberstock, Obergemach, Dachstube, Bodenkammer’ (Hom., Ar., Inschr., Pap., LXX, Act. Ap. u.a.; zur Bed. Wace JHSt. 71, 203f.). Adj. ὑπερώϊος, -ῷος ‘zum ὑπερῷον gehörig, oben befindlich, oben wohnend’ (LXX, hell. u. sp. Inschr., D. H., Plu. u.a.). — Von ὑπέρ; Bildung nicht aufgeklärt. Am einfachsten wäre, mit WP. 1, 192 (Schwyzer-Debrunner 518) von einem Adv. *ὑπέρω (vgl. ὑπερώτατος Pi.) wie ἄνω, κάτω (vgl. auch πρώϊος mit Reichelt KZ 43, 107) auszugehen. Frühere unbefriedigende Erklärungsversuche bei Bq; dazu noch Grošelj Živa Ant. 4, 176 (nach Schweizer-Siedler KZ 12, 309). II-969
ὑπήνη f. ‘Schnurrbart’ (im Gegensatz zu γένειον, πώγων), sekund. ‘Bart’ im allg. (A.Fr. 27 = 58 M., Kom., Arist. u.a.); ὑπηνόβιος ‘der von seiner ὑ. lebt’, d.h. ‘sich übermütig gebärdet’ (Pl. Kom.), ἀν-ύπηνος ‘ohne ὑ.’ (Eust., H.). Davon ὑπηνή-της m. ‘der Bärtige’ (Ω 348 = κ 279, AP, sp. Prosa), vgl. Redard 10 u. 114. Für ‘Bart’ besitzt das Griech. eine auf idg. Grundlage geschaffene Neubildung in γένειον; auch μύσταξ läßt sich leidlich aus dem. Idg. erklären. — Ohne Etymologie dagegen πώγων, ebenso ὑπήνη (zum Ausgang, wie σαγήνη, γλήνη u.a., Chantraine Form. 206). Semantisch unbefriedigend ist die Anknüpfung an ein Wort für ‘Antlitz’ (s. πρηνής) seit Goebel und Benfey (s. Curtius 305); ebenso Kretschmer Glotta 21, 158; vgl. noch Prellwitz Glotta 19, 95. Nicht besser Pisani Rend. Acc. Lincei 6:7 (1932) 338ff.: zu russ. ús ‘Schnurrbart’ (anders darüber Vasmer s.v.). Frühere, ebenfalls abzulehnende Vorschläge bei Bq. Oft und mit Fug als vorgriechisch (mit volksetym. Anschluß an ὑπό?) betrachtet: Lamer IF 48, 228 ff. und PhW51, 1002ff. (auch zur Bed.), Fink Herm. 80, 112, Krahe Die Antike 15, 181. II-969
ὑπηρέτης, dor. (seit IVa) -τας m. ‘Diener, Gehilfe, Genosse, Adjutant’ (att., Hdt. usw.); ἀρχ(ι)-υπηρέτης m. ‘oberster Minister’ (sp. Inschr. u. Pap.). Davon 1. ὑπηρ-έτις f. ‘Dienerin’ (E., Pl. u.a.). 2. -ετικός ‘zum Diener gehörig dienend, behilflich, untergeordnet’; -όν (sc. πλοῖον), -ὸς κέλης ‘kleines Schiffsboot, Eilboot’ (att. usw.). 3. -εσία, oft pl. -εσίαι f. ‘Schiffsmannschaft, Dienerschaft, Dienstleistung’ (att. hell. u. sp.). 4. -έσιον n. = -ετικὸν πλοῖον (Eratosth. ap. Str.). 5. -ετέω, auch m. συν-, ἐξ- u.a., ’ὑπηρέτης sein, (be)dienen, beistehen, willfahren’ (ion. att.) mit -έτημα n. ‘Dienstleistung’ (att.), -έτησις (ἐξ-) f. ‘Bedienung’ (Arist., Pap. u.a.). 6. -ετεύω ‘ds.’ (Messen., Kos) mit -ετεία f. (App. Anth.). — Für sich steht ὑπηρέσιον im Sinn von ‘Ruderkissen’, übertr. ‘Reitkissen’ (att. hell. u. sp.), wohl Hypostase ("was unter dem ἐρέτης liegt"). Urspr. Ausdruck der Seemannsprache. Die wörtliche Bed. ‘Unterruderer’ läßt sich sachlich nicht begründen, s. Richardson Class Quart. 37, 55ff., der in ὑπ- mit Recht ein hypercharakterisierendes Präfix sieht, zunächst um den Gegensatz zum übergeordneten κελευστής hervorzuheben; vgl. ὑπο-δμώς = δμώς und Schw.-Debrunner 524 A. 1. Zur Bed. und Verbreitung von ὑπηρέτης u. Verw. noch E. Kretschmer Glotta 18, 77f. und Fraenkel Nom. ag. 1, 190 (im Einzelnen etw. abweichend). — Weiteres s. ἐρέτης. II-969-970
ὑπισχνέομαι (att., Hdt.), älter ὑπίσχομαι (ep. ion. delph. u.a.), Aor. ὑποσχέσθαι (seit Il.), Fut. ὑποσχήσομαι, Perf. ὑπεσχημαι (att. usw.) ‘versprechen’. — Für ὑπίσχομαι trat im Attischen und bei Hdt. die ν-Bildung ὑπισχνέομαι ein nach dem Oppositum ἀρνέομαι (Wackernagel Unt. 2 17 f.). Weiteres s. 1. ἔχω. II-970
ὕπνος m. ‘Schlaf’ (seit Il.). Kompp., z.B. ὑπνο-δότης, f. -δότειρα ‘Schlafgeber(in)’ (A. u. E. in lyr.); oft als Hinterglied, z.B. ἄ-υπνος ‘schlaflos’ (seit Il.) mit ἀυπν-ία, -έω, -οσύνη. Hypostase ἐν-ύπν-ιος (: ἐν ὕπνῳ) ‘im Schlafe auftretend’ (A. u.a.), -ιον n. ‘Traum’ (seit Β 56 = ξ 495; vgl. unten). Ableitungen: 1.Adj.: ὑπν-ικός ‘schlafbringend’ (Hp., Aret. u.a.); -ώοης ‘schläfrig, schlafend, schlafbringend’ (E., Pl., Arist. usw.) mit -ωδία f. (Iamb.); -ηρός ‘schläfrig’ (Hp.), -ηλός ‘schläfrig, schlaf- bringend’ (Nik., sp. Prosa), -αλέος ‘ds.’ (Pi. Pae. 8, 34 [?], Nik. u.a.). 2. Verba: a. ὑπν-όω (καθ- u.a.) ‘einschläfern, einschlafen’ (ion. hell. u. sp.) mit -ωτικός ‘schläfrig, einschläfernd’ (Hp., Arist., Plu. usw.), καθύπν-ωσις f. ‘das Einschlafen’ (Arist.); b. -ώσσω, att. -ώττω (ἀφ-, ἐφ-) ‘schläfrig sein’ (ion-. att.); c. -ίζω ‘in Schlaf versenken’ (Phryn.); aber ἐξυπν-ίζομαι, -ίζω ‘erwachen, aus dem Schlaf wecken’ von ἔξ-υπνος; 4. -έω = -όω (Anon., Fig.); 5. -ώω, fast nur Ptz. -ώοντας, -ώουσαu.a. (ep. seit Il.), Ipf. -ώεσκε (Q. S.) ‘schlafen’; zur unklaren Bildung (nach ἱδρώοντας? Shipp Studies 28) vgl. Schwyzer 724m A. 8 und Chantraine Gramm. hom. 1, 366 m. A. 1 (m. Lit.). — Mit ὕπνος decken sich sowohl die slav. Wörter für ‘Schlaf’, z.B. aksl. sъnъ, russ. son, wie alb. gjumë (vgl. Mann Lang. 28, 39), idg. *sup-no-s. Nur im Ablaut (idg. *su̯op-no-s, z.T. *su̯ep-no-s) weichen davon ab aind. svápnaḥ, lat. somnus (mit a-svapná-, in-somnis; voneinander ebenso wie von ἄυπνος natürlich genetisch unabhängig), arm. k’un, germ., z.B. awno. svefn. Daneben stehen im Balt. und Kelt. Formen, die auf anl. s- statt su̯- zurückgeführt zu werden pflegen, z.B. lit. sãpnas, air. sūan. Auch toch. A ṣpäṃ, B ṣpane scheinen auf szurückzugehen; wegen des palatalisierten ṣ- wäre dabei eine Grundform *sep-no-s erforderlich (v. Windekens Orbis 17, 97 ff. gegen Schindler Sprache 12, 67 ff., der die fraglichen Wörter anders beurteilt: lit. sāpnas < *su̯opnos, air. sūan < *supnos, toch. ṣpäṃ, ṣpane < *su̯epenos; letztes nicht wahrscheinlich). — Der n-Stamm in ὕπνος usw. hat sein Komplement im r-Stamm in ὕπαρ (s.d.), heth. šupparii̯a- ‘schlafen’ und lat. sopor. Die obigen Wörter für ‘Schlaf’ haben oft auch die Bed. ‘Traum’ angenommen (vgl. die Lit. zu ὕπαρ); in der letztgenannten Bed. auch die Ableitungen aind. svápnyam, aksl. sъnije, lat. somnium n. (neben insomnium nach ἐνύπνιον); s. Schindler a. O. Das zugrunde liegende primäre Verb für ‘schlafen’ ist im Indoiran. erhalten: aind. svapiti, Ptz. suptá-, aw., z.B. Perf. hušxvafa (= aind. suṣvāpa); dazu noch slav., z.B. aksl. sъpati, russ. spatь und Kausativa wie lat. sōpiō, awno. sø̄fa. Über das Verhältnis der Nomina für ‘Schlaf’ (ὕπνος, sopor usw.) zu den zahlreichen Verba für ‘schlafen’ (εὕδω, δαρθάνω, dormiō usw.) Benveniste Beitr. z. Indogerm. u. Keltol. 11ff.; zu idg. su̯ep-’schlafen’ gegenüber ses- ‘ds.’ in aind. sásti, heth. šešzi u.a. Mayrhofer IF 70, 249f. Weitere Lit. bei W.-Hofmann s. somnus und 1. sōpiō, Vasmer s. son und Fraenkel s. sãpnas. II-970-971
ὕπο, ὑπό, ep. poet. auch ὑπαί, äol. u.a. υπα, ion. auch hυπυ (Curnae Va), ark. οπυ, myk. upo, auch upi (Heubeck Beitr. z. Namenforsch. 13, 146f.)? Adv. u. Präp. (m. Gen., Dat., Akk.) ‘unten, darunter; unter (— hervor), unterhalb, unter — hin, hinunter, (in Begleitung) von, durch, wegen’ (seit Il.). — Mit aind. úpa, aw. upa ‘hin — zu, an, bei, zu usw.’, germ., z.B. got. uf ’ὑπό, ἐπί’, kelt., z.B. air. fo ‘unter’ identisch, idg. *upo. Dazu, mit unklarem s-, lat. sub (wie super : ὑπέρ). Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 1, 192f., Pok. 1106f., W.-Hofmann s. sub. — Griech. ὑπαί nach παραί, καταί, υπα nach κατά, μετά u.a., zu οπυ vgl. ἀπυ, οπερ u.a. (Schwyzer 182 und 448), myk. upi (?) nach ἀντί, ἐπί u.a. Ausführlich über ὑπό Schwyzer- Debrunner 522 ff. II-971
ὑπόβρυχα s. βρύχιος. II-972
ὑπόγυ(ι)ος s. ἐγγύη. II-972
ὑποδεξίη s. δέχομαι. II-972
ὑπόδρα (ἰδών) ὑποδράξ ‘ds.’ (Kall., Nik.), nach ὀδάξ, ἀναμίξ u.a. Adv. ‘von unten her blickend, mit einem Blick von unten’ (Hom., Hes.); — Aus *ὑπό-δρακ zu ὑποδέρκομαι und mit aind. upa-dŕ̥ś- f. ‘Anblick’ formal identisch, wohl eig. Neutr. einer adj. Bahuvrihibildung in adverbieller Funktion (vgl. Schwyzer 621 und Risch par. 128a). II-972
ὑπολαΐς s. λᾶας. II-972
ὕπτιος ‘auf dem Rücken liegend, mit der Bauchseite nach oben, rücklings gebeugt, umgekehrt, umgestülpt’ (seit Il.), ‘flach’ (Hdt. usw. ), ubertr. ‘unwirksam, gleichgültig’ (sp.), ‘passivisch’, von Verben neben ἀν-ύπτιος ‘nichtpassivisch’ (D. L.), παρ-ύπτιος als geometr. Terminus neben ὕπτιος (Papp.; Mugler Dict. géom. 444); τὰ ὕπτια auch ‘Bauchseite’, d.h. die in der ὕπτιος-Lage oben befindliche Seite (Jüthner PhW 53, 367). Davon ὑπτι-ότης f. ‘umgekehrte Lage, flache Gestalt, Nachlässigkeit’ (Thphr., Str. u.a.) und die Verba: 1. -άζω, auch m. ἐξ- u.a., ‘(sich) zurückbeugen, einherstolzieren, nachlässig sein’ (att. hell. u. sp.) mit -ασμα n. ‘das Zurückbeugen, die zurückgebogene Gestalt’ (A.), -ασμός m. ‘das Zurückbeugen, Abneigung’ (Hp., sp. Prosa). 2. -όομαι ‘sich umkehren, umgeworfen werden, unwirksam, träge sein’ (A., sp. Prosa) mit -ωσις f. ‘Trägheit, Abneigung’ (sp. Mediz.). 3. -άω (Ptz. -όωσα, Konj. 3. sg. -άῃσι) ‘sich zurücklehnen’ (Arat.). — Zu ὕπτιος vgl. αἴτιος, ἄρτιος, σκότιος, νύκτιος u.a. Das Unterbleiben der Assibilation (Schwyzer 466 A. 11) verhinderte Zusammenfall mit ὕψι u. Verw. — Neben ὕπτιος stehen mit n-Suffix die synonymen lat. supīnus, mir. fāen, fōen ‘auf dem Rücken liegend, rückwärts gestreckt’; wie bei summus aus *sup-mos ist von einer vokallosen Form *up- auszugehen. Die Funktion der Dentalableitung *ὑπ-t(ο)- bleibt indessen unklar. — Nach Sittig Das Alter der Anordnung unserer Kasus (Tübingen 1931) 12 ff. (wo ausführlich über die Bed.) dagegen zunächst aus *ὑπτός = aind. suptá- ‘eingeschlafen, schlafend’ (vgl. ὕπνος), somit eig. "zum Schlafen niedergelegt". Bei dieser in mehrfacher Hinsicht ansprechenden Deutung (vgl. Kretschmer Glotta 22, 246 f.) geht aber S. von der irrigen Auffassung aus, daß τὰ ὕπτια beim Menschen die Rückenseite, bei Tieren dagegen die Bauchseite bezeichne. Dieser Unterschied sollte darauf beruhen, daß es "bei beiden Arten von Wesen sich um die Seite handelt, auf der sie schlafen oder ruhen" (?). II-972-973
ὕραξ, -ακος m. ‘Spitzmaus’ (Nik. Al. 37). — Die Ähnlichkeit mit lat. sōrex, -icis m. ‘ds.’ ist natürlich schon längst beobachtet worden (s. Curtius 354 f.). Nach Don. zu Ter. Eun. 1024 (s. Ernout-Meillet und W.-Hofmann s.v.) wurde das Tier nach seinem Pfeifen benannt, was Anknüpfung an die Sippe von susurrus ‘Summen, Flüstern usw.’ ermöglicht. Grundformen mithin *sur-ak- bzw. su̯ōr-ak-, u. zw. als alte Ablautformen ? — Zu ὕραξ, mit Bildung wie δέλφαξ, σκύλαξ, ἀσπάλαξ usw., gesellt sich noch ὕρον· σμῆνος. Κρῆτες H., das wie germ., z.B. ahd. swarm ‘Bienenschwarm’ (aus idg. *su̯or-mo-) auf su̯er-’surren usw.’ in aind. svárati ‘tönen, erschallen’ zurückgehen kann mit derselben Tiefstufe wie in lat. susurrus, germ., z.B. nhd. surren. Dazu noch ὑρία in ὑριατόμος· ὁ τὰ κηρία τέμνων τῶν μελισσῶν H. (Güntert IF 45, 346, Kretschmer Glotta 18, 238), wohl auch ὑράξ· μίγδην, ἀναμίξ H. (s. auch zu φιλύρα). Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 527f., Pok. 1049f. II-973
ὕρχη f. ‘irdenes Gefäß zum Einsalzen der Fische usw.’ (Ar., hell. Pap., Poll., Sch.). — Technisches Wort, nach Poll. u.a. äolisch. Dazu (als LW?) lat. orca ‘Tonne, größeres Tongefäß’, urceus (nach alveus u.a.) ‘Krug, Wasserkrug’, auch urna ‘Wasser-, Aschenkrug’, letzten Endes aus einer Mittelmeersprache. Weitere Einzelheiten m. Lit. bei W.-Hofmann s.vv. II-973
ὗς, ὑός m. f. ‘Schwein, Sau, Eber’ (seit Il.), ὗς (θαλάττιος) N. eines Fisches (Epich., Archestr.; vgl. zu σύαινα s. σῦς). Als Vorderglied u.a. in ὑ-φορβός m. ‘Schweinehirt’ (Od. u.a.) mit -έω (Chios V-IVa), auch ὑο-φορβός mit -ία, -ιον (hell. u.sp.); ὑ-σπέλεθος m. ‘Schweinekot’ (D. C., Poll.), ὑσπολεῖν· συβωτεῖν H., Ὕσ-πορος m. N. eines Flusses (Nonn.; volksetymologisch nach Βόσπορος, vgl. Maas KZ 52, 305). Davon 1. Demin. ὑΐδιον (ὕδ-) n. (X. u.a.). 2. Adj. ὕ-ειος ‘vom Schweine’ (ion. att.), -ικός ‘ds.’ (X., hell. u. sp.); mit pejorativem Nebensinn -ηνός ‘schweinisch, säuisch’ (vgl. σκαληνός, γαληνός u.a.) mit -ία f. ‘säuisches, tölpisches Wesen’, -έω ‘säuisch, dumm sein’, -εύς m. ‘säuischer, gemeiner Mensch’ (att.); ebenso -ώδης (Plu.) mit -ωδία (Ath.). 3. Lokalbez. ὑών m. ‘ Schweinestall’ (hell. Pap.). 4. Verb ὑιζω ‘wie ein Schwein schreien’ mit -ισμός (Poll.). 5. ‘Υστήρια n. pl. N. eines Aphrodite -Festes in Argos (Zenod. ap. Ath. 3, 96 a; nach μυστήρια). —Zu ‘Υάδες, ὕαινα, ὕκης, ὕνις s. bes.; vgl. noch ὕδνον. — Alte Benennung des Schweins und des Ebers, in mehreren Sprachen erhalten: lat. sūs, germ., z.B. ahd. sū = nhd. Sau, aw. hūš (Hoffmann Münch. Stud. 22, 33 ff.) usw., idg. *sū-s; dazu mit verschiedenen Suffixen germ., z.B. ahd. swīn = nhd. Schwein, slav., z.B. aksl. svinija, aind. sūkará- m., toch. B suwo u.a.m., s. WP. 2, 512f., Pok. 1038f., W.-Hofmann s. sūs m. weiteren Formen u. Lit. — Über idg. *sūs ‘ausgewachsenes Schwein, Mutterschwein’ gegenüber *porḱos (lat. porcus usw.) eig. ‘Ferkel’ s. Benveniste BSL 45, 74ff.; daselbst auch Bemerkungen zu verschiedenen unbeweisbaren od. unhaltbaren Hypothesen über die Vorgeschichte von idg. *sūs. — Vgl. σῦς, χοῖρος und χλούνης. II-973-974
ὕσγη f. N. eines Strauches, wahrsch. ‘Kermeseiche, Quercus coccifera’ (Suid., auch Paus. 10, 36, 1 [coni.]). als Vorderglied u. a. in ὑσγινο-βαφής ‘mit ὑ. gefärbt’ (X., Klearch. u.a.); ὑσγινόεις ’ὑ.-farben’ (Nik. [ĭ; metr. Kürzung?]). Davon ὕσγινον n. N. eines roten Farbstoffes, der von dem ὕσγη benannten Strauch geholt wurde, auch ‘roter Mantel’ (Nik., AP [beide ī; metr. Dehnung?], Pap., Plin., Dig. u.a.); — Nach Paus. a.O. (wo codd. ὗς [vor γίνεται; wohl Haplographie]) galatisch (keltisch?) = κόκκος. Zu einer verfehlten sem. Etymologie Lewy Fremdw. 128 f. II-974
ὕσκλος, ὕσχλος m. ‘Vorrichtung (ἀγκύλη, βρόχος) an der Sandale, in der die Riemen befestigt wurden’ (Phryn. PS, Poll., H., Theognost.); ἐννήῢσκλοι· ὑποδήματα Λακωνικῶν ἐφήβων H., ἕπτυσχλοι· ἀνδρεῖον ὑπόδημα H. (Hermipp. 67). — Fremdwort unbekannter Herkunft. II-974
ὑσμίνη, Dat. auch -ῖνι (μάχεσθαι [Versende] Β 863, Θ 56) f. ‘Kampf, Schlacht’ (ep. lyr. seit Il.). Davon ὑσμιναταί m. pl. N. einer Phyle (Epid.). — Altes, im Griech. isoliertes Reliktwort, mit Bildung wie ῥηγμῑν-, σταμῑν- u. a. (s. dd. und Schwyzer 465), wozu mit Übergang in die ā-Stämme ὑσμίν-η (vgl. z.B. ἀλκ-ή : ἀλκ-ί und Egli Heteroklisie 12, Chantraine Gramm. hom. 1, 231). Das anzusetzende Grundwort *ὑσμός (mit anal. -σμο- für -μο-?; vgl. Schwyzer 493) stimmt zu aind. yudh-má- m. ‘Krieger’, das zu yudh- f. ‘Kampf’ gehört mit yúdh-ya-te ‘kämpfen’ usw. nebst zahlreichen Verwandten in anderen Sprachen, z.B. lat. iubeō ‘befehlen’, lit. judė́ti ‘sich bewegen, sich regen, sich rühren’, judùs ‘zanksüchtig’ usw. usw.; s. WP. 1, 203 f., Pok. 511 f., W.-Hofmann, Mayrhofer und Fraenkel s.vv. mit weiteren Formen und reicher Lit. — Von *ὑσμός vielleicht der PN Ὕσμων (Elis). Näheres über ὑσμίνη neben den jüngeren μάχη, πόλεμος u.a. bei Trümpy Fachausdrücke 162ff. m. Lit. II-974
ὕσπληξ, -ηγος, dor. (Epid.) -ᾱκος, auch (selten) -ηγξ, -ηγγος, dor. (Theok.) -ᾱγξ f. (m.) ‘auslösende Vorrichtung zum Entlassen der Wettläufer, zum Fangen von Vögeln und Tieren usw.’ (att. Inschr. [Ende Va], Pl. Phdr. 254e, hell. u. sp.), Aussehen (Schlinge? Stellholz? Seil?) unbekannt. — Deswegen schwebt eigentlich die Etymologie in der Luft. Seit langem (Curtius 277 u. 228) in ὕσ-πληξ zerlegt, zu πλήσσω und ὑσ- in ὕστερος (s.d. m. Weiterem); somit eig. *"der Emporschläger" ? Eher mit Jüthner Die Antike 15, 251 vorgriechisch. II-975
ὕσσακος (auch -αξ?) nur ὑσσάκους· πασσάλους EM 785, 7, Phot.; Gen. pl. -άκων ‘cunnus’ (Ar. Lys. 1001); auch ὕσσακος· ὑστακός H. (= πάσσαλος Theognost. Kan. 24), ὕσταξ· πάσσαλος κεράτι-νος H. — Bildung wie τριβακός, λιθακός, θύλακος bzw. στύραξ, κάμαξ, λίθαξ u.a. Im Sinn von πάσσαλος schwerlich von ὑσσός zu trennen; als vulgärer Ausdruck bei Ar. steht das Wort wahrscheinlich mit Anspielung auf ὗς als Ersatzwort für χοῖρος, in der Kom. oft im Sinne von ‘cunnus’ gebraucht (vgl. Ernout BSL 41, 121 A. 1). — Zu ὕσταξ vgl. die Lit. zu ἕστωρ. II-975
ὑσσός m. ‘Wurfspieß’, lat. pīlum (Plb., D. H., Str., Plu.). — Technisches Wort unsicheren Ursprungs. Nach Bechtel BB 30, 271 f. aus dem Karischen; vgl. EN wie ‘Υσσισις, ‘Υσσωλος, PN Μαύσσωλος. Unhaltbare idg. Etymologien bei Bq (m. Add. et Corr.) und WP. 1, 309 (abgelehnt). Lewy KZ 55, 30 f. (mit Kritik früherer Deutungen) vergleicht assyr. ussu, hebr. ḥēṣ ‘Pfeil’. II-975
ὕσσωπος (ὑσ-) f. (-ον n.) ‘Ysop, Origanum hirtum’ (Inschr. Keos Va, hell. u. sp.); ὑσωπίς· ἡ σάμψυχος H.; ὑσ(σ)ωπίτης (οἶνος) ‘mit Ysop bereiteter Wein’ (Dsk., Plin., Colum., Gp.). — Aus dem Semit. : hebr. ē̂zōb (Lewy Fremdw. 38 m. Lit.). II-975
ὑστάς · π[λ]αστὰς ἀμπέλων; ὑστάδα· ἡ δασεῖα ἄμπελος H. Vgl. παστάδες· ... τῶν ἀμπέλων οἱ συστάδες H. — Wohl dialektische (kyprische?) Nebenform von συστάς, pl. συστάδες (ξ-) f. ‘dicht zusammenstehende, nicht in Reihen wachsende Weinstöcke’ (Arist. u.a.), übertr. von Wasserzisternen (Str.); von συν-ίστα-μαι wie παστάς von παρ-ίσταμαι (vgl. Hoffmann Dial. 1, 202 [zögernd]). Abzulehnen v. Blumenthal Hesychst. 46: zu ὗς bzw. σῦς, urspr. *’ Schweinepfahl’ (?). II-975
ὑστέρα, ion. -ρη f. ‘Gebärmutter, Mutterleib’, auch ‘Eierstock’ (ion., Pl. Ti. 91 c, Arist. usw.). Davon ὑστερικός ‘die Gebärmutter betreffend, an der Gebärmutter leidend, hysterisch’ (Hp., Arist., Gal. u.a.); vgl. ngr. ὑστερῖτις ‘Hysterie’. — Der Bildung nach ein alter Komparativ, formal fem. (sc. μήτρα?) von ὕστερος (s.d.), semantisch besser zu aind. úttara-’oberer, höherer’ stimmend; somit letzten Endes von idg. *ud ‘empor, hinauf, hinaus’ als *"die Hervortretende"? Neben *ud-terā > ὑστέρα steht mit tro-Sufflx ὕστρος· γαστήρ H.; daneben mit ero-Suffix aind. udáram n. ‘Bauch’, ὕδερος (s.d.), die aber wegen des damit ablautenden lit. vė́daras vielleicht anders zu beurteilen sind, s. WP. 1, 191, Pok. 1104f., W.-Hofmann s. vēnsīca und uterus (gegen Brugmann Grundr.2 II : 1. 330). II-975-976
ὕστερος Adv. ὕστερον, -α, ὕστατον, -α (seit Il.), -έρως, -άτως (sp. und selten). ‘hinterer, späterer’, Superl. ὕστατος ‘spätester, letzter’, Als Vorderglied, z.B. in ὑστερό-ποινος ‘spätere Strafe bringend, später strafend’ (A. in lyr.). Davon 1. Adj. ἡ ὑστεραία (ἡμέρα) ‘der folgende Tag’ (ion. att.) wie ἡ προτεραία (vgl. Schwyzer 468 m. Lit.). 2. Verba: a. ὑστερ-εω, oft m. καθ-, auch ἀφ-, ἐφ-, ‘zu spät kommen, die rechte Zeit verpassen, nachstehen, Mangel leiden’ (ion. att.) mit -ημα, -ησις ‘Mangel, Entbehrung’ (LXX, ΝΤ), -ησμός ‘Rückstand, Schuld’ (Pap.), -ητικός ‘später eintreffend’, vom Fieber (Gal.). b. -ίζω (ἐφ-, καθ-) ‘ds.’. — Mit aind. úttara- ‘oberer, höher’, auch ‘hinterer, späterer’ identisch; von idg. *ud ‘empor, hinauf, hinaus’; vgl. zu ὑστέρα. Der Superl. ὕστατος ist eine Neubildung nach δέκατος, ἔσχατος u.a. gegenüber aind. uttamá- ‘oberster, höchster usw.’. II-976
ὕστριξ, -ιχος (Gen. pl. -ίγγων Opp. wie von ὕστριγξ) m. f. ‘Stachelschwein, Igel’ (Hdt., Arist., Ael.), pl. übertr. ‘Schweine- borste’ (Pl. Kom.). Davon ὑστριχίς, -ίδος f. ‘Karbatsche’, zur Züchtigung der Sklaven (Ar. u.a.). — Nicht sicher erklärt. Oft (s. Schwyzer-Debrunner 517 m. A. 4 u. Lit.) in ὕσ-τριξ zerlegt, von θρίξ, τριχός ‘Haar’ und ὑσ- in ὕστερος (s.d.); somit eig. ‘mit emporstehenden Haaren’, was logisch gewiß tadellos ist. Die Alten (z. B. Pl. Kom.) haben es offenbar mit ὗς ‘Schwein’ verbunden. — Vgl. ὕσπληξ. II-976
ὑφαίνω (seit Il.), Aor. ὑφῆναι (seit Od.), ὑφᾶναι (B. [dor.], hell. u. sp. nach τετρᾶναι u.a.), Pass. ὑφανθῆναι (ion. att.), Fut. ὑφανῶ (att.), Perf. Pass. ὕφασμαι (ion. att.), Akt. συν-, παρ-, ἐξ-ύφαγκα (D.H. u.a.), ‘weben, anzetteln, ersinnen, verfertigen’. oft m. Präfix, z.B. ἐν-, ἐξ-, συν-, Davon 1. ὑφαν-τός (τρι-, ἀν-, ἐν- usw.) ‘gewebt’ (seit Od.; Ammann Mv. χάριν 1, 17). 2. ὑφάν-της (συν-, ταπιδ- usw.) m. ‘Weber’ (att., Arist., Pap.. Inschr. u.a.), -τρια f. (sp.; -τρα f., Mayser I : 3, 82), mit -τικός, ἡ ~ -τικὴ (τέχνη), ‘zum Weber gehörig, Weberei’ (att. usw.). 3. -τάριος ‘ds.’ (Kyzikos). 4. ὕφασμα (ἐξ-, ἐν- u.a.) n. ‘Webearbeit, Gewebe’ (seit γ 274; vgl. Wace AmJArch 52, 51ff.,452) mit -μάτιον H. s. προγωνίαν; ὕφαμμα (att. Inschr. IVa; vgl. Schwyzer 524 A. 2). 5. ὕφανσις (συν-) f. ‘das Weben’ (Pl., Gal., Poll.). 6. ὕφαν-τρον n. ‘Weberlohn’ (Pap.). 7. -τεῖον n. ‘Weberei’ (Pap. IIIa); -τών (?) ‘ds.’ (Pap. IIp). — Epische Nebenformen (vgl. unten): ὑφάω in ὑφόωσι (η 105), ὑφανάω in ὑφανόωντας (Man. 6, 433). — Weitere Nomina, wohl Rückbildungen (vgl. unten): 1. ὑφή (παρ-, συν-, ἐφ-, γυναικο-) f. ‘Gewebe’ (Trag., Pl., Arist., hell. u. sp.). 2. ὕφος n. ‘ds.’ (Pherekr., Eub., hell. u. sp.). Als Hinterglied (verbal assoziiert): 1. Adj. -υφής, z.B. συνυφ-ής ‘zusammengewebt’ (:συνυφή, συν-υφαίνω, Arist.), f. pl. συνύφειαι ‘Wachszellen’ (Arist.; Lesung nicht ganz sicher), παρυφ-ής ‘mit einer Borte (παρυφή) versehen’ (Ar. Fr. 320, 7, Poll., Phot.), f. -ίς ‘mit einer Borte versehenes Kleid’ (Men., Poll.); ἡμι-υφής ‘halb- gewebt’ (att. Inschr. IVa). 2. Subst. -υφος, z.B. λίν-υφος (λινό- ~) m. ‘Leineweber’ (Pap., Inschr.). — Gegen die naheliegende Annahme, ὑφαίνω sei ein Denominativum von ὑφή, ὕφος, spricht entschieden die Chronologie der Belege. Vielmehr ist ὑφαίνω aus einem älteren primären Präsens urngebildet worden (Fraenkel Nom. ag. 2, 85 m. Lit., Schwyzer 694; vgl. unten), wozu ὑφή, ὕφος (für erwartetes *ϝέφος) wohl am ehesten als Rückbildungen traten; sie können aber an sich auch alte primäre Nomina vertreten. Als Zufälligkeitsbildungen der epischen Sprache sind die ἅπ. λεγγ. ὑφόωσι, ὑφανόωντες zu verstehen (Chantraine Gramm. hom. 1, 356, Schwyzer 683, 700, 719 m. A. 8 u. Lit.). — Primäre Nasalpräsentia in verschiedener Gestaltung liegen vor in aind. ubhnā́ti, unápti, umbháti ‘zusammenschnüren’, wozu mit Hochstufe ūrṇa-vābhi- ‘Spinne’ (*"Wollweberin"). Ein Nasalpräsens (mit Hochstufe) erscheint noch in alb. venj ‘weben’ aus idg. *u̯ebh-n-ii̯ō, das der Bildung nach, vielleicht nicht zufällig, zu ὑφαίνω stimmt (vgl. Porzig Gliederung 178). Hinzu kommen, namentlich im Germ., mehrere hochstufige Formen, z.B. ahd. weban ‘weben, flechten, spinnen’, mit waba, nhd. Wabe. Hochstufig sind noch toch. A wäp- (3. pl. Med. wpantär mit Vokalsynkope), B wāp-, z.B. Inf. wāpatsi. Unsicher bleibt die Heranziehung von heth. ḫupiki- N. eines Kleidungsstücks und anderen Bildungen auf ḫup(i)- (Kronasser Beitr. z. Indogerm. u. Keltol. 46). — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 257, Pok. 1114; alt. Lit. auch bei Bq. Zur Verbreitung von idg. u̯ebh- ‘weben’ und zur Abgrenzung gegen synonyme Ausdrücke Porzig Gliederung 186 f. II-976-977
ὕφεαρ, -εαρος n. arkad. Name der Mistel, ‘Viscum album’ (Thphr., H. [wo ὑφαίαρ]). — Unerklärt. Nach Prellwitz und Bechtel Dial. 1, 395 aus kypr. ὑ- (s.d.) und *φέϝαρ, Verbalnomen zu ἔφυν, gernäß der Erklärung bei H.: τὸ ἐπιφυόμενον ταῖς πεύκαις καὶ ἐλάταις. Ganz fraglich, da die Hochstufe φευ-im Griech. sonst nicht mit Sicherheit nachgewiesen ist (vgl. zu συφεός). Nach Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 27 σ-lose Variante von σῦφαρ (s.d.). II-977-978
ὕψι Adv. ‘in der Höhe, oben; in die Höhe, empor; hoch’ (Hom., Hes.). Sehr oft als Vorderglied (vgl. Sommer Nominalkomp. 173f.), z.B. ὑψι-βρεμ-έτης ‘in der Höhe donnernd’, von Zeus (Hom., Hes.), ὑψ-αύχην ‘mit hohem Nacken, stolz’ (E., Pl. Phdr. 253d, AP, sp. Prosa) mit ὑψαυχεν-έω, -ίζω ‘den Nacken hoch tragen, stolzieren’ (hell. u. sp.). Davon 1. Adv. ὑψ-οῦ, -όθι, -όσε, -όθε(ν) ‘oben’, bzw. ‘empor, von oben her’ (vorw. ep. poet. seit Il.). 2. Steigerungsformen: ὕψ-ιστος (Pi., Trag., A. R. u.a., auch sp. Prosa) nach κύδιστος, μέγιστος u.a., wozu -ίων (Pi.Fr.213), -ίτερος (Theok. 8, 46); auch -οτάτω Adv. (B. Fr. 16, 6). 3. Subst. ὕψος n. ‘Höhe’ (Hdt., Emp., att. seit A., hell. u. sp.; nach μῆκος, βάθος usw., Porzig Satzinhalte 247; s. auch Böhme Sprache 7, 211 f.) mit ὑψ-ήεις ‘hoch’ (Nik.,AP; nach αἰγλήεις usw.; vgl. Schwyzer 527), -όω (auch m. ἀν-, ἐξ-u.a.) ‘in die Höhe heben, erhöhen’ (hell. u. sp.; nach ταπεινόω u.a.; Ptz. ὑψεύμενος Hp.), wovon -ωμα, -ωματικός, -ωσις, -ωτής, -ωτικός. Über ὕψι, ὕψιστος, ὕψος Wackernagel Unt. 213f.; etw. abweichend Seiler Steigerungsformen 109 f. 4. ὑψηλός ‘hoch’ (seit Il.; Vorbild unbekannt, vgl. unten). 5. Kurznamen: ‘Υψεύς m. (Pi.; Boßhardt 125), ‘Υψώ f. = ‘Υψιπύλη (Ar. Fr. 225, EM, Suid.). — Endvokal wie in ἦρι, ἄρτι, ἄντι usw.; somit alter Lok. (bzw. Analogiebildung). Letzten Endes zu ὕπατος, ὕπο, ὕπερ (s. dd.). Das erweiternde σ hat ein Gegenstück in äol. ὄψι, hom. usw. ὀψέ (s.d.), in ἄψ neben ἄπ-ο u.a.m. und läßt sich auch im Keltischen nachweisen, z.B. air. ōs, uas ‘oben, über’ (aus *oupsu), wozu mit l-Ableitung uasal ‘hoch’, gall. Uxello-dūnum "Hochburg" ( : ὑψηλός?). Ebsnso slav., z.B. russ. vysók ‘hoch’ (*ūpso-), lat. sus- < *sub-s- (wie abs-) in sustineō u.a. Hypothesen über die Herkunft des -s- bei Schulze Kl. Schr. 97 A. 1 (ὑπ-σ- schwundstufiger s-Stamm?), bei WP. 1, 193 und Pok. 1107 (ὑπ-σι Lok. pl. ?); daselbst auch weitere Formen m. Lit. Fürs Griech. noch Schwyzer 622 u. 631; ältere Lit. bei Bq. II-978
ὕω, nur 3. sg. Präs. u. Ipf. ὕει, ὗε (seit Il.), 3. pl. ὕουσι (νεφέλαι, Luk.), Aor. ὗσαι (Pi., Hdt. usw.), Ipv. ὗσον (ὦ Ζεῦ, Gebet bei M. Ant.), Fut. ὕσει (Kratin.), 1. pl. ὕσομεν (von den Wolken, Ar.) ‘regnen’, meist unpers. ‘es regnet’, auch ‘regnen lassen, Regen senden’; dazu pass. Formen: ὑόμενος (ζ 131), ὕεται, ὑσθῆναι (Hdt. u.a.), ἐφ-υσμένος (X.) ‘vom Regen betroffen werden, Regen bekommen’. Zum unpersönlichen und (okkasionellen) persönlichen (Ζεὺς ὕει u.a.) Gebrauch v. Wilamowitz Glaube 1, 21, Chantraine Fondation Hardt, Entretiens I (1952) 56f., Schw.-Debrunner 621. Davon ὑετός m. ‘Regen’ (seit Μ 133; wie νιφετός, παγετός u.a.) mit ὑέτ-ιος ‘regnerisch, Regen bringend’ (ion., Arist., hell. u. sp.; Hdt. 2, 25 codd. ὑετώτατοι), -ώδης ‘ds.’ (J.), -ία f. ‘Regenwetter’ (hell. u. sp.; Scheller Oxytonierung 54 f.), -ίζω ‘ Regen senden, beregnen’ (LXX, Pap.). — Zum primären ὕω (aus *ὕ-ι̯ω?) stimmt das toch. Verb für ‘regnen’, z.B. A 3. pl. swiñc (athem. *suu̯-énti, von Blumen), B 3. sg. u. pl. suwam (*suu̯ā-nt); dazu mit suffixalem s (wie z.B. im Konj. B swāsaṃ) A swase, B swese ‘Regen’ (*su̯os-; zum Anlaut v. Windekens Orbis 17, 97 f.). Aus anderen Sprachen gehören hierher noch alb. shi ‘Regen’ (*sū-) und apreuß. suge (= suje) ‘ds.’. Weitere Anknüpfung an idg. seu-, sū̆-’Saft, pressen’ in aind. sunóti ‘auspressen, keltern’ usw. (WP. 2, 468f., Pok. 912f.) ist hypothetisch und jedenfalls fürs Griech. ohne Belang. Über andere idg. Ausdrücke für ‘regnen’ s. οὐρανός, ἕρση und πλέω; dazu die Ausführungen bei Porzig Gliederung 185. II-978-979
φαγεῖν Aor. (seit Il.), Fut. φάγομαι (hell. u. sp.; nach πίομαι, ἔδομαι), ‘aufessen, verzehren, verschlucken’, sp. u. ngr. auch übertr. ‘hinunterschlucken, verschmerzen’ (Ljungvik Eranos 28, 46f.), auch m. κατα-, ἐν- u.a., vgl. φαγο-λοίδορος unten. Überaus oft als Hinterglied in Syntheta, z.B. ὠμο-φάγ-ος ‘rohes Fleisch fressend’, von Tieren, auch von wilden Völkern (seit Il.) mit ὠμοφαγ-έω, -ία, -ιον; παματοφαγεῖσται Inf. Med. ‘mit Konfiskation betroffen werden’ (lokr.), von *παματο-φάγος. Daraus losgelöst φάγος m. ‘Fresser, Vielfraß’ (Ev. Matt., Ev. Luk.). Ganz vereinzelt als Vorderglied: φαγ-ανθρώπων· ἀκαθάρτων H. (Umstellung von ἀνθρωπο-φάγων), φαγο-λοίδορος ‘Beleidigungen einsteckend’ (Gloss.), φαγέ-σωρος ‘gefräßig’ mit -σωρῖτις γαστήρ (Kom. Adesp., Redard 115). Hypostase: προσ-φάγ-ιον n. ‘Zukost, Käse’ (Bees Mél. Bq 1, 31ff.). Ableitungen. 1. φαγ-ᾶς m. ‘Fresser’ (Kratin.), κατα- ~ ‘ds.’ (A.Fr. 428 = 709 M., wo Weiteres), κατω- ~ N. (Spitzname) eines Vogels (Ar. Av. 288). 2. -έδαινα f. ‘krebsartiges Geschwür’ (Hp., Trag., D. u.a.), ‘Fraßsucht’ (Gal.) mit -εδαινικός ‘krebsartig’, -εδαινόομαι, -όω ‘am Krebs leiden’, -ωμα (Mediz., Plu., Poll. u.a.); zu *φαγεδών (wie σηπεδών u.a.) nach γάγγραινα, φλύκταινα u.a. 3. Auch φάγ-αινα· ἡ μετὰ τὰς νόσους πολυφαγία (Ammon. Diff.), nach H. auch = φαγέδαινα. Mask. φάγων, -ωνος m. ‘Vielfraß’ (Varro, Vopisc.); auch φαγόνες· σιαγόνες, γνάθοι H. 4. φάγ-ημα n. ‘das Essen, Speise’ (sp.), προσ- ~ ‘Zukost’ (Aesop.); vgl. τραγήματα s. τρώγω. 5. -ήσια (sc. ἱερά) n. pl. ‘Eßfest’, -ησιπόσια ‘Eß- und Trinkfest’ (Klearch.), nach ἐτ-ήσιος, ’Ιθακ-ήσιος u.a.; vgl. noch σίτ-ησις. 8. φάγυλοι· μαστοί, μάρσιπποι H., -ύλιον· μαρσίππιον Phot. —Zu φάγιλος s. bes. — Das als Aorist zu ἐσθίω fungierende φαγεῖν läßt sich formal mit dem aind. Präsens bhájati ‘verteilen, zuteilen’, Med. -te ’teilhaftig werden, empfangen, genießen’ gleichsetzen. Dazu mit Beziehung auf das Essen die Nomina bhak-tá-m n. ‘Por- tion, Mahl(zeit), Speise’, bhak-ṣá-ḥ m. ‘Essen, Trank, Speise, Genuß’ mit bhakṣáyati, bhakṣati ‘essen, trinken, genießen’. Die urspr. Bed. ‘verteilen’ ist auch erhalten in toch. B pāke, A pāk ’Teil, Abschnitt’ aus idg. *bhagos m. = aind. bhága-ḥ m. ‘Besitz, Wohlstand, Glück’, aw. baga-, baγa- n. Anteil, (günstiges) Los’. Zu den übrigen zahlreichen Vertretern dieser Sippe im Indoiran., z.B. aind. bhágaḥ m. *"Zuteiler", ‘Herr’ als Beiw. von Göttern, aw. baγa-, apers. baga- m. ‘Herr, Gott’, s. Mayrhofer s. bhágaḥ 1 u. 2 m. Lit.; zu slav. Verwandten, z.B. aksl. bogatъ, russ. bogátyj ‘reich’, aksl. bogъ, russ. bog ‘ Gott’, Vasmer s. vv., ebenfalls m. reicher Lit. Zur ganzen Sippe noch WP 2, 127f., Pok. 107 und Ramat A.I.O.N. 5, 33ff. mit den Bemerkungen von Pisani Paideia 18, 412. Vgl. noch βαγαῖος (worüber jetzt Schmitt Sprache 9, 38 ff.). II-979-980
φάγιλος = ἀμνός (Arist. Fr. 507). — Zu φαγεῖν mit Bezug auf das Alter, wenn das Lamm eßbar wird (Fick GGA 1894, 247, Chantraine Form. 248 f.). II-980
φάγρος 1. kret. Wort für ἀκόνη, ‘Wetzstein’, nach Simias bei Ath. 6, 327e (Fr. 27). — Kann mit arm. bark ‘herb, bitter, scharf vom Geschmack, heftig, zornig’, wenn aus idg. *bhag-ro-, formal, letzten Endes auch semantisch ("schärfend, der Schärfer" mit substantivierender Barytonese) identisch sein (Lidén Armen. Stud. 57 ff.). — Andere, gewiß nicht vorzuziehende Erklärungen von arm. bark bei WP. 2, 188, Pok. 163. Vgl. φοξός. II-980
φάγρος 2. m. N. eines Fisches, viell. ‘Seebrassen, Pagrus vulgaris’ (Hp., Kom., Arist. usw.); Nebenformen φάγωρος (aus *φάγρ- dissim.? Fick KZ 43, 151)· ἰχθῦς ποιός H., φαγρώριος (Str.). — Nach einer zögernden Vermutung von Lidén a. O. mit 1. φάγρος identisch (wegen der zugespitzten Körperform od. der scharfen Zähne?). Gemäß Isid. (s. Thompson Fishes s.v. m. ausführl. Behandlung) wurde der Fisch von den Griechen fagrus benannt, "quod duros dentes habeat, ita ut ostreis in rnari alatur". Vorgriech. Ursprung ist natürlich denkbar (s. Lit. bei W.-Hofmann s. pager; daselbst auch eine abzulehnende Anknüpfung an πηγός, πήγνυμι). II-980-981
φάε, φαέθων usw. s. φάος. II-981
φαίδιμος ‘glänzend, stattlich’, oft als Beiw. von Ἕκτωρ, ’Αχιλλεύς u.a. (ep. poet. seit Il.; auch als PN), metr. Erweiterung -ιμόεις (Ν686; Risch ̨ 56e). Daneben φαιδρός ‘hell, klar, heiter, fröhlich, vergnügt’ (Pi., Sol., A. usw.; Φαίδρη λ 321), auch als Vorderglied, z.B. in φαιδρό-νους ‘mit heiterem Sinn’ (A.), φαιδρ-ωπός ‘mit heiterem Blick’ (A., E.). Davon 1. φαιδρ-ότης f. ‘Klarheit, Heiterkeit’ (Inschr., Plu. u.a.). 2. -όομαι ‘heiter sein’ (X.). 3. -ύνω, vereinzelt m. ἐκ-, ἐπι-, ἀπο-, ‘hell machen, reinigen, waschen; erheitern, erfrischen’ (vorw. poet. seit Hes. Op. 753) mit -υντής m. "Reiniger", u. zw. des Zeusbildes in Olympia (Paus., Poll.), gewöhnl. φαιδυντής, -ταί (el. u. att. Inschr.; vgl. unten); f. φαιδρύντρια (A. Ch. 759). — Für sich steht φαίδει· ὄψει H., wohl von *φαῖδος n. — Zu φαιδ-ρός : φαίδ-ιμος : *φαῖδ-ος vgl. z.B. κυδ-ρός : κύδ-ιμος : κῦδ-ος u.a.; dazu Arbenz 12 u. 33. Dazu urspr. *φαιδύνω (wie αἰσχρός : αἶσχος : αἰσχύνω), das in φαιδυντής eine Spur hinterlassen hat und vielleicht in der Überlieferung von φαιδρύνω verdrängt wurde (Schwyzer 733 und Fraenkel Nom. ag. 1, 175 m. Lit.). Bildungen wie φαιδρύντρια und φαιδρό-νους (für *φαιδί-νους) bei A. zeugen aber von der Produktivität des Adjektivs. — Seit Fick BB 2, 187 wird φαιδρός mit lit. gaidrùs ‘hell, heiter’, vom Wetter, gaidrà ‘wolkenloser Himmel, heiteres Wetter’ identifiziert, was idg. *gʷhaid-ró-s (*gʷhəid-) voraussetzt; dazu mit Ablautentgleisung (vgl. Fraenkel s. gaidrà) giẽdras, -rùs ‘ds.’. Krahe Das Venetische 14 (m. Lit.) fügt noch hinzu den illyr. PN Baedarus. Weiteres s. φαιός. II-981
φαινόλης dor. φαινόλα (Rhinth.); auch φαίνουλα, παίνουλα, πένουλα (Edict. Diocl.; aus lat. pae-nula); m. (Pap. seit Ip, Arr., Ath. u. a.), ‘dickes Oberkleid, Mantel’; ngr. φαιλόνι (φελ-). Näheres bei Bauer Gr.-dt. Wb. s.v. Demin. φαινόλιον n. (Pap. IIp). Daneben mit Metathese (im Anschluß an die Gerätenamen auf -όνη, -όνιον) φαιλόνης, φελ- (2 Ep. Ti. 4, 13) und das gewöhnlichere φαιλόνιον (Pap.) — Bildung wie μαινόλης, σκωπτόλης u.a. (Chantraine Form. 237 f.), aber als Sachbezeichnung semantisch davon abweichend. Eine alte Femininbildung (wie μαινόλις u.a.) liegt in φαινόλις Beiw. von ἠώς, αὔως (h. Cer., Sapph.) vor, offenbar im Sinn von ‘hell, leuchtend, lichtbringend’, zu φαίνω. Weshalb der betreffende Mantel als "der Leuchtende, Schimmernde" (im Verhältnis wozu?) bezeichnet wurde, bleibt noch zu ergründen (vgl. Schwyzer Mus. Helv. 3, 49ff.). — Lat. LW paenula; s. W.-Hofmann m. weiteren Einzelheiten u. Lit. II-981-982
φαίνω, -ομαι, m. Redupl. παμ-φαίνω und Ptz. -φανόωσα, -φανό-ωντα (ep. poet. seit Il., παμφανάᾳ· λάμπει H.), Aor. φῆναι (dor. φᾶναι), intr. φανῆναι (alles seit Il.), Fut. φαν-έω, -ῶ (seit T 104). -έομαι (seit μ 230), -ήσομαι (Hdt. u.a.), dor. -ησέω (Archim.), πεφήσεται (P 155), Perf. Med. πέφασμαι, 3. sg. πέφανται (seit Il.), Akt. intr. πέφηνα (ion. att.), dor. πέφᾱνα (Sophr.), trans. πέφαγκα (jungatt.), Aor. Med. trans. φήνασθαι (ion. att.), intr. u. Pass. φανθῆναι (att.), ‘sichtbar machen, ans Licht bringen, zeigen, kundtun’, Med. und Akt. intr. ‘sichtbar werden, ans Licht kommen, sich zeigen, erscheinen’. sehr oft mit Präfix, z.B. ἀπο-, ἐκ-, ἐν-, ἐπι-, κατα-, προ-, ὑπο-, An das Verb schließen sich zahlreiche Kompp. und Ableitungen (gedrängte Übersicht): 1a. Als Vorderglied u.a. in φαινο-μηρίδες (Ibyk.), sg. φανό-μηρις (Poll.) f. ‘die die Schenkel Zeigende(n)’ bzw. ‘mit sichtbaren Schenkeln’; PN, z.B. Φαινέ-λαος, Φαννό-θεμις, Φανό-τιμος; zu Φαιν-, Φαν(ν)- Arena Riv. di fil. 93, 438 ff. 1b. Als Hinterglied mit Anschluß an die σ-Stämme, z.B. τηλε-φανής ‘weit sichtbar, weithin erkennbar’ (poet. seit ω 83); zahllose PN, z.B. ’Αριστο-φάνης; sehr oft von den Präfixkompp., z.B. ἐμφαν-ής (ἐμ-φαίνω) ‘sichtbar, offenbar, offenkundig’ (ion. att.) mit -εια, -ία, -ίζω, -ισις, -ίσιμος, -ισμός, -ιστής, -ιστικός. 2. Mit ρο-Suffix : φαν-ερός ‘sichtbar, offenbar, deutlich’ (Pi., ion. att.) mit -ερ-ότης (sp.), -όομαι (Hdt.), -όω (sp.), -ωσις. Zu φανερός im Sinn von ‘quidam’ im byzant. Griech. Tabachovitz Eranos 30, 97 ff. 3. Mit ητ-Suffix : Φάνης, -ητος m. N. einer orphischen Gottheit (Orph.). 4. Mit σι- (< τι-) Suffix: a. φά-σις f. ‘Anzeige’ (att.), ‘das Erscheinen, Erscheinung’ (Ti. Lokr., Arist., hell. u. sp.); sehr oft von den Präfixkompp., z.B. πρόφα-σις f. ‘scheinbarer Grund, Vorwand’ (Thgn., ion. att.) mit -σίζομαι (Thgn., ion. att.), -σιστικός (LXX,Ph.); ἔμφα-σις f. ‘Erscheinung, Abbild, Verdeutlichung, Nachdruck’ (Arist., hell. u. sp.) mit -τικός ‘ausdrücklich’ (Demetr. Eloc. u.a.). b. φάν-σις f. ‘das Erscheinen’ (sehr selten u. sp.); öfter von den Präfixkompp., z.B. ἀπόφαν-σις f. ‘Erklärung, Ausspruch’ (Arist., hell. u. sp.; neben ἀπόφασις) mit -τικός (Arist. u.a.), ἀνάφαν-σις f. ‘Erscheinung’ (sp.), ἄμφαν-σις ‘Adoption’ (Leg. Gort.) mit -τός ‘adoptiert’ (ibid.). 5. Mit τυ-Sufffix: ἀμφαν-τύς f. ‘ds.’ (Leg. Gort.). 6. Mit (σ)μα-Suffix: φάσμα n. ‘Erscheinung, Vorzeichen’ (ion. poet., Arist. usw.). 7. Verbaladj. auf -τος : a. -φαντος, oft in Kompp., z.B. ἄ-φαν-τος ‘unsichtbar’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa), νυκτί-φαν-τος ‘in der Nacht erscheinend’ (A., E.); von den Präfixkompp., z.B. πρόφαν-τος ‘verkündet, offenbart’ (: προ-φαίνω; Pi., Hdt., S. u.a.); sekundär φαντός als Simplex ‘sichtbar’ (Orph.). Auch b. -φατος in ἀ-παρέμφατος (: παρ-εμ-φαίνω) sc. ἔγκλισις, eig. "nichts nebenher anzeigend", als gramm. Term. = lat. infinitivus (modus; D. H. u.a.; Gegensatz παρεμφατικός), auch ἀν-, κακ-έμφατος usw. (sp.), wozu noch πρό-, ὑπέρ-φατος (Pi.; s. v. d. Mühll Mus.Helv. 11,53ff. m. weiterer Diskussion). 8. -φάντης m. in Univerbierungen, z.B. ἱερο-φάν-της (ἱρο-) "der heilige Gebräuche erklärt", ‘ Oberpriester’ (ion. att.) mit -τις, -τέω, -τία, -τικός. 9. -φα(ν) τικός zu den Präfixkompp., z.B. ἐμ-φα(ν)τικός ‘ausdrucksvoll, anschaulich’ (hell. u. sp.). 10. φάντωρ m. ‘Zurschausteller’ (att. Epigr. IIp), ἐκφάν-τωρ, -τορία, -τορικός (sp.); auch in Univerbierungen, z.B. ἱερο-φάντωρ (Suid.) mit -φάντρια f. (röm. Inschr. IVp). 11. An die τ-Ableitungen schließt sich das denominative φαντάζομαι, vereinzelt m. ἐκ-, ἐν-, κατα- u.a., ‘sichtbar werden, erscheinen’ (ion. att.), -άζω ‘sichtbar machen, vorstellen’ (sp.); davon φάντασ-μα n. ‘Erscheinung’ (Trag., Pl. usw.), -μάτιον (Plu.), -μός ‘ds.’ (Epikur.), -ις (ἐμ-) f. ‘Anblick, Erscheinung’ (Pl. u. a.), -ία f. ‘Anblick, Vorstellung, Phantasie’ (Pl., Arist. usw.) mit -ιώδης, -ιάζομαι, -ιόομαι, -ιόω, -ιαστικός; -τός (Arist. u.a.), -τικός (Pl., Arist. usw.) ‘zum Vorstellen befähigt, Vorstellungen bildend’. 12. Adverbia: -φαδόν in ἀμ-φα-δόν ‘öffentlich, offenkundig’ (Hom.) mit Adj. -δός (τ 391, A. R.), -διος (ζ 288), Adv. -δίην (Η 196, Thgn. u.a.); -φανδόν in (ἐξ-)ἀνα-φαν-δόν ‘ds.’ (Hom.); δια-, ἀμ-φά-δην, dor. -δᾱν ‘ds.’ (Archil., Sol., Alkm.), ἐκ-φάν-δην ‘ds.’ (Philostr.); ἀνα-φαν-δά (Od., A. R.). Dazu vom Präsensstamm das Spieladv. φαιν-ίνδα παίζειν ‘Ball spielen’ (Antiph. Kom. u.a.). — Zu φανή f. ‘Fackel’ s. φανός (s.v. φάος). — Die obigen Formen gehen fast alle von einem Verbalstamm φαν- aus, wozu das Jotpräsens φαίνω. Ausnah.men bilden nur das langvokalige (hochstufige) ἅπ. λεγ. πεφήσεται und die kurzvokaligen (tiefstufigen) φάσις, -φατος mit -φατικός und φάσμα. Letzteres ist aber zu φαίνω gebildet wie ὕφασμα zu ὑφαίνω u.a.m. (Schwyzer 524). Zu φάσις, -φατος : φαίνω stimmen formal βάσις, -βατος : βαίνω; analogische Neubildung ist demnach nicht ausgeschlossen. Ebenfalls könnte πεφήσεται einen Rückhalt haben in βήσεται. (Auf die H.-Glossen πέφη· ἐφάνη ἢ πεφύκασι und φάντα· λάμποντα ist nicht viel zu geben.) Fürs Griech. ließe sich also zur Not mit einem einheitlichen Verbalstamm φαν- auskommen. — Aus arm. ba-nam mit dem nasallosen Aor. ba-c̣i ‘öffnen, enthüllen’ ergibt sich aber ein altes Nasalpräsens; mithin läßt sich auch in φαν- ein urspr. Nasalpräsens erkennen, das für fast alle übrigen Formen maß-gebend wurde. Nur für φάσις, -φατος und namentlich für πεφήσεται kommt nasalloser Ursprung in Betracht. Ein primäres Verb liegt vor in aind. bhā́-ti ‘leuchten, scheinen , wozu mehrere Nomina, z.B. bhā-nú-, aw. bā-nu- m. ‘Pracht’; ein nominales n-Sufflx noch in air. bān ‘weiß’, toch. A pañi, B peñiyo m. ‘Pracht’, ebenso im germ. Denominativum ags. bōnian, nd. bohnen ‘polieren, bohnern’. Dazu noch illyr. PN Acra-banis, -banus u. a. (: ’Αριστο-φάνης; Krahe Die Spr. d. Illyrier I 51 m. Lit.). Zum Präsens φαίνω stimmt außerdem formal alb. geg. bâj, tosk. bënj Aachen, tun’. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 122, Pok. 104, Mayrhofer s. bhā́ti; fürs Griech. bes. Schwyzer 647, 694 m. A. 4, 783 m. A. 4; dazu für Hom. Chantraine Gramm. hom. 1, 360, 375, 448. — Vgl. φάος, auch φημί. II-982-984
φαιός ‘grau, dunkelgrau, schwärzlich’, auch von dunklen Farben überhaupt (Pl., Arist., hell. u. sp.), übertr. von der Stimme (Arist.); ausführlich zur Bedeutung Reiter Bez. der Farben 78ff. Einige Kompp., z.B. φαιο-χίτωνες f. pl. ‘mit dunkelfarbigen Chitonen’ (A.), λευκό-φαιος ‘mittelgrau’ (Pap., Ath., Poll.). Abl. φαιό-της f. ‘dunkelgraue Farbe’, ὑποφαι-όω (: ὑπό-φαιος) ‘etw. grau färben’ (sp.). In Betracht kommt noch der VN Φαίακες, Φαίηκες (Björck Alpha impurum 260f. m. Lit.). Daneben φαικός = λαμπρός (S.Fr. 1107, H.), φαικῶς· λαμ-πρῶς ... H., in Form und Bedeutung von λευκός beeinflußt (nach Fraenkel Glotta 4, 38 f. mit Solmsen alter Wechsel u̯ : k). Davon φαικ-άσιον n. (hell. u. sp.), -άς f. (AP) Bez. eines weißen (?) Schuhes? Hierher noch φαωτός (von χλαῖνα Delph. IVa), od. zu φάος? — Mit φαιός läßt sich lit. gaĩsas ‘Lichtschein, Röte am Him- mel’ formal gleichsetzen unter Annahme einer idg. Grundform *gʷhaiso-s (*gʷhəi-); vgl. das Paar φαιδρός : gaidrùs. Als Grundform von φαιός kommen indessen auch *φαιϝός und *φαισϝός in Betracht und lit. gaĩsas läßt sich auch auf *gaid-sas (vgl. gaidrùs) zurückführen. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 665, Pok. 488 f., Fraenkel s. gaidrà. Zu den verschiedenen Suffixen außer Fraenkel a. O. noch Specht Ursprung 197 u. 334 (abzulehnen). II-984
φάκελος m. — Bildung wie πύελος, σκόπελος u.a. (Chantraine Form. 244), ohne Etymologie. Fick GGA 1894, 247 und Solmsen Wortforsch. 7 A. 2 vergleichen zögernd σφάκελος ("das Zusammengezogene, Zusammengeschnürte"). Vgl. φάσκωλος und W.-Hofmann s. fascis. ‘Bündel’ (Hdt., Th., E. Kyk. 242, Arist., hell. u.sp.); ὁλο-φάκε[λος] Adj. ‘ein ganzes (unzerbrochenes) Bündel bildend’ (Pap. IIp). II-984
φακιάλιον, auch -ιάριον, -ιόλιον, πακιάλιον n. ‘Gesichtstuch, Kopftuch, Handtuch’ (sp. Pap. u.a.). — Aus lat. faciāle; Einzelheiten bei Georgacas Glotta 36, 187. II-985
φακός m. ‘Linse’, oft übertr. auf linsenähnliche Gegenstände, z.B. ‘Wärmflasche, Muttermal, Sommersprosse’ (ion. att.). Als Vorderglied u.a. in φακο-ειδής ‘linsenförmig’ (Arist., Str. u.a.). Davon 1. φάκ-ιον n. ‘Linsendekokt’ (Hp.). 2. -ινος ‘aus Linsen bereitet’ mit -ινᾶς m. ‘Verkäufer von Linsenprodukten’, φακινο-πώλιον n. ‘Laden mit Linsenprodukten’ (Pap. u.a.), 3. -ώδης ‘linsenartig, voll linsenartiger Flecke’ (Hp. u.a.). -ωτός ‘linsenförmig’ (Mediz.), -ώσεις f. pl. ‘Sommersprossen- bildungen’ (Heph. Astr.). Auch 4. φακέα (Epich.), φακῆ (Ar., hell. u. sp.) f. ‘Linsengericht, Linsensuppe’; φακεψός, φακηψός m. ‘Linsen(suppen)kocher’ (: φακός, φακῆ; hell. u. sp. Pap.). 5. Spottname Φακᾶς m. (Suid. s. Διοσκορίδης). — Zu ἀφάκη s. bes. — Kulturwort unsicheren Ursprungs. Lautlich deckt sich φακός mit dem auch begrifflich nahestehenden alban. Wort für Saubohne’, bathë (idg. *bhaḱā). Zum Ausgang vgl. ἄρακος; die Anfangssilbe findet sich auch in den reduplizierten lat. faba (idg. *bhabhā), russ. bob, apreuß. babo ‘Bohne’ wieder. Hypothesen über den etwaigen Zusammenhang m. reicher Lit. bei WP. 2, 131, Pok. 106, W.-Hofmann und Vasmer s.vv. Zu den idg. Benennungen der Linse Schrader-Nehring Reallex. 2, 13. — Vgl. φάσηλος. II-985
φάλαγξ, -αγγος f. ‘rundes und längliches Stück Holz, Baumstamm, Walze, Balken’ (Hdt., Delos IIIa, A. R., Orph.), ‘Waagebalken’ (Arist.), ‘Gelenk an den Fingern’ (Arist., Mediz.), ‘Reihe der Augenwimpern’ (Paul. Aeg.), ‘Spinne’ (Kom., X.; wegen der langen Gelenke der Beine); seit alters als militärischer Fachausdruck ‘(dichte, gedrängte) Schlachtordnung, Schlachtreihe’ (seit Il.), in späterer Zeit von der sog. dorischen und ganz besonders von der makedonischen Phalanx mit ihrem schwerbewaffneten Fußvolk (X., Plb. u.a.). Als Vorderglied u.a. in φαλαγγο-μαχ-έω ‘in einer (gegen eine) Schlachtreihe (zu Fuß) kämpfen’ (X., D. S.; Gegensatz ἱππο-, πυργο-μαχέω), -ᾱς m. ‘in der Schlachtreihe kämpfend’ (AP). Davon 1. φαλάγγ-ιον n. ‘Art giftige Spinne’ (att. usw.), "Spinnenkraut", gegen Spinnenbisse gebraucht (Dsk.; Strömberg Pfl. 70f.), ‘Walze’ (H., Eust., EM). 2. -ίτης m. ‘Soldat einer Ph.’ (Plb. u.a.), "Spinnenkraut" (Gal.), f. -ῖτις f. ‘ds.’ (Dsk.; Redard 42 u. 77). 3. -ιτικός ‘aus Soldaten einer Ph. bestehend’ (Plb.). 4. -ηδόν ‘in einer Schlachtreihe’ (O 360, Plb. u.a.). 5. -όω ‘mit Walzen ausrüsten’ (Ph. Bel. u.a.), -ωμα n. ‘Walzgerät’ (Phryn. PS), auch = πομπή τις ἐν τοῖς Διο-νυσίοις (H.), -ωσις f. Bez. einer Krankheit der Augenwimpern (Mediz.). 6. φαλαγκτήρια n. pl. ‘runde Holzblöcke’ (Miletos Va; zur nominalen Ableitung Fraenkel Nom. ag. 1, 204 A. 2). — Bildung wie φάραγξ, σῆραγξ, φάρυγξ u.a. Wenn der Nasal, wie wahrscheinlich, sekundär ist (Schwyzer 498 m. Lit.), hat man von einem zweisilbigen Stamm *φαλαγ- auszugehen, neben dem ein hochstuflges idg. *bheləĝ- anzusetzen ist, das sich mit regelmäßigem Schwund des ə mehrfach im Germanischen wiederfindet, z.B. awno. bialki m. (urg. *belkan-) ‘Balken’, woneben mit Ablaut ahd. usw. balko m. (urg. *balkan-) ’Bal-ken’, ags. bolca m. ‘Schiffsgang’ (urg. *bulkan-). Auch im Baltischen und Slavischen sind Ableger davon vermutet worden in lit. balžíena(s) ‘biegsame Querstange zur Verbindung des Aufsatzes auf dem Schlitten, Prügel, Knebel’, russ. dial. bólozno ‘dickes Brett’, sloven. blazína ‘Dachbalken, Querbaum des Schlittens’ u. a. m. Aus dem Latein wurden herangezogen teils das Verbalnomen sufflāmen n. ‘Hemmschuh, Sperrbalken, Hindernis’ (Grundform unsicher: *flāg-(s)men-[mit alter Hochstufe] oder *flăg-smen- [mit Tiefstufe]), teils das Verb fulciō ‘stützen’ (wohl aus *bhl̥ḱ-i̯ō mit Schwundstufe und auslaut. -k; vgl. φάλκης); es kann sich in beiden Fällen höchstens um indirekte Verwandtschaft handeln. Noch fraglicher ist die Heranziehung von aind. bhuríjau du. f. Bed. unsicher (s. Mayrhofer s.v.). — Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 2, 181 f., Pok. 122f., W.-Hofmann, Fraenkel und Vasmer s.vv.; daselbst auch allerlei Hypothesen über die Stammbildung (ebenfalls m. Lit.; dazu noch Specht Ursprung 175). Alt. Lit. auch bei Bq. — Lat. LW phalanga ‘Stange, Rolle, Walze’, woraus spätlat.-roman. planca, nhd. Planke usw. Aus φαλάγγιον ngr. φαλάγγι, wovon alb. fangi ‘giftige Spinne’; nach Havers Sprachtabu 126 durch "tabuistische Kürzung" (?). II-985-986
φαλακρός, φάλανθος, φάλᾱρος, φάληρος, φαλιός usw. s. φαλός. II-986
φαλίς · κάνναβις H. — Zu φαλός = λευκός (s.d.); vgl. skr. bjelojka, slov. belica ‘weißer Hanf’, dt. Wißhampf (Crepajac KZ 81, 183 A. 1). II-986
φάλκης m. Ben. eines Schiffsteils, nach Poll. 1, 85 f. = τὸ τῇ σπείρᾳ προσηλούμενον, ἀφ’ οὗ ἡ δευτέρα τρόπις, gewöhnlich als ‘Balken, Planke, Schiffsrippe’ erklärt. — Technisches Wort, wegen der nicht näher feststellbaren Bed. ohne sichere Etymologie. Für Verbindung mit φάλαγξ Prellwitz s.v. (zustimmend u.a. WP. 2, 181 und W.-Hofmann s. fulciō); nach anderen (Curtius, Brugmann; s. Bq) zu lat. falx, flectō. Zum letzteren vielleicht ἐμφαλκωμένοις· περιπεπλεγμένοις Suid. —Unklar bleibt auch φάλκη· ὁ τῆς κόμης αὐχμός, ἢ νυκτερίς H. In der ersten Bed. zu πάλκος (Schmidt ad loc.; s. πηλός) ? Zu den verschiedenen Namen der Fledermaus Schwentner KZ 71, 95f. II-986-987
φάλλαινα (codd. oft φάλαινα; Silbenlänge metr. gesichert) f. ‘Walfisch’ (A.Fr. 464 M., Arist., Str., Nonn. usw.), von einem Ungeheuer (Ar. V. 35, 39, Lyk. 841), auch ‘Lichtmotte, Nachtfalter’ (Nik. Th. 760; nach Sch. rhodisch). Kürzere Form φάλλη f. ‘Walfisch’ (Lyk. 84, 394), = ἡ πετομένη ψυχή H.; φάλ<λ>αι· φάλ<λ>αιναι H. — Bildung wie λέαινα, λύκαινα u.a., somit zunächst auf *φάλλων od. φαλλος zurückgehend; s. φαλλός. Lat. LW ballaena; wegen b- statt p(h)- durch auswärtige (illyrische?) Vermittlung s. W.-Hofmann s.v. m. Lit. Über eine ältere Erklärung von Osthoff Etym. Parerga 321 ff. (m. reicher Lit.) s. Bq (abgelehnt). II-987
φαλλός m. ‘membrum virile’ (Hdt., Ar., att. Inschr. u.a.). Einige Kompp., z.B. φαλλο-φόρος, -φορέω (sp.), auch φαλλη-φορέω, -φόρια n. pl. (Plu.; nach στεφανη- ~), ἰθύ-φαλλος (Kratin., D. [die Ausdrucksweise der Jüngeren referierend] u.a.). Davon φαλλικός ‘zum φ. gehörig’ (Ar., Arist.); Φαλλήν, -ῆνος m. Bein. des Dionysos (Paus. 10, 19, 3; codd. Κεφαλῆνα); φαλλίων = φαλλοφόρος (Suid.); περιφαλλία· πομπὴ Διονύσῳ τελουμένη τῶν φαλλῶν H. Daneben φάλης, -ητος (-ῆς, -ῆτος) m. = φαλλός, auch personifiziert (Sophr. [?], S. Ichn., Ar., Theok., H.); ion. Gen. φάλεω (Hippon. 14b = 21 Masson; wie μύκης, -εω, -ητος). — Sowohl durch den α-Vokal wie durch die Geminata erweist sich φαλλός als ein volkstümliches Wort. Hinter der Bed. ‘membrum virile’ liegt ohne Zweifel eine andere konkrete Bed.; da sich aber diese nicht ermitteln läßt, bleiben alle weiteren Kombinationen hypothetisch. Am nächsten kommt, wohl als (thrak. -phryg. -illyr.?) LW, βαλλία = αἰδοῖα (Herod.), womit auch der VN Τριβαλλοί (= *Τριφαλλοί) verknüpft worden ist (Kerényi Glotta 22, 41, Kretschmer ebd. 103 A. 1; dazu noch Haas WienStud. 71, 164 ff.). Andere sinn- und formähnliche Wörter sind nhd. (hess. dial.) bille ‘penis’ und air. ball ‘Glied, Körperteil’, die zusammen mit einer unabsehbaren Menge Ausdrücke, namentlich im Germanischen, für ‘Ball, Kugel, Schlauch, Trinkgefäß, Hode, Stier’ (ndd. nhd. Bulle = *φάλλων? Schulze KZ 29, 263 = Kl. Schr. 308) usw. unter eine Wz. bhel- ‘aufblasen, aufschwellen’ zusammen- gefaßt zu werden pflegen; s. WP. 2, 177ff., Pok. 120f., W.-Hofmann s. follis m. reicher Lit. — Zu φαλλός gehört ohne Zweifel wegen der Körperform, mittelbar oder unmittelbar, der Name des Walfisches φάλλαινα (s.d.). Für eine einleuchtende Erklärung wäre jedoch eine exaktere Vorstellung als "plumpe kugelige Masse", "Wulst, Klumpen", "schwimmender Schlauch" od. ähnl. willkommen. Wie sich die Bed. ‘Lichtmotte, Nachtfalter’ daraus (oder direkt aus φαλλός?) entwickelt hat, bleibt auch nach den tastenden Vermutungen von Immisch Glotta 6, 194ff. (wegen des in der Kunst dargestellten unverhältnismäßig dicken Leibes? mit Bezug auf die angebliche Lüsternheit des Seelenschmetterlings ?; vgl. noch Güntert Kalypso 219f.) unklar. II-987-988
φάλος m. N. eines Helmschmucks oder Helmteils, kornartiger Aufsatz’ ?, ‘Helmreifen’ ? (Il.). Als Hinterglied in ἄ-φαλος ‘ohne φ.’ (Κ 258), τετρά-φαλος ‘mit vier φάλοι’ (Μ 384, Χ 315), ἀμφί- φαλος ‘mit einem φάλος an beiden Seiten, von φάλοι umgeben’ (Ε 743 = Λ 41, Q. S. 3, 334; anders Bechtel Lex. s.v. mit Schulze). Zu τρυφάλεια s. bes. Daneben φάλᾰρα n. pl. N. eines Helmteils ‘Verzierungen’?, ‘Backenstücke’ ? (Π 106), ‘Backenstücke der Pferde’ (Hdt., E., X. u.a.), ‘Backenverbände’ (sp. Mediz.), übertr. ‘Verzierungen’ (Plu., D. Chr.), -ᾰρον sg. ‘Schmuck der τιάρα’ (A. Pers. 663 [lyr.]); nach H. = ἀστραγαλίσκος ὁ ἐπὶ τῆς περικεφαλαίας, καὶ παραγναθίδες, χαλινοὶ ἢ ἱπποκόσμια. Davon Φαλαρῖτις f. Bein. der Athena (Kall. Fr. 503; Redard 214). — Auch τετρα-φάληρος Beiwort der κυνέη (neben ἀμφίφαλος; Ε 743 = Λ 41), Erweiterung am Versende?; nach Bechtel s.v. mit Schulze von *τετρα-φαλής. — Da das Aussehen und die eigentliche Funktion der φάλοι und φάλαρα unbekannt bleiben (s. Trümpy Fachausdrücke ff. [mit Nachtr.] m. Lit., Phabes ’Αθ. 53, 270ff., Hoekstra Modifications 9 7 ff.), muß jede Etymologie ihrer unerläßlichen sachlichen Grundlage entbehren. Erklärungsversuche (von Froehde BB 7, 332, Persson Beitr. 2, 757 A. 5, Bechtel Lex. 313 u.a.) sind bei Bq, WP. 1, 643 f., Pok. 489f., W.-Hofmann s. fallō referiert. Es hat keinen Zweck, sie nochmals zu wiederholen. Lat. LW phalĕrae. II-988
φαλός · λευκός H. Davon φαλύνει· λαμπρύνει, φαλίσσεται· λευκαί-νεται, ἀφρίζει, wohl auch φαλίπτει· μωραίνει und φαλωθείς· παρατραπείς H.; vgl. λευκαὶ φρένες· μαινόμεναι H. (aus Pi. P. 4, 194) und φαλός auch = μωρός, ἐμμανής H. (anders [zu φηλός] WP. 1, 643 f., Pok. 489f.). — Daneben 1. φαλιός ‘hell, weiß-fleckig’ (Kall., hell. Pap., Prokop.; nach πολιός), φαλιόπουν· λευκόπουν H. 2. φάληρος (Nik.), dor. -ᾱρος (Theok.), ‘weiß- fleckig’, auch als Tiername (Theok.), mit dem denominativen Ptz. φαληρ-ιόωντα ‘weiß aufschäumend’ (κύματα Ν 799; Schwyzer 732 m. Lit.). Davon φαληρίς, -ᾱρίς f. ‘Bläßhuhn, Fulica atra’ (Ar., Arist. u.a.; s. Thompson Birds s.v.), auch ‘Kanariengras, Phalaris nodosa’ (Dsk.), -ήριον n. ‘ds.’ (Ps.-Dsk.). ON Φάληρον n. ein Hafen Athens. — Expressivvolkstümliche Erweiterungen: 3. φαλακρός (ἀνα-, ἡμι- ~ u.a.) ‘kahlköpfig, rund und glatt’ (ion. att.; zur Suffixkombination -κ-ρ- Frisk Nom. 62ff.) mit -ότης f. (Hp., Arist.), -όομαι, -όω ‘kahlköpfig werden, machen’ (Hdt., Arist., LXX; ἀπο- ~ Phryn. PS), -ωμα, -ωσις (LXX, Plu. u.a.); -ιάω ‘ds.’ (Suid. s. ἀωρόλειος); f. φαλάκρα f. ‘kahler Hügel’ (St.Byz.); ON Φαλάκρα(ι), -άκριον u.a.; daneben Βάλαγρος, -άγραι, vgl. Frisk a. O. 4. φάλανθος ‘kahlköpfig, kahl’ (AP, D. L., Pap. u.a.; auch als PN u. ON) mit -αντίας m. ‘Kahlkopf’ (Luk.), -άντωμα n. ‘kahle Stelle’ (v. l. LXX), öfter ἀναφάλαντος (-ανθος) ‘ds.’ (Pap., LXX), mit -αντίας (-ανθίας), -αντιαῖος, -αντίασις, -άντωμα (Arist., LXX, Luk. u.a.); wohl nach den Verbaladjektiva auf -αντος (vgl. z.B. ἀθέρμαντος = ἄθερμος, ἀνίκμαντος = ἄνικμος, εὐσήμαντος = εὔσημος u.a.), dann sporadisch an ἄνθος angeschlossen. — Zu παμφαλάω und φαλίς s. bes. — Das Adj. φαλός, von dem alle übrigen griech. Bildungen ausgehen können, gehört zu einer reich entfalteten Wortsippe mit Vertretern in mehreren Sprachen. Zu φαλός stimmen zunächst lit. bãlas ‘weiß’, als Pfl.name ‘Schneeglöckchen usw.’ (neben gewöhnlicherem báltas ‘weiß’) und alb. balë ‘Pferd mit einem weißen Flecken an der Stirn’. Daneben mit Dehnstufe lett. bâls ‘blaß, bleich’, ebenso, aber mit ē-Vokal, slav., z.B. aksl. bělъ, russ. bélyj ‘weiß’. Unter den übrigen sehr zahlreichen Bildungen seien noch besonders erwähnt die lat. und germ. Bezeichnungen des Bläßhuhns (= φαληρίς), fulica (wohl aus *bhol-ik-), ahd. belihha, nhd. Belche (mit germ. k- [idg. g-]Suffix). Weitere z.T. unsichere und ungesichtete Formen m. Lit. bei WP. 2, 175ff.,Pok. 118ff., W.-Hofmann s. fulica, Fraenkel s. bálti); auch Mayrhofer s. bhālam ‘Stirn’, das wohl höchstens indirekt mit den obigen Wörtern zusammenhängt. — Zu φαλιός noch (als Balkanwort?) βαλιός (s. d.) mit Βαλίος N. eines Pferdes des Achill; s. Brandenstein Sprache 2, 76 m. weiteren Kombinationen; dazu noch v. Windekens Le Pélasgique 75. II-988-989
φάος (ep. poet. seit Il.), φόως (ep.), φῶς (att.), auch φάβος = φάϝος (pamphyl.), Gen. φάεος, att. φάους und φωτός, Nom. Akk. pl. φάεα, φάη, φῶτα usw. (Einzelheiten bei Egli Heteroklisie 60f.) n. ‘Licht, Tageslicht’, auch übertr. (s. Trümpy Fachausdrücke 208f.). Als Vorderglied u.a. in φαεσ-φόρος (Kall.), φαοσ-φόρος (Lyr. Adesp.), φωσ-φόρος (att.) ‘Licht bringend, Fackel tragend’; φαυοφόροι· Αἰολεῖς. ἱέρειαι H. (E. Kretschmer Glotta 18, 84 f.). Sehr oft als Hinterglied, meist verbal assoziiert, z.B. λευκο-φαής ‘mit weißem Licht, weiß leuchtend’, παμ-φαής ‘allleuchtend, ganz strahlend’ (Trag.), αὐξι-φαής ‘das Licht vermehrend’ (Man., Cat. Cod. Astr.), Εὐρυ-φάεσσα f. Mutter des Helios (h.Hom.31; metr. bedingte Analogiebildung); daneben hell. u. sp. φωτ(ο-), z.B. φωτο-ειδής ‘licht- artig, lichtvoll’, φωτ-αγωγός ‘ lichtbringend’, f. ‘Lichtöffnung, Fenster’, mit -αγωγέω, -ία; αὐξί-φωτος ‘das Licht vermehrend’ mit -φωτέω, -ία. — 1. Von φάος : φαεινός (< *φαϝεσ-νός; ep. poet. seit Il.), φάεννος (äol.), PN Φαηνος (dor.), Φαηνα (ark.), φᾱνός (att.) ‘leuchtend, hell, rein’ mit φανότης f. ‘Helligkeit’; Subst. φᾱνός m. ‘Fackel’ (Kom., X. u.a.; Umbildung von πᾱνός [s.d.]?,) auch φᾰνή f. (Hes.Fr.47, E.; nach φᾰνῆναι, -φᾰνής?); dazu Φᾰναῖος Bein. des Zeus (E. Rh. 355 [lyr.]), des Apollon (Achae.). Von φαεινός : φαείνω (ἀμφι-) ‘ins Licht treten, scheinen, leuchten’ (ep. seit Od.), auch trans. ‘ans Licht bringen’ (Nik.), Pass. ‘erscheinen’ (Kall., A. R.); dazu Aor. Pass. φαάνθην (Il., μ 441), wohl für *φαένθην nach φάνθην (Chantraine Gramm. hom. 1,81; vgl. Schwyzer 723), wonach φαάντατος ‘der strahlendste’ (ν 93), Komp. φαάντερος (AP). — 2. Von φῶς : φωτ-εινός ‘leuchtend, licht, hell’ (X., hell. u.sp.; nach σκοτεινός, φαεινός), -ίζω, auch m. δια-, ἐπι-, κατα- u.a., ‘(er-)leuchten, erhellen, offenbaren, belehren’, auch von der Taufe (hell. u. sp.; vgl. J. Ysebaert Greek baptismal terminology Nijmegen 1962) mit -ισμός (κατα-, ἐπι-, περι-) m., -ισις (δια-) f. ‘Erleuchtung’ (hell. u. sp.), -ιστικός ‘erleuchtend’ (sp.), -ιστήριον n. ‘Taufkapelle’ (Epigr. VIp), pl. = luminaria (Gloss.), -ισμα n. ‘Mondphase’ (Arist.-Komm.). — Zu φωστήρ, φώσκω s. φαυστήρ, φαύσκω unten. — — Neben φάος steht ein themat. Aor. φάε ‘leuchtete auf, erschien’ (’Ηώς, ξ 502), wozu der Konj. προ-φάῃσι (Max. 280) und das Ptz. φάουσαι (eher φαοῦσαι, Arat. 607 vom Sternbild Χηλαί), auch φῶντα· λάμποντα H. Davon zwei Präsentia: I. Mit θ-Erweiterung (wie θαλ-έθω, φλεγ-εθω usw.) nur Ptz. φαέθων ‘scheinend, strahlend’, von der Sonne (ep. poet. seit II.), auch als EN Φαέθων (Od. usw.) mit -οντίς, -οντιάς (AP, Opp.); dazu als Vorderglied φαεσί-μβροτος ‘den Sterblichen leuchtend’ (’Ηώς, ’Ηέλιος u.a.; ep. poet. seit Ω 785, κ 138; φαυσί- ~ Pi.), zunächst zu φαέσασθαι· ἰδεῖν, μαθεῖν H.? (vgl. Bechtel Lex. s.v.). 2. Mit σκ-Suffix und Reduplikation: πι-φαύσκω nur Präs. und Ipf. ‘offenbaren, (an)zeigen, verkünden’ (ep. lyr. seit Il.); mit Präfix ohne Reduplikation: δια-, ἐπι-, ὑπο- φαύσκω, vereinzelt Aor. -φαῦσαι, Fut. -φαύσω ‘erstrahlen, aufgehen’ von Sternen, ‘anbrechen’ vom Tageslicht (Arist., hell. u. sp.), auch (nach φῶς) -φώσκω (Hdt., sp.); Simplex φώσκει· διαφαύει H. — An das primäre Verb schließen sich mehrere Nomina: ἄ-φαυστος ‘unerhellbar, unverkündbar’ (Plot.; ἡμί- ~ Poll.; H. R. Schwyzer Mus.Helv. 20, 188f.); φαῦσις (διά-) f. ‘Erleuchtung, Erhellung’ (LXX, Plu.), ὑπό- ~ ‘Lichtung, Lichtöffnung, enge Öffnung’ (Hdt. 7, 36, LXX, Ph.); διάφαυ-μα n. ‘Tagesanbruch’ (Pap.VIp); φαυστήρ m. ‘Lampe, Fackel’ (Epid. IIIa) mit φαυστήριος Bein. des Dionysos (Lyk.); auch (nach φῶς) φωστήρ m. ‘Leuchte, Glanz’, pl. ‘die Himmelslichter’ = ‘Sterne, Sonne und Mond’ (LXX, NT, Vett. Val. u.a.) = θυρίς H. — Zahlreiche PN: Φαύ-δαμος, Φώ-κριτος, Νικο-φάης, Εὐρυ-φάων, Δημο-φόων, ’Αντι-φῶν usw. usw. — Die obigen Formen lassen sich alle auf einen thematischen Aorist φαϝεῖν zurückführen (Schwyzer 747), der nur in den ἅπ. λεγγ. φάε, προφάῃσιν, φάουσα (*φαοῦσα) und in dem. lexikal. (EM u.a.) bezeugten φαύω belegt ist. Aus dem davon gebildeten φάος entstand durch Zerdehnung φόως (Chantraine Gramm. hom. 1, 81), durch Kontraktion φῶς, wozu Gen. φωτός usw. nach χρωτός, ἔρωτος, ἥπατος u. a.; danach φωστήρ, φώσκω. Die Ansetzung einer besonderen Nebenform φῶς aus *bhō-s (= aind. bhā́s- n.; vgl. unten) ist mithin ganz überflüssig. — Genaue oder sichere außergriechische Entsprechungen fehlen. Ein langvokalischer Verwandter wird allgemein in aind. vi-bhā́va(n)- ‘strahlend, leuchtend’ vermutet, das indessen zu bhā́-ti ‘leuchten, scheinen’ gehört und somit auch eine Zerlegung in vi-bhā́-va(n)- gestattet (vgl. Mayrhofer s. bhā́ti). Ob letzten Endes immerhin φάε, φάος und bhā́ti zusammengehören, bleibt eine offene Frage. Mit idg. bhā- : bhāu̯- : bhəu̯- wäre die Triade st(h)ā- : st(h)āu̯- : st(h)əu̯- zu vergleichen (s. zu στοά). Vgl. φαίνω m. Lit. — Nach Specht KZ 59, 58 ff. und 62, 142 (wo φάε als ein athemat. Wz. -Aorist beurteilt wird) und Fraenkel Lexis 2, 146 ff. wäre bhāu̯-’scheinen’ und bhū- ‘wachsen, werden’ (s. φύομαι) identisch; eine uninteressante Hypothese, weil völlig unbeweisbar. II-989-991
φάραγξ, -αγγος f. ‘Bergschlucht, Kluft, tiefer Graben, Abgrund’ (Alkm., Trag., Th., X. usw.; zur Bed. Finzenhagen Terminologie 101). Davon φαραγγ-ώδης ‘voll Schluchten’ (Arist., D. S. u.a.), — ίτης m. Bein. des Windes Iapyx (Arist.), -αῖον· τῆς φαρέτρας τὸ κάλυμμα H., -όομαι in γῆ (ἄρουρα) πεφαραγγωμένη ‘(vom Nil) zerklüfteter Acker’ (hell. Pap.). — Bildung wie σῆραγξ, φάλαγξ (s. dd.) u.a. von einem Verb ‘schneiden, spalten, bohren’, s. φάρος. II-991
φαρέτρα, ion. -τρη f. ‘Köcher’ (seit Il.). Als Vorderglied in φαρετρο-φόρος ‘köchertragend’ (AP). Davon Demin. φαρέτρ-ιον n. (Mosch.), -εών, -εῶνος m. ‘Köcher’ (Hdt., nach den Standortsbez. auf -(ε)ών), -ίτας, auch φαρατρ- m. ‘Bogenschütze’ (böot.; Redard 42). — Nom. instr. bzw. loci auf -τρᾱ von φέρω mit Reduktionsstufe (vgl. Schwyzer 358) neben hochstufigem φέρετρον; vgl. βάραθρον : βέρεθρον, χαράδρα : χέραδος u.a. Wegen der immerhin seltenen Reduktionsstufe ist auch (iranische?) Entlehnung mit volksetymol. Angleichung erwogen worden, s. außer Chantraine Form. 333 bes. Hubschmid Essais de phil. mod. (1951; Paris 1953) mit mehreren Beispielen entlehnter Ausdrücke für ‘Köcher’. II-992
φαρκίς, -ῖδος Daneben φορκόν· λευκόν, πολιόν, ῥυσόν H. f. ‘Runzel’ (S.Fr. 1108, Erot.) mit -ιδώδης ‘runzelig’ (Hp. ap. Erot.), -ιδούμενοι· στυγνάζοντες H. (vom düsteren Anblick, eig. ‘sich runzelnd’). — Unerklärt. Persson Beitr. 2, 859 erinnert an lat. fricāre ‘abreiben’, lit. brũkis ‘Strich, Linie’ mit braũkti ‘streichen, reiben’ mit weiterem Anschluß an ein Verb ‘schneiden, spalten, bohren’ (s. φάρος). Im Sinn von ’λευκός, πολιός’ kann φορκός zu einem Verb für ‘glänzen’ gehören, wozu u.a. got. bairhts, nengl. bright (WP. 2, 169f., Pok. 139ff.); aus der Bed. ’πολιός’ sekundär ’ῥυσός’ ? II-992
φάρμακον n. ‘ heilbringendes od. schädliches Mittel, Heil-, Giftkraut, Arznei, Gifttrank, Zauber (trank), Färbemittel, Naturstoff für physikalische od. chemische Bearbeitung’ (seit Il.), myk. pa-ma-ko? Ausführlich über den Begriff φάρμακον bei Homer, in der übrigen älteren Lit. und im Corpus Hippocraticum W. Artelt Stud. zur Gesch. der Medizin Heft 23 (Leipzig 1937) 38-96; zur Bed. bei Homer noch Philipp Gymnasium 66, 509ff Kompp., z.B. φαρμακο-πώλης m. ‘Arzneiverkäufer, Apotheker’ (att.), πολυ-φάρμακος ‘viele φ. besitzend, vieler φ. kundig’ (Hom., Sol., A. R., Thphr.). Zahlreiche Ableitungen. A. Subst. 1. φαρμάκ-ιον n. ‘Heil-, Giftmittel’ (Pl., hell. Pap., Plu. u.a.). 2. -ία, ion. -ίη f. ‘Heilmittel’ (Hp., LXXu.a.). 3. -εύς m. ‘der φ. bereitet, Giftmischer, Zauberer’ (S.. Pl. u.a.; Boßhardt 43), am ehesten Rückbildung aus -εύω (s.u.). 4. -ίτης m., -ῖτις f. ’φ. enthaltend, auf φ. bezüglich’ (Hp., Eup. u.a.; Redard 100, 115; 105, 109). 5. -ίων m. Bein. eines Arztes (Gal.). 6. -ίς (Ar., D., Arist. u.a.), -εια (Arist.), -εύτρια (Theok. in tit., Eust.), -ισσαι pl. (H. s. βαμβακεύτριαι) f. ‘Zauberin’. 7. -ών, -ῶνος m. ‘Färberei’ (S.Fr. 1109). B. Adj. 1. -ώδης ‘als Arznei dienend, giftig, reich an φ.’ (Arist., hell. u. sp.). 2. -όεις ‘ds.’ (hell. u. sp. Dicht.). 3. -ηρός ‘mit φ. behandelt, getränkt, imprägniert’ (Pap. IIp; wie ταριχ-ηρός u.a.). 4. -ικός ‘die φ. betreffend’ (Tz.; dafür sonst aus euphon. Gründen -ευτικός, s.u.). C. Denom. Verba. 1. -εύω (κατα-, δια-) ’φ. bereiten od. anwenden, heilen, vergiften, bezaubern’ (ion. att.) mit -ευτής = -εύς (sp.), -ευτικός ‘den Gebrauch der φ. betreffend, zu den φ. gehörig’ (Pl., Gal. u.a.), -εία f. ‘Bereitung od. Gebrauch der φ., Heilung, Vergiftung, Zauberei’ (Hp., att., hell. u. sp.), -ευσις f. ‘ds.’ (Hp., Pl.), -εύτρια s. A 6; auch, als Rückbildung, -εύς (s. A 3). 2. -άω ‘die Wirkung eines φ. spüren, nach φ. verlangen’ (D., Thphr., Plu. u.a.). 3. -όομαι ‘vergiftet, bezaubert werden’ (Plu., Pap.), Aor. Akt. -ῶσαι ‘mit φ. versehen’ (Pi.). 4. φαρμάσσω, att. -ττω, vereinzelt m. κατα-, ἐν-, ἐπι-, ‘mit φ. behandeln, heilen, vergiften, bezaubern, färben’ (seit ι 393) mit φάρμ-αξις f. ‘medizinische Behandlung, Zauberei, Metallbearbeitung’ (Pl., Plu. u.a.), -ακτήρ, -άκτης m. = φαρμακεύς (Opp.), -ακτήριος ‘heilsam’ (Lyk.). Auch, als Rückbildung (nach φυλακός : -άσσω u.a.; Ruijgh L’éIém. ach. 112), φαρμᾱ̆κός m. ‘ Reinigungsopfer, Sündenbock’, auch herabsetzend als Schimpfwort (Hippon., Ar., Lys., D., Kall.); Länge des α (gesichert bei Hippon. u. Kall., Kürze Ar. Eq. 1045, beides möglich Ar. Ra. 733) nach den pejorativfamiliären Wörtern auf -ᾱξ? Weiteres bei Masson Hipponax 113; zur Sache ausführlich Nilsson Gr. Rel. 1, 107 ff. Daneben φάρμακος (Akz. nach Hdn. Gr. 1, 150) m. ‘Giftmischer, Zauberer’ (LXX, Apok.). — Nicht sicher erklärt. Bei Abtrennung eines ακο-Suffixes (vgl. ὄστρακον, ἀστακός, δίφρακον u. a.; Chantraine Form. 384, Schwyzer 497) ergibt sich ein Nomen *φαρμ(α)-, das den Weg zu den zahlreichen idg. Wurzeln bher- offenlegt. Da die urspr. Bed. von φάρμακον nicht feststellbar ist, hat der Etymologe einen weiten Spielraum: *φάρμα eig. ‘Zauber’ zu lit. buriù, bùrti ‘zaubern, wahrsagen, hexen’ (Osthoff BB 24, 144 ff. m Lit.); ebenso, aber haplologisch für *φαρμα-μακον mit Hinterglied zu μάσσω (Pisani Ist. Lomb. 73, 497); eig. ‘Zauber- schlag’ und wie lit. bùrti zu bher- ‘schneiden, dreinhauen’ (Havers IF 25, 375ff.); eig. ‘quod terra fert, Kraut’, zu φέρω wie alb. bar ‘Kraut, Heu, Gras’, auch ‘Heilkraut’ (Kretschmer Glotta 3, 338f. und 6, 96 mit Curtius 300 u.a. als Möglichkeit). Wenn eig. ‘Kraut’ od. ähnl., warum nicht ebensogut zu bher- ‘schneiden’ (s. φάρος) als ‘das Geschnittene’ wie z.B. nhd. Heu eig. ‘das Gehauene’ (od. ‘das zu Hauende’)? (Zu bher- ‘schneiden’ auch Wood ClassPhil. 16, 68, aber mit einer ganz anderen semantischen Begründung.) Für fremde Herkunft (was natürlich keine Lösung ist) Chantraine und Schwyzer a. O. II-992-993
φᾶρος, später auch φάρος (φᾰρέεσσι Hes. Op. 198 codd.), myk. pa-we-a (pl.) = φάρϝεα. n. ‘Tuch, Leinwand, Gewand, Mantel, Tracht’ (ep. poet. seit Il., auch Hdt.) Vereinzelt als Hinterglied, z.B. μελαμ-φᾱρής ‘mit schwarzem Gewand’ (B.). Daneben φάραι· ὑφαίνειν, πλέκειν H.; auch φορμός (s. bes.)? — Isoliert. Über die hinfällige Verbindung mit lit. bùrė ‘Segel’, barva, bùrva ‘Farbe, einförmige Kleidergarnitur’ s. Fraenkel s.vv. mit Nieminen KZ 72, 129ff. u. 147 ff., wo weitere Lit. Nach Solmsen Wortforsch. 246 zu φάρσος, φάρυγξ usw. (s. dd.). II-993-994
φάρος n. ‘Pflug?’ (Alkm., Antim. Eleg.; beide ganz fraglich), ‘das Pflügen’ (H., EM), auch = φάρυγξ (Lyk.)? Daneben φαροῦν· ἀροτριᾶν, φαρῶσαι· ἀρόσαι ... H., 3. pl. φαρόωσι ‘pflü-gen’ (Kall.Fr. 183 = EM 788, 24; nach ἀρόωσι? vgl. unten), ἄφαρος, ἀφάρωτος = ἀνήροτος, ἀναροτρίαστος ? (Kall.Fr. 183, 82 c = 555 Pf.; sehr unsicher, vgl. Pf. z. St.; über ἀφάρωτος noch Giangrande ClassRev. N. S. 12, 187f.),βούφαρον(-ην cod.: -ῆ La.)· τὴν εὐάροτ[ρ]ον γῆν. φάρος γὰρ ἡ ἄροσις H. Aor. φάρσαι = σχίσαι (EM). Dazu φάρσος, φάραγξ, φάρυγξ; s. bes. — Wie sich die obigen Wörter zueinander genetisch verhalten, läßt sich wegen der knappen Dokumentation nicht mit Bestimmtheit sagen. Das Präsens φαρόωσι sieht wie ein intensives Deverbativum (*φαράω) aus, ist aber auch als Nachbildung von ἀρόωσι leicht verständlich (Specht KZ 61, 281ff.). Auch die zahlreichen Verbalnomina zeugen aber von dem einstigen Vorhandensein tiefstufiger Verbalformen, die sich in einer weitverzweigten Sippe verankern lassen : mit Tiefstufe wie φάρος usw. germ., z.B. ahd. borōn ‘bohren’ (= *φαράω?), bora f. ‘Bohrer’, alb. birë, brimë f. ‘Loch’; mit hochstufigem o-Vokal lat. forāre ‘(durch)bohren’ (deverbativ oder denominativ); mit hochstufigem e-Vokal Nomina wie mir. bern(a) f. ‘Kluft, Schlitz’, arm. beran ‘Mund’ (eig. *’Spalt, Öffnung’); mit dehnstufigem ē- oder ō-Vokal arm. brem (aus *birem, idg. *bhēr- oder *burem, idg, *bhōr-) ‘aufgraben, aufbohren’. In Betracht kommen noch Ausdrücke für ‘schlagen, stoßen, hauen’, z.B. lat. ferire, germ., z.B. awno. berja (< urg. *barjan) = slav., z.B. aksl. borjǫ, brati ‘kämpfen’, russ. borjú, borótь ‘bezwingen, überwältigen’, die indessen von Ernout-Meillet wegen der abweichenden Bed. ferngehalten werden (anders mit wortgeographischer Motivierung Porzig Gliederung 204). — Zu den zahllosen weiteren Formen mit einschlägiger Lit. P. 2, 159ff., Pok. 133ff., W.-Hofmann s. feriō. II-994
φάρσος n. ‘Stück, Teil’ einer Stadt (Hdt. 1, 180f., 186 von Babylon, das durch den Euphrat in zwei Teile zerstückt wird), eines Hauses (Poll.), eines Filzhuts und einer Traube (AP), einer Wurzel (Nik.), eines Kleids (J.), ‘Tuch, Hülle, Fähnlein’ (J.); φαρσο-φόρος = signifer (Gloss.), διαφάρ(σ)ους χιτῶνας (EM 175, 37). Davon φάρσωμα n. ‘Spant eines Schiffes’ o.ä. (Demetr. in Cat. Cod. Astr.), nominale Ableitung wie ἀέτωμα, πύλωμα u.a. (Chantraine Form. 187). — Ionisches Wort (Solmsen Wortforsch. 6 f.), zu φάρος, φαρόω, der Bildung nach nicht eindeutig. Zunächst mit φάρσαι = σχίσαι (EM) zusammenzuhalten; vgl. noch ἅψος, μύσος u.a. (Schwyzer 513 m. Lit.). WP. 2, 159 erwägt als Grundwort ein Adj. *φαρσός (wie ῥυσός, λοξός u.a.); Persson Beitr. 1, 329f. u. 2, 555 sieht dagegen darin eine alte s-Erweiterung (zu air. berraim ‘tondeo’; idg. bher-s-, bhr̥-s-). Noch anders Forbes Glotta 36, 254 : aus *φαρκι̯ος; abzulehnen. II-994-995
φάρυγξ, auch -υξ, Gen. -υγος, -υγγος, Akk. -υγγα f. m. ‘Schlund, Kehle, Kehlkopf, Luftröhre’ (seit Od.; zur Bed. Strömberg Wortstud. 57ff.), auch ‘Halskrankheit’ (Hp.). Einzelne Kompp., z.B. φαρυγγο-τομία f. ‘Luftröhrenschnitt’ (sp. Mediz.), μακρο-φάρυ(γ)ξ ‘langhalsig’, "Langhals" (AP). Davon φαρ-ύγ(γ)εθρον (Mediz., Poll.), -ύγαθρον (H.) ‘ds.’, nach dem synonymen βέρεθρον, βάραθρον; -υγ(γ)ίνδην ‘schlundartig’ (Kom.Adesp., Lex.); -υγγίζω = λαρυγγίζω (Poll.). Vgl. κολοί-φρυξ, auch φάραγξ und λάρυγξ. — Altes Wort für ‘Schlund, Kehle’, mit lat. frūmen ‘ds.’ aus *frū̆gsmen (nach dem synonymen rūmen), auch mit arm. erbuc, Gen. -oy (o-Stamm) ‘Brust, Bruststück geschlachteter Opfertiere’ bis auf eine kleine Ablautdifferenz (bhr̥rŭg- : bhrū̆g-) identisch. WP. 2, 171 m. älterer Lit., Pok. 145, W.-Hofmann s. 2. frūmen, Lidén Mél. Pedersen 92. Weitere Beziehung zu φάρος (s. d.) u. Verw. ist glaubhaft. — Abzulehnen Vey BSL 51, 92. II-995
φάσγανον n. ‘Schwert’ (ep. poet. seit Il., nach AB 1095kyprisch), Schwertlilie, Gladiolus, Iris’ (Thphr., Dsk. u.a.), ‘Schwert des Schwertfisches’ (Opp.), myk. pa-ka-na. Kompp. φασγαν-ουργός ‘Schwertfeger’ (A. in lyr.), χρυσο-φάσγανος = χρυσάωρ (Sch.). Davon Dem. φασγαν-ίς, ίδος f. ‘Rasierklinge’ (AP 6, 307), -ιον n. ‘Schwertlilie’ (Dsk., Gal. u.a.); Verba φασγάνεται· ξίφει ἀναιρεῖται H. (zur Bildung Schwyzer 700), φασγανιάω in φασγανιῶσαν· ἐξιφισμένην, φασγανιών<των>· ἐξιφισμένων H. Näheres zur Bed. und Verbreitung bei Trümpy Fachausdrücke 61 ff. und Ruijgh L’élém. ach. 89 f. — Bildung wie δρέπανον, κόπανον und andere Gerätenamen. Wie so viele Waffenbezeichnungen LW ohne Etymologie. Die herkömmliche Anknüpfung an σφάζω, σφαγή über *σφαγ-σκ-ανον (Prellwitz) ist weder lautlich noch morphologisch einwandfrei. — Specht KZ 66, 220 empfiehlt mit Vorbehalt (nach Jacobi) die Kombination mit aind. khaḍgá- ‘Schwert’ (dagegen Mayrhofer s. v.). II-995
φάσηλος m. ‘Art eßbarer Bohnen’ (Epich., Ar., Pap. IIIa u.a.) mit φασήλιον n. ‘ds.’ (Dsk., Pap. IV-Vp). — Mit lat. phasēlus m. f. ‘Bohnenart, schotenähnliches Brot’ (Cat., Cic., aug. Dichtung, Colum. u.a.) identisch, das nach gewöhnlicher, wohl richtiger Annahme aus dem Griech. entlehnt ist. Umgekehrt Pisani Rend. Acc. Lincei VI: 6, 184ff.: φάσηλος italische Entlehnung und mit φακός ‘Linse’ urverwandt. Wegen alb. bathë ‘Saubohne’ (s. φακός) erwägt Kretschmer Glotta 21, 181 f. illyrische Vermittlung. Weitere Einzelheiten m. Lit. bei W.-Hofmann s.v., wo mediterraner Ursprung angenommen wird. — Aus dem lat. Demin. phaseolus (Colum. usw.) φασίολος, -ίωλος, πασίολος (Gal., Poll., Edict. Diocl.). II-996
φάσις 1., φάσμα f. ‘Anzeige’, s. φαίνω. II-996
φάσις 2., φάτις, φάσκω f. ‘Aussage’, s. φημί. II-996
φάσκος m. ‘die von den Eichenbäumen herabhängenden Mooszotten’ (Thphr., H.). — Unerklärt. Von einer Grundform *φαρσκος ausgehend, stellt Solmsen Wortforsch. 5 ff. drei Möglichkeiten zur Wahl: 1. zu germ., z.B. ndd. barsch ‘scharf, rauh, barsch’ (formal = φάσκος?), kelt., z.B. air. barr ‘Spitze, Gipfel usw.’ (kelt. *barso-), ahd. burst ‘Borste’ = aind. bhr̥ṣṭí-’Zacke, Spitze’, lat. fastīgium ‘Spitze, Giebel usw.’ (s. W.-Hofmann s.v. mit Weiterem); 2. zu φάρσος ‘Stück, Teil’ (s.d.); 3. über *φαρκ-σκος zu φορκόν· λευκόν, πολιόν, ῥυσόν. Anders Mann Lang. 17, 12 (vgl. Restelli Ist. Lomb. 97, 468): zu alb. bashkë ‘Vließ’. — Fern bleibt σφάκος; s. Solmsen a. O. — Zu φασκάς, -άδος N. einer Entenart, von Solmsen ebenfalls in Erwägung gezogen, s. βασκᾶς. II-996
φάσκωλος -ον n. m., ‘lederner Beutel, Sack für Kleider, für metallene Gegenstände u.a.’ (Ar.Fr. 319, Lys. und Is. ap. Harp., att. Inschr.); Deminutivum -ώλιον n. (hell. u. sp.). — Wenn zu φάσκος, was formal naheliegt (vgl. ἀσκώλια : ἀσκός; zur Bildung noch εἴδωλον, ἕδωλον, -ιον u.a.), nach der zottigen Haut, von der die Haare nicht entfernt sind (Solmsen Wortforsch. 7)? Eine andere Vermutung bei WP. 2, 135 und Pok. 111 : zu βάσκιοι (maked. ?)· δεσμοὶ φρυγάνων H. "Fremd?" (Schwyzer 484). — Lat. LW pasceolus (seit Plaut.), phascolum (Paul. Fest.). II-996
φάσσα, att. -ττα f. ‘Holztaube, Ringeltaube’ (Ar., Pl., Arist. usw.); φασσο-φόνος m. ‘Tauben tötend, Taubentöter’ (ἴρηξ O 236), ‘Taubenweih’ (Arist., Gal. u.a.), -φόντης m. ‘ds.’ (Ael.). Daneben φάψ, -βός f. Bez. einer wilden Taube (A.Fr. 210 u. 257 = 3 u. 403 M., Arist., Lyk.), von φάσσα nicht mit Sicherheit zu unterscheiden (s. Thompson Birds s.v.); φαβο-τύπος m. ‘Art Habicht’ (Arist.), -κτόνος· ἱερακο-κτόνος H. — Da φάσσα nach νῆσσα, κίσσα u. a. (um)gebildet sein kann, läßt sich aus der Opposition φάσσα : φάψ für den Ursprung von -σσ-bzw. -β- (qʷ ~ gʷ?) nichts schließen. Zu φάψ vgl. Einsilbler wie γύψ, σκώψ, γλαῦξ u.a. (Chantraine Form. 1). — Unerklärt. Über unbefriedigende Hypothesen (ἀθεμβοῦσα [H.],παιφάσσω) s. Bq und WP. 1, 645 m. Lit. II-996-997
φάτνη, spät auch πάθνη (s.u.) f. ‘Krippe’ (seit Il.), ‘Vertiefung, Fach in einer Felderdecke, Kassette’ (hell. Inschr.), ‘Zahnhöhle’ (Poll.), N. eines Einzelsterns im Sternbild des Krebses (neben den Ὄνοι, Thphr.; Scherer Gestirnnamen 124). avon 1. Demin. φατν-ίον n. ‘Zahnhöhle, Zahnfleisch’ (sp. Mediz., Ph.), N. eines Sterns = φάτνη (Hephaest.). 2. Verba: a. φατν-εύω ‘an der Krippe füttern’ (sp.), -ίζομαι (ἐκ-) ‘an der Krippe gefüttert werden’ (Hld., Nik. Dam.), -άζομαι ‘ds.’ (Aq.); b. -όω ‘eine Decke vertiefen, mit getäfelter Arbeit versehen, kassettieren’ (LXX) mit -ωμα n. ‘Kassettierung, Kassettendecke, Kassette, Schießscharte am Schiff’ (A. Fr. 78 = 114 M., Plb. u.a.), ‘Zahnhöhle’ (Gal.), -ωματικός ‘getäfelt’ (Plu., kleinas. Inschr.), -ωτός ‘ds.’ (H., Phot.), -ωσις f. ‘Kassettierung’ (LXX). 3. Hypostase (: ἐκ φάτνης) : ἐκφατν-ίζομαι ‘(aus der Krippe) hinausgeworfen werden’ (Posidon., Eust.) mit -ισμα n. ‘Abfall, Brocken’ (Philostr. VA u.a.). 4. Φάτνιος Bein. des Zeus in Phrygien (Laodicea Combusta; Kaiserzeit). — Die von Moeris 212, 9 als hellenistisch bezeugte Nebenform πάθνη, woraus durch Hauchversetzung φάτνη, lebt noch weiter im Ngr. und könnte aus dem Ionischen stammen (Schwyzer 121; Wackernagel Unt. 23 mit Lit.: somit urspr. auch bei Homer zu Hause?). Durch umgekehrte Schreibung daneben πάθμη (LXX; Schwyzer 216). — Wie πεῖσμα und πενθερός (s. dd.) ist φάτνη ein Ableger des alten Verbs für ‘binden’ in aind. badhnā́ti, Perf. ba-bándh-a, germ., z.B. got. bindan; sonnt aus idg. *bhn̥dh-nā. Dasselbe n-Suffix erscheint noch in hochstufigen kelt. Formen: gall.-lat. benna ‘Art zweiräderiger Wagen mit geflochtenem Korb’ (wozu galat. Ζεὺς Βέννιος, s. Weisgerber Natalicium Joh. Geffcken [1931] 157), kymr. benn ‘Fuhrwerk’, wozu als LW nhd. dial. benne ‘Wagenkasten’ : idg. *bhendh-nā. Das n-Suffix kann mit dem n-Präsens in aind. badh-nā́-ti in Verbindung stehen (Persson Beitr. 2, 570 A. 1), läßt sich aber auch in den u : r-Wechsel in aind. bándh-u- : gr. πενθερός einordnen. — Wegen des kelt. Wortes ist auch für φάτνη eine urspr. Bed. ‘geflochtener Korb’ wahrscheinlich (Lidén BB 21, 109 f.; anders Solmsen KZ 42, 219 m. A. 3: ‘Stelle, wo das Tier im Stall angebunden wird’). Weitere Vertreter dieser weitverzweigten Sippe bei WP. 2, 152, Pok. 127, W.-Hofmann s. offendīx und benna (m. reicher Lit.); dazu noch toch. AB pānto ‘Beistand’ nach v. Windekens Orbis 14, 502 (Grundform *bhōndō(n) mit langem Stammvokal allerdings wenig glaubhaft). II-997-998
φαττάγης m. ‘Schuppentier’ (Ael.). — Unerklärtes Fremdwort. II-998
φραῦλος ‘schlecht, untauglich, schlimm, gemein, ärmlich usw.’ (ion. att.). Einige seltene Kompp., z.B. φαυλό-βιος ‘ein schlechtes Leben führend’ (Sch.), ὑπό-φαυλος ‘etwas schlecht usw.’ (Hp.). Nebenform φαύλιος von Früchten ‘gemein usw.’ (Thphr. u.a.). Davon φαυλ-ότης f. ‘schlechte Beschaffenheit usw.’ (att.), -ίζω, auch m. δια-, ἐκ- u.a., ‘für schlecht halten, geringschätzen, verachten’ (Pl., X., LXX, sp.) mit -ισμός (ἐκ-) m. (LXX, J.), -ισμα n. ‘Geringschätzung’, -ίστρια f. ‘Verächterin’ (LXX). — Pejoratives Adj. der Alltagssprache (vgl. Wackernagel Unt. 229) mit λο-Suffix und Barytonese wie μάχλος, στύφλος u.a. Kann aus *φλαῦ-λος dissimiliert sein; vgl. das synonyme φλαῦρος. Chantraine Form. 238 erinnert an παῦρος u. Verw.; dazu φαυ- mit expressiver Aspiration? Auch Kreuzung wäre denkbar; eine geradlinige Genealogie ist sowieso nicht besonders wahrscheinlich. II-998
φαῦσιγξ, auch φαῦστιγξ, pl. -ιγγες f. ‘Brandblase, Blase’ (Ar. Fr. 883, Hp. ap. Gal. 19, 150, Poll. 7, 110, EM789, 52, H.). Keine Kompp. od. Ableitungen. — Bildung wie μῆνιξ, στρόφιγξ usw., an φῦσα (s.d.) erinnernd und von φαύζει· φρύγει H. nicht zu trennen, aber im Einzelnen unklar. Die routinemäßige Ansetzung eines Ablauts əu : ū (wozu noch ōu̯ in φωΐδες, s.d.) löst kein Rätsel. II-998
φέβομαι nur Präs. und Ipf. ‘(in wildem Laufe) fliehen, flüchten’ (Hom., A. R.). Davon als Kausativ -Iterativ (später als Denominativ aufgefaßt) φοβέω, -έομαι, auch m. ἐκ-, κατα-, ὑπερ-, προ- u.a., ‘in die Flucht jagen, scheuchen’ bzw. ‘fliehen, flüchten, in die Flucht geschlagen werden’ (Hom.), ‘in Schrekken setzen’ bzw. ‘(sich) fürchten’ (nachhom.) mit φόβ-ημα (ἐκ-) n. ‘Schrecknis’ (S. in lyr., Sch.), ἐκ- ~ ησις f. ‘Erschrekken’ (Hdn., Sch., H.), -ητικός (ἐκ-, προ-) ‘furchtsam, abschrekkend’ (Arist. u.a.), -ητρον (ἐκ-) n. ‘Schreckbild, Scheuche, schreckliches Ereignis’ (Hp., LXX, Ev. Luk., AP). Als Vorderglied in Φοβεσι-στράτη Bein. der Athena (Ar. Eq. 1177) nach ἑλκεσι-, ἀλφεσι-, ταμεσι- u.a., auch Φοβέ-στρατος ‘ds.’ (Hes. Th. ap. Chrysipp. Stoic., EM797, 54) nach ’Αρχε- u.a. (nicht alte Formen mit Schwyzer 443 m. A. 11, 721 m. A. 8 nach Schulze und Specht). — Verbalnomen φόβος m. ‘Flucht’ (ep. poet. seit Il.), ‘Furcht’ (nachhom.; wahrscheinlich auch Λ 544 u. a.); oft als Hinterglied, z.B. περί-, ἔκ-, ἔμ-, ὑπέρ-φοβος, z.T. Rückbildungen aus ἐκ-φοβέω, -έομαι usw. Davon φοβερός ‘furchtbar, furchtsam’ (ion. att.) mit φοβερ-ότης f. ‘Furchtbarkeit’, -ίζω ‘in Furcht setzen’, -ισμός m. (LXX). Zur Bed. von φόβος bei Hom. Trümpy Fachausdrücke 218ff., J. Harkemanne Rech. de phil. et de ling. 1 (Louvain 1967) 47 ff. m. reicher Lit.; vgl. noch Schadewaldt Herm. 83, 129 ff. Durch φόβος ‘Furcht’ wurde das alte δέος (mit δείδω) ersetzt. — Zu φόβη s. bes. — Neben dem thematischen φέβομαι mit normalem Kurzvokal stehen im Baltischen und Slavischen langvokalige (urspr. athematische?) Formen: lit. bė́gu, Inf. begti ‘laufen, rennen’ (begìmas ‘Laufen, Flucht’), lett. bę̂gu, bêgt ‘laufen’, refl. bêgtiês ‘fliehen’ (bę̄ga ‘Flucht’, bêglis ‘Flüchtling’), slav., z.B. aksl. běžǫ, běžati ’φεύγειν’, russ. begú, bežátь ‘laufen, fliehen’; idg. somit bhē̆gʷ- (Fick BB 6, 215; weitere Lit. bei WP. 2, 148 f., Pok. 116, Fraenkel s. bė́gti, Vasmer s. bežátь). Van Windekens Lex. étym. 96 und Orbis 11, 192 will auch toch. A pkänt ‘entfernt’ bzw. pukäl, B pikul ‘Jahr’ heranziehen; wenig überzeugend. II-998-999
φέγγος n. ‘Licht, Schein, Glanz’ (vorw. poet. seit h. Cer. 278, auch att., hell. u. sp. Prosa). Sehr oft als Hinterglied, z.B. χρυσο-φεγγής ‘mit goldenem Glanz, goldglänzend’ (A. Ag. 288); als Vorderglied in φεγγο-βολέω ‘Licht werfen’ (Man.). Davon φεγγίτης m. N. eines Steins = σεληνίτης (Plin. u.a.; ngr. = ‘Lichtöffnung’ , Redard 62); βραχυ-φεγγίτης = βραχυ-φεγγής (λύχνος) ‘ein spärliches Licht werfend’ (AP 6,251; metr. erweitert). Rückbildung φέγγω, auch m. περι-, vereinzelt κατα-, ἀνα-, nur Präs. u. Ipf. ‘leuchten, scheinen, erleuchten’ (Ar. Ra. 344 [lyr.], A. R., spät), von φέγγος wie σθένω von σθένος u.a. (vgl. Schwyzer 723). — Isoliert. Seit langem mit lit. spingiù (spìngu), spingė́ti ‘schwach leuchten, flimmern’ und mit ags. spincan ‘Funken sprühen’, auch mit ahd. funko, nhd. Funke verbunden (Zupitza German. Gutt. 162, Prellwitz u. a.; s. WP. 2, 663 f., Pok. 989f., Fraenkel s.v., ältere Lit. auch bei Bq). — Alte Kreuzung von *σπέγγος und φάος ? Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 140. II-999
φεῖ n. indekl. Buchstabenname; — nach πεῖ, s.d. II-999
φείδομαι (seit Il.), Aor. 1. φείσασθαι (Ω 236 usw.), Aor. 2. m. Redupl. πεφιδέσθαι, Opt. -οίμην (Υ 464, Φ 101, ι 277; zur Bed.differenzierung gegenüber φείσασθαι Chantraine Gramm. hom. 1, 415), Fut. φείσομαι (att.), πεφιδήσεται (Ο 215, Ω 158 = 187), φεισθήσομαι (Pap. IIp), Perf. Med. Ptz. πεφεισμένος (Luk., D. C.), πεφιδημένος (Nonn.), Ipv. πεφίδησο (sp. Epigr.) ‘schonen, verschonen, sparen, sich enthalten’. vereinzelt m. ὑπο-, περι- (X., A. R. u.a.), Davon φειδ-ώ f. (Hom., Hes.. Demokr., Th., LXX u.a.), -ωλή f. (Χ 244, Sol.) ‘das Sparen, Sparsamkeit, Schonen’ mit -ωλός ‘sparsam’ (seit Hes. Op. 720; Schmeja Stud. z. Sprachwiss. u. Kulturkunde 130f.), wozu -ωλία f. (Ar., Pl. u.a.; vgl. Scheller Oxytonierung 38), -ώς· parsimonia (Gloss.; nach αἰδώς u.a.). Rückgebildetes Adj. φειδός ‘sparsam’ (Kom. Adesp., Demokr., Kall. Fr.460) mit φείδων, -ωνος m. ‘enghalsiges Ölgefäß’ (Poll.), öfters als PN (s.u.). — Als Vorderglied in der Univerbierung φειδ-αλφιτ-ῆσαι (Aor.) ‘mit der Gerste sparsam umgehen’ (Kom. Adesp.). -ως (Phryn. PS). — Zahlreiche PN, z.B. Φείδ-ιππος mit Φειδιππίδης, Λεω-φείδης, Φειδ-ύλος, -ίας, -ων, u.a. König in Argos (Hdt.) mit -ώνειος, -ωνίδης. — Zum sicher altererbten φείδομαι stimmt lautlich ein weitverzweigtes Verb für ‘spalten usw.’ in germ., z.B. got. beitan, nhd. beißen (lautlich = φείδομαι); mit Nasalpräsens aind. bhinádmi, lat. findō ‘spalten’, Wz. -Aorist aind. ábhedam, ábhet (wozu Konj. bhédati; Narten Sprache 14, 125 f.). Eine überzeugende semantische Begründung steht indessen noch aus: eig. ‘knauserig abschneiden, abzwacken’ od. ‘sich von etw. schneiden = sich entziehen’ ? (Prellwitz u. a.; s. Lit. bei WP.2, 138f., W.-Hofmann s. findō, auch Bq). Anders Fick KZ 41, 201: zu bhei- ‘fürchten’ in aind. bibhémi usw.; abzulehnen. II-999-1000
φελγύνει · ἀσυνετεῖ, ληρεῖ H. — Über die gewöhnliche (seit Hoffmann BB 18, 154), aber in jeder Hinsicht anfechtbare Zusammenstellung mit aind. phalgú- ‘winzig, schwach, wertlos usw.’, lit. spil̃gti ‘infolge Lichtmangels verkümmern, absterben (von Pflanzen), schlechtes Aussehen bekommen (vom Menschen)’ u.a. s. Hiersche Ten. aspiratae 147 f. m. Lit. Anders, nicht besser über φελγύνει Fick KZ 43, 152 (s. auch WP. 2, 183). II-1000
φελλεύς m. ‘unebener, steiniger Boden’, auch als N. einer Berggegend in Attika (Kratin., Ar., Pl. u.a.) mit Φελλείτης m. ‘Bewohner des Φ.’ (St. Byz.); zur Bildung vgl. δονακεύς, Πειραιεύς u.a. — Auch φελλία n. pl. (X. Kyn. 5, 18), φελλίς (γῆ, Poll. 1, 227), φελλεών, -ῶνος m. (Arr.Kyn.17) ‘ds.’; Φελλεΐς f. Gegend in Attika (IVa). Einzelheiten bei Boßhardt 140 f. — Ob zu φελλός mit Beziehung auf die unebene, poröse Konsistenz des Korkes? Das Wort wurde oft mit Hilfe verschiedener Hypothesen zu πέλλα· λίθος H. gestellt: Pisani Ist. Lomb. 73, 493ff., v. Windekens Le Pélasgique 6ff., 140, Ét. Pélasg. 53 (mit Georgiev). Vgl. ἀφελής. II-1000
φελλός m. ‘Kork, Korkeiche’ (Pi. P. 2, 80, A. Ch. 506, Thphr., Hero, Pap. IIIp); φελλό-δρυς f. ‘Korkeiche’ (Thphr.; aus dem Arkad.?, vgl. Ruijgh L’élém. ach. 90). Davon φέλλ-ινος ‘von Kork’ (Luk.), -ώδης ‘ds.’ (Poll.), -ίνας· κοῦφος, ἀπὸ τοῦ φελλοῦ, -εῦον· ἐπιπλέον H.; wohl auch -ῖναι pl. N. eines schnellen Wasservogels (Dionys. Av.) und -ίνιοι· ὀροβάκχαι H. Dazu Φελλώ f. das Land der Φελλό-ποδες (Luk. VH2, 4). — Nicht sicher erklärt. Zum Vergleich bietet sich außer φολίς (s.d.) ein slavisches Wort ähnlicher Bed., z.B. russ. boloná ‘Auswuchs an Bäumen’, bólonь ‘Splint, weiche Rinde’. Somit φελλός aus *φελ-νός? Gegen die weiteren Kombinationen mit bhel-’schwellen’ bei Persson Beitr. 2, 797 m. A. 3, 801 A. 2 (m. Lit.) s. WP. 2, 180. Nach anderen (s. Lit. bei Vasmer s.v.) gehören die slav. Wörter zu bhel- ‘weiß, glänzen’ (s. φαλός); ebenso φελλός (Pok. 120 fragend)? II-1001
φένᾱξ, -ᾱκος m. ‘Betrüger, Gauner’ (Ar., vereinzelt u. sp.). Davon φενακ-ίζω (ἀπο- Men. Prot.) ‘betrügen, gaunern’ mit -ισμός m. ‘Betrug, Gaunerei’ (Kom., att. Redner), -ίσματα pl. H. als Erkl. von πηνηκίσματα, -ιστής m. ‘Betrüger’ (Phld., Sch.), -ιστικός ‘trügerisch’ (Poll.), -ικῶς ‘ds.’ (EM). Auch φέναγμα n. (: *φενάσσω, Phot.), φενάκη f. ‘falsches Haar, Perücke’ (Luk.). — Familiäres Wort auf -ᾱξ (Björek Alpha impurum 47 f., 63, 288) ohne sichere Etymologie. Nach einer zögernden Vermutung von Chantraine Rev. de phil. 3. sér. 37, 21 f. volkstümlich für φαίναξ (nur als PN Theognost. Kan.. auch myk. Dat. Panaki?). Anders Burkert RhM 105, 51 m. A. 75: zu φενάκη (aber vielmehr umgekehrt; s. ob.); Grošelj Živa Ant. 1, 261: zu bhen- ‘schlagen’. II-1001
φέρβω, -ομαι nur Präs. und Ipf. außer Plqupf. ἐπεφόρβει (h. Merc. 105; nicht wahrscheinlich Zumbach Neuerungen 35: Ipf. von *ἐπι-φορβέω) ‘weiden, hüten, füttern, ernähren’, Med. ‘ sich an etw. nähren, verzehren, genießen’ (ion. poet. seit Hes. Op. 377, h. Hom. 30). Davon φέρβουσα f. N. einer Pflanze (Ps.-Dsk.; Strömberg Pfl. 57), φέρβητας· νομεῖς H. — Mit Abtönung: φορβή, dor. -ά f. ‘Weide, Futter, Nahrung’ (ion. poet. seit Il.), myk. po-qa? Als Hinterglied u.a. in πολύ-φορβος ‘reich an Weide, vielernährend’ (Il., Hes.), εὔ-φορβος ‘wohlgenährt’ (Orph.), εὐφορβ-ία f. ‘gute Nahrung’ (S.Fr. 848), -ιον n. N. eines Baumes, ‘Euphorbia resinifera’, und dessen Saftes (Dsk., Gal., S. E. u.a.; Strömberg a. O.). Auch ἐμφόρβιον· τελώνημα H.; davon ark. ἰνφορβίεν (= *ἐμφορβίειν) ‘Weidegebühr erheben’ mit ἰνφορβισμός ( : *ἐμφορβίζειν; Tegea IVa; ausführlich Solmsen KZ 34, 437ff.), myk. i-po-po-qo-i = ἱπποφορβοῖς? —Von φορβή : 1. φορβ-άς, -άδος m. f. ‘sich nährend, weidend. nährend, fütternd’ (Pi., S., E. usw.; meist poet., vgl. Bergson L’épithète 135 m. A. 2) mit -αδικός (Plu.). 2. -ά̄μων ‘ds.’ (Hymn. Is.). 3. -αῖος ‘zur Weide gehörig’ (Kall.). 4. -ειά, -εάf. ‘Halfter’, übertr. ‘Mundbinde der Flötenbläser’ (Ar., S.Fr. 768, X., Arist. usw.) mit Ptz. Pf. ἐμπεφορβειωμένος ‘mit Mund- binde ausgerüstet’ (Ar.); zur Bildung vgl. στελεά (s.d.); myk. po-qe-wi-ja-i (Dat.pl.)?; auch 5. -αία f. ‘ds.’ (LXX; vgl. ῥομφαία u.a.). 6. -ασία f. ‘ds.’ (Suid.). 7. -ια· φάρμακα H.; -ιον n. Pfl.name (Gal.). — φορβά n. pl. = φορβή (Orph.). — Als Hinterglied in Nom. agentis (Univerbierungen), z.B. συ(ο)-φορβός m. ‘Schweinehirt’ (Hom. usw.). — Ausdruck der Landwirtschaft, allem Anschein nach altererbt, aber ohne Etymologie. Die Anknüpfung einerseits an aind. bhárvati ‘kauen, verzehren’, anderseits an awno. bergja ‘kosten’, ags. byrgan ‘schmecken, kosten’ (Fick BB 6, 215), die drei verschiedene Erweiterungen eines idg. bher- voraussetzt und deshalb von WP. 2, 164 f. mit Recht angezweifelt wird, ist aufzugeben. Zu bhárvati Mayrhofer s.v. II-1001-1002
φερέσβιος s. φέρω. II-1002
φερεσσακής s. σάκος. II-1002
φέριστος fast nur im Vok. φέριστε als höfliche Anrede (ep. poet. seit Il.). — Mit aw. bairišta Vok. (auch m. niž- und aibi- im Nom. u. Akk.) identisch, somit wohl altererbt. Primärer Superlativ zu idg. bher- ‘tragen usw.’ in φέρω bzw. baraiti; eig. Bed. strittig : ‘der zuträglichste, am meisten frommende, ertragreichste’ (Persson Beitr. 1, 25 ff. mit Fick und Delbrück IF14,46ff.)?, ‘der im Tragen leistungsfähigste, stärkste’ (Osthoff MU 6, 165 ff.)? — Daneben φέρτερος und φέρτατος ‘stärker, tapferer, besser’ bzw. ‘der stärkste, tapferste, beste’ o.a. (ep. poet. seit Il.); Neubildungen nach ὑπέρ-τερος, -τατος (Osthoff a. O.); vgl. noch φίλ-τερος, -τατος u.a. bei Schwyzer 535. Weitere Lit. bei WP. 2, 153, auch Bq s.v. — Anders über φέριστος usw. Seiler Steigerungsformen 94 ff. — Zu lit. gẽras ‘gut, tüchtig’, das früher (Lit. bei Bq) mit φέριστος verbunden wurde, s. Fraenkel s. gìrti ‘rühmen, loben’. II-1002
φερνή (ion. att.), äol. (Hdn. Gr., EM) φέρενᾰ, dor. φερνά f. ‘Anteil des Gottes am Opfer’ (Epid. V-IVa). f. ‘Mitgift’ Als Hinterglied in ἀντί-φερνος ‘statt der Mitgift’ (A. Ag. 406 [lyr.]), τὰ ἀντίφερνα ‘Gegengeschenk des Bräutigams an die Braut’ (Cod. Just.); τὰ παράφερνα ‘was die Braut außer der Mitgift mitbringt’ (Pap. I-IIp, Just. Nov.); ἄ-, πολύ-φερνος H.; ἐπιφέρν-ια n. pl. ‘Mitgift’ (Sch. I 147, Eust.). Davon φερνάριον n. Demin. (Pap. aug. Zeit), -ίζω ‘mit Mitgift ausstatten’ (LXX, hell. u. sp. Pap.). — Verbalnomen zu φέρω mit ν-Suffix wie in arm. beṙn, Gen. beṙin ‘Bürde, Last’, lit. bérnas ‘Bursche, (Bauern)knecht’, lett. bę̀rns ‘Kind, Schößling’; mit o-Abtönung germ., z.B. got. ano. barn n. ‘Kind’ ("Getragenes, Geborenes"), alb. barrë ‘Last’ (wohl aus *bhor-nā; Mann Lang. 17, 19). Die zweisilbige Stammform in äol. φέρε-νᾰ stimmt zu φέρε-τρον, φόρε-τρον; zum sekundären -ᾰ Solmsen Wortforsch. 259. — Zu βερνώμεθα (H.) s. bes.; zu φερνή und dem synonymen προίξ Sommer Nominalkomp. 94, Gernet Mél. Bq 1, 396ff. Weiteres s. φέρω. II-1002-1003
φέρω, -ομαι, myk. pe-re = φέρει, nur Präs. u. Ipf. (vgl. unten) ‘tragen, ertragen, wegtragen, abtragen, herbeischaffen, sich erstrecken, sich fortbewegen usw.’ (seit Il.). sehr oft m. einem od. zwei Präfixen in verschied. Bedd. und Bed.nuancen, z.B. ἀνα-(συν-ανα- usw.), ἀπο-(προ-απο-), δια-, εἰσ-(ἐπ-εισ-) usw. usw. Als Vorderglied z.B. in φερέ-οικος ‘haustragend’ (Hdt.), "Hausträger" meton. für ‘Schnecke’ (Hes. Op. 571), = ζῷον ὅμοιον γαλῇ (Kratin. 94, EM, H.); nach Thompson ClassPhil. 40, 185 volksetymol. Umbildung eines slav. LW (zu ksl. plъchъ ‘Bilchmaus’?); auch φερέσ-βιος ‘Lebensunterhalt bringend, Nahrung gebend’ (h. Hom., Hes. u.a.), nach φερε-σσακής (s. σάκος), ὀρέσ-βιος u.a. (Moorhouse AmJPh 73, 301, Pötscher RhM 104, 320f., Snell Phil. 96, 159); φερεσσί-πονος ‘Leiden ertragend’ = φερέ-πονος (Epigr.), nach τελεσ(σ)ί-φρων u.a. Zu -φερής s. A 6, zu -φόρος und -φορος B 3; dazu Benveniste BSL 62, 23 f. Ableitungen (gedrängte Übersicht). A. Mit e-Vokal (wenige Fälle): 1. φέρμα n. ‘Leibes-, Feldfrucht’ (A. in lyr.; wie σπέρμα u.a., Porzig Satzinhalte 241 u. 265). 2. φέρτρον (Σ 236, Ael.), φέρετρον (Plb.) n. ‘Bahre’ mit φερετρεύομαι ‘auf einer Bahre getragen werden’ (Plu.). 3. φέρτρυς· ἆθλος. Θούριοι H.; kaum richtig, ob für *φερτύς (v. Blumenthal Hesychst. 46) ? 4. φερτός nur in οὐ τλατᾶς οὐ φερτᾶς (E. Hek. 158 [lyr.]), ἄ-φερτος (A. in lyr.), συμφερ-τός ‘vereinigt’ (Ν 237, Nonn.); vgl. unten. 5. φέρ-ιστος mit -τερος, -τατος s. bes. 6. -φερής in Ableitungen von den präfigierten Verba, z.B. προφερ-ής (: προ-φέρω) ‘hervorragend, vorzüglich’ (ep. poet. seit Il.), περιφερ-ής (: περι-φέρομαι) ‘herumlaufend, sich herumdrehend, kreisförmig’ mit -εια, -είη f. ‘Umlauf, Umkreis’ (ion. att.; vgl. Mugler Dict.géom. 344ff.), danach ganz vereinzelt in Kompp. m. nominalem Vorderglied, z.B. οἰνο-φερής H. s. οἰνόφλυξ. — B. Mit ο-Abtönung: 1. φορά, ion. -ή f. ‘das Tragen, Last, Abtragen, Abgabe, Hervorbringung, Ertrag, Bewegung, Lauf’ (ion. att.); sehr oft von den präfigierten Verba, z.B. συμφορ-ά, -ή ‘Ereignis, Zufall, Unglück’ (ion. att.) mit -άζω ‘beklagen, beweinen’ (hell. u. sp.), -αίνω (Ps.-Hdt. Vit. Hom.); ebenso ἀνα-, δια-, ἐπι-, προσ-φορ-ά usw. 2. φόρος m. ‘Ertrag, (eingehobener) Tribut, (eingelieferte) Abgabe’ (ion. att.). 3. φορός ‘tragend, förderlich, trächtig, einträglich’ (Hp., Arist., hell. u. sp.). Unabhängig davon als Hinterglied, seit alters unbeschränkt produktiv, z.B. τοξο-φόρος ‘bogentragend, Bogenschütze’ (seit Φ 483); in Ableitungen von präfigierten Verba, z.B. σύμφορ-ος (: συμ-φέρω) ‘zuträglich, angefressen, förderlich’ (seit Hes.), διάφορ-ος (: δια-φέρω) ‘verschiedenartig’ (ion. att.) mit -ότης f. ‘Unterschied’ (Pl., sp.). — Von φορά od. φόρος, z.T. direkt auf φέρω od. φορέω beziehbar (Eingliederung nicht immer sicher): 4. φορεύς m. ‘Träger’ (Σ 566, A. R., Plu.), ἀμφι-, ἀνα- ~ usw.; s. Boßhardt 29. 5. φοράς, -άδος f. mit -άδιον n. ‘trächtige Stute’ (sp. Pap.), auch ‘ertragreich’ (Thphr.). 6. φορεῖον n. ‘Trag- sessel, Sänfte’ (Din., hell. u. sp.), ‘Trägerlohn’ (Poll.). 7. φόρε-τρον n. ‘Trägerlohn, Fuhrlohn’ (Pap.) mit -τρίζω ‘laden, trans- portieren’ (Pap.). 8. φόριμος ‘fruchtbar’ (hell. u. sp. Pap., AP u.a.), ποτι- ~ ‘zuträglich, nützlich’ (Epich.); Arbenz 47. Adv. 9. φορ-άδην ‘getragen, flugs’ (S., E., D. u.a.), -άδᾱν (Epid.); -ηδόν ‘bündelweise’ (Luk.). — 10. φόρ-τος m. ‘Last, Ladung’ (seit Od.) mit mehreren Ablegern: -τίς (ναῦς) f. ‘Lastschiff’ (Od., sp. Prosa), -τίον n. ‘Last, Ladung, Fracht, Frachtgut’, pl. ‘Waren’ (äol. Dicht., att.), -ταξ, -τακος m. ‘Träger, Lastkahn’ (Kom. Adesp., Pap. Ia), -τικός ‘lasttragend, lästig, plump, grob’ (att. usw.) mit -τικότης f. (Arist.), -τικεύομαι (Sch.; Chantraine REGr. 75, 356ff., 387f.), -τιμος ‘lasttragend’ (Sch.), -τίζω, -τίζομαι (ἀντι-, ἐκ-, ἐπι-, ἀπο- u.a.) ‘beladen’ (seit Hes.) mit -τισμός (ἐπι-, ἐκ-, ἀπο-) m. ‘das Laden’ (sp.), -τόω ‘ds.’ (sp.). — 11. Iterativintensiv φορέω, Aor. φορῆσαι (seit Il.), sp. -έσαι, sehr oft m. Päfix, z.B. ἀνα-, ἐπι-, συν-, ‘tragen usw.’ mit -ημα (ἐπι-, δια-, συν- u.a.) n. ‘Tracht, Last, Kleid, Bahre’ (ion. att.; -εμα Phot., Suid.), -ησις (δια-, ἐν-, συν-u.a.) f. ‘das Tragen’ (hell. u. sp.; -εσις Suid., Sch.), -ητός (ἀπο- u.a.) ‘tragbar, erträglich’ (Pi.Fr. 88, 1, A.Pr.979, E., sp. Prosa), -ητικός (ἀνα-, δια-, περι-) in wechselnden Bedd. (sp.); außerdem anscheinend mit nominalem Vorderglied, z.B. καρπο-φορέω (X., Arist. usw.), denominativ von καρπο-φόρος (Pi., Hdt., E., Ar., X. usw.). — C. Mit Dehnstufe: φώρ, auch φωριαμός? s. bes. — Zu φαρέτρα, φερνή, ἀμφορεύς, δίφρος s. bes.; vgl. auch φορμός und φάρμακον. — Altererbtes Verb für ‘tragen usw.’, in fast allen idg. Sprachen erhalten, z.B. lat. ferō, germ., z.B. got. bairan auch ‘gebären’, arm. berem, aind. bhárati, slav., z.B. aksl. berǫ ‘sammeln’, russ. berú ‘nehmen’, idg. *bhérō, 3. sg. *bhéreti. Neben den thematischen Formen steht im Griech. ein einmaliger themavokalloser Ipv.pl. φέρτε (I172, Versanfang), der sich mit lat. ferte genau deckt und morphologisch auch zu fer, fertis, fers, fert ebenso wie zu aind. 3. sg. bhárti (RV, bis) stimmt. Es kann sich sehr wohl um alte athematische Formen handeln. Von mehreren Forschern, zuletzt Szemerényi Syncope 189 ff., werden sie aber als synkopierte oder auf andere Weise entstandene Neubildungen betrachtet; s. Lit. bei W.-Hofmann s. ferō und Mayrhofer s. bhárati. Idg. bher- war von Haus aus als infektivdurativ auf den Präsensstamm beschränkt (Fut. οἴσω, Aor. ἐνεγκεῖν, ἐνεῖκαι, auch τλῆναι, ταλάσσαι, lat. Perf. tulī). Nur ganz gelegentlich haben sich im Griech. dazu außerpräsentische Formen gesellt : der späte Aor. ἤφερα (IG 3, 1379 = ngr., nach ἤνεγκα), die isolierte H. -Glosse ἔφερσεν· ἐκύησεν, die poetischen Zufallsbildungen φερτός, ἄφερτος, συμφερτός mit bemerkenswerter Hochstufe (aind. bhr̥tá-, lat. lātus zu tulī). — Unter den nominalen Ableitungen finden sich nicht wenige in anderen Sprachen wieder, meist infolge unabhängiger Parallelbildung: φόρος = aind. bhára- m. ‘das Mitnehmen, Davontragen, Gewinn, Beute’ (bhārá- m. ‘Bürde, Last’), aksl. sъ-borъ m. ‘Versammlung’, russ. sbor ‘das Sammeln, Einsammeln’; -φόρος = arm. -vor, z. B. lus-a-vor ‘lichtbringend’ (von loys ‘Licht’; vgl. lat. Lūci-fer), aind. -bhará-, z.B. vājam-bhará- ‘Kampfpreis bringend’; φέρμα formal = aind. bhárman- n. ‘Erhaltung, Ernährung, Fürsorge’, wozu aksl. brěmę, russ. berémja ‘Last, Bürde’ mit urspr. zwei- silbigem Stamm (vgl. Mayrhofer s. bhárma m. Lit.); φέρ(ε)τρον formal = ags. beoroðor n. ‘Geburt’; mehrdeutig aind. bharítra-Bed. unsicher, kann auch ein tlo- Suffix enthalten wie lat. ferculum ‘Trage, Bahre’ (feretrum gr. LW). — Weitere Formen aus verschied. Sprachen m. reicher Lit. bei WP. 2, 153 ff, Pok. 128 ff., W.-Hofmann s. ferō, fors, Mayrhofer s. bhárati usw. II-1003-1005
φεῦ Interj. ‘ach, weh, ah!’ (Trag. u.a.); davon Aor. φεῦξαι ’φεῦ rufen’ (A. Ag. 1308); auch φῦ ‘pfui’ (Ar. Lys.). — Wohl Naturlaut wie lat. fū, frz. fi, ndd. pfui, schwed. fy usw. Für Anknüpfung an φεύγω (aus *φευγ = φεῦγε) noch Schwyzer 798 m. A. 10; s. auch Schw.-Debrunner 600f. und W.-Hofmann s. fū m. weiterer Lit. II-1005
φεύγω (seit Il.), auch φυγγάνω (ion. att.), Aor. φυγεῖν, Fut. φεύξομαι (seit Il.), φευξοῦμαι (att.), ἐκ-φεύξω (Pap. II a u.a.), Perf. Ptz. Med. πεφυγμένος (Hom. u.a.), Akt. πεφευγότες (seit α 12), πεφυζότες (Il., sg. -ώς Nik.; nach φύζα, Solmsen RhM 66, 140ff., Schwyzer 771 m. A. 4 n. weiterer Lit., auch Chantraine Gramm. hom. 1, 429), Ind. πέφευγα (ion. att.). Opt. πεφεύγοι (Φ 609), ἐκ-πεφευγοίην S. OT 840 (Schwyzer 795), ‘fliehen, entfliehen, in die Verbannung gehen, auf der Flucht, verbannt sein, gerichtlich verfolgt werden’. sehr oft m. Präfix, z.B. ἀπο-, δια-, ἐκ-, κατα-. Als Vorderglied u.a. in φυγο-πτόλεμος ‘den Kampf scheuend’ (ξ 213, Q. S.); vereinzelt φυξ(ι)-, z.B. φυξ-ανορία oder (Akk.) -άνορα ‘Flucht vor den Männern’, bzw. ‘vor den Männern fliehend’ (A. Supp. 8 [anap.], vgl. Rosenkranz Phil. 108, 293 ff.), auch φεύγ-υδρος ‘das Wasser scheuend’ (sp. Mediz.), φευξ-ίκτερος Pfl.name (Ps.-Dsk.; Strömberg 86). Daneben das primäre suffixlose Nomen (Wz.nomen) φυγ- in φύγα-δε (Il.), -ά-δις (Theognost. Kan., EM) ‘in die Flucht’, φύγ-δα (A. Eu. 256 [lyr.]), -δην (Nik. Th 21) ‘auf der Flucht’. Davon 1. mit ι̯α-Suffix (vgl. ὄπ-α : ὄσσα, Chantraine Gramm. hom. 1, 232) φύζα f. ‘(wilde) Flucht, Panik’ (Il., ξ 269 = ρ 439) mit -ακινός ‘flüchtig, scheu’ (Ν 102; wie von *φύζαξ, vgl. λεπτ-ακ-ινός, δείλ-ακ-ρος u.a. und Bechtel Lex. s.v.), -αλέος ‘ds.’ (AP), -ηλός· δειλός, φυγάς H.; auch einzelne Verbformen: Ptz. Aor. φυζηθέντες (Nik. Th. 825: *φυζάομαι), Inf. φυζάναι· φυγεῖν, δειλιάσαι H. (für -ᾶναι oder künstliche athem. Bildung [Schwyzer 700]?); vgl. πεφυζότες oben. 2. Mit η(ᾱ)-Suffix φυγή, sehr oft von den präfigierten Verba, z.B. ἀνα-, ἀπο-, δια-, κατα-, f. ‘Flucht, Verbannung’ (seit Od.). — 3. Adj. πρό-, πρόσ-φυξ ‘fliehend, schutzsuchend’ (sp.), πρόσ-φυγ-ος ‘ds.’ (Aesop.), ἀ-φυγ-ής ‘der nicht fliehen kann’ (Timo); Subst. κατα-φύγ-ιον n. ‘Zuflucht’ (Demokr.), προσ-, συμ-φύγ-ιον ‘ds.’ (sp.). 4. Von φυγ- oder φυγή (vgl. Schwyzer 508) : φυγ-άς, -άδος m. f. ‘Flüchtling’ (ion. att.) mit -αδεύω (att.), -αδείω (el.) ‘verweisen, verbannen’; -αδεῖον n. ‘Verbannungsort’ (LXX), -αδεία f. ‘Verbannung’ (Plb., Vett. Val.), -αδευτικός ‘verbannend’ (IIld.); φύγ-ιμον n. ‘Zufluchtsort’ (Andania Ia). Von φυγεῖν bzw. φεύγειν: 5. φύξις f. ‘Flucht, Rettung’ (Κ 311 = 398, 447, Nik.), jünger φεῦξις f. ‘ds.’ (S. Ant. 362 [lyr.]); von den präfigierten Verba: ἀνά-, ἀπό-, διά-, κατά-φυξις, -φευξις (Ar., Th., Pl. usw.; in der Überlieferung oft zusammengeworfen); davon φύξ-ιμος (hell. u. sp. auch φεύξ-ιμος, delph. [IIIa] φύκτιμος) ‘Zuflucht, Rettung gewährend’ (ε 359, Plb., Plu.), ‘imstande zu fliehen’ (S. Ant. 788 [lyr.]), ‘entfliehbar, vermeidlich’ (Hp., Max.), κατα- ~ (Plu.); vgl. Arbenz 33. Von φύξις noch: φύξ-ιος ‘zur Flucht gehörig’ (A. R.), als Bein. des Zeus, auch des Apollon, ‘Zuflucht gewährend’ (Apollod., Lyk., Paus., Inschr. u.a.); -ηλις ‘flüchtig, feige’ (P 143, Nik., Lyk.), Bildung unklar (Vermutung von Bechtel Lex. s.v.; vgl. noch Schwyzer 517 m. A.1). 6. Verbaladj. φυκτός ‘zu entfliehen, entrinnbar’ (Hom.; Ammann Μν. χάριν 1, 14), nur mit Negation = ἄφυκτος (Pi., Simon., att.); jünger φευκτός ‘ds.’ (S. Aj. 224 [lyr.]), mit Negation = ἄφευκτος (sp.); φευκτ-αῖοι· ἀποτρόπαιοι H., -ικός (ἀνα-, ἀπο-, δια-, ἐκ-) ‘zum Entkommen, Entfliehen geeignet od. geneigt’ (X., Arist., Str. u.a.), -ιάω ‘entfliehen wollen’ (Arist. Fr. 130). 7. Desiderativum φευξείω (E. HF 628; cod. -ιῶ). —Ausführlich über den Gebrauch von φεύγω u. Verw. bei Homer Trümpy Fachausdrücke 212 ff. — Das Nasalpräsens φυγγάνω (meist mit Präfix in terminativer Funktion, vgl. Poultney Lang. 13, 170 f.) ist eine Neubildung zum Aor. φυγεῖν nach dem geläufigen Typus τυχεῖν : τυγχάνω (Schwyzer 699); daneben das hochstufige thematische φεύγω wie τεύχω usw. Dafür steht im Latein ein tiefstufiges Jotpräsens fugiō mit Perf. fūgī aus *foug- gegenüber πέφευγα mit sekundärem ευ wie in τέτευχα usw. (: λέλοιπα). Die griech. u. lat. Nomina stimmen mehrfach zueinander, so namentlich φυγή = fuga. Vgl. noch προσ-, συμ-φύγιον (neben weit gewöhnlicherem und älterem -φυγή in ἀναφυγ-ή usw.): lat. per-fugium u.a.; πρόσ-φυγος : prō-fugus u.a.; wenigstens in den letztgenannten Fällen handelt es sich um voneinander unabhängige Neubildungen. — Zu φυγεῖν, fugiō stimmt bis auf die Vokallänge das semantisch etwas abweichende lit. bū́gstu, bū́gti ‘in Schrecken geraten, erschrecken’ (vgl. φύζα ‘Panik’) mit baugùs ‘ängstlich, furchtsam, bange’ und dem Kausativum baugìnti ‘schrecken, ängstigen’. Semantisch noch ferner stehen das aw. Nasalpräsens 3. pl. bunǰainti mit Opt. 3. sg. bunǰayāt̃ ‘lösen, befreien, retten’ (von Kretschmer Glotta 30, 138 hierhergestellt) ebenso wie ein Verb ‘biegen’ in aind. bhujáti und (mit idg. gh) germ., z.B. biugan, nhd. biegen; mit ū ags. būgan ‘sich beugen, wenden’ (okkasionell auch ‘fliehen’). Zum ungelösten semantischen Problem WP. 2, 144ff, Pok. 152f., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. fugiō, Mayrhofer s. bhujáti; daselbst auch weitere Formen m. reicher Lit. — Nach Krahe Die Spr. d. Illyrier 1, 106 (m. Lit.) hierher noch als illyrisch der ON Φεύγαρον ("Fluchtburg"?); nach Haas Sprache 6, 24 neuphryg. beosioi ’φεύγοι’ (Jotpräsens). II-1005-1007
φέψαλος (Ar., Arist.), φεψάλυξ, -υγος (Archil., Ar., Plb.) m. ‘Sprühfunke’. Davon φεψαλόομαι in ἐφεψαλώθη ‘er wurde von Sprühfunken bedeckt’ (A. Pr. 364). — Bildung wie πομφόλυξ bzw. αἴθαλος, sonst dunkel. Nach gewöhnlicher Annahme seit Curtius 700 und Persson Stud. 62, BB 19, 258 A. 2 mit Reduplikation zu ψόλος (s.d.). Da aber -αλο- suffixal ist, können die Wörter höchstens entfernt verwandt sein (vgl. ψάμμος, ψῆν). II-1007
φή (φῆ) ‘gleichwie’ (Β 144, Ξ 499 nach Zenodot). — Nicht sicher erklärt. Kann mit aw. bā ‘fürwahr’ formal identisch sein; dazu mit auslautender Kürze lit. ba ‘denn, ja’, slav., z.B. aksl. und russ. bo ‘denn, eben usw.’; idg. somit *bhā̆? Weiteres m. reicher Lit. bei Schwyzer-Debrunner 577; fürs Slavische und Baltische (wo auch andere Formen, z.B. čech. poln. ba ‘ja, freilich’, lit. bè ‘wohl’) noch Vasmer und Fraenkel s.vv. — Anders Fraenkel Gnomon 28, 238 mit semantischen Parallelen aus dem Slav. : suffixloser Ipv. von φημί ‘sagen’. II-1007-1008
φηγός, dor. (Theok.) φαγός f. ‘Eiche, Quercus Aegilops’ (seit Il.). Davon φήγ-ινος (Ε 838, Kall., Dsk.), mit Suffixkombination -ίνεος (AP, Orph.) ‘von der Eiche, eichen’ (lat. LW fāginus, -ineus), PN Φηγεύς (E 11 u.a.; Boßhardt 114). — Als Erbwort mit lat. fāgus f. ‘Buche’ und mit germ. (mit Übertritt in die Konsonant- bzw. ō-Flexion), z.B. ano. bōk, ahd. buohha f. ‘Buche, Buch’, got. boka f. ‘Buchstabe’ identisch: idg. *bhāgo-s. Dazu noch silva Bacenis (Cs.), mlat. Boconia, gall. Bagacon und andere ON. Das Fehlen der Buche im eig. Griechenland veranlaßte den Bed.wechsel von φηγός. — Der Name der Buche hat bekanntlich in der Diskussion über die Urheimat der Indogermanen eine wichtige Rolle gespielt. Entscheidend war dabei die Frage, ob auch einige ostidg. Baumnamen wie kurd. būz ‘Art Ulme’, russ. boz ‘Holunder, Sambucus’ und entsprechende slav. Wörter mit φηγός usw. zu verbinden sind. Gegen diese Annahme mit triftigen Argumenten Eilers und Mayrhofer Mitt. d. Anthropol. Gesellsch. in Wien 92 (1962; Festschrift Franz Hančar) 61ff. mit Referat der früheren Diskussion (wobei indessen die germ. Wörter anders als oben beurteilt werden); vgl. dazu Pisani Paideia 18, 400 f. — Für die alte Verbindung mit φαγεῖν ‘essen’ mit weiteren kühnen Hypothesen und Kombinationen Ramat A.L.O.N. 5, 49ff. Ältere Lit. bei WP. 2, 128ff., Pok. 107f., W.-Hofmann s. fāgus. II-1008
φήληξ, -ηκος m. ‘wilde Feige’ (S.Fr. 781[?], Ar.Pax1165); φηληκόθρεπτον· ὑπὸ ὀλύνθου (cod. ὄλονθον) τῆς συκῆς τεθραμ-μένον H. — Bildung wie ὅρπηξ, σκώληξ u.a., somit von φηλός (s. d.; weil diese Feige heranreifend den Schein der Reife erweckt?) bzw. als LW volksetymol. daran angeschlossen (vgl. Chantraine Form. 381, Nehring Glotta 14, 181). II-1008
φηλός (Akz. nach Hdn. Gr. 1, 155, 20) ‘betrügerisch, täuschend’ (EM, Sch.Ar.Pax 1165, H., Suid.); βροτό-φηλος· ἀνθρώπους φηλῶν, τουτέστιν ἀπατῶν H. Gewöhnlicher ist das Denom. φηλόω ‘tauschen’ (einzelne Belege bei A., E., A. R. u.a.) mit φήλ-ωμα n. (Antipho Soph.), -ωσις f. (EM) ‘Täuschung’. Dazu φηλήτης (Akz. nach EM 794, 1), für das indessen sehr früh und häufig φιλ- geschrieben wird (s. Fraenkel Nom. ag. 1, 122 f. m. A. 2) m. ‘Betrüger’ (Hes. Op. 375 [echt?], h. Merc., Trag. u.a.), mit -ητεύω ‘betrügen’ (h. Merc.), -ησίαις· κλεπτοσύναις H., -ατία f. (-ατίας Nom. m. = -ήτης? Delphi IIIa); für die Ursprünglichkeit der Schreibung φιλ- u.a. Bechtel Dial. 3, 336, Luther Wahrheit und Lüge 167 f. — Nicht sicher erklärt. Seit Fick KZ 22, 104 f. mit dem vieldebattierten und ebenfalls unklaren lat. fallō ‘täuschen’ ver- bunden, s. W.-Hofmann s.v. (auch WP. 1, 643 f., Pok. 489f.) m. Lit. und weiteren Kombinationen. Nach Bezzenberger BB 5, 318 u.a. hierher noch ἀποφώλιος (vgl. s.v. mit anderen Hypothesen). — Zu φαλός = μωρός, ἐμμανής mit φαλίπτει, φαλωθείς s. φαλός· λευκός. Alt. Lit. auch bei Bq. II-1008-1009
φημί (seit Il.), dor. φαμί, äol. φᾶμι, myk. 3. sg. pa-si?, auch φάσκω, Inf. φάναι (att.), φάμεν (Hom.), Ipf. ἔφην, ἔφᾱν, ep. auch ἐφάμην, Inf. φάσθαι, Fut. φήσω (seit Θ 148, 153), dor. φασῶ (Ar. Ach. 739 u.a.), φάσομαι (Pi.), Aor. φῆσαι (Hdt., att.), Perf. Med. πέφαται (A. R.), Ipv. πεφάσθω (Pl. Ti. 72d), ‘sagen, erklären, behaupten’, konfektiv (faktiv) gegenüber den infektiven λέγω, ἀγορεύω u.a. = ‘reden, sprechen’, wodurch das Ipf. ἔφην aoristische Funktion erhielt; dazu mit weiterer Abrückung vom akt. Präsens die medialen Formen ἐφάμην, ἔφατο usw. (vgl. Debrunner Glotta 25, 73ff., 276). oft m. Präfix, z.B. ἀντι-, ἀπο-, παρα-, προσ-, συν-, Ableitungen. A. Mit Hochstufe: 1. φήμη, dor. äol. φάμα f. ‘Ausspruch, Kundgebung, Gerücht, Ruf, Rede’ (seit Od.); sehr oft als Hinterglied, z.B. εὔ-φημος, -φαμος ‘eine gute Kunde bringend, kein böses Omen enthaltend = schweigend, glückverheißend’ (seit Il. [PN Β 846]) mit -έω, -ία, -ίζομαι, -ισμός; πολύ-φημος, -φαμος ‘viel redend, vielbesprochen, berühmt’ (Il. [PN A 264], Od. [PN], Pi., Parm. u.a.) mit -ία. Von φήμη noch Φήμιος m. N. eines Sängers (Od.), Bein. des Zeus (Erythrae IIIa), -ία Bein. der Athena (ebd.). Denominativum φημίζω, auch m. ἐπι-, δια-, κατα- u.a., ‘verkünden, durch Gerücht verbreiten’ (seit Hes.) mit ἐπιφήμ-ισμα n. ‘Zuruf von übler od. guter Vorbedeutung’ (Th., J.), -ισμός m. ‘Weihung’ (Str.). Aus H. : ἀφήμονες· ἄρρητοι, οὐκ ὀνομαζόμενοι; ἀφημοῦντας· ἀγροίκους; ἀφημίστους· ἀγροικίας (leg. -κους?); ἀφαμιῶται· οἰκέται ἀγροῖκοι, περίοικοι (kret. : ἀφαμία). 2. φῆμις, -ιος f. ‘Rede, Gerede’ (ep. poet. seit Κ 207), wohl Kreuzung von φήμη und φάτις (Risch 152 u.a.). 3. φήματα· ῥήματα, φάσματα H. 4. φημοσύνη f. ‘Orakelspruch?’ (Kreta II-Ia; Wyss -σύνη 64, Schwyzer 529). 5. -φήτης m. in ὑπο-φήτης ‘Deuter, Ausleger’ (Ρ 235, hell. Epik) mit -φῆτις f. (AP u.a.), -φᾶτις (Pi.), -φητεύω, -εία (sp.); προ-φήτης (ion. att.), dor. böot. -φάτας (Pi., B., Korinn.) ‘Verkündiger, Weissager,— Prophet’ mit -φῆτις f. (E., Pl., LXX u.a.), -φητεύω, -εία, auch -φητίζω (Hp.), -φητάζω (Man.), -φητικός (sp.); PN Εὐ-, Περι-φήτης (Il.). 6. -φήτωρ = -φήτης in ὑπο-, προ-φήτωρ (hell. u. sp. Dicht.; Fraenkel Nom. ag. 1, 133), συμφήτωρ· μάντις, μαρτυς H. — B. Mit Tiefstufe : 1. φάτις f. ‘Ausspruch, Gerücht, Kunde’ (ep. poet. seit Od., auch Hdt.; zum Lautlichen Schwyzer 106 u. 271) mit φατίζω (κατα-) ‘aussagen, zusagen, verloben’ (ep. poet. seit Parm., Hdt. u.a.). 2. φάσις ‘ds.’, öfter zu den präfigierten Verba ἀντί-, ἀπό-, ἔκ-, κατά- ~ (Hdt., Pl., Arist. usw.) mit (ἀντι-, ἀπο-)φατικός (Arist. u.a.); φάτης· ψεύστης H. 3. φατός, als Simplex nur im Gegensatz zu ἄφατος ‘unerwähnt, unbekannt’ (Hes. Op. 3) und mit Negation = ἄφατος ‘unaussprechlich, unsäglich’ (Hes. Sc. 230, Parm., Pi. u.a.); sehr oft als Hinterglied (eig. Univerbierungen), z.B. παλαί-φατος ‘längst gesprochen, uralt’ (ep. poet. seit Od.). 4. φατειός, nur mit οὐ, ‘nicht aussprechbar’ (Hes., Versende); wohl metrisch (bzw. στίχος μείουρος) für -τέος, wenn nicht = aind. -tavyà-; s. Schwyzer 811 m. Lit., Fraenkel Glotta 32, 31. — Über Bed. und Funktion von φημί nebst Ableitungen ausführlich Fournier Les verbes "dire" 8 ff.; zu den Verbalformen noch Schwyzer 674f. — Zu φωνή s. bes. — Zu φημί, φησί stimmen genau arm. bam, bay ‘sage, sagt’ als Einführung einer direkten Rede (Schwyzer KZ 57, 242ff. anläßlich lesb. φαι ‘du sagst’); dazu die Gleichung φάτις = arm. bay ‘Wort, Rede’. Ebenso korrespondieren φήμη und lat. fāma ‘Gerede, Gerücht, Ruf’; dem aktiven φησί steht das mediale fā-tur (vgl. φά-το) gegenüber. Ein Gegenstück zum negierten Verbaladj. ἄφατος ist wahrscheinlich im Ausdruck infitiās ire ‘leugnen’ (von *infitus) enthalten; auf eine nominale t-Ableitung ist auch fateor ‘zugestehen, einräumen’, Ptz.fassus aus *fat-tos zurückzuführen. Weitere nominale Ableitungen sind lat. fās, fātum, fābula, fācundus; aus dem Armen. noch ban, Gen. ban-i, Instr. ban-iw ‘Wort, Rede, Sache’ mit ni-Suffix (idg. *bha-ni-) wie germ., awno. bø̄n, ags. bēn ‘Bitte, Gebet’ (idg. *bhā-ni-; auch *bhō-ni- möglich, vgl. φωνή). Von Verben sind noch zu nennen ein slavisches Jotpräsens, z.B. russ. báju, bájatь ‘reden, sprechen’ (= ags. bōian ‘prahlen’?, auch lat. fātur < *fā-i̯e-tor?) und das nicht sicher einzugliedernde aind. bhánati ‘sprechen, tönen’ (wozu germ., z.B. ahd. bannan, nhd. ban-nen?), s. Mayrhofer s.v. — Mit idg. bhā- ‘sprechen’ ist bhā- in aind. bhā́-ti ‘leuchten, scheinen’ (wozu φαίνω, s.d.) lautlich identisch; auch begrifflich lassen sich die Verba vereinigen (’sagen’ < ‘erklären, klar machen’, dēclārō usw.); s. WP. 2, 122ff., Pok. 104ff., W.-Hofmann s.vv. mit weiteren Formen und sehr reicher Lit. II-1009-1010
φήνη f. N. eines großen Raubvogels, viell. ‘Lämmergeier’ (Od., Ar., Arist., Opp. u.a.; ausführlich Thompson Birds s.v.). Davon Φηνεύς m. (Apollod.), Φηνώ f. (Paus.); s. Boßhardt 131. — Ohne überzeugende Etymologie. Von Osthoff Etym. parerga 1, 246 mit aind. bhāsaḥ m. N. eines Raubvogels verglichen (Grundform *bhēs-nā od. *bhās-nā). Andere, ganz willkürliche Hypothesen bei Holthausen KZ 73, 97: entw. zu φωνή oder zu awno. bani m. ‘Totschläger, Mörder’. Risch 91 vermutet darin eine ursprüngliche Farbbezeichnung ("hell?") wie περκνός, κελαινός u. a.; vgl. noch die Vogelnamen μόρφνος und κύκνος. II-1011
φήρ, -ρός m. ‘wildes Tier, Raubtier’, auch von den Kentauren (Α 268, Β 743) und den Satyrn (Telest., Gal.). Davon Φηρεύς m. Satyrname (Nonn.; Boßhardt 104), auch φήρεα (-εῖα?) n. pl. ‘geschwollene Mandeln’, wegen der Ähnlichkeit mit den sprossenden Satyrhörnern (Hp.); Adv. φηρεατικῶς (Gal.). — Äol. für θήρ (s.d.). II-1011
φῆρον = βρῶμα θεῶν (Hdn. Gr. 1, 385); φῆρος· ἡ τῶν ἀρχαίων θεῶν τροφή H. — Hypothese von Kuhn KZ 71, 145: aus *bharsom zu lat. far ‘Dinkel, Spelt’. II-1011
φθάνω auch m. Präfix, z.B. προ-, ὑπο-, παρα-, (Hom. ᾱ, att. ᾰ), Aor. ἔφθην (seit Il.), Inf. φθῆναι (ion. att.), Ptz. φθάς (Hom., Hdt.), Med. φθάμενος (ep.), φθάσαι (ion. att.), dor. ἔφθασσα (Theok.), Fut. φθήσομαι (seit Il.), φθάσω (X.), Perf. ἔφθακα (Philipp. ap. D., hell. u. sp.), πέφθακα (sp.), Pass. φθάνομαι (Arist. u.a.), φθασθῆναι (D. H. usw.), ‘zuvorkommen, voraus sein’, absol. und m. Akk., oft m. Ptz. Davon προφθασία f. (-ια n. ?) "das Zuvorkommen", N. eines Festes der Klazomenier (D. S. 15, 18), παραφθα-δόν Adv. ‘zuvorkommend’ (Opp.), Ptz. καταφθα-τουμένη = κατάφθατον ποιουμένη ‘zuvor in Besitz nehrnend’ (γῆν A. Eu. 398), φθατήσῃ· φθάσῃ H. (vgl. Schwyzer 705). — Der Aorist ἔφθην wie ἔστην, ἔβην, ἔπτην, ἔφην u. a.; daneben mit Tiefstufe φθάμενος wie πτάμενος, φάμενος. Aus 3. pl. ἔφθα-σαν für ἔφθαν (φθάν Λ 51) erwuchs der σ-Aorist ἔφθασα; an diese Aoriste schlossen sich die Futura φθήσομαι und φθάσω ebenso wie die später hinzutretenden Perfekta ἔφθακα, πέφθακα. Das Präsens φθάνω aus *φθά-νϝ-ω ist seit Beginn der Überlieferung belegt. Weitere Einzelheiten bei Schwyzer 742, 808, 666, 698. Zu den bei H. erscheinenden Formen ψατᾶσθαι· προκαταλαμβάνειν, ψατῆσαι· προειπεῖν, ψαέναι· φθάσαι mit ψ-statt φθ- wie gelegentlich auch in anderen Fällen s. Schwyzer 326 m. Lit. — Ohne Zweifel altes Erbwort, aber ohne befriedigende Etymologie. Von Kuiper Glotta 21, 289 ff. und ZII 8, 249 f. mit aind. kṣáyati ‘herrschen’ (s. κτάομαι) und mit ἴφθιμος verglichen; W. Petersen Mél. Pedersen 472 denkt an heth. zāi- ‘überschreiten’. Ältere Lit. (mit Anknüpfung an lat. spatium) bei Bq. II-1011-1012
φθέγγομαι, Aor. φθέγξασθαι, Fut. φθέγξομαι (seit Il.), Perf. ἔφθεγμαι, 2. sg. ἔφθεγξαι usw. (Pl., Arist. u.a.), ‘einen Laut von sich geben, tönen, die Stimme erheben, rufen, reden’. sehr oft m. Präfix, z.B. προσ-, ἀπο-, ἐπι-, ὑπο-, Davon 1. φθέγμα (πρόσ-, ἀπό- usw.) n. ‘Laut, Stimme, Schrei, Ausspruch’ (Pi., att.) mit -ματικός (ἀπο-, ἐπι-) ‘tönend usw.’ (hell. u. sp.). 2. φθέγξις (ἀνά-, ἐπί-, πρό-) f. ‘Äußerung, Rede’ (Hp., sp.). 3. φθεγκ-τός ‘aussprechbar’ (Plu.), öfter und früher in Kompp.. z.B. ἄ-φθεγκ-τος ‘unaussprechbar, nicht ausgesprochen, lautlos’ (B., A. usw.); -τικός ‘tönend’ (Max. Tyr.); προσ- ~ -τήριος ‘anredend, begrüßend’ (Poll.). 4. φθόγγος m. (seit Il.), auch φθογγή f. (ep. poet. seit Il.) ‘Schall, Laut, Stimme’; sehr oft als Hinterglied, z.B. λιγύ-φθογγος ‘mit helltönernder Stimme’ (ep. poet. seit Il.), σύμ-, ἀντί-φθογγος (: συμ-, ἀντι-φθέγγομαι) ‘einstimmig’ bzw. ‘widerhallend’ (A. bzw. Pi.); davon φθογγ-άριον n. ‘Pfeife’, -άζομαι = φθέγγομαι (Pi. u.a.). — Ausführlich über φθέγγομαι u. Verw. Fournier Les verbes "dire" 228ff., s. auch Diehl RhM 89, 81ff. über synonyme Wörter. — Regelmäßig ausgebautes System mit Nasalierung wie in κλαγγή, κλάγξαι u. a. (vgl. Schwyzer 692). — Nicht sicher erklärt. Nach Merlingen Μνήμης χάριν 2, 58 (mit Durante) zu aksl. zvęgǫ ’ᾄδειν’, russ. zvjagú, zvjágatь ‘bellen, kläffen’, lit. žvéngiu, žvéngti ‘wiehern’ usw. (WP. 1, 642, Pok. 490f.), semantisch ansprechend, aber lautlich unsicher. Abzulehnen W. Petersen Mél. Pedersen 472 f. : zu heth. zankila- ‘bestrafen, jmdm. eine Buße auferlegen’. Älterer Versuch von Fick 13, 831 (auch Curtius 704 u. Prellwitz) : zu lit. speñgti von den Ohren ‘noch klingen, gellen’, ‘gellenden Lärm machen, summen, schwirren’ , ebenfalls mehr semantisch als lautlich überzeugend (vgl. Kretschmer KZ 31, 439; zu den lit. Wörtern noch Fraenkel s. spiñgti). II-1012
φθείρ, -ρός m. (f.) ‘Laus’ (ion. att.), auch als Bez. eines am Delphin schmarotzenden Fisches, ‘Naucrates ductor’ (Arist. u.a.; Thompson Fishes s.v., Strömberg Fischn. 124); übertr. vom Samen der Fichte (Phot.), vom mittleren Teil des Steuerruders (Poll.). Als Vorderglied u. a. in φθειρο-κτόνον n. Pfl.name (Ps.-Dsk.; Strömberg Pfi. 96). Davon φθειρ-ίον n. Pfl.name (Ps.-Dsk.), -ώδης ‘lausig’ (Arist.), -άριος ‘ds.’ (Gloss.) und die Verba 1. -ιάω ‘an Läusen od. der Läusekrankheit leiden’ mit -ίασις f. ‘Läusekrankheit’ (Kom. Adesp., Str., Mediz. u.a.); 2. -ίζομαι, -ίζω ‘sich lausen’ (Arist., Thphr., LXX u.a.) mit -ιστικός ‘lausend, Läuse suchend’ (Pl.; Chantraine Études 134), -ισμός m. ‘das Lausen’ (Gloss.). — Schon von Galenos zu φθείρω, φθεῖραι gestellt (vgl. κόρις zu κείρω u.a.), u. zw. als Rückbildung mit Beibehaltung des ει- Lautes. Nicht mit Specht Ursprung 44 A. 2 u.a. aus *φθερ-ς mit analogischem φθειρός usw. für *φθερ-ός. Zweifel an der herkömmlichen Etymologie bei Schwyzer 326 und bei Chantraine Form. 3, welch letzterer volksetymologische Angleichung erwägt. Merlingen Μνήμης χάριν 2, 58 möchte darin eine Nebenform von θήρ, φήρ ‘wildes Tier’ sehen (?). Weiteres bei Gil Fernandez Nombres de insectos 118 f.; zu φθειρίασις noch Müller-Graupa Glotta 19, 60ff. m. Lit. II-1012-1013
φθείρω, -ομαι (seit Il.), äol. φθέρρω (Hdn. Gr.), ark. φθήρω (Tegea IVa), dor. φθαίρω (Eust., EM), Aor. φθεῖραι (ion. att.), φθέρσαι (Lyk.), Fut. φθερῶ, -οῦμαι (A. usw.), ion. -έω, -έομαι Hdt.), ep. 3. sg. δια-φθέρσει (Ν325; Schwyzer 782, Chantraine Gramm. hom. 1, 173 u. 449), Perf. Pass. ἔφθαρμαι (ion. att.) mit Akt. ἔφθαρκα (att.); intr. (Pass.) φθαρ-ῆναι (Pi., ion. att.) mit Fut. -ήσομαι (ion. att.; wonach ion. auch -έω), Perf. δι-έφθορα (O 128, Hp., sp. Prosa), auch trans. (Trag. u. Kom.), ‘zugrunde richten, vernichten, verderben, zerstören’, intr. (Pass.) ‘zugrunde gehen, untergehen, Schiffbruch leiden, aus dem Kurse fallen, zerstört, verwüstet werden’. sehr oft oder sogar vorwiegend m. δια- (wozu συν-, προ-, κατα-, ἐπι-διαφθείρω usw.), auch m. ἀπο-, συν-, κατα- u.a., Davon: 1. Als Vorderglied φθερσί-βροτος (Epigr. ap. Paus. 3, 8, 9) = φθεισί-μβροτος. 2. Mit ο-Abtönung φθορά, ion. -ή (δια-, κατα- u.a.) f. ‘Verderben, Vernichtung, Untergang, Seuche, Verführung, Abtreibung, Fehlgeburt’ (ion. att.), auch φθόρος m. ‘Verderben, Vernichtung’ (Thgn., att.), meist in stehenden Ausdrücken (vgl. Chantraine Form. 21). Von φθορά (φθόρος): 3. Substantiva: (δια-) φθορεύς m. ‘Verderber, Verführer’ (E., Pl. u. a.; Boßhardt 39); φθορ-ία f. ‘Verderben, Schade’ (Hp. Iusi.), wie ὀλεθρ-ία u.a. (Scheller Oxytonierung 39), öfter von Kompp., z.B. οἰκοφθορ-ία (Pl., Plu.: οἰκο-φθόρ-ος, -έω); -εῖον (-ειον) n. ‘Abtreibungsmittel’ (hell. u. sp. Inschr.). 4. Adj. φθόρ-ιος ‘abtreibend’ (Mediz.), ‘die Verführung betreffend’ (Pap. Vp), δια- ~ ‘verfallen’ (Gal.); -ιμος ‘verderblich, vergänglich’ (Man., Herm. ap. Stob.; Arbenz 93); -ικός ‘verderblich’ (sp.), χρηματο- ~ ‘geldverschwendend’ (Pl.; Chantraine Études 134 u. 137); -ώδης ‘verdorben, schädlich’ (Hdn., Lyd.). — Mit Tiefstufe: 5. φθάρμα n. ‘Verderbnis, Auswurf’ (LXX, J.), ἀπό- ~ ‘Fehlgeburt’ (Hp.). 6. σύμφθαρσις f. ‘gleichzeitige Zerstörung’ (sp.). 7. φθαρτός ‘zerstörbar, vergänglich’ (Arist. u. a.), öfter ἄ-φθαρ-τος ‘unvergänglich’ (Arist., hell. u. sp.) mit ἀφθαρ-σία f. ‘Unvergänglichkeit’ (Epikur., LXX, NT u.a.), wozu φθαρσία (Thales ap. Fulg.). 8. φθαρτικός ‘verderblich, schädlich’ (Arist., Mediz. u.a.). — Das griech. Formensystem, das ein wohl zusammengehaltenes Ganzes bildet, hat sich von einem nicht näher bestimmbaren idg. Ausgangspunkt selbständig entfaltet. Dem Jotpräsens φθείρω entspricht im Indoiranischen ein intransitives thematisches Wurzelpräsens, aind. kṣárati, aw. ɣžaraiti, u.zw. in der anschaulicheren und ursprünglicheren Bed. ‘fließen, strömen’, aind. auch ‘zerfließen, zerrinnen, verschwinden’ (zum Lautlichen vgl. φθίνω). Ein alter s-Aorist (: ἔφθειρα < ἐφθερ-σ-) ist in 3. sg. ákṣār (RV; < *a-kṣār-ṣ-t) erhalten; im übrigen sind die Sprachen verschiedene Wege gegangen (Kaus. kṣārayati = aw. ɣžrayeiti ‘fließen lassen’, Ptz. kṣarita usw.). Die morphologische Identität von φθόρος und aind. kṣaram n. ‘Wasser’ (Lex.) ist selbstverständlich unursprünglich, ebenso die Gleichung ἄ-φθορος ‘unverdorben, rein’ (sp.) und akṣára- ‘nicht zerrinnend, fest, unvergänglich’ (RV). Ob φθορά und συμφθείρεσθαι in der späten und zufälligen Beziehung auf die Mischung der Farben (Plu.) etwas von der ursprünglichen Bed. ‘(zer)fließen’ bewahrt hätten (WP. 1, 700 und Pok. 487 f. mit Kretschmer KZ 31, 431 u.a.; vgl. noch Porzig Satzinhalte 259 u. 316), scheint fraglich. — Was aus anderen Sprachen herangezogen worden ist, arm. ǰur, Gen. ǰroy ‘Wasser’ und alb. dbierr ‘zerstören’ (<idg. dh-bh-?? Mann Lang. 28, 33), ist ebenfalls höchst unsicher oder unhaltbar. — Aus φθορά russ. (nordgroßruss.) vtorá, ftorá ‘Unglück’, wohl Tabuwort der Kirchen- oder Kaufmannspr.; s. außer Vasmer s.v. noch Havers Sprachtabu 132. II-1013-1014
φθίνω intr. (seit Il.), ganz ausnahmsweise trans.-kaus. (s. LSJ; auch Renehan Glotta 46, 73 [nicht einwandfrei]), φθινύθω intr. u. trans. (ep. poet. seit Il.), weitere intr. Formen: athem. Aor. ἐφθί-μην, -το, -ατο, φθί-σθαι, φθί-μενος usw. (ep. poet. seit Il.), 3. pl. ἔφθιθεν (Od., für -ίατο), akt. themat.Konj. φθίῃς (β 368; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 458), Fut. φθείσομαι (-ī-, s.u.; Hom.), Aor. φθίσασθαι (-ει-; Q. S.), Perf. ἔφθιται (υ 340), -ινται (A. Pers. 679 [lyr.]); vom Präsens neugebildet: φθιν-ῆσαι (Hp. Epid.), -ήσω, ἐφθίνηκα (sp.); trans.-kaus.: ep. Aor. φθεῖσαι (-ῑ-), att. φθίσαι, them. 3. sg. ἔφθιεν (Σ 446; Chantraine 1, 393), ep. Fut. φθείσω (-ῑ-), att. φθίσω (-ῐ), Perf. ἔφθικα (Them.), ‘hinschwinden, vergehen, umkommen’ bzw. ‘verschwinden machen, verzehren, vernichten’. auch m. Präfix, bes. ἀπο-, κατα-. — Verbale Rektionskompp. : 1. φθινό-καρπος ‘dessen Früchte verschwunden sind, ohne Früchte’ (Pi.), φθιν-όπωρον, s. ὀπώρα (dazu Schwyzer 442); φθεισίμβροτος (φθῑσί-, s.u.) ‘Menschen vernichtend’, φθεισ-ήνωρ ‘männerverderbend’ (ep.) u.a. Ableitungen: 1. Vom Präsens: φθινάς, -άδος ‘schwindend, vergehend, abzehrend’, als Subst. f. ‘Schwindsucht’ (Hp., S., E. u.a.); φθίνυλλα f. höhnende Anrede an eine Alte (A. Eq. 935; nach den EN, vgl. Leumann Glotta 32,219 A. 3 = Kl. Schr. 245 A. 6); vgl. φθῖσα· ἡ λεπτὴ ἀπὸ φθίσεως H.; φθινάσματα (ἡλίου) pl. n. ‘das Untergehen (der Sonne)’, poet. Bildung (A. Pers. 232, troch.). 2. Vom Verbalstamm: φθίσις f. ‘das Schwinden, Abnehmen, Auszehrung, Schwindsucht’ (Pi., ion. att.; vgl. zu φθόη unten) mit -ικός ‘schwindsüchtig’ (Arist., Epid. IVa, hell. n. sp.), -ικεύομαι (Androm. ap. Gal.), -ιάω (Hp., Arist.) ‘schwindsüchtig sein’; φθιτοί pl., selten -ός sg., ‘die Dahingeschiedenen’ (Trag., sp. Prosa), ἄ-φθι-τος ‘unvergänglich’ (ep. poet. seit Il.; vgl. unten). 3. Mit alter o-Abtönung: φθό-η f. ‘Schwindsucht’ (att., auch Hp.; ion. hell. dafür φθίσις, s. Solmsen Wortforsch. 188f.) mit -ώδης ‘abzehrend’ (Paus.). Zu φθόϊς, -ΐς s. bes. — Hierher noch Φθίη f. (Il. usw.) als Land der Φθίες (St. Byz.), d.h. ‘der Toten’ (= φθίμενοι), eine nur mythische Örtlichkeit (Kretschmer Glotta 4, 307 f.)? Anders Cuny MSL16,323ff. (zu Θεσσαλοί; von Kretschmer Glotta 5, 310 mit Recht abgelehnt). — Altererbte Wortsippe, die auch im Altindischen mehrere Vertreter aufweisen kann. Dabei lassen sich mehrere Gleichungen aufstellen: φθίσις = aind. kṣíti- f. ‘Hinschwinden, Zerstörung’ (vgl. Porzig Satzinhalte 326f.), wohl auch lat. sitis f. ‘Durst’, eig. *’Hinschwinden, Verschmachten’ (W.-Hofmann s.v.; s. auch zu 2. situs); κλέος ἄφθιτον (Hom.) = śrávaḥ ... ákṣitam (RV neben ákṣiti śrávaḥ); auch φθιτός = kṣitá- ‘verfallen, erschöpft’ (ved.). Auch φθόη (< *φθοι-ᾱ): kṣaya- m. ‘Verlust, Zerstörung’, auch ‘Auszehrung, Schwindsucht’ (ep. klass.). Verbformen: φθι-νύ-θω (vgl. μινύθω und Chantraine Gramm. hom. 1, 327, Schwyzer 697 f.), *φθί-νϝ-ω (> φθίνω mit ion. ῑ, att. ῐ) : kṣi-ṇó-ti, 1. pl. kṣi-nu-máḥ ‘vernichten, zerstören’, altes nu-Präsens; athem. Aor. φθί-το, φθί-μενος usw.: Ipv. kṣi-dhi; sigmatischer Aor. φθεῖσαι : 2. u. 3. sg. Med. kṣeṣṭhāḥ, kṣeṣṭa. Aus den aind. Formen mit e aus idg. ei folgt auch für die entsprechenden griech. Formen ein urspr. ει- Diphthong, der indessen sehr früh sowohl in Schrift wie in Aussprache von ῑ, zunächst nach φθίνω (mit ῑ) ersetzt wurde; vgl. noch δῦσαι : δύνω : δῦναι, στῆσαι : στῆναι u.a., ebenfalls mit kausativer Bed. der sigmatischen Formen (Schwyzer 755 f.). Im Att. trat Kürzung ein in φθίσαι, φθίσω nach dem kurzvokaligen φθίνω mit Anschluß an σχίσαι und Denominativa auf -ίσαι (zu -ίζω); s. Wackernagel Unt. 75 ff. Zur Semasiologie: wie φθίνω im Griech. wurde auch aind. kṣi- (kṣīyáte, kṣīṇá-) vom Schwinden des Mondes gebraucht (Leumann Hom. Wörter 212 A. 4). — Was aus anderen Sprachen angeführt worden ist, muß als hypothetisch betrachtet werden : aw. xšayō Inf. ‘zum zu verderben’, aɣžō.nvamnəm ‘sich nicht mindernd’, toch. B ktsaitsäññe ‘Alter’, heth. zinna-, z.B. 1.sg. zinnaḫḫi ‘beendigen, erledigen, vernichten’ (Petersen Mél. Pedersen 471, s. noch Mayrhofer s. kṣiṇā́ti und Schwyzer 697 A. 2 m. Lit.). Zum Anlaut φθ- : aind. kṣ- außer Schwyzer 326 noch Merlingen Μνήμης χάριν 2, 49 ff., auch Sprache 8, 73ff. (gegen Burrow JournAmOrSoc. 79, 85ff.; s. noch dens. ebd. 255 ff. mit unhaltbaren Kombinationen). Vgl. ψίνομαι. II-1014-1016
φθόϊς, -ιος, auch φθοΐς, -ίδος f. ‘Art Kuchen’ (Erythrae IVa, KosIV-IIIa, Ar. u.a.), ‘Pastille für Räucherung’ (Hp.), ‘Metallbarren’ (att. Inschr.), ‘Art Becher’ ? (Eup. 373 nach Ath. 11, 502b; sehr unsicher, vgl. Kock z.St.). Demin. φθοΐσκος (Hp.). — Die untereinander stark abweichenden Bedd. bieten ein noch ungelöstes Problem. Die von H. s.v. außer ’πλακοῦς’ angeführten Erklärungen ’τὰ πρὸς λεπτὸν ἀληλεσμένα καὶ τὸ ἀπορρέον ψῆγμα τοῦ χρυσίου’ scheinen mit der formal sehr naheliegenden Anknüpfung an φθόη wohl vereinbar zu sein. Auch der ‘Kuchen’ könnte wohl nach seiner Konsistenz benannt sein. II-1016
φθόνος m. ‘Neid, Mißgunst’ (Pi., ion. att.). — Etymologisch und morphologisch mehrdeutig. Zwei Zerlegungen sind möglich: φθόν-ος zu einem Verb *φθεν- (wozu φθονέω kausativ od. iterativ?) wie κτόν-ος, πόν-ος, oder φθ-όνος mit ν-Suffix zu einem schwundstufigen φθ- wie κλ-όνος, θρ-όνος. Für die erste Alternative schon Benfey mit Anknüpfung an aw. aɣžō.nvamnəm (gelesen aɣžanv-) ‘sich nicht mindernd’; φθόνος somit eig. ‘(neidische) Verkleinerung, Herabsetzung’ (WP. 1, 699). Für die zweite Möglichkeit Kuiper Nasalpräs. 65 unter Hinweis auf lit. gendù, gèsti ‘zugrunde gehen, Schaden nehmen’ aus *ged-ti, idg. gʷedh- (weiteres s. WP. 1, 672f. mit viel Zweifelhaftem oder Unhaltbarem, Pok. 466; anders, unwahrscheinlich, über gèsti Fraenkel s.v.); semantisch wenig befriedigend. — Gegen Anschluß an θέσσασθαι, πόθος (Osthoff MU 4, 374) Bq mit Kretschmer KZ 31, 431 f. Als Hinterglied z. B. in ἄ-φθονος ‘neidlos, unbeneidet’, gew. ‘freigebig, reichlich’ (seit h. Ap., Hes.; verfehlt Richardson Hermathena 54, 124ff., s. Risch Glotta 35, 58) mit ἀφθον-ία f. ‘Überfluß’ (Pi., ion. att.). Davon φθον-ερός ‘neidisch, mißgönnend’ (Thgn., Pi., ion. att.) mit -ερία f. ‘Neid’ (Arist. u.a.). Verb φθον-έω, auch m. ἐπι-, ὑπο- u.a., ‘beneiden, mißgönnen, verweigern’ (seit Il.; denominativ od. kausativiterativ, s.u.) mit -ησις f. ‘das Beneiden, Mißgunst’ (S. Tr. 1212), -ητικός ‘neidisch’ (sp.). II-1016
φιάλη, auch φιέλη (nach Moer. hell.); myk. pi-a2-ra, pi-je-ra3. f. ‘flaches Gefäß, Schüssel, flache Schale zum Trinken, zum Opfern usw.’ (nachhom.), auch zum Kochen und zur Aufbewahrung der Asche verwendet (Ψ); zur Bed. Curtius 508 und Brommer Herm. 77, 361 u. 368f. Als Vorderglied u.a. in φιαλη-φόρος f. ‘Trägerin einer φ.’, Titel einer lokrischen Priesterin (Plb.). Davon mehrere Deminutiva: φιάλ-ιον n. (Eub., Arist., hell.), -ίδιον n. (Hero), -ίσκα f. (Gortyn V-IVa), -ίσκος(?) m. (Maked.), -ίς f. (Luk.). Außerdem: φιαλ-ῖται ἀριθμοί pl. N. eines Spiels (Prokl. u.a.; Redard 113), -ώδης ‘schüsselähnlich’ (Ath., Sch.), -ωτός ‘ds.’ (Delos IIIa, Gp.), -όω (βόθρον) ‘(den Boden) flach aushöhlen’ (Gp.). — Technisches LW unbekannter Herkunft, formal an die Geratenamen auf -αλη, -αλο- (σκυτάλη, γύαλον, -η) angeschlossen. Abzulehnende idg. Etymologien: aus *πι-σαλᾱ von πι- = ἐπι- und ἑλεῖν ‘greifen’ (Sommer Lautst. 71); aus *πι-ϝhαλᾱ < *pi-su̯alā zu εἵλη ‘Sonnenwärme, -hitze’ (s.d.) usw., idg. su̯el- ‘schwelen, brennen’, eig. ‘caldaia’ (Mastrelli Stud. itfilcl. 32, 97 ff. m. Referat früherer Deutungen). Zwei verschiedene pelasgische Erklärungen von Georgiev bzw. v. Windekens, s. Le Pélasgique 140f. — Vgl. noch ὑπερφίαλος. II-1017
φιαρός ‘leuchtend, glänzend, fettglänzend, hell’ (alexandr. Dicht.), φιαρύνει· λαμπρύνει H. — Expressives Adj. ohne Etymologie, an πιαρός und φαιδρός erinnernd (vgl. Prellwitz s.v. und Chantraine Form. 227); Kreuzung? Unbefriedigende Analyse bei Specht Ursprung 199. II-1017
φιβάλεως pl. -εῳ, Akk. -εως f., N. einer zum Trocknen geeigneten Feige, auch übertr. von mageren Menschen (Kom.), nach Sch. Ar. Ach. 802 Ort in Megaris oder Attika. — Bildung wie κορών-εως f. ‘Baum mit rabenschwarzen Feigen’ , μελίν-εως· εἶδος ἀμπέλου H., κανθάρ-εως m. Ben. eines Weinstocks. Als Grundwort des ON gibt Sch. a. O. φίβαλις = γένος συκῆς mit dem Plur. φιβάλεις = οἱ ἰσχνοὶ τῶν ἀνθρώπων; bei EM 793, 26 (nach Apolloph.) φιβάλεα = τὰ σῦκα, -λέαι = ἰσχάδες. — Unerklärt. II-1017
φιδίτια selten sg. n. (oft φιλ-, auch φειδ- geschr.) pl., Ben. des gemeinsamen Mahles der Spartaner und des Ortes, wo dieses Mahl eingenommen wurde (X., Arist., Plu. u.a.); φιδίτης, dor. -τας (φειδ-) m. ‘Teilnehmer desselben’ (Sphaer. Stoik., Ath.; Redard 30). — Von Plu. Lyk. 12 aus φιλία mit δ für λ erklärt, offenbare Volksetymologie. Zur Wahl wird u.a. φειδώ gestellt, was wenigstens formal möglich wäre. II-1017
φιλήτης ‘Betrüger, Dieb’ — sehr gewöhnliche (und richtige?) Schreibung für φηλήτης; s. φηλός. Die ι-Form steht etymologisch isoliert. II-1017
φίλος Steigerungsformen: a. φιλ-ίων (τ 351 = ω 268), -ιστος (S. Aj. 842 [interpoliert?], gesichert als PN) wie κακ-ίων, -ιστος u.a.; b. φίλ-τερος (ep. poet., sp. Prosa), -τατος (auch att. Prosa; dor. φίντ-) nach βέλτερος, φέρ-τερος, -τατος u.a. (abzulehnen Szemerényi Syncope 249 f.: aus *φιλότερος synkopiert); c. φιλαί-τερος, -τατος (X., Kall., Theok. u.a.) nach παλαί-τερος, -τατος u.a.; d. φιλώτερος (X., Kall.); e. μᾶλλον φίλος (A., S., Thphr.), μάλιστα φ. (X.). Subst. und Adj. ‘Freund, freundlich, lieb’ (seit Il.), ‘zugehörig, eigen’, auch reflexivpossessiv ‘suus (tuus, meus)’, von Verwandten, Körperteilen, Kleidung u. dgl., pl. ‘die Angehörigen, die Seinigen’ (ep. poet. seit Il.). In der Komposition unbeschränkt produktiv. Als Vorderglied z. B. φιλό-φρων ‘mit freundlichem Sinne, freundlich gesinnt’ (Pi., ion. att.), φιλο-μμειδής ‘mit freundlichem Lä-cheln’ (ep. seit Γ 324; vgl. zu μειδιάω); schon vom Beginn der Überlieferung verbal umgedeutet, z. B. φιλό-ξεινος (-ξενος) ‘dem der Gast lieb ist’ > ‘den Gast liebend, gastfreundlich’ (seit Od.); in Univerbierungen, z.B. φιλο-θύ-της m. (: φιλεῖ θύειν) ‘das Opfern liebend, Freund des Opfers’ (Ar. u.a.). Als Hinterglied, z.B. πολύ-φιλος ‘mit vielen Freunden’ (Pi., Lys., Arist.), oft verbal empfunden mit Übergang in die σ-Stämme, z.B. θεο-φιλής ‘den Göttern lieb, gottgeliebt’ (ion. att.); ebenso προσ-φιλής ‘befreundet, beliebt, liebevoll’ (ion. att.; προσφιλέω nur Eust.). Ableitungen. Subst. : 1. φιλότης, -ητος f. ‘Freundschaft, Gastfreundschaft, Liebe’ (ep. poet. seit Il.) mit -οτή-σιος, dor. -οτάσιος ‘zur φιλότης gehörig’ (ep. poet. seit λ 246); auch -οττάριον Anrede an ein Mädchen (Ar. Ek. 891) mit hypokor. Gemination nach νηττάριον? (Thierfelder briefl.). 2. φιλ-ία, ion. -ίη f. ‘Freundschaft, Zuneigung, Liebe’ (Thgn., Emp., ion. att.; von φίλιος unabhängig). Adj.: 3. φίλ-ιος ‘freundlich’ (Pi., ion. att.) mit -(ι)ωτικός (Theol. Ar.). 4. -ικός ‘ds.’ (Pl., X., Arist. usw.; Chantraine Études 146f.). 5. -ιακός ‘ds.’ (Plot.), -ιακόν n. N. eines Vereins (Inschr. Korykos), zunächst von φιλία. — Verba: 6. φιλ-έω (seit Il.), äol. -ημμι (Sapph.), -ήμεναι (X 265), Aor. -ῆσαι (seit Il.; zu falschem -ᾶσαι bei Theok. Strunk Glotta42, 165ff.), Pass. -ήθην (Β668 [3. pl. -ηθεν], att.), Med. Ipv. φῖλαι, (ἐ)φίλατο, φίλωνται u.a. (ep. seit Il.; vgl. unten), Fut. -ήσω, -ήσομαι (seit Od.), Perf. πεφίλ-ημαι, -ηκα (Pi. usw.), bisweilen m. Präfix, bes. κατα-, ’φίλος, Freund sein, mit Freundschaft, Zuneigung, Liebe behandeln, lieben, bewirten, pflegen’, nachhom. auch ‘küssen’ (bes. m. κατα-), m. Inf. ‘zu tun lieben, zu tun pfiegen’. 7. Von φιλία (φίλιος) : φιλ-ιάζω ‘sich befreunden’ (LXX, hell. Pap. u.a.) mit -ιαστής H. s. συναλλακτής; -ιόομαι, -ιόω ‘Freundschaft schließen’ (sp.) mit -ίωσις (Sch.), -ιωτής = διαλλακτής (Suid.); -ιαίνομαι ‘ds.’ (sp.). — 7. Nomina von φιλέω : φιλ-ήτωρ f. ‘Geliebte’ (A.Ag.14A6; Fraenkel Nom. ag. 2, 22 u. 49f.), ‘liebend, liebevoll’ (Nonn.); -ητής m. ‘Liebhaber’ (AP), -ητικός ‘zum Lieben, zum Küssen geneigt’ (Arist. u.a.), -ημα (hyperdor. -ᾱμα Mosch.) n. ‘Kuß’ (A.Fr. 135 = 228 M., E., X. u.a.), -ημάτιον PN (f., Luk.), ἀντιφίλ-ησις f. ‘Gegenliebe’ (Arist.), φιλημο-σύνη f. ‘Freundlichkeit’ (Thgn. : φιλήμων EM, sonst PN). Auch φίλ-τρον n. ‘Liebeszauber, -trank, -mittel’ (poet. seit Pi., auch sp. Prosa), -τρὶς λίθος ‘liebebringender Stein’ (Dam.); zur Bildung unten; daneben φίλητρα n. pl. (AP 11, 218; Text u. Bed. unsicher); φεῖλος (für -ῖ-) n. = φιλία (Epigr. Karien, etwa Ip), nach νεῖκος, μῖσος. — Zahllose sowohl zwei- wie eingliedrige PN, u.a. von *φιλτο- ausgehend, z.B. Φιλτό-ξενος, Φιλτ-άδης (vgl. unten). — Lit.: M. Landfester Das griech. Nomen φίλος und seine Ableitungen. Diss. Tübingen. Hildesheim 1966 (Spudasmata 11) mit weiteren reichen Lit.angaben, u.a. Hellene Kakridis La notion de l’amitié et de l’hospitalité chez Homere. Diss. Paris. Thessaloniki 1963. Außerdem H. Kuch Philologos. Untersuchungen eines Wortes von seinem ersten Auftreten in der Tradition bis zur ersten überlieferten lexikalischen Festlegung. Berlin 1965. — Zu den Steigerungsformen Seiler 97 ff. — Wenn idg., muß φίλος in φι-λο- oder φ-ιλο- zerlegt werden und eine λ(ο)-Ableitung eines nicht näher bestimmbaren Grundworts sein. Die anscheinend primären Bildungen auf φιλ- sind somit sekundär. Zu den Steigerungsformen φιλ-ίων, -τερος usw. und dem einmaligen φεῖλος (φῖλος) s. oben. Auch für die ep. Aoristformen (ἐ-)φίλατο usw. läßt sich eine analogische Entstehung zu φιλέω gut denken (vgl. δοκέω : ἔδοξα u. a. bei Schwyzer 718), ohne daß man ein Präsens *φίλλω wie τίλλω (EM, Osthoff MU 6, 184, Debrunner IF 21, 94) zu postulieren nötig hat. Zu bemerken die mediale Form wie in κύσασθαι zu κυέω neben akt.-kaus. κῦσαι. Ebenso wäre akt. *ἔφιλα ‘Liebe erregen’. Das nur in PN vorliegende Element φιλτο- kann analogisch zu φιλο- entstanden sein: Φιλτό-ξενος zu Φιλό-ξενος wie z.B. Φαντ-αγόρας neben Φαν-αγόρας, Φαντ-ίας neben Φαν-ίας, Κλειτο-μένης neben Κλει-, Κλεο-μένης. Das gut eingebürgerte φίλτρον scheint sich den zahlreichen zweisilbigen Nomina instrumenti auf -τρον angeschlossen zu haben; die kausative Bed. ‘Mittel, um Liebe zu erregen’ ist unverkennbar. — Eine überzeugende und ganz einwandfreie Etymologie fehlt. Da für φίλος von einem objektiv -sozialen Begriff ‘eigen, zugehörig’ und nicht von einer subjektivgefühlsmaßigen Vorstellung ‘lieb’ auszugehen ist (s. außer Landfester a. O. 1ff. mit Lit. auch Chantraine Études 15), ist die formal mögliche Anknüpfung an ein kelto -germanisches Adj. für ‘angemessen, gut usw.’ in ir. bil, gall. PN Bil-, ahd. bil-līh usw. (WP. 2, 185 m. Lit., Havers Sprachtabu 57 A. 2, auch Gāters KZ 75, 85 nach Meringer IF 18, 284 ff.) aufzugeben. Wegen der auffallenden Übereinstimmung mit lyd. bilis ‘sein, ihr’ (von bi- ‘er’; s. Gusmani Lyd. Wb. 80f.) sieht Kretschmer IF 45, 267ff. in φίλος ein protoidg. Substratwort. Für Verwandtschaft mit bilis aber als Parallelbildung dazu vom Reflexiv σφι, lak. φιν auch Heubeck Lydiaka (Erlangen 1959) 69 A. 38 nach Johansson, Solmsen, Curtius u.a. (s. Landfester 34ff. mit Referat aller früheren Etymologien); eig. Bed. somit ‘der Seinige’ wie germ., z.B. got. swes ’ἴδιος, eigen’, ahd. swās ‘eigen, vertraulich’, awno. svāss ‘lieb, traut’, die sich vom Refiexivum *su̯e (s. ἕ) nicht trennen lassen (WP. 2, 454ff., Pok. 882f.). — Abzulehnen Machek Zeitschr. f. Slaw. 1, 37f.: zu slav. milъ ‘lieb’ mit idg. Wechsel bh- : m-. Nach v. Windekens Orbis 12, 480 f. uralisches LW (zu ungar. fél ~ fele ‘Vertrauter, Genosse, Freund’ usw.), aus historischen Gründen ganz unwahrscheinlich. II-1018-1020
φιλύκη f. N. eines Strauches ‘Rhamnus Alaternus, inunergrüner Hartriegel’ (Thphr.). — Unerklärt; zu φιλύρα? Neugr. φυλίκη nach φυλία (Strömberg Pfl. 157 zögernd)? II-1020
φιλύρα, ion. -ρη f. ‘Linde, Tilia, Lindenbast’ (Hdt., Thphr., Gal. u.a.). Davon φιλυρ-έα f. ‘Steinlinde, Phillyrea media’ (Thphr.; nach πτελέα u.a.), -ιον n. ‘Täfelchen von Lindenholz’ (Ael.), -ινος ‘linden, von Lindenholz’ (Hp., Ar., D. C. u.a.). — Nicht sicher erklärt. Hypothese von Strömberg Pflanzenn. 119: aus φίλος und ὕρον ‘Bienenschwarm’ (s. ὕραξ) wegen der Anziehungskraft der Linde auf die Bienen; vgl. lat. apium ‘Eppich’ (: apis), nhd. Bienenbaum ‘Acer campestre’ und die übrigen Ausführungen bei Strömberg a. O. — Der europäische Lindenbaum kommt in Griechenland nicht vor; nur im Norden der Balkanhalbinsel, namentlich auf den makedonischen Bergen, erscheint die von Thphr. HP 3, 10 beschriebene Silberlinde (s. Schrader-Nehring Reallex. 2, 12 m. Lit.). II-1020
φῑμός pl. auch -ά (AP 6, 312) m., ‘Maulkorb, Knebel’ (A. Th. 463, Fr. 326 = 647 M., LXX, Dsk., Luk. u.a.), übertr. von einem Würfelbecher (oder vom Deckel desselben?, Aeschin., Poll. u.a.). Als Hinterglied u.a. in εὔ-φιμος ‘zusammenziehend, stopfend’ (μύρτος, Nik.), ‘wohlgeknebelt’ (Hdn. Epim.) mit εὐφιμ-ία (? EM als Erkl. von εὐκαμία [s. κημός]; cod. -φημ-). Davon φιμ-ώδης = εὔφιμος (μύρτα, Nik.), -όω, ganz vereinzelt m. περι- u. a., ‘mit einem Maulkorb verschließen, knebeln, festmachen, zum Schweigen bringen’, Pass. ‘verstummen’ (Ar., LXX, NT, J., Luk. u.a.) mit -ωσις (περι-) f. ‘das Verschließen, Zustopfen’ (Mediz., Vett. Val.), -ωτικός ‘zum Schweigen brin- gend’ (P.Mag. Lond., Tab. Defix. And.), -ωτρον n. ‘Gerät zum Zustopfen’ (Suid.); περι-φιμίζω ‘festmachen, festbinden’ (Tab. Defix.). — Unerklärt. Unhaltbare Hypothesen bei Prellwitz (zu lat. fiscus u.a.). Bemerkenswert ist die Suffixgleichheit mit dem synonymen κημός. Ob Kreuzung davon mit φιτρός (s.d.)? II-1020-1021
φιτρός m. ‘Baumstamm, Klotz, Block, Holzscheit’ (ep. seit Il.); nach Sch. u. Eust. aus dem kyprischen Amathus; dazu Ruijgh L’élém. ach. 159 m. Lit. Keine Kompp. oder Ableitungen. — Mit arm. bir, Instr. bra-w ‘großer Stock, Knüppel, Keule’ am nächsten verwandt, aber kaum damit identisch, weil idg. -itrwohl arm. -iwr hätte ergeben müssen wie -atr- > -awr. Aus idg. *bhi-(t)r- von einem Verb ‘schlagen, hauen, schneiden’ in slav., z.B. russ. bitь, kelt., z.B. air. benaid, altes nā-Präsens wie das isolierte lat. perfines ‘perfringas’ (Fest.); dazu mehrere Nomina, u.a. aus den.. Germanischen, z.B. ahd. bīhal, nhd. Beil (idg. *bhī-tlo-? von Karstien KZ 65, 154 ff. stark angezweifelt), mhd. bil, billes n. ‘Steinhaue’ (Grundform unsicher). Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 137f., Pok. 117f. (bes. Lidén KZ 61, 11 ff.); ält. Lit. auch bei Bq. II-1021
φῖτυ n. ‘Keim, Sproß’ (S.Fr. 889, alte Kom.); φιτυ-ποίμην m. ‘Pflanzenhüter’ (A. Eu. 911). Davon φιτύω, Aor. -ῦσαι ‘säen, pflanzen, erzeugen’ (Trag., Pl.), Med. -ύσασθαι, Fut. -ύσομαι ‘gebären’ (Hes., A. R., Opp., Mosch.) mit -ῡμα n. ‘Erzeugnis, Sproß, Sohn’ (A.Ag.1281, Plu.); Rückbildung φῖτυς m. ‘Erzeuger’ (Lyk.). — Alte Bildung mit τυ-Suffix (Schwyzer 506; vgl. zunächst ἄστυ), nach gewöhnlicher Annahme zu dem in lat. fī-s, fī-t, fī-ō ‘werden, entstehen’, altlit. u. dial. 3. Prät. bit(i), byt ‘war(en)’, ags. u. ahd. bis ‘bist’ und anderen, z.T. kontroversen Formen vorliegenden Verb ‘werden, wachsen’; idg. bh(u̯)-ī- neben bhū- in φύω usw. (s.d.), s. WP. 2, 143 f., Pok. 150, W.-Hofmann s. fīō m. weiteren Einzelheiten u. reicher Lit. Angesichts des sonst alleinherrschenden φυ- in φῦλον, φυτόν, φύσις, φῦμα usw. liegt es aber weit näher, mit Curtius 304 in φῖτυ eine dissimilatorische Umbildung von *φῦτυ zu sehen; vgl. die Lit. zu πίτυρα. II-1021
φλαδεῖν Aor. nur in λακίδες ἔφλαδον ‘die Fetzen zerkrachten, zerrissen’ (A. Ch. 28 [lyr.]). — Ältere, abgelehnte Etymologien von φλαδεῖν bei WP. 2, 210. S. παφλάζω und φλάω. II-1021
φλαῦρος ‘schlecht, geringfügig, ärmlich, nichtsnutzig’ (Pi., Sol., ion. att.); φλαυρ-ουργός ‘schlecht arbeitend, Stümper’ (S.). Davon φλαυρ-ότης f. ‘Ämlichkeit’ (Plu., Poll.), -ίζω (Plu.), κατα- ~ (Pi., Hdt.) ‘geringschätzen, herabwürdigen’. — Expressives Adj., mit dem synonymen φαῦλος (s.d.) auch formal vereinbar unter Annahme eines urspr. *φλαῦ-λος ("schwächebezeichnendes" λ-Suffix) mit verschiedenen Dissimilationen. — Eine ähnliche Lautgestalt zeigen einige germanische Adj., z.B. awno. blauðr ‘furchtsam, zaghaft’ neben blautr ‘weichlich, furchtsam, feucht’, s. WP. 1, 208f., Pok. 159 m. Lit. und weiterern Material, das für das Griech. nichts lehrt. Machek Zeitschr. slav. Phil. 29, 357 vergleicht lett. bl’aurs ‘sehr böse, grimmig, schlecht’ und lit. biaũrùs ‘garstig, widerwärtig, häßlich’ (anders darüber Fraenkel s.v.). II-1021-1022
φλάω, Aor. φλάσαι, Pass. φλασθῆναι, Fut. φλάσω, Perf. Med. πέφλασμαι, ‘zerquetschen, zermalmen’ (Pi., Hp., Ar., Theok. u.a.). auch m. ἀνα-, κατα-, εἰσ- u.a., Davon φλά-σις (εἴσ-) f. ‘Quetschung’ (Hp.), -σμα (ἀμφί-) n. ‘Quetschung, Quetschwunde’ (Hp.), ἀναφλα-σμός m. (Eup.) zu ἀνα-φλάω ‘masturbari’ (Ar., Luk.), Rückbildung ngr. ἀνάφλα (Caratzas Glotta 33, 119ff.). Unklar φλασμός· τῦφος, φλασμένος· τετυφωμένος H. — Expressives Reimwort zu θλάω (s.d.) und κλάω; vgl. φλίβω neben θλίβω. Zum Anlautwechsel θ- ~ φ- Schwyzer 302f. Dazu mit δ-Erweiterung (vgl. κλά-δ-ος) φλαδεῖν, s.d. II-1022
φλέγω, Fut. φλέξω (seit Il.), Aor. φλέξαι (seit Hes. Sc., A. Pr. 582 [lyr.]), Pass. φλεχθ-ῆναι (Hom. Epigr., Th.) mit Fut. -ήσομαι (Ach. Tat.), sekundär φλεγ-ῆναι (Luk., AP) mit Fut. -ήσομαι (J.), Perf. Pass. πέφλεγμαι (Lyk.), — Erweiterte Verbformen: φλεγ-έθω, auch m. ἐπι-, nur Präs. u. Ipf. = φλέγω (ep. lyr. seit Il.), vorw. intr. (Benveniste Origines 195), metr. bequem (Chantraine Gramm. hom. 1, 327); davon Πυρι-φλεγέθων, -οντος m. Fluß der Unterwelt (κ 513, Pl. Phd. 114a); -ιάω = φλέγω (Hdn. Gr.). ‘entzünden, verbrennen, erleuchten; brennen, flammen, leuchten, glänzen’. oft m. Präfix, z.B. ἐπι-, κατα-, ἀνα-, περι-, Zahlreiche nominale Ableitungen. A. Mit ε-Vokal: 1. φλέγ-μα (ἐπί-) n. ‘Flamme, Lohe’ (Φ 337), ‘Entzündung’ (Hp. u.a.), ‘Phlegma, Schleim’ (Hp., Pl., Arist. usw.) mit -μάτιον n. ‘Schleim’ (Sotad. ap. Stob.), -ματίας, ion. -ίης m. ‘an Phlegma leidend, voll Schleim’ (Hp.), -ματώδης ‘entzündend, voll Schleim, schleimartig, phlegmatisch’ (Hp., Pl., Arist. usw.), -ματικός ‘ds.’ (Gal. u.a.), -ματόεν ἔκρηγμα· τῆς φλογός, -ματίς· ἡ φλέγματα ἔχουσα H. Von φλέγμα noch die Verba: a. φλεγ-μαίνω, oft m. Präfix, z.B. ἐκ-, ἀνα-, συν-, ἐπι-, ‘entzündet sein, heftig erregt sein’ mit -μανσις od. -μαντύς f. ‘Entzündung’ (Hp.; Benveniste Noms d’agent 72), -μασία, ion. -ίη f. ‘ds.’ (Hp., Arist.); b. -ματόομαι (ἐκ-) ‘zu Schleim werden’ (Hp., Gal.); c. ὑπο- ~ -ματίζω ‘schleimig werden’ (Alex. Trall.) mit φλεγματισμός (Gloss.). — 2. φλεγ-μονή f. (wie πῆμα : -μονή u.a.) ‘Entzündung, entzündliche Geschwulst, heftige Erregung’ (Mediz., hell. u. sp.) mit -μονικός ‘entzündlich’, -μονώδης ‘geschwulstähnlich’ (Gal.), -μονάομαι ‘entzündet werden’ (Alex. Trall.). 3. φλέξις· ardor, flammatus (Gloss.); sonst nur zu den präfigierten Verba: ἀνά-, ἐπί-, κατά-, περί-φλεξις f. ‘Anzündung usw.’ (sp.); für sich der Vogelname φλέξις (Dat. -ιδι Ar. Av. 884), vgl. φλεγύας unten. 4. φλεγ-μός m. Βρομίου φ. (Thespis; unsicher) = τὸ αἷμα (? H.), -μώδης = -ματώδης (Gal.). 5. φλέγος· τὸ φλέγμα H. 6. φλεγ-ύας m. Ben. des Adlers (Hes. Sc. 134), nach der Farbe (H., EM; Thompson Birds s.v.); dazu der VN Φλεγύαι od. -ες (Ν 302; vgl. Heubeck Praegraeca 36), -υρός ‘brennend’ (Ar. u. Kratin. in lyr., Hp. ap. Gal.), aus -υλός dissimiliert (Leumann Glotta 32, 223 A. 2 = Kl. Schr. 249 A. 1) ?; -υάω = ὑβρίζω (Ephor.; vgl. H.: Φλεγύαι· ἔθνος ὑβριστικὸν καὶ ἀσεβές). 7. Φλέγρα, ion. -ρη f. alter N. der maked. Halbinsel Pallene (Hdt., Str.), auch Φλέγρας πεδίον (Pi., Ar.), -ραία πλάξ (A.); τὰ Φλεγραῖα (πεδία) Ebene in Campanien (Plb.); nach der vulkanischen Natur. — 8. -φλεγής in ἐπι-, περι-φλεγής ‘feurig’ (Arist., Plu.), auch als Hinterglied, z.B. πυρι-φλεγής ‘in Flammen stehend, hitzig’ (Hp., Plu.). — B. Mit ο-Abtönung: φλόξ, -ογός f. ‘Flamme, brennendes Feuer, Brand’ (seit Il.), auch als Pfl.N. (Thphr.), nach der Farbe (Strömberg 49). Kompp. z.B. φλογ-ώψ und -ωπός ‘flammenartig, feurig’ (A. Pr.), καλλί-φλοξ ‘mit schöner Flamme’ (E. in lyr.). Von φλόξ, z.T. auch direkt auf φλέγω beziehbar: 1. Demin. φλόγ-ιον n. (Longin.). 2. -ίδες f. pl. ‘geröstete Fleischstücke’ (Archipp. u. Stratt. in lyr.), nach H. διὰ τὸ φλογίζεσθαι (somit Rückbildung?); -ίδια· αἱ κεγχρίδες δι’ ἐλαίου σκευαζόμε-νοι H. 3. -ετός m. ‘das Brennen, Hitze’ (Gloss.; nach πυρετός). 4. -ίτης m. N. eines Edelsteins, der dem Karfunkel ähnelt (Solin.); -ῖτις f. ‘ds.’ (Plin.), auch Art Anemone (PMag. Leid.; Redard 62 u. 77). 5. -ιή (-ίη?) f. ‘Flamme’ (Nik.; Scheller Oxytonierung 73). 6. Adj. -εος ‘flammend, funkelnd’ (Il., E. u. Ar. in lyr.; Schmid -εος u. -ειος 36), -ιος (?) ‘ds.’ (Hp., Orph.), -ερός ‘ds.’ (E. in lyr. u. anap., A. R., AP u.a.), -ινος ‘ds.’, auch von Farben (LXX, D. S., Pap. u.a.), -ινον n. ‘Goldlack’ (Thphr.; vgl. φλόξ), -ώδης ‘flammenähnlich, feuerrot, entzündet’ (Hp., Arist. usw.). — 7. Verba. a. -ίζω, auch m. ἀνα-, κατα-, συν-u.a., = φλέγω (S. in lyr. u. anap., Arist., LXX, AP u.a.) mit -ίσματα (ἐπι-) n. pl. ‘Brandschaden, äußerliche Entzündung’ (Hp., H. s. οὐδ’ ἅλα), παρα- ~ ‘geröstete Speisen’ (Achae.), -ισμός (περι-) m. ‘das Sengen’ (Sm., Thd., H. s. φλογμός), -ίστρα f. = εὕστρα (Sch., Eust.). b. -όομαι, -όω (ἐκ-, ἀπο-) ‘entflammen’ (Arist., Thphr. u.a.) mit -ωσις (ἐκ-) f. ‘Entzün- dung, Entflammung’ (Th., Thphr., D. S. u.a.), -ώματα· τῶν ἄρτων τὰ ἐπικεκαυμένα H. c. -ιάω ‘entzündet werden’ (Hp.). —C. Mit ο-Abtönung noch φλογ-μός m. (neben φλέγμα; vgl. Porzig Satzinhalte 283), ‘Flamme, Glut, Entzündung, Sonnen-, Fieberhitze’ (A. u. E. in lyr., Hp., Arist. usw.) mit -μόω ‘verbrennen’ (PMag. Berol.). — Die obigen Wörter bilden ein Formensystem, das sich von einer idg. Grundlage aus nach festen und geraden Linien in der griechischen Hochsprache entwickelt hat. Am nächsten kommen einige lateinische Wörter: das primäre fulgō (sekundär -eō), Pf. fulsī ‘blitzen, schimmern, leuchten’, das sich nur durch die Tiefstufe (wäre gr. *φλάγω wie τράπω, τράφω neben τρέπω, τρέφω) von φλέγω, φλέξαι unterscheidet. Ferner das zu φλέγω semantisch noch besser stimmende Denominativum flagrō, -āre ‘brennen, lodern, glühen’, das auf eine nominale r-Bildung *flag-ro-, *flag-rā zurückgeht und wie die m-Ableitung in flamma ‘Flamme’ (wohl aus *flag-mā) ein primäres Verb mit tiefstufigem (volkstümlichem?) a-Vokal voraussetzt. Einen ebenso nahen Verwandten liefert das Tocharische in AB pälk-’leuchten, brennen’, auch ‘sehen’, z.B. A 3. pl. pälkiñc ‘sie leuchten’, das ebenfalls ein tiefstufiges bhl̥g- (= lat. fulgō) vertreten kann; dazu u.a. A pälkets, B pälkamo ‘leuchtend, glänzend’. — Das Germ. bietet mehrere anklingende Wörter: ahd. blecchan, mhd. blecken ‘sichtbar werden lassen, erscheinen lassen’, nhd. blecken ‘(die Zähne) zeigen’, urg. *blakjan (wäre gr. *φλογέω), mnd. nndl. blaken ‘flammen, glühen, qualmen’ (urg. *blakōn = gr. *φλογάω wie ποτάομαι u.a.). Dazu mit Nasal ahd. blanch, nhd. blank, anord. blakkr (nk > kk) ‘fahl, falb’, m. ‘Falbe, Schimmel’ u.a.m. Dagegen kann mhd. nhd. blinken nicht nur auf urg. *blenk-, sondern auch auf *blink- zurückgehen und gehört dann zu ahd. bleih, nhd. bleich. ags. blīcan ‘glänzen’ usw. — Fern bleibt lit. blãgnytis ‘ernüchtert werden, sich aufheitern’ (s. Fraenkel s. blagnas), ebenso wahrscheinlich aind. bhárgas- n. ‘Glanz’, das eher mit bhrā́jate ‘leuchten, strahlen’ zu got. bairhts ‘glänzend, hell’, nengl. bright (mit idg. r) zu ziehen ist; über die Möglichkeit eines Zusammenfalls der beiden Wortgruppen im Indoiran. s. Mayrhofer s. bhrā́jate m. Lit. — Weitere Formen und Kombinationen mit Wurzelbetrachtungen und reicher Lit. bei WP. 2, 214f., Pok. 124f., W.-Hofmann s. flagrō und flamma, auch flēmina (aus φλεγμονή?), Ernout-Meillet s. fulgō. —Andere alte Wörter für ‘brennen, leuchten’ sind αἴθω und δαίω; unklar dagegen καίω (s. dd.). Über das Fehlen von φλέγω u. Verw. in der Odyssee (mit Ausnahme von φλόξ ω 71) s. Hainsworth JHSt. 78, 49ff. II-1022-1024
φλέδων, -ονος m. f. ‘Schwätzer(in)’ (A. Ag. 1195, Timo); φλεδόνες f. pl. ‘Geschwätz’ (Plu., Anon. ap. Gal.). Davon φλεδον-ώδης ‘geschwätzig’ (Hp. [codd. φλεβο(δο)νώδης], Erot.), -εῖ· ἀναισθητεῖ, φλυαρεῖ H., -εύομαι, -εύω ‘ds.’ (H., EM) mit -εία (EM). — Das Nomen act. wie σπαδών, πρηδών u.a.; dazu das Nom. ag. wie σπάδων, τέκτων, γείτων u.a. (vgl. Schwyzer 530). Dazu mit Dehnstufe φληδῶντα· ληροῦντα H. Expressives Wort; am ehesten zu φλέω mit δον-Suffix. Daneben aber mit α-Vokal παφλάζω (s.d.) mit παφλάσματα auch ‘schwülstige Worte’; vgl. noch φληναφάω. Genealogie somit etwas zweifelhaft, was den Wert außergriechischer Vergleiche stark beeinträchtigt: zu toch. B plāce, A plāc ‘Rede, Gespräch, Wort’ aus idg. *bhlōd-en- (v. Windekens Orbis 11, 180; 15, 259 u. 439); zu aksl. blędǫ, blęsti ‘irren, schwatzen’ (Machek Studia in hon. Dečev 53 f.; anders darüber Vasmer s. bl’ady); φληδῶντα zu ags. blætan, ahd. blāzan ‘blöken’ (Holthausen KZ 47, 310). Vgl. WP. 2, 216, Pok. 155. II-1024-1025
φλέψ, -εβός f. ‘Blutader’ (seit Ν 546), auch übertr. ‘Metall-, Quellader’ (X., Arist., Plb. usw.), ‘Pflanzenader’ (Hp., Thphr.; ausführlich Strömberg Theophrastea 134ff.). Kompp., z.B. φλεβο-τομέω (: φλέβα τέμνω) ‘Ader lassen’ mit -τομία, ion. -ίη f. ‘das Aderlassen’ (Hp. usw.), -τόμησις, -τομική (sp. Mediz.), -τόμον n. ‘Werkzeug zum Aderlassen’ (sp. Mediz., Luk.); ἐπί-φλεβος ‘die Adern oben drauf habend, mit hervorstehenden Adern’ (Hp., Arist.), auch μελανό-φλεβες pl. ‘mit schwarzen Adern’ (Aret.); zur Form des Hinterglieds Sommer Nominalkomp. 95. Davon φλέβ-ιον n. ‘kleine Ader’ (Hp., Pl. Ti., Arist., Str.), -ώδης ‘voll Adern, wie Adern’ (Hp., Arist., Thphr. u.a.), -ικός ‘zu den Adern gehörig’ (Arist.), -άζοντες· βρύοντες (EM, Phot.). — Da die idg. Benennungen der Ader stark wechseln, dürfte das isolierte φλέψ eine griechische Neubildung sein. Seit langem (s. Curtius 300 ff.) mit einer Menge Wörter auf φλ-(φλαδεῖν, φλέω, φλύω, φλύκταινα usw. usw.) verbunden; ebenso in moderner Ausformung Persson Beitr. 1, 54ff., 2, 879 (WP. 2, 215, Pok. 155) mit besonderer Heranziehung von ahd. bolca, bulchunna ‘bulla’. Es soll sich um eine gʷ-Erweiterung der Wz. bhel- ‘aufblasen, aufschwellen’ (s. φαλλός) handeln. Das ungelöste Rätsel liegt eben in dieser "Erweiterung". II-1025
φλέω nur Gen. abs. φλεόντων δωμάτων ὑπέρφευ (A. Ag. 377 [lyr.]), μήλων φλεόντων (ebd. 1416); dazu φλέοντας· φιλοῦντας (leg. φλύοντας?) ἢ φλυαροῦντας H. Außerpräs. Formen : Pf. Ptz. Pass. ἐκ τειχέων περιπεφλευσ-μένων πυρί ‘von den vom Feuer umfluteten (umloderten) Mauern herab’ (Hdt. 5, 77); vgl. mit derselben Metapher ἀσβέστη κέχυτο φλόξ (Π 123) und lat. flamma circumfusus, divino circumfuso igni. Ähnlich Aor. ἐπι-, περι-φλεῦσαι : φλὸξ ἀναδραμοῦσα ἐπέφλευσε τὴν χεῖρα (Epid. IIp), γαλῆ κατοικίδιος περιφλευσθεῖσα (Dsk.), an beiden Stellen von einer umlodernden und sengenden Flamme; dazu περιφλευσμός (Aq. De.). ‘überfließen, überfluten, strotzen’ Daneben φλύω (Φ 361 u.a.), Aor. φλύσαι (Archil. [codd. φλόσαι], A., AP), auch m. ἀνα-, περι-, δια- u.a., ‘sprudeln, überwallen’, vom Wasser (Φ 361, Hp., Pap.), von einer reichen Vegetation (Ael.), von einer strömenden Rede (A., A. R., AP) usw., auch von einem sengenden Blitz (Ar. Nu. 396). Auch φλύζω, von der Rede (Nik.), φλύζειν· ἀναζεῖν H., Aor. ἐκφλύξαι (γόον A. R.), Konj. ἀποφλύξωσιν (ὕβριν A. R.). Zu φλυδάω, ἐκφλυνδάνω s. φλιδάω. — Davon 1. φλύος n. ‘Geschwätz’ (Archil.) mit φλουάζει (lak.?)· φλυαρεῖ, ληρεῖH., auch φλυάσσει· φλυαρεῖ, φλύει H. (vgl. φλύαξ). 2. φλύσις f. = ἐξάνθησις, von einem Hautausschlag (Hp. ap. Gal.), διαφλύξιες = ὑπερβλύσεις (Gal.). 3. Bein. des Vegetationsgottes Dionysos in wechselnder Form: Φλεύς (Chios nach EM), Φλέως (Inschr. Ephesos), Φλεών (Ael.), Φλοῖος (Plu.) mit Φλοιά f. Bein. der Kore (lak. nach H.), Φλοιώ f. N. einer Bacchantin (Nonn.). Einzelheiten bei Fraenkel Nom. ag. 1, 19 A. 1, Hanschke RhM 90,211f. 4. PN Φλέας, -αντος m. (Priene IIa, Bechtel Hist. Personenn. 500). Zu den Appellativen φλέως, φλοιός, φλόος, φλοῦς s. φλοιός. — S. noch φλύαξ, φλυαρέω, φλύκταινα. — Die Formenreihe φλέω, φλεῦσαι, πέφλευσμαι stimmt zu πλέω, πλεῦσαι, πέπλευσμαι. Neben φλέ(ϝ)ω mit Tiefstufe φλύω (ἔφλυον urspr. Aorist wie ἔκλυον u.a.?) wie πλέ(ϝ)ω : πλύ-ν-ω; φλύσις wie πλύσις. Dazu φλύζω wie βλύζω, κλύζω (Güntert Reinwortbild. 149) mit φλύξαι, dessen Guttural auch in φλύκταινα (s. d.) u. a. erscheint und alt sein kann. Zum semantischen Verhältnis zwischen φλέω und φλεῦσαι usw. s. oben; ein besonderes Verb *φλεύω ‘brennen’ anzusetzen (Bq, WP. 2, 214, Pok. 159 f.), liegt kein Grund vor. — Genaue außergriech. Entsprechungen zu den seltenen und vorwiegend dichterischen φλέω, φλύω gibt es nicht. Am nächsten kommt lat. fluō ‘fließen, strömen’, dessen außerpräs. Formen wie fluxī, fluctus die Annahme eines gutturalen Auslauts wie in φλύξαι usw. unumgänglich zu machen scheinen. In Betracht kommt ferner ein slavisches Wort für ‘speien, erbrechen’, z.B. aksl. bĺujǫ, bĺuvati (nach pĺujǫ, pĺuvati ‘spucken, speien’; vgl. ἀποφλύειν· ἀπερεύγεσθαι H.); das entsprechende lit. bliáuju, -áuti, bliųvù, bliū́ti hat die Bed. ‘blöken, meckern’, bzw. ‘in Brüllen ausbrechen’ angenommen (durch Kontamination mit einem Wort für ‘blöken’ in lett. blēju, blēt u.a.). Weitere Formen mit Lit. bei WP. 2, 212f., Pok. 158f., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. fluō, Vasmer s. blevátь; Fraenkel s. bliáuti. II-1025-1026
φληναφάω (Ar., Alex. u.a.), auch -αφάομαι (Phld.), -αφῆσαι (Jo. Dam.) ‘schwatzen’ mit φληναφήματα n. pl. ‘Geschwätz’ (E.Ep.). Daneben (Rückbildung?) φλήναφ-ος m. ‘Geschwätz’ (Men., Phld., Luk. u.a.), auch ‘Schwätzer’ (Men., Poll.) mit -ώδης ‘geschwätzig’ (Hp. ap. Gal.), -ίαf. ‘Geschwätz’ (Phld., Suid.). — Expressiv-lautmalende Erweiterung der kürzeren Bildungen φληνύω ‘schwatzen’ (Hp. ap. Gal.), φλανύσσει· φλυαρεῖ, ληρεῖ H., ἐκφλῆναι ‘hervorsprudeln’ (E.Fr. 470); vgl. noch φληδῶντα· ληροῦντα H., φλῆφος (leg. φλῆνος od. φλήναφος?)· φλύαρος H., φλεδών; auch φλύω mit φλυαρέω. Der Ausgang wie in dem geläufigen ψηλαφάω; oder mit einer dissimilierten Reduplikation für *φληναφλάω? — Zu den Nomina auf -φος Chantraine Form. 263 f. II-1027
φλιά (ῑ und ῐ; später -ειά), ion. -ιή, meist pl. -ιαί; myk. pi-ri-ja-o Gen. pl. ?, auch -ειοί m. pl. f. ‘Türpfeiler, Türpfosten’, auch ‘Türstock, Oberbalken, Oberschwelle’ (ρ 221, hell.u.sp.); ‘Pfosten’, z.B. einer Hebewinde (Hp., Ruf. ap. Orib.). Davon περιφλ[ίωμα] n. ‘Umrahmung’ (Aphrodisias IIp), ἀνώφλιον ‘Türsturz’, κατώφλιον ‘Schwelle’; s. Wilhelm Jahresh. d. Österr. Arch. Inst. 28, 54 ff. — Technisches Wort ohne Etymologie. II-1027
φλίβω, -ομαι, Fut. φλίψεται, ‘drücken, quetschen’ (ρ 221 [neben φλιῇσι; codd. plur. θλ-], Hp. Loc. Hom., Theok.) auch m. ἐκ-, mit φλῖψις· θλῖψις H. — Seltene Nebenform zum weit gewöhnlicheren θλίβω, wie φλάω neben θλάω. Man vergleicht allgemein (Osthoff KZ 23, 84 u.a.) damit mehrere Wörter aus dem Keltischen, Latein und Baltisch -Slavischen, z.B. kymr. blif m. ‘Catapult, ballista’, lat. flīgō ‘anschlagen, zu Boden schlagen’, lett. blaîzît ‘quetschen, zusammendrücken, schlagen’, russ. blizná ‘Narbe, Wunde, Fadenbruch im Gewebe’, bliz, blizь ‘nahe’, idg. *bhlīgʷō, *bhlīĝ(u̯)ō. WP. 2, 217, Pok. 160f., W.-Hofmann s. flīgō (m. besonders reicher Lit.), Vasmer s. bliz. Daß Kontarninationen stattgefunden haben, liegt auf der Hand; vgl. zu θλίβω und φλάω. II-1027
φλιδάω (περι- v. l. Nik. Al. 62, vgl. unten) ‘von Fett (ἀλοιφῇ) triefen, von Fäulnis (σηπεδόσι) zerfließen’ (Nik.), ‘zergehen, zerplatzen’ (von Kleidern, Plu.); aus H.: φλιδᾶν· σήπεσθαι, ἔφλιδεν· διέρρεεν, ἐρρήγνυεν, φλιδάνει· διαπίπτει, διαρρεῖ, φλι-διόωντο· διεσπῶντο, ἐτέμνοντο, φλιδόνες· τὰ ἐν τοῖς ἱματίοις σπάσματα καὶ ῥυτίδες, τινές δὲ σφυγμοί. Daneben mit Hochstufe : φλοιδιᾶν· πεπρῆσθαι H., φλοιδούμενος (Lyk. 35, nach Sch. = φλογιζόμενος) und, ebenfalls aus H., die primären Perfektformen πεφλοιδέναι· φλυκταινοῦσθαι (cod. φλεκτενεῖσθαι), πεφλοιδώς· τὸν φλοιὸν ἀποβαλών (vgl. zu φλοιός), διαπέφλοιδεν· διακέχυται; dazu ὑπερφλοισμοὶ ὑγροί als Erkl. von διαφλύξιες. —Zu ἀφλοισμός m. ‘Schaum, Geifer’ (mit ἀ- von ἀφρός) s. bes. — Die obigen Verbformen sind teils primär: φλιδάνει, ἔφλιδεν, πέφλοιδεν mit dem Nomen φλιδόνες, teils sekundär: φλιο-άω. φλοιδούμενος (: -έομαι od. -όομαι), φλοιδ-ιάω (φλιδ-). — Semantischexpressive Wörter; wie zu erwarten, ohne sichere außergriech. Gegenstücke. Formale Übereinstimmung herrscht indessen zwischen φλοιδέω und dem semantisch abweichenden nengl. bloat ‘anschwellen’, wenn aus urg. *blaitōn (Fick 3,286); denselben allgemeinen Charakter hat der Vergleich mit lett. blîdu, -stu, blîst ‘schnell zunehmen, quellen, aufdunsen, dick werden’ (Prellwitz; anders Leskien Der Ablaut der Wurzelsilben im Lit. [1884] 321 f.). — Eine dentallose Form περιφλίον-τος wird bei Nik. Al. 62 von der besten Überlieferung geboten (v.l. περιφλιδόωντος), wahrscheinlich von περιφλύω beeinflußt. Auch sonst berühren sich diese beiden Sippen : so steht neben φλιδάω in derselben od. einer ähnlichen Bed. φλυδάω mit φλυδαρός ‘weich, matschig’ (Hp., myk. pu2-ru-da-ro??), das formal zu φλύω (s. φλέω) gehört, sich aber begrifflich eher an φλιδάω anlehnt. Zu φλυδάω wurde noch das nasalierte ἐκφλυν-δάνω ‘aufbrechen, von Geschwüren’ (Hp.) gebildet. Lautlich läßt sich φλυδάω mit awno. blautr ‘durchnäßt, weich(lich)’ vereinigen. Weitere ganz hypothetische Kombinationen bei WP. 2, 210f., Pok. 156; s. auch zu φλέω. Vgl. φλοῖσβος. II-1027-1028
φλιμέλια n. pl. ‘Blutgeschwülste an den Füßen der Pferde’ (Hippiatr. 51). — Aus lat. flēmina n. pl. (< φλεγμονή?; s. φλέγω) ‘Krampfadern, entzündete Geschwulst um die Knö-chel’, entw. durch Textverderbnis od. durch volkstümliche Umgestaltung (s. W.-Hofmann s.v.). II-1028
φλοιός m. ‘Baumrinde, Rinde, Schale der Frucht, Häutchen eines Blatts, eines Eies’, auch übertr. ‘äußerliche Hülle’ (seit Α 237). Als Vorderglied u.a. in φλοιο-ρραγής ‘mit rissiger Rinde’ (Thphr., Dsk.); sehr oft als Hinterglied, z.B. τανύ-φλοιος ‘mit dünner Rinde’ (Π 767 u.a.). Davon φλοι-ώδης ‘rindenartig, oberflächlich’ (Arist., Thphr.), -ῶτις f. ‘aus Rinde gemacht’ (Lyk.); φλοΐζω (περι-, ἐκ-) ‘die Rinde abschälen, ent- rinden’ (Thphr., Dsk., Pap.) mit φλο-ϊσμός (περι-) m. ‘Ent- rindung’ (Thphr.), -ιστική (τέχνη) ‘Entrindungskunst’ (Pl., Poll.; Chantraine Études 135); φλοιῶσαι ‘ds.’ (Nonn., AP), ἀποφλοιάω ‘ds.’ (Aöt.). Zu bemerken noch πεφλοιδώς· τὸν φλοιὸν ἀποβαλών H. mit intr. Bed. nach den alten κ-losen Perf., formal an φλιδάω usw. (s.d.) anzuschließen. Ausführlich über φλοιός Strömberg Theophrastea 117 ff. — Auch φλόος (Akk. φλόα Nik. nach χρόα), φλοῦς m. ‘Rinde’ (Pap., AP), ‘Haut’ eines Menschen od. einer Schlange (Nik.; vgl. Gow Class Quart. N.S. 1, 109; unklar [’Blüte, Frische, Saft’?] Arat. 335); auch = φλέως (Hdt. 3, 98), mit φλόϊνος ‘aus Schilf’ (ebd., E. Fr. 284, Poll.). Daneben φλέως (-εώς) m. ‘Schilf, Röhricht’ (Kom., Arist., Thphr., Ps.-Dsk.). — Zum PN Φλόϝαξ s. φλύαξ. — Formal schließen sich φλόος, φλοιός für *φλόϝ-ος, *φλοϝ-ιός an φλέ(ϝ)ω wie Φλοῖος u.a. als Bein. des Dionysos; ebenso φλέως, -εώς nach κορώνεως, ἐρινεώς u.a. Begrifflich liegt die Verbindung mit φλέω klar in ὑπέρφλοια (μῆλα) ‘übersaftig’, von Äpfeln (Emp. 80, Versende; für -φλοα?), ebenso in φλοίειν (φλοιεῖν?) = ἄγαν ἀκμάζειν (Antim.), wenn nicht für φλύειν (s.v. Wilamowitz Glaube 2, 373 A. 1 m. mehreren Einzelheiten). Im Sinn von ‘Schilf’ beziehen sich φλέως und φλοῦς auf das üppige Wachstum der Pflanze (vgl. βρύον zu βρύω); auch die Rinde (φλοιός, φλόος) kann ihren Namen von ihrer saft- und fleischreichen Konsistenz im Gegensatz zum darunterliegenden Holz bezogen haben. II-1028-1029
φλοῖσβος m. ‘das Rauschen, Wogen’ (A., S., Lyk. u.a.), übertr. ‘Kriegslärm, Gewühl’ (Il., Euph.). Komp. πολύ-φλοισβος Beiw. der θάλασσα ‘viel-, lautrauschend’ (Hom., Hes. u.a.), sp. auch ἄ-, βαρύ-φλοισβος (Nonn., Prokl.). — Poetisches Schallwort mit Ausgang wie θόρυβος, κόναβος usw.; weitere Analyse unsicher. Der formal naheliegende Anschluß an φλιδάω, πέφλοιδεν (seit Walde KZ 34, 502 f.) ist semantisch nicht besonders schlagend; noch willkürlichere Deutungsversuche von Fick 1, 498; Prellwitz s.v., Persson Beitr. 2, 879 (s. Bq und WP. 2, 211 u. 218). II-1029
φλόμος (Kratin. in lyr., Eup. in anap., Thphr., Dsk.), auch φλόνος (Ps.-Dsk.; Dissim. φ-μ > φ-ν? Schwyzer 494 u. 830), πλόμος (Arist.) m. ‘Königskerze, Verbascum sinuatum’ (vgl. Dawkins JHSt. 56, 2 u. 4) mit ἱππό-φλομος (ἱππο- vergrößernd) ‘Tollkraut, Atropa belladonna’ (Plin.); φλομίς f. ‘Phlomis samia’ (Dsk.), φλονῖτις f. = ὄνοσμα, ὀνῖτις (Dsk., Ps.-Dsk.), φλομώδης πόα H. als Erklärung von αἰθιοπίς, πλομίζω ‘mit πλ. vergiften’ (Arist.). — Unerklärt; kann sehr wohl LW sein. Nach Persson Beitr. 2, 799 zu bhel- ‘schwellen’ (s. φαλλός). II-1029
φλύᾱξ, -ᾱκος m. ‘Possenspiel’ (AP), ‘Possenreißer’ (Poll., St.Byz., Eust.), φλυακο-γράφος m. ‘Verfasser von φλύακες’ (Ath.) mit -γραφία f. (Suid. s. ’Πίνθων). — Dor. Wort, Bez. einer vom Tarentiner Rhinthon erfundenen Gattung; eig. N. eines Dämons (Björck Alpha impurum 61 m. Lit.). Kann von φλύος n. ‘Geschwätz’ gebildet sein, aber direkte Ableitung von φλύω, oft von der Rede gebraucht, kommt auch in Betracht; vgl. das Reimwort ῥύαξ und Chantraine Form. 382, Schwyzer 497. Daneben der PN Φλόϝαξ (Tanagra Va) von φλό(ϝ)ος (s. φλοιός); vgl. Bechtel Hist. Personennamen 500 mit unrichtiger Analyse. Weiteres s. φλύω (s.v. φλέω). II-1029-1030
φλυαρέω, ion. φλυηρέω, ‘leeres Geschwätz treiben, faseln, Possen reißen’ (Hdt., att.) vereinzelt m. κατα-, συν- u.a., mit φλυαρ-ία f. ‘dummes Geplapper, leeres Geschwätz, Faselei’ (att.), -ήματα pl. ‘Faseleien, Albernheiten’ (D. H., Ph., J.). Daneben φλύαρ-ος m. ‘Geschwätz usw.’ (Ar. Nu. 365 [anap.], Stratt., Men. u.a.), ‘Schwätzer, geschwätzig’ (LXX, Str., D. H. u.a.) mit φλυαρο-λογία = φλυαρία ([Pl.] Ax.) u.a., -ώδης ‘albern’ (Plu., Porph.). — Zu ion. φλυη- gegenüber att. (urspr. dor. ?, vgl. φλύαξ) φλυᾱ- Björck Alpha impurum 45. Schon der Akzent gibt zu erkennen, daß φλύαρος als Adj. bzw. Nom. agentis eine Rückbildung von φλυαρέω sein muß. Ob die Priorität dem gewöhnlichen φλυαρέω oder dem weit selteneren φλύαρος ‘Geschwätz’ zukommt, läßt sich hier ebensowenig wie bei vielen anderen Schallverben auf -έω mit Sicherheit entscheiden; vgl. Schwyzer 726 A. 5. — Expressive Erweiterung von φλύω (s. φλέω), im Einzelnen unklar. Auch Dissimilation aus *φλυᾱλ- bleibt zu erwägen. II-1030
φλυζάκιον s. φλύκταινα. II-1030
φλύκταινα f. ‘Blase, Brand-, Eiterblase’ (Hp., Th., Ar., Arist. usw.) mit Demin. φλυκταιν-ίς f., -ίδιον n. (Hp., Diokl.Fr.), -ώδης ‘blasenähnlich’ (sp. Mediz.), -όομαι ‘Blasen bekommen’ (Hp., Dsk.), -ωσις f. ‘Blasenbildung’ (Hp.), auch -ω (-όω ?) ‘Blasen verursachen’ (Dsk.). Auch φλυκτίς, -ίδος f. ‘ds.’ (Thphr., LXX), Akk. pl. φλύκτεις (Dsk.); zu ὀλοφλυκτίς s. bes. Daneben φλυζάκιον n. ‘ds.’ (Hp., Cels.). — Bildung wie γάγγραινα, φαγέδαινα u. a. von einem unbekannten Wort, wahrscheinlich von einem Subst. *φλυκτός wie φρυκτός, σκηπτός u.a., wovon auch φλυκτίς. Zu φλυζάκιον vgl. ψυδράκιον, ἀνθράκιον; ein Grundwort *φλύζα (wie φύζα u.a.) kann als *φλύγ-ι̯ᾰ zu οἰνό-φλυξ (s. φύγεθλον), διαφλύξιες, des weiteren zu φλύξαι, φλύζω gehören; s. φλέω. Zum Semantischen Strömberg Wortstudien 92 f. II-1030
φόβη f. ‘wallendes, langes Haar, Mähne’, übertr. ‘Laubwerk, Blumenbüschel’ (Sapph., Pi., Trag.; auch Thphr.). — Verbalnomen von φέβομαι (s.d.) mit Beziehung auf das vor dem Winde fliehende, wallende Haar; vgl. zu ἔθειρα, auch σόβη (s. σοβέω). II-1030-1031
φοῖβος Beiw. von ὕδωρ (Hes.Fr. 274, ähnlich Lyk.), von αἴγλα (B.), von φλόξ (A. Pr. 22), als ‘rein, klar, glänzend’ erklärt. Daneben Φοῖβος Bein. und N. des Apollon (seit Il.). Als Vorderglied u.a. in φοιβό-ληπτος, ion. -λαμπτος ‘von Φ. er- griffen, begeistert’ (Hdt., Lyk., Plu. u.a.). — Ableitungen: 1. φοιβάς, -άδος f. ‘Phoibospriesterin, Seherin’ (E., Tim.). 2. Φοίβη f. Tochter des Uranos u. der Gaia (Hes., A.). 3. Φοί-βειος, ion. -ήϊος ‘zu Φοῖβος gehörig’ (Hdt., E. in lyr.), f. -ηΐς (AP). Denom. Verba: 4. φοιβάζω, auch m. δια-, ἀπο-, ἀνα-, ‘prophezeien, begeistern’ (S., Plb., Lyk., Str. usw.), auch ‘reinigen’ (Lyk.) mit φοιβ-αστής = vaticinator (Gloss.), -άστρια f. ‘Prophetin’ (Lyk.), -αστικός ‘prophezeiend, begeisternd’ (Plu., Longin., Ptol.). 5. φοιβ-άω, Aor. -ῆσαι, dor. -ᾶσαι ‘reinigen’ (hell. Dicht.), ἀπο-φοιβάομαι ‘begeistert reden’ (PMag. Par.), προ- ~ ‘prophezeien’ (Cat. Cod. Astr.); davon φοίβ-ησις f. ‘Begeisterung’ (Vett. Val.), -ητής (Man. u.a.), -ητήρ (PMag. Lond.) m. ‘Prophet’, -ήτωρ m. ‘ds.’ (Orph.), -ήτρια· καθάρτρια H., auch Bez. einer Göttin (Isis? Äthiopien), -ητός ‘begeistert’, -ητεύειν· χρησμῳδεῖν H. 6. φοιβᾶναι· λαμπρῦναι, μαντεύσασθαι, κοσμῆσαι, καθᾶραι, ἁγνίσαι H., ‘reinigen’ (Anon. ap. EM), mit ἀ-φοίβαντος ‘nicht gereinigt, unrein’ (A.). — Unerklärt. Mit dem Adj. φοῖβος ‘rein, klar, glänzend’ (woraus dann Φοῖβος als Gottesname) werden von Fick BB 28, 109 und neuerdings von Ruipérez Emer. 21, 14 ff. die H.-Glossen ἀφικτόν (leg. ἄφικτον?)· ἀκάθαρτον, μισητόν und ἀφικ-τρός (leg. ἄφικτρος?)· ἀκάθαρτος, μιαρός verbunden (zum Lautlichen noch Schwyzer 299). Die weitere Heranziehung eines sonst unbekannten apers. Wortes *bigna- in den PN Bagā-bigna- und ’Αρια-βίγνης (Justi ZDMG 49, 682), angebl. ‘Glanz’, ist selbstverständlich rein hypothetisch. Ebenso unbewiesen und unbeweisbar sind die pelasgischen Erklärungen von Φοῖβος: zur Sippe von ποιμήν (v. Windekens Le Pél. 141 f., Emer. 26, 33ff.), zu lat. pūrus und pius (Carnoy Ant. class. 24, 26). Weniger bedenklich ist der Vorschlag von Schmid Arch. f. Religionswiss. 22, 217ff., Φοῖβος als eine metrisch bedingte Umbildung von Φόβος zu erklären (dazu Kretschmer Glotta 15, 199). Bei den letztgenannten Deutungen wäre das Adj. φοῖβος entweder als ein besonderes Wort zu betrachten oder als eine dichterische Umdeutung des Gottesnamens zu verstehen. II-1031
Φοίνῑκες 1. m. pl. Volk an der Westküste Syriens, auch die Einwohner von Karthago als phöniz. Kolonisten, sg. Φοῖνιξ, -ῑκος, f. Φοίνισσα ‘Phönizier (in)’ (seit Il.); Sohn des Agenor als Eponym des Volkes, auch S. des Amyntor, Herrscher der Doloper (Il. u.a.), Fluß bei Thermopylae (Hdt.). Davon 1. Φοιν-ίκη f. ‘Land der Ph.’ (seit Od.), auch von Karthago (E.); alter N. von Karien (Ath.), auch Ort in Epirus (Plb., Str. u.a.). 2. Adj. -ικήϊος (Hdt. u.a.), -ικικός (Epich., Hdt., Th. usw.; Chantraine Études 120, 122, 124), -ίκιος (S.Fr., D.S.), -ίκινος (Gal.). 3. -ικίας ἄνεμος ‘der Südostwind’ (Arist. u.a.). 4. -ικίδιον n. ‘kleiner Phönizier’ (D. L.). 5. -ικιστί ‘in phönizischer (punischer) Sprache’ (Plb.). 6. -ικίζω ‘nach Art der Ph. leben’ (Luk.). — Zur Bildung vgl. Αἴθῑκες, Τέμμῑκες, Θρήϊκες (-ῐ-) u.a.; Weiteres s. φοινός. — Lat. Poenus, Pūnicus, s. W.-Hofmann s.v. II-1032
φοῖνιξ 2., -ῑκος (Akz. nach Hdn. Gr.) m. f. ‘Palme, bes. Dattelpalme’, auch ‘Dattel’ (seit ζ 163), auch auf andere Pflanzen übertragen (Thphr., Dsk.). Als Vorderglied z.B. φοινικο-βάλανος f. ‘Dattel’ (hell. u. sp.). Davon 1. φοιν-ίσκη (für -ικίσκη) f. ‘kleine Palme’ (Pap. IIp). 2. -ικίς f., -ικίδιον n. ‘Palmenornament’ (Delos III-IIa). 3. Adj. -ικήϊος (Hdt.), -ίκιος (Gortyn V-IVa), -ίκειος (D. S.), -ίκινος (Kom. IVa, Pap. u.a.), -ικικός (Ph. Bel., Pap.), -ικηρόν (?, μέτρον Pap. IIp). 4. -ικίτης (οἶνος Dsk.; Redard 100). 5. -ικών, -ῶνος m. ‘Palmenhain’ (hell. u. sp.). — Eig. "der Phönizier" mit Beziehung auf die östliche Herkunft der Palmen und auf den Dattelhandel der Phönizier, Schrader-Nehring Reallex. 1, 184f., Strömberg Pflanzennamen 123. II-1032
φοῖνιξ 3., -ῑκος m. N. eines Saiteninstruments (Hdt. 4, 192, hell. Historiker). — Nach Semus 1, weil aus Palmenholz verfertigt. Oder als phönizische Erfindung? II-1032
φοῖνιξ 4.,-ῑκος m. N. eines mythischen Vogels, als dessen Heimat sowohl Arabien wie Indien angegeben werden; er wurde in Ägypten verehrt (Hes. Fr. 171, 4, Hdt. 2, 73 usw.). — Zu äg. bjn; weitere Geschichte unbekannt. Ausführlich Thompson Birds s.v. II-1032
φοῖνιξ 5.,-ῑκος m. ‘Purpurfarbe, Purpur’ (Hom. u.a.); als Appellat. od. Adj. (f. auch -ισσα) ‘Fuchs’ od. ‘fuchsfarben’, von einem Pferd (Ψ 454), ‘purpurfarben, dunkelrot, lohfarben’, von Vieh, Feuer, Kleidern usw. (Pi., Simon., E., Theok.); oft als Vorderglied, z.B. φοινικο-πάρῃος ‘purpurwangig, mit rot angestrichenen Seiten’, vom Schiff (Od.). Davon 1. φοιν-ικίς, -ικίδος f. ‘Purpurkleid, -decke, rotgefärbtes Kleid’ (Ar., X., Aeschin. u.a.), ‘rote Fahne’ (Lys., Plb.), mit -ικιστής m. ‘Purpurträger’, Ben. eines persischen Hofbeamten (X.; Fraenkel Nom. ag. 1, 23 m. A.1). 2. Adj. -ικόεις (Hom., Hes.; vgl. Debrunner Αντίδωρον 31), -ίκεος, -ικοῦς (ion., Pi., X., Arist. usw.), myk. po-ni-ki-jo (Gallavotti Par. dcl Pass. 12, 13 f.); -ίκιος (Epich., Arist. u.a.); -ικιοῦς (Ar., Arist. u.a.) ‘purpurfarben, hochrot’. 3. Verba: a. -ίσσω, -ίξαι, auch m. ἐπι- u.a., ‘purpern, röten’, auch intr. ‘rotgefärbt werden’ (vorwiegend poet. seit Orac. ap. Hdt., B., Trag. u.a., auch Arist., Thphr.) mit -ιγμός m., -ιξις f. ‘Hautröte’ (sp. Mediz.), -ιγμα n. ‘das Gerötete’ (Lib.). b. -ικίζω (ἐπι-) ‘purpurfarben sein’ (Arist., Gp.). — Zum Volksnamen Φοίνικες; des näheren s. zu φοινός. II-1032-1033
φοινός ‘rot’ (von Blut, αἵματι Π 159), Beiw. von θυμός in unklarer Bed. ‘blutrot? mörderisch?’ (h. Ap. 362), ‘tödlich’ (Nik.), f. φοινάς = ἐρυσίβη (Theognost. Kan.); erweiternd -ήεις von δράκων (Μ 202 u. 220), von αἷμα (Mosch.), von einer Kobra, ἀσπίς (Nik.); -ώδης ‘hochrot’, von καρπὸς σίδης (Nik.); oft m. verstärkendem δα- (s.d.) δαφοιν-ός vorw. von Raubtieren ‘dunkelfarben, lohfarben’, auch ‘mörderisch, todbringend’ ? (ep. poet. seit Il.); erweiternd -εός (Σ 538, Hes. Sc. 159), -ήεις (Nonn.). Gewöhnlicher φοίν-ιος (nach φόνιος; vgl. ὀρθός : ὄρθιος u.a.), von αἷμα, wohl mit Beziehung auf die Farbe (σ 97, A., S.), ‘blutig, blutgefleckt, mörderisch, tödlich’ (Pi., Trag.). — Ohne überzeugende Etymologie. — Schon im Altertum mit φόνος ‘Totschlag, Mord’ (s.d.) verbunden, was indessen semantisch wenig befriedigt und morphologisch ganz unwahrscheinlich ist (ein Kons.-Stamm *φον-, wozu *φον-ιός, läßt sich nicht glaubhaft machen). Das Wort wurde aber früh auf φόνος bezogen, so daß es sogar mit φόνιος semantisch fast zusammenfiel und als eine Wechselform davon aufgefaßt wurde (v. der Mühll Mus. Helv. 13, 193f.). — An φοινός schließt sich der VN Φοίνῑκες wie Αἴθικες an αἰθός (Bechtel Lex. s.v.); ähnlich Φαίακες zu φαιός (s.d.). Von den Φοίνικες (den "Rotmännern"?) hätte nach gewöhnlicher Auffassung der Purpur als "phönizische Farbe" seinen Namen bezogen. Umgekehrt Speiser Lang. 12, 121 ff.. φοῖνιξ ‘Purpur, rote Farbe’ von φοινός, wozu Φοινίκη ‘das rote, das Purpurland’ (auch von Karien); letzteres setzt aber einen VN Φοίνικες voraus (Kretschmer Glotta 27, 250). Für die Priorität von φοῖνιξ ‘rot, Purpur’ (von φοινός) gegenüber den Φοίνικες auch v. Wilamowitz Eur. Her. 419f. (zu V. 945). Anders Bonfante ClassPhil. 36, 1ff.: Φοίνικες urspr. ein illyr. Stamm (vgl. Φοινίκη in Epirus); dazu φοῖνιξ als "phönizische Farbe". Für Φοίνικες als (orientalisches) Fremdwort (wozu φοῖνιξ ‘Purpur’) u.a. Chantraine Form. 382, Belardi Doxa 3, 221 f., auch Deroy Annuaire de l’Inst. de phil. 13, 87 ff. mit weit ausgreifenden Hypothesen u. reicher Lit. Wenn man trotzdem φοῖνιξ und Φοίνικες von φοινός nicht trennen will, bleibt nur übrig, das poetische φοινός (mit δαφοινός und φοίνιος) als eine Rückbildung aufzufassen, was unzweifelhaft hart, aber vielleicht nicht ganz unmöglich wäre. II-1033-1034
φοιτάω, φοιτῆσαι, πεφοίτηκα (ἐπεφοίτεε Nonn.) ‘hin- und hergehen, wiederholt gehen, umherwandeln, jn. (regelmäßig) besuchen, in die Schule gehen, auf den Markt kommen’, von einer Ware (seit Il.). oft m. Präfix, z.B. ἐπι-, δια-, συν-, ἀπο-. Als Hinterglied u.a. in ἠερο-φοῖτις, Beiw. der ’Ερινῦς, ‘in dem Nebel wandelnd’ (I 571, Τ 87; vgl. Bechtel Lex. s.v., auch Schwyzer 825), ‘in der Luft wandelnd’, vom Mond (Orph.), m. ἠερο-φοίτης, ἀερο-φοίτας (Ion Chius, Orph., Nonn.), ἠερό- (ἀερό-)φοιτος, von Sternen, Vögeln usw. (A.Fr. 282 = 198 M., sp. Dicht.); ὀρει-φοίτης, -φοιτος ‘in den Bergen wandelnd’ mit -φοιτέω (hell. u. sp.). Daraus das Simplex φοίτης· ὸ κήρυξ H. Ableitungen: 1. φοιτ-άς f. (m.) ‘herumirrend, herumschwärmend, rasend’, von Kassandra, Bacchantinnen u.a. (Trag. u.a.; Schwyzer 508) mit φοῖτος m. ‘das Herumirren, Verirrung’ (φρενῶν A. Th. 661). 2. -αλέος ‘ds.’, auch ‘herumtreibend, zum Wahnsinn treibend’ (A. u. E. in lyr., Mosch., AP u.a.; Debrunner IF 23, 25); erweitert -αλιεύς (Opp.), -αλιώτης (AP 9, 524, 22 Versende) von Dionysos, Boßhardt 70. — 3. -ησις (ἐπι-, συν- u.a.) f. ‘das häufige Hingehen, bes. in die Schule’ (att. usw.). 4. -ητής (συν-) m. ‘Schüler’ (att. usw.), -ητήρ m. ‘ds.’ (Nonn.), auch = -αλέος (ep. Dicht. V-VIp); -ητός (Kom. Adesp.), -ητικός (Sch.). — 5. Erweiterte Verbformen: a. -ίζω = -άω (h. Hom. 26, 8, Kall., A. R.; wohl nach θαμίζω, Fraenkel Nom. ag. 2, 38). b. -άζω ‘ds.’ (Hellad. ap. Phot.). Die obigen Formen, einschließlich φοιτάς, φοιταλέος und φοῖτος, gehen alle vom Präsens φοιτάω aus (Brugmann IF 28, 288 A. 1; anders, abzulehnen, Fraenkel Nom. ag. 1, 243 u. 2, 115 m. A. 4). Zur Bildung vgl. σκιρτάω, ἀρτάω, τητάομαιu.a. (Schwyzer 705). — Unerklärt. Unhaltbare Etymologien bei Bq; zuletzt Brugmann a.a.O. (mit Anknüpfung an ἰτάω in ἰτητέον ‘eundum’ u.a.). II-1034
φολίς, -ίδος f. ‘Schuppe eines Reptils’ (Arist., A. R., D. S., Opp. u.a.), übertr. von den Flecken einer Tierhaut (Hld.). von der Mosaik einer Decke (D. S.). Davon φολιδ-ωτός ‘mit Schuppen versehen’ (Arist., Thphr., hell. Inschr. u.a.), -ώδης ‘schuppen- artig’ (Hp. v. 1.), -όομαι ‘mit Schuppen bedeckt werden’ (Philum.). — Bildung wie λοπίς (: λοπός), λεπίς (: λέπος, s. λέπω). Allgemein mit φελλός (s.d.) verbunden, wobei besonders ein slav. Wort, z.B. russ. boloná ‘Auswuchs an Bäumen’, klr. boɫóna ‘Haut, Häutchen, Pergament’, in Betracht kommt. II-1034-1035
φολκός Beiw. des Thersites (Β 217) unbekannter Bed., — mithin ohne Etymologie. Gewöhnlich (s. Curtius 169) als ‘krummbeinig’ verstanden und von Persson Beitr. 2, 757 A. 5 vermutungsweise mit φάλος Bez. eines Helmschmucks od. Helmteils und mit aind. hvárate ‘krumm, schief gehen’ u.a.m. verbunden; s. Lit. zu φάλος. Ältere Vorschläge bei Bq. II-1035
φόλυες κύνες· οἵ πυρροὶ ὄντες μέλανα στόματα εἶχον H. — Gennadius JHSt. 46, 42 f., der στίγματα (für στόματα) lesen will, an sich denkbar, zieht das Wort zu φολίς ("dogs of a yellowred coat spotted with black"). Eine direkte Ableitung ist jedenfalls aus morphologischen Gründen nicht möglich. II-1035
φόνος m. ‘Totschlag, Mord’, poet. ‘Blutvergießen, Mordblut’ (seit Il.); auch in dem dichterischen Ausdruck ἐρευγόμενοι φόνον αἵματος (Π 162) für αἷμα φόνου od. φόνιον, nicht mit Fick BB 8, 330, Bechtel Lex. s.v. u. a. zu εὐθενέω (vgl. WP. 1, 679 m. Lit.). Einzelne Kompp., z.B. φονο-λιβής ‘mord-, bluttriefend’ (A. in lyr.), ἀπό-φονος φόνος ‘unnatürlicher Mord’ (E. Or. 163, lyr.), danach ἀπόφονον αἷμα (ebd. 192), s. Fehling Hermes 96, 152 m. A. 2. Daneben, unbeschränkt produktiv, als Nom. ag. in Univerbierungen, z.B. ἀνδρο-φόν-ος ‘männermordend’ (seit Il.) mit -ία f. (Arist. usw.), -έω (Str. u.a.); Erweiterungen -εύς ‘ds.’ (Man.), -της (A. Th. 572; ἀνδρεϊ- ~ [Il.] nach ’Αργεϊ-φ., Schwyzer 452 A. 7 m. Lit.). Ebenso βου-φόν-ος mit -έω (H 466); zum Sachlichen Bechert Münch. Stud. 17, 5 ff. — Altererbtes Verbalnomen zu θείνω. Damit formal identisch slav., z.B. skr. gȍn eig. "das Treiben" (zu gnȁti ‘treiben, jagen’), ‘Strecke, die sich ein Pferd auf einmal treiben läßt’, cech. hon ‘Jagd’ (Vasmer s. gon) : idg. *gʷhónos m. Daneben als Nom. ag. (vgl. -φόνος) aind. ghaná- ‘erschlagend, tötend’, m. ‘Knüttel, Keule’, lit. gãnas, lett. gans ‘Hirt’ ("der Treiber"); als Hinterglied aind. -han-, aw. -ǰan-, z.B. nr̥-hán- = ἀνδρα-φόν-ος (Lex. Sol. = ἀνδρο- ~). Mit Schwundstufe toch. A kuñaś ‘Streit, Kampf’ (v. Windekens Orbis 15, 538f.) ? Weiteres s. θείνω. Ableitungen. 1. Adj. φόν-ιος ‘mörderisch, mord-, blutgefleckt, tödlich’ (Pi., Trag.); -ικός ‘zum Mord gehörig, mordlustig’ (Hdt., Th. u.a., Chantraine Études 126 u. 141); -ώδης ‘tödlich’ (Hp.), ‘an Mord, Blut erinnernd’ (Thphr.), ‘mörderisch, mordlustig’ (LXX u.a.). 2. -εύς m. ‘Mörder’ (seit Il.; Boßhardt 28 m. vielen Einzelheiten) mit -εύω, auch m. κατα-, ἐπι- u.a., ‘morden, töten’ (Pi., ion. att.), -ευτής m. ‘Mörder’ (LXX), f. -εύτρια (Sch.), -ευτικός ‘tödlich’ (Sch.), -εύσιμος ‘sterblich’ (Sch.; Arbenz 93). 3. -αξ m. N. eines Hundes (X. Kyn.; wie σκύλαξ u.a.). 4. Verb -όομαι in πεφονω-μένος ‘blutgefleckt’ (Opp.). — Neben φόνος : φοναί f. pl. ‘Totschlage, Blutbad, Mord, Blut’ (ep. poet. seit Il., auch Hdt. u. sp. Prosa; vgl. Bolelli Stud. itfllcl. N.S. 24, 107f.; zum Plur. Schwyzer-Debrunner 43) mit φονάω ‘mord-, blutgierig sein’ (S. in lyr., sp. Prosa). Vgl. φοινός. II-1035-1036
φοξός ‘spitz, zugespitzt’ (Β 219 vom Kopf des Thersites, Arist., AP u.a.) mit φοξό-της f. ‘spitzige Form’ (Gal.), -ῖνος m. N. eines unbek. Fisches (Arist., auch Mnesim., wo φυξ- geschr., wahrscheinlich in Anlehnung an φύξις, φυγεῖν, s. Strömberg Fischn. 41); φοξί-χειλος (κύλιξ) ‘mit zugespitztem Rand’, d.h. ‘sich nach oben verengend’ (Semon.; φοξι- nach dem verbalen -ξι-). — Bildung wie λοξός, καμψός usw., ohne sichere Etymologie. Von Lidén Armen. Stud. 59 f. (m. älterer Lit.) zu φάγρος ‘Wetzstein’ gezogen. Pelasgische Etymologie (zu πεύκη usw. mit Merlingen) bei v. Windekens Studi Micenei 2, 110ff. Frühere Versuche auch bei Bq. II-1036
φορίνη (ῑ) f. ‘harte, rauhe Haut, bes. Schweineschwarte’ (Hp., Antipho Soph., Aristom.Kom. u.a.). — Zur Bildung vgl. ῥητίνη und die zahlreichen Fisch- und Pflanzennamen u.a.m. auf -ῑνος, -ῑνη (Chantraine Form. 203 ff.). Ohne inner- od. außergriech. Entsprechung. Eine entfernte Ähnlichkeit zeigt ein german. Wort für ‘rauhe, äußere Rinde’, z.B. awno. bǫrkr, nd. (>nhd.) Borke; s. Persson Beitr. 1, 22 A. 2, wo auch awno. bāra f. (idg. bhēr-) ‘Wellenkamm, harter Streifen an der Oberfläche, Käsekruste’ herangezogen wird. Morphologische Erwägungen bei Specht Ursprung 165. II-1036
φορκόν · λευκόν, πολιόν, ῥυσόν H. — Hierher noch (m. oppositivem Akzent) Φόρκος (Pi. P. 12, 13, S. Fr. 861, Lyk. 477, Phanokl. 1, 20) = Φόρκυς, -ῡ(ν)ος m. (Od., Hes. u. a.) als ἅλιος γερων? —Nicht sicher erklärt; eine Vermutung zu φαρκίς. II-1036
φόρμιγξ, -ιγγος f. ‘Zither’, bes. als Instrument des Apollon (seit Il.). Als Hinterglied u.a. in φιλο-φόρμιγξ ‘Freund der Zither, die Zither liebend’ (A. in lyr.). Davon φορμ-ίζω, nur Präs., ‘Zither spielen’ (Hom., Hermesian.) mit -ικτάς dor. (Pi., Ar. in lyr., AP), -ικτήρ (Nonn.) m. ‘Zitherspieler’, -ικτός ‘von d. Z. begleitet’ (S.Fr. 16). — LW ohne Etymologie; vgl. die gleichgebildeten und sinnverwandten σάλπιγξ, σῦριγξ. Über die abzulehnende Verbindung mit aind. bhramará- m. ‘Biene’, nhd. brummen usw. usw. s. WP. 2, 202. Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pél. 156; noch andere Hypothesen bei Grošelj Slavistična Revija 4, 250. II-1036-1037
φορμός m. ‘Korb’, auch als Getreidemaß (ion. att. seit Hes.), auch von anderen geflochtenen Gegenständen: ‘Matte’ (Hdt., Ar., Thphr.), ‘grober Mantel der Seeleute’ (Theok., Paus.), ‘Sieb’ (Dsk.). Als Vorderglied u.a. in φορμο-φόρος m. ‘Korb- träger’ (Epikur.) mit -έω (D. C.). Mehrere Deminutiva: φορμ-ίς f. (Kom., Arist.), -ίσκος m. (Pl., EM), -ίσκιον n. (Poll.) ‘Korb’, -ίον n. ‘ds.’ (Hippon.), ‘Reisbündel’ (D. L.). — Die formal sich aufdrängende Anknüpfung an φέρω als "Träger" scheint mit den wechselnden Bedd., die sich alle auf den Begriff des Flechtwerks beziehen, schwer vereinbar. Das Wort wurde deshalb von Schulze Q. 110ff. mit φάραι· ὑφαίνειν, πλέκειν H. und φᾶρος ‘Tuch, Leinwand’ (s.d.) verbunden, was aber (trotz Specht Ursprung 182) morphologisch weniger einleuchtet. Eine Entwicklung von ‘Korb’ ( < ‘Träger’) zu ‘Korbgeflecht’ mit Übertragung auch auf anderes geflochtenes Material ist immerhin denkbar. — Zu φορμός stimmt lautlich germ., z.B. got. barms ’κόλπος’, ahd. barm ‘Busen, Schoß’, das aber auch anders gedeutet wird (s. WP. 2, 156 u. 162); ähnlich (Mann Lang. 17, 19) alb. barmë f. ‘die innere Lage der Baumrinde’. — Vgl. φωριαμός. II-1037
φορά, φόρος usw. s. φέρω. II-1037
φορύνομαι ‘vermischt, befleckt, besudelt werden’ (χ 21, Q.S. 2, 356; 3, 654), φορύνει· φυρᾷ, μολύνει, συγχεῖ H. Daneben φορύσσομαι (Opp.), Aor. φορύξαι, auch m. ἀνα-, (σ 336, Hp.), -ύξασθαι (Nik.), πεφορυγμένος (Nik., Q. S., Opp.) ‘ds.’, φορυσ-σέμεναι· μολύνειν H. — Davon αἱμο-φόρυκτος ‘mit Blut besudelt’ (υ 348), ἀ- ~ (AP), φορυκτός (Lyk.). Auch φορῠτός m. ‘Gemisch, Gemengsel, Kehricht, Auswurf, Spreu’ (Demokr., Ar., Arist., Thphr. u.a.); φόρυς· δακτύλιος ὁ κατὰ τὴν ἕδραν H. (vgl. μολυνίη· ἡ πυγή H.), auch als PN (Spitzname); dazu Φορυστας (Tanagra; Fraenkel Denom. 39 m. A. 5 u. 6). Unklar φαρυμός τολμηρός, θρασύς H. — Zu φορύνω vgl. μολύνω, παλύνω; φορύξαι, πεφορυγμένος wie μορύξαι, μεμορυγμένος (-χ-); φορύσσω wie ἀλύσσω, αἰθύσσω, αἱμάσσω u. a.; φορυτός wie συρφετός, νιφετός usw. Die Funktion des gemeinsamen Elements φορυ- läßt sich nicht bestimmen (das vulgäre φόρυς Rückbildung?); wenn mit Persson Beitr. 2, 785 A. 3 zu φύρω, viell. aus *φυρυ- dissimiliert (vgl. Bechtel Lex. s. φορύσσω und τορύνη, τολύπη). Vgl. indessen auch zu φρέαρ. II-1037-1038
φράζομαι (seit Il.), φράζω (nachhom.), Aor. φράσ(σ)ασθαι (ep. poet. seit Il.), φρασθῆναι (ep. poet. seit Od., Hdt.), Akt. φράσαι (seit λ 22), redupl. πέφραδε, -έμεν usw. (ep. seit Il.), Fut. φράσ(σ)ομαι (seit Il.), φράσω (nachhom.), Perf. Ptz. προ-πεφραδμένος (Hes. Op. 655), Ind. πέφρασμαι (seit A.), Akt. πέφρᾰκα (Isok. u.a.), ‘überlegen, bedenken, (er) sinnen, erkennen, beschließen, wahrnehmen’, Akt. ‘zu erkennen geben, anzeigen, zeigen, mitteilen’. oft m. Präfix, z.B. ἐπι-, συν-, περι-, Ableitungen. 1. φραδ-ή f. Überlegung, Einsicht, Anzeige, Andeutung’ (Pi., Alk., A., E. u.a.) mit -άω = βουλεύομαι (Hdn. Gr.), -άον· ἑρμηνεῦον H., -ᾱτήρ m. Bez. eines Beamten (Sizilien III-IIa: γραμματεὺς καὶ φρ.), -ᾱσε ‘zeigte an’ (Pi. Ν. 3, 26), -ητός (Sch.); -εύουσι· λέγουσιν H. 2. φράδ-μων (att. φράσ-μων), -μονος (ἀ-, πολυ- ~ u.a.) ‘verständig, achtsam’ (ep. poet. seit Il.) mit -μοσύνη f. ‘Verständigkeit, Klugheit’ (h.Ap., Hes. u.a.), -σμοσύνα (Epigr., Wyss 63f.). 3. φρά-σις (μετά-, παρά-, ἔκ- ~ u.a.) f. ‘Ausdrucksweise, Ausdruck’ (Ar. Ra. 1122 [literar.-rhetor.], Arist., D. H., Str. usw.). 4. φραστύς· σκέψις, ἔννοια, βουλή, φράσις H.; ἀφρασ-τύες pl. (Kall. Fr.anon.9; Suid.) von ἄφραστος (Frisk Subst. priv. 11). 5. φρασ-τήρ m. ‘Verkünder, Führer’ (X., Ph., Plu.), -τωρ m. ‘Führer’ (A. Supp. 492; Versuch einer semant. Differenzierung von Benveniste Noms d’agent 33 u. 48f.); παρα-, μετα-φρασ-τής ‘Umschreiber’ bzw. ‘Übersetzer’ (sp.); Simpl. φράστης = eloquens (Gloss.). 6. φρασ-τικός (παρα-, περι-, μετα-, ἀντι-, ἐκ- ~) ‘zum Ausdruck dienend, ausdrücklich’ (sp.). — Als Hinterglied: 7. -φραδής (ep. poet. seit Il.), z.B. ἀφραδ-ής ‘unüberlegt, unverständig’ mit -ίη ‘Unverstand’, -έω ‘unüberlegt handeln, unverständig sein’; aus den Kompp. verselbständigt φραδέος (Gen. Ω 354), s. Schwyzer 513 A. 11, Leumann Hom. Wörter 111 m. Lit. (könnte an sich zu *φραδύς gehören). 8. -φραστος, z.B. ἄφρασ-τος ‘unbegreiflich, unwahrnehmbar, unaussprechbar’ (ep. poet. seit h. Merc., Hdt.) mit -τύς (s. oben 4). — Zu ἀποφράς s. bes. — Zu φράζω und Ableitungen bei Parmenides s. Mourelatos ClassPhil. 60, 261 f. — Die obigen Formen gehen alle auf ein Element φραδ- zurück, das u. a. in dem altertümlichen reduplizierten Aorist klar zutage tritt und den Charakter einer schwundstufigen Wurzel hat (πέ-φραδ-ε wie πέ-φν-ε), aber isoliert steht. Wenn man den Dental als Formans abtrennt (vgl. κλά-δ-ος, σπα-δ-ών), öffnet sich indessen ein Weg zu φρήν (s.d.). II-1038
φράσσω, att. -ττω, auch φράγνυμι, Fut. φράξω (alles nachhom.), Aor. φράξαι, -ασθαι (ἐφάρξαντο Hdn. Gr.), φραχθῆναι (seit Il.), φραγῆναι (hell. u. sp.) mit φραγήσομαι neben φραχθήσομαι (sp.), Perf. Med. πέφραγμαι (E. usw.), πεφαργμένος (Hdn. Gr.), Plpf. ἐπέφρακτο (Hdt.), Akt. πέφρακα (Ph.), πέφραγα (Sch.); ‘umzäunen, umschanzen, verschanzen, (ein Schiff) mit Setzbord (gegen die Wellen) ausrüsten, (ein Pferd) mit Schuppenpanzern versehen, sperren’ (zu φράσσω als nautischem Fachausdruck Taillardat Rev. de phil. 3. sér. 39, 83 ff.). oft m. Präfix, z.B. ἀντι-, ἀπο-, ἐν-, περι-, συν-, Ableitungen. 1. φράγ-μα (διά-, περι-, ἔμ- usw. mit verschiedenen Sinnfärbungen) n. ‘Umzäunung, Schutz, Abwehr’ (ion. att.), φάρχμα n. ‘ds.’ (Epid.IVa; < -κσμ-); διαφραγμάτιον n. ‘kleine Scheidewand’ (Delos IIIa). 2. -μός (ἐμ-) m. ‘das Einschließen, Umzäunung, Zaun’ (ion. att.) mit -μίτης Beiw. von θάμνος, κάλαμος ‘in Zäunen wachsend’ (Redard 77, Strömberg Pfl. 117). 3. φράξις, vorw. mit ἀπο-, δια-, ἀντι-, ἐν-, συν- u.a., ‘das Umzäunen usw.’ (ion. att.). 4. κατα-, περι-φράκτης m. ‘Umzäuner usw.’ (sp.), φράκτης ‘Schleusentor’ (Prokop.). 5. φρακτός ‘umzäunt, geschützt’ (Opp.) mit φρακτεύω ‘umzingeln’ (Pap.IIIa); φαρκτός ‘ds.’ (EM) mit φαρκτόομαι in φάρκτου φυλακὴν σκεύαζε H.; auch φάρκτεσθαι (für -οῦσθαι?)· τὸ φράττεσθαι H.; alt und gewöhnlich in Kompp., z.B. ἄ-φρακτος (ἄ-φαρκτος) ‘unverzäunt, unbefestigt, ohne Setzbord, ohne Rüstung’ (att.), ναύ-φρακτος (-φαρκτος) ‘von Schiffen beschirmt’ (στρατός u.dgl.; A. in lyr., E., Ar., att. Inschr.); zur Erklärung Taillardat a. O. 6. φρακτικός (παρα-, ἐκ-, ἐμ-) ‘sperrend usw.’ (Mediz. u.a.). —Zu δρύφακτος s. bes. — Als gemeinsame Grundlage läßt sich in erster Hand φρακ- (woneben als schwundstufige Variante φαρκ- nach Schwyzer 342) ansetzen, da das spät belegte φραγ-ῆναι Analogiebildung ist (Schw. 760), ebenso wie φράγνυμι (ἄξαι : ἄγνυμι, ῥῆξαι : ῥήγνυμι) u.a. Auch φράσσω (und πέφρακα) kann indessen zu φράξαι analogisch gebildet sein (πρᾶξαι : πράσσω u. a.; Schw. 715). weshalb auch φραγ- in Betracht kommt. — Eine überzeugende außergriech. Entsprechung fehlt. Seit alters wird damit lat. farciō ‘stopfen, vollstopfen, mästen’ und frequēns ‘gedrängt voll, häufig’ verbunden, so u.a. Curtius 302 (m. älterer Lit.). Dagegen mit guten Gründen WP. 2, 134 f.; zurückhaltend W.-Hofmann s.v. (m. reicher Lit.). — Zu φύρκος· τεῖχος H. s. πύργος m. Lit. — Vgl. φρήν. II-1038-1039
φράτηρ, -ερος, jünger φράτωρ, -ορος, ion. φρήτωρ (IG 14, 759, Neapel IIp), φρήτηρ· ἀδελφός H., dor. φρατήρ (Hdn. Gr.); auch myk.? (Gallavotti Par. del Pass. 16, 20ff.). m. ‘Mitglied einer Phratrie’ (att.); Davon φρήτρη f. (Β 362f.), φράτρα (D. H.= lat. curia, s.u.), mit Dissim. φάτρα (Tenos IIIa, Arkad.IIa); daneben att. usw. φρατρία, dissim. φατρία (Chios IVa, Tenos IIIa, oft in codd.), φ(ρ)ητρία (Neapel) f. "Bruderschaft", ‘Geschlechtsgenossenschaft’, als polit.-relig. Ausdruck ‘Unterabteilung einer Phyle’ (= 30 γένη), ‘Phratrie’. Als Vorderglied in φρατρί-αρχος m. ‘Vorsteher einer Ph.’ (D., att. Inschr.), φρήτ-αρχος mit -αρχέω (Neapel). — Davon 1. φατρ-ίτας m. ‘Mitglied einer Ph.’ (arkad.; Redard 28). 2. φράτρ-ιος, ion. φρήτρ-ιος Beiw. des Zeus, der Athena und anderer Götter als Beschützer der φρῆτραι und φρατρίαι (ion. att. delph.). -ιον Bez. des entsprechenden Heiligtums (Poll., St. Byz.). 3. φρατρι-άζω (vv. ll. φατρι-, φρατι-) ‘zur selben Ph. gehören’ (D.). ‘ein Bündnis eingehen, sich verschwören’ (Sch.) mit -ασμός m. ‘Bündnis, Verschwörung’ (Eust.). 4. φρατρίζω ‘ds.’ (Krateros, Inschr.; vgl. Andrewes JHSt. 81, 13 f.). 5. φρατορ-ικὸν (φρατερ-?) γραμματεῖον (D.). — In d. sp. Lit. (D.H., Plu.) werden φράτρα und φρατρία oft als Übersetzung von lat. curia gebraucht; ebenso die Abl. φρατρι-εύς, -αστής = curialis, -ακὴ ψηφοφορία = comitia curiata, -κὴ ἐκκλησία ‘ds.’, -ατικὸς νόμος = lex curiata. — Altes Wort für ‘Bruder’, in der Mehrzahl der idg. Sprachen erhalten: aind. bhrā́tar-, lat. frāter, germ., z.B. got. broþar, slav., z.B. aksl. brat(r)ъ usw. usw., idg. *bhrā́tor-, *bhrā́ter-; im Griech. in dieser Bed. von ἀδελφ(ε)ός ersetzt. — Im Rahmen der Großfamilie wurde wahrscheinlich das Wort für ‘Bruder’ auch für ‘Halbbruder’ und mit weiterer Beziehung auf andere männliche Verwandte derselben Generation wie die Vettern gebraucht (Risch Mus. Helv. 1, 118), was in mehreren Sprachen zur Schaffung neuer Bezeichnungen für ‘Bruder’ = ‘männlicher Abkömmling derselben Mutter’ hat beitragen können (s. ἁδελφός und Mayrhofer Bibl. Orient. 18, 274 m. A. 15 u. weit. Lit.). Die administrative Bed. des griech. Wortes hat sich zuerst in den Kollektivbildungen φράτρα, -ία eingebürgert, um von da auch bei dem Grundwort Eingang zu finden. — Neben φράτρα steht im Altind. das Abstraktum bhrātrám n. ‘Bruderverhältnis, Bruderschaft’; mit φρατρία deckt sich aksl. brat(r)ija ‘Bruderschaft’, russ. brátьja ‘Bruder’ als pl. von brat; daneben aind. (episch) bhrātryam n. ‘ds.’. —Weitere Einzelheiten m. Lit. bei Wackernagel Festgabe Kaegi 54 (Kl. Schr. 1, 482) m. A. 3. Zu den φρῆτραι bei Hom. Andrewes Herm. 89, 129 ff. II-1039-1040
φρέᾱρ, -ᾱτος, pl. -ᾱτα (att.), φρήᾰτα (Φ 197, geschr. φρείατα; dazu sg. φρεῖαρ Nik. Th. 486), kontrah. φρη-τός (Ägypten Ip. Hdn. Gr.), -τί (Kall. Cer. 15), pl. -τα (Pap. IIIa) n. ‘Brunnen’ (seit Φ 197). Als Vorderglied in φρεατο-τύμπανον n. ‘Wasserrad’ (Plb.), φρε-ωρυχ-έω ‘einen Brunnen graben’ (Ar., Str., Plu.), -ωρύχ-ος ‘brunnengrabend, Brunnengräber’ (Plu., Them.), -ία f. (J.). Davon 1. φρεάτ-ιον n. (hell. Pap.; der Form nach Demin.), pl. φρήτια (Sizilien) ‘ds.’. 2. -ία f. ‘Wasserbehälter, Zisterne’ (X., Plb.), ‘Öffnung’ (Apollod. Poliork.), φρητία· στόμα φρέατος H. (vgl. Scheller Oxytonierung 57). 3. -ιαῖος ‘vom Brunnen’, -ιαῖον ὕδωρ ‘Brunnenwasser’ (Hermipp. Kom., Arist. usw.; φρηταῖος Pap. IIIa), -ιος ‘ds.’ (sp.). 4. -ώδης ‘brunnenähnlich’ (Sch.). 5. -ισμός m. Bed. unsicher; viell. ‘Sturz in einen Brunnen’ (Notium IIa; *-ίζω). — Urgr. *φρῆϝαρ, woraus mit quantitativer Metathese att. φρέᾱρ (Schwyzer 245), ist mit arm. aɫbiwr, aɫbewr ‘Quelle’ identisch : idg. *bhrēu̯-r̥. Dazu mit alternierendem n-Stamm die übrigen Formen, z.B. Gen. *φρήϝα-τος aus *bhrēu̯-n̥- (arm. Gen. aɫber usw. mit durchgeführtem r-Stamm). Eine tiefstufige Nebenform, idg. *bhru-n-, ist in dem german. Wort für ‘Brunnen’ erhalten, z.B. awno. brunnr, got. brunna aus urg. *brunna(n) —. Die Geminata wird auf die tiefstufige Form eines erweiternden en-Suffixes (brun-n- neben *brun-en-) zurückgeführt. Diese uralte Bezeichnung für den ebenso uralten wie lebenswichtigen Begriff des Brunnens kann als Verbalnomen zu einem Verb für ‘wallen, sich heftig bewegen’, von Wasser usw., in lat. fervō, -eō ‘sieden, wallen, kochen’ mit dē-frŭ-tum n. ‘das eingekochte Most, Mostsaft’ gehören; s. zu diesen Kombinationen, die für das Griech. ohne größeres Interesse sind, WP. 2, 167f., Pok. 143ff. und ganz besonders W.-Hofmann s.vv.; das u̯-Element hat man indessen auch in φορύνομαι spüren wollen. — Außer φρέαρ besitzt das Griech. wahrscheinlich noch zwei alte Wörter für ‘Brunnen, Quelle’ in κρουνός und κρήνη (s.d.). Eine Neubildung ist dagegen πηγή, -αί ‘Spring- quelle, Gewässer’ (s.d.). Über die weitere Geschichte von φρέαρ i.m Mittel- und Neugr. s. Kapsomenos Λεξικογραφ. Δελτίον ’Ακαδ. ’Αθηνῶν 1 (1939) 40ff. II-1040-1041
φρήν, -ενός (poet. seit Il.), pl. φρένες, -ενῶν, Dat. auch -ασί (altatt. Epigr. VIa, Pi.) f. ‘Zwerchfell’, auch als Sitz aller Seelentätigkeit, ‘Sinn, Seele, Geist, Verstand, Herz’ (seit Il.). Kompp., z.B. φρενο-βλαβής ‘am Verstande verletzt, töricht, wahnsinnig’ (Hdt., Eup. u.a.), φρεν-ήρης ‘bei Sinnen’ (Hdt. usw.; Leumann Hom. Wörter 66), μετά-φρεν-ον n. ‘was hinter dem Zwerchfell liegt, der obere Teil des Rückens, der Rücken’ (vorw. ep. seit Il.; Sommer Nominalkomp. 115 m. A.1). — Mit Abtönung, unbeschränkt produktiv, -φρων, z.B. ἄ-φρων ‘von Sinnen, töricht’ (seit Il.) mit ἀφραίνω, ἀφρον-έω, ἀφρο-σύνη u.a., εὔ-φρων, ep. ἐΰ-φρων ‘mit fröhlichem Sinn, heiter, erfreuend, freundlich’ (seit Il.) mit εὐφραίνομαι, -αίνω, ἐϋφρον-έων (Ptz.), εὐφροσύνη usw. (ausführlich über den Gebrauch bei Hom. Latacz Zum Wortfeld "Freude" [1966] 161ff.); zu εὐφρόνη ‘Nacht’ s. bes.; πρό-φρων "mit dem Geist nach vorn’, ‘aus eigenem Antrieb, geneigt, wohlwollend’ (ep. poet. seit Il.), f. πρόφρασσα nach ἕκασσα (Hom.); σώ-φρων s. σῶς. Ableitungen. 1. φρεν-ῖτις (sc. νόσος) f. ‘Geisteskrankheit, Wahnsinn, Gehirnentzündung’ mit -ιτικός (Mediz. seit Hp. u.a.). -ιτιάω, -ιτίασις, -ιτίζω, -ιτισμός (sp.; Redard 103). 2. -όω ‘zur Vernunft bringen, belehren’ (Trag. u.a.) mit -ώσει· νουθετήσει und -ωτήριον· παραίνεσις H. — 3. φρονέω (κατα-, παρα-, συν-u.a.) ‘gesinnt sein, denken, verständig sein’ (seit Il.). aus den zahlreichen Denominativa (Dekomposita) verselbständigt: ἀφρον-έω, ὁμοφρον-έω usw. (: ἄ-, ὁμό-φρων); ausführlich Leumann Hom. Wörter 115ff., dazu Ruijgh L’élém. ach. 105f. Davon φρόν-ημα (κατα- u.a.), -ηματίας, -ηματώδης, -ηματίζομαι. -ηματισμός; -ησις (κατα-, παρα- u.a.), -ητικός. Auch, als Rückbildung: 4. φρόνις f. ‘Einsicht, Kunde’ (γ 244, δ 258, Lyk., Opp.), woneben das gewöhnliche φρόνιμος ‘einsichtsvoll, verständig’ (ion. att.; Arbenz 35 u. 38); PN Φρονίμη Mutter des Battos, des Gründers von Kyrene (Hdt. 4, 154), mit -ιμότης, -ιμώδης, -ιμεύομαι, -ίμευμα, -ίμευσις (sp.); somit φρόνις Rückbildung aus φρόνιμος, das seinerseits zu φρονέω wie δόκιμος zu δοκέω u.a. (Leumann a. O.)? — Dazu noch mit τ-Suffix: 5. der PN Φρόντις, -ιν, -ιδι m. u. f. (γ 282, P 40; dazu Picard Rev. Arch. 6. sér. 16, 5ff.; wie μάντις, πόρτις). 6. φροντίζω (ἐκ-, συν- u.a.) ‘sinnen, nachdenken, sorgen, besorgen’ (seit Thgn., Sapph.), das zu φρονέω gebildet sein kann nach Vorbildern wie ἐρα-τίζω ( : ἐρα-τός) : ἔραμαι, φαν-τάζομαι (ἄ-φαν-τος, -φάντης) : φαίνομαι, φανῆναι, ὀνο-τάζω (: ὀνο-τός) : ὄνο-μαι; zu den Verba auf -τάζω, -τίζω noch Schwyzer 706. Wenn diese Analyse richtig ist, gesellt sich zu φροντίζω als Rückbildung 7. φροντίς, -ίδος f. ‘Nachdenken, Sorge, Besorgnis’ (Simon., Pi., A. usw.). Anders über φροντίς Georgacas Glotta 36, 188: aus *φροντρίς (zu *φροντήρ) dissimiliert. Von φροντίζω noch φρόν-τισμα, -τισις, -τιστής, -τίστρια, -τιστήριον, -τιστικός. — Für sich steht φρανίζειν· σωφρονίζειν H.; alte Schwundstufe wie φρασί, ἀφραίνω ? — Zu φρήν im Verhältnis zu πραπίδες, θυμός, ψυχή usw. v. Wilamowitz Die Heimkehr des Odysseus (1927) 191 ff., Lorentzatos Αθηνᾶ 35, 3ff.; auch Magnien REGr. 40, 117ff. (von Wahrmann Glotta 19, 214 abgelehnt), Onians The origins of Eur. thought 23 ff. (mit kühnen, z.T. unwahrscheinlichen Interpretationen), Harrison The Phoenix 14, 64ff. u. 73ff. — Zur Bildung vgl. die Körperteilbenennungen αὐχήν, -ένος, ἀδήν, -ένος und das ablautlose σπλήν, -ηνός. Ein Rest der Schwundstufe ist im Dat. pl. φρασί (älter auch *φρανός usw.? Schwyzer 569) und in den Jotverben vom Typus ἀφραίνω erhalten. — Ohne überzeugende Etymologie. Semantisch bestechend ist die Verknüpfung mit φράσσω ‘umzäunen, sperren’ (Bréal MSL 15, 343; ähnlich schon Sonne KZ 12, 296; von Kretschmer Glotta 3, 339 abgelehnt). Die Etymologie setzt jedoch voraus, erstens daß φρακ-(φραγ-) in φράσσω die Schwundstufe eines nasalierten *φρεγκ- (< idg. *bhrenk-) repräsentiert (so schon Zupitza KZ 36, 56 und Wiedemann BB 27, 231 ff. mit unhaltbaren Folgerungen), zweitens daß ein dehnstufiger asigmatischer Nom. *bhrēnk schon früh, nach Verlust des auslautenden Gutturals, in die n-Stämme eingegliedert wäre. Ein ähnliches Problem bietet σπλήν (s.d.) gegenüber σπλάγχνα. —Andere Versuche : zu πορφύρω, φύρω (Brugmann Curt. Stud. 9, 376 A.); zu awno. grunr ‘Verdacht’ (Fick 1,417); zu got. brunjo ’θώραξ’ (Wiedemann BB 27, 236ff.); weitere Lit. bei Bq. Noch anders Machek Stud. in hon. Dečev 54: zu čech. bránice ‘Häutchen, das die Leber umschließt’ (mit Ablehnung der naheliegenden Verbindung mit brániti ‘schützen’); branwäre — φρων-. — An φρήν ‘Sinn’ schließt sich semantisch ungesucht φράζομαι ‘sinnen’ mit dem akt. (kausativen) Aor. πέφραδε (so schon Doederlein, Fick u. a., s. Wiedemann a. O.). Eine mit -δ- erweiterte Schwundstufe φρα-δ- hat manche Gegenstücke (s. φράζομαι), weshalb diese Etymologie auch formal ohne Bedenken ist. II-1041-1043
φρίκες (eher -ῖ-) · χάρακες H. — Zu φρίσσω (s. φρίξ) als "die starr Emporragenden". Nicht mit Persson Beitr. 1, 222 zu awno. brīk f. ‘Brett, Bank, Bretterwand, niedrige Schranke’. —Daneben φόρκες· χάρακες H.; Erklärung? Weder φρῖκες noch φόρκες hat nnt χάρακες etwas zu tun (Georgiev; s. Schwyzer 299). II-1043
φρῐμάσσομαι, att. -ττομαι, Aor. -ξασθαι ‘vor Lebenslust schnauben, sich ausgelassen gebärden’, von Pferden, Ziegen u.a. (Hdt., Theok., AP, Ael., Poll.) mit φριμαγμός m. ‘das Schnauben’ (Lyk., D. H., Poll.). — Expressive Erweiterung (nach φρυάσσομαι?) von φρῐμάω ‘ds.’ (Opp.), sonst unklar. Nach Persson Beitr. 2, 747 u. 784 zu awno. brīmi m. ‘Feuer’, aind. jarbhurīti ‘sich heftig bewegen, zucken, zappeln’ mit zahlreichen Wurzelvarianten; s. auch WP. 2, 158 f., Pok. 133. Ähnliche Wörter in ähnlichen Bedd. sind, außer φρυάσσομαι, noch βρῑμάομαι und σφρῐγάω. II-1043
φρίξ, -ῑκός f. ‘Schauer, das Aufschaudern od. Wassergekräusel einer Meeresfläche, das Sträuben der Haare’ (ep. poet. seit Il., auch Hp.; vgl. Leumann Hom. Wörter 62 A. 30 mit Lit.). Thematisch erweitert φρίκη f. ‘ds.’, auch ‘Frostschauer, Frost, Schauder vor Furcht’ (ion. att.; zur Bed. bei Hp. Strömberg Wortstud. 80f.). Kompp. φρικο-ποιός ‘schaudererregend’,ὑπό- φρικος ‘mit einem leichten Schauder’ (hell.). Davon φρικ-ία f. ‘Fieberschauer’ (Dsk.), -ίας m. N. eines Pferdes (mit Beziehung auf die Mähne; Pi.), -αλέος (Hp., AP u.a.). -ώδης (Hp., att. hell. u. sp.) mit -ωδία (sp.), -ώεις (hell. Lyr.) ‘schauernd, schauderhaft usw.’; auch φρικνόν· φρικαλέον, δεινόν, φοβερόν H. (vgl. ῥικνός), φριξός ‘sich sträubend’. von Haaren (Arist.), vgl. φοξός, λοξός; oder durch Verselbständigung des Vordergliedes in verbalen Rektionskompp. wie φριξο-κόμης, φριξ-αύχην (Leumann 156)? So am ehesten im mythischen PN Φρῖξος; daneben als Personifikation des Schauers (AP). — Verba. 1. φρίσσω, φρῖξαι, πέφρῑκα, auch m. ἐπι-, ἀνα-, μετα- u.a., ‘emporstarren, sich emporsträuben’, von Ähren, Haaren u. dgl., ‘(vor Kälte) schauern, (vor Furcht) schaudern’ (seit Il.) mit φρικτός (ἀπό-, ἐπί- ~) ‘schaudernd, Schauer erregend, emporstarrend’ (hell. u. sp.). Rückbildung ἐπιφρίξ· ἡ ἐπανάστασις τῶν κυμάτων (EM); vgl. noch φριξός oben. 2. Andere Bildungen in derselben Bed., spärlich belegt: φρικ-άζω (Poet. de herb.; auch Hp.?) mit -ασμός m. (LXX), -ιάω (sp. Mediz.) mit -ίασις (Sch.), -όομαι ,-όω ‘horresco, horri- fico’ (Gloss.), auch φρίζω (PMag. Osl.). — Hierher noch φρῖκες· χάρακες H. (s. bes.). — Ohne sichere außergriech. Entsprechung. Formal stimmt dazu das auch semantisch daran erinnernde kymr. u. bret. brig ‘Gipfel, Kamm’ aus idg. *bhrīko- (Lane Lang. 13. 22). Ferner stehen auf germ. Gebiet norw. brikja ‘hoch emporragen, prangen, glänzen’, brik ‘eine große, den Kopf hochtragende Frau’ u.a. (Wood KZ 45, 66). Weitere noch fraglichere Kombinationen bei WP. 2, 201, Pok. 166. II-1043-1044
φροῦδος ‘weggegangen, verschwunden, entschwunden, verloren’, nur prädikativ (Antipho 5, 29, Trag., Ar., sp. Prosa). — Durch Hauchversetzung aus *πρό-hοδος, Hypostase aus πρὸ ὁδοῦ ‘weiter des Weges’, so Δ 382 : πρὸ ὁδοῦ ἐγένοντο ‘sie gelangten weiter des Weges’; vgl. noch got. fram-wigis ‘fortwährend’. Zum Gen. des Ortes Schw.-Debrunner 507. II-1044
φρουρά, ion. -ή f. ‘Wache, Bewachung, bewachende Mannschaft, Besatzung, bewachter Ort, Gefängnis’ (ion. att.; zur Bed. Roux Rev. de phil. 3. sér. 35, 207ff., Boyancé ebd. 37, 7ff.). Als Vorderglied in φρούρ-αρχος m. ‘Befehlshaber einer φ.’ (att. usw.; -άρχης Them.) mit -αρχία, -αρχέω (X., hell. u. sp.). Oft als Hinterglied, z.B. ἔμ-φρουρος, Hypostase, ‘auf Wache, zur Wache gehörig, unter Bewachung, besetzt, gefangen’ (X., Decr. ap. D., Plb. u.a.) mit -φρουρέω ‘auf Wache sein, Wache halten’ (Th., D. C.), ‘gefangen sein’ (sp.). Daneben φρουρός m. ‘Wächter, Aufseher’, pl. ‘Besatzung’ (att., epid.); προυρός N. eines Beamten (ion., thess. IIIa); als PN Πρῶρος (kyren.; Paus., D. S. u.a.). Davon 1. φρουρ-ίς (ναῦς) ‘Wachtschiff’ (att. Inschr., Th., X.). 2. -ιον, kret. (IIa) φρώριον n. ‘Besatzungsort, Festung, Besatzung’ (att.), ‘Gefängnis’ (Pl. Ax. 366a). 3. -ικός ‘zur Wache, Besatzung gehö-rig’ (hell. Inschr., D. C.). 4. -ύτης m. Bez. eines milit. Amts (Pap. IVp; Vorbild?). 5. -έω (auch m. παρα- u.a.; vgl. zu ἔμφρουρος oben) ‘auf Wache sein, Wache halten, bewachen, hüten’ (ion. att.) mit -ημα (Trag.), -ησις, -ητός, -ητικός, -ητήρ, -ήτωρ (sp.). — Durch Hauchversetzung aus *προ-hορά bzw. *προ-hορός für -προ-ϝορ-ά, -ϝορ-ός, alte Verbalnomina zu einem Verb für ‘sehen’; s. ὁράω mit weiteren Einzelheiten zur Morphologie. II-1044-1045
φρυάσσομαι (-άσσω LXX), att. -άττομαι (κατα-) ‘vor Lebenslust wiehern, schnauben, sich ungeduldig gebärden’, von Pferden, ‘übermütig sein’, von Menschen (hell. u. sp.). Davon φρύ-αγμα n. ‘das Wiehern, das Schnauben’ (A., S., X.), auch von einem Eber (Opp.), ‘übermütiges Benehmen’ (sp. Prosa) mit -αγματίας ‘übermütig’ (Plu.), ἵππος ~ als Erkl. von πεδαορισ-τής H.; -αγμός ‘ds.’ (D.S.), φρυαγμο-σέμν-ακοι (τρόποι) von Bdelykleon (A. V. 135), -άκτης ἵππος (D. L.). — Expressive Bildung wie das synonyme φριμάσσομαι (s.d.); wahrscheinlich haben alte Kreuzungen stattgefunden. Güntert Reimwortbild. 160 will darin eine Umbildung von φριμάσσομαι nach ῥύαξ (statt *ῥυάσσομαι) sehen. Zu den weiteren unscharfen Kombinationen mit φρέαρ, lat. ferveō u.a.m. (Persson Beitr. 1, 179; 2, 785 u. 964) s. WP. 2, 167 und Pok. 143 f. II-1045
φρῠγίλος m. N. eines unbek. Vogels (Ar. Av. 763 u. 875), nach Thompson Birds s.v. u. a. ‘Buchfink’ = lat. fringilla, nach Benton JHSt. 81, 44 ff. dagegen Art Reiher, ‘cattle egret’. — Bildung wie τροχίλος, σποργίλος u. andere Vogelnamen, wegen der unsicheren Identifikation auch etymologisch schwierig zu beurteilen. Nach gewöhnlicher Annahme mit lat. fringilla ‘Fink’ oder ‘Sperling’ verwandt, wozu noch einige slavische Vogelnamen, z.B. russ. bergléz ‘Stieglitz’; letzten Endes schallnachahmend, s. W.-Hofmann s. 1. frigō und Vasmer s.v., auch WP. 2, 171f. u. 166, Pok. 137f. Ganz anders Benton a.O.: unter Verweis auf die (nur wortspielerische?) Assoziation mit Φρύξ und dem phrygischen Gott Sabazios bei Ar. ll. cc. erklärt er φρυγίλος als "der kleine Phryger", d.h. ‘der kleine ausländische Sklave". — Ält. Lit. bei Bq. II-1045-1046
φρύγω (ῡ), sp. auch φρύσσω, -ττω, Aor. φρῦξαι, Pass. φρυχθῆναι, φρῠγῆναι, Fut. φρύξω, Perf. Med. πέφρυγμαι, ‘rösten, dörren. braten’ (ion. att.). auch m. κατα-, περι- u.a., Mehrere Ableitungen. 1. φρύγ-ανον, meist pl. -ανα n. ‘kleines trockenes Holz, dürre Reiser, Reisig, Brennstoff’ (ion. att.) mit Demin. -άνιον (Dsk.) und -ανίς (Eust.); -ανίτης (κάλαμος) ‘zum Brennstoff geeignet’ (Pap. IIIa), -ανῖτις (ὕλη) ‘ds.’ (Hld.; Redard 111); -ανικός ‘von dürrem Reisig’ (Thphr. u.a.), -ανώδης ‘zum Reisig gehörig, reisigartig’ (Thphr., Dsk.); -ανίζω ’φ. sammeln’ (Poll.) mit -ανισμός m. ‘das Sammeln von φ.’ (Th.), -ανιστής m. (sp.), -ανίστρια f. (Ar.) ‘Reisigsammler(in)’. — 2. φρύγ-ετρον n. ‘Gefäß od. Gerät zum Rösten’ (Lex Solon. ap. Poll., H.). 3. -εύς m. ‘ds.’, auch ‘Röster’ (Theopomp. Kom., Poll.), eher direkt von φρύγω als mit Boßhardt 48 von *φρυγή; dazu -εύω = φρύγω (Poll.). 4. -ία· ἡ φρύγουσα, -ιος· ξηρος H., -ιον n. ‘Reisig, Brennholz’ (LXX), ‘Platz zum Rösten’ (EM). 5. -μόν· καῦσιν H. 6. -ίνδα παίζειν ‘mit gerösteten Bohnen spielen’ (Poll., H.). 7. φρῦξις f. ‘das Rösten, Verdorrtheit’ (sp.). 8. φρυκτός ‘geröstet’ (Sor.), als Subst. m. (vgl. σκηπτός, στρεπτός u.a.) ‘Feuerbrand, Fackel, Feuersignal’ (A., Th. u.a.) mit φρυκτ-ωρός m. ‘Wächter der Feuersignale’ mit -ωρία, -ωρέω (A., Th., E., Ar. u.a.), -ώριον n. ‘der Posten des Feuerwächters, Signalstation’ (Arist., Plu., Hdn.); φρυκτός (sc. κύαμος) m. ‘geröstete Bohne als Los verwendet’ (Plu.), ‘zur Abstimmung (statt ψῆφος) gebraucht’ (Poll., EM, Suid.); φρυκτοί m. pl. ‘kleine Bratfische’ (Kom. IVa), φρυκτά· ξηρὰ ἰχθύδια εὐτελῆ H.; Gegensatz ἑψητοί ‘Kochfische’, s. Strömberg Fischn. 89. — Ohne genaue außergriech. Entsprechung. Gegenüber φρύγω stehen mit abweichendem Vokalismus die gleichbedeutenden lat. frīgō, -ere und aind. bhr̥jjáti. Obwohl offenbar miteinander zusammenhängend, lassen sich diese Verba auf keine gemeinsame idg. Grundform zurückführen. Mit dem Universalmittel der Wurzelerweiterung bhr-ū-g-, bhr-i-g-, bhr̥-g- (WP. 2, 165 f., Pok. 137 mit Persson Beitr. 2, 860 m. A. 2) läßt sich keine befriedigende Lösung erreichen; es wäre tatsächlich ein Wunder, wenn an eine Wurzel bher- ‘rösten, backen, kochen’ nach eventueller Hinzufügung wechselnder Vokale gerade dasselbe gutturale Element angetreten wäre. Weit glaubhafter ist, daß dasselbe Grundwort seinem expressiven Charakter gemäß unter dem Emfluß verschiedener formaler und begrifflicher Assoziationen im Laufe der Jahrhunderte oder Jahrtausende umgeformt wurde; vgl. v. d. Osten-Sacken IF 28, 150 ff., wo mit schallnachahmenden Faktoren gerechnet wird, und Ernout-Meillet s.v. — Weitere Formen m. reicher Lit. bei W.-Hofmann und Mayrhofer s.vv. II-1046-1047
φρύνη φρῦνος m. (f.), auch φροῦνος (PMag. Osl.) f., ‘Kröte, Frosch’ (zur Bed. Taillardat -Roesch Rev, de Phil. 3.sér.40,77; Arist., Timae., Nik., Babr. u.a.). Als Vorderglied in φρυνο-λόγος (-λόχος) m. ‘Art Weihe’ (Arist.), -ποπεῖον n. ‘krötenförmiges Feuerbecken’ (böot.; Taillardat-Roesch a. O.), -ειδής ‘krötenähnlich’ (Arist.), = φρυνικός (sp. Mediz.). Pfl.N. φρύνιον n. = ποτίρριον (Dsk.), = βατράχιον (Ps.-Dsk.); φρυνίτης N. eines Edelsteins (sp.; Redard 63). PN Φρύν-ιχος, -ικίδης, -ίων, -ώνδας u. a.; zur Akzentuation des Hetärennamens Φρυνή s. P. Maas KZ 58, 125ff. — Wenn auf die Farbe zu beziehen, kann φρύνη, φρῦνος mit dem germ. Wort für ‘braun’ in ahd. brūn usw. identisch sein : idg. *bhrūn-o-, -ā (Curtius 303 f. m. älterer Lit.). Daneben mit Reduplikation aind. babhrú- ‘rotbraun, braun’, auch Bez. einer großen Ichneumon-Art, die zum weitverbreiteten Namen des Bibers stimmt: aw. bawra-, bawri-, lat. fiber, germ., z.B. ahd. bibar, lit. bẽbras, bebrùs u.a.m.: idg. *bhe-bhru-, *bhe-bhro-. Hierher noch der Name des Bären, z.B. ahd. bero eig. "der Braune" (vgl. lit. bė́ras ‘braun’, bes. von Pferden). Weiteres bei WP. 2, 166 f., Pok. 136 f. und in den Spezialwörterbüchern. Über die vielen wechselnden Bezeichnungen der Kröte und des Frosches s. βάτραχος. II-1047
φύγεθλον (Gal.), -θρον (Ruf. ap. Orib., Cels.) n. ‘Drüsenanschwellung, bes. in Leisten und Achselhöhlen’. — Aus *φλύγεθλον mit Dissimilation bzw. Suffixtausch zu -φλυξ in οἰνό-φλυξ, -φλυγος m. f. ‘weintrunken, Weintrinker’, eig. ‘vorn Wein sprudelnd, überwallend’ (Hp., X., Arist. u.a.) mit -φλυγία, -φλυγέω; vgl. φλύκταινα. II-1047
φυγή, φύζα s. φεύγω. II-1047
φῦκος n. ‘Meertang, Seegras’ (I 7, Alkm., Thphr. usw.), ‘rote Schminke’, aus dem Meertang bereitet (Ar.Fr. 320, 5, Theok. u.a.). Als Vorderglied u.a. in φυκο-γείτων ‘Nachbar des Tanges’, Beiw. des Priapos (AP); ἄ-φυκα· ἀκαλλώπιστα H. Davon 1. φυκ-ίον, meist pl. -ία n. (wie τειχ-ίον : τεῖχος u.a.) ‘Tang, Seegras’ (Pl., Arist., Delos IVa u.a.), auch Fischname (AP, Orib.; vgl. φύκης), ‘Schminke, Schminkdose’ (Luk., Them., Delos IIIa), φυκιο-φάγοι ‘Tangfresser’, von Fischen (Arist.); φυκι-ώδης = φυκώδης (Sch.; s.u.). 2. -άριον = φῦκος ‘Schminke’ H. s. ἄφυκα mit -αρίζω ‘schminken’ (Sch.). 3. -ης m., -ίς f. (Arist., Kom. IVa u.a.) auch -ήν m. (Diph. Siph. ap. Ath.) N. eines Fisches, wahrsch. ‘Lippfisch, Labrus’, nach dem Standort und dem Nährstoff (Strömberg Fischn. 82f.), mit -ίδιον n. (AP, Pap. IIIa). 4. -ίτης (sp.), f. -ῖτις (Plin.) N. eines Steins, wegen der Farbe (Redard 63). 5. -ώδης ‘voll Tang, tangähnlich’ (Arist., Thphr., Dsk.), -ιόεις ‘voll Tang’ (Ψ 693, Theok.), eher mit metr. bedingtem -ιόεις als von φυκίον. 6. Φύκιος Bein. des Poseidon (Mykonos IIa). 7. φυ-κόομαι ‘mit Tang ausgestopft werden’ (D. S.), ‘sich schminken’ (Plu.). — Aus dem Semitischen; vgl. hebr. pūk ‘Augenschminke’ (Lewy Fremdw. 47 f.). Die Bed. ‘Schminke’ ist somit auch bei φῦκος die primäre; daraus ‘Meertang’. — Lat. LW fūcus ‘rotfärbende Steinflechte, Purpur, Schminke’. II-1047-1048
φύλαξ, -ακος m. (f.) ‘Wächter, Hüter, Beschützer’ (seit Il.), in Kompp. m. nominalem Vorderglied unbeschränkt produktiv, der Funktion nach Rückbildung zu φυλάσσω, z.B. οἰκο-φύλαξ ‘Haushüter’ (A. u.a.), auch m. συν-, ὑπο- u.a. (neben συν-, ὑπο-φυλάσσω). Auch (sekundär) φυλακός (Akz. nach den Nom. ag.; Egli Heteroklisie 108ff.) m. ‘ds.’ (ion. poet. seit Ω 566; Chantraine Gramm. hom. 1, 232), PN Φύλακος (Hom.). Zahlreiche Ableitungen: 1. Fem. φυλακ-ίς, -ίδος (προ-) ‘Wäch- terin’ (Pl.), ~ ναῦς ‘Wachtschiff’ (Th., D. S.), -ισσα f. (LXX). 2. φυλακ-ή f. ‘Wache, Bewachung, Wachsamkeit, Wachtposten, Besetzung’ (seit Il.), eig. Rückbildung zu φυλάσσω; ἀντι-, προ-, παρα- ~ von ἀντι-φυλάσσω usw.; vgl. Porzig Satzinhalte 189. — Weitere Ableitungen, z.T. auf φυλακή zu beziehen: 3. φυλακ-ία f. = φυλακή (Pap. III-IVp), im Anschluß an Kompp., z.B. ἀρχι-, σωματο-φυλακία (Inschr., D.S.); s. Scheller Oxytonierung 38 f. 4. -ιον n. ‘Wachthaus, -turm’ (Pap. u.a.), oft in Kompp., z.B. ὁπλοφυλάκ-ιον ‘Zeughaus’ (Str.) zu ὁπλο-φύλαξ. 5. -εῖον n. ‘ds.’, auch ‘Wachtposten, Wache’ (Plb.); auch σιτοφυλακ-εῖον n. ‘Kornspeicher’ (Suid.: σιτο-φύλακες). 6. -εία f. ‘Schutz, Amulett’ (Poet. de herb., Gloss.), wie von *-εύω, wenn nicht für -ία; so sicher in δεσμοφυ-λακεία f. ‘Dienst als Gefängnisaufseher’ (Pap. : δεσμο-φύλαξ, -ακέω). 7. -ῆες m. pl. ‘Wächter’ (Opp., Versende; metr. Erweiterung, vgl. Boßhardt 70). 8. -ίτης m. ‘Polizeibeamter, Gendarm’ (hell. Pap. u. Inschr.) mit -ιτεύω ‘als φ. dienen’, -ιτικόν ‘Polizeisteuer’ (hell. Pap.), auch παρα-, συν-, ἀρχι- ~ (hell. u. sp.); f. -ῖτις pythagor. Bez. der Siebenzahl (Nikom.; Redard 45). 9. -ιστής in lat. phylacista m. ‘Kerkermeister’ (Plaut., metrisch unsicher). 10. -ικός ‘behutsam, vorsichtig’ (Pl.), χρεο- ~ (Inschr.) u.a. — Denominative Verba: 11. φυλάσσω, att. -ττω, auch m. δια-, παρα-, προ- u.a., ‘(be)wachen, hüten, beschützen’, Med. ‘sich hüten’ (seit Il.) mit mehreren Ablegern (vgl. auch φυλακή, -ός oben) : φυλακ-τῆρες pl. ‘Wächter’ (Il.; Benveniste Noms d’agent 38), -τήριος ‘beschützend’ (Pl.), -τήριον (προ-) n. ‘Wachthaus, -turm, Wachtposten, Schutzmittel, Amulett’ (ion. att.), -τηρία· παννυχίς H., -τηριά-ζομαι ‘mit einem Amulett versehen werden’ PMag. Par.), -τωρ m. ‘Wächter’ (ägypt. Epigr. Ia-Ip, Nonn.), -τρον n. ‘Polizei- steuer’ (Pap. IIp), -ται m. pl. Beamte in Cumae (Plu.), -τικός (προ-, δια-, παρα-) ‘bewachend, behutsam, vorsichtig’ (X., Arist., Plb. u.a.; Chantraine Études 101 u. 141), -ξις f. ‘Bewachung, Sicherheit’ (S.Fr. 432, E. u.a.), -γμα (προ-) n. ‘Verordnung, Beschützung’ (LXX u.a.). — 12. φυλακ-ίζω ‘in Haft nehmen, ins Gefängnis werfen’ (LXX, Act. Ap.). 13. -φυλακέω, unbeschränkt produktiv zu den Kompp. mit -φύλαξ, z.B. τειχοφυλακ-έω ‘die Mauer bewachen’ (D. H., Plu. u.a.) von τειχο-φύλαξ (Hdt., Plu. u.a.). — Ohne überzeugende Erklärung. Da die Nomina auf -αξ ein weites Register umspannen und neben zahlreichen offenbaren Sekundärbildungen auch mehrere undurchsichtige Wörter umfassen, hat der Etymologe freie Hand. Begrifflich kommen am nächsten Personenbezeichnungen wie (das altererbte?) μεῖραξ, das rein griechische μέλλαξ, das unklare κόλαξ. Wie diese hatte wohl auch φύλαξ ursprünglich einen volkstümlichen Klang (vgl. Chantraine Form. 379 f.). Volkstümlich waren auch lat. bubulcus ‘Ochsentreiber’, subulcus ‘Sauhirt’, deren anscheinendes Hinterglied von Froehde BB 19, 238 A. und namentlich von Lagercrantz KZ 37, 177 ff. mit φυλακός identifiziert wird. Da aber das thematische φυλακός eine sekundäre Erweiterung von φύλαξ ist (s. Egli a. O.), muß jedenfalls auf die Identität der Bildungsweisen verzichtet werden. Auch durch den α-Vokal weicht φύλαξ von den lat. Nomina ab. Zu bemerken ist noch, daß φύλαξ und verwandte Wörter sich nur ausnahmsweise (μ 136; vgl. noch ρ 593) auf das Viehhüten beziehen (vgl. βου-κόλος, αἰ-πόλος, συ-βώτης, ὑ-φορβός, ἱππο-κόμος usw.). — Andere Vorschläge: zu φωλεός mit schwundstufigem φῠλ- (Grošelj Živa Ant. 1, 262 u. 265; 4, 177); pelasgisch zu πύλη und πόλις (v. Windekens Orbis 13, 235 ff. mit Georgiev). — Frühere, überholte Versuche bei Bq (abgelehnt). II-1048-1049
φῡλή Auch φῦλον n. ‘Stamm, Sippe, Geschlecht, Gattung’ (seit Il.). f. ‘Stamm, Stammverein, Gemeinde’ als administrativer Begriff (vgl. φρήτρη, φρατρία s. φράτηρ), ‘von dem Stammverein od. der Gemeinde gestellte Heeresabteilung’ (ion. att.). Als Vorderglied in φυλο-βασιλεύς ‘Phylenkönig, Vorsteher der Phyle’ (Arist., Inschr. u.a.), φυλο-κρινέω ‘Stammesunterschiede machen, nach der Phyle auslesen’ (Th., Arist. u.a.), wie von *φυλο-κρῐνής nach εὐ-κρῐνής : εὐκριν-έω u.a. Oft als Hinterglied, z.B. πάμ-φυλος ‘aus allen Geschlechtern bestehend’ (Pl., Ar. u.a.) mit Παμφυλ-ία f. Landschaft an der Küste Kleinasiens (gräzisiertes Fremdwort? Täubler Glotta 15, 146ff.), Πάμ-φυλοι m. pl. N. einer der dorischen Phylen (Hdt., Kos, Epid., Argos); τρί-φυλος ‘aus drei Phylen be- stehend, drei Phylen ausmachend’ (Hdt., D. H.) mit Τριφυλ-ία f. Küstenland von Elis. Davon 1. φυλ-έτης m. ‘Mitglied einer (und derselben) Phyle, Stammesgenosse’ (att.; συμ- ~ ‘ds.’ Methymna, 1 Ep. Thess.), von φῦλον, aber auf φυλή bezogen (Fraenkel Nom. ag. 2, 125f., Redard 233 A. 24), mit -ετικός ‘zum Phylenmitglied gehörig, aus Phylenmitgliedern bestehend’ (Pl., Arist. u.a.), -ετεύω ‘zum φυλέτης machen, in die Phyle aufnehmen’ (Arist.); -έτις ἐκκλησία = lat. comitia tributa (App.). 2. -ιοι θεοί ‘die Phylengötter’ (Poll.). 3. -ώδης ‘aus mehreren φῦλα bestehend’ (D. S.). — PN, z.B. φυλο-δάμας, Φύλας, Φυλεύς (Boßhardt 126 m. Lit.). — Zum Akzent- und Stammwechsel φυλή : φῦλον vgl. νερά: νεῦρον und Schwyzer 381; zur semantischen und stilistischen Differenz Chantraine Form. 240 f. — Alte Ableitung von φῦ-ναι mit l-Suffix wie im illyr. ON Tribulium (: Τριφυλία, Krahe IF 58, 220f., Die Spr. d. Illyrier 1, 104 m. A. 268), auch im slav. l-Ptz. (= Prät.), z.B. aksl. bylъ, russ. byl ‘war’, wozu aksl. russ. bylьje ’βοτάνη, Gras, Kraut’ (vgl. φυτόν). Weiteres s. φύομαι; vgl. noch φωλεός und βύριον. II-1049-1050
φῠλία, ion. -ίη f. Baumname, wahrsch. Art wilder Ölbaum (ε 477 = Nonn. 5, 474 neben ἐλαίη, Paus. 2, 32, 10 neben κότινος und ἔλαιος; Philostr. neben κότινος, Ammon. Diff.); H. registriert neben εἶδος ἀγριελαίας noch die Bedd. (εἶδος) συκῆς und εἶδος δένδρου ὅμοιον πρίνῳ. Vgl. noch G. Germain Genèse de l’Odyssée (1954) 308. Davon Φυλιαδών, -δόνος N. einer Stadt in Phthiotis (IG 9 : 2, 205,13); vgl. Schwyzer 530. — Ohne sichere Etymologie. Die Zurückführung auf φύω (Strömberg Pfl. 144 mit Hehn) kann wohl höchstens als Volksetymologie gelten. II-1050
φύλλον n. ‘Blatt’ (seit Il.), auch als Bez. von Pflanzen mit hervortretenden Blättern und von blattähnlichen Pflanzenteilen (Hp., Thphr., Dsk., Pap.; vgl. Strömberg Theophrastea 184). Zahlreiche Kompp., z.B. φυλλο-φόρος ‘Blatter tragend’ (Pi. u.a.), τρί-φυλλον n. ‘Trifolium, Klee’ (ion. att.), eig. substanti- viert von τρί-φυλλος ‘dreiblättrig’ (Dsk., H.); Strömberg Pfl. 17 u. 39. Viele Ableitungen. 1. Demin. φύλλ-ιον n. (Pl. Kom. u.a.), -άριον n. (Dsk. u.a.), auch ‘Blattornament’ (Delos IIa). 2. -άς, -άδος f. ‘Blätterhaufen, Blätterwerk, Laub, laubreicher Hain’ (Hdt., Trag., D. S., Str. u. a.), Adj. ‘blätterreich’ (Nonn.), auch N. der Insel Samos (Schulze Kl. Schr. 687). 3. -ίς, -ίδος f. ‘Blätterwerk’ (Gp.), auch = -ῖτις (s.d., Ps.-Dsk.). 4. -ιάς· ἐκ λαχάνων ὑπότριμμά τι σκευαζόμενον. ἐκαλεῖτο δὲ θρῖα H. 5. -εῖα n. pl. ‘Kräuter’ (Ar.). 6. -ίτης (ἀγών) = -ίνης (s.d., Sch.), -ῖτις f. Pfl.N. ‘Hirschzunge’, Art Farnkraut (Dsk.; Redard 78). 7. -ινος ‘von Blättern gemacht’ (Theok., Luk.), -ίνης (ἀγών) m. ‘Wettkampf, bei dem der Preis aus einem Kranz besteht’ (Poll., H.; Redard 107), auch -ιναῖος ἀγών (EM). 8. -ικός ‘zum Blatt gehörig, blattähnlich’ (Thphr.). 9. -ώδης ‘ds.’ (Thphr.). 10. Monatsnamen -ικός (Thessal.), -ιών (Iasos). — Verba: 11. -όομαι ‘mit Blättern bekleidet werden’ (Hp.) mit -ώματα n. pl. ‘Blätterwerk’ (D. S.). 12. -ίζω ‘entblättern’ (Gp.) = ἀπο- ~ (Thphr. u.a.); ἐμ- ~ ‘einpfropfen’ mit -ισμός (Gp.), ἐπι- ~ ‘Nachlese im Weinberge halten’, übertr. von einer kleinlichen Arbeit (LXX), mit -ίς ‘Nachlesetraube’ (LXX, AP), übertr. von den Versen der Epigonen (Ar.). 13. -άζω· frondesco (Gloss.). 14. -ιάω im Ptz. pl. f. -ιόωσαι ‘Blätter (ohne Früchte) treiben’ (Arat.). 15. -εῖν· ἀδολεσχεῖν H. (von einem fruchtlosen Schwatzen, vgl. 14). — Kann von lat. folium ‘Blatt’ nicht getrennt werden, obwohl die Vokale nicht stimmen. Für folium könnte neben idg. *bholzur Not auch eine tiefstufige Grundform in Betracht kommen, wie eine solche auch für φύλλον möglich ist (Schwyzer 351 f.), sofern man nicht vorzieht, eine sekundäre Angleichung an φύω anzunehmen. Eine dritte Variante zeigt mir. bileóc ‘Blättchen’ aus *bile (< idg. *bheli̯om). Eine ganz andere Bildung mit t-Suffix ist im Germ., Toch. und Keltischen vertreten durch ahd. blat, nhd. Blatt usw., toch. A pält, B pilta ‘Blatt’, sämtliche mit Tief-, bzw. Schwundstufe, kelt., z.B. mir. blāth ‘Blüte, Blume’ aus idg. *bhlō-t- wie auch ahd. bluot ‘das Blühen, Blüte’ u.a.m., s. WP. 2, 176f., Pok. 122, W.-Hofmann s. folium und flōs; alles mit endgültiger Unterkunft in bhel- ‘schwellen’ (s. φαλλός) ? II-1050-1051
φύλοπις, -ιδος, -ιδα, -ιν f. ‘Kampf’ (ep. seit Il., danach vereinzelt bei S., Ar., Theok.; ausführlich Trümpy Fachausdrücke 165 f.). — Altes, nur in der epischen Tradition fortlebendes Wort, ohne Etymologie. Im Altertum als Kompositum aus φῦλον und ὄπ-α (ὄσσα) ‘Stimme’ aufgefaßt, weder semantisch noch formal (man hätte *φυλωπις erwartet) besonders einleuchtend. An φῦλον denken begreiflicherweise auch die modernen Erklärer bei verschiedenen Deutungen des Hintergliedes : zu op- in lat. op-s, opus (Curtius 276); zu ὄπις ‘böser Blick’, d.h. ‘Feindschaft’ (Porzig Satzinhalte 352); aus *φυλο-λοπις zu λέπω ‘abprügeln’ (Schwyzer Glotta 12, 22 A. 1, fragend; ähnlich Prellwitz); alles ganz hypothetisch. Für fremde Herkunft Autran Homere I (Paris 1938) 33; auch dies nicht wahrscheinlich. Die Länge des ῡ kann metrisch bedingt sein. — Ein anderes absterbendes, sicher altererbtes Wort für ‘Kampf’ ist ὑσμίνη; daneben die neueren πόλεμος und μάχη II-1051-1052
φύομαι, φύω (ἐμ-φύνω Hdn. Gr.), Aor.intr. φῦναι, sp. φυῆναι, trans. φῦσαι (seit Il.), Fut. φύσομαι, sp. φυήσομαι, φύσω, Perf. intr. πέφῡκα, ep. auch 3. pl. πεφύασι, Ptz. πεφυῶτας usw., intr.-med. ‘wachsen, entstehen, werden’, Perf. (u. Aor.) ‘vor Natur geschaffen od. beschaffen sein, da sein’, trans.(faktitiv)-akt. ‘wachsen lassen, erzeugen, hervorbringen’ (seit Il.). sehr oft m. Präfix, z.B. ἐκ-, ἐκ-, ἐπι-, περι-, προσ-, συν-, Zahlreiche Ableitungen (gedrängte Übersicht) : 1. φυ-ή, dor. -ά f. ‘Wuchs, Gestalt, Natur, Wesen’ (ep. poet. seit Il., auch sp. Prosa; zur Bildung unten); auch von den präfigierten Verba, z.B. διαφυ-ή f. ‘Gelenk, Zwischenraum, Schicht usw.’ (Pl., X., Thphr. usw.); als Hinterglied (mit Anschluss an die adj σ- Stämme) -φυής, unbeschränkt produktiv, z.B. μεγαλο-φυής ‘von großer, edler Natur (hell. u. sp.) mit -φυΐα f. (Iamb. u.a.); auch von den präfig. Verba, z.B. προσφυ-ής ‘daran gewachsen, befestigt, angemessen’ (seit Od.); als Subst. f. -φυ-άς, z.B. ἀποφυ-άς, -άδος ‘Auswuchs, Anhängsel’ (Hp., Arist., Thphr.); dazu das Simplex φύος· φύτευμα, γέννημα H. — 2. φῦ-μα (ἔκ-, παρά-, πρόσ- ~ von ἐκ-φῦναι usw.) n. ‘Gewächs, Wucherung, Geschwulst’ (ion. att. usw.) mit -μάτιον, -ματίας, -ματώδης, -ματόομαι (Hp.). 3. φύ-τλη, dor -α f. ‘Geschlecht, Rasse’ (Pi., AP, Orph.), -τλον n. ‘Pflanze’ (Epigr. Nikomedia); wohl für -θλη, -θλον (vgl. z.B. γενέ-θλη und Schwyzer 533); daneben φύτρα· φύσις, οἱ δὲ φυτήρια H. (vgl. Georgacas Glotta 36, 188). — 4. φύ-σις (ἀπό-, ἔκ-, σύμ- ~ usw. usw. von ἀπο-φῦναι usw.) f. ‘Wuchs, Beschaffenheit, Abstammung, Natur, Wesen usw’ (seit κ 303); als Vorderglied z.B. in φυσι-ο-λόγος m. ‘Naturforscher, -philosoph’ mit -λογία, -λογέω, -λογικός (Arist. usw. Davon φυσ-ικός ‘zur Natur gehörig, Naturforscher, physisch, Physiker’ (X. Mem. 3, 9, 1, Arist. usw.; Chantraine Études 131 f.), -ιμος ‘zum Wachsen, zum Zeugen geschickt’ (Thphr.; Arbenz 88), -ιόομαι in πεφυσιωμένος ‘eingewurzelt’ (Arist.) mit -ίωμα, -ίωσις ‘natürliche Neigung, Veranlagung’ (hell. u. sp.; auch ἐμφυσιόω ‘einpflanzen, einflößen, einhauchen’ (Hp., X., LXX u. a.) ?; von φῡσιόω jedenfalls semantisch beeinflußt (s. zu φῦσα). — 5. φῠτός ‘naturgewachsen’ (Pi.), ‘gepflanzt’ (LXX), als Hinterglied in Univerbierungen unbeschränkt produktiv, z.B. νεό-φυ-τος ‘neugepflanzt’ (Ar. Fr. 828, LXX, hell. u. sp. Pap. usw.); auch akt. in ἐλαιό-φυτος u.a. (A. u.a.; Böhme Sprache 7, 206 A. 29); von den präfig. Verba, z.B. σύμφυ-τος ‘mit-, angewachsen, bewachsen, angeboren’ (Pi., ion. att.). —6. φῠτόν n. ‘Gewächs, Pflanze’ (seit Il.), myk. pu-ta. Davon mehrere Ableitungen: φυτ-άς f. = -όν (Plu.), -άριον n. Demin. (Ar. Byz., Ath. u.a.), -ιος ‘erzeugend’ (sp.), -ικός ‘zu den Pflanzen gehörig’ (Arist. u.a.), -ιαῖοι ὄρχοι (Inschr. IVa), -ώδης ‘pflanzenähnlich’ (Erot.), -ών, -ῶνος m. ‘Anpflanzung’ (Hdn.), -εύω (δια-, ἐπι-, κατα-, παρα- usw. usw.) ‘pflanzen, planen’ (seit Od.) mit -εία, -ευμα, -ευσις, -εύσιμος, -ευτός, -ευτής, -ευτήριον, -ευτικός. — Dazu mit λ-Erweiterung: φυταλ-ιά, ion. -ιή f. ‘An- pflanzung, Obst-, Weingarten’ (Il., hell.), myk. pu-ta-ri-ja?, ‘Zeit des Anpflanzens’ (Hp., Gal.), woneben Φυτάλιος Beiw. des Poseidon, des Zeus usw. (Corn., Orph., Poll.), Φυταλίδαι m. pl. att. Geschlecht mit dem Eponym Φύταλος. Mit Suffixkombination φυτάλμιος Bein. der Eltern, des Poseidon, des Zeus u.a. ‘erzeugend, nährend, von Geburt’ (Trag., hell. u. sp.); zur nicht ganz klaren Bildung s. Scheller Oxytonierung 88f. m. A. 3 u. Lit.; jedenfalls nicht mit Fick u.a. (s. Bechtel Lex. s. φυταλιή und Schwyzer 494) zu lat. almus. — 7. φυλή, -ον, 8. φῖτυ s. bes. — 9. Als Vorderglied in φυσίζοος, s. bes. —Zu φύω nebst Ableitungen s. A. Burger Les mots de la famille φύω en grec ancien, Paris 1925. D. Holwerda Commentatio de vocis quae est φύσις vi atque usu praesertim in graecitate Aristotele anteriore, Groningen 1955. — Das obige Formensystem ist im großen und ganzen auf dem primären intransitiven Aorist φῦναι, ἔφῡν aufgebaut. Dazu entstand als Neubildung der faktitive sigmatische Aorist φῦσαι, ἔφῡσα nach Muster von ἔστην : ἔστησα, ἔβην : ἔβησα, ἔδυν : ἔδυσα u.a.m. Es folgten die Präsens- und Futurformen φύομαι, φύω, φύσομαι, φύσω. Die transitivfaktitiven Formen sind immer hinter den alten intransitiven stark zurückgetreten. Auch das Perfektum, obwohl im Prinzip alt (s. unten) wurde vom Aorist beeinflußt. Unter den Nomina können ebenso mehrere ihre Wurzeln in der idg. Vergangenheit haben, aber sie paßten sich durchgehend dem griechischen System an. Auch φυ-ή ist als griechische Neuschöpfung leicht verständlich und scheidet somit als Vertreter eines uralten zweisilbigen Wurzelnomens aus (idg. *bhuu̯ā-: Risch ̨ 3d, Schwyzer 425). — Zum Aorist ἔφῡ stimmt ganz aind. á-bhū-t ‘er wurde’ : idg. *é-bhū-t. Dazu noch aksl. Aor. 2. u. 3. sg. by, alit. bu, lat. fuī (alat. fūī) usw. Zu πέφυκα, πεφύασι stimmt auch aind. babhū́va, aber in beiden Fällen handelt es sich wahrscheinlich um Neubildungen gegenüber dem älteren aw. bvāva = bubāva (Benveniste Symb. Kuryɫowicz 25 ff.). Die Nomina steuern mehrere Gleichungen bei, die aber wegen der abweichenden Bedeutun- gen in mehreren Fällen eher als Parallelbildungen denn als Vertreter indogermanischer Grundwörter zu betrachten sind : φῦμα ‘Gewächs, Geschwulst’ = aind. bhū́ma n. ‘Erde, Welt, Wesen’, alb. bimë ‘Pflanze’ (Mann Lang. 26, 386); φῠτόν ‘Gewächs, Pflanze’ = lit. bùtas ‘Haus’, air. both ‘Hütte’, alle mit kurzem ŭ gegenüber den langvokalischen aind. bhūtám n. ‘Wesen, Geschöpf, die vergangene Zeit’, slav., z.B. russ. byt ‘Wesen, Lebensart’; φύσις (-ῠ-) ‘Wuchs, Beschaffenheit, Natur usw.’ : aind. bhūtí-, bhū́ti- ‘Wohlergehen, Wohlfahrt, Kraft, Reichtum’ (vgl. Porzig Satzinhalte 333 f.); φύτλη ‘Geschlecht, Rasse’, -ον ‘Pflanze’, wenn aus *φύθλη, -ον (s. oben) = slav. z.B. čech. bydlo ‘Wohnung’, sonst = lit. būklà (< -tlā) ‘Wohn- sitz’. — Weitere Formen m. sehr reicher Lit. bei WP. 2, 140ff., Pok. 146ff. und in den Spezialwörterbüchern, z.B. W.-Hofmann s. fuī, Fraenkel s. bū́ti, Mayrhofer s. bhávati, bhūtíḥ und bhū́ma. II-1051-1054
φύρω, Ipf. ἔφυρον (seit Il.), Aor. Konj. φύρσω (σ 21), Inf. φύρσαι (A. R.), Ptz. Med. φυρσάμενος (Nik.), Pass. ἐφύρθην (A. in lyr., LXX), sp. ἐφύρην (-ῠ-; J., Luk.), Ind. 3. sg. ἔφῡρε (AP), Ptz. φύρας (Luk.), Fut. φύρσω (Pi.), Perf. Med. πέφυρμαι, bes. Ptz. πεφυρμένος (seit Od.), mit Fut. πεφύρσεσθαι (Pi.), ‘vermischen, verwirren, durcheinanderrühren, benetzen, besudeln’. auch m. συν-, ἀνα-, ἐν- u.a., Deverbativum φυράω, Aor. φυρ-ᾶσαι, ion. -ῆσαι, -άσασθαι, -ήσασθαι, -αθῆναι, -ηθῆναι, Fut. -άσω, -ήσω, Perf. Med. πεφύρ-ᾱμαι, -ημαι; Akt. Inf. -ακέναι (Cic.), auch m. συν-, ἀνα-, προ- u.a., ‘(ver)mischen, kneten, einrühren’ (ion. att.). — Von φύρω: 1. Adv. φύρ-δην, dor. (S. in lyr.) -δᾱν ‘vermischt, durcheinander’ (A., S., X. Plb., u.a.). 2. -μα n. ‘Schleim, Schmutz, Kot’ (Nik.). 3. -μός m. ‘Mischung. Ver- wirrung, Unordnung’ (D. S., M. Ant. u.a.); davon φυρμᾶται· πτάρνυται H. ? 4. -σις f. ‘das Mischen, Durcheinanderrühren’ (Sch.) mit -σιμος ‘durcheinandergerührt’ ?, ‘knetbar’? (Nik.; vgl. Arbenz 101 f.). 5. φυρτός als Simplex in φυρτοῖσιν· ... πεφυρμένοις H., oft als Hinterglied, z.B. αἱμό-φυρτος (Plb., Posid.), αἱματό-φυρτος (AP) ‘blutbesudelt’; dazu φυρτ-ίτης (-ήτης cod.)· οἶνος H. (Redard 100), φυρτίζεσθαι· τὸ παίζειν συνεστραμ<μ>ένοις φυροῖς τοῖς ἱματίοις H. 6. Als Vorderglied in φυρό-χρωμος etwa ‘mischfarben, schmutzfarben’, von einer Kuh (Pap. IIp), abgekürzt φυρά von βοῦς (Pap. IVp); hierher noch φυροῖ· μολύνει, ῥυποῖ H. — Von φυράω: 1. φύρ-αμα (προ-, ἐμ-) n. ‘Gemisch, Teig’ (Kom. IVa, Arist., hell. u. sp.) mit -αματικά = κονιατικά, ‘Tüncherarbeiten’ (sp.). 2. -ασις, -ησις f. ‘Mischung’ (LXX, sp. Mediz.), -ατής m. "Mischer", übertr. ‘unordentlicher Rechenschaftsberichter’ (Cic., Gloss.), Bed. zweifelhaft (Inschr. Ephesos), -ατός ‘geknetet’ (Sor.). — Die für φύρω als Jotpräsens anzusetzende Grundform *φυρ-ι̯ω läßt sich prinzipiell entweder als Ableitung eines Nomens φυ-ρ- (mit ρ- Suffix) oder als Bildung von einem tiefstufigen Verbalstamm φῠρ- (Hochstufe φερ-) beurteilen. Weitere Fälle von υ als denkbarem Reduktionsvokal von ε bei Liquida bei Schwyzer 351 f. (u.a. φύλλον). Wie neben μύρομαι mit Intensivreduplikation μορμύρω steht, läßt sich φύρω mit dem semantisch jedoch abweichenden πορφύρω ‘aufwallen, aufgeregt sein’ verknüpfen. Das deverbative φυράω (nach κυκάω?) diente als bequeme Basis für Bildung außerpräsentischer Formen und hat sich deshalb, namentlich in der Prosa, besser als das Grundverb behauptet, das außerhalb des Präsensstammes eigentlich nur im Ptz. πεφυρμένος am Leben blieb. — Unter möglichen idg. Verwandten meldet sich zunächst aind. bhuráti ‘sich rasch bewegen, zucken, zappeln’ mit dem Intensivum járbhurīti (vgl. πορφύρω); wegen der mangelhaften semantischen Übereinstimmung ist aber die Gleichung mit guten Gründen in Zweifel gezogen (s. Mayrhofer s.v. m. Lit.). Dazu gesellen sich aus anderen Sprachen mehrere Nomina wie lat. fretum ‘Wallung des Meeres’, fer-mentum ‘Gärungsstoff, Sauerteig’ und ein germ. Wort für ‘Bierhefe’, z.B. ags. beorma, nhd. Bärme ( : lat. fermentum). Aus dem Illyrischen noch nach Pisani KZ 71, 63 Βούρινα N. einer Quelle in Kos (Theok. 7, 5). Mit φύρω läßt sich dagegen φορύ-νομαι semantisch wohl vereinigen; zur formalen Beurteilung siehe s.v. — Abzulehnen Kuiper Glotta 21, 267 ff.: φύρω mit φορύνω zu ἐθείρω (Φ 347) aus idg. gʷher- ‘besprengen’. Weiteres bei WP. 2, 157ff., Pok. 132f., Mayrhofer s. bhuráti, járbhurīti und W.-Hofmann s. fermentum. Ält. Lit. auch bei Bq. II-1054-1055
φῦσα (Akk. -ην Suid.) f. ‘Hauch’, ‘Blasebalg’ (meist pl.), ‘Blase, Blähung’ (seit Il.), auch übertr. von einem ausströmenden Feuer (h. Merc. 114; Zumbach Neuerungen 44f.), ‘Vulkankrater’ (Str.), N. eines Fisches im Nil, ‘Blasfisch, Tetrodon’ (Str., Ath., ausführlich Thompson s.v.; vgl. φύσαλος unten). Kompp. φυσο-ειδής ‘blasenähnlich’ (Sch.), ἄ-φυσος ‘ohne Blähung’ (Mediz.). Viele Ableitungen : 1. Demin. φυσ-άριον n. ‘kleine Blase’ (sp. Mediz.). 2. Adj. -ώδης ‘blähend, windig’ (Hp., Pl., Arist. u.a.), -αλέος ‘windig’ (Kerk., Nonn.). 3. -αλος m. ‘Art Kröte’ (Luk.), ‘Blasfisch, Tetrodon’ (Ael.), ‘Art Walfisch’ (Opp., Ael.); vgl. κόκκ-αλος u.a. 4. -αλλίς, -ίδος f. ‘Blase, Wasserblase’ (Luk.), ‘Art Pfeife’ (Ar.), ‘Pille’ (sp.), auch N. einer Pflanze (Ps.-Dsk. u.a.), nach der blasenartigen Fruchthülle (Strömberg 56); wie θρυαλλίς u.a. 5. φῦσιγξ, -ιγγος f. ‘Stengel eines Knoblauchs o.ä., Knoblauch’ (Hp., Thphr. u.a.) mit -γγιόομαι in πεφυσιγγιωμένος ‘von Knoblauch erhitzt’ (Ar.), auch ‘Blase’ (Poll.), wie κύστιγξ, σῦριγξ u.a. 6. φύσκη f. ‘Darm, Wurst’ (Kom.) mit Demin. -ιον (Gloss.), Φύσκων m. "Dickbauch", Spitzname (Alk. u.a.), nach den Nomina mit σκ-Sufflx; weder eine "Wurzel auf -σ-" (Schwyzer 541) noch eine Grundform *φυτ-κη (Specht KZ 66, 220) sind wahrscheinlich; -α f. ‘Blase, Schwiele auf der Hand’ (Sch.). 7. φυστὴ (μᾶζα), auch als Subst. ‘aufgeblasener Kuchen, Puffer’ (Ar., AP u.a.), wie πλαστός, -ή, παστή, βλάστη u.a., Akz. nach Hdn. Gr.; nicht mit Fraenkel Nom. ag. 2, 137 A. 1 aus *φυρ-στή zu φύρω. 8. Φῠσάδεια f. N. einer Quelle in Argos (Kall.) mit -ειόθεν ‘von Φ’. (Antim.). —9. Denom. Verba: a. φυσάω, Aor. φυσῆσαι usw., oft m. Präfix, z.B. ἀνα-, δια-, ἐκ-, ἐν-, ‘blasen, auf-, an- blasen, schnauben’ (seit Il.) mit -ημα (ἀνα-, ἐκ-, ἐν-) n. ‘Blasen, Wehen, Hauch, Wind, Aufgeblasenheit’ (ion. att.), -ημάτιον (Arr.), ἐμ- ~ -ηματῶδης (Gal.), -ησις (ἀνα- usw.) f. ‘das Blasen, Anblasen usw.’ (hell. u. sp.), -ητήρ m. ‘Blasrohr, Blasebalg’ (Hdt., Arist. u.a.), -ητήριον (-ᾱτ-) n. ‘Pfeife’ (Ar. u.a.), -ητής (ἐν-, λοπαδο-) m. ‘Bläser’ (Man., Dsk. u.a.), -ήτορες ἀσκοί ‘Blasebälge’ (Nonn.), -ητικός (ἐν-) ‘aufblähend’ (Hp., Arist. u.a.). — b. φυσιάω, auch m. ἀνα-, ἐκ-, Ptz. φυσιόων u.a., metr. Umbildung von φυσάω (ep. poet. seit Il.; Risch 274, Chantraine Gramm. hom. 1, 359) mit -ίαμα n. ‘das Hauchen, Schnauben’ (A.). — c. φυσιόομαι, -όω ‘(sich) aufblähen’ (Ep. Kor. u.a.) mit φυσίωσις ‘Aufblähung’ (Ep. Kor., Mediz.); auch ἐμ-φυσιόω? (s. unter φύομαι zu φύσις). — Dazu noch die Verbalnomina φυσ-ασμός (Gegensatz ἀασμός) und -ιασμός m. ‘das Blasen’ (Arist.), -ακτήρ· ἄρτος ποιός τις ποπανώδης II. (vgl. φυστή oben), wie von *φυσάζω. — Als Vorderglied in dem verbalen Rektionsnomen Φυσί-γναθος "Backenaufblaser", scherzhafte Bez. eines Froschs (Batr.; vgl. Leumann Sprache 6, 159 A. 6) mit -γναθέω (Tz.). — Zum Intensivum ποιφύσσω (nach den Verben auf -ύσσω) s. bes. — Seinem Ursprung nach onomatopoetisch, hat sich φῦσα den Nomina auf -σᾰ angeschlossen (Solmsen Wortforsch. 246ff.). Da die Vorgeschichte des Wortes im dunkeln liegt, läßt sich der Ausgangspunkt innerhalb der umfassenden Schallwortsippe p(h)u- (b(h)u-) nicht genau feststellen. Als "Stamm" kommen sowohl φυ-, φυσ- wie φυτ- und φυκ- in Betracht; man vergleiche z.B. arm. p‘uk‘ ‘Hauch, Wind, Furz’, pl. ‘Blasebalg’ (φῦσα somit < *φυκ-ι̯α?), aind. phū̆tkaroti "macht einen phut-Laut", ‘pustet, bläst usw.’ (φῦσα somit < *φυτ-ι̯α ?). Auch für φυ(σ-) läßt sich Anschluß finden in aind. phuphusa- n. ‘Lunge’, lat. pustula ‘Blase’, slav., z.B. aksl. puchati ‘blasen’, russ. pychátь ‘schwer atmen, keuchen’ (< pous-, pūs-) usw. — Weiteres reiches Material m. Lit. bei WP. 2, 79ff., Pok. 847 f., auch bei W.-Hofmann und Vasmer s.vv. II-1055-1057
φύσαλος, φῦσιγξ s. φῦσα. II-1057
φώγω (Epich.), φῴζω (Stratt., Hp.), φωγνύω (Suid.; codd. -γύνω), -νύναι (Eust., EM), φώγνυται (Dsk.), Aor. ἔφωξα (Hp., Nik.), ἔφωσα (Hp.), Pass. ἐφώχθην, auch m. προ- (Dsk., Aret.), Perf. Med. (ὑπο-)πεφωγμένος (Pherekr., Dsk.), πέφωσμαι (Hp.), Vbaladj. φωκτός (Nik., Dsk.) ‘rösten, braten’. Davon φώγανον n. ‘Gefäß zum Rösten der Gerste’ = φρύγετρον (Poll.), φῶξις f. ‘das Rösten’ (Gal.), φῶκται pl. ‘geröstete Gerstenkörner’ (Luk.). — Kann mit einem germ. Verb für ‘backen, rösten’ in awno. baka, ahd. bahhan, Prät. buoh (= φωγ-), nhd. backen (express. Gemin.?) usw. verbunden werden unter Annahme eines idg. Ablautwechsels bhōg- : bhəg- (Curtius 189 mit Benfey und Pott). Hierher noch als illyr. βαγαρόν· χλιαρόν. Λάκωνες H. (v. Blumenthal IF49,175)? Weitere, ganz fragliche Kombinationen, u. a. mit ahd. bāen, nhd. bähen ‘durch Umschläge wärmen’ (idg. bhē-), nhd. Bad n. (urg. *baþa- < idg. bhə-to-?) bei WP. 2, 187, Pok. 113. II-1057
φωΐδες, φοΐδες, φῷδες f. pl. ‘Brandblasen’ (Hippon., Hp., Ar., Diokl. Fr.). — Das Grundwort scheint in φόα· ἐξανθήματα ἐν τῷ σώματι H. (richtig?; Schulze Q. 278 dafür φοαί m. unwahrscheinlicher Erklärung) erhalten sein. Erinnert an φαῦσ(τ)ιγξ, φῦσα (s. dd.); die Anknüpfung an idg. b(h)u-, b(h)eu- ‘auf- blasen, schwellen’ bei WP. 2, 114ff., Pok. 98ff. wirft kein Licht auf die griech. Wörter. Vgl. auch φώκη. II-1057
φώκη f. ‘Robbe, Seehund’ (Od., Hdt., Ar.). Daneben φώκαινα f. Bez. eines delphinähnlichen Seetieres, ‘Tümmler ?’ (Arist.; nach φάλλαινα, ausführlich Thompson s.v.); φῶκος· κῆτος θαλάσσιον ὅμοιον δελφῖνι H. (cod. κῆπος -ιος -ιος); φωκίς f. N. eines Fisches (Gal.), auch ‘Art Birne’ (Thphr., Ath.; nach der Form). — Isoliert. Von Prellwitz, Bq u.a. zu φῦσα usw. (s.d.) gezogen. II-1057
φωλεός, ep. Gen. -ειοῦ, Dat. pl. -ειοῖς (metr. Dehnung), pl. auch -εά (Nik.) ‘Lager, Höhle wilder Tiere’ (Arist., hell. u. sp.), auch -εά f. (Arist.). Davon 1. Demin. φωλ-ίον n. (Poll.). 2. -άς, -άδος ‘im Lager liegend’ (Theok., AP), ‘aus einer Höhle bestehend, voll von Höhlen’ (Babr., Nonn.), auch Bez. einer Muschelart (Ath.). 3. -ίς, -ίδος f. N. eines Fisches, "Höhlenfisch" (Arist.; Strömberg 83). 4. -αΐδες· ὀστράκινά τινα βρωμώδη H. 5. -εώδης(?) ‘höhlenähnlich’ (Plu.). — Denom. Verba: 6. φωλ-εύω (ἐν-, ὑπο-) ‘in einer Höhle wohnen, Winterschlaf halten’ (Arist., Thphr., Theok., Ph., Plu. usw.) mit -εία f. ‘Aufenthalt in einer Höhle, Winterschlaf’, -ευσις f. ‘ds.’ (Ael.). 7. -έω ‘ds.’ (Arist.) mit -ητήρ· ὁ ἐν τῷ αὐτῷ καθεζόμενος ἀεί H., -ητήριον n. ‘Platz für heimliche Zusammenkünfte’ (Poll., H.). 8. -άζει· ἐμφωλεύει H. — Bildung wie die synonymen γωλεός, εἰλεός (Chantraine Form. 51 m. Weiterem), daneben φωλεά wie στελ-εός : -εά. Obgleich wie γωλεός erst nachklass. belegt, wohl alt. Eine auffallende Übereinstimmung zeigt awno. bōl ( < urg. *bōla-) n. ‘Lager, Nest von Tieren’, aschwed. böle n. (< *bōlia-) ‘Biberhütte’ (z.B. Brugmann Grundr.2 1, 204, Lidén Armen. Stud. 49). Das daraus zu erschließende idg. bhōl- kann als Dehnstufe zu φῡλ- betrachtet werden (idg. bhō[u̯]- : bhū-); s. WP. 2. 141. Pok. 147; vgl. φυλή und φύομαι. — Anders Petersson KZ 47, 279. II-1057-1058
φωνή, dor. -ά f. ‘Laut von Menschen und Tieren, Ton, Stimme, Aussprache, Rede, Sprache, Äußerung’ (seit Il.). Als Vorderglied z.B. φων-ασκέω ‘seine Stimme üben, d.h. laut hören lassen, viel Lärm als Redner machen’ (Pl., D., Arist. u.a.; Typ οἰνο-χοέω, πολι-ορκέω, Schwyzer 726) mit -ασκία f. (D., Thphr. u.a.), -ασκός m. ‘Rede-, Singmeister’ (sp.). Als Hinter- glied unbeschränkt produktiv, z.B. ὁμό-φωνος ‘die gleiche Stimme, Sprache habend, gleichstimmig’ (ion. att.) mit -φωνέω (Hdt., Arist. usw.), -φωνία f. (Arist. u.a.); σύμ-φωνος ‘zugleich ertönend, einträchtig’ (seit h. Merc.; Zumbach Neuerungen 24) mit -φωνέω, -φωνία (att. usw.; vgl. unten zu φωνέω). Ableitungen: 1. Demin. φων-άριον n. (Kom. IVa u.a.), -ίον n. (Arist.), -ίς f. (Hdn. Gr.). 2. Adj. -ήεις, dor. -αεις ‘mit Stimme begabt, tönend’ = lat. vocalis (seit Hes., Pi.; ποτιφωνήεις ‘der Anrede fähig’ ι 456; wie von *ποτι-φωνέω. Risch ̨ 56d; anders Forssman, s.u.); -ικός (συμ-) = -ητικός (s.u.; hell. u. sp.). 3. Denom. Verb *φωνάω, Aor. φωνᾶσαι (Pi., auch Sapph.), kann auch in ion. att. φωνῆσαι (seit Il.) vorliegen, ebenso wie in hom. προσ-, μετ-εφώνεον, zur Not noch in -εε (zum Lautlichen Schwyzer 242); aber sonst φωνέω, sehr oft m. Präfix, z.B. προσ-, ἐπι-, ἀντι-, ἀνα-, δια-, ‘tönen, die Stimme erheben, sprechen’ (dor., ion. att.). Zum Übertritt in die έω-Klasse konnten sowohl die Schallverba auf -έω wie die zahlreichen Denominativa (Dekomposita) vom Typ ὁμοφων-έω (von ὁμό-φωνος; wonach σύμ-φωνος) Anlaß geben; s. die Ausführungen bei Forssman Unt. z. Spr. Pindars 79 ff. m. Lit.; zu φωνᾶσαι bei Pi. noch Strunk Glotta 42, 165 ff. — Von φωνέω (προσ-, ἐπι- usw.) : φών-ημα (προσ-, ἀνα-, ἐπι-) n. ‘Äußerung, Rede’ (S., hell. u. sp.), -ησις (προσ-, ἀντι-, ἐκ- usw.) f. ‘das Tönen, Sprechen’ (hell. u. sp.), -ητής (ἀνα-, ἀντι-, ἐπι-) m. ‘Sprecher usw.’ (sp.), -ητήριος ‘zur Rede gehörig’ (Str. u.a.), -ητικός (προσ-, ἀνα-, ἐπι-) ‘zur Stimme gehörig, mit Stimme begabt’ (hell. u. sp.). — Zu φωνή nebst Ableitungen Fournier Les verbes "dire" 230f.; zu φωνή bei Platon Leroy RÉGr. 234ff.; zu φωνή — αὐδή Bartonek (Titel und Referat bei Pisani Paideia 15, 345). — Nach allgemeiner Annahme zu φημί mit ō-Abtönung (s.d.). Zu bemerken ist jedoch, daß es sonst keinen sicheren Vertreter dieses Ablauts gibt, da das germ. Wort für ‘Bitte’, awno. bø̄n, ags. bēn (urg. *bōni-) auch auf idg. *bhā-ni- zurückgehen kann, wofür arm. ban ‘Wort, Rede’ unzweifelhaft spricht. Auch die Bed. von φωνή ‘Laut, Ton, Stimme’ deckt sich, wie Porzig Satzinhalte 347 richtig hervorhebt, nicht genau mit der von φημί ‘sagen, erklären’. Begrifflich stimmt φωνή tatsächlich besser zum slav. Wort für ‘Ton, Schall, Klang’ in aksl. zvonъ, russ. zvon usw. und zum entsprechenden alb. zē̈, geg. zâ ‘Stimme’ : idg. *ĝhu̯onos- m. (vgl. Porzig Gliederung 180; ganz fraglich dagegen arm. jayn ‘Stimme’). Somit hierher auch φωνή aus idg. *ĝhu̯ōnā (zum Lautlichen vgl. θήρ, äol. φήρ) mit Pedersen KZ 38, 403? II-1058-1059
φώρ, -ρός m. ‘Dieb’ (Hdt., att.). Als Hinterglied mit ᾱ-Erweiterung Akk. ἀγαλματο-φώρ-ᾱν ‘Bilddieb, Tempelräuber’ (Elis IVa; zur Bildung Schwyzer 451 u. 563; vgl. noch Sommer Nominalkomp. 68 A. 1 m. Lit.). Unsicher ἀποφῶρας· κλέπτας und ἴσφωρες· λῃσταί, κλέπται. Λάκωνες H. Davon φωρά, ion. -ή f. ‘Diebstahl’ (h. Merc. 136, auch 385, Nik., Bion, hell. Inschr. u. Pap.); φωράω, -ᾶσαι, -άσω, sp. Perf. πεφώρακα, auch m. κατα-, ‘einem Dieb nachspüren, einen Dieb ertappen’, überh. ‘entdecken’ (att. hell. u. sp.) mit Rückbildung φώρα (-ά?) f. ‘Nachspürung, Aufspürung’ (Phld., D. L., Aen. Tact.). Akz. unsicher; nach H. φωρά· κλοπή ... φώρην δέ τὴν ἔρευναν. Auch φωριᾶν = φωρᾶν H. — Dazu, zunächst als juristischer Ausdruck, ἐπ’ αὐτοφώρῳ = ἐπ’ αὐτῇ τῇ φωρᾷ, eig. ‘gleich bei dem Diebstahl’, d.h. ‘auf frischer Tat, offenkundig’ (att.); Adj. αὐτό-φωρος ‘selbst ertappt, selbst enthüllt’ (S. Ant. 51, D. S., App.: φωράω); ebenso κατάφωρ-ος ‘enthüllt, offenbar’ (sp.; zu κατα-φωράω), danach περίφωρος (εὐ- ~) ‘(leicht) entdeckt’ (Plu.). — Weitere Ableitungen (von φώρ, bzw. φωρά): φώρ-ιος ‘diebisch, gestohlen’, τὰ φ. ‘gestohlene Sachen’, ‘verstohlen, heimlich’ (hell. u. sp.), τὸ φ. auch ‘Ertappung, Entdeckung’ (sp.), -ειον n. ‘Diebstahlbuße’ (lit. Pap.), -ίδιος ‘gestohlen’ (AP, Max.); Superl. φώρ-τατος (Sophr. 1, cod. φωρό-). — Ausführlich über φώρ u. Verw., bes. αὐτόφωρος Sommer Nominalkomp. 153ff. m. Lit. (z.T. abweichend); dazu noch Gernet Mél. Bq 1, 391ff. (zur juristischen Begriff bestimmung). — Altes dehnstufiges suffixloses Nom. agentis zum idg. Verb für ‘tragen’ in φέρω usw. (s.d.), mit lat. fūr, -ris m. ‘Dieb’, formal auch mit arm. buṙn ‘Hand, Faust, Gewalt’ (n-St. sekundär wie in otn ‘Fuß’, s. πούς) identisch: idg. *bhōr, eig. "der Träger" (vgl. lat. ferre et agere, ferre et rapere; Zweifel bei Pariente Emer. 12, 85 ff.). Weiteres m. Lit. bei W.-Hofmann s.v., wo auch über die Frage der an sich nicht unmöglichen Entlehnung aus dem Griech. — Durch die Neubildungen κλώψ und vor allem durch κλέπτης (schon Il.) wurde das altererbte φώρ zurückgedrängt und ersetzt; nur das abgeleitete φωράω hat sich gut erhalten. Ein anderes altes Wort für ‘Dieb’ ist im poet. Adj. τηΰσιος (s.d.) eingekapselt. II-1059-1060
φωριαμός f. ‘Kasten, Truhe’, u.a. zur Aufbewahrung von Kleidern und Wäsche (Ω 228, ο 104, A. R. 3, 802; Genus nur an der letztgenannten Stelle ersichtlich; vgl. κιβωτός, σορός und Schwyzer 385). — Isoliertes poet. Wort, von Eratosth. 4 mit φώριος (s. φώρ) verbunden, in neuerer Zeit (z.B. Bq, WP. 2. 154, Pok. 129) auf ein Verbaladj. *φώριος ‘tragbar’ zurück- geführt, das mit aind. bhāryá- ‘zu tragen’ (wenn nicht eher = ahd. -bāri, nhd. -bar aus idg. *bhēri̯o-) identisch sein könnte. Die Bildung bleibt aber noch aufzuklären (eine Vermutung bei Schwyzer 448; vgl. φορμός). Somit volksetymologische Anpassung eines LW wie κιβωτός, lat. cista u.a.m. (vgl. Chantraine Form. 133)? Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pél. 127. II-1060
φώς, φωτός m. ‘Mann’, in der Trag. auch von Heroen (ep. poet. seit Il.). — Unerklärt. Von Brugmann Grundr.2 II : 1, 536 mit aind. bhā́s- n. ‘Licht, Schein, Herrlichkeit, Macht’ verbunden, entweder als urspr. s- Stamm oder aus idg. *bhō-t- zu aind. bhā́-ti ‘leuchtet, scheint’ (vgl. zu φάος). II-1060
φῶς ‘Licht’ mit φωτεινός, φωτίζω usw. s. φάος. II-1060
φῶτιγξ, -ιγγος f. m. alexandrische Bez. einer Art Querpfeife (Plu., Juba ap. Ath., Ath.) mit -ίγγιον n. (Posidon., Ael.). — Bildung wie σῦριγξ, σάλπιγξ u.a., sonst unklar. Die Anknüpfung an den zu φῦσα (s.d.) besprochenen Wortkomplex (Prellwitz, Bq u.a.) bleibt mehr als ungewiß. II-1060
φώψ · φάος H. — Wahrscheinlich Umbildung von φῶς nach einem anderen Wort (ὤψ und Kompp.?). Gewöhnlich mit διαφάσσω (s. παιφάσσω m. Lit., auch Schwyzer 302) zusammengehalten. II-1061
χαβίτια (auch -ότια [?]) n. pl. Bez. unbekannter Gefäße (Pap. IIIa). — Unerklärtes Fremdwort. II-1061
χάβος · κημός (Sch.Ar. Eq. 1147). Daneben χαβόν· καμπύλον, στενόν, auch χαμόν· καμπύλον H. — Unerklärt; zur Bildung vgl. στραβός u.a. Seit langem (Pott und Benfey; s. Curtius 198) mit lat. hāmus ‘Haken, Angelhaken’ verglichen; darüber W.-Hofmann s.v. m. Lit. II-1061
χάζομαι, Aor. χάσ(σ)ασθαι, Fut. χάσ(σ)ομαι, Pass. ἀποχασθῇ· ἀποθάνῃ H., ‘zurückweichen, sich zurückziehen’ (ep. poet. seit Il., auch X.), sehr selten im Akt., fast nur bei H.: χάζειν· ἀναχωρεῖν, φυλάσσεσθαι; προχάζοις· προβαίνοις, ἀναποδίζοις; Aor. συγχάσαι· συγχωρῆσαι, Ipv. ἀπόχασον· ἀποχώρησον; παράχασον· ἀναχώρησον, πρόχασον· πρόελθε; außerdem ἀναχάζοντες (X. An. 4, 1,16 neben ἐπιδιώ-κοντες), überall intr. = χάζομαι; eine Ausnahme bildet nur ἀνέχασσαν (Pi. Ν. 10, 69: codd. ἀνέχασαν od. ἀνέσχασαν), angebl. ‘drängten zurück’ (zu lesen: ἀνέχασσεν ‘wich zurück’ ?). oft m. ἀνα-, ganz vereinzelt m. ἀπο- (λ 95, APl.), ὑπο-, μετα- (A. R.), δια- (X.), παρα- (H.), — Da die fakultative ep. Gemination in χάσσασθαι, χάσσομαι natürlich analogisch sein kann (vgl. Schwyzer 752 f.) und das seltenere Präsens sich unschwer als Neubildung zum Aor. erklären läßt, ist die Ansetzung eines ursprünglichen χαδ- mit formantischem -δ- (z.B. WP. 1, 543, Ammer Sprache 2, 210), überflüssig. — Eine genaue außergriech. Entsprechung fehlt. Dem kurzvokaligen medialen Aor. χάσασθαι stehen im Aind. langvokalige aktive Formen gegenüber in ahās (3. sg.), ahāsma (1. pl.) u.a. ‘verlassen, verstoßen’. Als Präsens fungiert das reduplizierte já-hā-ti, das bis auf den Reduplikationsvokal in *κί-χη-μι (ἐκίχην u.a.) ein Gegenstück hat, s. κιχάνω m. Weiterem. Dazu tiefstufige mediale Formen jí-hī-te, 3. pl. jí-h-ate u.a. ‘weichen, fort-, hervorgehen’ wie χά-σασθαι (aber Aor. ahās-ata 3. pl. u.a. mit sekundärer Hochstufe). Vgl. χάσκω, auch κεκαδών. II-1061
χαῖος 1. od. -ον m. (n.) ‘Hirtenstab’ (A. R. 4, 972, Kall.Fr. 125). — Die Ähnlichkeit mit einem keltogerm. Wort für ‘Wurfspieß, Speer’ in air. gae, ahd. gēr usw., das sowohl in lat. gaesum wie in γαῖσος, -ον (s.d.) als Entlehnung vorliegt, ist vielleicht nicht zufällig (idg. *ghaisos); die weitere Verbindung mit aind. héṣaḥ n. ‘Geschoß’ und sogar mit hinóti ‘antreiben, schleudern’ ist sowohl formal wie semantisch unbefriedigend; s. WP. 1, 528 (Pok. 410) und W.-Hofmann s. gaesum m. reicher Lit. (u.a. Zupitza German. Gutt. 202 und Walde KZ 34, 488 ff.). Weitere kühne Hypothesen (u.a. zu lat. haedus ‘junger Bock, Ziegenbock’) bei Janzen Bock und Ziege (s. zu αἴξ) 32ff. II-1061-1062
χάϊος (-ᾱ-) lakon. Adj., etwa ‘von guter Herkunft, edel, gut’ (Ar. Lys. 91) mit Komp. χαϊώτερος (ebd. 1157); auch χᾱός ‘ds.’ (Theok. 7, 5); βαθυ-χάϊος Bed. unbek. (A. Supp. 858 [lyr.], Text unsicher). — Wohl zu χάσιος· ἀγαθός, χρηστός H. mit lakon. Schwund des -σ-. Sonst isoliert. Von Legerlotz KZ 8, 416 u. Lagercrantz KZ 35, 287f. (WP. 1, 532) als urgr. *χάτιος mit germ., z.B. got. goþs, nhd. gut, alb. zot ‘tüchtig’ verglichen. II-1062
χαίρω, Aor. χαρῆναι (seit Il.), redupl. κεχάροντο, -οιτο (Hom.). sigmat. χήρατο (Ξ 270), ἐχαίρησα (Plu.), χαιρησάμενος (Pap.IIp), Fut. χαιρήσω (seit Υ 363), χαρήσομαι (hell. u. sp.), dor. -ησοῦμαι (Pythag.), χαροῦμαι (LXX), redupl. κεχαρησέμεν (O 98), -ήσεται (ψ 266), Perf. (m. Präs.-Bed.) Ptz. κεχαρηότα, -ότας (H312, Hes.Fr. 77), Ind. κεχάρηκα (Hdt., att.), κεχάρημαι (h. Bacah. u.a.), Plpf. κεχάρητο, -ντο (Hes. Sc., h. Cer.), κεχαρμένος (E.), ‘sich freuen’. auch m. ἐπι-, συν- u.a., Die hierhergehörigen Nomina zerfallen in zwei Gruppen, ja nachdem sie vom Verbalstamm oder vom Präsensstamm ausgehen. Für sich steht wegen der abweichenden Bedeutung χάρις, ebenso χαρο-πός; s. unten. — A. Vom Verbalstamm : 1. χαρά f. ‘Freude’ (Sapph., att.). 2. χάρ-μη f. ‘Kampfesfreude, Kampflust’ (Hom.), auch ‘Kampf’ (Hom., Pi., Lyk.), ‘Freude’ (Ps.-Phok.); χαρμό-φρων ‘kampflustig, kampfbereit’ (h. Merc.; Zumbach Neuerungen 20 f.), μενε-χάρμης, -ος ‘im Kampf ausharrend’ (Il.), ἱππιο-χάρμης ‘einen Kampf zu Pferde bestehend, Wagenkämpfer’ (Hom. u.a.; ἱππιο- für ἱππο- metr. bedingt). 3. χάρ-μα (ἐπι-, κατα-) n. ‘Freude, Vergnügen, Gegenstand der Freude, Ding, woran man sich erfreut’ (ep. poet. seit Il., auch sp. Prosa; Gegensatz πῆμα). 4. χαρμον-ή f. ‘Freude, Lust, Wonne’ (S., E., Pl., X. u.a.; wohl nach ἡδονή, Wyss -σύνη 39 A. 1) mit -ικός (Prokl.). 5. χαρμο-σύνη f. ‘ds.’ (LXX u.a.), Adj. -συνος ‘freudevoll’, -συνα n. pl. ‘Freudenfest’ (Hdt. 3, 27 u.a.). 6. χαρ-τός ‘erfreulich, ergötzlich’ (Archil., att.), ἐπί- ~ ‘ds.’, auch ‘schadenfroh’ (att.), -χάρτης ‘ds.’ (Kom. Va); zu -χαρτος in PN, z.B. Δαμό-χαρτος, Bechtel Namenst. 17f. 7. -χαρής von den präfigierten Verba (nach χαρῆναι) : ἐπι-, περι-, προ-, ὑπερ-χαρής ‘erfreuend, freudenvoll, entzückt usw.’ (ion. att.); als Hinterglied unbeschränkt produktiv im Spätgriech., bes. in der poet. Sprache, z.B. ὁπλο-, μουσο-χαρής; ebenso in PN, z.B. Θυμο-χάρης, Χάρης, -ητος. — B. Vom Präsensstamm: 1. χαιρ-ηδών; όνος f. kom.-parod. = χαρά (Ar. Ach. 4, wie ἀλγηδών). 2. χαιρο-σύνη f. = χαρά (Epigr. Marathon IIp, H.). 3. χαιρ-ητι-κός ‘froh, heiter’ (Vett. Val.). 4. χαιρε-τίζω ’χαῖρε (χαίρετε?) sagen, begrüßen’ mit -τισμός m. ‘Begrüßung, Aufwartung’ (Plb., LXX usw.); vgl. αἱρετ-ίζω. 5. Als Vorderglied in PN, z.B. Χαιρο-κλῆς, Χαιρε-κράτης, wozu Kurznamen wie Χαιρύλος. 6.χαιρε-κακέω,-κακία, -κακος selten und sp. für ἐπιχαιρε-κακέω usw. ‘schadenfroh sein’ (Arist., Kom. IVa usw.; vgl. ἐπίχαρτος oben). — Für sich steht, unabhängig vom Verb, das Subst. χάρις, -ιτος, -ιν f. ‘Reiz, Anmut, Gefallen, Wohlgefallen, Gunst, Dankbarkeit, Dank’, auch personifiz., bes. im Plur. ‘die Chariten’ (seit Il.). Kompp., z.B. χαρι-δώτης, dor. (Kyrene) -ας m. Beiwort des Hermes, des Dionysos, des Zeus (h. Hom. u.a.), PN wie Χαρι-γένης, χαριτο-βλέφαρος ‘mit anmutigen od. charitenähnlichen Augen(lidern)’ (Eub., att. Epigr.); ἄ-χαρις ‘ohne Reiz, unangenehm, unerfreulich’ (Thgn., Sapph., Hdt., Trag. u.a.), auch ἀ-χάρι-τος ‘ds.’ (Hdt., E. u.a.); in derselben Bed. (von χαρίζομαι, s.u.) ἀ-χάριστος (seit θ 236, Komp. ἀχαρίστερος υ 392 für ἀχαριστότερος) mit -έω, -ία (att.); Gegensatz εὔ-χαρι-ς, -τος, -στος mit -έω, -ία, ἐπί-χαρις ‘reizvoll, anmutig’ (att. seit A.). — Von χάρις: 1. χαρί-εις ‘reizvoll, anmutig’ (seit Il.), χαριτό-εις ‘ds.’ (Anakr.), auch χάρι-τος = lat. gratus? (Nysa Ia, Brief eines Prokonsuls). 2. χαρ-ίσιος (-ῑ-) ‘von χάρις (den Chariten) begleitet, erfüllt’ (Arist., Kall.Fr. 193, sp.), auch als N. eines Kuchens (Kom.), nach ἀφροδίσιος u. a. 3. χαριτ-ήσιον n. ‘Dankopfer’ (sp.), ‘Liebeszauber’ (PMag.), -ήσια n. pl. ‘Fest zur Ehre der Chariten’ (böot.), nach φιλοτήσιος u.a. (vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 152 A. 2), -ώσιος (Ibyk., rhegin., wie ἀνακ-ώσιος u.a., Chantraine Form. 42). 4. χαριτ-ία f. ‘reizvoller Scherz, Spaß’ (X. Kyr. 2, 2, 13), Erweiterung auf -ία (Scheller Oxytonierung 38; voran geht εὐχάριτες). —Denom. Verba: 5. χαρίζομαι (-ίζω), auch m. ἀντι-, ἐπι-, κατα-, προσ- u.a., ‘jmdm. gefällig sein, Gefallen, Gunst, Dienst erweisen, gern spenden, geben’ (seit Il.) mit χάρ-ισμα (εὐ-, ἀπο-) n. ‘Gnadenerweisung, Gnadengeschenk’ (sp.), -ισμός m. ‘ds.’ (sp. u. selten), -ιστεῖον n. ‘Dankopfer’ (Thera, Knidos), -ιστήριον n. ‘ds.’ mit -ιστήριος ‘zum Dankopfer gehörig’ (X., hell u. sp.), -ιστικός ‘freigebig’ (Demokr., Aristeas u.a.). 6. χαριτ-όομαι, -όω ‘begünstigt, gesegnet werden, begünstigen, segnen’ (LXX, NT u.a.). — Für sich steht ebenfalls χαροπός Beiw. von Raubtieren, von Menschen, vom Meer usw., vorw. mit Beziehung auf die Augen und die kühle blaugraue Augenfarbe, etwa ‘grimmig, wild, frostig’ (seit λ 611) mit -ότης f. (hell. u. sp.); auch (ἐπι-)χάροψ ‘ds.’ (Opp., Pap. IIp). — Ausführlich über χαίρω mit Ableitungen, über χάρις und χαροπός bei Homer Latacz Zum Wortfeld "Freude" 20 ff. mit reicher Lit. und eingehender Diskussion. — Bei der etymologischen Beurteilung der obigen Wörter bleibt das semantisch und morphologisch unklare χαροπός besser außer Betracht (vgl. die Darlegung bei Latacz 38 ff.). Das für sich stehende χάρις gehört zu den sehr seltenen tiefstufigen ι-Stämmen wie ἄγυρις, δάριν· σπιθαμήν H., ῥάχις, die als Adv. gebrauchten ἅλις und πάλιν (vgl. χάριν), σπάνις (wohl νι-Suffix), neben denen das hochstufige ἔρις, das dehnstufige δῆρις und die zahlreichen Fälle von ο-Abtönung wie πόρις (Solmsen Wortforsch. 155 ff.). Festen Boden betreten wir erst mit dem Jotpräsens χαίρω, das sich nur im Ablaut von dem vermutlich hochstufigen aind. háryati ‘Gefallen finden, sich ergötzen, sich freuen, gern haben’ unterscheidet (*ĝhr̥-i̯ō : *ĝher-i̯e-ti). Auch im Italischen ist dieselbe Bildung erhalten, z.B. in umbr. 2. sg. Fut. heries ‘volēs’, alat. horitur ‘treibt an. ermahnt’ (Enn., sonst das Intensivum hortātur, hortor); letzteres kann sogar mit χαίρω identisch sein, da die Ansetzung eines kausativen ĝhor- (Ernout-Meillet; "wollen machen, Lust machen" [?] [W.-]Hofmann s.v.) nicht notwendig scheint; vgl. die ähnlichen Fälle bei Frisk Indogerm. 20ff. (Kl. Schr. 50ff.) anläßlich lat. iubeō. — In den übrigen Sprachen finden sich mehrere hierhergehörige isolierte Nomina, namentlich im Germ., z.B. ahd. ger ‘begehrend, verlangend’ mit gerōn ‘begehren’ und die weitverbreitete n-Ableitung in ahd. gern ‘begierig, eifrig’, got. faihu-gairns ’φιλάργυρος’ u.a. mit dem Adv. ahd. gerno ‘gerne’ usw. Dazu mit Dehnstufe (*ĝhēr-i-) arm. jir ‘Gabe, Gnade, Gunst’, Adv. jri ‘gratis’ (s. Hübschmann Arm. Gramm. 470 m. Lit.), mit Hochstufe aw. zara- m. ‘Streben, Ziel’ (Bthl.), ‘Huld’ (Humbach; wahrsch. < *ĝhoros). Die Heranziehung von toch. B kartse, Akk. krent ‘gut’ (aus *ĝhr̥ti̯o- : χαρτός bzw. ĝherēnt- : χαρείς? van Windekens Orbis 13, 232 f.) muß man in Anbetracht der Mehrdeutigkeit des toch. Wortes auf sich beruhen lassen. Weitere Formen (u.a. air. gor ‘fromm’) mit Lit. bei WP. 1, 600 f., Pok. 440 f. — Die Frage, ob auch einige Wörter für ‘zürnen’ hier einzureihen sind, aind. háras- n. ‘Groll’, hr̥ṇīté ‘zürnen’, aw. zar- ‘ds.’, wozu noch χαρά· ὀργὴ ἠ ὀργίλος H. (an unrichtiger Stelle; mit χαροπός?), läßt sich weder bejahen noch verneinen (Persson Beitr. 2, 729 A.1). Und die Zurückführung von χαίρω u. Verw. auf idg. ĝher- ‘greifen’ in aind. hárati ‘bringen, tragen, holen’ usw. (s. χόρτος) bei Fraenkel Lexis 2, 190f. (ebenso Porzig Satzinhalte 353 für χάρις: *’Ergreifer’ > ‘Reiz’) gehört endgültig in die Nacht der Vorvergangenheit, wo alle semantischen Kühe schwarz sind. —Hierher aus dem Griech. wahrscheinlich noch εὐ-, δυσχερής (s.d.). Szemerényi Sprache 11, 15ff. (nach Ehrlich) will noch ἀχρεῖον (< *ἀχερεῖον) hinzufügen. II-1062-1065
χαίτη f. ‘Lockenhaar, frei herabwallendes Haar, Pferdemähne’ (ep. poet. seit Il.), auch ‘Löwenmähne’ (E,. Arist.), übertr. ‘Blätterwerk, Laub’ (Theok., Kall., Str. u.a.), ‘Helmbusch’ (Plu.). Oft als Hinterglied, z.B. κυανο-χαίτης ‘mit dunklem Haar’, bes. von Poseidon, ‘schwarzmähnig’ (ep. seit Il.), zum Vok. κυανο-χαῖτα in nominativischer Funktion Risch Sprachgesch. u. Wortbed. 389 ff. Davon χαιτήεις (gekürzt -έεις), dor. -άεις ‘mit langem Haar, mit langer Mähne’ (Pi., Semon., A. R. u.a.), auch von Pflanzen ‘laubig, blätterreich’ (Nik.); χαίτ-ωμα n. ‘Helmbusch’ (A. Th. 385; dichterische Erweiterung, Chantraine Form. 186). Hypostase ἀναχαιτ-ίζω ‘(den Reiter) über die Mähne werfen, die Mähne emporsträuben, umstürzen, sich sträuben, sich auflehnen, versperren’ (S. Fr. 179, E., D., hell. u. sp.) mit -ισις, -ισμα, -ισμός ‘Versperrung, Hinderung’ (sp.). — Altes Wort für ‘Haar, Mähne’ mit nahen Verwandten im Iranischen und Keltischen: aw. gaēsa- m. ‘Kraushaar, Lockenhaar’ mit gaēsu- ‘kraushaarig, lockenhaarig’, npers. gēs ‘herabhängende Haare, Locken’, mir. gaiset f. ‘steifes Haar, Borste’, alle auf idg. *ghaits(o)- zurückzuführen, das einen schwundstufigen s-Stamm enthalten kann neben dem ā-St. in χαίτη. Lidén IF 19, 318f., Charpentier KZ 40, 472 ff. II-1065
χάλαζα f. ‘Hagel’ (seit Il.); auch ‘(hagelähnliche) Pustel, Tuber- kel, Korn, Knoten, Knorren’ (Arist., Thphr., Gal. usw.). Als Vorderglied u.a. in χαλαζ-επής ‘dessen Worte wie Hagel fallen’, "Worthagler" (AP, von Hipponax). Davon 1. Demin. χαλάζ-ιον n. ‘Körnchen usw.’ (Mediz.). 2. -ήεις, dor. -άεις ‘hagelähnlich’ (Pi., AP, Nonn.), auch von σκορπίος (Nik.), -ιος Bein. des Zeus, des Apollon (Kyzikos u.a.), ‘knotig’ (Hp.-Komm. VIIp), N. eines hagelähnlichen Steins (Orph.; -ίας Plin., -ίτης sp.; Redard 63), -αῖος ‘hagelähnlich, mit Hagel gemischt’ (νιφετός, Nonn.), ‘knotig, knorrig’ (φηγός, Opp.), -ώδης ‘hagelähnlich, voll Hagel, voll Pusteln, körnig’ (Hp., Arist. usw.). 3. -άω, auch m. ἐπι-, κατα-, ‘hageln, behageln’ (Kom.Adesp., Luk.), ‘an Pusteln leiden’ (Ar. Eq. 381, Arist.), -ιάω ‘ds.’ (sp. Mediz.); -ωσις f. ‘Pustel-, Körnchenbildung’ (Gal.: *-όομαι). — Bildung mit ι̯α-Suffix wie zahlreiche Ding-, Tier- und Pflanzenbez. (ῥίζα, γλῶσσα, νῆσσα, κόνυζα usw. usw.; vgl. Havers Sprache 4, 27) von einem Dentalstamm, der auch auf slav. Gebiet vorliegt in polab. zlod ‘Hagel’, poln. žɫód ‘Glatteis, Eisregen’ u.a. aus urslav. *želd-; oft mit Gutturalsuffix, z.B. aksl. žlědica ‘Eis-, Schneeregen’, russ. oželédica ‘Glatteis, Eisrinde auf dem Schnee’; dazu aus dem Iran. npers. žāla ‘Hagel, Reif’ (uriran. *žarda-), wie die slav. Wörter aus idg. *ghelədmit regelmäßigem Schwund des Reduktionsvokals. Daneben mit tiefstufigem α der Anfangssilbe (oder mit Vokalassimilation?) χάλαζα wie z.B. χέραδος : χαράδρα, τελαμών : τάλαντον u.a. Vgl. Specht Ursprung 17 und 228 (mit unbeweisbarer weiterer Zerlegung). — Abzulehnen Vey BSL 51, 85 f. II-1065-1066
χαλάω (att.), Ptz. χαλαίνοντες (Hes. Sc. 308), äol. 3. pl. χόλαισι (Alk.; Hamm Grammatik ̨̨ 57a 3, 228a), Aor. χαλάσ(σ)αι, -άσασθαι (seit h. Ap.), -άξαι (Pi.), Pass. -ασθῆναι (A. Pr. 991, Pl. u.a.), Fut. -άσω (Hp.), Perf. κεχάλασμαι, ‘nachlassen’ trans. u. intr., ‘herab-, hinablassen, schlaff machen, lösen, erschlaffen, nachgehen, öffnen, offen stehen’. auch m. δια-, ἐπι-, παρα-, ἀνα- u.a. Daneben als Vorderglied χαλί-φρων ‘schlaffen Geistes, unbesonnen’ (Od., AP u.a.) mit -φρονέω, -φροσύνη (ψ 13 bzw. π 310), wie δαΐ-φρων u.a.; χαλαί-πους Beiw. des Ἥφαιστος (Nik. Th. 458), wie παλαι-(γενής usw.), μιαι-φόνος u.a.; χαλα-τονέω ‘nachlassen, sich auflösen’ (sp.), wie ταλα-(πενθής usw.); zur Form des Vorderglieds Schwyzer 448. Davon 1. χάλα-σις (δια-, ὑπο-) f. ‘das Nachlassen, Schlaffmachen’ (Hp., Pl. u.a.). 2. -σμα (δια-) n. ‘nachgelassener Zustand, Entspannung, freigelassener Zwischenraum zwischen militärischen Truppenabteilungen’ (hell. u. sp.), ‘Ackerrain’ (hell. Pap.; Spiegelberg Arch. f. Pap. 4, 169), -σμάτιον (παρα-) n. ‘erschlaffter Zustand’ (Hero). 3. -σμός (ἀνα-) m. = χάλασις (sp. Mediz.). 4. -στήρια (sc. σχοινία) n. pl. ‘Seile zum Herablassen eines Fallgatters’ (App.). 5. -στόν n. ‘Blumengehänge, Kette’ (LXX, Pap.). 6. -στικός (ἀνα-) ‘abspannend, erschlaffend, lösend, abführend’ (sp.). 7. Auch χαλά-δριον (Pap. IIp, χελ- Pap. IIIp), -τριον (Pap. VIp) n. ‘niedriges Bett, Matratze’ mit κεχαλατριωμένον (πλοῖον) ‘mit χ. versehen’ (Pap. IIIp), χάλα[ν]δρον· κράββατον H.? — Für sich steht χαλαρός (ἐπι-, ὑπο-) ‘nachgelassen, schlaff, lose, locker’ (Hp., att.) mit -αρότης (X., Gall.), -αρόομαι (Erot.). — Hierher wohl noch der PN Χαλακίας (Thess., etwa Ia); vgl. dor. χαλάξαι (Pi.) und Bechtel Namenst. 46f. Zu χαλά-σ(σ)αι : χαλα-ρός vgl. ταλά-σσαι : τάλα-ρος, λαγά-σ(σ)αι : λαγα-ρός, ἱλά-σ(σ)ασθαι : ἱλα-ρός usw. — Ohne Etymologie. Da χαλάσ(σ)αι, wozu χαλάω, -αίνω, -άσω usw., offenbar eine Primärbildung ist, läßt sich die Ansetzung eines zugrundeliegenden Adjektivs *χαλός aus idg. *ghə-lo-s ‘fortgehend’?, ‘klaffend, lose’? (zu χάζομαι; Fiek 3,132, Bq, WP. 1,543, Pok. 418 u.a.) kaum begründen. Anders Meillet Esquisse d’une gramm. de l’arm. class.236: zu arm. xaɫ ‘Spiel’, xaɫam ‘spielen’, was idg. qh- voraussetzen würde; auch das velare ɫ macht Schwierigkeiten. Ähnlich Pisani KZ 68, 167. zu arm. xaɫaɫ ‘ruhig, friedlich’ mit xaɫaɫ-em ‘beruhigen’; aus denselben Gründen fraglich. Früherer Versuch (Solmsen KZ 29, 112) bei Bq (abgelehnt). II-1066-1067
χαλβάνη f. ‘Galbanharz’, das aus der Wurzel gewisser orientali’ schen (persischen und syrischen) Doldenpfianzen der Familie Ferula gewonnen wurde, auch Bez. der Pflanze selbst (Thphr. usw.). Davon χαλβαν-ίς, -ίδος und -όεσσα ‘zur Ferulapflanze gehörig’ (ῥίζα; Nik.). — Aus hebr. ḥelbanā ‘ds.’; Weiteres bei E. Masson Recherches 60 m. Lit. Lat. LW galbanum (s. W.-Hofmann s.v.). II-1067
χαλεπός ‘schwer, schwierig, hart, streng, lästig, gefährlich’ (seit Il.); παγ- ~ ‘sehr schwer usw.’ (att.). Davon χαλεπ-ότης f, ‘Schwierigkeit, Härte, Strenge usw.’ (att.); -ήρης = χαλεπός (Mimn.); -αίνω, -ῆναι usw., ganz vereinzelt m. ἀντι-, συν- u.a., ‘böse, mutwillig, hart usw. sein, zürnen’ (seit Il.); χαλέπτω ‘hart behandeln, in Zorn versetzen’, auch ‘zürnen’ (δ 423, Hes. Op. 5 u.a.), -πτομαι, -ψασθαι ‘zürnen’ (hell. u. sp. Epik, auch sp. Prosa), -φθῆναι ‘ds.’ (Thgn. 155 [v.l.], S. Ichn. 328 [lyr.], Kom. Adesp.) mit χαλεπτύς· χαλεπότης H., nach den Nomina auf -τύς (vgl. Benveniste Noms d’agent 73); abzulehnen Specht KZ 62, 144 und Fraenkel Glotta 32, 28 (aus idg. -i̯u-s). — Unerklärt. Nach Prellwitz zu aksl. zъlъ ‘böse’ usw. II-1067
χαλιμάς, -άδος f. ‘ausgelassene, unzüchtige Frau’, auch als Beiw. der Βάκχαι (A.Fr.448 = 719f. M. [vv.ll. χαλιμίας, χαλίδας], H., Suid. [codd. -ίμα], EM, Eust.) mit -ιμάζειν (v.l. -ικάζειν) = τὸ ὑφ’ ἡδονῆς ἀνίεσθαι πρὸς συνουσίαν καὶ ὑποστέλλειν (Epich. 200?; s. Kaibel z.St., EM, Et. Gen.) — Bildung wie μαινάς, λαικάς, λωγάς u.a. (Chantraine Form. 359). — Von den Lexx. zu χαλάω gezogen, was begrifflich gewiß möglich ist, als Bein. der Βάκχαι aber weit eher zu χάλις ‘ungemischter Wein’; s. Arbenz 103 m. weiteren Einzelheiten. II-1067
χαλῑνός, äol. χάλιννος (Hamm Grammatik 36 A. 90), pl. auch -ά, m., ‘Zaum, Zügel, Gebiß’ (seit Il.), auch übertr. ‘Schiffstaue’ (Pi., E. u.a.). Kompp., z.B. χαλιν-αγωγός ‘am Zügel führend, im Zaum haltend’ (Vett. Val.), -αγωγέω (Ep. Jac., Luk., Vett. Val. u.a.), -αγωγία (Simp. VIp), χρυσο-χάλινος ‘mit goldenen Zügeln’ (ion. att.). Davon Demin. χαλιν-άριον n. (sp.), -ῖτιςf. Bein. der Athena in Korinth (Paus.; weil sie für Bellerophon den Pegasos zügelte, s. Valouris Mus. Helv. 7, 19ff.), -όομαι. -όω, auch m. ἐν-, ἀπο- u.a., ‘mit Zügeln versehen werden, zügeln’ (ion. att.) mit -ωσις f. ‘das Zügeln’ (X.), -ωτήρια n. pl. übertr. ‘Taue zum Vertäuen’ (E., Opp., Nonn.). — Ohne überzeugende Etymologie. Von Mastrelli Stud. itfllcl. 31, 104 (m. älterer Lit.) als "Mundstück" zu χεῖλος, χελύνη, auch zu χηλή, letzten Endes zu χάσκω gezogen, lautlich nicht ganz überzeugend. Schwyzer 491 erwägt fremden Ursprung. Aind. LW khalī̆nam, khalinaḥ ‘Gebiß eines Zaumes’. Ein altererbtes Wort für ‘Zügel’ ist εὔληρα (s.d.). II-1067-1068
χάλιξ, -ικος m. f. (zum Genus vgl. λίθος) ‘kleiner Stein, Kies, Schutt zum Auffüllen, Mörtel z. Steinbau’ (Th., Ar., att. Inschr., Arist., hell. Inschr. u. Pap., Str. u.a.) mit χαλικ-ώδης ‘schuttähnlich’ (Thphr.), -ώματα n. pl. ‘Schutt und Mörtel, Steinmörtel’ = lat. caementa (Gloss.). — Bildung wie κύλιξ, ἄλιξ, ῥῆνιξ u.a. (vgl. Chantraine Form. 382). Ohne überzeugende Etymologie. Die allg. Ähnlichkeit mit lat. silex ‘Kiesel’, mir. scellec ‘Fels’,aksl.russ. skólьka ‘Muschel’ u.a. reicht nicht aus, um eine idg. Etymologie glaubhaft zu machen mit Anschluß an sqel- ‘spalten’ (s. Lit. bei Bq). Eher entlehnt, s. Loicq Ant. class. 29, 30ff. m. Kritik früherer Erklärungen; auch W.-Hofmann s. 2. calx gegen die Anknüpfung an sumer. kalga ‘Kalk’, babyl. kalakku (Weidner Glotta 4, 303). — Lat. LW calx ‘Spielstein, Kalk(stein)’, woraus ahd. kalch, nhd. Kalk usw. II-1068
χάλις, -ιν ‘ungemischter Wein’ (Hippon. 73 = 67 Masson, Epigr. Kyrene Ip). Als Vorderglied in χαλί-κρητος ‘mit χ. gemischt’ (Archil., A. R., AP, vgl. auch A.Fr. 719c M.), auch χαλίκραιος und Komp. χαλικρότερος (Nik. Al.; haplolog. für χαλικρ[ητ]ότερος?) ‘ds.’. Als Hinterglied in ἀκρο-χάλιξ ‘leicht betrunken’ (A. R. 4, 432, D. P.) -ξ nach dem synonymen οἰνό-φλυξ od.ä.? Davon wahrscheinlich χαλιμάς (s.d.), u.a. Beiwort der Βάκχαι (auch auf χαλάω bezogen). — Herkunft unbekannt, viell. zu κάλιθος· οἶνος. ’Αμερίας (makedon.?) und ζίλαι· ὁ οἶνος παρὰ Θραιξί H. Weitere Einzelheiten bei Masson zur Hipponax-Stelle. — Abzulehnen Crepajac KZ 81, 195 (zu χλόη usw.). II-1068
χαλκός, kret. καυχός, myk. ka-ko. m. ‘Erz, Kupfer, Bronze’, poet. übertr. auf eherne Gegenstände (seit Il.) Zahlreiche Kompp., z.B. χαλκο-πάρῃος (Hom.), -πάρᾳος (Pi.; Forssman Unt. 152 f.), χαλκ-ήρης ‘erzgefügt, erzbeschlagen, ehern’ (Hom. u.a.; myk. ka-ka-re-a2), auch χαλκο-άρας ‘ds.’ (Pi.; Leumann Hom. Wörter 66f. gegen Bechtel KZ 44, 125f.; dazu Forssman 84f.); χαλκό-δετος (Trag.), myk. n. pl. ka-ko-de-ta ‘erzbeschlagen’; zu χαλκο-κέραυνος u.a. Waern Eranos 50, 20f.; ἐπί-χαλκος ‘mit Erz überzogen’ (Hdt., Ar. u. a.) mit ἐπιχαλκῖται· ὁπλῖται und ἐπιχαλκίδα· τὴν τὸ κανοῦν φέρουσαν εῖς τὰς θυσίας θεράπαιναν H.; auch δί-, τρί-χαλκον usw. n. ‘Münze von zwei, drei usw. χαλκοῖ’ (hell. u. sp.; zur Bildung Debrunner IF 60, 38 f.). Hierher auch Χαλκί-οικος f. Bein. der Athena in Sparta ‘mit einem ehernen Hause, in einem ehernen Hause wohnend’ (E. u. Ar. in lyr., Th., Paus.; H. als Erkl. von χαλκίναος), mit Umbildung nach den ι-Stämmen, wohl nach Πολι-οῦχος (vgl. Paus. 3, 17,2: ’Αθηνᾶς ... Πολιούχου καλουμένης καὶ Χαλκιοίκου τῆς αὐτῆς); nicht mit Specht Ursprung 27 und 213 alter i- Stamm (eher zu χάλκιος; Thierfelder briefl.). Ableitungen. A. Subst.: 1. χαλκ-εύς m. ‘Erz-, Metallarbeiter, Kupferschmied, Schmied’ (seit Il.; Boßhardt 34), myk. ka-ke-u; auch als N. eines Fisches (Opp. u.a.; vgl. χαλκίς unten). Davon -ήϊος, -εῖος ‘dem Schmied angehörig’ (Od., Hes.), -ήϊον, -εῖον n.’Schmiede, ehernes Gerät, bes. Kessel’ (ion. att.), -εῖα n. N. eines att. Festes (IVa, Poll.); -εών (-ών Hdn. Gr.), -εῶνος m. ‘Schmiede’ (θ 273, A. R. 3, 41; Chantraine Gramm. hom. 1, 37). Zu -εύω s. C. — 2. -ίον (-εῖον) n. ‘kupfernes, ehernes Geschirr’ (att., hell. Pap.), auch ‘Kupfermünze’ (Kom.), mit -ίδιον n. ‘kleines Kupfergeschirr’ (Kom. Va). 3. -ύδρια n. pl. ‘Kleingeld’ (Pap. Ia), -ύδριον = -ός (geringschätzend, Zos.Alch., Theognost. Kan.). 4. -ίς, -ίδος f. N. eines Vogels (Ξ 291, Arist.) = κύμινδις (s.d. m. Lit.); mit Beziehung auf die Farbe auch N. einer Pflanze (Ps.-Dsk.), N. verschiedener Fische, u.a. ‘Sardine (?)’ (Epich., Arist. u.a.; auch nach der Lautgebung? Strömberg Fischn. 7 4 f.), N. einer giftigen Eidechse (Arist., Plin.); als ON Stadt auf der Insel Euböa (nach den Kupfergruben, s. P.-W. s.v.) u.a. mit -ιδικός, -ιδική; letzteres auch = -ίς als Fisch- und Eidechsenname, wohl m. Anspielung auf die ON (Strömberg 86). 5. -άς, -άδος f. = χαλκάνθεμον (Ps.- Dsk.). 6. -ίτης, gew. f. -ῖτις (λίθος) ‘Kupfererz’ (Arist., Plu.), N. eines Minerals ‘Bergalaun’ (Mediz., Pap.), auch = χαλκάς (Ps.-Dsk.); -είτης = -εύς (Pisidien; itazistisch od. zu -εύς? vgl. Redard 36 m. Lit.). — B. Adj.: 1. χάλκ-ειος (ep., auch hell. u. sp. Prosa), ep. ion. -εος (vgl. Schmid -εος u. -ειος 6ff.), äol. dor. -ιος (myk. du. ka-ki-jo, Instr. f. ka-ke-ja-pi), att. -οῦς ‘ehern, kupfern’, auch als Bez. einer Münze (att., hell. Pap.) mit -ιαῖος ‘einen χαλκοῦς wert’ (Pap. IIIa, nach δραχμ-ιαῖος, ἡμιωβολι-αῖος u.a.), f. -ιαία und -ιεία Bez. einer Steuer (hell. Pap.); -ιδῖτις f. ‘wohlfeile Dirne’ (Kom. Adesp.; mit gleichzeitiger Anspielung auf Χαλκίς). 2. -ῆ (εἰκών) f. ‘Bronzestatue’ (Antig. Mir., D. L.). 3. -ινος ‘aus Erz, Kupfergeld betreffend’ (hell. u. sp. Pap.). 4. -ικός ‘aus Kupfergeld bestehend’ (Pap. IIIa). 5. -ώδης ‘bronzeähnlich’ (Thphr. u.a.). — C. Verba: 1. χαλκ-εύω (formell von χαλκεύς, aber zugleich auf -ός bezogen), vereinzelt m. Präfix, z.B. κατα-, ἐπι- (: κατά-, ἐπί-χαλκος), προ-, ἀπο-, ‘schmieden’ (seit Σ 400), auch intr. ‘Schmied sein’ (att.). mit -εία f. ‘Schmiedekunst’ (Hp., Pl.), ‘Schmiede’ (Hero). -ευμα n. ‘das Geschmiedete, geschmiedetes Gerät’ (A.), -ευτής = -εύς (AP), -ευτικός ‘zur Schmiedekunst gehörig, in der Schmiedekunst geübt’ (Hp., X., Arist.), -ευτήριον = -εῖον (Gloss.). 2. -όομαι, -όω, vereinzelt m. κατα-, περι- (: κατά-, περί-χαλκος) ‘mit Bronze überzogen werden bzw. überziehen’ (Pi., Hdt., LXX, D. S.), ‘zu Erz werden, machen’ (AP); davon -ωμα n. Bez. verschiedener kupferner Geräte (att. usw.) mit -ωμάτιον n. (Delos IIa), -ωματᾶς m. ‘Kupferschmied’ (Pap. IIIp; vgl. Redard 239 A. 3). 3. -ίζω ‘mit einer Kupfermünze Drehpfennig spielen’ (Alex., Herod., Poll.) mit -ισμός m. ‘Drehpfennigspiel’ (Poll., Eust.), ‘wie Kupfer scheinen od. lauten’ (sp.); m. Präfix περι-χαλκίζομαι (: περί-χαλκος) ‘mit Bronze überzogen werden’ (LXX), ἀπο -χαλκίζω ‘die Bronze wegnehmen’ (AP 11, 283; Wortspiel mit Χαλκίς), ὑπο-χαλκίζω ‘etwas bronzefarben aussehen’ (EM), ὑπεχάλκισα· πρὸς χαλκοῦ ὑπεθέμην H. — D. Adv. χαλκ-ίνδα (sc. παίζειν)· τὸ εἰς χαλκὸν κυβεύειν H. — Das alte idg. Wort für ‘Erz, Kupfer, Bronze’ ist noch in aind. áyaḥ, lat. aes, germ., z.B. got. aiz n. erhalten. Im Griech. steht dafür seit Beginn der Überlieferung χαλκός (mit einer Menge von Komposita und Ableitungen), dessen Vorgeschichte indessen im dunkeln liegt. Die Ähnlichkeit mit dem Wort für ‘Purpurschnecke, -farbe’ κάλχη, auch χάλκη und χάλχη, ist wohl kaum zufällig und würde für χαλκός auf eine gut denkbare urspr. Bed. ‘rotes Metall’ (χαλκὸς ἐρυθρός I 365) führen (Kretschmer Einl.167A.3, Glotta 32, 3). — Mit χαλκός wurde schon längst (Fick 1, 417; s. noch Schrader-Nehring Reallex. 1, 236) eine baltischslavische Bez. des Eisens verknüpft: lit. geležìs, apreuß. gelso, slav., z.B. russ. želézo (’mit aksl. želězьnъ ‘eisern’). Wenn sich diese Gleichung bewährt (unwahrscheinlich über die Stammbildung Specht Ursprung 27 u. 213), handelt es sich ohne Zweifel in den beiden Sprachzweigen um unabhängige Entlehnungen aus einer gemeinsamen östlichen Quelle. Auch bei dieser Kombination ließe sich die Verbindung mit κάλχη aufrechterhalten. Weitere Beziehung zur Sippe von χλωρός, χλόη, von Persson Beitr. 1, 31 A. 2 u. 2, 792 A. 2 erwogen, von WP. 1, 629 abgelehnt, würde palatales gh- erfordern und ist mit der Anknüpfung an die baltoslav. Wörter nicht vereinbar. — Für gleichzeitige Verbindung mit κάλχη, χλωρός, lit. geležìs und sogar mit lat. ferrum (soll für *gʷhel-ro-m stehen) Georgiev KZ 63, 250 ff. (schwerlich zu empfehlen). — Sachlich verlockend ist die Heranziehung des heth. (protohatt.-churritischen) Wortes für ‘Eisen’ ḫapalki- (apalki-); die unvollkommene lautliche Übereinstimmung wäre auf mangelhafte Wiedergabe eines Fremdworts zurückzuführen (Pisani A.I.O.N. 7, 46f.). II-1068-1071
χαμαί Adv. ‘zur Erde hin, auf der Erde’ (seit Il.). Als Vorderglied unbeschränkt produktiv, z.B. χαμαι-πετής ‘zu Boden fallend, gefallen, auf dem Boden liegend, nichtig’ (Pi., Trag., auch Pl., Plb. u.a.), Univerbierung von χαμαὶ πεσεῖν; χαμαί-ζηλος eig. "zur Erde hin strebend", ‘niedrig, gemein, klein’, auch (sc. δίφρος) ‘Fußschemel’ (Hp., Pl., Arist. usw.; nicht mit Schulze Q. 244 zu ζῆν ‘leben’), χαμαι-εύνης, pl. -εῦναι ‘auf der Erde sein Lager habend’ (P 235, Emp. u.a.), f. -ευνάδες (Od.; Fraenkel Nom. ag. 1, 191 A. 1 und 2, 153 A. 1), mit Elision χαμ-εύνη (Poll., H., AP), χάμ-ευνᾰ (att. Inschr., A. u.a.; Solmsen Wortforsch. 256f.) f. ‘Lager auf der Erde’. Zu χαμαι- in Pflanzen- und Tiernamen Strömberg Pfl. 109ff.; zu χαμαι-λέων (Lehnübers. aus dem Semit. -Akkad.?) Lewy KZ 58, 33; dazu noch Dawkins JHSt. 56, 5 ff. Daneben χαμ-ᾶζε ‘zu Boden’ (Hom., auch Trag. u. sp. Prosa) nach ’Αθήναζε usw. (Akz., attizisierend, nach Hdn. Gr. 2, 951 u.a.); danach -ᾶθεν ‘von der Erde, vom Boden’ (Hdt., att. Kom.), auch -αῖθεν (A.D., Plu.), äol. -άδις ‘zu Boden’ (Hom., A. in lyr.; wie ἄλλυδις u. a.), dor. ( ? ) -άνδις (Theognost.). Weitere Einzelheiten bei Schwyzer 625, Chantraine Gramm. hom. 1, 189, 191 u. 247, auch Björck Alpha impurum 44 (überall m. weiterer Lit.). — Von χαμαί noch : χαμ-ηλός ‘niedrig’ (Pi., X., Nik., Str. u.a.), nach ὑψηλός; -ῖτις (ἄμπελος) ‘niedrig’ (Gp., Suid., Eust.; Redard 69). — Erstarrte Kasusform eines Wortes für ‘Erde’, gewöhnlich als Dativ erklärt, s. Schwyzer 548 m. reicher Lit.; vgl. πάλαι, παραί. Damit läßt sich vielleicht lat. humī ‘zu Boden’ gleichsetzen (idg. *ĝhm̥mai), der Stammvokal ist jedoch mehrdeutig (< idg. o?). Daneben mit e -Vokal apreuß. semmai ‘nieder’. Weiteres s. χθών. II-1071
χανδάνω, Aor. χαδεῖν (ep. seit Il., auch Hp. und Ar. Ra. 260 [lyr.]), Fut. χείσομαι (σ 17), Perf. (m. Präs.-Bed.) Ptz. Akk. sg. κεχανδότα (Ψ 268, δ 96), Ind. κέχανδε· χωρεῖH., Plpf. κεχάνδει mit v.l. κεχόνδει (Ω 192) ‘fassen, in sich begreifen, enthalten’. Nie mit Präfix; als Hinterglied in εὐ-χανδής ‘geräumig’ (Nik., Man.), εὐρυ-χαδής (AP, Luk.), -χανδής (Eust.) ‘ds.’. — Regelmäßiges Formengebilde mit schwundstufigem Nasalpräsens, schwundstufigem thematischem Aorist, hochstufigem medialem Futurum. Nur die Perfektformen mit -αν- weichen ab; wenn nicht nach dem Präsens neugebildet, müssen sie sekundär in die Überlieferung statt des ursprünglichen κέχονδα (in v.l. κεχόνδει noch erhalten) eingedrungen sein. Diesem altertümlichen, nur in der epischen Tradition weiterlebenden Verb steht im Latein eine Bildung mit festem Präfix und durchgeführtem e-Vokal gegenüber: pre-hendō, -hendī, -hēnsum ‘fassen, ergreifen’, dessen Stammvokal jedoch sowohl idg. e wie einen Sonanten n̥ (ghn̥d-) vertreten kann. Schwundstufige Formen finden sich auch im Keltischen, z.B. air. ro-geinn ‘er findet Platz in’ (idg. *ghn̥d-ne-t; vgl. χα-ν-δ-άνω). Mit Hochstufe dagegen alb., z.B. gjëndem ‘ich werde gefunden’. Neben diesen Formen, die alle auf ein nasaliertes ghend-(ghond-, ghn̥d-) zurückgehen, stehen etliche ohne Nasal: so lat. praeda ‘Beute’ aus *prai-hed-ā und ein germ. Verb, z.B. awno. geta ‘erreichen, hervorbringen’ (> nengl. get), got. bi-gitan ’εὑρίσκειν’, ahd. pi-gezzan ‘erlangen’, fir-gezzan ’vergessen’ u.a. m. Die ursprüngliche Funktion des Nasals (uraltes Präsens?) bleibt unbekannt. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 589f., Pok. 437f., W.-Hofmann s. prehendō und praeda. Ältere Lit. auch bei Bq. II-1071-1072
χάννα auch χάννος m. f., ‘Art Seebarsch, Serranus (cabrilla)’ (Epich., Arist., Numen. ap. Ath., Pap. Ip u.a.). — Von Epich. als μεγαλοχάσμων charakterisiert, mithin vielleicht zu χανεῖν ‘gähnen’ (s. χάσκω) mit volkstümlichexpressiver Gemination (Strömberg Fischn. 53 m. Lit.). Zweifel bei Thompson Fishes s.v. (m. ausführlicher Behandlung), wo fremder Ursprung (ägypt. chnā N. eines unbek. Fisches) mit volksetymologischer Umdeutung in Erwägung gezogen wird. II-1072
χάος, -εος, -ους n. Einige Kompp., z.B. χαυνο-πολῖται m. pl. "Eitelbürger" (Ar. Ach. 635, anap.), χαυνό-πρωκτος ‘mit lockerem od. gedunsenem Hintern’ (ibid. 104), ὑπό-χαυνος ‘etwas locker, eitel’ (sp.). Davon χαυν-ότης f. ‘Lockerheit, Eitelkeit’ (Pl., Arist., Plu. u.a.); -αξ in χαυνάκων· χαυνοποιῶν, οἱ δὲ χαυνολόγων H.; -όομαι, -όω, auch m. ἐκ- u.a., ‘locker, eitel usw. werden bzw. machen’ (Alk., ion. att.) mit -ωσις f. ‘Auflockerung, Aufblähung’ (Ar., hell. u. sp.), -ωμα n. ‘aufgelockerte Erde’, -ωτικός ‘auflockernd’ (Plu.); -ιάζε· πλανᾷ H. ‘Chaos’, von Hes. Th. 116 als Bez. des Erstentstandenen gebraucht, gewöhnlich (seit Arist.) als ein leerer Raum aufgefaßt; ‘unbeschränkter Raum, Luftraum’ (Ibyk., B., Ar. usw.), ‘weite Kluft, Schlund, Abgrund’ (hell. u. sp.). Davon χαόω, -ῶσαι ‘verschlingen’ (Tab. Defix., Simp. u. Olymp. VIp). — Daneben χαῦνος ‘locker, porös, lose, gedunsen, aufgeblasen, eitel, nichtig’ (Pi., ion. att.). — Auch χαυλι-όδων (s. ὀδών) m. λ-Suffix? — Welche Vorstellungen Hesiod und seine Vorgänger innerhalb der mythologischen Kosmogonie mit χάος verbunden haben, läßt sich mit Sicherheit nicht entscheiden. Gegenüber der schon bei Arist. angedeuteten und seitdem von der Mehrzahl der Forscher vertretenen Auffassung, χάος sei ‘der leere Raum’, haben andere darin eine ‘Kluft’ oder einen ‘Abgrund’ sehen wollen. Nach W. Karl (s. zu Τάρταρος), der die früheren Auffassungen referiert und ablehnt, wäre χάος vielmehr mit ἀήρ gleichzusetzen und als "das zuerst entstandene Dunstund Nebelmeer" (S. 107) zu verstehen. Von Nilsson Gr. Rel.2 I 621 wird dagegen χάος als ‘die form- und gestaltlose Materie’ erklärt (ähnlich schon Ovid Metam. 1,7). Da wir noch weniger wissen, woher die kosmogonische Spekulation diesen Terminus geholt hat und welch konkreter Begriff damit ursprünglich verknüpft wurde, fehlt einer erfolgreichen Etymologie der nötige feste Grund. Morphologisch kommen wir insofern ein wenig weiter, als eine Verbindung mit χαῦνος (mit auffallender Barytonese) natürlich erscheint : χάος aus *χάϝ-ος verhält sich zu χαῦ-νος wie das in dieselbe Begriffssphäre gehörende ἔρεβ-ος zu ἐρεμ-νός ( < *ἐρεβ-νός). Da für χαῦνος eine Grundbed. ‘locker, löcherig, mit Löchern versehen’ am nächsten liegt, würde sich für χάος eine (relativ) ursprüngliche Bed. wie etwa ‘Loch, Hohlraum, leerer Raum, klaffende Öffnung’ ergeben. Demgemäß wurden χάος und χαῦνος schon längst (s. Curtius 196 m. älterer Lit.) mit χάσκω, χάσμα, χανεῖν, χήμη usw. verbunden; es kann sich aber dabei nur um eine entfernte Verwandtschaft handeln. Formell etwas näher, aber begrifflich ferner liegen einige german.-baltische Wörter für ‘Gaumen’, ahd. guomo, awno. gōmi m. usw. (idg. *ghō[u̯]-men-) neben ahd. goumo m. (idg. *ghəu-men-; wäre gr. *χαυμών), lit. gomurỹs u.a.m. (Brugmann Grundr.2 I 174 u. 201, Persson Beitr. 1,59 u. 116f., 2, 709; weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 565f., Pok. 449). Auch toch. A śew- ‘gähnen’ wurde herangezogen (s. Duchesne-Guillemin BSL 41, 154; dazu v. Windekens Orbis 13, 231). — Weiteres s. χάσκω und χώρα. II-1072-1073
χαράσσω, att. -ττω, Aor. -ξαι, Pass. -χθῆναι, Perf. Med. κεχά-ραγμαι, ‘spitzen, schärfen, ritzen, eingraben, stempeln, prägen’ (seit Hes.). auch m. ἐν-, δια-, ἐπι- u.a. Als Vorderglied in dem Rektionskomp. χαραξί-ποντος ‘das Meer aufritzend’, vom Ruder (Simon.). Davon 1. χάρα-γμα (περι-, προ-, ἐπι-) n. ‘Eingrabung, eingegrabenes Mal, Prägung, geprägte Münze’ (S., hell. u. sp.); -γμός m. ‘Einschnitt, Stempel, abgestempelte Urkunde’ (Thphr., Pap. Ip); -γμή f. ‘Laib, Brot’ (Pap. V-VIp). 2. -ξις (ἐν-, ἀπο-, περι- u.a.) f. ‘das Eingraben, Einschneiden, Einschnitt’ (Demokr., sp.), παρα- ~ ‘Falschmünzerei, Fälschung’ mit -ιμος ‘gefälscht’ (sp.; Arbenz 98). 3. -κτός ‘gespitzt, geschärft, gezähnt’ (Hp., Nik. u.a.); περι- ~ -κτικός ‘herumschneidend’ (Dsk.). 4. -κτήρ m. ‘Gravierer, Münz- präger’ (Euryph. Pythag., Olbia IIIa). ‘Werkzeug zum Gravieren, Stempel, Siegel’ (Arist., hell. u. sp. Inschr. u. Pap. u.a.), ‘Prägung, Gepräge’, auch von Gesichtszügen und Sprache, ‘körperliche und sprachliche Eigenart’, ‘eingeritzter Buchstabe usw.’ (ion. att., hell. u. sp.), ‘individuelles Merkmal, Stil, Charakter’ (hell. u. sp.; ausführlich Marg Charakter und Körte Herm. 64, 69ff.); περι- ~ (περι-χαράσσω) m. ‘Messer zum Abschneiden des Zahnfleisches rings um die Zähne’ (sp. Mediz.). Von χαρακτήρ : -κτηρικός = -κτηριστικός (Phld. u.a.), -κτηρ-ίζω (δια-, μετα-) ‘prägen, stempeln, kennzeichnen, charakterisieren’ (hell. u. sp.) mit -ισμός, -ισμα, -ιστικός (sp.); -κτηριάζω ‘prägen, münzen’ (Samos Ip). 5. -κτης m. ‘Präger, Münzer’ (Man.), παρα- ~ ‘Falschmünzer’ (Vett. Val.). — Daneben χάραξ, -ακος m. f. ‘Spitzpfahl, Weinpfahl, Schutzpfahl, Pfahlwerk, Palisade’ (att. hell. u. sp.), auch als Fischname (Diph. Siph., Opp. u.a.; Strömberg Fischn. 36, Thompson s.v.); χαρακο-βολία f. ‘die Aufrichtung einer Palisade’ (LXX), ώμο-χάραξ ‘Gabelpfahl für Weinstöcke’ (Gp.). Davon l. χαρακ-ίας m. (κάλαμος) ‘zum Pfahl od. zur Palisade geeignet’ (Thphr.), auch als Pflanzenname ‘Art Euphorbia’ (Dsk.; Strömberg Theophrastea 91 u. Pfl. 107), als Fischname (Gp., s. χάραξ). 2. -ίτης m. ‘Art Euphorbia’ (sp., Redard 78), auch = ‘der hinter einem χάραξ lebt’ (βιβλιακός), ‘von der Welt abgeschieden’ (od. ‘Pfuscher mit der Feder’ ? Timo; Redard 27). 3. -ια· ὑποστηρίγματα H. 4. -όω (περι-, ἀπο-) ‘mit Pfählen versehen, verpalisadieren’ (Aesch., Arist., hell. u. sp.) mit -ωμα (περι-) ‘mit Palisade befestigter Platz’ (X., Arist., hell. u. sp.), -ωσις ‘das Verpalisadieren, das Stützen der Weinstöcke’ (Lykurg., hell. u. sp.), -ών ‘Weingarten mit verpfählten Weinstocken’ (Pap. II-IIIp). 5. -ίζω eig. ‘mit Pfählen versehen’, nur übertr. von den Fliegen ‘die Vorderbeine (zum Putzen) kreuzweise übereinander legen’ (Arist.) mit -ισμός m. Verpalisadierung’ (Pherekr., maked. Inschr. IIIp). Daß χαράσσω von χάραξ abgeleitet ist (*χαράκ-ι̯ω) scheint sicher. Weder ‘spitzen, schärfen’ noch ‘ritzen, eingraben’ lässt sich jedoch vom Gerätenamen χάραξ (vgl. πίναξ, κάμαξ, κλῖμαξ u.a.) aus unmittelbar verstehen (χαράσσω eig. ‘eine Spitze herstellen’ = ‘spitzen, schärfen’, bzw. ‘mit einem spitzen Gegenstand bearbeiten’ = ‘ritzen, eingraben’ ?). Nicht ganz un- wichtig ist außerdem, daß χαράσσω sowohl früher wie häufiger als χάραξ belegt ist. — Ohne sichere Etymologie. Aus anderen Sprachen wurde schon von Fick 1, 435 lit. žeriù, žer̃ti ‘scharren’ mit žarstýti ‘scharren, mit dem Schüreisen die glühenden Kohlen im Ofen umscharren usw.’ herangezogen; aus toch. B fügt van Windekens Orbis 13, 612 noch hinzu kār(r)e Grube’, das idg. *ghoro-s repräsentieren würde. II-1073-1075
χάρμη 1. ‘Kampflust usw.’ s. χαίρω. II-1075
χάρμη 2. Nach Sch. Pi. O. 9, 128 bei Stesich. (94) und Ibyk. (63) = ἐπιδορατίς; ebenso Pi. Dith. 3, 13. Davon das Bahuvrihi ἄγ-χαρμον· ἀνωφερῆ τὴν αἰχμήν H. — Von Persson Beitr. 1, 222 f. vermutungsweise mit χαρία· βουνός H. und mit χοιράς ‘Klippe im Meer’ (aber s. χοῖρος) verbunden, wozu noch allerhand Wörter der Bed. ‘hervorstechen usw.’ (idg. gher-; WP. 1, 606, Pok. 440, W.-Hofmann s. ēr); vgl. χήρ. — Ob nicht vielmehr freie dichterische Umdeutung von 1. χάρμη nach χαλκο-χάρμης (neben χάλκ-ασπις, -χίτων u.a.), μενε-χάρμης (neben μεν-αίχμης) u.a.? II-1075
χάρτης m. ‘Papyrusblatt, -rolle’, übertr. ‘dünne Platte’ (att. Inschr., Pl. Kom., hell. u. sp.). Als Vorderglied u.a. in χαρτ-υφάντης m. ‘Papyrusblattfabrikant’ (Korykos). Davon die Demin. χαρτ-ίον n. (hell. u. sp.), -ίδιον n. (sp.), -άριον n. (sp.); auch -ηρία f. = χάρτης (LXX), -ηρά f. ‘Papyrussteuer, -ausgabe’ (hell. u.sp. Pap. u. Inschr.), -αρέα f. ‘Papyrussteuer’ (Pergamon; vgl. die seltenen οἰναρ-έα, τροχαρ-έα). — Unerklärt; wie die Papyruspflanze selbst wohl aus Ägypten. Lat. LW charta, woraus frz. carte, spätmhd. Karte usw. Über iberoromanische Ableger (z.T. via arab. qartâs) Kahane-Pietrangeli Romance Phil. 17, 318. Von χάρτης wohl auch aind. kaḍitram ‘Schreibleder’ (Mayrhofer A.I.O.N. 1, 232 mit Burrow). Aus lat. chartulārius, chart(i)āticum die späten χαρτουλάριος ‘Archivar’, χαρτ(ι)ατικόν ‘Dokumentgebühr’. II-1075
Χάρυβδις, -εως, ion. -ιος f. N. eines Meerungeheuers (seit Od.). — Während sich für Σκύλλα eine annehmbare Etymologie finden läßt, bleibt Χάρυβδις dunkel. Die Anknüpfung an χάσκω, χάος, *χάδην und ῥυβδέω, *ῥύβδην (Schwyzer 626 mit Platon) macht den Eindruck einer Volksetymologie. Referat anderer gleich ergebnisloser Versuche bei P. -W. 3, 2194 f. II-1075
χάρων 1., -ωνος m. f. Beiname bzw. Name des Löwen (Euph., Lyk., H.), auch vom Adler und dem Kyklopen (Lyk.). — Individualisierende Kurzform für χαροπός (Sommer Nominalkomp. 121 f., Leumann Sprache 5, 72); s. χαίρω. II-1075-1076
Χάρων 2., -ωνος m. der Fährmann der Toten in der Unterwelt (E., Ar. u.a.). Davon Χαρων-εύς = Χάρων (Ath. 15, 666a), metrische Erweiterung am Versende (vgl. Boßhardt 97); -(ε)ιος ‘den Charon (die Unterwelt) betreffend’ (Str., Gal., Zen. u.a.), -ίς f. ‘ds.’ (Nonn.); -ῖται m. pl. = lat. Orcini, von den von Antonius nach dem Tode Cäsars eingesetzten Senatoren (Plu.). — Appellativische Bed. ebenso wie Herkunft des Mythos unbekannt (aus Ägypten? D.S. 1, 92 u. 96; vgl. Nilsson Gr. Rel. I 328 f.). Im Altertum (Serv. Aen. 6, 299) mit χαίρω ("κατ’ ἀντίφρασιν") verbunden; in neuerer Zeit (z.B. v. Wilamowitz Glaube 1, 315) als Kurzform von χαροπός (= 1. χάρων) betrachtet. Nach van Windekens Beitr. z. Namenforsch. 9, 172 zu ’Αχέρων ("celui du cours d’eau, du fleuve"), griech. oder pelasgisch. — Zu Χάρων (Χάρος) im Ngr. Hesseling ByzZ 30, 186ff.; dazu Kretschmer Glotta 22, 238f. II-1076
χάσιος · ἀγαθός, χρηστός H. — Wohl Grundform von lak. χάϊος, s.d. II-1076
χάσκω (ion. att.), χαίνω (hell. u. sp.), Aor. 2 χανεῖν, Perf. κέχηνα (beide seit Il.), Aor. 1. Konj. κατα-χήνῃ (H.; vgl. unten), dor. ἔχᾱνα (Aesop.), Perf. 3. pl. κεχά̄ναντι (Sophr.), Fut. χανοῦμαι (ion. att.), ‘klaffen, gähnen, den Mund aufsperren’. oft m. Präfix, z.B. ἀνα-, ἐν-, περι-, ὑπο-, Davon A. Adv. χαν-δόν ‘mit aufgesperrtem Munde, gierig’ (φ 294, hell. u. sp. Epik, sp. Prosa; Haas Μνήμης χάριν 1, 134, 142, 144), χανδο-πόται m. pl. (AP: χανδὸν πιεῖν· κεχηνότως καὶ ἀθρόως πιεῖν ὅλῳ στόματι H.); χαν-δά ‘ds.’ (A. D.). — B. Subst. 1. χάσμα n. ‘klaffende Öffnung, Abgrund, Schlund’ (seit Hes.) mit -άτιον n. Demin. (Hero, Sch.), -ατίας m. ‘Erdbeben, wobei die Erde birst’ (Arist., Posidon.; vgl. βρασματίας u.a. s. βράσσω). 2. χάσμη f. ‘das Gähnen, bes. vor Schläfrigkeit’ (Hp., Pl. u.a.) mit -άομαι, vereinzelt m. ἀντι-, ἐπι-, κατα- (ion. att.), -έομαι (Theok.) ‘gähnen, mit offenem Munde stehen’ mit χάσμ-ημα n. ‘offenes Maul’ (Ar. Av. 61), -ησις f. = χάσμη (H., EM, Eust.); -ώδης (auch auf χάσμα beziehbar) ‘immer gähnend, gleichgültig’ (D. L., Plu.), auch metr. ‘hiatusbildend’ (A. D.) mit -ωδία f. ‘Hiatus’, -ωδέω ‘einen Hiatus bilden, schaffen’ (Eust.). —3. χάνος n. ‘Schlund, Mund’ (Kom. Adesp.); dazu, wenn nicht eher direkt zu χανεῖν, u.a. ἀ-χανής (< ἁ- dissimiliert) ‘klaffend, weit geöffnet, ausgedehnt, unermeßlich’ (Parm., Arist., hell. u. sp.) mit ἀχάν-εια f. ‘weite Öffnung, Ausdehnung, Unermesslichkeit’ (sp.), auch (mit α priv.) ‘nicht weit geöffnet, mit geschlossenem Munde’ (Thphr., Hegesipp. Kom., Plb., Luk. u.a.). — C. Verba. 1. χασκ-άζω ‘begaffen, angaffen’ (Ar. V. 695 [anap.]) mit -αξ, -ακος m. ‘Begaffer’ (Eust.). 2. -ωρεῖν· περι-βλέπειν H. (nach θεωρεῖν u.a.). 3. χανύειν· βοᾶν, χανύσσει· βοᾷ (cod. βία), καλεῖH.; dazu Χανύ-λαος u.a. (Pharsalos; Bechtel Hist. Personennamen 464). 4. Iterativ (Schwyzer 719) χηνῆσαι· καταμωκήσασθαι mit χήνημα· καταμώκημα H. —D. Vereinzelte volkstümliche Kompp.: κατωμό-χανε (Vok.) = χαίνων κατ’ ὤμου, ‘usque ad humeros hians’ (Hippon. 28; vgl. Masson z.St.); καταχήνη f. ‘Hohn, Spott’ (Ar. V. 575, Ek. 631), = καταχάσμησις, κατάγελως H. (vgl. καταχήνῃ· κατα-γελάσῃ, μυκτηρίσῃ, ἐξουθενίσῃ H.). — An das alte Formenpaar χανεῖν : κέχηνα (mit Präsensbed.; Wackernagel Syntax 1, 167) traten als Neubildungen das Futurum χανοῦμαι, das Präsens χαίνω und der Aor. ἔχηνα. Daneben stand schon in alter Zeit das σκ-Präsens χάσκω, das sich mit χανεῖν, κέχηνα schwerlich unmittelbar vereinigen läßt. Daß der Nasal ursprünglich aus einem Nasalpräsens *χά-νᾱμι, *χά-νω stammen sollte, wozu ἔχανον, χανεῖν als altes Ipf. (Schwyzer 694; vgl. 771 und Schulze Kl. Schr. 53), ist eine hypothetische Annahme, die jedenfalls in dem späten χαίνω keinen Anhalt hat. Für χανύειν ist eine Zerlegung in χα-ν-ύ-ειν ( : χαῦ-νος, χάϝ-ος; vgl. γάνυμαι : γαῦρος) kaum mehr als eine theoretische Möglichkeit. — Zu χανεῖν, χάνος stimmt ein nord. Wort gan n. ‘das Aufsperren des Mauls, Rufen, Schreien’ (awno.), ‘Schlund, Rachen, Kiemen’ (schw. norw.) mit dem schwachen Verb gana ‘aufklaffen, begehren, gaffen’; als idg. Grundform läßt sich ĝhan- ansetzen (WP. 1, 534, Pok. 411). Für χά-σκω ergibt sich keine unmittelbare Entsprechung, es kann aber die Tiefstufe zu χήμη (s.d.) u.a. enthalten. Die Nomina χάσμα, -μη lassen sich sowohl aus χάσκω wie aus χανεῖν (vgl. φάσμα : φαίνω) erklären. — Neben den obigen Formen bieten sich zum weiteren Vergleich eine fast unabsehbare Menge Worter der Bed. ‘gähnen, klaffen usw.’ auf anl. ĝh- mit ī̆- (ēi-) Vokal, z.B. lat. hiscō, ahd. gīēn, awno. gīna, ahd. ginēn, nhd. gähnen, heth. ki-nu-zi ‘aufbrechen, gewaltsam öffnen’, Kausativbildung (Laroche BSL 58, 58 f.), lat. hiāre, hiō = lit. žió-ju, -ti, aksl. zějǫ, toch. B kāy- (Ptz. Pass. kakāyau) ‘öffnen’ (van Windekens A.I.O.N. 4,20). Dazu mehrere Nomina, z.B. χῑράς (s.d.). Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 1, 548 ff. (mit Persson Beitr. 1, 13 u. 62 f.; 2, 708 f. u. 893), Pok. 419ff., W.-Hofmann s. hiō; auch Fraenkel s. žióti und Vasmer s. zíny und zijátь. Vgl. noch χάος, auch χήν. II-1076-1077
χατέω, χατίζω (nur Präs. bis auf Ipf. χατέεσκε Nonn. 4, 56) ‘ermangeln, bedürfen, begehren’ (ep. poet. seit Il., -ίζω auch Hp.); χατεύει· χρῄζει (cod. χαρίζει), ἐπιθυμεῖ, χατεύουσα· χρῄζουσα, δεομένη H. Dazu, wohl als Rückbildung, χατίς (leg. χάτις?)· ἐπιθυμία, χρῆσις H. — Daneben der erstarrte Dativ χήτεϊ, χήτει ‘aus Mangel, aus Sehnsucht’ (vorw. poet. seit Il., auch sp. Prosa) von χῆτος· ἔνδεια, στέρησις H., evtl. *χῆτις (vgl. Risch ̨̨ 16a und 31e γ, Schwyzer 505 A. 1), mit χητοσύνη ‘Mangel, Verödung’ (AP9,408; Wyss -σύνη 71), χητεία (cod. χηρ- alph. unrichtig)· χρεία H., χητίζω = χατίζω (EM). Zu χατέω vgl. αἰτέω, ματέω, πατέομαι, δατέομαι u.a. (Schwyzer 705), daraus erweitert χατίζω (vgl. αἰτ-έω : -ίζω u.a.; schwerlich von *χάτις mit Risch ̨ 110 und Schwyzer 735). χατεύω (vgl. ματ-έω : -εύω u.a.). Zu χῆτος vgl. κῆτος, σκῦτος, ἔντος (Schwyzer 513); *χῆτις wie μῆτις. — Ohne außergriech. Entsprechung. Entfernte Verwandte können in χήρα, χώρα vorliegen; s. dd. m. weiteren Anknüpfungen. II-1077-1078
χαυλιόδων, χαῦνος s. χάος. II-1078
χέδροπα (-πά) χέδροπας (v.l. -πούς) Akk. pl. (Arist.), χέδροψ· πᾶν ὄσπριον, σπερμα H. (auch κέδροπα, κέρδοπα). Auch χεδρία f. ‘ds.’ (Pap. IV—VIp) n. pl. (Hp., Arist., Thphr., Nik. u.a.), ‘Hülsenfrüchte’; χεδροπ-ώδης ’χ.-ähnlich’ (Phanias ap. Ath.). — Unerklärt. Grošelj Živa Ant. 7, 43 vergleicht russ. goróch ‘Erbse’ (anders Vasmer s.v.), lat. furfur ‘Hülse des Getreides und der Hülsenfrüchte’ u.a. Von Nik. Th. 752 mit χείρ und δρέπω (χειροδρόποι φῶτες) volksetymologisch verbunden. — Vgl. χῖδρα. II-1078
χέζω, Perf. -κέχοδα, Aor. χέσαι, auch χεσεῖν (zu χεσοῦμαι nach πεσοῦμαι : πεσεῖν Schwyzer 746 A. 6 und 786 m. Lit.), Fut. χεσοῦμαι, auch χέσομαι, Perf. Ptz. Pass. κεχεσμένος, ‘scheißen’ (Ar. u.a.). auch m. ἐν-, ἐπι-, κατα-, ἐκ-. Als Vorderglied in χεζ-ανάγκη f. ‘Purgiermittel’ (sp. Mediz.). Davon die Desider. χεσ-είω (Ar.) und χεζ-ητιάω (Ar.; wie πασχ-ητιάω u.a., Schwyzer 732). Nomina: χεσ-ᾶς m. (Poll., Sch., Suid.), -μα n. (Mediz.); πολύ-χεσος (Kom. Adesp.); zur Bildung Schwyzer 461 u. 516. Vom Verbalstamm χόδανον· τὴν ἕδραν H., χοδιτεύειν· ἀποπατεῖν H. ( : *χοδίτης), μυό-χοδον n. ‘Mäusekot’ (sp.), als Schimpfwort μυόχοδος (γέρων) = οὐδενὸς ἄξιος (Men. 363 Kce.). — Altererbtes volkstümliches Wort. Zum Jotpräsens χέζω stimmt alb. dhjes ‘scheiße’: idg. *ĝhed-i̯ō; daneben das Wurzelpräs. aind. hadati ‘ds.’. Mit -κέχοδα (nur mit Präfix belegt) läßt sich aind. (Gramm.) jahade (Med.) gleichsetzen; das Muster war ja uralt ebenso wie in χόδανον: aind. (Lex.) hadanam n. ‘Kot’. Auch in anderen Sprachen ist das Wort vertreten: arm. jet, -oy ‘Schwanz’ : idg. *ĝhedos- (od. *ĝhedo-m); ein s-Stamm ebenfalls in aw. zadaŋha Akk. du. ‘die beiden Hinterbacken, Steiß’, apa-zaδah- ‘den Steiß nach hinten gerichtet (?)’. Unsicher phryg. ζέτνα = πύλη (Phot.), leg. πυγή? (s. Solmsen KZ 34, 70 f.). — Weitere hypothetische Anknüpfungen bei Bq, WP. 1, 571f., Pok. 423. II-1078-1079
χεῖ (später χῖ) N. des Buchstaben χ (att. Inschr. [nicht vor 307a], Pl. Ti., Hp. u.a.). Davon χιο-ειδής ’χ-geformt’ (sp. Mediz.), χι-άζω ‘mit einem χ bezeichnen, kreuzweise setzen, durchstreichen, annullieren’ (D. S., Pap., Sch. u.a.) mit -ασμα n. ‘kreuzweise gelegtes Holz’ (Bito), ‘kreuzweise gelegter Verband’ (Mediz.); -ασμός m. ‘das kreuzweise Stellen, das Annullieren usw.’ (sp.; > lat. chīasmus), -αστός ‘kreuzweise gelegt usw.’ (Ph. Bel., sp.). — Nach πει̃ (wie auch ξεῖ, φεῖ, ψεῖ), s.d. II-1079
χειά, ion. -ιή. Dat. pl. χεειαῖς (Nik. Th. 79 Versende; codd. χελεί-) f. (Χ 93 u. 95, Pi. I. 8, 77 [unsicher], Plu., Orph., Kreta), ‘Loch, Höhle’. — Die Analyse des seltenen Wortes hängt von der Beurteilung des versschließenden χεειαῖς bei Nik. ab. Wenn nicht dem Metrum angepaßt, muß es für *χεϝε(σ)-ιά stehen, woraus durch Kontraktion χειά, -ιή. Auch die weitere Eingliederung bleibt offen; man hat sowohl an lat. fovea (Lit. bei W.-Hofmann s.v.) wie an χάος (Bechtel Lex. s.v.) gedacht. Vgl. ὀχεή. II-1079
χεῖλος, meist pl. -εα, -η (seit Il.), dor. χῆλος (Kerk.), äol. χέλλος (Gramm.) ‘Lippe’, übertr. ‘Rand, Saum’. Oft als Hinterglied, z.B. ἰσο-χειλής ‘mit dem Rande gleich, mit dem Rande eines Gefäßes gleiche Höhe habend, bis an den Rand steigend’ (X., Arist. usw.; -λος Gp.); παχυ-χειλής (Arist.), -λος (Ruf., Gal.) ‘mit dicken Lippen’. Vereinzelt als Vorderglied, z.B. χειλο-ποτέω ‘mit den Lippen trinken, schlürfen’ (AP 7, 223; vgl. λαβρο-ποτέω ibid. 5, 109 u. 10, 18). Davon das Demin. χειλ-άριον n. (Gloss.), die Erweiterung -ωμα n. = χεῖλος (Aq.; vgl. Chantraine Form. 187); auch -ᾶς = labrosus (Gloss.). — Wenn die überlieferten Dialektformen echt sind, bleiben als mögliche Grundformen *χέσλος, *χέλσος, wohl auch *χέλνος (s. Solmsen KZ 29, 351 f.). Eine überzeugende Etymologie fehlt. Seit langem (s. Bq und WP. 1, 632) mit dem semantisch etwas unbestimmten awno. gjǫlnar f. pl. = granar, d.h. ‘Schnurrbart, bärtige Lippen’ (urg. *gelunōz) verglichen, wozu nach Adontz Mél. Bq 1, 9 noch arm. jeɫun ‘Gaumen, Plafond’. Ein ursprüngliches *χέλϝος, das zu den außergriech. Formen besser stimmen würde (Schwyzer 491 fragend), ist nur für ion. χεῖλος ganz befriedigend. — Vgl. χελύνη. II-1079
χεῖμα χειμών, -ῶνος m. (allg. seit Il.) n. (poet. seit Od.), ‘Winter, Winterwetter, Sturm’ (nur stilistisch unterschieden). Einige Kompp., z.B. χειμά-ρροος, -ρρους, -ρρος ‘im Winter fließend’ (Il., Thgn., Hdt., Trag. u.a.), m. ‘Gießbach, Sturzbach, Strom’ (att., LXX, Paus. u.a.; Adrados Emer. 33, 7 ff.), -ρρώδης ‘einem χ. ähnlich’ (Str.); χειμωνο-τύπος ‘mit Sturm peitschend’ (A. Supp. 34 [anap.]), χειμό-σπορος ‘im Winter gesät’ (Thphr.), πολυ-χείμων ‘mit vielen Stürmen’ (App.), ἀ-χείματ-ος ‘ohne Stürme’ (A. Supp. 136 [lyr.]). Ableitungen. 1. χειμων-ικός ‘zum Winter gehörig’ (sp.), -όθεν ‘vom Sturme her’ (Arat.). 2. χειματ-ικός, χειμ-ώδης ‘winterlieh, stürmisch’ (Sch.). 3. χειμ-ίη f. ‘winterliches Wetter’ (Hp.), nach νηνεμ-ίη u.a. (vgl. Scheller Oxytonierung 39; anders Schwyzer 486 u. 522). 4. PN Χείμα, -ᾱς m. (thess.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 185 A. 1). Denom. Verba: 5. χειμ-αίνω ‘bestürmen, stürmten’ (Pi., Hdt., Arist., Theok. u.a.) mit ἀ-χείμαν-τος ‘nicht bestürmt, ohne Stürme’ (Alk., B.). Gewöhnlicher 6. -άζω, auch m. Präfix, z.B. παρα-, ἐπι-, ‘mit Winter und Sturm heimsuchen, bestürmen’, übertr. ‘kränken, verletzen’, ‘den Winter zubringen, überwintern’ (ion. att.) mit ἀ-χείμασ-τος ‘nicht bestürmt’ (J.), χειμ-ασία, -ασίη (παρα-) f. ‘die Überwinterung, Winterquartier’ (Hdt., hell. u. sp.), pl. auch ‘Winterstürme’ (Arist., Thphr.), -ασις f. = tempestivitas (Gloss.), -αστρον n. ‘Winterkleid’ (Ar.Fr. 888; vgl. θέριστρον u.a.), παρα- ~ -αστικός ‘zum Überwintern geeignet’, n. pl. -αστικά (sp.); -άδιον n. ‘Winterquartier’ (D., Str., Plu. u.a.; Rückbildung) mit -άδιος (Poll., Suid., Et. Gud.), -αδεύω = -άζω (Str. u.a.); mit δ-Suffix noch -άδα· ἱμάτιον χειμερινόν, -άς· χειμών H. —Dazu mit Stammwechsel : 7. χειμ-έριος ‘winter- lich, stürmisch’ (seit Il.), -εριώδης ‘ds.’ (Gp.). 8. -ερινός ‘den Winter betreffend, winterlich’ (ion. att.; wie ἐαρινός u.a.). 9. -ερος = -έριος (Arat.), aus den Kompp. losgelöst, z.B. δυσ-χείμερος ‘von einem schweren Winter, schweren Stürmen heimgesucht’ (Il., Hdt., A. u.a.). 10. -ερίζω ‘den Winter zubringen’ (Hdt., D. H. u.a.), ‘stürmen’ (Thphr.). — Zu χείμαρος s. bes. — Daneben χιών, -όνος f. ‘Schnee, Schneedecke, Schmelzschnee’ (seit Il.). Als Vorderglied, z.B. χιονό-χρως, -ωτος ‘mit schneeweißer Haut’ (E. in lyr.). Davon χιόν-εος ‘schneeig, schneeweiß’ (poet. seit Asios [VII—VIa]), -ώδης ‘schneeartig’ (Hp., E., hell. Dicht.), -ικός ‘aus Sch. bestehend’ (Thphr.), -ινος ‘schneeweiß’ (Ptol. Euerg.), -ιον n. Bez. einer Augensalbe (Alex. Trall.), -ίζω, -ίζομαι (κατα-) ‘(be)schneien, von Schnee bedeckt werden’ (Hdt., D. S., Dsk. u.a.), -ίζει· λευκαίνει H., -ισμός m. ‘das Beschneien’ (Apollon. Lex., H.). —Außerdem mit Tiefstufe χῐμ- : χίμετλον, meist pl. -τλα n. (Hippon., Ar., Nik., Lyk., Poll.), -τλη f. (Dsk.) ‘Frostbeule’ (aus -θλον, -θλη dissimil.; Schwyzer 533 m. Lit.); als Hinterglied -χῐμος in den poet. Adj. δύσ-χιμος ‘stürmisch, schauerlich’ (A., E.), μελάγ-χιμος ‘schwarz (auf weißem Grund). dunkel (fleckig)’ (A., E.), τὰ -α ‘schwarze Flecken im Schnee’ (X. Kyn. 8, 1 u. 7, Poll.), mit verblaßtem Hinterglied (Sommer Nominalkomp. 71 ff. mit Lit.). — Zu χίμαιρα s. bes. — Altererbtes Wort für ‘Winter’, auch ‘Schnee’, mit zahlreichen Vertretern in mehreren Sprachen. 1. Zu χεῖμα, χει-μών : aind. Lok. hēman ‘im Winter’, idg. *ĝheime / on-; alb. (geg.) dimën aus *ĝheimen- od. *ĝhimen- (Hamp IF 66, 52 ff.). Dazu mit t-Erweiterung aind. hemantá- m., heth. gimant- ‘Winter’ (Kronasser Etymologie 1, 264, Mayrhofer IF 70, 247 f.). 2. Zu χειμερ-ινός, -ιος, -ος : arm. jmeṙn ‘Winter’ (aus *jim-, idg. *ĝhim-), lat. hībernus ‘winterlich’, Grundform strittig, s. Szemerényi Glotta 38, 107 ff. (mit zahlreichen Einzelheiten u. reicher Lit.), der alle r-Formen als einzelsprachliche Neuerungen erklären will; mit -r- noch alb. (tosk.) dimër(ë) ‘Winter’, aber durch sekundären Übergang n > r (Jokl IF 36, 130ff.). 3. χιών = arm. jiwn ‘Schnee’ (wie κίων = siwn), idg. *ĝhii̯ōm (mit auslaut. -m zu -n in beiden Sprachen). Daneben lat. hiems, hiemis f. ‘Winter, Sturm’ aus *ĝhii̯(e)m-, auch aw. zyā̊ (idg. *ĝhii̯ō[m]s), Akk. zyą-m ‘Winter’ (nach den ā-Stämmen), Gen. zim-ō (vgl. zu 4). 4. χίμ-ετλον, δύσ-χιμος aus *ĝhim-o- wie aind. himá- m. ‘Kälte, Frost, Schnee’, hímā f. ‘Winter’; als Hinterglied in śatá-hima-’hundertwintrig’ = ‘hundertjährig’, ebenso lat., z.B. bīmus aus *bi-himos ‘zweijährig’ (dazu Sommer a.O.). Hierher noch heth. Dat. Lok. gimi (gemi) ‘im Winter’ zu *gim(a)- (idg. i od. ei; vgl. gimant- zu 1). Mit idg. ei balt.-slav., z.B. lit. žiemà, russ. zimá. Die obigen Formen ergeben ein idg. Wechselspiel ĝheim- : ĝhii̯em- : ĝhim- (wie deiu̯- : dii̯eu- : diu̯-; s. δῖος und Ζεύς), wozu ein r : n-Stamm in χειμών : χειμερ-ινός usw. (anders Szenrérenyi a.O.; ähnlich Specht KZ 53, 307f.). Außerhalb dieses Systems steht ein indoiran. Wort für ‘Winter’ in aw. zayan- m. mit zayana- ‘winterlich’, aind. (mit funktioneller Vokaldehnung, sog. Vr̥ddhi) hāyaná- m. n. ‘Jahr’, Adj. ‘auf das Jahr bezüglich, jährig, jährlich’ (von Humbach DLZ 78, 300 angezweifelt). Da das m in ĝheim- usw. jedenfalls formantisch (suffixal) sein muß, läßt sich zayan- aus idg. ĝhei-en- unschwer damit vereinigen, s. Benveniste Μνήμης χάριν 1, 31 ff. (anders Specht Ursprung 330 f.). — Weitere Einzelheiten m. Lit. (außer der schon genannten) bei WP. 1, 546ff., Pok. 425f., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. hiems, Fraenkel s. žiemà, Vasmcr s. zimá. Zu den Wörtern für ‘Schnee’ im Idg. noch Benveniste a.O. S. auch νείφει. II-1079-1081
χείμαρος m. ‘Zapfen im Schiffsboden’, der herausgezogen wurde, um das Wasser abzulassen, wenn das Schiff aus Anlaß eines eingetretenen Unwetters ans Land gebracht wurde (Hes. Op. 626). — Wohl als "Schlechtwetterspund" zu χεῖμα, χειμών, χειμέρ-ιος als Gegensatzbegriff zu εὐδίαιος "Gutwetterloch" (Plu., Poll., H.), s. εὐδία. Sommer Festschrift E. Windisch dargebracht (1914) 123ff. II-1081-1082
χειμάρρους s. χεῖμα. II-1082
χείρ, χειρός, Dat. pl. χερσί (ion. att. seit Il.), dor. χήρ, χηρός, äol. Akk. sg. χέρρ’, pl. χέρρας, dicht. und hellen. auch (sekundär) χερ- in χερί, χερός, χέρα, χέρες usw. (vgl. unten) f. ‘Hand, Faust’, auch übertr. ‘Tat, Kraft, Gewalt; Menge, Schar’. In der Komposition unbeschränkt produktiv. Als Vorderglied z.B. χειρο-τέχνης m. ‘Handwerker’ (ion. att.) mit -τεχνία, -τέχνιον u.a. (Daux Rev. de phil. 60, 361 f.); Χειρί-σοφος PN, wohl instrumental (Schwyzer 446 m. A. 4); χέρ-νιψ, -νιβος f. "Handewäscherin", ‘Waschwasser für die Hände, Weihwasser’, pl. auch ‘Händewaschungen’, als Reinigungszeremonie (seit Cd. [hier nur Akk. sg. -ιβα]), wovon χέρνιβ-ον, pl. -α n. ‘Waschschüssel, Becken’ (Ω 304, wohl durch Umdeutung des Akk. sg. χέρνιβα [Leumann Hom. Wörter 160]; auch Delos IVa), -ιον (Hp., Ar., And.), -εῖον (Antiph., Inschr.) ‘ds.’ (Einzelheiten bei Egli Heteroklisie 35); seltenes Denominativum χερνίψασ-θαι, -νίπτομαι (für χεῖρας νίψασθαι) ‘die Hände (vor dem Opfer) waschen, mit reinigendem Wasser besprengen’ (Α 449. E., Ar., Lys.), -νίψαι ‘mit Weihwasser besprengen = opfern’ (Lyk.), -νιφθείς ‘geweiht’ (AP), -νιμμα n. ‘Händewaschen’ (Kom. Va). Als Hinterglied z.B. αὐτό-χειρ ‘wo die eigene Hand dabei ist, eigenhändig, tätig, Täter’, euphem. = ‘mörderisch, Mörder’ (att. seit A.) mit -χειρί, -χειρία, -χειρίζω u.a.; thematisch erweitert in ἑκατόγ-χειρος ‘mit hundert Händen’ (Α 402); in Hypostasen, z.B. πρό-χειρ-ος (: πρὸ χειρῶν) ‘zur Hand, bereit’ (ion. att.) mit προχειρ-ίζομαι ‘sich zur Hand schaffen, bereiten, bestimmen’, ὑπο-χείρ-ιος ‘unter der Hand, in jmds. Besitz, untertan’ (seit ο 448), ἐγ-χειρ-ίδιος ‘in der Hand’ (A), -ίδιον n. ‘Handwaffe’ (ion. att.), ‘Handbuch’ (sp.); vgl. ἐγχειρ-έω, -ίζω unten und Sommer Nominalkomp. 139ff. —Zu χειρόμακτρον, χερνής, ἐκεχειρία s. bes. Ableitungen. 1. Demin. χειρ-ίδιον n. (att. Inschr., sp. Mediz.), χέρ-ιον n. (sp. Mediz.), auch ‘Handhabe’ (Hero), -ύδριον n. (Mesch.). 2. χειρ-ίς, -ῖδος f. ‘langer Handschuh, Ärmel’ (seit ω 230, wie κνημ-ίς u.a.) mit -ιδωτός ‘mit χ. ausgerüstet (Hdt., hell. Pap., Str. u.a.), -ιδόομαι ‘mit χ. versehen werden’ (Arist. -Komm., Gloss.). 3. -ητής m. ‘Handarbeiter’ (Pap. IIIp). 4. χερ-άριος m. Bez. eines Beamten in Ilion (Inschr. II—IIIp). 5. Adj. χείρ-ιος ‘in den Händen, in jmds. Besitz’ (S., E.), -ικός ‘manuell’ (Pap. IIp), -ωτός ‘mit Händen versehen’ (Arist.-Komm.). 6. Kurznamen, z.B. Χείρ-ων (äol. Χέρρ-, att. Vasen Χίρ-; Vorbote des Itazismus? Kretschmer Glotta 10, 58 ff.; anders Fischer Münch. Stud. 26, 20: Χειρ- Volksetymologie); -ίας (Χερρ-, Χηρ-) m. (Megara, Böot.; Heubeck Beitr. z. Namenforsch. 7, 276 A. 9). 7. Verba. a) χειρ-ίζω, dor. nwgr. Fut. -ιξῶ ‘handhaben, verwalten’ (Hp., kork., hell. u.sp.) mit -ισις, -ιξις, -ισμός, -ισμα, -ιστής, -ιστικός, -ιστεύω; öfter in Ableitungen und Hypostasen, z.B. προχειρ-ίζομαι (: πρό-χειρ-ος, s. oben), μετα-χειρ-ίζομαι, -ίζω (: μετὰ χεῖρας) ‘in die Hände nehmen, sich befassen’ (ion. att.). b) -χειρέω, -έομαι in Hypostasen wie ἐπι-χειρ-έω ‘Hand anlegen, angreifen, unternehmen’ (seit ω 386, 395) mit -ημα, -ησις u.a. (Schwyzer 731), ἐγχειρ-έω, ark. -χηρ- ‘ds.’ (att.; Schw. 726). c) χειρόομαι (-όω Ar. V. 443), -ώσασθαι ‘in seine Hände od. seine Gewalt bringen, überwältigen, unterwerfen’, Pass. -ωθῆναι, κεχείρωμαι ‘in die Hände jmds. fallen, überwältigt, unterworfen werden’ (ion. att.) mit -ωμα, -ωσις, -ωτικός, εὐ-χείρ-ωτος; ausführlich Kerschensteiner Münch. Stud. 15, 39 ff. gegen Anknüpfung an χείρων und nachträgliche Assoziation mit χείρ (Wackernagel KZ 30, 300 = Kl. Schr. 1, 663 u.a.). d) χειριᾶν = τὸ κατερρῆχθαι τὰς χεῖρας ἢ ἀλγεῖν ἐπὶ κόπου (Poll. 2, 152), vgl. zu χιράς. — Altererbtes Wort für ‘Hand’, in mehreren Sprachen erhalten. Zu χειρ-, dor. χηρ-, äol. χερρ- aus *χεσρ- stimmen heth. keššar, Dat. kešri (kišri), arm. jeṙn (urspr. Akk., = χεῖρ-α, wie ot-n; s. zu πούς), pl. jerk‘ ( = χεῖρες), ebenso toch. A tsar, B ṣar (mit unklarer Lautentwicklung), vielleicht auch alb. dorë : idg. Obl. *ĝhesr- (Nom. *ĝhesōr?). Weitere Einzelheiten m. reicher Lit. bei Schindler IF 72, 244 ff. Die einheitliche griechische Flexion ist durch Ausgleichung entstanden; der Stamm χερ-hat vom Dat. pl. χερσί (aus *χεσρ-σι; zunächst aus *χειρ-σι = *χε̄ρσι mit Kürzung vor Konsonant, ebenso χέρνιψ, χερνῆτις) aus weitergewuchert; s. Leumann Hom. Wörter 318ff. m. Lit. — Hierher noch luw. iššari- (išri-) mit lyk. izri (Scheller IF 69, 38ff., Laroche BSL 58, 79), wohl auch neuphryg. ζειρ(α) mit Heubeck IF 64, 17 f. Anschluß an aind. hásta-, aw. zasta-, apers. dasta- m. ‘Hand, Arm’ wird von Duchesne-Guillemin BSL 39, 211 ff. erwogen. Zu lat. (h)īr ‘hohle Hand’, das fernzuhalten ist, W.-Hofmann s.v. — Ältere Lit., die von einem unrichtigen Ansatz *χερσ- (zu ĝher- ‘greifen’; s. χόρτος) ausgeht, bei Bq und WP. 1, 603 ff. — S. auch ἰοχέαιρα. II-1082-1083
χειρόμακτρον (auch -ώ-) n. ‘Handtuch, Tuch, Serviette’ (Sapph., Hekat., S. u. Ar. in Fr., X., hell. Pap.). — Nach alter Auffassung von χείρ und μάσσω (μάκτρον) ‘kneten, mit den Händen betasten’ (ἀπο-, ἐκ-μάσσω ‘abstreifen, abwischen’); dabei bleibt jedoch das gelegentlich vorkommende -ω- (Hdt. v.l., hell. Pap.) neben weit gewöhnlicherem -ο- unerklärt (analogisch nach χειρῶναξ, χείρωμα?). Seit Hoffmann Dial. 3, 365 deshalb unter allgemeiner Zustimmung als *χειρ(ο)-ώμαρκτρον (mit Dissimilation) zu ὀμόργνυμι gezogen, wobei er sich aher auf das einmalige ὄμαρξον· ἀπόμαξον H. berufen muß; wenig überzeugend. II-1083-1084
χείρων (ion. att. seit Il.), äol. (Gramm.) χέρρων, poet. auch χειρότερος (Ο 513, Υ 436, Hes. Op.127 u.a.) mit Superl. χείριστος (att.). ‘schlechter, schwächer’ Daneben die ep. Formen χερείων, χερειότερος mit χέρεια (Akk. pl. n., sg. m.), χέρηες (Nom. pl.), χέρηϊ (Dat. sg.). — Die Formen lassen sich mit Leumann Mus. Helv. 2, 2ff. (Kl. Schr. 215ff.) folgendermaßen erklären: zu χείρων aus *χέρ-jων trat *χέρ-ιστος (für tiefstufiges *χάριστος, das wegen des Anklangs an χάρις vermieden wurde ?) wie μέζον (aus *μέγ-jων) : μέγιστος; dafür att. χείριστος nach χείρων, wozu χειρίων· ἐλάττων, χείρων H. Nach ἄριστος : ἀρείων entstand *χέριστος : χερείων mit ntr. χέρειον, wozu nach den ο-Stämmen pl. χέρει-α; dazu endlich *χέρει-ες (geschr. χέρη-ες; vgl. πλέον : πλέα : πλέες; zur Schreibung noch Schwyzer 243) mit sg. Dat. χέρη-ϊ, Akk. χέρει-α. Anders über χέρηϊ usw. Brugmann IF 9, 156ff. (s. auch Schwyzer 538 m.A.10). Ohne überzeugende Etymologie. Über frühere Versuche (zu aind. hrasvá-, Komp. hrásiyān ‘kurz, klein’, air. gair ‘kurz’) s. Bq s. χέρηϊ mit älterer Lit. (bes. Osthoff MU 6, 188ff.) und WP. 1, 604, ebenfalls m. Lit., Pok. 443. Neuer Vorschlag von Machek Listy filol. 72, 74 f. : zu aksl. gor’ьjь ‘schlechter, schlimmer’ (gewöhnlich mit gorė́ti ‘brennen’, gorьkъ ‘bitter’ verbunden; wenig einleuchtend). Vgl. die prinzipiellen Bemerkungen Leumanns a.O. — Zu χειρόομαι, -όω s. χείρ. Vgl. auch χρή. II-1084
χελῑδών, -όνος, poet. Vok. -οῖ (wie ἀηδοῖ : ἀηδώ(ν) u.a.) f. ‘Schwalbe’ (seit Od.); oft übertr., z.B. als N. eines Flugfisches (mittl. Kom., Arist., Strömberg Fischn. 117 f., Thompson Fishes s.v.) Davon 1. χελιδον-ίς, -ίδος f. poet., = -ών mit Verdeutlichung des Sexus (AP), metaphor. von einer Dichterin (Grabepigramm, Rom Ip), auch als mythologischer Name (Ant. Lib.). 2. -ιδεύς m. ‘junge Schwalbe’ (Eust.; wie ἀετ-ιδεύς u.a., Bosshardt 78f.). 3. -ιον n. ‘ds.’ (Gal.), auch N. einer Pflanze (Thphr., Dsk. u.a.; weil sie im Frühling blüht, Strömberg 72). 4. -ίας m. Art Thunflsch (Diph. Siph., nach der Farbe; od. als Jäger der Flugfische? Strömberg Fischn. a.O.), auch als N. eines Sternbilds (Scherer Gestirnn. 174), ‘Frühlingswind’ (Thphr., wie ἀπαρκτίας u.a.). 5. -εως f. Art Feigenbaum (Ath. u.a., wie φιβάλεως u.a., vgl. 7.). 6. -ιά f. N. eines Demos (Ark., Scheller Oxyton. 137). 7. -(ε)ιος ‘zur Schwalbe gehörig, schwalbenähnlich, -farbig’, u.a. von Feigen, σῦκα, ἰσχάδες (Ar.Fr. 569, 4, Dsk. u.a.; Schulze Kl. Schr. 415), von einem Becher, κύλιξ (Delos IV-IIa). 8. -ιαῖος ‘schwalbenfarbig’ (Pap. d. Kaiserzeit), vgl. ngr. χελι̯ός ‘schwarzweiß’, von Ziegen und Eseln (Kreta; Xanthudides ’Αρχ. ’Εφ. 28, 130ff.). 9. -ίζω ‘wie eine Schwalbe zwitschern, unverständlich sprechen, βαρβαρίζειν’ (A.Fr. 450 = 728 M.), ‘für die Schwalbe sammeln, betteln’ (Rhodos; Ath. 8, 360b) mit -ισταί· οἱ τῇ χελιδόνι (τὴν -όνα cod.) ἀγείροντες H. — Ausführlich über χελιδών nebst Ableitungen Thompson Birds s.v., Merentites Platon 9 (Athen 1953) 3—32. — Der inschriftlich belegte Frauenname Χελιδϝον (IG 9:12, 86,1, Thermos VIa, korinth. Ursprungs; für Χελιδϝονι̣[ς? Sommer Nominalkomp. 146 A. 3) scheint ein ϝον-Suffix zu verbürgen, das jedenfalls in postkonsonantischer Stellung ein griech. Unikum darstellen würde (vgl. myk. te-mi-dwe-te, -ta [s. τέρμα]?). Deshalb hält es Fraenkel Phil. 97, 171 (m. Lit.) für eine Nachbildung von *ἀϝηδϝών (zu u̯ed- ‘sprechen’; vgl. aind. yáj-van- usw.), eine ganz hypothetische Annahme. Somit -ϝ- ein falscher Archaismus wie Τλασίαϝο u.a. für -αο (vgl. Fraenkel a.O. S. 161) ? Auch im übrigen ist die Bildung unklar : χελῑδ- wie ψηφῑδ-, κνημῑδ- usw.? Weiterer Anschluß an das reduplizierte κίχλη (s.d.) und an germ., z.B. ahd. gellan ‘tönen, klingen, schreien’ (mit Nachti-gall), mhd. glīen ‘schreien’, bes. von Raubvögeln (zu χελῑ-, u. zw. mit lautmalendem ῑ ? WP. 1, 628, Pok. 428) ist gewiß möglich. Für Verwandtschaft mit dem gleichgebildeten lat. hirundō (seit Pott; Curtius 199) noch Pisani Rend. Acc. Lincei VI : 11, 780 A. 1. II-1084-1085
χελιχελώνη f. Bez. eines Mädchenspiels, bei dem die Teilnehmerinnen einen Kreis schlugen um eine Spielerin mit Namen χελώνη (Poll. 9, 125, Eust.). — Spielerische Reduplikationsbildung, deren ganz fragliche Verbindung mit χελιδών Specht KZ 59, 122 ff. semantisch zu begründen versucht. II-1085
χελλών (-λ-) , -ῶνος m. Art Meeräsche, ‘Mugil chelo’ (Arist., Hikes. und Diph. ap. Ath., H.), auch als PN (Ephesos IVa; Bechtel Namenst. 48). Dazu χελλαρίης = ὀνίσκος als Fischname (Dorio ap. Ath.), s. Strömberg 130 u. 134. — Ohne Etymologie; zur Sache Thompson Fishes s.v. Die semantisch naheliegende Anknüpfung an χεῖλος (Mastrelli Arch. glottol. it. 51, 135; vgl. die roman. Abkömmlinge von lat. labeō) ist lautlich schwierig zu rechtfertigen. II-1085
χελύνη 1. f. ‘Lippe’ (Ar. V. 1083, Poll. 2, 89 H.), ‘Kinnlade’ (Ael.). Davon χελύνιον n. ‘Lippe’ (Pap., Hippiatr.), ‘Kinnlade’ (Hp. Ep., Hipparch., J., Hippiatr.). — Wohl auch χελυν-άζειν· χλευάζειν H. (vgl. schwed. käfta ‘das große Maul haben’ von käft ‘Kiefer, Maul’), auch σχελυνάζει· φλυαρεῖ, ἐσχελύνασεν· ἐφλυάρησεν H. Als Vorderglied in χελυν-οίδης ‘mit geschwollenen Lippen’ (Kom. Adesp., Eust.). — Wie sich χελύνη ‘Lippe’ zum synonymen χεῖλος verhält, ist angesichts der nicht sicher feststellbaren Grundform von χεῖλος unklar. Semantisch unklar ist anderseits die Beziehung zu 2. χελύνη, χέλυς, χελώνη. II-1086
χελύνη 2. äol. χελύννα f. ‘Leier’ (Sapph.), ‘Schildkrötenspiel’ (Erinn.; Scheidweiler Phil. 100, 40 ff.), f. ‘Schildkröte’ (Nik. Al. 555, 558 v.l.), mit χελύν-ιον n. ‘Hirnschale’ (Hippiatr.). = χελώνιον H. — Daneben χέλυς (ῡ, sekund. ῠ), -υος f. ‘Schildkröte’ (h. Merc.), öfter ‘Leier’ (h. Merc., Sapph., A.Fr. 314 = 621 M., E. in lyr., Kall. u. a.), auch als Sternbild (Arat.; Scherer Gestirnn. 181 u. 203), übertr. ‘gewölbte Brust, Brustkasten’ (Hp., E.). Als Vorderglied u.a. in χελυ-ο-σσόος ‘die Leier(saiten) in Bewegung setzend’ (hell. Dicht.), χέλ-υδρος m. ‘Schildkrötenschlange’, Schlange mit sehr rauhen Schuppen, die z.T. im Wasser lebt (Nik., Lyk.; Morel Phil. 83, 378) Dazu die seltenen χέλ-υσμα n. ‘hölzerner Beschlag am Kiel eines Schiffes als Schutz beim Anslandziehen’ (Thphr., Poll.; Chantraine Étrennes Benveniste 9, vgl. ἔρεισμα, ὅδισμα u.a.); Χελῦ-τις f. Bein. der Artemis in Sparta (Clem. Al.; Benennungsmotiv unbekannt; s. P.-W. 3, 2231f.); *χελύειν in (lak.) χελούειν· βήσσειν H., χελ(λ)ύσσομαι (ἀνα-), -ω ‘schwer hupten, auswerfen’ (Hp., Nik., Lyk., H.). Auch χελ-ίσκον n. = τρύβλιον (Hp. ap. Erot.), -ίσκιον n. ‘leichter Husten’ (Hp. ap. Gal.). χέλειον n. ‘Schildkrötenschale’ (Nik., H.), χελεύς· κιθάρα H.; zur Bildung unten. — Mit anderer Stammbildung χελώνη f. ‘Schildkröte(nschale), Schildpatt’ (seit h. Merc.), übertr. von vielen schildkrötenähnlichen Gegenständen, bes. ‘hölzernes Schirmdach’ der Belagerungstruppen, lat. testūdō (X., Plb. usw.). Als Vorderglied in Χελωνο-φάγοι pl. m. VN (Str., D. S., Plin. u.a.), auch (H.) = ἀετοί τινες. Davon 1. χελών-ιον n. ‘Schildkrötenschale’ (Arist. u.a.), wie χελώνη oft übertragen, z.B. ‘schildkrötenförmige Hülle des Riegels’ (Deles IIIa, Pap.; Mayser I : 3, 43 m. A. 1 u. Lit.); Demin. -άριον n. (Hero, Peripl. M. Rubr.). 2. -ίς, -ίδος f. ‘Leier, Fußschemel, Türschwelle’ (Poseid., LXX, S. E. u.a.). 3. -ία, -ῖτις f. N. eines Steins (Plin.), -ίτης (κόλπος), -ῖτις (νῆσος usw.) als geogr. Namen (Redard 122, 125, 160, 178). 4. -ινος ‘aus Schildpatt gemacht’ (Edict. Diocl.). — An χέλῡς schließen sich χελύ-νη und, mit Ablaut, χέλειον aus *χέλεϝ-ιον (wie γένυς : γένειον). Ob auch χελεύς als Vertreter eines alten Ablauts zu gelten hat, ist bei der starken Produktivität der Nomina auf -εύς sehr fraglich (Bosshardt 86). Mit Suffixtausch auch χελ-ίσκον, -ίσκιον. — Nach einer althergebrachten Auffassung (z.B. WP. 1, 631 m. älterer Lit., Pok. 435 m. Lit., Schwyzer 346 u. 480; vgl. noch Meid IF 62, 276) ist auch χελώ-νη aus *χελω[υ]-νᾱ mit altem Langdiphthong an χέλυ-ς anzuschließen. Ein alter Stammwechsel u : n (vgl. lat. corv-us : κορών-η) wäre ebensogut denkbar. Vgl. Schmeja IF 68, 40f., der für einen Wechsel χελυ- : *χελο- eintritt. —Die Etymologie wirft auf die Bildung nur insofern ein sparsames Licht, als χέλυ-ς sich mit einem slavischen Wort für ‘Schildkröte’ identifizieren läßt: russ.-ksl. žely, russ. žolvь usw. (urslav. *želū-; idg. *ghelū-). Gegen weitere Anknüpfung an das Wort für ‘gelb’ in lat. helvus, χλόη (s.d.) usw. (zuletzt Crepajac KZ 81, 187; alt. Lit. bei WP. a.O. und Bq) u.a. Schmeja a.O., ebenso Mastrelli Arch. glottol. it. 51, 123ff. : unter Hinweis auf ital. dial. bezzuca ‘Schildkröte’ (Kreuzung von rom. *beccus ‘Schnabel’ und *pīts- ‘Spitze’; vgl. bezzicare ‘mit dem Schnabel hacken’) will er χελώνη ebenso wie das slav. Wort auf die scharfen Kieferkanten der Schildkröte beziehen und auf das Wort für ‘Lippe, Kiefer’ in χεῖλος, χελύνη zurückführen. II-1086-1087
χέραδος Dat. χεράδ-ει od. -ι (Pi. P. 6, 13, Fr. 327), Gen. χαράδεος = χαράδρας (Tab. Heracl. 1, 60); auch χεράς· τὸ ἀπὸ θαλάσσης καὶ ποταμῶν λιθῶ-δες und χεράδες· αἱ τῶν χειμάρρων ποταμῶν λιθώδεις ἀθροίσεις H. (ähnl. EM u.a.). n. (χεράδος Gen. f. ? s. unten) ‘Geröll, Kies, Geschiebe’ (Φ 319, Sapph. 145, Alk. Z 20, 1, A. R. 1, 1123), Dazu als Hinterglied in πολυ-σχεράδος Μυκόνοιο (Euph.; wohl durch falsche Worttrennung in Φ 319). Daneben χαράδρα f. ‘trockenes Bett eines Bergstroms, (im Sommer ausgetrockneter) Sturzbach, durch fließendes Wasser verursachter Hohlweg’ (seit Il.); auch χάραδρος m.’ds.’ (delph., böot., Plu.), auch FlN (Th., Paus.), myk. ka-ra-do-ro? Ableitungen: 1. χαράδρ-ιον (Str.), -ειον (Nik.) n. ‘ds.’. 2. -εών, -εῶνος m. ‘Ort mit vielen χ.’ (Hdn.). 3. -ώδης ’χ. -ähnlich, voll von χ.’ (Str., Dsk.), -αῖος ‘zu einer χ. gehörig’ (APl., Nonn.), ‘gefurcht, gezackt’ (Nonn.), -ήεις ‘ds., voll von χ.’ (Nonn.). 4. -όομαι, -όω, auch m. ἐκ-, ‘von χ. gefüllt od. zersetzt werden, eine χ. bilden, zerklüften’ (Hdt., Hp., Plb., Str.). 5. χαραδριός m. N. eines Vogels, viell. ‘Regenpfeifer’ (ion. att.), nach Arist. weil er in den χαράδραι lebt (Volksetymologie ? Näheres bei Thompson s.v.), Bildung wie ἐρῳδιός, αἰγυπιός u.a. — Die Authentizität des Neutrums χέραδος wird durch den Gen. χαράδεος (mit Vokalassim. oder nach χαράδρα) bezeugt. Die feminine Form χεράς, die schon im Altertum aus dem zweideutigen χεραδος (χέραδος Akk. n. oder χεράδος Gen. f. ?) herausgelesen wurde und bei H., EM u. a. neben χέραδος direkt vorliegt, lehnt sich an λιθάς, δειράς u. a. an; zur weiteren Diskussion Leumann Hom. Wörter 161 f. Zu χέραδος tritt χαράδρα (Ablaut od. Vokalassim. ? Schwyzer 255 und 360) wie ἕδος : ἕδρα, ἔχθος : ἔχθρα u. a.; zur Bildung vgl. noch πέτρα, τάφρη usw. Die χαράδρα hat also ihren Namen nach dem für sie bezeichnenden Geröll; vgl. Risch ̨ 31 c und herakl. χαράδεος (eig. ‘Geröll’) = χαράδρας. Die ältere Anknüpfung an χαράσσω (Bq, WP. 1, 602, Pok. 441 u.a.) ist aufzugeben. — Ohne überzeugende Etymologie. Von Persson Stud. 73 mit χέρμα und κέγχρος zu einer Wurzel gher- ‘reiben’ gezogen; mit -s- ncch aind. ghárṣati ‘reiben’ (Persson 84) und russ. goróch ‘Erbse’ usw. (s. Lit. bei Vasmer s.v.). Dazu nach Froehde BB 21, 326 (mit Vaniček) lat. furfur ‘Balg, Hülse des Getreides und der Hülsenfrüchte, Kleie’. WP. 1, 605f., Pok. 439f. Petruševski Živa Ant. 16, 310 zieht noch heran die maked. Stadt- bzw. Gebirgsnamen Γαλάδραι und Γάλαδρος. Kombinationen mit illyr., thrak. und iran. Flußnamen bei Rosenkranz Beitr. z. Namenforsch. 4, 286. — S. auch χόνδρος. II-1087-1088
χερείων, χέρηες, -ηι s. χείρων. II-1088
χέρμα · ποίημα (?), χάλιξ H. Davon χερμ-άς, -άδος f. ‘großer Kiesel, Schleuderstein’ (poet. seit Pi., auch sp. Prosa; Kreuzung von χέρμα und χεράς? Schwyzer 508), -άδιον n. ‘Feldstein, Schleuderstein’ (Hom.), -άδιος ‘einer χερμάς ähnlich’ (Luk.). -ατιστής· λίθος χειροπλήθης, καὶ δίσκος βακχεῖος H., -αστήρ m. ‘Schleuder’ (AP), -άται m. pl. ‘Schleuderer’ (D. H.; richtig?). Verb χερμάζω ‘die Steine entfernen, entsteinen’ in ἐχερμάζο-μεν· τὴν γῆν εἰργαζόμεθα H.; mit verbaler Beziehung auch νεώ-χερμος ( = -χέρμαστος)· γῆ νεωστὶ εἰργασμένη H. Von den Alten an χείρ angeschlossen (z.B. H. : χερμάς· λίθος χειροπλήθης), erinnert χέρμα an die ebenfalls unklaren χέραδος, χεράς. Dazu χέρμα nach anderen Dingbezeichnungen wie ἕρμα, κέρμα, δέρμα? — Der semantisch verlockende Vergleich mit slav., z.B. aksl. kremy, Gen. -ene, russ. kreménь ‘Feuer-, Kieselstein’ (Machek Listy filol. 72, 75) verstößt gegen den Anlaut (zum slav. Wort Vasmer s.v.); die formal tadellose Zusammenstellung mit aind. harm(i)yám n. ‘festes Haus, Schloß, Verließ’ (eig. *’Stein(gebäude)’ ?), aw. zairimiya- n. ‘ds.’ (Wackernagel-Debrunner KZ 67, 177 f.) bleibt wegen der Bed. hypothetisch. — Toch. B kärweñe ‘Stein’ ist fernzuhalten, s. v. Windekens Ling. Posn. 8, 39f. (zu aind. grā́van-’Preßstein’). II-1088
χερνής, -ῆτος f. auch χερνῆσσα (Hdn. Gr. 1, 250). Beiw. von δόμος, βίος, γυνή = πένης, λάτρις, χειρο-τέχνης H., ‘arm, kärglich’ (E. El. 207 [lyr.], AP 6, 39, Gal. ap. Orib.), οἱ χερνῆτες ‘Handwerker, Tagelöhner’ (Arist. Pol. 1277a, 38: "οἱ ζῶντες ἀπὸ τῶν χειρῶν"); Daneben χερνήτης, dor. -ήτας m. ‘Handwerker, Tagelöhner’ (Simon. 124A, A.Pr. 893 [lyr.], D.H. u.a.), f. -ῆτις ‘Handarbeiterin, Tagelöhnerin’ (Μ 433, Parth., AP u.a.); auch χερνήτορες = χερνῆται (Man.). Adj. τὸ χερνητικόν ‘Hand- werkerstand’ (Arist.). Rückbildung χέρνα γὰρ ἡ πενία H., wohl nur um der Etymologie willen konstruiert. — Von Μ 433 ausgehend, wo von einer Spinnerin die Rede ist, haben die Erklärer seit Prellwitz (s. bes. Fraenkel Nom. ag. 1, 86 f.) in χερνῆτις eine Zusammenbildung (Univerbierung) von χείρ und νέω ‘spinnen’ gesehen, somit eig. ‘mit den Händen spinnend, Handspinnerin’; daraus sekundär χερνήτης, χερνής in der allg. Bed. ‘Handwerker, Tagelöhner’, Adj. ‘arm, kärglich’. Da aber in einer solchen Bildung das Vorderglied ziemlich sinnlos wäre — wie könnte man zu dieser Zeit spinnen, wenn nicht mit den Händen? —, hat Schwyzer RhM 77, 105 A. 2 das Wort als Haplologie für *χερ-αρν-ητ- (χερ- für χειρ- nach χέρ-νιψ) ‘mit den Händen erwerbend’ (zu ἄρνυμαι; vgl. μισθ-αρν-έω, -ος, -ης) erklärt, was semantisch ungleich besser paßt. — Zur Bildung außer Fraenkel a. O. noch Schwyzer 451 u. 561.Ältere Erklärungen bei Bq (abgelehnt). II-1089
χερνίτης -ῖτις f. m., Bez. eines weißen Marmors (Thphr., Plin.; Redard 63). — Unerklärt; für Verbindung mit χείρ ("velut in petra candidis manibus inter se complexis" Plin. 37, 191 von chernītis) fehlt jeder greifbarer Anhalt. II-1090
χέρσος, att. χέρρος f. ‘festes Land, Festland’ (ep. poet. seit Il.; Gegensatz: Meer, See), ‘trockenes, unfruchtbares, unbebautes Land, Ödland’, auch Adj. ‘trocken, unfruchtbar, wüst’, meist prädikativisch, was eine substantivische Auffassung zuläßt (Hdt., Trag., Thphr., LXX, Pap. u.a.; Preisigke Wb. s.v. m. Lit.), auch übertr. von Frauen (S.); zur Bed. Finzenhagen Terminologie 59f. Oft als Vorderglied, z.B. χερσό-νησος (χερρο-, metr. gekürzt χερο-) f. "Festlandsinsel", d.h. ‘Insel, die mit dem Festland zusammenhängt, Halbinsel’ (vgl. Risch IF 59, 57), auch als ON (ion. att.), mit χερσονήσ-ιον, -ίζω usw.; χερσο-κόπος m. ‘der unbebautes Land bearbeitet’ mit -κοπέω, -κοπία (hell. Pap.). Vereinzelt als Hinterglied, z.B. ἀρακό-χερσος f. ‘mit ἄ. bewachsenes Ödland’ (Pap.). Davon 1. die Adv. χέρσον-δε ‘ans feste Land’ (Φ 238 u.a.), χερσ-όθεν ‘vom festen Lande’ (Pi., E.), -όθι ‘am. festen Lande’ (AP). 2. Adj. χερσ-αῐος ‘auf dem Lande (Festlande) lebend’ (ion. att.), -ινος ‘ds.’ (Plin.), -ώδης ‘unfruchtbar’ (Pap.). 3. Subst. χερσ-ίτης m. ‘Bebauer von Ödland’ (Pap. IIIa), -ία (-εία) f. ‘Ödland, ἐρημία’ (Pap., H.); auch παραχερσ-ία von einem Acker (PTeb. 378, 13; 265p), von *παρά-χερσος ‘an der χ. gelegen’ (vgl. πάραλ-ος, -ία), ‘einer χ. nahekommend’; ἐν π. ‘in einem Zustand, der einer χ. nahekommt’. 4. Verba: a) χερσ-εύω (συν-, ἐκ-) ‘auf dem festen Lande leben’ (S. u. E. Fr. [beide unsicher], Plu.), ‘öde, unbebaut, wüst liegen, machen’ (X., Arist., Pap. u.a.); b) -όομαι (κεχερσωμένη), -όω (χερσώσαντες) ‘öde, wüst liegen, machen’ (Pap., LXX, Plu.). — Zur Bildung vgl. die ebenfalls unklaren νῆσος, τέλσον (weitere Vermutungen bei Forbes Glotta 36, 261 f.); Genus wie νῆσος, γῆ u.a. Ohne sichere Etymologie. Seit Fick 1, 435 (fragend), 2, 107 zu aind. hárṣate, hŕ̥ṣyati ‘starr werden, sich sträuben’, lat. horreō, -ēre ‘emporstarren, starr sein’, wozu noch (mit dial. i für e) hirsūtus ‘struppig, rauh’ u. a.; weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 610, Pok. 445f. (ĝhers- ‘starren’), W.-Hofmann s. horreō und hircus. Anders Specht KZ 66, 201 f. : Metathese von ξερός, ebenso σχερός. — Ob hinter der substantivischen Bed. von χέρσος eine noch ältere adjektivische (scil. γῆ) liegt, wie man allgemein annimmt, steht dahin. In unserer Überlieferung ist die adj. Funktion nachweislich sekundär. — S. auch χήρ. II-1090-1091
χέω, -ομαι (seit Il.), mit Präfix auch -χύνω (sp.), Aor. ἔχεα, -άμην, χέαι, -ασθαι, ep. ἔχευα, χεῦα, χεῦαι, Med. (ep. poet.) auch ἔχυτο, χύτο, χύμενος usw., Pass. ἐχύθην, χύθην, -ῆναι (seit Il.), Fut. χέω, -ομαι, ep. χεύω, -ομαι, sp. χεῶ, Perf. Med. κέχυμαι (seit Il.), myk. me-ta-ke-ku-me-na?, Akt. κέχυκα (hell. u. sp.), ‘gießen, aus-, er-, vergießen, schütten, aus-, aufschütten’, Med. intr. ‘sich ergießen, strömen, sich verbreiten’, Pass. ‘ergossen, (auf)geschüttet werden’. Zur Bed. bei Homer Porzig Satzinhalte 104 f., in der Opfersprache Casabona Vocabulaire des sacrifices (1966) 279ff. vorw., namentlich in d. Prosa, mit einem od. zwei Präfixen, z.B. δια- (συν-δια-), κατα- (ἐγ-κατα-), ἐπι- (προ-επι-), συν- (παρα-συν-), Zahlreiche Ableitungen (gedrängte Übersicht). A. Mit Hochstufe: χεῦμα n. ‘Guß, Strom, Gießkanne’ (ep. ion. poet. seit Ψ 561), προχεύματα pl. ‘Ergüsse, Schlamm’ (Arist.). — B. Mit ο-Abtönung: 1. χο-ή, oft pl. -αί f. ‘Guß, Weiheguß, Trankopfer, Totenspende’ (vorw. poet. seit Od.); sehr oft von den Präfixkompp., z.B. προχο-ή, meist pl. -αί ‘Ergüsse, Mündung eines Flusses’, auch ‘Gießopfer’ (ep. poet. seit P 263); auch mit nominalem Vorderglied, z.B. οἰνο-χόη f. ‘Kanne zum Weinschöpfen’ (seit Hes.: οἶνον χεῖν; vgl. οἰνο-χόος sub 2.). Dazu die Verba ἐπι-χοάζω = ἐπιχέω (Lyd. Mens.), ἐκ-χοΐζω (Pap.) Bed. unklar (vgl. Mayser Pap. I : 3, 216). 2. χοῦς, Gen. χοῦ, öfter (anal.) χοός usw. (Schwyzer 582, Egli Heteroklisie 62 f.) m., auch f. ‘Kanne’ als Maß (= 12 κοτύλαι), auch ‘aufgeschüttete Erde, Schutt’ (ion. att.), mit χο-αῖος ‘einen χ. messend’ (sp.), -ιεῖος ‘ds.’ (hell. Pap.), -ικός ‘aus Erde bestehend, irdisch’ (Ep. Kor., Ph.), ‘zum χόες-Fest gehörig’ (Inschr.). Demin. -ΐσκος m., -ΐσκιον n. (att. Inschr. IVa); zu χοή : χοῦς Bolelli Stud. itfilcl. N.F. 24, 115f. Von προ-χέω : πρόχοος, -χος, -χους m. ‘Gießkanne’ (seit Ω 304) mit -χοΐδιον n. (Kom. u.a.). Oft mit nominalem Vorderglied, z.B. οἰνο-χόος m. ‘Weinschenk, Mundschenk’ (seit Β 128) mit -χοϊκός (Hld.), myk. si-to-ko-wo u.a.; in Bahuvrihis, z.B. ἑξά-χοος ‘sechs χόες messend’ (Arist.). 3. χοεύς m. = χοῦς als Maß (Hp. u. a.; von χοῦς nicht immer zu unterscheiden, s. Bosshardt 47, auch Egli Heteroklisie 62f., 107f.). 4. χόανος m. ‘Schmelzofen’ (Σ 470, Hes., Emp. u.a.), auch ‘Trichter’ (Hp.: χῶνος); χοάνη (att.), χώνη (att., hell.; urspr. ion.? Fraenkel Denom. 219) f. ‘Trichter’ (auch übertr.), ‘Schmelzofen’ (Poseidon. u.a.). Davon χοανεύω, χωνεύω, auch m. συν-, κατα- u.a., ‘in einen Schmelzofen werfen, schmelzen, gießen’ (att., hell. u. sp.) mit χων-εία, -εῖον, -ευμα, -ευτής, -ευτήριον (hell. u. sp.). — C. Mit Schwundstufe: 1. χυ-τός ‘aufgeschüttet’ (Hom. nur χυτὴ γαῖα; Ammann Μν. χάριν 1, 18), ‘(aus)gegossen, flüssig’, meist von den präfigierten Verba, z.B. προ-, ἐπι-, ἐκ- (Pi., ion. att.); προχύται f. pl. (E., A. R.) = οὐλο-χύται (s. οὐλαί). 2. χύτης ‘Gießer’ (Gloss.), sonst m. Präfix, z.B. προχύ-της m. ‘Kanne, Krug’ (Ion. Lyr., hell. Kom.). 3. χυτήρ = fusorium (Gloss.), ὑπο-, ἐπι-χυ-τήρ m. ‘Gießkanne’ (LXX, Sm.); καταχυτήρ-ια n. pl. ‘Überschwemmungsfest’ (Pap.) u.a. 4. χύσις, meist von den präfigierten Verba, z.B. συν-, ἐκ-, δια-, προ-, f. ‘das Ausgießen, Ausschütten, Guß, Schutt, Menge’ (seit Od.); ἐκχυσι-αῖος ‘zu einem Abzugskanal gehörig’ (Pap. IIIp); daran angeschlossen χυ-τικός (δια-, συν-, προ-) ‘auflösend usw.’ (Pl., Arist. usw.). 5. χύμα (Neubildung für χεῦμα), meist präfigiert, z.B. ἐν-, προ-, ἀπο-, κατα-, n. ‘Guß, (gegossener) Barren, Menge, Masse’ (Arist., hell. u. sp.) mit χυμάτιον n. ‘kleiner Barren’ (Delos IIa). 6. κατά-χυ-σμα n. (nach ἥδυσμα, πάσμα u.a.) ‘übergegossene Flüssigkeit, Sauce’, pl. ‘Feigen und Nüsse, mit denen die Braut überschüttet wurde’ (Korn.); Demin. -χυσμάτιον (Kom.); συγ-χυ-σμός m. ‘das Eingießen von Öl in eine Lampe’ (Stud. Pal. IIp). 7. χύτρα (Epich., att.), ion. κύθρη, hell. auch κύθοα f. ‘irdener Topf’ mit χυτρ-(κυθρ-)-ίς f. (Hdt., hell. u. sp.), -ίδιον n. (ion. att.), -εύς m. ‘Töpfer’ (Pl.; Boßhardt 61), -ίτης = πυός (Sch.; Redard 100), -εοῦς (att.), -ειος (Ar.), -ινος (Hp. u.a.), -ικός (IVa) ‘irden, tönern’, -ώδης ‘topfähnlich’ (S.), -ίνδα παίζειν (Poll., H.), -ίζω (κατα-, ἐν-, ἐκ-) ‘(ein Kind) in einem Topf aussetzen, in einen Topf (zur Verbrennung) hinlegen’ (A. u. S. in Fr., Kom., Rudhardt Mus. Helv. 20, 10ff.) mit ἐγχυτρίστρια f. ([Pl.] Min., Sch.), περιχύτρισμα n. ‘mit Ton- scherben eingehegter Raum’? (att. Inschr. IVa), χυτρισμός· ἡ τῶν βρεφῶν ἐν ταῖς χύτραις ἔκθεσις H. 8. χύτρος (κύθρος) m. ‘irdener Topf’, auch ‘irdene Höhle’ (hell. u. sp.); οἱ Χύτροι N. der warmen Quellen bei Thermopylai (Hdt.), ‘Topffest’ (Ar.) mit χυτρ-(κυθρ-)-ῖνος m. ‘unterirdische Wasserquelle, tiefe Höhle im Flußbett’ (Antig. Mir., Peripl. M. Rubr. u.a.); συγ-χυτρόομαι etwa ‘baufällig werden, in Trümmer fallen’. von einer Ölmühle (συνεχυτρώθη, Pap. Ip). 9. χύτλον, meist pl. -α n. ‘Flüssigkeit, bes. zum Waschen und Salben’ (hell. Dicht.) mit χυτλ-όομαι, -όω ‘waschen, salben’ (ζ 80, hell. Dicht., Mediz.), -άζω ‘ds.’ (Mediz.), ἐγ-χυτλόω ‘Gießopfer verrichten’ (Herod.), κατάχυ-τλον n. ‘Gießkanne’ (Kom., Poll.). 10. χύδην, dor. (Kall.) χύδαν ‘in Strömen, haufenweise, ungeordnet’ mit χυδ-αῖος ‘reichlich, gewöhnlich, gemein’ (hell. u. sp.), -αιότης, -αιόομαι, -αΐζομαι, -αϊστί (sp.). 11. Zu χυλός, χυμός, χυμεία s. bes. — Zu den sekundären Präsensformen χοῦν, προσχοῖ, χοῦσι usw. wie von *χόω, neben χῶσαι, χωσθῆναι, κέχωσμαι u.a.m., s. χώννυμι. Daraus umgebildet χοεῦσαι Aor. (Argolis IVa). — Altererbtes Verb, dessen Entwicklungsgeschichte sich indessen nicht in allen Einzelheiten verfolgen läßt. Alt ist das Verbaladj. χυτός, das sich formal mit aind. hutá- ‘geopfert’ deckt : idg. *ĝhu-tó-s. Andere graecoindische Gleichungen sind : χεῦμα = hóman- n. ‘Opferguß, Opfer’ : idg. *ĝheu-mn̥ (wozu noch aus dem Iran. buddh. jomā ‘Kraftbrühe’; s. Mayrhofer s.v.); χύσις = ā́-huti- ‘Opferguß’ : *ĝhu-ti-s. Mit Hochstufe noch χοῦς = hava- m. ‘Opfer’ (sp.), auch χόανος : háva-nam n. ‘Opfer’; in diesen beiden Fällen liegen unabhängige Parallelbildungen vor. Unter den finiten Verbalformen ist zu verzeichnen das Perf. Med. κέ-χυ-ται : ju-hv-é (Reduplikationsvokale und Endungen verschieden). Dagegen gehen die Praesentia und die Aoriste weit auseinander: dem hochstufigen thematischen χέ(ϝ)-ω steht im Altind. ein tiefstufiges athematischcs redupliziertes ju-hó-mi gegenüber. Beide Formen können alt sein. Ein besonderes Problem bieten die Aoristformen ἔχευα bzw. ἔχεα usw. Am meisten für sich hat die Annahme, daß sie einen alten athemat. hochstufigen Wz.-Aorist (vgl. aind. 3. sg. Pass. á-hāv-i) repräsentieren: ἔ-χεϝ-α, *ἔ-χευ-ς, *ἔ-χευ-τ; s. Schwyzer 745 mit Referat abweichender Auffassungen. Für die ältere Erklärung als s-Aorist mit geschwundenem s neuerdings Kiparsky Lang. 43, 627 f.; zur Behandlung des Digamma noch Chantraine Gramm. hom. 1, 159. Neben diesen hochstufigen Aktivformen standen mit regelrechter Tiefstufe die medialen ἔχυτο, χύτο, χύμενος, wozu ἐχύθην. Aus diesem Aorist erwuchs als ursprünglicher thematischer Konjunktiv das Fut. χέ(ϝ)ω. — Aus den übrigen Sprachen sind erst zu erwähnen zwei thrako -phryg. Glossen: ζευμαν (wohl ζεῦμαν mit Solmsen KZ 34, 62 m. A. 1)· τὴν πηγήν. Φρύγες H. (: χεῦμα), ζετραία· χύτρη (Poll. : < *ĝheu-tr-?). Andere Formen lehren für das Griech. nichts Wesentliches: toch. AB ku- ‘gießen’, u.a. B Konj. 1. sg. Akt. kew-u, 3. sg. Med. ku-tär; arm. u. lat. Nomina: arm. joyl ‘gegossen, geschmolzen, massiv’ (*ĝheu-lo- od. *ĝhou-lo-; vgl. χῡλός), jew ‘Form, Gestalt’ (*ĝheu̯-o(s)- : *χέ(ϝ)ος), lat. fu-tis f. ‘Gieß- kanne’ (Varro) mit effūtiō, -īre ‘herausschwatzen’, fūtilis (futt-) eig. Bed. unklar (’leicht ausgießbar’? ‘zerbrechlich’?), meist übertr. ‘zerfahren, wertlos, nichtig usw.’. Das entsprechende Verb zeigt im Latein wie im Germanischen eine d-Erweiterung (eher mit Ernout-Meillet ein Präsenssuffix als zu χύ-δην; vgl. noch thrak. FlN Γεῦδις, -ος?) : fu-n-dō ‘(ver)gießen, ausschütten’, got. giutan ’giessen’ usw. Eine Dentalbildung liegt auch vor in heth. ku-uz-za = kuts, Akk. kutt-an ‘Mauer, Wand’ ("Aufschüttung"); es handelt sich aber dabei um ein t-Suffix, s. Kronasser Etymologie I 255, Schindler KZ 81, 297. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 563ff., Pok. 447f., W.-Hofmann s. fundō (sehr reichhaltig), Ernout-Meillet s. fundō (auch zur Bed.). — Vgl. κοχυδέω, auch χώομαι. II-1090-1093
χηλή, dor. (Trag. in lyr.) χαλά f. ‘gespaltene Klaue von Rindern, Pferdehuf, Vogelkralle, Krebsschere’, übertr. ‘chirurgische Pinzette, gekrümmte Nadel, Häkelnadel, Kerbe am Pfeil, klauenartig vorspringender Hafendamm’ (Hes. Sc., ion. att. seit Hdt. u. A.). Einige Kompp., z.B. χαλ-αργός ‘hufschnell, schnellhufig’ (S. in lyr.), δί-χηλος, -χαλος ‘spalthufig, mit zwei Klauen’ (Hdt., E., Arist.; zu -χαλος bei Arist. Björck Alpha impurum 298 ff.) mit διχηλ-έω ‘spalthufig sein’, -ία, -ησις; ἀγκυλο-χήλης ‘mit krummen Krallen’ (Ar.) u.a. (mit dem weit gewöhnlicheren -χείλης in der Überlief. zusammengeworfen). Davon die Verba: 1. χηλεύει· ῥάπτει, πλέκει (H., Poll. = Eup. 388), mit χηλευτά, Beiw. von κράνεα (Hdt. 7, 89; = ῥαπτά, πλεκτά H., Poll.), χήλευμα = ὀπήτιον (H., Poll.). 2. χηλόομαι ‘mit Klauen versehen werden’ (Hero), -όω ‘mit Kerben versehen’ (Ph.), -ωμα n. ‘Kerbe’ (Hp. ap. Gal., Eratosth.), -ώτια· αἱ ῥαφίδες τῶν δικτυοπλόκων H. Auch κεχήλωμαι (für -ευμαι?) πόδας· δέδεμαι συνερραμμένος τοὺς πόδας H. (ex S.?). — Dazu χηλᾶς· ῥάπτης, πλέκτης H. Unklar χήλινον Beiw. von ἄγγος (Anakr. 37), nach H. und Poll. = πλεκτόν (wohl eher zu χηλός, s.d.). Ohne außergriech. Entsprechung. Als "klaffender" Gegenstand gewöhnlich (z.B. Persson Beitr. 1, 117 A. 2 [S. 118]) mit χήμη, χηραμός (s. dd.) zu χάσκω gezogen. Zum auffallenden dor. ᾱ-Vokal Persson 2, 701 f. II-1093-1094
χηλός f. (zum Genus Schw.-Debrunner 34 A. 2) ‘Kiste, Lade, Truhe’ (P, Od., Theok., Epigr. Thasos). Davon viell. χήλινον (ἄγγος) ‘kistenähnliches Gefäß’ (Anakr. 37); oder zu χηλή (s.d.)? — Wenn mit A. D. "ἀπὸ τῆς διαστάσεως τῆς κατὰ τὴν ἄνοιξιν γενομένης", mit χήμη (s.d.) zu χάσκω. II-1094
χήμη f. ‘Gienmuschel’ (Philyll., Arist., hell. Pap. u.a.), auch als Maß gebraucht (Hp.); = χάσμη, χηραμὶς λεία H. (zu χηραμὶς λεία ‘glatte Muschelart’ Olsson Symb. Oslo. 4, 63). Davon das Demin. χημ-ίον n. (Mediz.) und χήμωσις f. (: *χημόομαι) Bez. einer Augenkrankheit (Mediz.). — Wie χάσμη Verbalnomen zu χάσκω mit derselben Hochstufe wie in aksl. zějǫ ’χαίνω’, wozu noch mit erhaltenem Langdiphthong aind. vi-hāy-a- m. ‘Luftraum’; s. χάσκω m. Weiterem. Hierher wahrscheinlich noch χηλή, χηλός, χηραμός; s. dd. Vgl. noch Specht KZ 68, 127 (zu bulg. zĕ́pam ‘den Mund aufsperren’ usw. mit altem Wechsel m ~ p [?]). II-1094
χήν, χηνός (seit Il.), dor. böot. χάν, χανός m. f. ‘Gans’. Als Vorderglied, z.B. χην-αλώπηξ m. f. "Fuchsgans" (nach κυν-αλώπηξ u.a.) Bez. einer ägypt. Gänseart (Hdt., Ar., Arist., Herod.). Kurzform pl. χηνάλοπεςH. (Risch IF 59, 56, Schwyzer 426A.4). mit -αλωπεκ-ιδεύς f. ‘junge F.’ (Ael.), -ειος (hell. Pap. u.a.); χηνάγρ-ιον n. ‘junge Wildgans’, Demin. von *χήν-αγρος (zur Bildung Risch IF 59, 286f.). Davon 1. Demin.: χην-ίον n. (hell. Pap.), -ίσκος m. (Eub.), meist übertr., z.B. ‘umgebogener Teil am Hintersteven’ (Ptol., Luk. u.a.), -άριον n. (Hdn. u.a.). -ιδεύς m. (Ael., Eust.). 2. Adj. -ε(ι)ος ‘von der Gans’ (Hdt., Arist., hell. Pap. u.a.), -ώδης ‘gänsehaft’ (S. E.). 3. Verb -ίζω und -ιάζω ‘wie eine Gans schnattern, gänseln’ (Ath., Diph.); von Flötenspielern. — Alte Benennung der (Wild)gans (Schrader-Nehring Reallex. 1, 339 ff.), in mehreren Sprachen erhalten. Der Nom. pl. χῆνες, χᾶνες deckt sich mit germ. und balt. Formen: ags. gēs ( > engl. geese), awno. gǣss (urg. *gáns-iz), lit. dial. žą̃s-es, idg. *ĝháns-es; ebenso Gen. χην-ῶν = lit. žąsų̃. Auch Akk. sg. χῆν-α läßt sich mit lit. žą̃s-į gleichsetzen. Der daraus sich ergebende einsilbige Konsonantstamm (s-Stamm) ist im Griech. als ν-Stamm durchgeführt mit analog. Nom. χήν, χάν (für *χά̄ς < *χάνς); sonst wurde er auf verschiedene Weise erweitert : zu i-Stamm in lit. žąs-ìs (vgl. Akk. žą̃s-į oben), slav., z.B. russ. gusь, ahd. gans, wohl auch air. gēiss ‘Schwan’; zu o-Stamm in aind. haṃsá- m. (ausführlich zur Bed. M. Geiger Münch. Stud. 10, 48 ff.) mit f. haṃsī; zu ā -Stamm in ags. gōs, awno. gǭs (urg. *gáns-ō neben pl. *gáns-iz, s. oben); strittig lat. āns-er, -eris m. (vgl. ags. gan(d)ra, engl. gander, mnd. ganre ‘Gänserich’?). —Neben de.m s-Sta.mn.. *ĝhans- stehen im Germ. Formen mit Dental (idg. -d-?) in altgerm. ganta ‘Art Gans’ (Plin.), mnd. gante ‘Gänserich’; noch anders ags. gan(d)ra, mnd. ganre (s. oben). Aus dem Germ. lit. gañdras ‘Storch’. Zur Stammbildung im allg. vgl. μήν ‘Monat’. — Weitere Einzelheiten mit Lit. bei WP. 1, 536, Pok. 412, W.-Hofmann s. ānser, Fraenkel s. žąsìs (auch über russ. gusь). Verwandtschaft mit χανεῖν (s. χάσκω) ist möglich; auch onomatopoetischer Ursprung nach der Stimme ist erwogen worden. II-1094-1095
χήρ · ἐχῖνος H. — Mit lat. ēr, ēris (für *hēr; vgl. ānser für *hānser) m. ‘Igel’ identisch. Vielleicht als "Stacheltier" zur Sippe von 2. χάρμη (s.d.) oder zu den s. χέρσος besprochenen Wörtern. Näheres bei W.-Hofmann s.v. mit sehr reicher Lit. II-1095
χήρα, ion. -η f. ‘Witwe, vom Gatten verlassene Frau, vidua’ (seit Il.). Als Hinterglied in φιλό-χηρος, -χήρα ‘Witwen- freund(in)’ (sp. Inschr.). Davon 1. χῆρος ‘verwitwet, verwaist, entblößt, viduus’ (E., Kall., A. R., AP, sp. Prosa), selten als Subst. ‘Witwer’, vom Tiermännchen (Arist. [neben χήρα], Ath.). Zum sekundären χῆρος gegenüber älterem χήρα Lommel Femininbild. 13. — 2. χηρ-οσύνη f. ‘Witwenstand’ (A. R., Man. u.a.). 3. -αιότης f. ‘ds.’ (Pap. VIp nach γεραι-ότης u.a.). 4. -ήϊος ‘verwitwet, leer’ (Antim.), -ειος ‘ds.’ (AP). 5. -ικός ‘zu einer Witwe gehörig’ (Tz.). Verba: 6. -εύω, auch m. κατα-, ἐπι-, ‘verwitwet, geschieden, entblößt sein’ (ι 124, Gortyn, att. usw.) mit -ευσις f. ‘Witwenstand, Stand als Geschiedene’ (Gortyn, LXX). 7. -ῶσαι, -ωθῆναι, -όω ‘zur Witwe machen, Witwe werden, (des Gatten) berauben bzw. beraubt werden, entvölkern bzw. entvölkert werden’ (seit Il.) mit -ωσις f. ‘Beraubung’ (Sch.). 8. -αίνω ‘Witwe werden’ (Herod.). — Zu χηρωσταί s. bes. — Als Bez. der Witwe hat χήρα das alte Wort für ‘Witwe’ (in lat. vidua, nhd. Witwe usw.) ersetzt; ein Ausläufer desselben ist indessen in ἠΐθεος (s.d.) erhalten. Mit χήρα wurde schon von Pott (s. Curtius 200) lat. hērēs verglichen, s. χηρω-σταί. Herangezogen wurden seit alters (Bopp, Pott) teils χώρα (mit Abtönung), teils mit anderem Suffix χῆτος, Dat. χήτει und das schwundstufige χατέω (s.d.). Als gemeinsame Grundlage läßt sich ein Verb der Bed. ‘verlassen’ in aind. já-hā-ti erkennen (Curtius a.O.), s. κιχάνω; dazu noch WP. 1, 542ff., Pok. 41 8 f. m. weiteren Einzelheiten u. Lit. — Mann Lang. 28, 35 vergleicht mit berechtigtem Zögern alb. i gjorë ‘miserable, wretched’. II-1095-1096
χηραμός pl. auch -ά n. Dat. pl. auch χηραμόνεσσι (Orph. : *χηραμών), wohl nur metr. Erweiterung. f., ‘Höhle, Kluft, Spalt’ (ep. poet. seit Φ 495, auch Arist. u. sp. Prosa); Davon χηραμο-δύτης m. "Höhlendurchstöbrer" (AP), χηραμόθεν ‘aus der Höhle hervor’ (Orph.). Lexikalisch belegte Nebenformen: χαραμός· ἡ τῆς γῆς διάστασις, οἷον χηραμός H., χηλαμός (Eust.), χειραμός (EM). — Daneben χηραμύς, -ύδος f. ‘Kammmuschel(schale)’ als Hohlmaß (Xanth., Hp. [v.l. -μίς], Str.), χηραμύδες· τὰ κοῖλα καὶ ἔχοντα κενώματα H.; χηράμβη f. ‘Art Kammuschel’ (Archil., Sophr.). Zu χηραμύς vgl. πηλαμύς, ἐμύς, κλεμμύς; χηράμβη wie σαλάμβη, κοσύμβη und andere mehr oder weniger dunkle Wörter (Chantraine Form. 261). — Die Nebenform χαραμός ist kaum dorisch, sondern eher nach den synonymen χαράδρα, χάραξ umgebildet (vgl. περὶ τὰς χαράδρας καὶ χηραμούς Arist. HA 614 b 35). Ebenso χηλαμός nach χηλή, χηλός und χειραμός nach χειράς = χιράς (nach EM von χειά). — Bei Abtrennung eines suffixalen -αμός (ποταμός, φωριαμός, πλόκαμος u.a.m.) ergibt sich ein nominales χηρ-, das formal zu χήρα stimmt, aber semantisch besser zu χηλή, χηλός, χήμη (s.dd.) paßt. Auch χήρα und χώρα dürften aber letzten Endes damit zu verbinden sein; s. χώρα. II-1096
χηρωσταί m. pl. = οἱ μακρόθεν συγγενεῖς H., ‘Seitenverwandte, die einen Verstorbenen mangels näherer Verwandter beerben’ (Ε 158, Hes. Th. 607, Q. S.). — Alter familienrechtlicher Ausdruck, der Bildung nach mit ὠμηστής vergleichbar, somit wie dies wohl eine Zusammenbildung (Syntheton) mit της-Suffix. Formal und inhaltlich stark an lat. hērēs, -ēdis erinnernd, schließt es sich gleichzeitig an χήρ ‘Witwe’ mit χῆρος ‘verwitwet, verwaist usw.’ an. Vorderglied mithin in beiden Wörtern idg. *ghēro-m ( >*χῆρον) ‘verwaistes Gut’ (vgl. germ., z.B. nhd. Erbe zu ὀρφανός, s.d.)? Das Hinterglied, jedenfalls ein Verb, ist unklar. Seit Brugmann (z.B. Grundr.2 II: 1, 79 und 396 f.) sieht man darin gewöhnlich eine Entsprechung von aind. ā-dā- ‘in Empfang nehmen’; vgl. aind. dāy-ādá- m. ‘Erbempfänger’. In -ωσ-της für *-ω-δ-της würde dieselbe Schwundstufe vorliegen wie im aind. Ptz. ā-t-ta- aus *ā-d-ta-; daneben lat. hēr-ē-d- mit Ablaut und ohne Suffix. Als Zwischenglied setzt Brugmann, wenig wahrscheinlich, ein Abstraktum *ὠ-στᾱ ‘Empfang’ an; andere Hypothese über die Bildung bei Fraenkel Nom. ag. 1, 40. Gegen Anknüpfung an ed- ‘essen’ (Prellwitz BB 25, 313 ff.) spricht (trotz ἐδ-ωδ-ή, ώδίς) bei χηρωσταί der ω-Vokal, aber auch bei Anschluß an aind. ā-dā- kommt man von einem idg. Wechsel ē : ō nicht los (η-ω dissimilatorisch für η-η?). Vgl. W.-Hofmann s. hērēs m. sehr reicher Lit. Anders Pisani Ist. Lomb. 76, 221 f. : aus *χηρο-ρωσ-τής bzw. *hēro-rēd- zu aw. rāda- ‘Fürsorger’ usw.; dagegen Belardi Doxa 3, 222 f. II-1096-1097
χῆτος, Dat. χήτεϊ, χήτει s. χατέω. II-1097
χθές (seit h. Merc.; vgl. χθιζός), auch ἐ-χθές (Ar., hell. u. sp.) ‘gestern’. Davon χθιζός ‘gestrig’ (Hom. u.a.), wozu als Adv. χθιζ-όν (Τ 195), -ά (Β 303); zur Erklärung unten. Mehrere Bildungen auf -ινός (περυσινός usw.): χθεσ-ινός (Luk.), ἐχθεσ-ινός (AP), χθιζ-ινός (Ar. bis in lyr. [codd. χθεσ-, metr. unhaltbar], Gal., Alkiphr.), ἐχθιζ-ινός (Men.). — Alter Zeitausdruck für ‘gestern’, in mehreren Sprachen, allerdings mit etw. wechselnder Grundform erhalten: 1. lat. heri, alb. dje aus idg. *ĝhes(i); dazu awno. i gǣr, aschwed. i gār (i Präp.) aus *ĝhēs; mit ter-Suffix in lat. hes-ternus, germ., z.B. ahd. gestaron ’gestern’. 2. aind. hyás, aw. zyō aus *ĝhi̯es; aus derselben Grundform läßt sich auch σερός· χθές. ’Ηλεῖοι H. erklären (mit urspr- auslaut. -σ- > -ρ- und -ός nach νυκτ-ός). 3. χθές mit derselben Lautgruppe wie in χθών (s.d.); dazu vielleicht auch die kelt. Formen, z.B. air. in-dē, kymr. doe aus urkelt. *gd(i)i̯es (mit Schwund des g-). Unwahrscheinlich Deroy Ant. class. 23, 312: χθές episch für *χές. Besser Merlingen Μν. χάριν 2, 53 : χθές aus *dhĝhés; daraus *ghes-i in heri usw. mit Wegfall des dh-. Weitere Analyse und Rekonstruktion ganz hypothetisch: aus *ĝh(i)-di̯es oder *ĝh(e)-di̯es, d.h. Demonstr. mit dem Wort für ‘Tag’ in lat. diēs usw. (Schwyzer 631 nach Brugmann und Pisani; anders Schwyzer 326, s. W.-Hofmanns. heri); aus *ĝh-i̯es, d.h. Demonstr. mit Komparativsuffix (Specht KZ 68, 201 ff.; aus dieser Grundform nach Specht auch χθές mit Schwund des i̯ und infigiertem demonstr. -t- [?]). Wieder anders Wood Phil. Quart. 2, 264. Auch anlaut. ἐ- in ἐ-χθές kann verschieden beurteilt werden : Vokalprothese wie in ἰχθῦς u.a. (Schwyzer 413); deiktische Partikel wie ἐ-κεῖνος (Schwyzer 613, Specht a.O.). — Zur Erklärung von χθιζός: ι Reduktionsvokal von ε (Schwyzer 351, Petersen Lang. 14, 57 u.a.). Anders, weniger wahrscheinlich, Specht a.O., Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 2: -ισ- (vgl. unten) Tiefstufe von idg. -i̯es-. Wieder anders Brugmann Sächs. Ges. Ber. 69 : 1,3 ff. χθιζά, wovon χθιζόν, -ός, nach πρωϊζά. Aber πρωϊζά (nur Β 303 [χθιζά τε καὶ πρωϊζά] und Theok. 18, 9) vielmehr nach χθιζά (so Schwyzer 632), das seinerseits offenbar zu dem weit geläufigeren χθιζός gebildet wurde. Mithin kann schwerlich das sekundär entstandene χθιζά auf *χθεσ-δjα (mit Schwächung von ε zu ι; Schwyzer) oder *χθισ-δjα (Pisani) zurückgeführt werden mit Anschluß an aind. -dya in adyá ‘heute’ (so für πρωϊ-ζά Brugmann a.O.). Eine Grundform *χθισ-δός (Specht a.O.; vgl. Grammont Mél. Boisacq 1,423) mit δ-Suffix hat in κρύβ-δα und anderen Adv. auf -δα, -δον, -δην einen ungenügenden Anhalt. — Weiteres m. Lit. WP. 1, 664. Pok. 416, W.-Hofmann s. heri; ält. Lit. auch bei Bq. II-1097-1098
χθών, χθονός f. ‘Erde, Erdboden, Land’ (fast nur ep. poet. seit Il.). Vereinzelt als Vorderglied, z.B. χθονο-τρεφής ‘von der Erde erzeugt’ (A.). Oft als Hinterglied, z.B. αὐτό-χθων ‘den eigenen Boden besitzend, auf eigenem Boden wohnend, eingeboren’, meist pl. ‘Urbewohner’ (von der Bevölkerung Attikas usw.), sekund. ‘von der Erde hervorgebracht’ (ion. att.); daneben αὐτό-χθονος ‘zugleich mit dem Lande’ (A. Ag. 536); zu αὐτόχθων und -ονος ausführlich Sommer Nominalbild. 83 ff. Davon 1. χθόν-ιος ‘der Erde, dem Boden, der Unterwelt angehörig, eingeboren’ (ep. poet. seit Hes., auch sp. Prosa); oft in Hypostasen, z.B. ἐπιχθόν-ιος ‘auf der Erde wohnend, irdisch’ (ep. poet. seit Il.); zu ’Εριχθόνιος s. bes. 2. χθόνεια n. pl. ‘Fest zu Ehren der χθόνιοι θεοί’ (Argolis). 3. χθονήρεις· χθονίους H., unsicher χθόϊνος = γήϊνος H. 4. Mit Ablaut und beibehaltenem -μ- : χθαμ-αλός ‘niedrig’ (seit Ν 683) mit -αλότης f. ‘Niedrigkeit’ (sp.), -αλόω ‘erniedrigen, ebnen’ (J.). — Näheres über das Vorkommen von χθών und den Kompp. bei Ruijgh L’élém. ach. 155 f.; zum Gebrauch (gegenüber γῆ) noch v. Wilamowitz Glaube 1, 210f. — Altes Wort für ‘Erde’, in der Mehrzahl der Sondersprachen erhalten : heth. tekan, Gen. taknaš (mit h. heth. takamia und luw. tiyamiš), toch. A tkaṃ, B keṃ, aind. kṣā́h, Gen. jmáḥ (mit Adj. kṣám-ya- ‘irdisch’, von χθόν-ιος unabhängig), aw. zā̊, Gen. zəmō, alb.dhe, lat. humus, air. dū, Akk. don, lit. žẽmė, slav., z.B. russ. zemljá. Dazu die Ableitungen germ., z.B. got. guma ‘Mann’ (: lat. homō), phryg. ζεμελως ‘den Irdischen’ (s. Σεμέλη; Bildung wie χθαμαλός und lat. humilis) und das kleinasiat. ("phryg.") Komp. Γδαμ-μαυα N. einer Göttin. — Als Grundform ergibt sich ein zweisilbiges *dheĝhom- ( > heth. tekan), woraus mit Schwundstufe bzw. mit weiterem Wegfall des anlaut. dh- die einsilbigen *dhĝhō̆m- ( > toch. A tkaṃ), bzw. *ĝhō̆m- ( > lat. humus, χαμαί usw.). Im Griech. wurde dhĝh- durch Metathese zu χθ- (ähnl. air. dū < *gdōn < *dgōn). auslaut. -μ regelmäßig zu -ν, das in der Flexion durchgeführt wurde. Nur in dem tiefstufigen χθαμ-αλός wie in χαμαί (s.d.) erhielt sich der Labial. — Weitere Einzelheiten zur Morphologie und Lautentwicklung mit Referat der sehr reichen Lit. bei Schindler Sprache 13, 191 ff., dazu noch Heubeck Praegraeca 75ff. Alt. Lit., jetzt z.T. überholt, auch bei WP. 1, 662 ff., Pok. 414ff. und in den Spezialwörterbüchern der Einzelsprachen. II-1098-1099
-χι enkl. Partikel in ἧ-χι, οὐ-χί, ναί-χι (seit Il.), — hervorhebend wie aind. hí, aw. zī, auch enkl. in kár-hi ‘wann?’, tár-hi ‘damals’, idg. *ghi. Schwyzer 624 m. A. 7, Schw.-Debrunner 577; auch WP. 1, 542, Pok. 41 7 f. m. weiteren Kombinationen. II-1099
χῖδρον, meist pl. -ρα n. ‘Gericht von frischen Gerstenkörnern od. anderen Vegetabilien’ (Alkm., Ar., LXX, hell. Pap. u.a.); davon χιδρίας πυρός ‘unreifer Weizen’ (Ar.Fr. 889). — Unerklärt, wohl Fremdwort; nach Sch. Ar. Pax 595 ἔδεσμα περὶ Καρίαν. — Versuch, das Wort mit κριθή zusammenzubringen, von Pisani Ist. Lomb. 77, 565 f. II-1099
χίλιοι, ion. (Inschr.) χείλιοι, äol. χέλλιοι, lak. χήλιοι ‘tausend’ (seit Il.). Als Vorderglied u.a. in χιλιό-ναυς ‘aus tausend Schiffen bestehend’ (E., Str.), auch mit hinzugefügtem Suffix -ναύτης, dor. -ναύτας ‘ds.’ (A. in anap., E. in lyr.; vgl. Sommer Nominalkomp. 122f., 175), χιλιόμ-βη f. ‘Opfer von tausend Rindern’ (Jul.; nach ἑκατόμβη). Als Hinterglied auch -χιλοι in ἐννεά-, δεκά-χ(ε)ιλοι ‘neun-, zehntausend’ (Ε 860, Ξ 148; danach δίσ-χιλοι att. Epigr. Va), Rückbildung wie -βιβλος zu βιβλίον (s.d. m. Lit.; anders Schwyzer 593). Davon 1. χιλιοστός ‘der tausendste’ (att.), -όομαι ‘zu einer Buße von 1000 Drachmen verurteilt werden’ (Lykurg.); 2. -άς, -άδος f. ‘Anzahl von Tausend’ (ion. att.) mit -αστύς (Ephesos, Samos, Kos), auch -οστύς (X.), äol. χελλησ-τύς (Methymna) f. ‘Abteilung od. Truppe von Tausend, Tausendschaft’ (Einzelheiten zur Bildung Fraenkel Nom. ag. 1, 202f., Schwyzer 593 u. 597); davon -αστήρ m. ‘Mitglied einer χιλιαστύς’ (Samos; Fraenkel a.O., Benveniste Noms d’agent 74); -άζω ‘tausend Jahre alt sein’ (Tz.). — Aus den Dialektformen χείλιοι ( > att. χίλιοι durch Assimilation, auch in den Homertext eingedrungen; Wackernagel Unt. 7 f.), χέλλιοι, χήλιοι ergibt sich ein urspr. *χέσλιοι, das mit aind. sahásram, aw. hazaŋrəm n. ‘Tausend’ am nächsten verwandt ist. Die gemeinsame idg. Grundlage wäre *ĝheslo-, dessen ursprüngliche, gewiß konkrete Bed. unbekannt bleibt. Weitere Analyse unsicher. In aind. sa-, aw. ha- wurde seit Fick (z.B. Wb. 1, 55, 437) die Schwundstufe von idg. *sem ‘eins’ (s. εἷς) gesucht. Anders Brugmann, z.B. IF 21, 10ff. mit Grimm u.a. : sahás-ra- von aind. sáhas-, aw. hazah- n. ‘Gewalt, Stärke’ (s. ἔχω); zur Bed. vgl. toch. A wälts ‘tausend’ zu wäl ‘König’, lat. valeō usw. Gegen Ficks Deutung spricht die Schwundstufe in sa-, ha- (sonst nur ‘zusammen mit’). Bei der Zerlegung in sahás-ra- wäre andererseits gr. *ἐχεσ- zu erwarten gewesen; ein schwundstufiges *σχεσ- ( > *χεσ- durch Dissimilation oder aus δισ-(σ)χίλιοι usw. ? Brugmann Grundr.2 II: 2, 47) läßt sich schwerlich begründen. Die früher gegen diese Erklärung angeführten iran. Formen, z.B. khotansak. ysāra-, können jedoch auf hazāra- zurückgehen (Szemerényi [mit Henning] Arch. Linguist. 6, 38 ff.). Für Entlehnung aus einer fremden Sprache Specht KZ 66, 10 f. — Zur viel erörterten Frage, ob auch lat. mīlle hierher zu stellen ist, zuletzt Szemerényi a.O. und Hamp Glotta 46, 274ff. (bejahend; daselbst auch über χίλιοι : sahásram). Ältere Lit. bei WP. 1, 633, Pok. 446, W.-Hofmann s. mīlle. II-1099-1100
χῑλός m. (f.) ‘grünes Viehfutter, Gras, Weide’ (Hdt., X., Plu., Babr. u.a.), -ή f. ‘ds.’ (Gal., Suid.). Als Vorderglied in χιλή-γονος (-η- metr.) ‘als Futter gewachsen’ (Nik.), als Hinterglied u.a. in βού-χιλος ‘Rinder ernährend’ (A. in lyr., AP). Davon 1. χιλ-όω ‘füttern, auf die Weide führen’ (X.), -οῦσθαι· παχύ-νεσθαι, σιτίζεσθαι H., mit -ωμα n. ‘Futter’ (Agatharch.), -ωτήρ m. ‘Futtersack’ (Pap., Poll., H.); 2. -εύω ‘ds.’, auch intr. ‘weiden’ (Thphr., Nik.). — Unerklärt. Machek Stud. in hon. Dečev 54f. vergleicht čech. žir ‘Mast, Mästung, Futter’, russ. žir ‘Fett, Speck’. Andere Erklärungen des slav. Wortes bei Vasmer s.v. —Frühere Vorschläge, alle unhaltbar, bei Bq. II-1100
χίμαιρα f. ‘Ziege’, auch als Bez. eines mythischen Ungeheuers (seit Il.). Als Vorderglied u.a. in χιμαιρο-φόνος ‘Ziegen tötend’ (AP). Davon χιμαιρ-άς f. ‘ds.’ (Del.3 644, 16 [IV-IIIa] neben ἀρνηάς; wie πελειάς : πέλεια u.a., Fraenkel Nom. ag. 1, 95), -ίςf. ‘Ziegenlamm’ (Alkiphr.), -ειος ‘zu einer Z. gehörig’ (Hdn.). Daneben, wohl sekundär (s. unten), χίμαρος m. ‘Ziegenbock’, auch f. ‘Ziege’ (Ar., hell. u. sp.) mit χιμαρο-κτόνος = χιμαιρο-φόνος (Opp.) u.a., χιμάρα f. ‘ds.’ (AP). — Bildung mit ια-Suffix wie πρῷρα, νείαιρα, μάχαιρα, πέπειρα usw., mit schwed. norw. dial. gimmer, gimber, awno. gymbr f. ‘Schaf, das noch kein Lamm geworfen hat’, urg. *gimbrī, fast identisch. Eig. Bed. ‘einen Winter = ein Jahr altes Tier’ (vgl. χίμαροι· αἶγες χειμέριαι H.; χίμαιρα· ἡ ἐν χειμῶνι τεχθεῖσα, οἷον ἕνα χειμῶνα ἔχουσα EM811, 53; s. auch ἔταλον und v. Windekens Sprache 6, 214), zunächst von einem r-Stamm, der auch in arm. jmeṙn ‘Winter’ (< *ĝhimer-), mit Hochstufe in χειμέρ-ιος, -ινός vorliegt und mit dem n-Stamm in χειμών, χεῖμα alterniert. Der entsprechende o / ā- Stamm erscheint in aind. himá-, hímā u.a.; s. χεῖμα, χειμών m. Lit.; dazu noch Belardi Doxa 3, 223 und Lochner-Hüttenbach Beitr. zur Indogerm. und Keltol. 52. — Das Alter des erheblich später belegten χίμαρος (für τράγος u. a.; s. d.) ist ungewiß; wahrscheinlich ist es eine Neubildung zu χίμαιρα wie πιερός zu πίειρα u. a.; vgl. ἕταρος, ἕταιρα und Specht Ursprung 343 f. II-1100-1101
χῑράς (χειράς), -άδος f. ‘Riß, Schrunde’ (D. L., Suid., Eust.); pl. (auch χ(ε)ῖραι) = αἱ ἐν ταῖς πτέρναις, bzw. τοῖς ποσὶ ῥαγάδες H., EM 810, 27. Als Vorderglied in χιρο-πόδᾱς m. (Alk.; cod. χειροπόδης), -πους, pl. -ποδες ‘mit schrundigen Füßen’ (Poll., H., EM). Davon χιρ-αλέος (mediz. Pap.), -αλέους· τοὺς πόδας κατειργασμένους H. (wie ῥωγαλέος u.a.; Debrunner IF 23, 31), -αμα n. Bez. einer Fußkrankheit der Pferde (Hippiatr.). Bildung wie λιθάς, σπιλάς u. a. — Ohne sichere außergriech. Entsprechung. Lautlich stimmt dazu ein germ. Wort, norw. gīr m. ‘Begierde, Leidenschaft’, ahd. gīri ‘begierig’, auch gīr ‘Geier’. Neben dem daraus sich ergebenden idg. ghīr-, gheir- steht ghēr- in χηρ-αμός, wozu noch mit anderen Suffixen χη-λή, -λός, χή-μη, idg. ĝhē(i)- : ĝhi-; letzten Endes somit zu χάσκω?; s.d. m. weiterer Lit. Über andere Vorschläge Forbes Glotta 36, 244 f. II-1101
χιτών (seit Il.), -ῶνος ion. Prosa, auch hell. κιθών (dazu noch κιτών, χιθών, s. unten), myk. ki-to, ki-to-ne, -na m., ‘Chiton’, Bez. eines ärmellosen Gewanns, das unmittelbar am Leibe getragen wurde, ‘Leibrock, Hemd’ (seit Il.; ausführlich zur Bed. Trümpy Fachausdrücke 13 f., É. Masson Recherches 27 ff.). Davon die Hypostase myk. e-pi-ki-to-ni-ja = ἐπι-χιτών-ια, wohl n. pl. "was über dem Chiton getragen wird", Ben. von Oberkleidern. Mehrere familiäre Deminutivbildungen: χιτών-ιον n. (Ar., att. Inschr., hell. Pap. u.a.), -άριον n. (hell. u. sp.), -ίσκος m. (att.), -ίσκιον n. (att. Inschr.), -ισκάριον n. (Eust.). Dazu -ία f. Bed. unklar (Melamp., Scheller Oxytonierung 54). Auch Χιτών-η (Kall.), -έα od. -ία (Epich., Ath.), Κιθών-η (Miletos) N. der Artemis als Jägerin. — Semit. LW, zunächst aus phön. ktn ‘leinernes Gewand’; s. É. Masson a.O., wo auch weiteres über das gr. Wort nebst Ableitungen. Zu den verschiedenen Formen: χιτών, mit Metathese κιθών, durch Kontamination κιτών und χιθών, auch Schulze Kl. Schr. 386; Wackernagel Unt. 23 und Kretschmer Glotta 26, 43. — Aus dem Semit. auch lat. tunica (Näheres bei W.-Hofmann s.v.). II-1101
χιών s. χεῖμα, χειμών. II-1102
*χλᾰδεῖν hypothet. Aor. neben Pf. κέχλᾱδα ‘jauchzen, rauschen’ (Pi.), κεχληδέναι· ψοφεῖν, προσλαλεῖν H. — Zur Bildung vgl. κέκρᾱγα : κρᾰγεῖν, κέκρῑγα : κρῐγεῖν, λέληκα : λακεῖν. Ein Präs. *χλάδω (LSJ) läßt sich dagegen nicht begründen, eher *χλάζω (Thes., Pape) wie κράζω, κρίζω neben καχλάζω; s.d. II-1102
χλαῖνα f. ‘Oberkleid, Mantel’, urspr. nur von Männern getragen (seit Il.). Einige Kompp., z.B. μελάγ-χλαινος ‘mit schwarzer χ.’ (Mosch.), auch als N. eines Volkes nördlich der Skythen (Hdt.). Davon χλαιν-ίον n. (AP), -ῶσαι, -όω, auch m. ἀνα-, δια-, κατα-, ‘mit einem Mantel bedecken’ (Nonn., AP) mit -ωμα n. ‘Deckmantel’, von der Haut des Löwen (APl.), -ίζω ‘ds.’ mit -ιστής m. (Hdn.). Daneben χλανίς, -ίδος f. ‘leichtes Obergewand’, sowohl von Männern wie von Frauen getragen (ion. att.). Komp. χλανιδο-ποιός m. ‘Hersteller von χ.’ (Poll.) mit -ποιία f. (X.). Davon χλαν-ίδιον n. (Hdt., E. u.a.), -ιδίσκα f. (Tanagra IIIa), -ιδίσκιον n. (Aristaenet.); auch -ίσκιον n. (Ar., Aeschin. u.a.; haplologisch), -ισκίδιον (Ar.). Auch χλάνδιον n. (Samos, Teos; mit Schwund des ι aus χλανιδίου, -δίωι Schwyzer 471 A. 4; nicht mit Fraenkel [s. unten] aus *χλαμ-δ-). — Eine dritte Bildung ist χλαμύς, -ύδος, Akk. -υν (Sapph.) f. ‘männliches Oberkleid, bes. als Reise- und Kriegsmantel’ (Ar., X., hell. u. sp.). Komp. χλαμυδ-ουργός m. ‘Hersteller von χ.’ (Poll.) mit -ουργία f. (X.). Davon χλαμ-ύδιον n. (hell. u. sp.), -υδίσκα f. (Tanagra IIIa), κεχλαμυδωμένος ‘in einer χ. gekleidet’ (Nikostr.). — Lehnwörter unbekannter Herkunft. Für χλαῖνα aus *χλάν-ι̯ᾰ und χλαν-ίς läßt sich ein gemeinsames Grundwort vermuten. Versuch, sie mit χλαμύς auf ein gemeinsames χλαμ- zurückzuführen, bei Fraenkel Nom. ag. 2, 178 A. 2. Weitere Lit. bei Schwyzer 309. Unhaltbare idg. Etymologien bei Bq (abgelehnt). Aus χλαῖνα lat. laena durch fremde (etruskische?) Vermittlung. — Unklar bleibt χλαμυρίς· πόα, ὁ κυρίως βρόμος H., ebenso (gleichfalls aus H.) χλανίαι· περιβολαί, χλανίτιδες· οἱ ὅρμοι παρθένων, χλάνος· τὸ περὶ τοὺς τραχήλους δάσος. II-1102
χλαρός nur in χλαρὸν γελάσσαις (Pi. P. 9, 38), nach Sch. = προσηνὲς καὶ ἡδύ. Dazu aus H.: χλαρόν· ῥυπαρόν, λεπτόν, τρυχαλέον; auch = ἐλαιηρὸς κώθων; χλαρά· ψαιστὰ ἐν ἐλαίῳ (myk. ka-ra-re-we = χλαρῆϝες?? s. Morpurgo Lex. s.v. m. Lit.). — Unklar. Von Persson Beitr. 2, 791 A. 3 zögernd mit awno. glōra ‘funkeln’ usw. verglichen; s. auch χλωρός. — An χλάρ κόχλαξ H. erinnert, wohl nicht zufällig, lat. glārea ‘Kies’; so schon Vossius und Doederlein, s. W.-Hofmann 1, 868 (abgelehnt); ebenso Alessio Studi etr. 18, 132 (als Mittelmeerwort). II-1102
χλεμερόν · χλιαρόν, θερμόν; χλεμύρα· χλοανθοῦντα H. — Persson Stud. 94 A. 1 und Beitr. 1,15 vergleicht lit. želmuõ ‘Pflanzen- trieb’ (zu žélti ‘grünen, frisch wachsen’) mit weiterem Anschluß an die Sippe von χλόη; s.d. II-1103
χλεύη f. ‘Scherz, Spott, Hohn’ (h. Cer. 202, Lyr. IVa, Ph., Luk. u.a.). Daneben (denominativ?) das gewöhnliche χλευ-άζω, auch m. δια-, ἐκ-, κατα- u.a., ‘scherzen, spotten, verspotten, verhöhnen’ (Ar., D., Arist., hell. u. sp.) mit -ασμός m. (D., Arist., hell. u. sp.), -ασμα n. (LXX, Sch.), -ασία f. (D., Arist., D. C.) ‘Gespött, Verhöhnung’, -αστής m. ‘Spötter’ (Arist., M. Ant. u.a.) mit -αστικός (κατα-) ‘spöttisch, höhnisch’ (D. H., J., Poll.), -αξ m. ‘ds.’ (Kom. bei Poll.). — Die Erhaltung des antevokalischen -ευ- scheint wie in σκεῦος, σκευή, σκευάζω auf Schwund eines folgenden Konsonanten hinzudeuten (anders σεύομαι, s.d.). Sonst stimmt χλεύη lautlich zu ags. glēo n. ‘fröhliche Unterhaltung, gesellige Lust, Fremde’ (idg. *ghleu-o-), woneben ags. glīw = awno. glȳ n. ‘ds.’ (idg. *ghleu-i̯o-). Als weitere Verwandte werden herangezogen: mit m-Suffix germ., awno. glaumr = ags. glēam m. ‘Jubel, Freude’, slav., z.B. russ. glúm m. ‘Scherz, Spott’; mit d-Erweiterung balt., z.B. lit. glaudas ‘Kurzweil’. Weitere Formen m. Lit. (seit Fick 1, 419 u. 3, 149, Persson Stud. 69 A. 2) bei WP. 1, 660, Pok. 451, Vasmer s.v. II-1103
χλῆδος m. etwa ‘Schutt, Unrat, Kehricht’ (A.Fr. 16 = 264 M., D. 55, 22 u. 27, Krates Kom. 27, Hdn.), = ὁ σωρὸς τῶν λίθων H. — Unerklärt. Machek Ling. Posn. 5, 70 vergleicht slav., z.B. russ.-ksl. glěnъ ‘Schleim, zähe Feuchtigkeit’ (Suffixwechsel d : n). Anders über die slav. Wörter Vasmer s. glenь (zu russ. glína ‘Lehm, Ton’; s. auch γλοιός). II-1103
χλιαίνω (-ī̆-), Aor. -ιᾶναι, ion. -ιῆναι, Pass. -ιανθῆναι, Fut. -ιανῶ (Ar.); Pf. κεχλίαγκα· τεθέρμαγκα H., ‘erwärmen, erweichen’ (Hp., S. Eleg., Ar., Arist. ,AP usw.) mit χλιάσματα n. pl. ‘erwärmende Umschläge’ (Hp.). auch m. ἀνα-, ἐπι-, ὑπο-u.a., Daneben χλιάζω ‘ds.’ (Sch. Nik. Al. 206), χλιάω ‘ds.’ im Ptz. χλιόωντι ποτῷ (Nik.Al.110; v.l. χλιόεντι), χλίω (-ῑ-), auch m. ἐν- ‘schwelgen, sich übermütig gebärden’ (A.), ἐγχλίει· ἐντρυφᾷ H. mit χλιάf. ‘Wärme’ (D. S.), χλι-όεις in χλιόεντι (v.l. Nik.Al.110), -ώδης ‘lauwarm’ (sp. Mediz.). — Adj. χλιαρός, -ερός (Schwyzer 482), -ηρῶς (Hp.) ‘lauwarm’ (Alkm., Epich., Hdt., Kom., Arist. usw.) mit -αρότης f. (Prokl.). — Mit δ -Erweiterung: χλῐδή f. ‘Weichlichkeit, Üppigkeit, Luxus, Übermut’ (Hdt., Trag., auch Pl. Smp. 197d, X.Kyr. 4,5,54), auch χλίδος n. ‘(üppiger) Schmuck’ (Ion Trag. 3; Schwyzer 509), mit χλίδ-ων, -ωνος m. (Akz. nach Hdn. 2, 729,18) ‘Arm-, Halsband, Fußspange’ (Asios VII-VIa, Ar. Fr. 320, 11, att. Inschr. IVa, hell. u. sp.), -ανός (äol. χλίδ-) ‘üppig, wollüstig’ (Sapph., A. [anap.], E. [lyr.], Plu.), -αίνομαι ‘üppig leben’ (X)., -άω, vereinzelt m. κατα-, κατ-εν-, ‘weichlich sein, schwelgen, übermütig sein’ (Pi., Trag., Ar. [troch.], Posidon., Arr.), -ημα n. = χλίδος (E. IA 74). Dazu anscheinend primäre Formen: κεχλιδότα ἀνθοῦντα H., διακεχλιδώς = θρυπτόμενος (Archipp.); mit Hochstufe: διακεχλοιδώς· διαρρέων ὑπὸ τρυφῆς, διακεχλοιδέναι· θρύπτεσθαι H. Ebenso χλοιδᾶν· διέλκεσθαι καὶ τρυφᾶν, χλοιδῶσι θρύπτονται, χλοιδέσκουσαι· γαστρίζουσαι H. (zur Bildung Schwyzer 708). — Hierher noch ngr. χλιός ‘lauwarm’, aber schwerlich mit Georgacas Glotta 36, 191 als altererbtes Grundwort der obigen Wortgruppe. — Das Paar χλιαίνω : χλιαρός (wie μιαίνω : μιαρός, πιαίνω : πιαρός usw.) gehört auch semantisch zusammen durch die physiologische Bed. ‘weich, lauwarm’. Auch χλιά mit χλιόεις, χλιώδης schließt sich daran an. Dagegen stehen das anscheinend primäre und seltene χλίω und χλι-δ-ή in übertragenem Sinn ‘weichlich, üppig usw.’. — Eine überzeugende Etymologie fehlt. Seit langem (s. WP. 1, 626f., Pok. 432f. m. Lit., bes. Persson Beitr. 2, 793 f.) verbindet man damit einige kelt. und germ. Wörter der Bed. ‘glänzen usw.’ in air. glē, kymr. gloew ‘glänzend, klar’, germ., z.B. awno. gljā ‘scheinen, glänzen’, mhd. glīmen ‘leuchten, glänzen’, wozu noch lit. žlejà ‘Finsternis, Morgen-, Abenddämmerung’ (ausführlich darüber Fraenkel s.v.). Eine Entsprechung von χλι-δ-ή soll weiterhin in got. glitmunjan ‘glänzen’, awno. glita ‘glitzern’ usw. vorliegen. Das daraus sich ergebende idg. ĝhlei(-d)- wird zur großen Sippe von χλόη, χολή gezogen; s. dd. II-1103-1104
χλόη, auch χλοίη (Hp., hell. Pap., Babr.; s. unten), dor. χλόα (E. in lyr.) f. ‘junges Grün, junges Gras, junge Saat’ (ion. att.), auch Χλόη (Ar., Inschr. usw.), Χλοίη (Orakelspruch II p) als Beiname bzw. N. der Demeter. Kompp., z.B. χλοη-φόρος ‘junges Grün tragend’ (E. in lyr., Ph.) mit -φορέω (Thphr., Ph.), εὔ-χλοος (ἐύ- ~ ) ‘mit schöner χ., schön grünend’, von Demeter u.a. (S., Nonn.). Davon 1. Χλόϊα n. pl. ‘Fest der Demeter Chloe’ (att. Inschr. IIa). 2. χλο-ερός ‘grünend, hellgrün, frisch’ (Hes. Sc., S., E. in lyr., Theok.), -ηρός ‘ds.’ (Hp.), -ήρης ‘ds.’ (E. in lyr.). 3. -ανός ‘ds.’ (Lyd.). 4. -άω, auch m. ἐν-, a) ‘grünen, sprossen, keimen’ (Eup., Nik., AP, Ph. u.a.), b) ‘blaß sein’ (Nonn.). 5. -άζω = 4a (Arist., Nik., Plu. u.a.) mit -ασμα n. ‘das Grünen’. — Daneben χλόος (hell. Dicht.), χλοῦς (Hp. ap. Gal.) m. ‘hellgrüne, blaßgrüne, grüngelbe Farbe, Blässe’ mit χλο-ώδης ‘grasfarben, grüngelb, blaß’ (Hp., Pl., Thphr. u.a.), χλοι-όομαι, auch m. ἐκ-, ‘grüngelb werden, er- blassen’ (Hp., Gal.; zu -οι- unten). — Für sich steht, mit anderer Bildung, χλωρός ‘hellgrün, blaßgrün, grüngelb, gelblich, blaß’, auch ‘frisch, lebendig’ (seit Il.; vgl. Treu Weltbild 217f.). Kompp., z.B. χλωρο-φάγος ‘Grünfutter essend’ (Hp.) mit -φαγέω (Hippiatr.), μελί-χλωρος ‘honiggelb’ (Pl., Arist. usw.). Davon 1. χλωρ-ότης f. ‘hellgrüne usw. Farbe, Blässe’ (LXX, Plu.). 2. -ῖτις λίθος ‘hellgrüner Stein’ (Plin.; Redard 63). 3. -αίνομαι ‘blaß werden’ (S.Fr. 1114, Gal.) mit -ασμα n. ‘das Erblassen’ (Hp.). 4. -ίζω ‘blaßgrün, blaß werden’ (LXX u.a.). 5. -άζω ‘Grünfutter essen’ (Gal.). 6. -ιάω ‘erblassen, bleich werden’ (Hp., Longos) mit -ίασις H. s. χλόος. 7. -ική Beiw. der ἀρτεμισία (PMag. Par.). 8. Vogelnamen: χλωρ-εύς m. N. eines unbek. Vogels (Arist., Plin., Ael.; Boßhardt 62); -ίς, -ίδος f. ‘Grünfink’ (Arist., Nik., Ael.); -ίων, -ίωνος m. ‘Gold- amsel’ (Arist., Plin.), -ηΐς s. bes.; zu den Vogelnamen Thompson Birds s.vv. 9. Χλῶρις, -ιν Kurzname (λ 281). — Ausführlich über χλωρός Bagiakakos ’Αθ. 58, 98ff., auch (zur Bed.) Capelle RhM 101, 24ff.; fürs Neugr. außerdem Phabès ’Αθ. 39, 219ff. (u.a. χλωρό ‘Käse’ : χλωρὸς τυρός Lys., Ar.). — Die Schreibung χλοίη, χλοιόομαι kann durch das synonyme ποίη, ποία (neben πόα) veranlaßt sein; vgl. noch Fälle wie χνοίη : χνόη, ὀλοιός : ὀλοός (s. dd.). Die nebeneinander stehenden χλόη, χλόος (für *χλόϝη, *χλόϝος) und χλω-ρός erinnern an πλόϝ-ος : πλω-τός; s. πλώω. Als Ausdrücke der Vegetation gehören die griech. Wörter zu einer besonders im Baltischen, Slavischen und Latein vertretenen Gruppe derselben Bed. : lit. želiù, žélti ‘grünend wachsen, bewachsen, aufgehen (von Pflanzen)’ mit žel-muõ ‘Pflanze, Sprößling, Gewächs’, žãlias ‘grün, roh, ungekocht’, mit Dehnstufe žolė̃ ‘Gras, Kraut, Blume’ u.a.m.; slav., z.B. aksl. zelenъ ’χλωρός, πράσινος’, russ. zelenyj ‘grün’ (Primärbildung?), aksl. zelije ’λάχανον’, russ. zélje ‘Pflanze, Kraut’ (Kollektivbildung zu *zelo); lat. helus, (h)olus, -eris n. ‘Grünzeug, Gemüse, Kohl’ (primär wie genus u.a.; helus : zelije wie τεῖχος : τειχίον). Dazu aus anderen Sprachen: ζέλκια· λάχανα. Φρύγες H. und osset. zäldä ‘niedriges Gras’. Die formale Beziehung zwischen diesen Wörtern, die alle auf idg. ĝhel- zurückgehen, und χλόη, χλωρός läßt sich nicht genau festlegen; vergleichen lassen sich damit Fälle wie ter- in τείρω gegenüber teru-, treu- in τέρυς, aksl. trovǫ, τρύω, τιτρώσκω (s. dd.) oder ser- in aind. sí-sar-ti ‘eilen, fließen’ (nicht sicher; s. Narten Münch. Stud. 26, 77 ff.) gegenüber sreu̯- in ῥέ(ϝ)ω, ῥο(ϝ)ή, ῥό(ϝ)ος (und ῥώομαι? s.d.). Dagegen ist die Gleichung χλωρός : isl., schw. dial. glōra ‘funkeln, glotzen’, glōr-eygðr, glōr-ögd ‘mit funkelnden, glotzenden Augen’ (seit Persson Beitr. 2, 791; dazu nach v. Windekens Glotta 35, 301 ff. noch lat. glōria ‘Ruhm’) semantisch sehr schwach begründet. Ganz fraglich ist ebenfalls die Heranziehung von lat. lūridus ‘blaßgelb, fahl’; s. W.-Hofmann m. Lit. und Bloch Sprachgesch. u. Wortbed. 29 A. 46. Auffälliger ist die Identität mit γλουρός· χρυσός, γλούρεα· χρύσεα. Φρύγες H. (Hermann KZ 50, 303 gegen Solmsen KZ 34, 39, der Entlehnung aus dem Griech. annimmt). — Hierher noch Ausdrücke für ‘Galle’ und ‘gelb’, s. χολή. II-1104-1106
χλούνης, Akk. -ην m. Beiwort des wilden Ebers (I 539, Hes. Sc. 168, 177, Kall. Dian. 150), ‘Eber’ (Nik. Fr. 74, 6, Opp. H. 1, 72), Bed. unklar (A.Fr. 62 = 74 M., Hippon. 61 = 29 Masson). — Bed. schon im Altertum umstritten: ‘verschnitten, kastriert, τομίας’; ‘einsam lebend, μονιός’; ‘schäumend, ἀφρίζων’; ‘im Gras ruhend, ὁ ἐν τῇ χλόῃ εὐναζόμενος’; ‘Missetäter, Räuber, κακοῦργος, λωποδύτης’. Daneben χλοῦνις f. etwa ‘Mannbarkeit’ (A. Eu. 188), χλουνός· χρυσός H. Auch ngr. dial. (Kalabrien) ἀσκλούνη(ς) = ’μονόρχης κριός’ od. ’στεῖρος κριός’ (Kapsomenos; s. Risch Glotta 35, 76 und Masson zu Hippon. 29). — Schon wegen der unklaren Bed. ohne Etymologie. Für χλουνός ’χρυσός’ liegt Beziehung zu χλόη, χλωρός nahe (fulvum aurum); ebenso χλούνης ‘bête fauve’, χλοῦνις = ‘viridis seges’? (Bq; zustimmend Mastrelli Arch. glottol. it. 51, 124). II-1106
χλωρηΐς, -ίδος Beiw. der ἀηδών (τ 518), der κάμπη (Nik. Th. 88). — Poetische Femininbildung von χλωρός nach den Patronymika und Ableitungen von ON, z.B. Χρυσηΐς, Βρισηΐς (Risch 131); vgl. ἀηδόνες ... χλωραύχενες Simon. 73. — Nach Prellwitz dagegen ‘hellsingend’ aus *χλωρ-ηϝιδ-ς, Zusammenbildung von χλωρός und der Schwundstufe von ἀείδω mit Kompositionsdehnung (vgl. καλαϊς). Dieselbe Zerlegung bei Dürbeck Münch. Stud. 24, 15 ff. (mit ausführl. Behandlung). aber im Sinn von ‘im frischen Laube singend’. II-1106
χναύω, ‘(ab)nagen, knabbern’ (Epich., E. Kyk. 358 [lyr.], Kom. IVa). auch m. παρα- (Ael.) Davon χναῦ-μα n. ‘Lecker- bissen, Naschwerk’ (Kom. IVa, Zen., Poll., H.), -μάτιον n. (Kom. Va), -ρός ‘leckerhaft’ (Pherekr.), -στικός m. ‘Leckermaul’ (Kom. IIIa). — Daneben χνίει ψακάζει, θρύπτει (cod. -ττει) und χνιαρωτέρα· χνοω<δεσ>τέρα H. — Volkstümlichexpressive Wörter, im Vokalismus zu ψαύω, θραύω, χραύω, bzw. ψίω, χρίω stimmend. Weiteres s. χνόη, χνόος. II-1106
χνόη, auch χνοίη (Parm., Emp. [coni.]; vgl. χλοίη neben χλόη) f. ‘Radbüchse, Nabe’ (Trag.). Daneben χνόος, χνοῦς m. ‘Flaum, Staub, Schaum’ (ζ 226, Hp., Ar., Arist., hell. u. sp.) mit χνο-ώδης ‘flaumig’ (Hp., Thphr., Dsk., Gal. u.a.), -ϊος ‘ds.’ (Anakreont.), -άω, auch m. ἐπι-, ‘flaumig sein, den ersten Anflug von Bart, die ersten Milchhaare bekommen’ (hell. u. sp. Dicht.), auch -άζω (S. OT742, Kom. Va, Him.), -ίζω (Kreta IIp, Gal.) ‘ds.’. — Wenn man von einer Bed. ‘schaben, kratzen, abnagen’ ausgehen darf, lassen sich das hochsprachige χνόος (< *χνόϝος) und das technische χνόη (< *χνόϝ-ᾱ) zur Not als Nomina actionis "das Schaben, Abkratzen" = ‘Abgeschabtes, Abgekratztes’, bzw. ‘das Schaben (der Achse), Schabstelle’ verstehen, wodurch man die volkssprachigen χναύω, χνίω damit verbinden kann. — Annehmbare Anknüpfungen bieten dann das Germ. und Slav. in awno. gnūa ‘reiben’, ags. gnēað (urg. *gnauða-) ‘geizig’ (zur Bed. vgl. schwed. gnidig ‘geizig’ zu gnida ‘reiben’), russ. gnus ‘Geschmeiß, Ungeziefer’ (vgl. κόρις m. Lit.), poln. gnus ‘Faulpelz’, mit aksl. gnusьnъ ’μιαρός’; für χνίω : ags. gnīdan, ahd. gnītan ‘reiben’ (idg. dh-Erweiterung), wohl auch aksl. gnijǫ, gniti, russ. gnitь ‘faulen’ (vgl. poln. gnus) u.a.m., s. WP. 1, 584f. (mit Persson Beitr. 2, 811 f.), Pok. 436f., Vasmer s.vv. m. weiterer Lit. — Vgl. auch die sinnverwandten κνίζω, κνύω, κνόος; zum Anlaut χν- : κν- : γν-, bes. mit Beziehung auf die entsprechende Lautgruppe im Altnord. de Vries IF 62, 142. II-1106-1107
χοάνη, χόανος, χοή, χοῦς s. χέω. II-1107
χοῖνιξ, -ικος f. Getreidemaß = 4 κοτύλαι (seit τ 28), übertr. von einer Art Fußfessel (Ar., D.), von der Buchse einer Türangel (hell. Pap.). Als Vorderglied in χοινικο-μέτρης ‘der eine χ. (als tägliche Ration) aufmißt’ (Ath.), ὁμο-χοῖνιξ ‘der eine χ. mit einem anderen teilt, Mitsklave’ (Plu.); sonst fast immer themat. erweitert, z.B. τρι-χοίνικος ‘drei χ. messend’ (Ar., X., hell. Pap., Poll.). Davon χοινικ-ίς, -ίδος f. in mehreren übertr. Bedd., ‘Buchse, Büchse’ eines Rads, einer Achse, einer Türangel, eines Kranzes usw. (D., hell. u. sp.); -ιον n. als Maß, auch ‘Fußfessel’ (Phld., Them.), -η· τοῦ τροχοῦ, ἐν ᾧ στρέφεται ὁ ἄξων H.; -ιαῖος ‘eine χ. messend’ (hell. Inschr.). — Technischer Ausdruck unbekannter Herkunft. II-1107
χοῖρος m. f. ‘(junges) Schwein, Ferkel’ (seit ξ 73), übertr. ‘pudenda muliebria’ (Kom.; vgl. André Latomus 15, 299 ff.), N. eines Nilfisches (Str., Ath., Gp.), zum Benennungsmotiv Strömberg 101; oder volksetymologisch aus dem Nubischen (Thompson s.v.)? Oft als Vorderglied, z.B. χοιρο-πώλᾱς (dor.) m. ‘Schweinehändler’ (Ar.); auch als Hinterglied, z.B. καλλί- χοιρος ‘mit schönen Ferkeln’ (Arist.), ἀγριό-χοιρος m. ‘Wild- schwein’ (Sch. Ar. Pl. 304; vgl. Risch IF 59,256). Zahlreiche Ableitungen. 1. χοίρα f. ‘weibliches Ferkel’ (Orph.; Schw.-Debrunner 32 A. 4 m. Lit.). 2. Demin. χοιρ-ίον n. (Ar.), -ίδιον n. (att. usw.), -ίσκος m. (Luk.). 3. -άς, -άδος f. ‘Meerklippe’ (Pi., ion. att.; wegen der Ähnlichkeit mit einem Schweinerücken), pl. ‘geschwollene Drüsen am Hals’ (Hp. u.a.; vgl. lat. scrōfulae : scrōfa und W.-Hofmann s.v.); davon -αδώδης ‘klippig’ (Str.), ‘voll Drüsen’ (Plu.), -αδικός ‘an den Halsdrüsen leidend’, n. ‘Arznei gegen Drüsenkrankheit’ (Mediz.). 4. -ίνᾱς m. ‘Art Kuchen’ (Philox. Lyr. V-IVa; wie ἐλαφ-, λαγω-ίνης u.a.). 5. -ί̄νη f. ‘kleine Meermuschel’ (Ar. in anap., Poll.; wie δελφακ-, ἀθερ-ίνη u.a. Fischnamen). 6. -ίημα· τὸ χοιρίδιον H. (wie ἐριφιήματα = ἔριφοι, s.d.). 7. -εών m. ‘Scnweinekoben’ (Tz.). 8. -άφιον n. ‘Furche’ (Pap.IIIp; wie θηρ-άφιον u.a., s.d.; nach lat. porca : porcus?). 9. Adj. -ε(ι)ος (ion. att. seit ξ 81; Schneid -εος u. -ειος 26 u. 51), -ινος (Luk.) ‘vom (jungen) Schweine’, -ικός ‘ds.’ (EM), -ώδης ‘schweinisch’ (sp. Mediz., Hdn.) mit -ωδία f. (Sch.). 10. -ίζω ‘sich wie ein Schwein benehmen’ (Sch.). 11. Χοιρεᾶται m. pl. N. einer Phyle in Sikyon (Hdt. 5, 68, von Kleisthenes erfundener Spottname); Fraenkel Nom. ag. 1, 176 A. 2. 12. χοιρόδανον n. N. einer Pflanze (Ps.-Dsk., Strömberg 147). — Im Gegensatz zu den altererbten und allmählich absterbenden σῦς und ὗς (vgl. Chantraine Études 25) und zu dem später erscheinenden, sicher volkstümlichen γρῦλος, γρύλλος hat das von Anfang an wohl ebenfalls volkstümliche χοῖρος keine einwandfreie Etymologie. Wenn für *χορ-ι̯ος, kann es mit alb. derr (aus *ĝhōr-n-) ‘Schwein’ verwandt sein und als "Borstentier" zu χήρ ‘Igel’ gehören (Jokl Festschr. Kretschmer 78 ff. mit ausführlicher Analyse von alb. derr; ebenso Pisani Jb. f. kleinas. Forsch. 3 : 2, 150). Anders Lidén Ann. Acad. Scient. Fenn. B: 27 (1931) 117ff. als "beiläufige" Vermutung: mit arm. gēr, Gen. pl. girac̣ ‘fett, von Tieren und Menschen’ identisch (idg. *ghoiro / ā-), wozu noch, mit anderem Vokalismus, slav., z.B. russ. žir ‘Fett, Speck, Reichtum’ (vgl. Vasmer s.v. mit anderer, nicht vorzuziehender Erklärung des slav. Wortes). Noch anders Persson (als Hypothesen) Stud. 69 und 195, Beitr. 1, 304 A. (s. Bq und WP. 1, 602 f.). — Im Sinn von ‘Klippe’ will Pisani Ist. Lomb. 77, 566 f. χοιράς < *χορ-ι̯αδ- mit χέραδος u. Verw. verbinden; nicht besser. Vgl. noch die Lit. zu ὗς. II-1107-1108
χολάδες (Δ 526 = 181, h. Merc., Antim., AP), mit volkstümlicher Gemination χολλάδες (Pherekr., Men.) f. pl. ‘Eingeweide, Gedärme’; sg. χολάς = τὸ κοινὸν ὑποχονδρίου καὶ λαγόνος, ‘Bauchhöhle’ (Arist.). Daneben χόλικες f. (m.) pl. ‘Eingeweide, bes. von Rindern’, sg. χόλιξ ‘Darm’ (Kom., Miletos Va), mit χολίκιον n. ‘Darm’ (Thphr., Poll.). — Eine auffallende Ähnlichkeit mit χολάδες zeigt ein slav. Wort für ‘Magen’, z.B. russ. želúdok, russ.-ksl. želudъkъ, pol. z·oɫądek, das auf idg. *ghelond- zurückgehen kann und dann auch seiner Bildung nach zu χολάδες, wenn aus *gholn̥d-, stimmt (seit Bezzenberger BB 2, 154). Auch in dem damit nicht verwandten lit. skilándis ‘Wurst-, Schwartenmagen’ erscheint dasselbe Suffix. Das abweichende χόλικες dürfte dagegen eine griechische Neubildung sein, viell. nach ἕλιξ ‘Windung, Spirale’ (anders Specht Ursprung 158, 208 u. 231. alter Stammwechsel). — Weitere Lit. bei WP. 1, 631 f., (Pok. 435) und ganz besonders bei Vasmer s.v.; vgl. noch Fraenkel s.v. II-1108-1109
χολέρα, ion. -ρη f. ‘Cholera, Magenkrankheit mit Erbrechen und Durchfall’, ξηρὴ χ. ‘Verstopfung’ (Hp., Aret.), ‘Erbrechen, Ekel’ (LXX). Nach H. auch = σωλήν, δι’ οὗ τὸ ὕδωρ ἀπὸ τῶν κεράμων φέρεται ἐξακοντιζόμενον ( = χολέδρα; s. χολή). Davon χολερ-ικός ‘zur χ. gehörig, an der χ. leidend’, -ώδης ’χ. -ähnlich, χ. verursachend’, -ιάω ‘an d. χ. leiden’ (vorw. Mediz.). — Medizinischer Fachausdruck; zur Bildung vgl. ὑστέρα und Krankheitsnamen wie ἴκτερος und ὕδερος, vielleicht Substantivierung mit Akzentverschiebung von *χολερός (Schwyzer 482). Als Grundwort empfiehlt sich aus formalen Gründen eher χολή, χόλος (Celsus) als χολάς (Alex. Trall.). Air. galar n. ‘Krankheit’, von Pedersen Vergl. Gramm. 2, 25 mit χολέρα verbunden, ist fernzuhalten (vgl. Pokorny 411). II-1109
χολή ‘Galle’, auch übertr. (meist poet.) ‘bittrer Haß, Zorn’ (ion. att.), auch von der Aussonderung des Tintenfisches (Nik.). Vereinzelt als Vorderglied, z. B. χολη-δόχος ‘Galle aufnehmend’, (κύστις) ~ ‘Gallenblase’ (sp. Mediz.), χολό-βαφος (Arist.), auch χολοί-βαφος (Nik.; metr., Schwyzer 452 A. 5) ‘in Galle ge- taucht, goldgelb’, wohl auch, obgleich semantisch unklar, χολ-έδρα f. ‘Dachrinne, Rinne’ (Eratosth., Ph. Bel.). Oft als Hinterglied, z.B. μελάγ-χολος ‘schwarze Galle enthaltend’ (S.) mit -χολίαι pl., -ίη sg. f. "Schwarzgalligkeit", ‘Gallsucht, Schwermut, düsterer Wahnsinn, Melancholie’ (Hp., Ti. Lokr. u.a.), -χολάω ‘schwermütig, wahnsinnig sein’ (att.), zur Sache Müri Mus.Helv. 10, 21 ff.; zu ἀκράχολος s. bes. Davon 1. Demin. χόλ-ιον n. (M. Ant.; wohl hypokoristischverächtlich). 2. Adj. χολ-ώδης ‘voll Galle, gallig’ (Hp., Pl., Arist. usw.), auch ‘zornig’ (Luk. u.a.; auch auf χόλος beziehbar), -όεις ‘gallig’ (Nik., Opp.), -ικός ‘ds.’ (Plu.), -αῖος ‘ds.’ (Suid.). 3. Verb: χολάω, auch m. ἐκ-, ὑπερ-, ‘voll Galle sein, rasen, zürnen’ (Hp., Kom., LXX u.a.), χολαίνω ‘ds.’ (Aesop., v.l.), ἐκ-χολίζω ‘die Galle entfernen’ (Gp., v.l.). — Daneben χόλος m. ‘bittrer Haß, Zorn’ (ep. poet. seit Il., auch Hdt. u. sp. Prosa), ganz vereinzelt ‘Galle’ (P 203). Davon χολ-ωτός ‘zornig’ (Hom.; Ammann Μν. χάριν 21 f.), -ιος ‘zürnend’ (AP). An χολωτός schließt sich eine Reihe Verbalformen : χολω-θῆναι, -σασθαι. -σομαι, κεχόλω-μαι, -μένος, -σομαι, wozu Präs. χολοῦμαι ‘zornig werden, zürnen, grollen’; auch Akt. χολῶ-σαι, -σέμεν ‘zornig machen, erzürnen’ (Hom., auch Hes., Pi., Trag.); s. Wackernagel Unt. 130, Chantraine Grannn. hom. 1, 364. — Davon unabhängig in der Sprache der Mediziner, mit Anknüpfung an χολή : χολόομαι, selten -όω, meist mit ἐκ-, ἐπι- (: ἐπί-χολος). ‘in Galle übergehen, in Galle verwandeln’ (Gal., Alex. Aphr. u.a.). — Sowohl χολή wie χόλος sind der Form nach primäre Nomina; dazu lat. helus, (h)olus n. ‘Grünzeug, Gemüse’ wie γονή : γόνος : γένος. Auszugehen ist somit von einem verlorengegangen nen primären Verb, das sich wohl ursprünglich auf die keimende und sprossende Vegetation mit ihrer hellgrünen Farbe bezog (wie ahd. gruoni ‘grün’ zu gruoen ‘keimen, grünen’, lat. vīridis zu vīreō), aber auch von anderen, durch eine ähnliche Farbe gekennzeichneten Gegenständen, z.B. der Galle, gebraucht wurde: aw. zāra- m. (= χόλος?; nicht ganz sicher), germ., z.B. awno. gall n. ‘Galle, Gift’, asächs. und ahd. galla f. (urg. *galla-, *gallō(n)-; aus idg. *ĝhol-n-?), aksl. zlьčь, wohl auch lat. fel, fellis n. ‘ds.’ (-ll- < -ln-?; wegen f- dann dialektisch; anders W.-Hofmann s.v.). Aus diesen konkreten Gebrauchsweisen entstand ein allgemeines Farbenadj. ‘hellgrün, grüngelb, gelblich usw.’, das in mehreren Varianten vorliegt, z.B. aind. hári- = aw. zairi- (idg. *ĝheli- od. *ĝholi-), lat. helvus ‘honiggelb’ = lit. žel̃vas ‘grünlich, gelblich’ (< *ĝhe-lu̯os), germ., z.B. ahd. gelo ‘gelb’ (urg. *gelu̯a- < idg. *ĝhelu̯os), awno. gulr ‘ds.’ (urg. *gula- < idg. *ĝhl̥los) u.a.m. Dazu das Wort für ‘Gold’, ebenfalls in wechselnder Form: aind. híraṇya- = aw. zaranya- n., germ., z.B. got. gulþ, ahd. gold n. (urg. *gulþa- < idg. *ĝhl̥-to-), slav., z.B. aksl. zlato, russ. zóloto (idg. *ĝhol-to-). — Weitere Formen, für das Griech. ohne direktes Interesse, mit reicher Lit. bei WP. 1, 624ff. und Pok. 429ff. (mit z.T. ungesichtetem. Material), W.-Hofmann s. fel; dazu noch Specht Ursprung 120 (Theorien über die Stammbildung) und Crepajac KZ 8L 181 ff. (mit ganz hypothetischen oder unannehmbaren Kombinationen). S. auch χλόη und χολέρα. II-1109-1110
χόνδρος m. ‘Korn, Salz-, Saatkorn, Graupe, Knorpel, bes. Brustknorpel’ (ion., Kom. seit Ar., Arist., hell. u. sp.). Einige Kompp., z.B. χονδρ-άκανθος ‘mit knorpelartigem Rückgrat’ (Arist.), ἔγ-χονδρος ‘körnig’ (Dsk.) mit ἐγχονδρ-ίζω ‘körnig machen, Körner einstreuen’ (sp. Mediz.), ὑπο-χόνδρ-ιος ‘unter dem Brustknorpel liegend’, -ιον n. ‘der obere Teil der Bauchhöhle’ (Hp., Arist. usw.). Davon 1. χονδρ-ός ‘körnig, grob’ (Hp., Arist. u.a.; nach den oxyton. Adj. auf -ρός). 2. Demin. -ίον n. (Hp.). 3. -ίτης (ἄρτος) ‘von Graupen gemachtes Brot’ (LXX u.a.; Redard 91). 4. -ίλη f. ‘Gummipflanze, Chondrilla iuncea’ (Dsk., Gal.; wie κονίλη u.a.). 5. -ίς, -ίδος f. N. einer Pflanze (Plin.). 6. -ώδης ‘körnig, knorpelig’ (Hp., Arist.), -ινος ‘von Graupen gemacht’ (Archestr.). 7. -ωσις f. N. einer Krankheit der Brüste (Sor.; *χονδρόομαι; zu den zahlreichen medizinischen Termini auf -(ω)σις Chantraine Form. 284 ff., Holt Les noms d’action en -σις 112ff.). 8. -ιάω ‘(von Milch) aufgedunsen (verhärtet) sein’, von Frauenbrüsten (Dsk.). 9. χονδρεύει· σεμίδαλιν ποιεῖ H. — Nicht sicher erklärt. Seit Prellwitz gewöhnlich zu einem Verb ‘(zer)reiben usw.’ in ags. grindan ‘zerreiben, zermalmen’, nengl. grind, lit. gréndžiu, grę́sti ‘schaben, scheuern, kratzen’ gezogen mit Dissimilation aus *χρόνδρος. Dazu noch alb. grundë ‘Kleie’, evtl. auch lat. frendō ‘(zer)knirschen, zermalmen’. Zu den nicht endgültig gelösten lautlichen Problemen W.-Hofmann s.v.; dazu WP. 1, 656f. und Pok. 459 m. Lit. und weiteren Einzelheiten. — Oder für *χόρδ-ρος mit Dissim. ρ-ρ > ν-ρ zu χέραδος, χαράδρα (χεραδ- : χαραδ- : χορδ-wie τελα-μών : τάλα-ρος : τόλ-μη) ? Nach Gordon (s. Wagner KZ 75, 60) hierher als idg. noch ugarit. ḫndrt_ ‘eine Art Pferdefutter’ (?). II-1110-1111
χόννος m. ‘Kupferbecher’, kret. Wort (Hermonax ap. Ath., H.); pl. -οι als N. eines Festes (Gortyn V-IVa) ? — Wohl von χοῦς, χέω; vgl. bes. χόανος, χῶνος. II-1111
χορδή f. ‘Darm, Darmsaite, Saite, Wurst’ (seit φ 407). Als Vorderglied u.a. in χορδ-αψός m. etwa ‘Darmverschluß, Darmverschlingung’ (Mediz.; zu ἅπτω?, ausführlich Strömberg Wortstud. 100f.). Oft als Hinterglied, z.B. ἑπτά-χορδος ‘mit sieben Saiten’ (Arist. u. a.). Davon die Deminutiva χορδ-ίον n. (Miletos V-IVa), -άριον n. (Alex. in lyr.); außerdem -εύω ‘Wurst machen’ mit -ευμα n. ‘Wurstgericht’ (Ar.), κατα- ~ ‘zu Wurstfleisch hacken, aufschneiden, aufschlitzen’ (Hdt., Them.), -ὲω ‘ds.’ (Ael.). — Ohne genaue außergriech. Entsprechung. Weitverbreitet ist eine n-Bildung in lit. žárna (žarnà) f. ‘(Dünn)darm, Schlauch’, pl. žárnos ‘Gedärme’ = germ., awno. gorn ‘Darm’, pl. garnar ‘Eingeweide’ (idg. *ĝhornā), woneben ahd. garn n. ‘Garn’ (aus getrockneten Därmen), lat. hernia f. ‘Leibschaden, Bruch’ (von *herna); wegen des Anlauts dagegen sehr fraglich alb. zorrë ‘Darm’, pl. ‘Gedärme, Eingeweide’; s. Jokl Mél. Pedersen 139ff. (aus *gʷēr-nā zu βιβρώσκω?). Daneben ohne -n- lat. haru-spex ‘Eingeweideschauer, Wahrsager’, aind. híra- m. ‘Band’, hirā́ f. ‘Ader’. — Angesichts der geläufigen n-Formen ist man geneigt, in χορδή eine Entgleisung aus *χορνή zu sehen (Risch 159, Haas Μν. χάριν 1, 131 f.); das -δ- wäre dann von einem begrifflich verwandten Wort eingedrungen, etwa der Sippe von καρδία; umgekehrt aind. hŕ̥dayam ‘Herz’ mit h- aus ĝh- (für *ś- aus ḱ-) nach dem Wort für ‘Darm’ (vgl. Bezzenberger BB 2, 191)? Für alten Wechsel n : d Specht Ursprung 186 m. A.1, 231. — WP. 1, 604, Pok. 443, W.-Hofmann und Fraenkel s.vv. m. weiteren Formen u. Lit. II-1111-1112
χόριον n. ‘die den Fötus umgebende Haut, Nachgeburt’ (Hp., Arist., Thphr., Dsk. usw.), ‘Haut innerhalb des Eis’ (Arist.), Bed. unklar (Theok. 10, 11); pl. -ια ‘mit Honig und Milch gefülltes Gericht, Art Pudding’ (Kom., Theok.). — Unerklärt. Weder χορδή noch χόρτος gibt eine befriedigende Anknüpfung. II-1112
χορός m. ‘Reigentanz, Chorreigen, Tanzplatz, Tänzerschar, Chor’ (seit Il.), übertr. ‘Reihe, Schar’ (att.). Zahlreiche Kompp., z.B. χοροι-τύπος ‘im Reigentanz (den Tanzplatz?) stampfend, tanzend, Tänzer’ (Pi. Fr. 156, Opp., Nonn.; wohl auch h. Merc. 31 scherzhaft von der Schildkröte; s. Porzig Satzinhalte 210; nach anderen [s. Zumbach Neuerungen 40] χοροί-τυπος) mit -τυπίη f. ‘(das Stampfen im) Reigentanz’ (Ω 261, AP), -τυπέω ‘den Boden im Reigentanz stampfen, tanzen’ (Opp.); auch -τυπος (proparox.) ‘von einer Tänzerschar gestampft’ (ἄλσος, Nonn.; auch h. Merc. 31?, s. oben); zum Vorderglied (eig. Dat.-Lok.?) Schwyzer 452. Als Hinterglied, z.B. καλλί-χορος ‘mit schönen Reigenplätzen oder Chortanzen’ (ep. lyr. seit λ 581). Ableitungen. 1. Adj. χορ-ικός ‘zum Chor usw. gehörig’ (Ar. in lyr., Pl., Arist. u.a.), -εῖος ‘ds.’ (A. R., sp.), metr. = τροχαῖος, τρίβραχυς (Cic., D. H. u. a.), -εῖον n. ‘Tanzplatz’ (LXX), -εῖα pl. ‘Dankopfer für einen Chorsieg’ (Delos III-IIa), ‘Chorgebühr’ (Pergam. IIp), -ιος = τροχαῖος, τρίβραχυς (AP), ~ ἐξελιγμός Bez. eines taktischen Manövers (Ael., Arr.). 2. -ῖτις f. ‘Tänzerin, Chormitglied’ (Kall., Nonn.; Redard 48), -ιτεία = -εία (s.u.; Andania Ia; wie von *-ιτεύω). 3. Verb: χορεύω, oft m. Präfix, z.B. ἀνα-, ἐπι-, συν-, ‘einen Chortanz aufführen, mit Tanz feiern, zum Tanzen bringen’ (Pi., ion., att.) mit -ευσις, -ευμα, -ευτής, -ευτικός; περιχορίζειν· ἐνόπλως, συντόνως ὀρχεῖσθαι H. — Da die ursprüngliche Bed. von χορός nicht mit Sicherheit festzustellen ist (doch eher mit v. Wilamowitz Glaube 1, 410, Porzig Satzinhalte 276f. und 307 u.a. ‘Reigentanz’ als mit Curtius, Doederlein Hom. Gloss. 1, 258f., Solmsen Wortforsch. 184 u.a. ‘Tanzplatz’), müssen alle Erklärungen als hypothetisch gelten. Seit langem (s. Curtius 199 m. Lit.) wird χορός mit χόρτος (s.d. mit Weiterem) zu einem Verb ‘fassen, greifen’ in aind. hárati ‘bringen, tragen’ usw. gezogen, wobei von der Bed. *’Einfassung, Einzäunung’ ( > *’eingezäunter Platz’) auszugehen wäre (anders Porzig a.O.: eig. *’der Anfasser’, d.h. *’die Reihe der sich an der Hand fassenden Tänzer’). — Lautlich mit χορός identisch ist anderseits lit. žãras ‘Reihe, Ordnung, Streifen, Schar’ (Froehde BB 10, 301; zur Bed. Fraenkel s. žarà 2.), wenn aus idg. *ĝhoros; auch begrifflich ist die Zusammenstellung möglich. — Durch Kreuzung von χορός und κορωνός (-νίς, -νη) entstand χορωνός ’στέφανος’, s. Apion bei Ath. 15, 680d und Güntert Reimwortbild. 129. II-1112-1113
χόρτος m. ‘Gehege, Hof’ (Α 774, Ω 640; vgl. χόρτον οὐρανοῦ· τὸ περιόρισμα H.), ‘Weideplatz’ (Pi., E. in lyr.), meist ‘Weide, Futter, Gras, Heu’ (ion. att. seit Hes.). Sehr oft als Vorderglied (hell. u. sp.), z.B. χορτο-φόρος ‘Gras tragend, Futter transportierend’; auch als Vorderglied, z.B. σύγ-χορτος (χθών, πεδία u.a.) ‘deren χόρτοι nebeneinander liegen, angrenzend’ (A., E.). Davon 1. Demin. χορτ-ίον n. ‘kleines Gehege’ (Erinn.), -άρια n. pl. ‘kleines (grobes) Gras’ (Dsk.). 2. Adj. -αῖος = ‘μαλλωτός, zottig’, eig. ‘zum Hof gehörig, ländlich, bäuerlich’ (Ar.Fr. 707a, D.H., Ael.), -αία γῆ ‘Weideland’ (Pap.IVp); -ικός ‘Heu betreffend’ (hell. u. sp. Pap., Ptol.), -ώδης ‘grasähnlich, -reich’ (LXX, Dsk. u.a.). 3. Verb -άζω (ἀπο-, ἐπι- Sosith. 2, 13) ‘füttern, sättigen, mästen’ (seit Hes.) mit -ασία f. ‘das Füttern, Mästen’ (LXX, sp. Pap.), -ασμός m. ‘ds.’ (Anaxandr. u.a.), -άσματα n. pl. (-ασμα sg.) ‘Futter, Nahrung’ (Plb., LXX, D. H., Act. Ap. u.a.), -αστικώτερα ‘mehr fütternd’ H. s. καπανικώτερα. — Zu χόρτος stimmt lautlich, von Haus aus auch begrifflich, ein italisches Wort, lat. hortus ‘Garten’, alat. auch = villa, ‘Landgut’, osk. húrz, Akk. húrtúm ‘lucus, Hain’ mit urspr. Beziehung auf die Einzäunung. Hinzu kommen mehrere kelt. Wörter, z.B. kymr. garth ‘Pferch, Hürde, Gehege’, air. gort ‘seges’ (vgl. χόρτος ‘Gras, Heu’), lub-gort ‘Garten’. Neben diesen auf idg. *ghorto- zurückgehenden Wörtern steht eine große germ. Gruppe, für die außer idg. *ghor-tó-, -tí- auch, u. zw. als die wahrscheinlichere Alternative, idg. *ghordh- in Betracht kommt, z.B. got. gards m. ‘οἶκος, οἰκία, αὐλή, Haus, Hof’, aurti-gards ’κῆπος, Garten’, awno. garðr ‘Zaun, Umzäunung, Hof’. Daran schließen sich aus anderen Sprachen mehrere Wörter, die eindeutig auf *ghordh- zurückweisen: slav., z.B. aksl. gradъ ’πόλις, κῆπος’, russ. górod ‘Stadt’, lit. gar̃das ‘Pferch, Hürde’, alb. garth, -dhi ‘Hecke, Zaun’; mit Tiefstufe noch aind. gr̥há- m. ‘Haus’. Lautlich mehrdeutig ist toch. B kerciye ‘Palast’, ebenso die aus Kleinasien und dem östlichen Mittelmeergebiet stammenden heth. gurtaš ‘Burg’, phryg. ON Mane-gordum, Γόρδος, -ιον, kret. ON Γόρτυς, für die auch mit Entlehnung aus einer vorgr. -idg. ("pelasgische") Sprachschicht zu rechnen ist; s. Heubeck Praegraeca 58ff. m. reicher Lit. — Idg. *ghorto- wird allgemein als to-Ableitung (vgl. φόρ-τος, κοῖ-τος u.a.) eines Verbs für ‘greifen, fassen’ in aind. hárati ‘bringen, tragen’ (aber osk. heriiad ‘velit’, nicht ‘capiat’, [.]erríns in [f]errins ‘ferrent, acciperent’ zu ergänzen) betrachtet; wegen der unrichtigen Einbeziehung des Wortes für ‘Hand’ (s. χείρ) wurde ein palatales ĝh- angesetzt. Da sich aber das durchgehende h- in hárati u. Verw., wenn überhaupt mit χόρτος usw. zu verbinden, als analogische Ausgleichung erklären läßt, kommt man für sämtliche oben genannte Wörter mit velarem gh- aus. Ein anlautender Palatal ist indessen in einigen begrifflich nahestehenden baltischslavischen Wörtern zu belegen: lit. žárdas ‘Gestell zum Trocknen’, žar̃dis ‘Roßgarten, großer Weideplatz’, preuß. sardis ‘Zaun’, russ. zoród ‘Schober, eingehegter Platz’ usw.; dazu noch phryg. Mane-zordum (neben -gordum oben). — Weitere Formen m. reicher Lit. zum ganzen Problem bei WP. 1, 603 f. und 608 f., Pok. 442 f. u. 444 und in den betreffenden Spezialwörterbüchern. II-1113-1114
χραεῖν, auch m. ἐπι-, Aor., nur 3. sg. (ἐπ-)έχραε, 3. pl. (ἐπ-) έχραον, 2. pl. ἐχράετε ‘anfallen, angreifen, zufügen, in Angriff nehmen, auf etw. bestehen’, auch m. Inf. (Hom., Nik., A. R. AP); ἐπέχραε, -ον auch ‘antasten, berühren’ (A. R., Q. S.). — Als isolierter thematischer Aorist stimmt ἔχρα(ϝ)ε, χρα(ϝ)εῖν zu ἔφα(ϝ)ε, φα(ϝ)εῖν (s. φάος), ἔϝαδε, (ϝ)αδεῖν (s. ἁνδάνω) u.a.m.; s. Chantraine Gramm. hom. 1,393. Seit Doederlein Hom. Gloss. 1, 257 mit lat. in-gruō (aus -uō od. -auō) ‘mit Heftigkeit hereinbrechen, anstürmen’ verbunden, wozu seit Pott lit. griųvù, griuvaũ, griū́ti ‘verfallen, einstürzen, ein dringen’, mit anderem Ablaut griáuju, grióviau, griáuti ‘nieder-, einreißen, zugrunde richten’; man nimmt einen Ablaut ghrēu- : ghrəu-, ghrū- an. — WP. 1, 647f., Pok. 460, W.-Hofmann und Fraenkel s.vv. mit weiteren Formen und reicher Lit.; dazu noch Bechtel Lex. s. ἔχραε, ebenfalls m. Lit. Andere Kombination bei Charpentier IF 28, 153 (s. Bq Add. et Corr.); abzulehnen. Vgl. ζαχρηής, auch χραύω. II-1114
χραίνω, Aor. χρᾶναι, Fut. χρανῶ, ‘bestreichen, besudeln, beflecken’ (B., Trag., Nik., AP, Pl. Lg. 769 a, auch sp. Prosa). vereinzelt m. ἀπο- im Sinn von ‘die Farben abstufen, schattieren’ (Pl. Lg. 769 a, Arist.) u.a., Verbaladj. ἄ-χραν-τος ‘unbesudelt, unbefleckt’ (Trag., sp. Prosa u.a.); auch ἀχρανές· ἄχραντον, ἀμόλυντον, καθαρόν, ἀμίαντον H., ἀχρᾱές ‘ds.’ (Nik., AP). — Vgl. χρίω und μιαίνω; Kreuzung von beiden (χραίνειν γάρ ἐστι τὸ μιαίνειν H.)? S. noch χραύω, χρόα ,χρώς, χρίω m. Weiterem. II-1115
χραισμέω (Ind. -μεῖ Nik. Th. 914, auch Inf. -μεῖν A. R.? [vgl. unten]), Fut. χραισμ-ήσω, Aor. -ῆσαι, öfter Aor. 2. ἔχραισμε, χραῖσμε, Ipv. χραίσμετε (A. R.), wozu Konj. χραίσμῃ, wohl auch Inf. -μεῖν ‘nützen, helfen, fördern’ (alles Il.). Davon späte epische Nomina: χραίσμ-η f. ‘Nutzen, Hilfe, Förderung’ (Nik., Rückbildung), -ήεις ‘nützlich, förderlich’ (Nik.), -ησις f. = χραίσμη (Nik., metr. Inschr. Hypaepa), -ήϊον n. ‘Hilfsmittel’ (Marc. Sid.), -ήτωρ m. ‘Helfer, Förderer’ (Nonn.). Episches Verb unklarer Bildung, nach Sch. A. R. 2, 218 auch von den arkadischen Kleitoriern gebraucht (vgl. Ruijgh L’élém. ach. 164), zunächst ein Nomen *χραισμός voraussetzend. Dann erklärt sich der Aorist ἔχραισμε am einfachsten als Analogiebildung zu χραισμεῖν (eig. Präs. Inf.) nach ἔκτυπε : κτυπεῖν, ἔστυγε : στυγεῖν u.a. (Brugmann -Thumb 330 A. 1). Anders Schwyzer 723 u. 748 (als Alternative auch Brugmann-Thumb a.O.) : ἔχραισμε eig. Ipf. von einem Denom. *χραίσμ-ι̯ω, aber wegen χραισμεῖν als Aorist umgedeutet. Die außerpräs. χραισμ-ήσω, -ῆσαι können zu ἔχραισμε gebildet sein (Chantraine Gramm. hom. 1, 347) und den späten Ind. Präs. χραισμεῖ hervorgerufen haben; der Inf. χραισμεῖν war von Anfang an zweideutig. — Etymologisch dunkel. Anknüpfung an χρή, χρῆσθαι liegt semantisch nahe, aber eine Zerlegung in *χραι-σμό-ς mit einer sonst unbekannten Tiefstufe neben χρῆ-σις (Brugmann -Thumb a.O. nach Mekler; auch Bechtel Lex. s.v. und Schwyzer 347) befriedigt nicht. II-1115
χραύω nur Ipf. ἐν-έχραυε (Hdt. 6, 75), Aor. Konj. χραύσῃ (Ε 138), ἐνι-χραύσῃ (Nik. Th. 277), Ptz. χραύσαντα (Q. S. 11, 76) ‘streifen, leicht verwunden, ritzen’; ἔχραυσεν· ἐπέτυχεν und χραῦσαι· καταξῦσαι, χρᾶναι, σκιάσαι, γράψαι, ἐπιτυχεῖν H.; Med. Ptz. χραυόμενον, auch χραυζόμενον (-αυσσ-?) ‘streifend, angrenzend’ (kypr. Inschr. Va). Davon χραῦσις· ἄγκυρα μονόβολος H., wohl auch ἐχραύτιζεν· ἴξευεν H. (wie ῥαντίζω, σπατίζω usw., Schwyzer 706). — Absterbendes Verb, das nur in der epischen Tradition einigermaßen lebendig blieb (vgl. Ruijgh L’élém. ach. 131), von χρα(ϝ)εῖν, ἔχρα(ϝ)ε, trotz Bechtel Lex. s.v. und WP. 1, 647 f. schwerlich zu trennen (vgl. Schwyzer 748 und Chantraine Gramm. hom. 1, 374 u. 393). Zum Vokalismus vgl. ψαύω, χναύω, θραύω. Weiteres s. χρόα, χρώς, auch χρίω. II-1115-1116
χρεία, χρέος usw. s. χρή. II-1116
χρεμετίζω, ‘wiehern’ (Μ 51, Hdt., Pl., LXX, Q. S. u.a.) vereinzelt m. ὑπο-, ἐν-, mit χρεμετ-ισμός m. ‘das Wiehern’ (Ar. in lyr., LXX, D. H.), -ισμα n. ‘ds.’ (AP, Iamb. Bab.), -ιστικός ‘zum Wiehern geneigt, gern wiehernd’ (Ph., S. E., Plu. u.a.). Daneben χρεμ-έθω, auch m. ἐπι-, ‘ds.’ (A. R., Q. S., Opp., AP), -ίζω, nur Aor. 3. pl. χρέμισαν (Hes. Sc. 348), χρεμετᾷ· ἠχεῖ H. neben Χρεμέτης m. N. eines Flusses in Libyen (Arist., Nonn.; Fraenkel Nom. ag. 2, 59). — Dazu noch mehrere Nomina: 1. χρόμος· ψόφος ποιός. οἱ δὲ χρεμετισμός und χρόμη· φρυαγμός, ὁρμή, θράσος H. 2. χρόμαδος (γενύων) ‘das Knirschen’ (Ψ 688; wie ὅμαδος, κέλαδος u.a.). 3. Fischnamen (nach den Naturlauten; Strömberg 65 ff.): χρόμις, auch χρόμιος m. f. (Anan., Epich., Arist. u.a.), χρέμης, -ητος m. (Opp., Ael.), auch χρέμυς (-ύς?)· ὁ ὀνίσκος ἰχθῦς H., Arist. (v. l. κρ-), nach ἐμύς, χέλυς; zur Sache Thompson Fishes s. χρόμις. 4. Zahlreiche PN bzw. Spitznamen, z.B. Χρέμης, Χρέμων, Χρεμύλος, Χρομίος, Χρόμις, Χρομύλος. — Für sich steht, in der Bed. etwas abweichend, χρέμπτομαι, Aor. χρέμψασθαι, auch m. Präfix, z.B. ἀνα-, ἀπο-, κατα-, ἐπι-, ‘sich räuspern, aushusten, ausspucken’ (ion. att.) mit ἀνά-, ἀπό-χρεμψις f. ‘das Aushusten’ (Hp.), χρέμμα (ἀνά-, ἔν-) n. ‘Schleimauswurf’ (Hp. u.a.). Als Rückbildung noch χρέμψ Fischname (Strömberg 67)? — Als Grundlage der obigen Wörter ist ein primäres Verb *χρέμω (vgl. βρέμω, lat. fremō; davon χρόμος u.a.) anzusetzen, das indessen verschiedenen volkstümlichexpressiven Erweiterungen auszuweichen hatte: χρεμ-ίζω (: γεμ-ίζω, στεναχ-ίζω, ἐρεθ-ίζω), -έθω (: φλεγ-έθω, τελ-έθω), -ετάω, -ετίζω (: Χρεμέτης, ναι-ετ-άω, αἱρε-τ-ίζω, ἐρα-τ-ίζω, τερετίζω). — Eine Sonderstellung hat χρέμπτομαι (-πτ- lautmalend wie in πτύω?); vielleicht gehört es überhaupt nicht hierher (vgl. W. -Hofmann s. scratta mit einer anderen Hypothese). — Ohne genaue außergriechische Entsprechung. Zum Vergleich bieten sich indessen in erster Linie mehrere lautbezeichnende Verba aus dem Baltischen und Slavischen mit wechselndem Ablaut wie lit. grumù, -ė́ti ‘dumpf dröhnen, rollen, brummen’, gramù, -ė́ti ‘mit Gepolter in die Tiefe fallen’, lett. gremju, gremt, gew. refl. grem̃tiês ‘murmeln, in Affekt reden, drohen’, aksl. grьmljǫ, grьměti ’βροντᾶν, donnern’, russ. gremljú, gremétь ‘donnern, klirren, rasseln’ mit aksl. gromъ, russ. grom ‘Donner’ (= χρόμος). Dazu zahlreiche Ausdrücke des Zürnens und des Grollens im Germ., die ursprünglich dann die damit verbundenen Lautgebärden, das Brummen, das Zähneknirschen od. ähnl., bezeichnet haben müssen, z.B. awno. grimmr ‘grimmig, erregt’, ahd. grim ‘wild, grausam’ (urg. *grimma- mit expressiver Gemination, idg. *ghrem(m)o-), awno. gramr, ahd. gram ‘ergrimmt’ (urg. *grama- < idg. *ghromo-) mit got. gramjan, ahd. gremman ‘erzürnen, erbittern’. Dieselbe übertragene Bed. zeigen zwei iran. Partizipien : aw. graməntąm Gen. pl. ‘deren, die (uns) grimm sind’ (= *χρεμόντων; Ind. *gramaiti), granta- ‘ergrimmt’, ebenso wie npers. γaram ‘Grimm’. — Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 1, 655f., Pok. 458f., dazu Fraenkel und Vasmer s.vv.; ält. Lit. auch bei Bq. II-1116-1117
χρή dazu nachhom. die flektierten Formen Ipf. χρῆν (aus χρὴ ἦν), später ἐχρῆν, Opt. χρείη, Konj. χρῇ, Fut. χρῆσται, Inf. χρῆναι, Ptz. pl. n. χρηεόντα. indekl. ‘es ist nötig, ziemt, man muß, braucht’, oft m. Neg. und in Fragesätzen (seit Il.), Daneben, wohl als altes Denominativum, χρῶμαι (< *χρή-ομαι), ion., auch dor. (Sophr. 126) χρέομαι, Ptz. χρεώμενος, 3. sg. χρῆται, Inf. χρῆσθαι (ion. hell. auch χρᾶται, -ᾶσθαι nach ὁρᾶται, -ᾶσθαι u.a., s. Leroy Sprachgesch. u. Wortbed. 282ff.), Aor. χρήσασ-θαι, Fut. χρήσομαι, Perf. κέχρημαι ‘brauchen, gebrauchen, benutzen, sich bedienen, behandeln, mit jmdm. verkehren’ (seit Ψ 834), auch m. ἀνα-, κατα-, παρα-, προσ- usw. in verschiedenen Sinnfärbungen (ion. att.); auch ‘ein Orakel, einen Gott befragen’ (aus ‘sich jmds. bedienen, mit jmdm. verkehren’?, seit Od.); im Aor. auch ‘entleihen’ (aus ‘für sich in Gebrauch nehmen’ [?] od. zu Akt. χρῆσαι, E. usw.); im Perf., bes. Ptz. κεχρημένος ‘bedürfen, sich sehnen, verlangen’ (ep. poet. seit Τ 262; vgl. brauchen = bedürfen, zuerst m. Negation, s. auch unten). — Zu den medialen Formen wurden in speziellen Bedd. aktive Formen sekundär hinzugebildet. Zu χρή-σασθαι, χρήσομαι, χρῶμαι ‘ein Orakel befragen’ entstanden im Sinn von ‘ein Orakel geben’ χρῆσαι, χρήσω, χρῶ, 3. sg. χρῇ und χρᾷ, Ptz. χρείων = χρήων, auch m. ἐξ- u.a. (seit θ 79), mit Pass. Aor. ἐχρήσθη ‘ein Orakel wurde erteilt’, Plpf. ἐκέχρη(σ)το usw. (Pi., ion. att.). Ebenso zu χρήσασθαι ‘entleihen’ das Aktivum χρῆσαι ‘ausleihen’ (eig. ‘in Gebrauch nehmen’, bzw. ‘geben’?). Fut. χρήσω, auch m. προ-, ἐπι- u.a. (ion. att.) mit κέχρηκα (hell.) und dem neuen Präsens κίχρημι, κίχραμαι (s. bes.), auch χρήννυμι, -ύω (Thphr., hell. Pap.). — Für sich steht m. Präfix, bes. ἀπο- (ion. att.), auch (Hdt.) ἐκ-, κατα-, ἀντι-χρᾷ (att. ἀπόχρη nach χρή), -έχρησα, -χρήσω ‘genügen, hinreichen’, meist 3. sg. ‘es genügt’, mit unerklärter Bed.entwicklung. — Sekundäre Verbformen: 1. χρη-έομαι in megar. χρηείσθω (Kalchedon), böot. χρειεῖσθη, el. χρε̄ε͂σται ‘brauchen’. 2. χρη-ΐζω, χρεΐζω, χρῄζω ‘nötig haben, bedürfen, verlangen, wünschen’ (seit Λ 835; vgl. κεχρημένος oben). 3. χρη-ΐσκονται ‘sie bedürfen, haben Mangel’ (Hdt. 3, 117). — Von χρῶμαι, auch von χρή abgeleitete Nomina (Entscheidung nicht immer möglich; gedrängte Übersicht): 1. χρεώ, auch χρειώ = χρηώ, -οῦς f. (sekundär n.) ‘Bedürfnis, Not, Notwendigkeit, Verlangen’ (vorw. ep. seit Il.); dazu χρεών und χρεόν n. ‘ds.’ (Pi., ion. att.) mit -ν nach δέον, προσῆκον u.a. 2. χρέος (ion. att. usw., auch θ 353, λ 479), ep. auch χρεῖος = χρῆος (seit Il.), att. auch χρέως n., pl. χρέᾰ (Hes. Op. 647 für *χρέεα, Sommer Μνήμης χάριν 2, 145ff.), χρέᾱ (Ar.), χρῆα (ark. IVa, viel wahrscheinlicher als χρήατα von *χρῆ(ϝ)αρ), χρήϊα (< *χρήεα, kret.) ‘Verpflichtung, Schuld, Gebühr, Obliegenheit, Angelegenheit, Sache’. 3. χρεία, ion. -ίη f. ‘Bedürfnis, Verlangen, Wunsch, Gebrauch, Praxis, Nutzen, Hilfe, Dienst, Amt, Umgang’, rhet. ‘Thema einer Rede, Spruch’ (Thgn., att. hell. u.sp.; χρηΐα· πενία H.; s. H.-R. Hollerbach Zur Bed. des Wortes χρεία. Kölner Diss. 1964; auch Thraede RhM 105, 167f. m. A. 27 u. Lit.) mit χρει-ώδης ‘bedürftig, nötig, nützlich’ (hell. u. sp.), -ακός m. ‘Beamter’ (Peripl. M.Rubr., Pap.IIIp); ἀ-χρεῖος, att. ἄ-χρειος, ion. ἀ-χρήϊος ‘nutzlos, unbrauchbar, untauglich’ (seit Hes.), ntr. ἀχρεῖον als Adv. zu ἰδών, ἐγέλασσεν (Β 269, σ 163), zu κλάζον (Theok. 25, 72), Bed. nicht ganz klar (nach Szemerényi Sprache 11, 15ff. m. Lit. < *ἀχερέσ-ιον, zu εὐ-χερής; wenig überzeugend); danach (selten) χρεῖος ‘nützlich, tauglich’ (hell. u. sp.), s. auch 13 unten. 4. χρῆμα n. ‘Sache, die man braucht, Gegenstand, Ding usw.’, (zur verblaßten und periphrast. Bed. Bergson Eranos 65, 79 ff.), meist pl. ‘Güter, Besitz, Geld’ (seit Od.) mit χρημα-τίτης ἀγών ‘Wettkampf mit Geldpreis’ (Marm. Par.), -τίζω, -τίζομαι ‘verhandeln, Geschäfte treiben usw.’ (att., hell. u. sp.), auch ‘einen Namen führen, ein Orakel geben, weissagen’ (hell. u. sp.) mit -τισμός, -τισις, -τιστής, -τιστήριον, -τιστικός. 5. χρήμη f. ‘Not, Bedürfnis’ (Archil. u.a.). 6. χρημοσύνη (χρησμ-) f. ‘Not, Armut’ (Thgn., Tyrt.), χρησμ- ‘Beistand’ (A. R.; vgl. zu χρησμός), aber ἀχρημο-σύνη f. ‘Not, Mangel’ (ρ 502, Thgn. 156) von ἀ-χρήμων ( : χρῆμα; vgl. Wyss -σύνη 32). 7. χρῆσις f. ‘Gebrauch, Anwendung, Nutzen, Verkehr, Umgang’ (Pi., ion. att.), auch ‘Orakelspruch’ (Pi.), ‘Leihe’ (Arist., Plb. u.a.), mit χρήσ-ιμος ‘brauchbar, nützlich, tüchtig’ (seit Thgn.; ausführlich Arbenz 34, 36, 38) mit -ιμότης, -ιμεύω. 8. χρησμός m. ‘Orakelspruch’ (Pi., ion. att.), sehr oft als Vorderglied, z.B. χρησμο-λόγος ‘weissagend, Wahrsager’ (ion. att.); in derselben Bed. wahrscheinlich χρησμο-σύνη Hdt. 9, 33 (s. Wyss 49). 9. χρηστήριον n. ‘Orakelsitz, -spruch, -opfer’ (seit h.Ap.; wie μυστήριον, δικαστήριον u.a.) mit -ήριος ‘zu einem Orakel gehörig’ (Hdt., A., E. u.a.), -ηριάζομαι ‘ein Orakel befragen’ (Hdt. u.a.); aber χρηστήρια (σκεύη) n. pl. ‘Gerätschaften, Hausrat’ (Argos VIa, Pl. Kom., hell. Inschr. u. Pap.). 10. χρήστης m. ‘Ausleiher, Gläubiger’, auch ‘Schuldner’ (att. usw.), auch χρεώστης ‘Schuldner’ (sp.) nach χρέως der Deutlichkeit wegen (Fraenkel Nom. ag. 1, 183 f. und 242); χρήστης und χρήστωρ auch = μάντις (H.); 11. χρητῆρες pl. = χρηστήρια ‘Hausgerät’ (Pap. IIa) ? 12. χρηστός ‘brauchbar, geeignet, tüchtig, gut’ (ion. att.) mit -ότης, -οσύνη, -εύομαι; oft als Hinterglied, z.B. ἄ-χρηστος ‘unbrauchbar, unnütz’ (ion. att.; = ἀχρεῖος); aber πυθό-χρηστος (Trag. usw.), θεό- ~ (Ph.) ‘von (dem pythischen) Gott geweissagt’ von χράω ‘ein Orakel geben, weissagen’. 13. χρεῖος ‘dürftig, bedürftig, ἐνδεής’ (A., E., sp. Prosa); wohl für χρήϊος zu χρή (v. Wilamowitz zu E. HIF 51); daneben χρεῖος ‘nützlich’ aus ἀ-χρεῖος (s. 3). — Ausführlich über χρή, χρῶμαι nebst Ableitungen G. Redard Recherches sur χρή, χρῆσθαι. Étude sémantique (Paris 1953) mit weiterer Lit.; dazu die Besprechungen von Chantraine Rev. de phil. Sér. 3: 29, 67 ff. (mit wichtigen Einzelbemerkungen), Humbach Gnomon 28, 288 ff. (in manchem ablehnend). — Das erstarrte χρή steht im Griechischen formal isoliert. Als nächstes Gegenstück melden sich die ebenfalls erstarrten Akkusative πλήν und δήν (Stamm πλᾱ-, δϝᾱ-) ebenso wie ἐπί-κλη-ν, dazu die zweideutigen ὀμοκλή und μεσόδμη (s. dd.). In anderen Sprachen begegnen Einsilbler wie lat. spē-s ‘Hoffnung’, aind. psā f. ‘das Essen, Hunger’ (nur Lex.; wohl aus psā́-ti ‘kauen, verschlingen’ konstruiert; vgl. ψῆν), Komposita wie aind. prati-mā́ f. ‘Abbild’ (s. μῆτις), lit. avì-dė f. ‘Schafstall’ u.a. (: τίθημι; Pedersen Cinq. décl. lat., bes. 71 ff.). Obwohl morphologisch am ehesten als Fem. zu betrachten (z.B. Bq), ziehen die meisten Forscher vor, darin ein altes Neutr. zu sehen (Ahrens, Wackernagel, Fraenkel, Hermann; s. Leroy Sprachgesch. u. Wortbed. 282). — Da die gewöhnlich angesetzte Grundbed. ‘Bedürfnis, Notwendigkeit, Pflicht, Brauch’ ohne Zweifel durch Abstraktionsprozeß oder Verallgemeinerung entstanden ist, sind alle Etymologien ganz hypothetisch: zu χείρων (Prellwitz als Alternative, Bq, WP. 1, 604; vgl. Curtius 739); zu χαρῆ-ναι, χαίρω (Brugmann Grundr.1 II 962, Pedersen a.O.); zu aind. hárati ‘bringen, tragen’ (vgl. χόρτος; Curtius 199f., Brugmann IF 37, 239f.). II-1117-1119
χρίμπτομαι, -τω (ep. poet. seit κ 516), Med. vorw. intr. mit Aor. (ἐγ-)χριμφθῆναι, Fut. ἐγχρίμψομαι ‘sich herandrängen, nahekommen, hart an etw. streifen’, Akt. vorw. trans. mit (ἐγ-) χρίμψαι ‘herandrängen, dicht an etw. bringen, anprallen lassen’; Aor. Med. χρίμψασθαι sowohl trans. wie intr. auch m. Präflx, bes. ἐν- (ep. ion. poet. seit Il., sp. Prosa), Keine Ableitungen. — Die Ähnlichkeit mit χρίω (vgl. auch χραύω) ist längst beobachtet worden; zum Ausgang -μπτομαι läßt sich kein Gegenstück nachweisen mit Ausnahme von (der Nachbildung?) σκίμπτομαι. Das anklingende χρέμπτομαι liegt begrifflich fern. II-1119-1120
χρίω (-ῑ-, sp. auch -ῐ-), -ομαι, Aor. χρῖσαι, -σασθαι (seit Il.), -σθῆναι (A. u.a.), Fut. χρίσω (E. u.a.), -σομαι (Od. u.a.), -σθήσομαι (LXX), Perf. κέχριμαι (Hdt.), -ισμαι (LXX), κέχρικα (LXX), ‘streifen, (be)streichen, (be)schmieren, einreihen, salben, tünchen’. oft m. Präfix, z.B. ἐπι-, ἐν-, κατα-, ὑπο-, — Die regelmäßig ausgebaute Flexion von χρίω ist offenbar eine späte Schöpfung, aber nach aller Wahrscheinlichkeit auf idg. Grundlage, obwohl eine genaue oder überzeugende außergriech. Anknüpfung fehlt. Nach allgemeiner Annahme seit Fick 1, 418 zu lit. gr(i)ejù, griẽti ‘Sahne von der Milch schöpfen’, auch ‘jagen, treiben, scheuchen’; zur selben Wurzel sollen ferner aus dem Germ. ags. grīma m. ‘Maske, Helm, Gespenst’, mnd. grēme f. ‘Schmutz’ u.a.m., mit anderen Erweiterungen noch χραύω, χραίνω, sogar χόνδρος und χέραδος gehören, s. dd. und WP. 1, 646f., Pok. 457 m. weiteren Hypothesen u. reicher Lit. Verlockend ist der Vergleich mit dem phryg. Ptz. gegreimenan, -os etwa ‘bemalt, verziert, geschrieben, γεγραμμένος’ (Haas Sprache 6, 19 ff.). — Aus χρίσμα lat. chrĭ́sma (Eccl.) mit frz. crème usw.; aus Χριστός lat. Chrīstus mit Chrīstiānus, woraus durch Rückentlehnung Χριστιανός. Davon 1. χρῖσις (ἔγ-, κατά- u.a.) f. ‘das Bestreichen, Beschmieren, Salben, Tünchen’ (Hp., Arist., hell. u. sp.) mit χρίσιμος (Sch., Arbenz 96). 2. χρῖμα (A., X., Kall. u.a.), gewöhnlicher χρῖσμα, später χρίσμα (wie κλίμα, θέμα u.a.; ἐπί-, περί- u.a.) n. ‘Salbung, Salbe, Tünche’. 3. δια-, συγ-χρισμός m. ‘das Salben, Salbe’ (Mediz.). 4. χρῖσται m. pl. H. s. κονιαταί. 5. χριστήριον n. ‘Öl, Ölflasche’ (Suid.). 6. χριστός (ἐπί-, κατά- u.a.) ‘zum Bestreichen, zum Salben geeignet’ (A. Pr. 480, E. u.a.), ‘gesalbt’, m. ‘Gesalbter’ (LXX), ‘Messias, Christus’ (NT). II-1120
χρόα, auch χροιά, ion. χροιή f. ‘Oberfläche des Körpers, Haut, Hautfarbe, Farbe’ (seit Ξ 164), auch ‘Fläche, ἐπιφάνεια’ bei den Pythagoreern (Arist. u.a.; Mugler Ant. class. 27, 76ff.). — Wenn, wie wahrscheinlich, alter σ-Stamm, stimmt χρώς zu ἔρως, γέλως, αἰδώς; vgl. noch κέχρωσμαι, das indessen auch ein analoges -σ- enthalten kann. Dazu mit Ablaut Gen. χρο[σ]-ός usw.; ebenso χρο[σ]-ιά in χροιά. Die Ansetzung einer Grundform *χρωϝ-ιά, wo neben χρώς aus *χρω[υ]ς und χροός mit Vokalassimilation aus *χραϝ-ός (z.B. Schwyzer 578 nach J. Schmidt KZ 32, 370f. A. 1), ist von dem Wunsch diktiert, eine Verbindung mit χραύω herzustellen. Im übrigen unklar. Die allgemeine Ähnlichkeit mit χραύω, χραίνω, χρίω (schon Curtius 204) reicht für eine genaue Analyse und eine beweisbare Etymologie nicht aus. Über idg. ghrēu-, ghrēi- als Erweiterungen von gher- ‘hart worüber streichen, reiben’ WP. 1, 646 u. 648ff., Pok. 457 u. 460f. Daneben χρώς f., χρο-ός, -ΐ, χρό-α, jünger χρω-τός (seit Κ 575), -τί (seit Pi.), -τα (seit Od., Hes. Op. 556), pl. -τες (Arist. u.a.) ‘Oberfläche des Körpers, Haut, Hautfarbe’, auch ‘Fleisch, Leib’, selten ‘Farbe’ (vorw. ep. ion. poet. seit Il.); stehender Ausdruck ἐν χρῷ (att.) älter als ἐν χροΐ (ion.) ‘bis auf die Haut’ (z.B. κείρειν), übertr. ‘ganz nahe, hart an etwas’ (m. Gen.), vgl. Schwyzer 578 (m. weiteren Einzelheiten, auch Egli Heteroklisie 59f. und Wackernagel Unt. 146f.). Sehr oft als Hinterglied, z.B. μελανό-χρο-ος ‘mit dunkler Haut’ (τ 246, thematisch erweitert), pl. μελανό-χρο-ες (Ν 589), μελάγ-χρο-ες (Hdt.) mit bewahrter athemat. Flexion; jünger μελάγ-χρωτες, -χρωτα (E. in lyr.), Nom. -χρως (Pl. Phdr. 253e) usw.; ausführlich über -χροος, -χρους, -χρως als Hinterglied Sommer Nominalkomp. 21 ff.; auch μελαγ-χροιής ‘ds.’ ( : χροιή, π 175) und -χρής (Kom., Pap. u.a.) nach den Adj. auf -ής. — Ableitungen: 1. Demin. χρωτ-ίδιον (Kratin.). Verba: 2. Pf. Med. κέχρωσμαι, -μένος (ion. att.), Aor. χρωσθῆναι (att.) ‘eine Farbe, einen Anstrich annehmen, Flecke erhalten’, Akt. χρῶσαι (Arist. u.a.), ἐπι- κέχρωκα (Plu.), χρώσειν (H.), χροΐζω, χρῴζω (Alex., Nik., Dsk.), ‘färben, beflecken’, später auch χρώννυμι, -ύω (Luk., Lib., Plot. u.a.); χροΐζω, χρῴζω, -ομαι auch ‘(die Oberfläche) berühren, sich mit jmdm. vereinigen’ (Pi., E. in lyr., Theok. u.a.); oft m. Präfix, z.B. ἐπι-, κατα-, παρα-; vgl. noch zu χροιά unten. Davon mehrere Verbalnomina : a) χρῶμα n. ‘Farbe, Hautfarbe, Schminke, charakteristischer Anstrich, z.B. eines Tongeschlechts, einer Rede usw.’ (ion. att.) mit χρω-μάτια pl. = -ματα (AP), -ματικός (musik., rhet.) ‘chromatisch’ (hell. u. sp.), -μάτινος ‘farbig’ (Peripl. M. Rubr.), -ματίζω, -ομαι (ἐπι-) ‘färben, tünchen’ (Hp., Pl., Arist. u.a.). b) χρῶσις (ἀνά-, ἀπό-, ἐπί- u.a.) f. ‘Färbung’ (Epikur., Pap., Plu. usw.). c) χρωστήρ m. ‘Färber’ (AP). d) Von χροΐζω ‘färben’ : χρό-ϊσις, -ϊσμός (Gloss.), ἐπιχρό-ϊσις Bed. unklar (Thphr.). 3. χρωτ-ίζω, -ίζομαι (συν-ανα-) ‘färben, einen Anstrich geben’ (Ar. in lyr., Pln. u.a.). — Von χρώς, χρο-ός auch χρο-ιά, -ιή wie σκοπ-ιά, λοφ-ιά usw.; χρόα wie ῥόα (: ῥοιά, ῥοιή), πόα u.a. Dazu χροῖα n. pl. ‘Farben’ (Emp.), ἐπιχροαί f. pl. ‘ds.’ (Thphr.: ἐπι-χροΐζω), χρο- άζω ‘färben’ (sp. Mediz.), vgl. χροΐζω oben. Außerdem χροτιή f. ‘Haut’ (AP 15, 35), Kreuzung von χροιή und χρώς, -ωτός. II-1120-1121
χρόμαδος, χρόμις, χρόμος s. χρεμετίζω. II-1122
χρόνος m. ‘(bestimmte) Zeitdauer, Zeitverlauf, Zeit, Lebenszeit, Zeitgrenze’ (seit Il.), pl. χρόνοι auch ‘Jahre’ (= lat. tempora, seit III-IVp; Schwyzer 124f. m. Lit.). Als Vorderglied, z.B. χρονο-γράφος m. ‘Berichter der Zeitverhältnisse, Chronist’ (Str. u.a.) mit -γραφία f. ‘Chronik, Jahrbuch’ (Plb. u.a.). Oft als Hinterglied, z.B. σύγ-χρονος ‘gleichzeitig’ mit -χρον-έω, -ίζω, -ισμός (hell. u.sp.); auch m. Suffix, z.B. πολυ-χρόν-ιος ‘lange Zeit umfassend, lange während, dauerhaft’ (seit h. Merc.) mit -ία, -ιότης, -ίζω (Arist., hell. u. sp.). Davon 1. χρον-ίσκος m. ‘kleine Zeitspanne’ (LXX). 2. -ιος ‘langwierig, spät’ (seit ρ 112) mit -ιότης f. ‘lange Zeitdauer’ (Thphr.), -ιόομαι ‘langwierig, chronisch werden’ (Hp.). 3. -ικός ‘die Zeit betreffend’ (D. H., D. S., Plu. usw.). 4. -ίζω (ἐν-) ‘die Zeit (darin) zubringen, verweilen, sich verspäten, (ver)zögern’ (ion. att.) mit (ἐγ-) ~ -ισμός m. (hell. u. sp.). 5. -ῶσαι ‘zeitlich machen’ (Plot.). — Die Reimwörter κλόνος und θρόνος laden auch für χρόνος zu einer entsprechenden Zerlegung in χρ-όνος ein, was schon längst (s. Curtius 200) den Gedanken an einen Anschluß an das in χόρτος u.a. vermutete Verb für ‘greifen, bringen’ geleitet hat. Die daraus für χρόνος sich ergebende Grundbed. "umfassende Zeitgrenze" (Curtius), "Ergreifer" (Porzig Satzinhalte 346) oder sogar "die alles packende und in ihre Bande schlagende (Zeit)" (Hofmann Et. Wb.) ist jedoch wenig anschaulich. Wer will, mag auch χρόνος bei einer der übrigen zahlreichen Wurzeln gher- (WP. 1, 600—606, Pok. 439—443) unterzubringen versuchen. Nach v. Windekens Le Pél. 142, KZ 72, 210 pelasgisch zu κείρω. Andere Wörter für ‘Zeit’ sind das ebenfalls unklare καιρός und das altererbte αἰών. — Zur Zeitauffassung in der älteren griech. Lit. H. Fränkel Wege und Formen frühgriechischen Denkens (2. Aufl. München 1960) 1—22, auch Defradas REGr. 80, 152 ff. und Accame Riv. fil. class. 39, 359ff. II-1122
χρυσός (-ῡ-; sekund. -ῠ-; Schwyzer 516 A. 2); myk. ku-ru-so. m. ‘Gold’ (seit Il.) In Kompp. unbeschränkt produktiv, z.B. myk. ku-ru-so-wo-ko = χρυσ-ουργός (LXX) ‘Goldarbeiter’; χρυσό-θρονος (s. θρόνα), χρυσ-ώνητος ‘mit Geld erkauft’ Bez. eines Sklaven (Kallistr. Hist.; zur Bed. Willetts Glotta 39, 71 ff.), ὑπό-χρυσος eig. "mit Gold unten", ‘goldhaltig, vergoldet’ (Pl., hell. Inschr. u.a.; Kretschmer Glotta 21, 221); zu den Präfixkompp. mit χρυσός im allg. Strömberg Prefix Studies 136. Davon 1. χρυσ-ίον n. ‘Gold, Goldschmuck, Goldmünze, Geld’ (ion. att.) mit -ίδιον n. (verächtlich; att. Redner), -ιδάριον n. (Ar.), auch -άφιον (Hdn., Eust.). 2. -εῖον, meist pl. -εῖα n. ‘Goldgrube’ (X., Plb. u.a.). 3. -ίς, -ίδος f. ‘goldenes Gefäß, Kleid, goldener Schuh usw.’ (Kom., Inschr., Luk. u.a.). 4. -αλλίς, -ίδος f. ‘goldfarbige Puppe eines Schmetterlings’ (Arist., Thphr.), auch = μηλολόνθη (Eust.), vgl. θρυ-αλλίς (s.d.); verfehlt Güntert Kalypso 221 f. 5. -αφος m. N. eines Fisches (Marc. Sid.), wie ἔλαφος u.a.; auch χρύσοφος (Kyran.), für χρύσ-οφρυς (Strömberg Fischn. 26). 6. -ίτης m., meist -ῖτις f. ‘goldartig, -haltig, Golderz’ (Hdt., Hp., Str. usw.; Redard 63 u. 109 f.). 7. Adj. a) -εος, ep. auch -ειος, att. -οῦς ‘golden, goldfarbig usw.’ (seit Il.), -οῦς (sc. στατήρ) N. einer Goldmünze; zum prosodischen Wechsel -εο- : -ειο- Schmid 14ff.; auch als Vorderglied, z.B. χρυσεο-πήληξ ‘mit goldenem Helme’ (h. Mart., Kall.), metrische Wechselform für χρυσο-πήληξ (A. in lyr., E.). b) -ινος ‘golden’ (sp.). c) -ικός ‘ds.’, n. pl. ‘Bargeld’ (Pap. u.a.). d) Komp. -οτέρα f. ‘in höherem Grade gold, goldiger’ (Sapph., sp. Epigr.). 8. Verba. a) χρυσ-όομαι, meist Pf. Ptz. κεχρυσωμένος ‘vergoldet’, -όω, auch m. Präfix, bes. κατα-, ‘vergolden’ (ion. att.) mit -ωμα, -ωσις, -ωτήρ, -ώτρια, -ών. b) -ίζω ‘golden, goldreich, goldähnlich sein’ (Arist., Dsk. u.a.). c) -αΐζεται· κοσμεῖται H. — PN, z.B. Χ ρύσης mit -ηΐς, -η u.a. — Semit. LW, nach gewöhnlicher Annahme zunächst aus dem Phönikischen; vgl. akkad. ḫurāṣu, ugarit. ḫrṣ, phön. ḥrṣ, hebr. ḥāruṣ. É. Masson Recherches 37 f. m. weiteren Einzelheiten und Lit. — Ein mit idg. Mitteln neugeschaffenes Wort für ‘Gold’ liegt im Germ., Slav., Balt. und Indoiran. vor, z.B. got. gulþ, russ. zóloto, lett. zèlts, aind. híraṇya-, aw. zaranya- n. (s. χολή). Ein älteres idg. Wort ist im Ital., Baltischen, wohl auch im Tocharischen erhalten: lat. aurum, sabin. ausom, lit. áuksas (mit sekundär. -k-), preuß. ausis, toch. A wäs, B yasa; es wurde wahrscheinlich von den jüngeren Bildungen gulþ usw. zurückgedrängt; s. Porzig Gliederung 185 f. II-1122-1123
χρῶμα, χρώς s. χρόα. II-1123
χῡλός m. ‘Saft (von Pflanzen), Gerstenschleim, Brühe’, auch ‘Geschmack, Aroma’ (ion. att.). Einige Kompp., z.B. χυλο-ποιέω ‘in Saft verwandeln’ (Mediz.), γλυκύ-χυλος ‘mit süßem Saft’ (Hp., Xenokr.). Davon 1. Dem. χυλ-άριον n. ‘Säftchen’, hypokor. (M. Ant.). 2. -ώδης ‘saftartig, saftig’ (sp.). 3. -όομαι, -όω, auch m. ἀπο-, ἐκ-, ἐν- u.a., ‘in Saft übergehen, verwandelt werden, verwandeln’ (Mediz.) mit -ωμα, (ἐγ-)χύλωσις. 4. -ίζω, auch m. ἐκ-, ἐν-, ἀπο-, ‘den Saft ausziehen, in Saft verwandeln’ (Hp., Arist., Thphr. u.a.) mit -ισμα, -ισμός (wozu Chantraine Form. 145). 5. -ιάζω ‘ds.’ (Aet.). — Daneben χῡμός m. ‘Saft (von Pflanzen und Körpern), Flüssigkeit, Geschmack, Aroma’ (ion. att.; zur Bed. Capelle RhM 104, 55 ff). Als Hinterglied u. a. in ἔγ-χυμος ‘mit Saft drin, saftig’ (Hp., Pl., Arist., Thphr.). Davon Demin. χυμ-ίον n. (Kom.); -ώδης ‘saftig’ (Sch.), -όομαι ‘in Saft verwandelt werden’ (Gal.), -όω ‘Geschmack geben’ (Suid.), ἐκ- ~ ‘Saft auspressen, ausziehen’ mit -ωμα, -ωσις (Hp.); -ίζω ‘schmackhaft machen’ (Ar.), ἐκ- ~ = ἐκχυμόω (Arist.). — Sowohl χυλός wie χυμός werden seit alters (s. Curtius 204) mit χέω ‘gießen, schütten’ verbunden, was unbedingt am nächsten liegt. Zur Begründung der auffälligen Vokallänge (gegenüber χῠ-τός usw. ) hat man sich teils mit Ansetzung von *χῦ-σλο-ς (Schulze bei WP. 1, 563) bzw. *χῠ-σμο-ς auszuhelfen versucht, teils eine volkstümlichexpressive Dehnung vermutet (Chantraine Form. 134 u. 240 mit Vendryes); eine bessere Erklärung würde willkommen sein. Vgl. indessen θυμός neben θῠμέλη und θύμον (s. dd.). II-1123-1124
χυμεία, auch χημεία f. ‘die Kunst der Metallverwandlung, Alchimie’ (Zos. Alch., Olymp. Alch. u.a.). Daneben χύμευσις (χήμ-) f. ‘ds.’ (EM, Eust., Tz.) mit -ευτικός ‘die χ. betreffend’ (Zos., Olymp. u.a.). — Herkunft strittig. Nach Pott ZDMG 30, 6ff. von dem einheimischen Namen Ägyptens Χημία (Plu.), kopt. Κημε, Χημι, eig. "Schwarzland" (Plu.), entweder von einem Verb *χημεύω ‘sich nach ägyptischer Art beschäftigen’ oder (mit -εία nach μαγεία u.a.) als "die ägyptische Kunst". Die Schreibung χυμ- sei volksetymolog. nach χυμός. Auch Hoffmann Art. Chemie in Handwörterbuch der Chimie (1884) 2, 51 6ff. geht von dem. ägypt. Wort aus, aber im urspr. Sinn von ‘schwarz’ mit Beziehung auf die "Schwärzung", μέλανσις, die als grundlegende und unumgängliche Operation der Metallverwandlung vorausging. Zustimmend u.a. Lippmann Entstehung und Ausbreitung der Alchemie (1919) 1, 293 ff. — Nach Diels Antike Technik (2. Aufl. 1920) 121 ff. mit Adelung, Stephanides u.a. dagegen als griechisch von χύμα (s. χέω) im Sinn von ‘Guß, Metallmischung’, wovon *χυμεύω mit χυμεία = ‘die Kunst der Metallmischung’. Sachliche Bedenken bei Lippmann a.O.; sprachlich bleibt dabei die Schreibung χημ-schwer verständlich. Ähnlich Gildemeister ZDMG 30, 534ff.: von χυμός ‘Saft’; dagegen mit Recht Diels und Lippmann a.O. — Abzulehnen Lagercrantz Kungl. Vetenskapssocietetens Årsbok 1937 [Uppsala] 25 ff.: χυμεία aus *μυχεία = μοιχεία ‘Fälschung’ umgestellt nach χυμός; daneben χημεία nach χήμη, dem L. mit einer seltsamen Argumentation eine Bed. ‘Gelb’ beizulegen sucht. II-1124
χύτλον, χύτρα, χύτρος s. χέω. II-1125
χωλός ‘lahm, gelähmt’, bes. am Fuß, ‘hinkend’ (seit Il.). Kompp., z.B. χωλό-πους ‘fußgelähmt’ (Man.), χωλό-χειρος ‘hand- gelähmt’ (Hippon.). Davon χωλό-της f. ‘Lahmheit’ (Plu., Iul. u.a.) und mehrere Denominativa : 1. χωλ-εύω (ἀπο-) ‘lahmen’, auch ‘lähmen’ (seit Il.) mit -εία f. (Pl. u.a.), -εύματα pl. (Hp.). 2. -όομαι (ἀπο-) ‘lahm werden, lahmen’, selten -όω ‘lähmen’ (Hp., Th., Paus. u.a.) mit -ωσις, -ωμα (Hp.). 3. -αίνω, -ομαι (ὑπο-, συν-) ‘lahm sein, werden’ (Hp., Pl., LXX, Pap. u.a.) mit -ανσις, -ασμα (sp.). — Bildung wie στρεβλός, τυφλός (s.d.) usw., ohne Etymologie. Frühere Versuche bei Bq (abgelehnt). Oder zu χαλάω ‘nachlassen, erschlaffen’? II-1125
χώννυμι, -ύω (Arist., hell. u. sp.), selten προσ-χοῖ, χοῦσι, χοῦν, χῶν (wie von *χόω; Hdt., Th.), Aor. χῶ-σαι, -σασθαι, -σθῆναι, Perf. Med. κέχωσμαι (ion. att.), Akt. κέχωκα (D., Arist.), Fut. χώσω (att.), ‘aufschütten, aufwerfen, mit Schutt oder Erde ausfüllen’. sehr oft m. Präfix, z.B. ἐπι-, προσ-, κατα-, συν-, Davon χῶ-μα (selten und sp. -σμα) n. ‘Aufschüttung, Schutt, Damm, Wall’ (ion. att.), -σις f. ‘das Aufschütten, Aufwerfen, Eindämmen’ (Th., hell. u. sp.), oft von den Präfixkompp., z.B. ἀνάχω-μα, ἔγχω-σις; χωστρίς (χελώνη) ‘Sturmdach, unter dem die Belagerer Gräben zuschütten’ (hell. u. sp.). — Das obige Formensystem ist auf dem Aorist χῶσαι aufgebaut, der statt des formal schlecht charakterisierten χέαι eintrat und entweder für *χοῶσαι als Denominativ von χόος, χοῦς steht oder aus *χοῆσαι, von *χοέω, kontrahiert wurde (vgl. νῶσαι < νοῆσαι von νοέω und σοῦμαι s. σεύομαι m. Lit.), ebenfalls als Denom. oder als Iterativ-Intensiv von χέω. An χῶσαι schlossen sich die übrigen Formen, zuletzt das Präsens χώννυμι, -ύω. Die Präsensformen -χοῖ, χοῦσι usw. haben sich nie durchgesetzt. Weiteres s. χέω. II-1125
χῶνος, χώνη = χόανος, -άνη s. χέω. II-1125
χώομαι, Aor. χώσασθαι, ‘zürnen, unwillig sein’ (ep. seit Il.). auch m. ἐπι-, περι-, — Bildung wie ῥώομαι (s.d. m. Lit.), πλώω; so mit Deverbativ von χέω? So schon Aristarch (χωόμενος = συγχεόμενος); s. Curtius 205 und Bq, dazu noch WP. 1, 563 f. (Pok. 448) m. Weiterem. Zur Form noch Chantraine Gramm. hom. 1, 365; zur Bed. bei Hom. Adkins JHSt. 89, 13ff. II-1125
χώρα χῶρος m. (freier, leerer) Raum, Gegend, Land’ (seit Il.; in der att. Prosa, mit Ausnahme von X., selten). f. ‘(freier, leerer) Raum, Zwischenraum, Platz, Stellung, Rang, Ort, Gegend, Landgut, Land’ (seit Il.), auch ‘Augenhöhle’ (epid.); Als Vorderglied z.B. χωρο-γράφ-ος m. ‘Landbeschreiber, Chorograph’ mit -έω, -ία (Plb., Str. usw.). Als Hinterglied unbeschränkt produktiv, z.B. πλησιό-χωρος ‘ein nahes Land bewohnend, benachbart, Nachbar’ (ion. att.), auch mit ιο-Erweiterung in Hypostasen, z.B. ἐγ-χώρ-ιος ‘im Lande befindlich, inländisch, einheimisch’ (Pi., ion. att.). Ableitungen: 1. χωρ-ίον n. ‘Raum, Platz, Ort, Landgut’ (Prosa seit Hdt.). 2. Demin. -ίδιον n. (Lys., Plu. u.a.), -άφιον n. (Thphr.) ‘kleines Landgut’ mit -αφιαῖος (Hdn.). 3. -ιαμός· κίστη H. (Umbildung von φωρ- nach χωρέω). 4. -ίτης m. ‘Landmann, Bauer, (einheimischer) Bewohner’ (A., S., X. usw.), -ῖτις f. ‘Frau vom Lande’ (Luk.; Redard 22), mit -ιτικός (X., Plu. u.a.). 5. Adj. -ικός ‘ländlich, bäuerlich’ (sp.); ngr. Dial. χουῤκός ‘(unerfahren), neugeboren’ (Andriotis Glotta 25, 17); -άσμιαι Beiw. von ἐλαῖαι (Pamphyl. IIp; nach ἀποδάσ-μιος?). 6. Verba. a) χωρ-έω, -ῆσαι, -ήσω (seit Il.; att. nur m. Präfix, sonst -ήσομαι), κεχώρηκα (ion. att.), -ηθῆναι, -ηθήσομαι, κεχώρηται (att. usw.), sehr oft m. Präfix in verschiedenen Bedd., z.B. ἀνα-, ἀπο-, ἐν-, προ-, προσ-, συν-, ὑπο-, ‘Raum geben, Platz machen, zurückweichen’ (Il., Trag.), ‘(vor)-schreiten, vor sich gehen, Fortgang haben’, trans. ‘(um)fassen, enthalten’ (ion. att.), auch ‘fassen’ = ‘begreifen’ (sp.), intr. ‘Platz finden’ (Ev. Jo. 8, 37, s. Tabachovitz Eranos 31, 71 f.) mit -ημα, -ημάτιον, -ησις, -ητικός. b) -άζω, dor. Aor. -άξαι ‘einer Sache Platz geben, aufstellen, aufrichten’ (hell. Inschr.). — Für sich steht χωρίς Adv. u. Präp., ‘(ab)gesondert, ge- trennt, fern von, außer’ (seit H 470), χῶρι (Akz. nach Hdn.. Choerob.) ‘ds.’ (Thera, Kos, Kreta, Kall., Test. Epikt., Pap. IIp). Bildung wie ἅλις, μόγις u.a.; Akz. nach ἀμφίς (Solmsen Wortforsch. 174ff.)? Davon χωρίζω, auch m. ἀνα-, ἀπο-, ἐκ- u.a., ‘(ab)sondern, trennen’ (ion. att.), Med. ‘abreisen’ (Plb., D. S. u.a.); auch in Hypostasen wie κατα-χωρ-ίζω ‘an seinen Ort (κατὰ χώραν) bringen, verlegen, eintragen’ (X., hell. u.sp.); davon -ισις, -ισμός, -ισμα, -ιστής, -ιστικός, -ιστός. — Bildung wie ἀγρός, τάφρος, ἕδρα und andere Ortsbezeichnungen; ohne außergriech. Entsprechung. Als ‘leerer, freier Raum’ reihen sich χώρα, χῶρος an χήρα ‘Witwe’ mit wahrscheinlichen Verwandten in χή-τεϊ (χῆτος), χατέω, s. dd. m. Weiterem. II-1125-1126
ψάγδης, auch -ᾱς, -ᾱν, σάγδᾱ(ς) m. N. einer ägyptischen Salbe (Kom. u.a.; s. Fraenkel Nom. ag. 2, 175 A. 1 [176]). — Aus dem Ägypt., s. Spiegelberg Herm. 65, 232 f. II-1126
ψαθάλλω ‘reiben, kratzen’ (Hermipp., Pl. Kom.); ἐψαθήλατο· ἐκνήσατο H. — Volkstümliche Bildung zu ψῆν, ψάλλω; zu -θ- vgl. noch ψαθυρός, auch ῥαθάμιγξ neben ῥαίνω. II-1127
ψαθυρός ‘locker, spröde, bröckelig’ (Mediz., Arist., Thphr. u.a.); auch ψαθαρά· εὔθλαστα, σαθρά, ξηρά, ἀσθενῆ, ψαθυρά und ψαδυρόν· ἀσθενές, μαδαρόν, ψαθυρόν H. Davon ψαθυρ-ότης f. ‘Lockerheit’ (Arist., Gal.), -ιον = ψωθίον (Ath.), -όομαι ‘zerbröckeln’ (Aq.), -ματα· ἀποκόμματα H. — Bildung wie das sinnverwandte καπυρός (s.d.) u.a.; zunächst zu ψάθεα (cod. -έα)· ψωμία H. (mit altem σ : υ-Wechsel?). Vgl. ψαθάλλω, ψῆν. II-1127
ψαίρω, nur Präs. ‘streichen, leicht reiben’, auch intr. von einer leichten Bewegung ‘flattern, vibrieren, zittern’ und von dem dabei entstehenden Geräusch ‘säuseln’, von Blättern (Hp., A. Pr. 394, E., Hermipp., Ar., Nik., Opp.). auch m. Präfix, bes. δια-, — Vgl. die Reimwörter σαίρω, σπαίρω, σκαίρω und ψῆν. Anders Benveniste MSL 23, 405 (zu aw. fšarəma- m. ‘Scham’, russ. sórom ‘Schande’); gewiß nicht besser. II-1127
ψαίω (nur H. ψαίειν für ψαί<ρ>ειν), Aor. ψαίσασθαι, ψαισθῆναι ‘zerreiben, zermalmen’ (Thphr. ap. Porph. Abst. 2, 6) mit ψαιστός ‘zerrieben, gemahlen’ (vgl. Ammann Μν. χάριν 1, 18) in ψαιστὴ μᾱ͂ζα (Hp.), -στόν, pl. -στά n. (πέμμα, πόπανον, ἄλφιτα) ‘Opferkuchen’ aus Mehl und Honig (Kom., hell. Inschr., Herod., AP); davon ψαιστ-ίον n. ‘ds.’ (AP), -ώδης ’ψ.-ähnlich’ (AB), ψαῖ(σ)μα· σῖτον ὀλίγον H., ψαίστωρ "Abreiber", Beiw. von σπόγγος (AP). Mit Vereinfachung des Anlauts: σαιστός· ἐλαία θλαστή H. (wie σώχω : ψώχω usw.; Schwyzer 329). Aus H. noch ψαιδρός = ἀραιός und mit νυ-Suffix: ψαινύντες· ψωμί-ζοντες, ψαίνυον· ἀχρεῖον, ψαίνυσμα· ὀλίγον, ψαινύθιον· ψευδές, μάταιον, εὐτελές, φλύαρον, οἰκτρόν; dazu (Lyk. 1420) ψαίνυνθα θεσπίζοντα = ψευδῆ νομοθετοῦντα ἢ μαντευόμενον (wie μίνυνθα; vgl. Schwyzer 629). — Bildung wie ῥαίω, -κναίω ( : κνῆν), πταίω u.a.; vgl. zu ψῆν. Nach Haas Ling. Posn. 3, 79ff. vorgr.-idg. (zu lit. piáuti ‘schneiden, mähen’) mit ψ- aus idg. p- (: παίω); auch viele andere Wörter auf ψ- will H. auf dieselbe Weise erklären. II-1127
ψακάς, ion. u. hell. auch ψεκάς (vgl. Schwyzer 258), -άδος f. ‘Tropfen, bes. Regentropfen’, koll. ‘Sprühregen’ (Hdt., Hp., Trag., Ar., X., Arist. u.a.). Davon Dem. ψακάδ-ιον (ψεκ-) n. (hell. Kom.,Thphr.), -ισσα f. ‘getröpfelt, gesprenkelt’, von einer Stute (Pap. IIIa; Mayser Pap. I: 3, 103; auch ψακαδ-ίσχιος von Pferden ebd.). Verb ψακάζω (ψεκ-), auch m. κατα-, ἐπι-, ὑπο-, ‘tröpfeln, sprühen, fein regnen’ (A., Ar., X., Plu. u.a.), Aor. Ptz. Pass. ψακασθείς ‘beträufelt’ (Thphr.). — Daneben ψάκαλον n., -ος m. ‘neugeborenes Tier’ (Ar. Byz., H.; wie ἔταλον); vgl. dieselbe Metapher bei δρόσος und ἕρση. Bildung wie ἰκμάς, ψιάς, λιβάς; wie ψακ-άδ- : ψάκ-αλ-ον auch ἰκμ-άδ- : ἰκμ-αλ-έος. Die Anknüpfung an die große Sippe von ψῆν, an sich möglich, besagt wenig wegen der unklaren κ-Erweiterung. Schwyzers zögernde Zerlegung in ψ-ακ-αδ- (497) mit ακ-Infix ist ebenso fraglich wie der Vergleich mit lit. spā̃kas (auch spãgas) ‘Tropfen, Pünktchen’ (Fick 1, 571 u. 2, 288). II-1127-1128
ψαλάσσω, att. auch -ττω, Aor. -άξαι, Fut. -άξω, ‘berühren, antasten, zupfen’ (S., Ar., Lyk., Ael.), Med. διαψαλάττεσθαι· τὸ εἰς ἔρευναν διαστέλλεσθαι; auch m. ἀνα-, ὑπο-, προ-, μετα-,ἐψαλάξατο· ἔψαυσεν, ἐκινήθη H. Verbaladj. ἀ-ψάλακτος = ἄψαυ-στος, ἀκίνητος, unberührt’ (S.Fr. 550, Ar., Krates Kom.), ἀπο-ψάλακτος = ἀκρότητος Phot.; vgl. ψαλάξεις .. νευρᾶς κτύπον (Lyk. 139); mit Beziehung auf das Geräusch auch ὀρθο-ψάλακτος (ἔρις) ‘laut tönend, lärmend’ (S. Ichn.). — Expressive Erweiterung von ψάλλω; vgl. ἀφάσσω (: ἀφάω), σαλάσσω, παλάσσω usw., auch ψαθάλλω. II-1128
ψάλιον n. etwa ‘Kappzaum, Kinnkette’ (att. seit A.); zur unklaren Bed. Anderson JHSt. 88, 3ff. — Technisches Wort ohne überzeugende Etymologie; der mehrfach erwogene Zusammenhang mit ψάλλω bleibt hypothetisch. — Das bei H. überlieferte ψαλόν· εἶδος χαλινοῦ (wohl aus ψάλιον entstellt) will Taillardat (ähnlich Palmer) in myk. pa-sa-ro wiederfinden, s. Morpurgo Lex. s.v. Vgl. ψέλιον. II-1128
ψαλίς, -ίδος (auch -ῖδος?) f. 1. ‘unterirdischer (gewölbter) Gang, Kanal, (unterirdisches) Gewölbe, Schwibbogen’ (S.Fr. 367, Pl. Lg. 947d, Arist., Ph. Bel., Hero, hell. u. sp. Inschr. usw.); ψαλιδο-ειδής ‘einem Gewölbe ähnlich’ (Ph. Bel., Gal.). Davon ψαλιδ-όομαι ‘sich wölben’ (Bito) mit -ωτός ‘gewölbt’ (D. H.), -ωμα n. ‘Gewölbe’ (Str., Inschr. IIp). — 2. ‘Schere’ (S.Fr. 413, Ar. Fr. 320,1, AP, Pap.IIp, Poll.); ψαλιδό-στομος ‘scher- mäulig’, v. Krebs (Batr.). Davon Demin. ψαλίδιον n. (Pap.Vp), Verb ψαλίζω (ἀπο-, δια-) ‘mit einer Schere schneiden, scheren’ (sp. Mediz., Babr.), ψαλίξαι· κεῖραι H., mit -ιστός. -ισμός m. (sp. Mediz.). Hierher noch mgr. ψαλίτης ‘vermiculus, cuius cornua forficulae speciem referunt’, s. Redard 85 m. Weiterem. — 3. ‘Ring od. ähnl. zum Stützen od. Verstärken’ (LXX, Ph. Bel.; auch BGU 1028, 9 [IIp] : ψαλλίδ[ων]?). — In der 3. Bed. dürfte sich ψαλίς mit ψέλιον, wohl auch mit ψάλιον verbinden lassen; für die damit ebenso wie unter sich anscheinend unvereinbaren Bedd. ‘Gewölbe’ und ‘Schere’ ist noch keine Erklärung gefunden. II-1128
ψάλλω, Aor. ψῆλαι, hell. (LXX) ψᾶλαι, Fut. ψαλῶ, ‘eine Saite, auch eine Bogensehne mit den Fingern (und nicht mit dem Plektron) schnellen, zupfen’ (ion. att.), ‘zur Harfe singen, lobsingen’ (LXX, NT). auch m. ἐπι-, κατα-, δια- u.a., Davon 1. ψαλ-μός (δια-, ἐπι-) m. ‘das Schnellen, das Zupfen der Bogensehne, der Saiten, Saitenspiel’ (Pi., A. in anap., E. in lyr. u.a.), ‘das Singen dazu, Loblied’ (LXX, NT), ἀντί-ψαλμος ‘vom Saitenspiel begleitet’ (E. in lyr.), -μίζω ‘Loblieder, Psalmen singen’, -μιστής (Gloss.) u.a. 2. ψάλ-μα (διά-, ἀπό-) n. ‘Ton, Melodie eines Saitenspiels usw.’ (LXX, AP, Max. Tyr., Ptol.). 3. -σις f. ‘das Schnellen, Zupfen’ (Philostr.). 4. -της m. ‘Spieler eines Saiteninstruments, Lauten-, Harfenspieler’ (hell. u. sp.), älter f. -τρια ‘Harfenspielerin’ (Pl., Ion Trag., Arist,. hell. u. sp.); zum Akz. usw. Fraenkel Nom. ag. 1, 225 m. vielen Einzelheiten. 5. -τήριον n. ‘Saiteninstrument, Harfe’ (Arist., Thphr., LXX usw.). 6. -τικός ‘zum Harfenspiel gehörig’ (sp.). 7. -τιγξ· κιθάρα H. Suid. (nach φόρμιγξ u.a.). — Ohne sichere Etymologie. Der Struktur nach zu πάλλω, ἰάλλω, σκάλλω, σφάλλω u.a.m. stimmend, mag sich ψάλλω an diese Vorbilder sekundär angeschlossen haben. Anknüpfung an ψῆν (v. Wilamowitz zu E. HF 1064) muß wegen der bei einer etwaigen formalen Entgleisung oder Kreuzung eingetretenen Bedeutungsverschiebung hypothetisch bleiben. — Seit langem zu lat. palpor, -ārī ‘streicheln, schmeicheln’ gestellt (s. W.-Hofmann s.v. mit reicher Lit. und weiteren überholten Kombinationen); weder formal noch begrifflich vorzuziehen. Ältere Lit. auch bei Bq und WP. 2, 6 f. — Vgl. ψηλαφάω. II-1129
ψάμαθος f., oft pl. ‘Sand’ (ep. poet. seit Il.). Als Hinterglied u.a. in πολυ-ψάμαθος ‘sandreich’ (Opp.). Davon ψαμαθ-ώδης ‘sandig’ (h. Merc., A. R.; Zumbach Neuerungen 16), -ηΐς f. ‘ds.’ (Nik.; poet. Bildung, vgl. zu χλωρηΐς), -ίς, -ίδος f. N. eines Fisches (Numen. ap. Ath.; nach dem Aufenthaltsort, Strömberg 81), -ία· αἰγιαλός H. (Kollektivbildung, Scheller Oxytonierung 57). PN Ψαμάθη N. einer Nereide (Hes. Th. 260), Ψεμάθη (att. Vase), umgekehrte Schreibung (Fraenkel Phil. 97, 161) od. Dissimilation (Kretschmer ’Αντίδωρον 193ff.) ? Auch σαμαθον (POxy. 1290, 1 [Vp]) = -θών für ψ- ‘Sandkiste’ ? (Preisigke Wb. m. Lit.). — Kreuzung von ἄμαθος und ψάμμος (s.d.). II-1129
ψάμμος dor. -ᾱ (A. u. Ar. in lyr.), -η (Hdt. 4, 181?; vgl. Schw.-Debrunner 32 A. 4) f. (m. Archim.), ‘Sand’ (seit μ 243). Spärliche Kompp., z.B. ψαμμό-γεως ‘mit sandreichem Boden’ (Hdn.), ὑπό-ψαμμος ‘mit Sand unten, sandig’ (Hdt., X., Plu. u.a.; vgl. ὑπό-χρυσος s. χρυσός); *ἐπί-ψαμμος in ἐπιψαμμ-ίζω ‘mit Sand bedecken’ (Hero). Davon 1. ψαμμ-ία n. pl. ‘Sandkörnchen’ im Harn (Mediz.). 2. -ίτης m. "Sandzahl", Bez. einer Abhandlung von Archim., ‘von Sand’ (AP), -ῖτις f. N. eines Fisches (Archestr.; vgl. ψαμαθίς und Redard 23 u. 113). 3. -ώδης (Hdt., Hp. u.a.), -ινος (Hdt., Philostr.), -αῖος (Priene) ‘sandig’; -ιαῖος ‘groß wie ein Sandkorn’ (Olymp. in Phd.); -ωτός ‘aus Gips od. Stuck bestehend’ (LXX). 4. -ισμός m. ‘das Begraben im Sande’ (Paul Aeg. : *-ίζω). 5. δια-ψαμ-μῶσαι Aor. ‘mit Sand polieren’ (Lesbos). — Daneben ψάμματα· σπαράγματα und ψαμματίζουσα· ψωμίζουσα H. — Im Gegensatz zu dem wahrscheinlich altererbten ἄμαθος scheint ψάμμος eine griechische Neuerung zu sein. Als Ausgangspunkt läßt sich die Sippe von ψῆν denken, aber die Bildung ist nicht eindeutig. Neben der Möglichkeit einer expressiven Gemination (Ernout-Meillet s. sabulum) kann ψάμ-μος für *ψάφ-μος stehen (vgl. γράμμα : γράφω) und zu ψαφ-αρός. ψῆφος (s.d.), weiterhin zu lat. sabulum ‘Sand’ gehören; s. W.-Hofmann s.v. m. Lit. — Nach Deroy Glotta 35, 183 m. A. 3 (ausführl. Behandlung und reiche Lit.) wären sowohl ἄμαθος, ἄμμος wie ψάμαθος, ψάμμος aus vorgr. *sam- ‘Sand, Schlamm’ hervorgegangen (woraus noch ἀσάμινθος [?]). Alten Wechsel m : bh in (ψ)άμαθος : ψῆφος, sabulum vermutet Specht Ursprung 265. — Aus ἄμαθος und ψάμμος ergaben sich durch wechselseitige Kreuzungen ψάμαθος und ἄμμος. II-1129-1130
ψάρ, Gen. ψᾱρός, Nom.pl. ψᾶρες (P755 Gen.pl. ψᾱρῶν [s.u.], Antiph., Dsk., AP 9, 373 u.a.); auch ψήρ, ψηρός, ψῆρες (P 583 ψῆρας, Q. S., AP 7, 172), ψᾶρος od. ψάρος (Arist., Gal.) m. ‘Star’. Ausführlich Thompson Birds s.v. Davon ψᾱρός ‘starfarben, grau, gesprenkelt’ (Ar., Arist., LXX u.a.); vgl. Georgacas Glotta 36, 193. — Der lästige ep. Gen. pl. ψᾱρῶν läßt sich als metrische Dehnung eines kurzvokaligen *ψᾰρῶν erklären; älteste Flexion somit ψήρ : *ψᾰρός, wozu neuer Nom. ψάρ (ᾱ) usw. ? (J. Schmidt KZ 25, 20; zustimmend Kretschmer Glotta 4, 336). Andere, unglaubhafte Hypothesen über die Stammbildung bei WP. 2, 666; zur Erklärung des Vokalwechsels noch Björck Alpha impurum 45 u. 219 (m. reicher Lit.). — Ohne sichere Etymologie. Über die entfernte Möglichkeit, den germ. Namen des Stars, ahd. stara usw., einschließlich lat. sturnus ‘ds.’ (und ἀστραλός?; s.d.) lautlich damit zu vereinigen, Schwyzer 329; vgl. noch die s. σποργίλος besprochenen Vogelnamen (idg. sper-; WP. a.O., Pok. 991) und W.-Hofmann s. sturnus. II-1130
ψαυκροπόδης ‘schnellfüßig’, — Beiw. des Pferdes Arion (EM 817, 45), Akk. -ποδα H. — S. σαυκρόν. II-1130
ψαύω, Aor. ψαῦσαι (seit Il., sehr selten in att. Prosa), Fut. ψαύσω (A. usw.), Pf. ἔψαυκα (sp.), ‘berühren, streifen, antasten’; Pass. (selten) ἔψαυσμαι (Hp.), ψαυσθῆναι, ψαύομαι (sp.) ‘berührt, gestreift werden’. auch m. ἐπι-, ποτι-, προσ-, συν- u.a., Davon ψαῦσις (ἐπί-, σύν- u.a.) f. ‘Berührung, Liebkosung’, ψαῦσμα n. ‘ds.’ (X. Eph.). — Reimwort zu χραύω, χναύω, θραύω; Anlaut wie ψαίω, φαίρω, ψίω; s. ψῆν. II-1131
ψέγος · τάφος. καὶ ἐπιψέγειν· ἐπικηδεύειν H. — Unerklärt. II-1131
ψέγω, Aor. ψέξαι, Fut. ψέξω, Pf. Pass. ἔψεγμαι ‘tadeln, rügen’ (seit Thgn.). Davon ψέκ-της m. ‘Tadler’ (Hp., Pl.) mit -τικός ‘tadelnd’ (Arist., Poll. u.a.), παμ-ψέκτωρ m. ‘All-Tadler’ (Man.; Fraenkel Nom. ag. 1, 127), ψέξις ‘Tadel’ (Gloss.); ἄ-σεκτος· ἀγαθός, παρὰ ‘Ρίνθωνι Ταραντίνῳ H.; zu σ- statt ψ- Schwyzer 329. Mit ο-Abtönung ψόγος m. ‘Tadel’ (seit Xenoph.), nach λόγος? (Porzig Satzinhalte 257 u. 261; vgl. unten); oft als Hinterglied, z.B. φιλό-ψογος ‘tadelsüchtig’ (E., Pl.); davon ψογ-ερός ‘tadelsüchtig’ (Pi., Plu.), -εια· ψογερά, καὶ οὐκ ἄξια ἀκοῆς H. (Choerob.); Aor. -ίσαι od. -ῆσαι ‘tadeln’ (LXX), Fut. Pass. -ισθήσεται, -ηθήσονται (Vett. Val.) mit -ιστής m. ‘Tadler, Nörgler’ (Rhetor.). — In ὄνειδος (mit ὀνειδίζω seit Il.) hat das Griech. einen Ausdruck für ‘Vorwurf, Tadel, Schmähung’ aus der Vorzeit ererbt. Schon vom Anfang der Überlieferung an steht das etymologisch weniger klare μέμφομαι da. Im Vergleich zu diesen älteren Wörtern scheint ψέγω eine jüngere Schöpfung zu sein. —Eine sichere Etymologie fehlt. Auch für ψέγω ist Anknüpfung an ψῆν versucht worden (Wood IF 13, 119; zustimmend Bq); als Vorbild mag dann λέγω gedient haben (vgl. ψόγος : λόγος). Nach Prellwitz geht ψόγος von der Interj. ψό (s. ψόφος) aus (ähnlich Schwyzer 329), wozu als Rückbildung ψέγω; von Schw.-Debrunner 601 A. 1 nicht ohne Grund beanstandet. II-1131
ψεδνός ‘dünn, spärlich’, vom Haar, ‘kahlköpfig’, sekund. ‘kahl’ vom Boden (Β 219, AP, Aret., Luk., Aristid.) mit ψεδνο-κάρηνος ‘kahlköpfig’ (Orph.), -θριξ ‘dünnhaarig’ (Tz.), -ότης f. ‘Kahl- köpfigkeit’ (Adam.), -όομαι ‘kahlköpfig werden’ (S. E.). — Zu ψῆν; näheres Vorbild unbekannt (κεδνός, μακεδνός, γοεδνός liegen gleich fern). Daneben die synonymen ψηνός (Semon.), ψανός (H.), ψιλός, ψαιδρά· ἀραιότριχα H. u.a.; s. Solmsen Wortforsch. 136 A. 2 (S. 137), der in ψεδνός Β 219 (wovon alle übrigen Stellen) eine sehr alte Textverderbnis für *ψαι-δνός oder *ψι-δνός erwägt. Aber warum hätte man *ψαιδνός ( : ψαίω) oder *ψιδνός ( : ψιλός) dem anscheinend isolierten ψεδνός zuliebe geopfert ? II-1131-1132
ψεῖ (ψῖ) N. des Buchstaben ψ (Hellad. ap. Phot.). - S. πεῖ und χεῖ II-1132
ψέλιον, auch ψέλλιον und ψίλ(λ)ιον, äol. (Gramm.) σπέλ(λ)ιον (Schwyzer 266), meist pl. -ια n. ‘Armband, Ring, Armgeschmeide, Fußspange’ (Hdt., X., hell. u. sp. Inschr. u. Pap. usw.), ψελιο-φόρος ‘Armbänder tragend’ (Hdt.), Aor. ψελιῶσαι στεφάνοις ‘mit Kränzen zieren’ (AP), ψελιουμένη f. Bez. einer Statue des Praxiteles (Plin.). — Kulturwort, wahrscheinlich orientalischer Herkunft. Die Verbindung mit ψάλλω u. Verw. ("schnellen"; Schwyzer 329) kann höchstens volksetymologisch sein. Vgl. ψάλιον. II-1132
ψελλός ‘unartikuliert, mangelhaft sprechend’, wie ein Kind (Arist., Kom. Adesp. u.a.), ‘unverständlich’, von Worten (A. Pr. 816). auch m. κατα-, παρα-, συν- u.a., ‘unartikuliert, mangelhaft sprechen’ (Pl., Arist., hell. u. sp. Prosa) mit -ισμός m., -ισμα n. (sp.). Davon ψελλ-ότης f. ‘unartikulierte Sprache’ (Arist., Plu.); -ίζομαι (Med. wie φθέγγομαι, εὔχομαι usw.). sp. auch -ίζω, — Lautnachahmend mit volkstümlichexpressiver Gemination; zur Bildung vgl. τραυλός (s.d.) II-1132
ψεύδομαι, Aor. ψεύσασθαι, Fut. ψεύσομαι (alles seit Il.), Pf. ἔψευσμαι (Hdt., att.), ‘lügen’, auch (att.) ‘belügen, trügen’; jünger, bes. in att. Prosa sehr selten Akt. ψεύδω, ψεῦσαι, ψεύσω, auch m. δια-, ‘durch Lüge betrügen, täuschen, irre machen’, öfter Pass. Aor. ψευσθῆναι, Pf. ἔψευσμαι, auch m. κατα-, δια-, ‘sich täuschen, betrogen werden’ (Hdt., att.). oft m. Präfix, bes. κατα-, Davon 1. ψεῦδος n. ‘Lüge’ (seit Il.), als Vorderglied (zur Form Schwyzer 440) unbeschränkt produktiv, z.B. ψευδ-άγγελος m. ‘Lügenbote, Lügenmelder’ (O 159; Risch ̨ 76b) mit -ία f. (X., D. C.), -έω (Ph.; unsicher Ar. Av. 1340); ψευδο-μάρτυς m. ‘der Falsches bezeugt, falscher Zeuge’ (Pl., Kritias, Arist. usw.; Kretschmer Glotta 11, 110; weitere Lit. bei Bauer Gr.-dt. Wb. s.v.); auch als Hinterglied, z.B. ἀ-ψευδής ‘ohne Lüge, untrüglich’ (seit Hes.) mit -εια, -έω, -ία; ἐπι-ψευδής ‘lügenhaft’ (Δ 235; Leumann Hom. Wörter 136f.). Von ψεῦδος : a) ψευδ-άρια n. pl. Tit. einer Abh. des Eukleides. b) ψευδής ‘lügenhaft, falsch’ (Hes. Th. 229 [sicher?], ion. att.), wohl nach ἀληθής (Frisk Kl. Schr. 18 m. Lit.); daneben in derselben Bed. ψεῦδ-ις (Pi.), -ήμων, -αλέος (Nonn.), -άλμιον· ψευδές H. (: φυτάλμιος). — 2. κατά-, διά-ψευσις f. ‘falscher Bericht, Trug’ (Str., Stob.), ψευσί-στυξ Bein. des Apollon ‘Lügenhasser’ (AP; Schwyzer 439). 3. ψεῦσ-μα (κατά-, διά-) n. ‘Lüge, Trug’ (Pl., hell. u. sp.), καταψευσ-μός m. ‘Verleum- dung’ (LXX). 4. -της m. ‘Lügner’ (Ω 261, wohl auch Τ 107, Pi., Hdt., S. usw.), f. -τις (Epigr. Kyrene), -τήρ ‘ds.’ (Man.), f. -τειρα (Orac. Sibyll.); -τάζω ‘lügen’ (Tz.). 5. ἄ-ψευσ-τος ‘trug- los, wahrhaft’ (Ph., Plu., AP) mit τέω (Plb.). — Neben den hochstufigen ψεύδομαι, ψεῦδος, ψευδαλέος steht mit regelmäßiger Tiefstufe ψυδρός ‘lügenhaft, falsch’ (Thgn. 122 [v. l. ψυδνός], Lyk.) mit Ψυδρεύς m. Monatsname (Kork., IG 9 : 1, 682 IVa) mit Bezug auf Hermes; ebenso ψύδος, pl. ψύδη (EM819, 13, A. Ag. 999 [lyr.]), wofür indessen sonst ψύθος, -η (A. Ag. 478 u. 1089 [lyr.], Kall.Fr. 184; EM) mit ἔψυθεν· ἐψεύσατο H.; vgl. noch ψυθιζομένων· γογγυζόντων, ψυθιστάς· ψιθυριστάς, ψυθῶνες· διάβολοι H. — Näheres über ψεῦδος u. Verw. bei Luther "Wahrheit" und "Lüge" 80ff., 115ff., 133ff.; auch, bes. zur Morphologie, Frisk Kl. Schr. 16 ff. (m. Lit.). — Zum tiefstuflgen ψυδ-ρός stimmt arm. sut, o-Stamm, ‘Lüge, lügenhaft’ (Bugge KZ 32,25f., Osthoff Etym.par. 233f.; zurückhaltend Hübschmann Arm. Gr. 492), was in Anbetracht der vielen lexikalischen Übereinstimmungen zwischen diesen beiden Sprachen kaum Zufall ist. An das hochstufige ψεύδομαι erinnert ein slav. Wort für ‘täuschen’ in slovak. šudit’, cech. šiditi (Machck Ling. Posn. 5, 70f. nach Mann; weitere, fragliche Kombinationen bei Mann The Slavonic Review 37, 136 f.). Da die Bed. ‘Lüge, lügen’ gewiß einen euphemistischen Hintergrund hat (etwa ‘faseln, plappern’), ist das Wort von Haus aus wahrscheinlich lautnachahmend (Schwyzer 329, Grošelj Živa Ant. 7, 44), was die Herstellung einer strikten Genealogie erschwert. — Vgl. ψιθυρίζω, auch ψύδραξ. II-1132-1133
ψέφας (Pi.Fr. 324, H.), auch ψέφος (H., coni. Lobeck pro ψόφου, σκότου Alk. Z 114) n. ‘Dunkel, Finsternis’ mit ψεφο-ειδής = ψεφαρός (Gal.), ψεφ-αυγοῦς· σκοτεινῆς H., ψεφαῖος = σκοτεινός H., ψεφηνός (Pi. Ν. 3, 41; -εννός Porson, -εινός Bergk), ψεφαρός (Hp. ap. Gal.) ‘dunkel, finster, wolkig’. Unsicher ψάφα· κνέφας und σεῖφα· σκοτία. Κρῆτες H. — Reimwort zu κνέφας, s.d. m. weiterer Lit.; dazu noch Mayrhofer s. kṣáp und IF 70, 249. II-1133
ψηλαφάω, außerpräs. Formen selten, meist sp. : Aor. -αφῆσαι (Pl. Prt. 310c, LXX), -αφήσω, -αφηθήσομαι (LXX), -αφηθῆναι (S. E., Plu.), ‘(be)tasten, streicheln, herumtappen, untersuchen’ (seit ι 416). auch m. ἐπι- u.a., Davon 1. ψηλάφ-ημα n. ‘Betastung, Liebkosung’ (X., Ph.), προ ~ -ήματα pl. = προοίμια (Prokl. in Ti.). 2. -ησις f. ‘das Betasten’ (Hp., hell. u. sp.), ἀνα ~ ‘die Wiederaufnahme einer Rechtssache’ (: ἀνα-ψηλαφάω Just.). 3. -ητής f. "Taster" (Sch.) mit -ητικῶς (Eust.). 4. -ητός Beiw. von σκότος "betastet, tastbar" (worin man sich durch das Tasten orientieren muß, LXX). 5. -ία. ion. -ίη f. ‘das Betasten’ (Mediz., hell.), wie von *ψήλαφος; ebenso 6. -ώδης ‘tastend, herumtappend’ (Hp.). 7. -ίνδα παίζειν ‘blinde Kuh spielen’ (Phryn.). — Umbildung ψηλαφ-ίζω ‘ds.’ (mittl. Kom.). Expressives Wort, entweder nach ἁφάω gebildet oder damit zusammengesetzt. Nach Fick BB 28, 102 aus dem Aor. ψῆλαι (ψάλλω) und ἁφάω zusammengeschweißt; vgl. στρεφε-δίνηθεν u. ähnliche Fälle (Schwyzer 645 m. A. 1 u. Lit.). Warum indessen gerade der Aorist bevorzugt wurde, bleibt dunkel. Bechtel will statt dessen im Vorderglied ein Nomen *ψᾱλᾱ finden mit Hinweis auf μηλ-αφάω ‘mit der Sonde (μήλη) berühren’; aber dies seltene Wort wurde eher nach dem geläufigen ψηλαφάω geschaffen. II-1133-1134
ψήν, Gen. ψηνός m. ‘Dattel-, Feigen-, Gallwespe’ (Hdt., Ar., Arist., Thphr. u.a.), auch als PN (Thera; VIIa?). Davon ψηνίζω (ὑπο-, προ-) ‘durch den Stich der Gallwespe die Feigen künstlich befruchten, kaprifizieren’, auch übertr. (Ar. [als Wortspiel], Kom. Adesp., Suid., Phot. u.a.). — Von ψῆν ‘reiben’ mit ην-Suffix wie κηφήν, σφήν u.a., s. Solmsen Wortforsch. 135 f., der indessen aus ungenügenden Gründen eine Grundform *ψᾱι̯-ήν ansetzt; s. zu ψῆν. II-1134
ψῆν (sp. auch ψᾶν) Inf., Ind. 3. sg. ψῇ, Ptz. Med. ψώμενος usw., Aor. ψῆσαι, ψήσασθαι, Pass. ψη(σ)θῆναι, Pf. ἔψησμαι, ‘reiben, schaben, kratzen, streichen, wischen’ (ion. att., bes. Hdt., Kom., hell. u.sp. Inschr. u. Pap. usw.). meist m. Präfix, z.B. κατα-, ἀπο-, συν-, περι-, Davon 1. ἀπό-, περί-ψημα n. ‘das Abgekratzte, Unrat, Schmutz’ (Ep. Kor., Dsk., Inschr. u.a.). 2. παρά-ψησις = παρά-τριμμα (Gloss.). 3. ἀπό-ψηστρον· τὸ ἀπόμακτρον τοῦ μετρουμένου σίτου H.; παλίμ-ψηστος ‘wieder abgekratzt’, d.h. ‘abgekratzt und wieder beschrieben’, vom Pergament (βιβλίον), -ον n. ‘Palimpsest’ (Plu.), lat. palim-psestus (Cat., Cic.). 4. ψη-νός (Semon.), ψανός· ψεδνός H. ‘kahl- (köpfig)’; ψῆ-ρός = ξηρός (Suid.), μεσόψηρον· ἡμίξηρον H., ψαρόν n. N. eines trocknenden Mittels (Paul. Aeg.). 5. ψηκε-δών· κονιορτός H. (nach τηκεδών). Auch 6. ψήληκες· τῶν ἀλεκτρυόνων οἱ νοθογένναι H., Suid. (eig. ‘ohne Kamm’). — Mit χ-Erweiterung ψήχω, ψῆξαι, ψηχθῆναι, ψήξω, ἔψηγμαι, auch m. Präfix, bes. κατα-, ‘streichen, striegeln, abreiben’ (ion. att. usw.). Davon 1. ψῆγμα (ἐπί-) n. ‘das abgeriebene Körnchen, Stäubchen’ (Hdt., A., Arist., hell. u. sp.). 2. ψῆξις (παρά-, ἀπό-) f. ‘das Striegeln, Abkratzen’ (X., sp. Mediz.). 3. ψήκτρα f. ‘Pferdestriegel’ (S., E., Ar., hell. Pap. u.a.) mit -τρίον n. (Gloss.), -τρίς, -τρια H. s. ξώστρα, -τρίζω (Sch.). ἀπό-ψηκτρον n. N. eines Mittels gegen ὑπώπια (Gal.), παλίμ- ~ = deleticia (charta; Gloss.; vgl. παλίμψηστον). 4. ψηκτός (μόδιος) ‘gestrichen’ (Gloss.), ἀπό- ~ übertr. ‘gerieben’ (S. Ichn.). Dazu noch 5. ψηχράν· τὴν λεπτήν H., Suid. Mit ᾱ-Vokal (vgl. unten) : ψακτήρ· ψήκτρα und ψάκταν· τὴν ψωκτὴν μάζαν H. — Mit ω-Abtönung: 1. ψωμ-ός m. ‘Brocken, Bissen’ (seit ι 374) mit -ίον n. (hell. Pap., NT u.a.; ngr. ψωμί ‘Brot’; zur Bed.verengerung Kretschmer Glotta 15, 60ff.), -ίς f. (Arist.), -ιζω ‘den Bissen in den Mund stecken, zu Essen geben’, "päppeln" (ion. att.) mit -ισμα, -ισμός; auch ψώμηκες· οἱ τοῦ σίτου τὰς ῥίζας ἀπεσθίον-τες H. (nach μύρμηκες, σκώληκες) und ψῶμιγξ· σφήκωμα H. 2. ψώρ-α, ion. -η f. ‘Krätze’ (ion. att.) mit ψωρ-ός, -αλέος, -ικός, -ώδης, -ίτης, -ιάω, -ίασις, -ωσις. 3. ψωλ-ός ‘ohne Vorhaut, beschnitten, geil’, -ή, dor. -ά f. ‘entblößter Penis’ (Ar., Diph. u.a.), mit ἀποψωλέω (Ar.), -ων = πόσθων H. 4. ψωθ-ίον n. -ία (-ιά?) f. ‘Brotkrume usw.’ (Pherekr., Poll. u.a.; Scheller Oxytonierung 127). Unsicher 5. ψωδαρέον· αὐχμηρόν H. (für ψωραλέον?). 6. ψωΐα· σαπρὰ δυσωδία, ψώϊζος· ἄφοδοςὑγρά, ἢ ὄνθος, δυσωδία κτλ. H.; auch ψώα ‘ds.’ (A. R. Fr. 5); von der Interj. ψό ‘pfui.’? (vgl. zu ψόφος). 7. ψωχὸς γῆ· ψαμμώδης H. (für ψῶχος· γῆ ψαμμώδης ?). — Mit χ-Erweiterung (vgl. ψή-χω) noch ψώχω, auch m. ἀπο-, (Nik., Ev. Luk., Dsk.), auch σώχω (Nik.), κατα- ~ (Hdt.) ‘zerreiben, abreiben’ (zu σ- statt ψ-Schwyzer 329); unklar ψωκτόν· τράπεζαν H. (vgl. ψάκταν oben). — Zu den erweiterten Formen ψή-χ-ω und ψώ-χ-ω s. Schwyzer 702 m. Lit. — Aus den H. -Glossen ψακτήρ und ψάκταν erweist sich als Grundform von ψῆν, ψήχω urgr. ψᾱ-, woneben mit Ablaut ψω- in ψω-μός, ψώ-χ-ω usw. (Solmsen Wortforsch. 136). Zu einer dieser Varianten oder beiden liefert das Altind. ein Gegenstück in dem athematischen Präsens psā́-ti ‘kaut, ver- schlingt’, idg. psā- od. psō-. Eine r-Ableitung wird von Nieminen KZ 74, 168 ff. in lit. sóra ‘Hirse’ (< idg. *psā-rā: ψώρα) vermutet; dazu Fraenkel s.v. Vgl. auch ψῆφος. — Wegen der mit ψῆν zusammenhängenden ψαίω, ψίω, ψαύω werden die langvokaligen psā-, psō-, wozu noch psē-, auf langdiphthongische psāi-, psōi-, auch psēu- zurückgeführt (z.B. Bq s. ψῆν, Schwyzer 328 u. 676, Pok. 145f.). Der Ansatz dieser Langdiphthonge ruht aber ausschließlich auf den angeblich tiefstufigen Bildungen ψαίω, ψίω, ψαύω (idg. psəi-, psī-, psəu- ?), die aber ebenso wie die mit ψῆν gleichfalls verwandten ψαθάλλω, ψαθυρός, ψαίρω, ψάμμος, ψεδνός (vgl. noch ψάλλω und ψακάς) auf das Griech. beschränkt sind und demnach in erster Linie als Neubildungen, z.T. nach erkennbaren Vorbildern, zu gelten haben. — Aind. psā́-ti, gr. ψῆν und ψώ-χ-ω lassen sich als vokalische Erweiterungen (psā-, psō- < bhs-ā-, bhs-ō-) von idg. bhes- in aind. bá-bhas-ti ‘zerkaut, verzehrt’ erklären (s. z.B. Mayrhofer s.vv.). II-1134-1136
ψηνός, ψηρός s. ψῆν. II-1136
ψῆττα (att.), ψῆσσα (Alex. Trall.) f. N. eines Plattfisches, nähere Identifikation unsicher (’Scholle, Flunder’?), s. Thompson s.v.; übertr. ‘Schlemmer’ (Pl. Kom.); Ψηττό-ποδες pl. N. eines mythischen Volkes (Luk.). Demin. ψηττάριον (Anaxandr.), ψησσίον (Zonar.). — Kann für *ψηχ-ι̯α stehen (vgl. θρίσσα von θρίξ u. a.), von ψήχω mit Beziehung auf die harte, rauhe Haut; vgl. ital. lima ‘Feile’ (= lat.), auch ‘Plattfisch’ (frz. limande), und Strömberg Fischn. 87 f. mit weiteren Beispielen. II-1136
ψῆφος, dor. ψᾶφος f. ‘Steinchen, Kiesel’, bes. zum Zählen und Rechnen, ‘Stimmsteinchen, Stimme, Beschluß’ (Pi., ion. att.; vgl. ψηφίς unten). Zahlreiche Kompp., z.B. ψηφο-φορέω ‘seine Stimme abgeben’ mit -φορία f. ‘Abstimmung’ (Arist., hell. u. sp.; -φόρος D.H.), ἰσό-ψηφος ‘mit gleicher Stimme, gleiches Stimmrecht besitzend’ (att.). Ableitungen: 1. ψηφ-ίς, -ῖδος f. ‘Steinchen’ (Φ 260 u.a.) mit -ιδ-ώδης (Gp.), -ίον n. (sp.), -ίδιον n. (Iamb.). 2. Äol. ψᾶφ-ιγξ, -ιγγος f. (EresosIVa: λᾶιγξ), -αξ (Greg.Kor.: λίθαξ) ‘ds.’. 3. ψηφ-άς, -άδος m. ‘Gaukler, Taschenspieler’ (Cat. Cod. Astr.). 4. Adj. -ικός ‘zum Rechnen gehörig’ (Vett. Val.), -ινος ‘von Steinchen’ (PMag. Par., H., AB). 5. Verb -ίζομαι, -ίζω, sehr oft m. Präfix, z.B. ἀπο-, ἐπι-, κατα-, ‘abstimmen, beschließen’, Akt. ‘zur Abstimmung bringen’, auch ‘(mit Steinchen) zählen’ (dor., ion. att.) mit -ισμα, kret. ψάφιγμα, -ιμμα (Schwyzer 523) n. ‘Abstimmung, Antrag, Beschluß’ (Emp., att.), -ισμός (δια-, ἐπι-, παρα-, κατα-) m. ‘das Abstimmen usw.’ (Arist., sp.), -ισις (ἐπι-, κατα- usw.) f. ‘ds.’ (att.; ψάφιξξις lokr. Va; Schwyzer 271; zur Gemination 238), -ιστής (ἐπι-, συν- u.a.) m. Amtsbez. (Pap. u.a.). 6. Auch -όω ‘mit Steinchen, Mosaik belegen’ (Inschr., Lyd.) mit -ωτός (Lydien Ip), -ωσις f. (Gloss.). — Daneben mit Tiefstufe ψᾰφ-αρός (-ερός Hp.) ‘locker, morsch, zerbröckelt’ (ion. att.) mit -αρία f. (Dsk.), -αρίτης m. (AP), -αρόομαι (Olymp. Alch.); vgl. λαγαρός, χαλαρός usw. — Wie so viele andere Wörter auf anl. ψ- läßt sich auch ψῆφος, ψᾶφος mit ψῆν semantisch zusammenbringen; ein tiefstufiges ψᾰφ- ist auch in ψάμμος, wenn aus *ψάφ-μος, vermutet worden und läßt sich auch in lat. sabulum ‘Sand’ nachweisen; s. ψάμμος m. Lit. — Zu ψῆφος stimmt semantisch heth. paššila- ‘Kieselstein’ (Goetze Lang. 30, 403); zu idg. bhes- in bábhasti (s. ψῆν) und mit ψῆφος indirekt verwandt? II-1136-1137
ψιάζω nur in lak. 3. pl. ψιάδδοντι ‘spielen’ (Ar. Lys. 1302 lyr.); ψιάδδειν· παίζειν H. Daneben ψιά· χαρά, γελοίασμα, παίγνια H.— S. ἑψία. — Zum Anlaut noch Schwyzer 329. II-1137
ψίαθος, auch ψίεθος f. (m.) ‘Binsenmatte’ (att. Inschr. Va, Ar., Arist., Thphr. u.a.), auch als Blende (Apollod. Poliork.) und als Transportmittel benutzt (Pap. IIIa, Sor.); ψιαθο-πλόκος m. ‘Mattenflechter’ (Pap. u.a.). Davon Demin. ψιάθ-ιον n. (Kom. IV-IIIa, Pap. V-VIp), -ώδης ‘mattenähnlich’ (Eust., Sch.), -ηδόν ‘nach Art einer Matte’ (Sch., Suid.), -ίζομαι ‘durch Liegen auf einer Matte kuriert werden’ (Hierokl. Facet.). — Bildung wie γυργαθός, κάλαθος; wohl technisches LW. II-1137
ψιάς pl. ψιάδες αἱματόεσσαι f., ‘Bluttropfen’ (Ρ 459); ψίακα· ψακάδα und ψίδες· ψιάδες, ψακάδες und ψιάζει· ψακάζει H. — S. ψίω. II-1137
ψίζομαι ‘weinen’ in ψιζομένη· κλαίουσα H. = äol. ψισδομένα (Sapph. 94, 2); ἔψιδ<δ>εν· ἔκλαυσεν, ψίνδεσθαι· κλαίειν H. — Wohl lautmalend; vgl. σίζω; s. auch ψόφος. II-1137
ψίθιος, auch ψύθιος Beiw. von οἶνος, σταφυλή, ἕλινος (Kom. IVa, Kyrene IVa, Nik., Dsk.), lat. psithia (vitis, uva), psythium, sc. vinum (Verg., Plin. usw.). — Ohne Etymologie. II-1137
ψιθυρίζω, dor. (bukol.), -ίσδω, ‘flüstern, zuraunen, verleumden’, übertr. von Bäumen, Vögeln ‘säuseln, zwitschern’ (Pl., Ar., hell. u. sp.) auch m. δια-, προσ-, ὑπο- u.a., mit ψιθύρ-ισμα (ὑπο-) n., -ισμός m. ‘Geflüster, Gesäusel’ (hell. u. sp.), -ιστής m. "Flüsterer", Bein. des Hermes in Athen ([D.] 59, 39), ‘Verleumder, Ohrenbläser’ (Ep. Rom.), -ιστικός (Cat. Cod. Astr.). — Daneben, anscheinend als Grundwort (*ψιθυρός), aber wenigstens z.T. als Rückbildung, ψίθυρος m. (m. oppositiver Barytonese) ‘Verleumder, Ohrenbläser’ (Pi., Ar.Fr. 167 [anap.], LXX, Plu.), als Adj. ‘flüsternd, verleumdend’ (S. Aj. 148 [anap.]), von Musik ‘summend’ (Ar. Fr. 671), von Vögeln ‘zwitschernd’ (AP). — Auch ψίθυρ = ψίθυρος (Hdn. Gr. u.a.; nach μάρτυρ), ψεδυρός (ψέδ-) = ψίθυρος (A. Supp. 1042 [lyr.], Hdn. Gr., H.; abzulehnen v. Blumenthal Hesychst. 13), ψιδόνες· διάβολοι, ψίθυροι H. — Hierher noch ψιθύρα f. Bez. eines libyschen Musikinstruments (S. Inach. in lyr., Poll.), wohl volksetymol. Umbildung eines Fremdworts. Vgl. μινυρίζω, κλαυθμυρίζω, τινθυρίζω, συρίζω ( : σῦριγξ) u. a.; bzw. λιγυρός, καπυρός, ὀϊζυρός (: ὀϊζύς) u.a.; s. auch zu ὀλοφύρο-μαι. — Schallwort ohne feste Genealogie. Wenn aus *ψυθυρ-dissimiliert (Specht KZ 61, 277, dazu Kretschmer Glotta 26, 57 f.; vgl. φῖτυ), zu ψύθος usw., s. ψεύδομαι. Vgl. andererseits ψίζομαι. — Pisani Arch. glott. it. 46, 23 erwägt Verwandtschaft mit aind. kṣvéḍati (kṣvédati) ‘summen, brummen’ : idg. qʷs-; vgl. Mayrhofer s.v. II-1137-1138
ψῑλός ‘kahl, nackt, glatt, entblößt’ (seit I 580), m. ‘leicht- bewaffneter Soldat’ (ion. att.). Wenige Kompp., z.B. ψιλό-ταπις, -ιδος f. " Glatt -teppich", d.h. ‘Teppich, der auf der einen Seite glatt (und auf der anderen wollig) ist’ (hell. Pap.; Gegensatz ἀμφί-ταπις ‘auf beiden Seiten wolliger Teppich’); διά-ψιλος γῆ ‘ganz nacktes, unbewachsenes Land’ (Pap. IIp). Davon 1. ψιλ-ότης f. ‘Kahlheit’ (Hp., Arist., Plb. usw.). 2. -ής, -ῆτος m. (A.Fr. 732 M.), pl. -ῆται (Eust.; für -ῖται?) = γυμνής, pl. auch -ῆται (-ῖται nach ὁπλῖται? Redard 42). 3. -ᾱξ, -ᾱκος m. ‘der Kahle’ (Ar.Fr.891), auch als Bein. des Dionysos in Amyklai (Paus.; Björck Alpha impurum 48 u. 264). 4. ψιλεῖς m. pl. ‘die ersten Choreuten’ (H., Suid.), nach der leichtbewaffneten Vorhut; s. Boßhardt 77, der kaum richtig ein vermittelndes *ψιλεύω ansetzt. 5. ψιλ-όω, -όομαι, auch m. ἀπο-u.a., ‘kahl machen, bloßlegen, entblößen’, Pass. ‘kahl werden, bloßgelegt, entblößt werden’ (ion. att.) mit -ωσις (ἀπο-, περι-) f. ‘das Bloßlegen, Enthaarung’ (Mediz. u.a.), gramm. ‘das Entfernen des Hauchs, hauchlose Aussprache’ (Eust.), -ωμα n. ‘kahler Zustand’ (Hp.), -ωτής ‘der den Hauch abwirft’ (Tz.), -ωτικός (Gal., EM, Eust.). 6. -ίζομαι = -όομαι (D. C. u.a.). — Zur großen Sippe von ψῆν mit λ-Suffix (vgl. ψω-λός), zunächst zu ψίω, ψῖχες, s.d. II-1138
ψίμῠος (ῐ) öfter -ύθιον, später (Pap. u.a.) -ίθιον (vereinzelt -μμ-), auch ψημύθιον n. m. (Delos 301a, AP), ‘Bleiweiß’ (Ar., Pl., X., hell. u. sp.). Davon ψιμυθι-όομαι, -όω ‘mit Bleiweiß gefärbt werden, bzw. färben’ (Lys., hell. u. sp.), auch -θόω (Thom. Mag.), -θίζω (Zonar.) ‘ds.’ mit -θιστής m. (Gloss.). — LW, vielleicht aus dem Ägyptischen, obwohl jeder Beweis dafür fehlt; s. J.-J. Hess bei Schwyzer Glotta 11, 76, wo auch zur Schreibung. II-1138
ψίνομαι ‘angesetzte Früchte abfallen lassen’ (Thphr.) mit ψινά-δες· αἱ ῥυάδες ἄμπελοι und ψινάζει· ἀπορρεῖ τὰ ἀσθενῆ τοῦ καρποῦ, φυλλορροεῖ H. — Kretische Formen für φθίνομαι usw.; vgl. ψίνοντος = φθίνοντος (IG 12 : 5, 867; Tenos), ψίσις (= φθίσις)· ἀπώλεια H. u.a. m.; s. Schwyzer 326 mit weiteren Beispielen und phonetischen Bemerkungen. Zu den Dialektwörtern bei Thphr. Strömberg Theophrastea 72. II-1138-1139
ψίττα, ψύττα Interjektion, s. σίττα. II-1139
ψιττάκη ψιττακός (Akz. nach Hdn. Gr. 1, 150) m. (Kall., Plu., D.S. usw.), auch σιττακός (Phld., Arr.; -άκη Arist. v. l.), βίττακος (s.d.), σίττας· ὄρνις ποιός. ἔνιοι δὲ τὸν ψιττακὸν λέγουσιν H. f. (Arist.), ‘Papagei’; — Fremdwort orient. Ursprungs, letzten Endes wohl zu aind. śúka- m. ‘Papagei’, s. Schrader-Nehring Reallex. 2, 152 f. Lat. LW psittacus > nhd. Sittich. II-1139
ψίω, Aor. ψῖσαι, Fut. ψίσομαι, ἐπι-ψιεῖ, Pf. Pass. ἔψισμαι ‘mit Bröckchen, Milch, füttern, päppeln, ψωμίζω, ποτίζω’, auch (Fut. Med.) ‘zerkauen’ (Lyk., Euph., AP, Phot., Eust. u.a.), auch m. κατα-, ἀπο-, ἐπι- (EM, H.), ἐ<μ>ψίουσα = τροφὰς διδοῦσα χόνδρου (A. Fr. 51 = 427 M.), = ἐρέγματαδιδοῦσαH. Daneben ψίξ, Gen. ψιχός, Nom. pl. ψῖχες (-αι H.) m. f. ‘Bröckchen’ (Plu., Aret., Alex. Aphr.), Ψιχ-άρπαξ ‘Brosamenräuber’ (Batr.), mit -ία n. pl. ‘Brosamen’ (NT), -ίδια (H., EM), -ιώδεις ψωμοί (Eust.). — Bildung wie πρίω, χρίω, χνίω u.a.; ψι-χ- wie ψή-χ-ω, ψώ-χ-ω. Zu ψῆν (s.d.). II-1139
ψόαι, auch ψοιαί, ψύαι, ψυαί f. pl. ‘Lendenmuskel’ (Hp., LXX u.a.); ψοΐτης μυελός ‘Lendenmark’ (Gal.; Redard 101), ψυαδι-κός ‘an Lendenweh leidend’ (Orib.). — Zu ψόαι : ψοιαί vgl. χρόα:χροιά; ψύαι für ψοιαί? Unerklärt; nach Prellwitz zu ὀσφῦς. II-1139
ψόθος 1. m. = ἀκαθαρσία, ῥύπος, ψώρα (A.Fr. 82 = 21 M., Ar. Fr. 829, Phryn.Kom., H., Phot., Suid.); ψόθιον (-ίον cod.)· αἰθαλῶδες, ψοθόν· μέλαν H.; auch ψοθώ<ρ>α· ψώρα, ψόθωρ<ον>· αὐχμηρόν H. (vgl. Wackernagel Phil. 95, 191), ψοθόκη· ἀκαθαρσία (Hdn. Gr.), ψοθοιὸς ὁ ἀκάθαρτος (Theognost. Kan.). — Volkstümliche Wörter ohne feste schriftliche Tradition. Am nächsten kommt ψόλος (s.d.); zum θ-Element vgl. die synonymen ὄνθος, σπέλεθος, σπύραθοι. II-1139
ψόθος 2. · ... θόρυβος, ψοθάλλειν· ψοφεῖν H.; ψοθεῦσιν = ψοφέου-σιν (Kall.Fr. 194, 106). — Kreuzung von ψόφος und ῥόθος; ψοθάλλειν nach ψάλλειν u.a. II-1139
ψόλος m. ‘Ruß, Rauch, Qualm’ (A. Fr. 24 = 88 M.), ψολοκομπ-ίαι ( : *ψολό-κομπος) f. pl. ‘qualmige Prahlereien’ (Ar. Eq. 696). Davon ψολό-εις ‘rußig, rauchig, qualmig, rauchfarben, dunkel’ (ep. poet. seit Od.). — Daneben ψελός· αἰθαλός (für -όεις?) und ψόμμος· ἀκαθαρσία, καπνός H. (nach ψάμμος). — Ausgang wie in ἄσβολος, θολός, αἴθαλος. Wenn zu ψῆν usw. (Schwyzer 328, Pok. 146 mit Persson BB 19, 258 A. 2 u.a.), kann es mit dem allerdings zweideutigen aind. bhásma n. ‘Asche’ (s. Mayrhofer s.v. und zu ψυχή) indirekt verwandt sein. II-1139-1140
ψόφος m. ‘Schall, Geräusch, Getöse, eitler Lärm, leeres Geschwätz’ (seit h. Merc.). Kompp., z.B. ψοφο-δεής ‘Geräusch fürchtend’ (Pl. usw.), ἄ-ψοφος ‘geräuschlos’ (S., E., Arist. u. a.). Davon 1. ψοφ-ώδης ‘geräuschvoll’ (Hp., Arist.). 2. -αξ m. Beiname (Inschr. Phrygien). 3. -έω, auch m. ἀπο-, συν-, ἐπι-u.a., ‘ein Geräusch od. Lärm machen, ertönen, erklingen’ (ion. att.; ngr. auch ‘sterben’, Euphemismus od. Bed.-Entlehnung? Kretschmer Glotta 26, 54f., Buck ClassPhil. 15, 39ff.) mit -ησις (ἀπο-, ἐπι-) f. ‘das Lärmen’ (Kratin., Arist., Plu.), -ήματα n. pl. ‘leeres Geschwätz’ (S. Inach.), -ητικός ‘lärmend’ (Arist.), ἀ-ψόφ-ητος ‘geräuschlos’ (S.), -ητί, -ητεί Adv. (Pl., D., Arist. u.a.). — Daneben aus H. in ganz abweichender Bed. ψέφει· δέδοικεν, ἐντρέπει, λυπεῖ, φροντίζει; μεταψέφω· μεταβουλεύομαι, μεταψέφειν· μεταμελεῖσθαι, ἀψεφέων· ἀμελῶν und ἀψεφές· ἀφρόντιστον. Σοφοκλῆς Φαίδρᾳ (Fr. 692). — Kann ebenso wie ψεῦδος, ψύθος ursprünglich lautmalend sein und hängt irgendwie mit der Interj. ψό ‘pfui!’ (S. Fr. 521; "ἐπὶ τοῦ σαπροῦ καὶ μὴ συναρέσκοντος" [Ael. Dion.; vgl. A.Fr. 21 M.]) zusammen; im einzelnen dunkel. Nach H. Petersson Et. Miszellen 20 zu bhes- ‘blasen’ (s. ψυχή) mit gebrochener Reduplikation. Ob und wie ψέφειν, ἀψεφές usw. damit zu vereinigen sind, steht dahin. II-1140
ψύδραξ, -ακος f. (EM 819, 10) ‘Pustel, Bläschen’, am Kopf, am Augenlid, an der Nase, auf der Zunge; -ακόω ‘eine Pustel bilden’ (Mediz.). mit -άκιον n. (Dsk., Kyran., Sch. Theok. 12, 24) — Nach Sch. a.O., weil sie den Lügner (ψυδρός) verrieten; sie wurden auch ψεύδεα und ψεύσματα benannt. Vgl. Theok. 9, 30 und 12, 24, dazu Kaibel Com. Gr. Fr. I S. 218. — Nach Grošelj Živa Ant. 7, 44 dagegen zur Sippe von ψῆν (wie auch ψυδνὴ χέρσος· ἀραιά, ὀλίγη H.). Zur Sache noch Strömberg Wortstud. 93. II-1140
ψύλλα sekundär u. selten ψύλλος m. f., ‘Floh’ (Epich., Ar., X., Arist., Thphr. u.a.); ψύλλακας· τὰς ψύλλας H., ψυλλίζω ‘Flöhe fangen’ (Suid.). Davon die Pflanzennamen ψύλλ-ιον n. (Dsk., Luk.), -ερίς f. (Ps.-Dsk.; nach ἡμερίς u.a.) ‘Flohkraut, Plantago psyllium’; wegen der Form des Samens (Strömberg 55). — Altererbtes Wort für ‘Floh’, im Griech. durch Anschluß an die Sippe von ψῆν mit Metathese im Anlaut : vgl. aind. plúṣi- arm. lu (<*plus-), lit. blusà (< *b(h)lus-), lat. pūlex (< *pusl-), germ., z.B. ahd. flōh (wohl volksetym. nach fliehen) u.a.m.; die vielen Varianten beruhen auf euphemistischer, spielerischer od. volksetymologischer Verdrehung, die gewiß schon in der Ursprache eingesetzt hat. Weitere Formen mit reicher Lit. bei Pok. 102, W.-Hofmann, Mayrhofer, Fraenkel usw. II-1140-1141
ψῡχή f. ‘Hauch, Atem, Leben(skraft), Seele (des Verstorbenen), auch als Abbild des Toten, als ζῷον πτερωτόν aufgefaßt, Geist’ (seit Il.). Als Vorderglied z.B. ψυχ-αγωγός m. ‘Seelenführer, Geistesbeschwörer’ mit -ία, -έω (seit A.); als Hinterglied unbeschränkt produktiv, z.B. ἔμ-ψυχος ‘beseelt’ (ion. att.), μεγαλό-ψυχος ‘von großer, edler Gesinnung’ (att. usw.). Davon 1. Demin. ψυχ-άριον n. (Pl., M. Ant. u.a.; ngr. ψυχάρι ‘Schmetterling’, s. Immisch Glotta 6, 193ff.); -ίον n. (Epigr. IG 14, 2068), -ίδιον n. (Luk., D. C.). 2. -ικός ‘seelisch, geistig’ (Arist., hell. u. sp.), -αῖος, -ήϊος ‘ds.’ (sp.). 3. -όω ‘beseelen, mit Geist füllen’ (Ph., Nonn. u.a.) mit -ωσις f. ‘Beseelung’ (Ph., M. Ant. u.a.); auch ἐμψυχ-όω, -όομαι (μετ-) mit (μετ-)εμψύχωσις (D. S., Gal. usw.) von ἔμψυχος (s. ob.). — Daneben ψύχω (sp. ψύγω zu ψυγῆναι usw.), -ομαι, Aor. ψῦξαι, Pass. (auch intr.) ψυχ-θῆναι (seit Il.), -ῆναι (att.), ψῠγ-ῆναι (hell. u. sp.), Fut. ψύξω, ψυχ-θήσομαι, -ήσομαι, ψῠγήσομαι, Pf. ἔψυγμαι (ion. att.), Akt. ἔψυχα (sp.), sehr oft m. Präfix in verschied. Sinnfärbungen, z.B. ἀνα-, ἀπο-, κατα-, δια-, ἐκ-, ἐπι-, ‘blasen’ (Υ 440), mit ἀπο-, ἐκ- ‘(die Seele) aushauchen, ohnmächtig werden, sterben’ (Od., ion. att.), öfter ‘abkühlen, erfrischen’, intr. u. pass. ‘sich abkühlen, kalt werden’ (seit Il.), ‘(im Wind) trocken machen, durchlüften, austrocknen’ (ion. att.; bei Hom. nur ἱδρῶ͂ = ‘den Schweiß abkühlen’). — Davon 1. ἀνα-, παρα-ψῠχή f. ‘Abkühlung, Erquickung, Trost’ (att., Arist. usw.), mit ῠ nach ψῠχ-ῆναι (vgl. Schwyzer 460 A. 3). 2. ψῦξις (ἀνά-, κατά-, περί-, ἔμ- u.a.) f. ‘Abkühlung, Erholung’ (Hp., Pl., Arist. usw.). 3. ψῦγμα (ἀπό-, διά-) n. ‘Abkühlung, Kühlmittel, trockenes, unfruchtbares Land’ (Hp., Pap. u.a.). 4. ψυγμός (περι-), auch ψυχμός m. ‘das Abkühlen, Fieberfrost, Trockenplatz, Darre’ (LXX, hell. Pap., Mediz. u.a.). 5. ψυκτήρ (ἀνα-, οἰνο-) m. ‘Kühlgefäß’ (att. hell. u. sp.; Fraenkel Nom. ag. 2, 7 f.), auch ‘Darre’ (Sch. Od.), mit -τήριον, -τηρίδιον n. ‘Kühlgefäß’ (Kom. IV a, hell. Inschr. u. Pap.), ‘Platz zum Abkühlen, zur Erholung’ (Hes., A., E., sämtl. Fr.), παρα- ~ ‘Trost’ (S. Ichn.), -τήριος ‘kühlend’ (Achae. Va), -τηρίας, -τηρίσκος m. ‘Kühl- gefäß’ (hell. Pap. und Kom.). 6. ψύκτρα f. ‘Trockenplatz, Darre’ (att. Inschr. Ia, H. s. τρασιά). 7. ψυκτικός (δια-, ἐν-, κατα-) ‘kühlend’ (Mediz., Arist.). 8. ψυγεύς m. ‘Kühlgefäß’ — (Kom. IV-IIIa), nach Boßhardt 65 von *ψυγή; eher direkt von ψυγῆναι mit ψύγειν. 9. ψυγός = ταρσός (Sch. Od.). — An ψύχω schließen sich noch: 10. ψῦχος n. ‘Kälte, Frost’ (seit κ 555) mit ψυχ-όομαι (Hp.), -άζω (Alkiphr., Ael.), -ίζομαι (Gloss.) ‘sich abkühlen, abgekühlt werden’, wohl auch mit den Nomina ψυχ-εινός (Hp., X.; nach dem Oppos. ἀλεεινός, vielleicht direkt von ψύχω), -εῖον n. ‘Platz zum Wasserkühlen’ (Semos Hist.). vgl. ψυγεῖα· ἀγγεῖα ἐν οἷς ὕδωρ ψύχεται, καὶ ὁ τόπος αὐτός H., ebenso IG 22, 1695, 21 [IIIa]? (Inschr. ψυ[γ]εῖα). — 11. ψυχρός (wie αἶσχος : αἰσχρός u.a.), auch m. κατα-, ἐν-, ὑπο- u.a., ‘kühl, kalt, frostig, gefühllos, erfolglos, machtlos’ (seit Il.; zur Bed. Björck UUÅ 1945 : 12, 19ff.) mit ψυχρ-ότης (ion. att.), -ία, -α, -αίνομαι, -αντικός, -ασία, -εύομαι, -ευμα, -ίζω (alles hell. od. sp.). — Das Präsens ψύχω liegt offenbar allen übrigen Verbformen zugrunde; die kurzvokaligen ψῠχῆναι (mit ἀνα-, παρα-ψῠχή), ψῠγῆναι sind analogische Neubildungen. Auch die nominalen Bildungen lehnen sich semantisch wie formal glatt an das Verb an. Zu ψυχή ‘Seele’ von ψύχω ‘blasen, atmen’ vgl. πνεῦμα : πνέω, lat. animus, -a : aind. ániti ‘atmen’ usw. usw., dazu Wackernagel Syntax 2, 14. Im Sinn von ‘blasen, hauchen, atmen’ hatte aber das Griech. einen anderen Ausdruck in πνέω, das sich gegen ψύχω siegreich behauptet hat. Statt dessen hat ψύχω einen anderen Weg eingeschlagen: die anzunehmende Verschiebung ‘blasen’ > ‘(im Wind) abkühlen’ (auch ‘[im Wind] trocken machen’) hat, zumal bei einem seefahrenden Volk, nichts Befremdendes. Die Triade ψύχω, ψῦχος, ψυχρός hat sich ihrerseits gegenüber anderen Ausdrücken für ‘kühlen, Kälte, kalt’ (s. ῥῖγος, κρύος, πάγος) in der Prosa durchgesetzt. — Die weitere Geschichte von ψύχω liegt im vorgeschichtlichen Dunkel. Eine Zerlegung in ψύ-χ-ω (wie τρύ-χ-ω, ψή-χ-ω, ψώ-χ-ω) bietet sich von selbst, und somit können wir mit Bq und Benveniste BSL 33, 165 ff. an ein Verb bhes- (vgl. τρ-ύ-ω : τείρω : lat. terō) ‘blasen’ anknüpfen mit wahrscheinlichen oder denkbaren Ablegern in aind. bhás-trā f. ‘Schlauch, Balg’, eig. ‘Blasebalg’, bhás-ma n. ‘Asche’ (andere Möglichkeit s. ψόλος), s. Mayrhofer s.vv. m. Lit., auch Pok. 146, ebenfalls m. Lit. — Anders über ψυχή Thieme Studien 56 A. 2 (mit weiterer Lit.) : aus *bzhu + uĝh- ‘den Hauch hin- und herfahrend’ (aind. [ved.] psu ‘Atemhauch’ [nicht sicher] und Schwundstufe von u̯eĝh- ‘fahren’ [s. 2. ἔχω]); speciosius quam verius. — Aus der reichen Lit. seien hier nur erwähnt Onians The origins of Eur. thought 93 ff., Vivante Arch. glottol. it. 41, 113 ff., beide mit weiteren ausführlichen Lit. -Angaben. II-1141-1142
ψῶ, ψωμός, ψώρα usw. s. ψῆν. II-1142
ὤ auch ὦ, bes. vor Vokativ, (seit Il.) Ausruf des Staunens und der Klage, mit ὤζω ‘oh rufen’ (Ar.). Auch ώή ‘heda, holla!’ (A., E., X., lat. ōhē), ὠόπ Zuruf der Ruderer (Ar.). — Ähnliche Interjektionen, z.T. elementar, z.T. genetisch damit verwandt: lat. ō, ōh, germ., z.B. got. o, lit. õ, slav., z.B. aksl. o, kelt., z.B. air. a, aind. ā. Weiteres bei WP. 1, 165, Pok. 772, W.-Hofmann s.v.; zum Griech. bes. Schw.-Debrunner 600f. m. reicher Lit. II-1143
ᾤα, auch ᾦα, ὤα, ὄα f. 1. ‘Schaffell, Schurz’ (Kom., att. Inschr. IVa, Poll., H.). 2. ‘Saum (des Kleides), Rand’ (Korinn.[?], Ar.Fr. 228 [?], LXX, kret. Inschr. IIa, Longus, Poll., Hdn. u.a.); ὠΐαι· ἄκραι, ἔσχατα, μηλωταί, λέγναι H. — Im Sinn von ‘Schaffell, Schurz (aus Schaffell)’ wohl zu ὄϊς ‘Schaf’ aus *ὠϝία od. *ὦϝι̯α mit Dehnstufe wie in aind. āvikam n. ‘Schaffell’ (Kretschmer KZ 31, 456; zum Lautlichen noch Adrados Emer. 18, 41 6 f.). Die Bed. ‘Saum’ kann als ‘Besatz mit Schaf- fell’ damit identisch sein (Sommer Lautst. 18 f., 154 A. 1). Anders Bezzenberger — Fick BB 6, 236: zu lat. ōra ‘Rand, Saum’ usw. (von W.-Hofmann s.v. abgelehnt). II-1144
ὤγανον · κνημὶς ἁμάξης und περιώγανα· ἐπίσσωτρα. οἱ δὲ τὰς κνημίας αἵ περιπήγνυνται ταῖς ἁμάξαις H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 7 (m. ausführl. Behandlung) als illyr.-hylleisch zu u̯eĝh- ‘fahren’ (s. 2. ἔχω). Viel mehr zu ἄγω mit Dehnstufe wie in ἀγωγή (Frisk Indogerm. 17 f. = Kl. Schr. 47 f.). II-1144
’Ωγυγίη f. N. oder Attribut einer mythischen Insel, Wohnsitz der Kalypso (Od. u.a.). Daneben Ὤγυγος (-γης) m. N. eines böot. und att. Ahnherrn, wohl sekundär von ’Ογύγιος Beiw. von Theben, auch von Athen (A. u. S. in lyr. u. anap.) "dem O. gehörig, von O. stammend"; = ‘uralt, urzeitlich’? (Στυγὸς ὕδωρ, πῦρ u.a.; Hes. Th. 806, Emp., Pi., S.). — Fremdwort ohne Etymologie; s. Güntert Kalypso 167 ff. m. Kritik der verschiedenen Deutungsvorschläge. II-1144
ᾠδή, ᾠδός s. ἀείδω. II-1144
ὠδίς, jünger -ίν, -ῖνος, gew. pl. -ῖνες f. ‘Geburtswehen, das (unter Schmerzen) Geborene’, übertr. ‘(Frucht harter) Anstrengung’ (seit Λ 271); δυσ-ώδινος ‘von schlimmen Geburtswehen begleitet’ (AP). Davon ώδίνω (seit Λ 269), Aor. ώδῖν-αι, -ῆσαι, -ήσασθαι, -ηθῆναι, Fut. ὠδιν-ῶ, -ήσω (hell. u. sp.), auch m. συν-u. a., ‘Geburtswehen haben, mit etw. schwanger gehen’, übertr. ‘heftige Schmerzen empfinden, sich abmühen, hart arbeiten’. — Bildung wie γλωχ-ῖν-, δελφ-ῖν-, ἀκτ-ῖν- u.a. von einem Nomen *ὠδ(ο)- zu lit. úodas ‘Mücke’ ("Stechmücke", zu ė́[d]-mi ‘fressen’), arm. utem ‘essen’ (wäre gr. *ὠδέω, iterat.-intens., evtl. denom.), gr. ἐδ-ωδ-ή, mit Dehnstufe neben ὀδύνη zu ἔδω ‘essen, fressen’ (s. dd. m. Weiterem). Frisk Etyma Armen. 13 = Kl. Schr. 261 (wie schon Bechtel Ub. die Bezeichnungen der sinnl. Wahrnehmungen in d. idg. Spr. [1879] 22 und de Saussure Mém. 168). S. auch Belardi Doxa 3, 224. II-1144
ὠθέω, -έομαι, Aor. ὦσαι, -ασθαι, Ind. ἔωσα, -άμην (Hom., att.), ὦσα, -άμην (ep. ion.), ὤθησα (sp.), Pass. ἐώσθην (X.), ὤσθην (sp.), Fut. ὤσω, -ομαι (seit Il.), ὠθήσω (S., E., Ar.), Pass. ὠσθήσομαι (E., D.), Perf. Pass. ἔωσμαι (Th., X. u.a.), Ptz. ἀπ-ωσμένος (Hdt.), Akt. ἔωκα (Plu.), ‘stoßen, drängen, treiben, weg-, fortstoßen, vertreiben, zurückwerfen’, Med. auch intr. ‘vorwärts dringen’. meist m. Präfix, ἀπ-, ἐξ-, δι-, προ- u.a., Ableitungen: 1. ὦσις (ἄπ-, ἔξ-, πρό- ~ u.a.) f. ‘das Stoßen, Weg-, Fortstoßen’ (Hp., Th., Arist. usw.), auch ὤθησις (ἀπ-, ἐξ-, δι- ~ u.a.) f. ‘ds.’ (Hero, sp.). 2. ὠσμός (ἀπ-, δι-, προ- ~) m. ‘ds.’ (LXX, Hero, sp. Mediz.); ώσμή f. ‘Stoß’ (Pap. IIp); ἔξ-ωσμα n. ‘Verbannung’ (LXX). 3. ὤστης (σεισμός) ‘Erdstoß’ (Arist.), ἐξώστης ἄνεμος ‘Wind, der das Schiff aus dem Kurs bringt’ (ion.; Fraenkel Nom. ag. 1, 241), auch προ-, ἀπ- ~ (sp.); ἀπ-ωστός ‘verstoßbar, verstoßen, vertrieben’ (Hdt., S.); ὠστικός (ἀπ-, ἐξ-, προ- ~ ) ‘stoßend, wegstoßend’ (Arist., Epikur., Gal. u.a.). 4. δι-ωστήρ m. (LXX, Paul. Aeg.), δι-ώστρα f. (Ph. Bel., Hero Bel.), ἐξ-ώστρα (Plb. u.a.), -ωστρα n. pl. (Delos IIIa) Bez. verschiedener Instrumente und Maschinen. — Dazu sekundäre Präsentia: 1. ὠθίζομαι ‘sich stoßen, sich drängen, sich zanken’, -ίζω ‘stoßen’, auch m. δι-, εἰσ-, ἐπ- (Hdt., sp. Prosa), mit (δι-, συν-)ὠθισμός m. ‘das Stoßen, Gedränge, Zank’ (Hdt., Th., X., Plb. u.a.). 2. ὠστί-ζομαι ‘aneinanderstoßen, sich mit jmdm. herumtreiben’ (Ar.; zur Bildung auf -τίζω Schwyzer 706) mit ώστισμός m. = ὠθισμός (Moeris). — Das iterativintensive Präsens ὠθέω (vgl. πωλέομαι : πέλομαι und Schwyzer 720), an das sich die übrigen Formen anschließen, steht im Griech. nicht ganz isoliert. Als Zeugnisse eines alten primären Verbs sind mit wechselndem Grad von Wahrscheinlichkeit das Präsens ἔθει, das Ptz. ἔθων, ἔθοντες und die Nomina ἔθρις, ἔθειρα zu betrachten. Außerhalb des Griech. bietet sich zum direkten Vergleich ein altiran. Optativ, aw. vādāyōit̃ ‘er möge zurückstoßen’. Formen des primären Verbs sind im Altind. vorhanden, z.B. Aor. ávadhīt ‘er erschlug’, Präs. Opt. vadhet (wäre gr. *ἔθοι). Weitere Formen m. Lit. s. ἔθων, ἔθρις, ἔθειρα, auch Pok. 1115. II-1144
’Ωκεανός m. N. des Stroms, der die Erde wie das Meer rings einschließt, ‘Weltstrom, Weltmeer, Ozean’ (seit Il.). Davon ’Ωκεαν-ίς f. ‘vom O.’ (Pi. u.a.), -ίδες pl. ‘die Töchter des O.’ (Kall.), -ίνη (-ῑ-) f. ‘Tochter des O.’ (Hes.), -ῖτις f. ‘vom O.’ (D.H., AP u.a.), -ῖται m. pl. ‘Bewohner der Ozeanküste’ (St. Byz.; Redard 184), -(ε)ιος ‘zum O. gehörig’ (Gal. u.a.), f. -ηϊάς (Nonn.), -ης m. alter N. des Nils (D. S.). — Da die Idee des Weltstroms nicht aus gemeinidg. Zeit übernommen worden ist, liegt selbstverständlich eine griech. Neuerung, wahrscheinlich in Form eines LW.s vor. Die Versuche, eine idg. Etymologie zu finden, sind gescheitert: = aind. ā-śáyāna- "der anliegende", etwa = ἐπικείμενος (seit Benfey; weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 358); aus idg. *ōḱu̯-eianos "(le dieu fleuve) qui a la marche rapide" (zu ὠκύς und aind. áyanam ‘Gang’; Borgeaud IF 66, 49 ff.). Pelasgische Erklärung von Carnoy Ant. class. 24, 27 f. II-1145
ὤκιμον n. ‘Basilienkraut, Ocimum Basilicum’ (Kom., Thphr., Dsk. u.a.) mit ὠκιμο-ειδές n., als Adv. ‘dem ὤ. ähnlich’ (Nik.), als substantiv. Adj. (-ής) N. mehrerer Pflanzen (Dsk., Ps.-Dsk., Gal.; vgl. Strömberg 43), ὠκιμ-ώδης ‘ds.’ (Thphr.), -ινος ‘von ὤ.’ (Dsk.). Daneben ὤκινον n. N. eines Futterkrauts, viell. eine Kleeart in lat. ōcinum (Cato, Varro, Plin.); ἄκινος, ἄκονος m. ‘wildes Basilienkraut, Calamintha graveolens’ (Dsk.). — Fremdwörter unbekannter Herkunft. Anknüpfung an ἀκή, ἄκαινα usw. (nach dem scharfen Geruch?; vgl. Bq, WP. 1, 29, Pok. 20) kann höchstens als volksetymologisch gelten und erklärt übrigens anl. ὠ- nicht. II-1145
ὠκύς Superl. ὤκιστος (vorw. Hom.), ὠκύτατος (dichter. seit θ 331), Komp. ὠκύτερος (Pi. u.a.; urspr. *ὤσσων? Seiler Steigerungsformen 51), Adv. ὦκα (Hom.; zur Bildung Seiler 65 und Schwyzer 622 m. A. 9). ‘schnell, geschwind’ (vorw. ep. seit Il.), Sehr oft als Vorderglied in dichter. Kompp., z.B. ὠκύ-πους, -ποδος ‘schnellfüßig’, Beiw. von ἵππος (seit Il.), wohl auch ὠκύ-αλος, Beiw. von ναῦς (Hom., S. in lyr., Mosch.), auch von ῥιπή (Pi., Opp.), von πτερά (H.), als N. eines Phaiaken (θ 111; vgl. Εὐρύ-, ’Αστύ-αλος), mit verblaßtem Hinterglied nach ἀγχί-, ἀμφί-αλος u. a.; nicht besser mit Bechtel Lex. s. v., Risch ̨ 74 d, Sommer Nominalkomp. 69 (mit Doederlein) zu ἅλλομαι, auch nicht mit Ruijgh L’éIém. ach. 165 m. A. 4 (mit Sch. Ο 705 und H.) rein erweiternd (mit äol. Barytonese) wie ὁμαλός : ὁμός. Als Hinterglied in ποδ-ώκης, von ’Αχιλλεύς u.a., = πόδας ὠκύς, ὠκύ-πους (seit Il.; wie von *ὦκος), danach ἱππ-ώκης, ἀνεμ-ώκης (B., E. in lyr. u.a.). Wenige Ableitungen: ὠκύ-της, dor. -τας f. ‘Schnelligkeit’ (Pi., E. u.a.); erweitert ὠκήεντα τέρετρα (AP; Versende). — Ausführlich über ὠκύς nebst Komposita und Ableitungen Ruijgh a. O. — Altererbtes Adj. für ‘schnell’, mit aind. āśú- und aw. āsu- identisch : idg. *ōḱú-s. Ebenso ὤκιστος = aind. ā́śiṣṭha-, aw. āsišta-, wozu Komp. ā́śīyān, aw. āsyā̊ = lat. ōcior mit ōcissimus (auch ōximē Paul. Fest.). Im Griech. ist der primäre Komp. (*ὤσσων? s. ob.) von ὠκύτερος mit ὠκύτατος abgelöst worden. Auch das Kelt. hat dieses alte Adj. bewahrt, aber nur mit negierendem Präfix, z.B. akymr. di-auc ‘träge’ ("unschnell"). Daß in lat. acu-pedius = cui praecipuum erat in currendo acu-men (Paul. Fest.) und in accipiter (< *acu-peter ‘schnellfliegend’) ‘Habicht, Falke’ ein alter schwachstufiger Positiv erhalten wäre, ist eine verlockende aber unsichere Annahme, da die lat. Wörter auch zu acus, acūtus gehören können, vgl. ὀξύ-πους ‘schnellfüßig’ (E.), ὀξύ-πτερος ‘mit schnellen Flügeln’ (Aesop.), ὀξύ-ρροπος ‘schnell sich neigend’ (Pl.). Die Hypothese, daß idg. *ōḱús ‘schnell’ letzten Endes zu *aḱ-, oḱ- ‘scharf’ (in acus, ἄκρος, ὄκρις usw.) gehören sollte, ist selbstverständlich möglich, aber als unbeweisbar ohne besonderes Interesse. — Das altertümliche ὠκύς wurde (ebenso wie lat. ōcior von velōcior, celerior) schon früh von dem geläufigen ταχύς zurückgedrängt und ersetzt. — Weitere Einzelheiten m. Lit. bei WP. 1, 172, Pok. 775, W.-Hofmann s. ōcior. II-1145-1146
ὠλένη f. ‘Ellbogen, der gekrümmte Arm, Unterarm’ (poet. seit h. Merc. [vgl. λευκώλενος], auch Luk.), auch ‘Schilfbündel’ (eig. ‘Armvoll’), ‘Schilfmatte’ (Ph. Rel., Pap. u.a.), = lat. torus (Gloss.). Wenige Kompp. : ὠλέ-κρᾱν-ον neben ὀλέ-κρᾱν-ον n., aus *ώλενό-κρανον dissim., ‘Ellbogen(kopf)’ (Hp., Ar., Arist. u.a.; vgl. zu κρανίον) mit ὠλεκραν-ίζω, -ίζομαι (ὀλ-) ‘mit dem Ellbogen stoßen’ (Kom. Adesp., Phryn.); ὠλενο-στρόφος m. ‘Bündel-, Mattenflechter’ (Pap. IIIa); λευκ-ώλενος ‘mit weißen Ellbogen, weißarmig’ Beiw., bes. von Hera (ep. poet. seit Il.). Hypostase ἐπ-ωλέν-ιος ‘auf dem Arme befindlich’ (h. Merc., A. R.). Ableitungen: ὠλέν-ιος ‘im Ellbogen befindlich’ (Arat.), -ίτης m. (χόνδρος) ‘ds.’ (Lyk., Redard 105), -ίς f. ‘kleines Bündel od. kleine Matte’ (Poll.). — Daneben ὠλήν, -ένος f. ‘ds.’ (Suid.; pl.Akk. ὠλένας und Gen. ὠλενων [Pap.] zweideutig); auch ὠλλόν· τὴν τοῦ βραχίονος καμπήν H. — Zu λέκρανα· τοὺς ἀγκῶνας H., Phot. mit Wegfall das Anlautvokals Strömberg Wortstud. 44 (abzulehnen Güntert Reimwortbild. 127). — Die Formen ὠλήν, -ένος (vgl. αὐχήν, -ένος) mit dem erweiterten ὠλέν-η (wie ὑσμίν-η) und ὠλλόν aus *ὠλν-όν vertreten verschiedene Ablautvarianten eines n-Stamms, der auch in arm. uln, Gen. ulan, pl. Nom. ulunk (wäre gr. *ὠλόνες, allenfalls *ὠλῶνες wie ἀγκῶνες) vorliegt, aber im Sinn von ‘Wirbelknochen des Rückgrats, Nacken, Genick, Hals’. Semantisch besser zu ὠλένη stimmen einige Wörter des Westens : lat. ulna ‘Ellbogen (knochen), gekrümmter Arm’, germ., z.B. ahd. elina ‘Elle’, beide auf idg. *olenā zurückführbar (wie auch alb. llâne ‘Elle’ nach Mann Lang. 28, 37) mit anlautender Kürze wie ὀλε[νο]-κρανον, dazu kelt., z.B. kymr. elin ‘Ellbogen’ aus *olīnā. Eine ähnliche Bildung zeigt arm. oɫn, Gen. oɫin, pl. oɫunk‘ ‘Rückenwirbel, Rückgrat, Rücken, Schulter’ aus idg. *olen-, olon-; anders dagegen aind. aratní- m. ‘Ellbogen’ (aus *oln̥-tn-? Szemerényi Sprache 12, 199), mehrdeutig aind. āṇím. ‘der unmittelbar über dem Knie liegende Teil des Beines, Zapfen der Achse’, s. Mayrhofer s.v. — Die abweichende Bed. der armen. Wörter ist vielleicht auf eine ursprünglichere Bed. ‘Biegung oder Gelenkstelle des Körpers’ zurückzuführen (Lidén Armen. Stud. 127 ff.), insofern nicht eine bei Körperteilen nicht seltene Verschiebung des Inhalts und der Lokalisierung eingetreten ist, etwa ‘(gekrümmter) Arm > Schulter > Rücken’ od. dgl. (vgl. die Beispiele bei Lidén Mél. Pedersen 88 f.). — Weitere Vertreter dieser sehr weitverzweigten Wortsippe mit Lit. bei WP. 1, 156ff., Pok. 307ff. (Wz. el(ei)-, lei- ‘biegen’, sowohl formal wie begrifflich leider etwas proteusartig, außerdem mit zahlreichen Erweiterungen), auch W.-Hofmann s. ulna; ältere Lit. auch bei Bq. — Zur ganz fraglichen Zusammenstellung von λευκ-ώλενος und aind. kalyā́ṇa- ‘schön, lieblich’ (in *kali-āṇa- zerlegt; Wackernagel KZ 61, 192 als Hypothese) s. Mayrhofer I 185. II-1146-1147
ὠλίγγη (Poll., EM, AB; auch ὦλιγξ?), ὠλιγγία (H.) f. ‘Runzel, kleine Furche, Krähenfüße im Augenwinkel’, auch ‘kurzes Schläfchen, kurzes Moment, Augenblick’ mit ὠλίγγ-ιον· ὀλίγον (EM, AB), -ήϊον· ὀλίγον, βραχύτατον H., -ιᾶν· νυστάζειν H. — Bildung wie εἴλ-ιγξ, -ιγγος, -ίγγη, φῦσιγξ, -ίγγη, σαυρίγγη von einem unbekannten nominalen Grundwort. Am nächsten kommt ὦλαξ (EM), dor. für ἄλοξ ‘Furche’ (s.d.; ähnlich Solmsen Unt. 261). Ohne überzeugende Anknüpfung. Nicht mit Persson Beitr. 1, 224 zu aind. āli- f. ‘Streifen, Linie’ (weil aus *āḍi-; s. Mayrhofer m. Lit.). Der weitere Vergleich mit einem nord. Wort, z.B. awno. āll m. ‘Furche im Bett eines Flusses, Streifen längs dem Rücken eines Tieres’ (Persson a. O.), ist schon angesichts der mehrdeutigen Form dieses Wortes (urg. *ēla- < idg. *ēlo- oder *anhla- zu ἀγκύλος, -ύλη?) ganz fraglich. II-1147
ὦλκα Akk. ‘Furche’ s. ἄλοξ. II-1147
ὡμαλία f. ‘Gleichförmigkeit, Durchschnitt’ in ἐφ’ ὡμαλίαν ‘im Durchschnitt’ (hell. Inschr. u. Pap.; Mayser I : 3, 27). — Nach dem Oppositum ἀνωμαλ-ία f. ‘Unebenheit, Ungleichförmigkeit’ (att. hell. u. sp.), von ἀν-ώμαλος (kompos. Dehnung); s. ὁμαλός. II-1147-1148
ὤμιλλα f. N. eines Spiels, bei dem man Nüsse u.a. in einen Kreis warf, auch übertr. von einer geselligen Zusammenkunft (Eup., Poll., H.). — Unerklärt. II-1148
ὦμος m. ‘Schulter, Achsel mitsamt dem Oberarm’ (Il.). Als Vorderglied u.a. in ὠμο-πλάτη, meist pl. -αι f. ‘Schulterblatt’ (Hp., X., Arist. usw.; Risch IF 59, 268). Zahlreiche Hypostasen, z.B. ἐπ-ωμ-ίς f. ‘der obere Teil der Schulter, ein über der Schulter geknöpftes Gewand’ (Hp., E., X. usw.), ἐξ-ωμ-ίς f. ‘Gewand, das die eine Schulter frei ließ’ (Ar., X. usw.), κατ-ωμ-αδόν, -άδιος ‘von den Schultern her’ (Il.), ἐξ-ωμ-ίζω ‘die Schulter entblößen’ (Ar.); zu ἐπωμάδιος (ἐπομμ-) s.u. Davon 1. Demin. ὠμ-ίον n. (AP; parodierend). 2. -ία f. ‘Ecke eines Gebäudes’ (LXX u. a.; Semitismus, s. Scheller Oxytonie- rung 54), Teil (’Krümmung’?) eines Flußlaufs (Pap. IIa). 3. -ίας· ὁ μεγάλους ὤμους ἔχων, ὁ εὐρύστερνος H., Poll. 4. -ιαῖος ‘zur Schulter gehörig’ (Arist., Gal.). 5. -ισάμενος Aor. Ptz. ‘auf die Schultern nehmend’ (Suid., Zonar.) mit -ιστής ‘Träger’ (Hdn.) — Altererbte Bezeichnung der Schulter, in mehreren Sprachen erhalten : aind. áṃsa- m., got. ams m. (Akk. pl. amsans), lat. umerus, umbr. Lok. onse ‘in umero’, arm. us, Gen. us-oy, toch. A es, B āntse, alle auf idg. *ŏmso-s zurückführbar. Die für lat. umerus (aber nicht für umbr. onse) angesetzte Nebenform *ŏmesos ist entbehrlich, da eine Entwicklung -ms- > -mer-(mit Rhotazismus und Vokalanaptyxe) durchaus im Bereich des Möglichen liegt und durch keine Gegenbeispiele zu widerlegen ist (vgl. Götze IF 41, 120). Die unklare H.-Glosse ἀμέσω· ὠμοπλάται (fremd?; vgl. Latte zur St.; nach v. Windekens Le Pél. 67 mit Georgiev pelasgisch) ist als Zeugnis eines dreisilbigen Stamms natürlich unverwertbar. Auch die toch. Formen, obwohl mehrdeutig, legen gegen idg. *ŏmsos keine Verwahrung ein. Ebensowenig notwendig ist es, für ὦμος ein besonderes, u.zw. dehnstufiges idg. *ōmsos (nach Schulze KZ 63, 28 alte Vrddhi) zu postulieren; das bei Theok. 29, 29 als v.l. bezeugte äol. ἐπομμάδιος läßt übrigens am ehesten auf *ŏmso- schließen; s. zu dieser Frage Kretschmer Wiener Eranos 1909, 124 und Glotta 11, 242 (anders Solmsen KZ 29, 62f., Schwyzer 279, Chantraine Rev. de phil. 3. sér. 31, 98 [mit Lejeune] u.a.); vgl. auch zu ὦνος. Zu den umstrittenen toch. Formen s. Schneider IF 58, 169ff., v. Windekens. ebd. 262 und ZDMG 110, 315f., Krause-Thomas Toch. Elementarbuch I ̨̨ 24,2; 27,2; 47,2. II-1148
ὠμός ‘roh, ungekocht’, übertr. ‘hart, grausam’ (seit Il.). Sehr oft als Vorderglied, z.B. ὠμ-ηστής, dor. -τάς m. ‘Rohes fressend, ὠμο-φάγος, blutgierig, unmenschlich’ (ep. poet. seit Il.), Zusammenbildung aus ὠμός und ἔδω mit τᾱ-Suffix und alter Kontraktion wie in aind. āmād- ‘ds.’ (aus āma-ad-); ώμ-ήλυσις f. ‘Mahlgut aus rohen Körnern’, bes. zum Breiumschlag (Hp. u.a.) für *ὠμ-ήλεσις (: ἄλεσις, ἀλέω) mit volksetymol. Anknüpfung an λύσις, λύω ("μετὰ ὠμῆς λύσεως" Dsk. u.a.). Als Hinterglied in ἔν-ωμος ‘etwas roh’ (Hp. u. a.; Strömberg Prefix Studies 126). — Altes Adj. für ‘roh’, mit aind. āmá- und arm. hum identisch: idg. *ōmós. Unsichere weitere Kombinationen bei WP. 1, 179, Pok. 777f., W.-Hofmann s. amārus. II-1149
ὦνος Gewöhnlicher ὠνή (ion. att.), dor. ὠνά, äol. ὄννα f. ‘Kauf, Kaufurkunde, Kaufpreis’ (z.T. ans Verb angeschlossen, z.B. συνων-ή [sp.] von συν-ωνέομαι). m. ‘Kaufpreis, Kauf’ (Hom., auch A. R., Theok., Inschr. Delos IIIa). Davon εὔ-ωνος ‘in gutem Preise, wohlfeil’ (Epich., ion. att.), -ώνης m. (vom Verb od. auf das Verb bezogen), z.B. τελ-ώνης ‘Zollpächter, Steuererheber’ (att., hell. u. sp.; Fraenkel Nom. ag. 2, 109 A. 3, 110), ὤν-ιος ‘käuflich’, τὰ ὤνια ‘Marktwaren’ (Epich., att.), -ιακός ‘ds.’ (Pap. VIp, Just. Nov.). — Denom. Verb ὠνέομαι (seit Hes.), Aor. ὠνήσασθαι (ion., auch jungatt. für πρίασθαι), auch Pass. ὠνηθῆναι, Fut. ὠνήσομαι, dor. (Sophr.) 3. sg. ὠνασεῖται, Pass. ὠνηθήσομαι (Theopomp. Kom.), Perf. (Med. u. Pass.) ἐώνημαι (att.), auch m. ἀντι-, ἐκ-, συν- u.a., ‘kaufen’; kret. auch Akt. ὠνέω ‘zum Kauf darbieten, verkaufen’ (Leg. Gort. u. a.; Wackernagel Syntax 1, 125 f.). Davon 1. ὤνημα n. ‘Kauf’ (att. Inschr.), auch βώνημα· εἴρημα. Λάκωνες H.? (Baunack Phil. 70, 366 mit τίμημα für εἴρημα). 2. ὤνησις f. ‘das Kaufen’ (att. Dekret. ap. Poll.). 3. ὤνητής (att.), ὠνατάς (Delphi IIa; ὠνάτας, von ὠνά, nach Fraenkel Nom. ag. 1, 180; wenig glaubhaft) m. ‘Käufer’ mit -ητιάω ‘kauflustig sein, kaufen wollen’ (Thphr., D. C., Poll.), -ήτωρ ‘ds.’ (sp.). 4. ὠνη-τός ‘käuflich, gekauft’, u.a. von Sklaven (seit ξ 202; Ammann Μν. χάριν 1, 21), -τικός ‘kauflustig’ (Ph.). 5. Desid. ὠνησείω ‘kaufen wollen’ (D. C.). — Neben ὦνος aus *ϝόσνος (vgl. unten) stehen lat. vēnum (Akk.) dare ‘zum Verkauf geben’, arm. gin, Gen. gn-oy ‘Kaufpreis’ aus idg. *u̯esno-; dazu mit idg. e od. o aind. vasnám n. (-áḥ m.) ‘Kaufpreis’ mit vásniya- ‘verkäuflich, feil’ ( : ὤνιος) und denom. vasnayáti (Ptz. du. -ayántā) ‘feilschen’ (: ὠνέω). Das Nomen *u̯es-no-, *u̯os-no- gehört zu einem primären Verb, das noch im Heth. erhalten ist: 3. sg. u̯aš-i, 2. sg. u̯aš-ti usw. ‘kaufen, erwerben’ (mit regelmäßigem a-Vokal wie in šak-i ‘wissen’ u. a.); daneben von einem schwundstufigen(?) n-Nomen uš(a)niya-’feilbieten, verkaufen’. — Die Ansetzung einer dehnstufigen Grundform (*u̯ōsno-) ist für ὦνος ebensowenig notwendig und prinzipiell ebenso unwahrscheinlich wie bei ὦμος, s.d., auch Schwyzer 283. Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 1, 311 und ganz besonders W.-Hofmann s. vēnus; dazu noch Kronasser Acta Baltico-Slavica 3 (1966) 78. Für lat. vīlis ‘wohlfeil’ aus *u̯es-lis Szemerényi Arch. Linguist. 6, 36 (mit Skutsch; s. W.-Hofmann s.v.). — Sowohl ὠνέομαι wie der Aor. πρίασθαι werden mit der Zeit mehr und mehr durch ἀγοράζω, ἀγοράσαι ersetzt. II-1149-1150
ᾠόν (ion. att.), ὠόν (hell.), ὤϊον (Sapph.), auch ὤεον (Epich., Ibyk., Semon., hell. Dichtung) n. ‘Ei’; ὤβεα (= ὤϝεα)· τὰ ὠά. ’Αργεῖοι H. Als Vorderglied u.a. in ᾠο-τόκος ‘eierlegend’ mit -τοκία, -τοκέω (Arist. u.a.). Demin. ᾠ-ΰφιον n. (Theognost., Pap. IIp), -ώδης ‘eiförmig’ (Arist. u.a.). — Altes Wort für ‘Ei’, in mehreren Sprachen, aber in wechselnder Form vorhanden: lat. ōvum, germ., z.B. ahd. ei, awno. egg (urg. *ai̯i̯a- n.), iran. z.B. npers. xāya (urir. *āya- [od. āvya-?] < idg. *ōi̯o- [od. ōu̯i̯o-]), slav., z.B. aksl. ajьce, russ. jajcó (ursl. *āje- < idg. *ōi̯o-), arm. ju, Gen. juoy (aus *i̯ōi̯o-?), alb. ve, voe usw. (Grundform unklar), kelt., z.B. kymr. wy (Grundform unklar). — Die wiederholten Versuche, die verschiedenen Formen ins reine zu bringen, haben zu keinem sicheren Ergebnis geführt, s. die ausführliche und sorgfältige Behandlung von Schindler Sprache 15, 144 ff. (mit reicher Lit.); daselbst auch über die lebhaft erörterte Möglichkeit, das Wort für ‘Ei’ mit dem Wort für ‘Vogel’ (lat. avis usw.) zu verbinden. II-1150
ὥρα, ion. ὥρη f. ‘Jahreszeit, Jahr, Tageszeit, Stunde, rechte Zeit, Blütezeit, Reifezeit’, pl. auch personif. ‘die Horen’ (seit Il.); hell. u. sp. auch ὧρος m. ‘Jahr’ (nach ἐνιαυτός?), pl. ὧροι ‘Jahrbücher’ (der ionischen Schriftsteller). Kompp., z.B. ὡρη-φόρος ‘die rechte Zeit (Blüte-, Reifezeit) bringend’ Beiw. der Demeter (h. Cer., Orph.), ὡρο-λόγ-ιον n. ‘Stundenzeiger, Sonnen-, Wasseruhr’ (hell. u. sp.), ἄ-ωρος, auch ἄν-ωρος ‘unzeitig, unschön’ (ion. att., kret.), auch ἀ-ώρ-ιος ‘ds.’ (Thphr.; Sommer Nominalkomp. 115 A. 2), ἐννέ-ωρος ‘neunjährig’ (Hom.), ‘neunstündig’ (Herod.); vgl. zur Stammbildung und Bed. Sommer 137 A. 1. Davon 1. ὡρ-αῖος ‘der Jahreszeit gemäß, zeitig, reif, in der Blütezeit stehend, schön’ (seit Hes.), oft subst., z.B. τὰ ὡραῖα ‘Früchte der Jahreszeit’ (ion. att.), mit -αιότης f. ‘Blütezeit, Schönheit’ (X., LXX u.a.), -αΐζομαι, -ᾴζομαι (ἐν-, ἐξ-) ‘schön sein, blühen, vornehm tun’ (att. Kom. u.a.), -αΐζω, -ᾴζω ‘ds.’ (Amorgos IIIp), ‘schön machen’ (Aristid. Quint.) mit -αϊσμός, -αϊστής. 2. -ιος poet. für -αῖος (ep. poet. seit ι 131, sp. Prosa), s. Treu Weltbild 230f.; -ιαίνομαι, -ιαίνω = -αΐζομαι, -αΐζω (Klearch., H.). 3. -ιμος ‘zeitig, reif’ (Leg. Gort., Herod., hell. Pap., AP u.a.; Arbenz 55 u. 59) mit -ιμότης, -ιμαία, -ιμάζω. 4. -ικός ‘in der Blüte stehend, jugendlich, schön’ (Ar., Krates Kom., Ael. u.a.). 5. -ιαῖος ‘eine Stunde lang’ (Hipparch., Ptol. u.a.). 6. ‘Ωρίτης Bein. des Apollon (Lyk.; Redard 214). — Neben ὥρα aus idg. *i̯ōr-(ā) steht im Germ. mit anderem Ablaut got. jer, ahd. jār n. ’Jahr’ aus urg. *i̯ēra- n., idg. *i̯ēr-(o)-. Dazu aus idg. *i̯ōr- oder *i̯ēr- slav., z.B. russ.-ksl. jara ‘Frühling’ und mit beibehaltenem r- Stamm aw. yārə n. ‘Jahr’. Auch das Latein hat wahrscheinlich eine Spur dieses Wortes bewahrt in hornus ‘heurig’ aus *hō̆-i̯ōr-inus; vgl. ahd. hiuru ‘heuer’ aus *hiu jāru. — Die oft laut gewordene Ansicht, idg. *i̯ēr-, *i̯ōr- ‘Jahr’ sei von einem (sonst unbekannten) Verb für ‘gehen’ i̯-ē-, i̯-ō- (angebl. Erweiterung von ei- ‘gehen’ in εἶ-μι) ausgegangen, entbehrt jeder sachlichen Begründung (vgl. Bq s.v.). Weitere Einzelheiten m. reicher Lit. besonders bei W.-Hofmann und Vasmer s.vv.; dazu noch WP. 1, 105 u. Pok. 297 f. Lat. LW hōra. II-1150-1151
ὤρα, ion. ὤρη f. ‘Sorge, Vorsorge, Besorgnis’ (ep. ion. poet. seit Hes., sp. Prosa). Als Hinterglied in οὐδενόσ-ωρος ‘der niemandem Sorge schafft, nichtswürdig, verächtlich’, Beiw. von τείχεα (Θ 178), von ὀστέον (Opp. H. 2, 478), vgl. Bechtel Lex. s.v., Schwyzer 452; ὀλίγ-ωρος ‘wenig Vorsorge tragend, gleichgültig, rücksichtslos’ mit -ωρέω, -ωρία (ion. att.); anders dagegen θεωρός, τιμωρός, εὐθυωρία, s.dd. — Aus *ϝώρα mit Dehnstufe wie λώπη, λώγη u.a. zum Verb für ‘aufmerksam sein, auf etw. achten’; s. ὁράω m. Weiterem. Dazu βῶροι (= ϝ-)· ὀφθαλμοί H. II-1151
ὡρᾱκιάω (auch ὠρ-), Aor. -ιᾶσαι, auch ὡρακίζω ‘ds.’ (EM). ‘in Ohnmacht fallen, schwindlig sein od. werden’, sp. auch ‘erblassen’ (Ar., sp. Prosa) — Nicht sicher erklärt. Als Krankheitsverb auf -ιάω (Schwyzer 732) von *ὥραξ etwa ‘Ohnmacht, Schwindel’, wie νέαξ, πλούταξ, κνώδαξ u.a. (zum Typus Björck Alpha impurum 260ff.) von einem Nomen, u.zw. *ὧρος od. *ὥρα, das als *ϝῶρος, *ϝώρα mit awno. ōrar f. pl. ‘Anfälle der Geistesverwirrung’ identisch sein kann: idg. *u̯ōrā; dazu mit germ. ja-Suffix awno. ø̄rr ‘schwindlig, verwirrt’ (idg. *u̯ōri̯o-). — Frisk Eranos 43, 229ff. = Kl. Schr. 381 ff. (nach Persson Beitr. 1, 548 f.) mit weiteren hypothetischen Kombinationen. II-1151
ὥρη (ion.) f. Bez. eines Teils des Opfertieres s. 1. ἄωροι. II-1151
ὤρυγγες m. pl. ‘gestreifte od. buntscheckige Pferde od. Pferdetiere’ (Opp. K. 1, 317). — Unerklärt. II-1152
ὠρυγή, ὤρυγμα, ὠρυγμός s. ὠρύομαι. II-1152
ὠρύομαι (-ῡ-), Aor. ὠρύσασθαι (ἀν-, ἀντ-, κατ-) ‘heulen, brüllen, wehklagen’ (Pi., Hdt., hell. u. sp.). Davon ὠρῡ-δόν Adv. ‘heulend’ (Nik.), -μα n. ‘das Heulen’ (LXX), -τός m. ‘ds.’ (Theognost.). — Öfter mit γ-Erweiterung: ὠρυγ-ή, dor. -ά f. (Erinn., Plu., Poll.), -μός m. (Ael., Longus, Poll.), -μα n. (AP) ‘ds.’; ὠρυκ-τάς m. (dor.) ‘Heuler, heulend’ (Hymn. Is.). Auch ὠρυ-θμός m. ‘ds.’ (Opp., Q. S.; auch Theok. als v.l. neben -γμός), nach κλαυθμός. — Schallwort mit Verwandten in aind. ráuti, ruváti ‘heulen, brüllen’, slav., z.B. aksl. rovǫ, ruti ‘ds.’, wozu u.a. noch die lat. Nomina rūmor ‘Geräusch’, ravis ‘Heiserkeit’. Auch mit Gutturalerweiterung, z.B. lat. rūgiō, -īre ‘brüllen’, russ. rykátь, lit. rúkiu, rúkti (-ū-) ‘ds.’, ebenso ἐρυγεῖν (s. 2. ἐρεύγομαι m. Weiterem) mit ὀρυγμάδες, ὀρυμαγδός (s.d.). Für anl. ὠ- wurden verschiedene Erklärungen versucht: Interj. ὤ (Kretschmer KZ 38, 135f.), Präfix ὠ- (Brugmann Grundr.2 II : 2, 817; vgl. aind. ā́ ruva Ipv. ‘schreie mit’ [RV. 1, 10, 4]), aus *ῥω-ρυ- < *ῥῡ-ρυ- mit dissimilierter Intensivreduplikation (Bechtel Lex. 216 [fragend], Schwyzer 258 u. 260). Auch expressive Dehnung der Vokalprothese dürfte in Betracht kommen. II-1152
ὡς 1. (seit Il.), dor. auch ὡ, relat. Adv. und Konj. ‘wie, soweit’, auch temporal (’als’), kausal (’weil’), final (’damit’), vielleicht auch exklamativ. Dazu ὥστε, dor. ὥτε, ὥσπερ u.a. — Alter Instr.-Abl. vom Relativ ὅς, wie aw. Instr. yā, aind. Abl. yāt, idg. *i̯ō, *i̯ōd. Ausführlich Schwyzer-Debrunner 662 ff. m. reicher Lit. Zum auslaut. -ς s. 2. ἕως m. Lit. II-1152
ὥς 2. (καὶ ὧς, οὐδ’ ὧς, ὧδε) demonstr. Adv. ‘so’ (seit Il.). — Nach allg. Auffassung wie alat. sō-c ‘sie’ (nicht ganz sicher) aus idg. Instr. *sō vom Demonstr. *so-, s. ὁ. Daneben τώς (τῶς) von το-, s.d. — Schw.-Debrunner 577. II-1152
ὥς 3. ‘wie’, nachgestellt (ep.), z.B. ἴσαν ὄρνιθες ὥς (Γ 2). — Wegen der (nicht überall beobachteten) Positionswirkung gewöhnlich für *ϝως aus idg. *su̯ō erklärt neben *su̯ē in got. swe ‘wie’; vgl. noch alat. suad ‘sic’ (Festus). — Schw.-Debrunner 667, Chantraine Gramm. hom. 1, 126. II-1152
ὡς 4. Präp. m. Akk., nur von Personen (ρ 218, Hdt., att.). ‘zu’, — Herkunft unklar; zahlreiche Deutungsversuche sind bei Schw.-Debrunner 534 notiert. II-1152
ὤσχη, ὠσχοί s. 2. ὄσχη. II-1152
ὠτακουστέω s. οὖς. II-1153
ὠτειλή (Hom., Hp., X., Pln. u.a.), äol. (Gramen.) ὠτέλλα f. ‘Wunde’, bei Hom. besonders mit Bezug auf den Nahkampf (ausführlich Trümpy Fachausdrücke 93 ff. m. Lit.). Davon ὠτειλ-όομαι (περι-, ἐν-) ‘vernarben’ (Hp., Aret.), -ῆθεν ‘von der Wunde’ (Orph.). — Bildung unklar (vgl. Schwyzer 532 Zus.); gegen die Zusammenstellung mit dem lit. Demin. vot-ẽlis (von votìs ‘bösartiges, offenes Geschwür’) mit Recht WP. 1, 211. Auch etymologisch strittig. Denkbare griechische Verwandte sind γατάλαι (= ϝατ-)· οὐλαί H., οὐτάω ‘verwunden’, βωτ[ε]άζειν (= ϝωτ-)· βάλλειν H. und, weniger wahrscheinlich, ἄτη (< ἀϝά-τη) ‘Schaden, Schuld, Verblendung’. Aus anderen Sprachen kommen hinzu lit. votìs (s. ob.) nnd das damit identische lett. vâts ‘(eiternde) Wunde’. — Ausführlich über die ältere Diskussion Bechtel Lex. s.v., wo eine Grundform *ὀϝατελι̯ά̄ (bei Hom. überall bis auf τ 456 prosodisch möglich) empfohlen wird; dazu Seiler Sprachgesch. u. Wortbed. 409 ff., auch WP. 1, 211, Pok. 1108 und Fraenkel s. votìs. II-1153
ὠτίς, ὦτος s. οὖς. II-1153
ὠφελέω s. 2. ὀφέλλω mit ὄφελος. II-1153
ὠχρός ‘blaßgelb, blaß, bleich’ (ion. att.; zur Bed. Capelle RhM 101, 23 ff.; vgl. χλωρός und ξανθός). Einige Kompp., z.B. ὠχρο-μέλας ‘blaßgelb und dunkelfarben’, von einem Gelbsüchtigen (Mediz.; vgl. Risch IF59,60), ἔξ-ωχρος ‘sehr blaß’ (Arist., Thphr., Aret.; Strömberg Prefix Studies 68). Davon 1. ὦχρος m. (urspr. n.?; vgl. unten) ‘Blässe’ (Γ35; danach AP u.a.), gew. N. eines blaßgelben Schotengewächses, ‘Lathyrus Ochrus’ (Kom. IVa, Arist., Thphr., hell. Pap. u.a.). 2. ὤχρ-α f. ‘blaßgelbe Farbe, Ockerfarbe’ (Arist., Thphr., hell. Pap. u.a.); auch = ἐρυσίβη, ‘Mehltau’ (LXX), in diesem Sinn auch -ία f. (EM; Scheller Oxytonierung 56). 3. -ίας m. ‘Mann mit blasser Ansichtsfarbe’ (Arist.). 4. -ότης f. ‘Blässe’ (Pl., Arist. u.a.), -οσύνη f. ‘ds.’ (sp.). 5. Verba: a) ὠχρ-ῆσαι (κατ-) Aor. ‘blaß werden’ (λ 529, Aret., AP); b) -ιάω (κατ-) ‘ds’ (Ar., Arist., Babr. u.a.) mit -ίασις (sp.); c) -αίνω ‘blaß werden’ (Nik.), ‘blaß machen’ (Orph.), -αίνομαι ‘blaß werden’ (S. E., Sor. u.a.) mit -αντικῶς Adv. ‘blaß machend’ (S. E.). — Neugr. μουχρώνει ‘es dunkelt’ aus μῶχρος, μι̯ῶχρος < ἡμί-ωχρος (Hatzidakis; s. Kretschmer Glotta 7, 342). — Unerklärt. Seit Persson Beitr. 1, 300 A. 4 mit aind. vyāghrá- m. ‘Tiger’ verglichen. Die Zerlegung in vy-ā-ghra- (mit zwei Präfixen und einem isolierten -ghra-) ist aber ebenso fraglich wie ein entsprechendes ὠ-χρός. Nach Brugmann Grundr.2 II : 2, 817 (mit derselben Analyse) dagegen zu χαρ-οπός. Wenn Wackernagel mit seiner zögernden Vermutung (Unt. 234 f.) im Recht ist, ein neutr. ὦχρος (wie μάκρος : μακρός) hätte im Homertext ein älteres *ὦχος n. ersetzt (wie αἶσχος : αἰσχρός, ψῦχος : ψυχρός usw.), werden die obigen Etymologien sowieso hinfällig. II-1153-1154
*ὤψ alt nur in den stehenden Ausdrücken ἐνῶπα (nur in κατ’ ἐνῶπα), s.d., εἰς ὦπα ‘ins Gesicht, Auge in Auge’ (Hom., Hes.), dazu Dat. pl. ὤπεσσι (Max.), Akk. μεγάλους ὦπας (Ar. Byz.) u.a., τὰ ὦπα (Pl. Kra. 409c bzgl. einer Etymologie). Genus schwankend: nach EM 344, 55 fem.; nach Ar. Byz., Eust. u.a. mask. (wohl nach ὀφθαλμός; vgl. EM 233, 32); nach Sommer Nominalkomp. 10 ntr. ‘Auge, Gesicht, Antlitz’, Als Hinterglied in ἑλίκωψ, μύωψ (s. dd. m. Lit.) u.a.; dabei kommt auch Kompositionsdehnung in Betracht (Schwyzer 426 A. 4); mehrere Einzelheiten bei Fraenkel Nom. ag. 1, 80 A. 2; 2, 42 f. und 159f. Dazu zahlreiche Feminina, z.B. ἑλικ-ῶπ-ις, βο-ῶπ-ις (urspr. -ώπ-ῑς? Schwyzer 463 A. 5, Chantraine Gramm. hom. 1, 208); s. Sommer Nominalkomp. 2 A. 2. Hypostasen: ἐν-ώπ-ιος, -ιον, -ῇ, s. ἐνῶπα; ἐξ-ώπ-ιος ‘aus dem Gesicht, außerhalb’ (E.); εἰσ-ωπ-ός (: εἰς ὦπα) ‘Auge in Auge, gerade gegenüber, unmittelbar in d. Nähe befindlich’ (Ο 653, A. R., Arat.); ὑπ-ώπ-ια n. pl. (selten -ιον sg.) ‘der Teil des Gesichts unter den Augen, Schlag, Beule unter den Augen’ (seit Μ 463); μέτ-ωπον, πρόσωπον (s. bes.). — Weitere Ableitungen: 1. ὠπ-ή f. ‘Gesicht, Anblick’ (A. R., Nik.). 2. ὤπια· ὀφρύδια H. 3. ὠπ-άω ‘beobachten’ in ὠπῶντες (EM 322, 9 anläßlich ἑλίκ-ωπες), Med. Aor. ὠπ-ήσασθαι (Opp.), Fut. -ήσεσθαι· ὄψεσθαι H. Mit Präfix ἐπ-ωπάω ‘betrachten, überblicken, beaufsichtigen’ (A.) mit ἐπωπ-ή f. ‘Aufsicht(sort), Warte’ (A. Supp. 539 lyr.), ON ’Επώπ-η = ’Ακροκόρινθος (St. B.), -εύς m. eponymer Königsname (Apollod.; Boßhardt 105), N. (Bein.) eines Gottes (Mykale IVa), -ίς· Δημήτηρ παρὰ Σικυωνίοις und -ίδες· ἐπίσκοποι, ἀκόλουθοι παρὰ Λακεδαιμονίοις, auch -έτης· Ζεὺς παρὰ ’Αθηναίοις H. — Erweitert ἐπωπ-άζει· ἐφορᾷ, ἐποπτεύει H. — Alte dehnstufige Bildung neben ὄψ ‘Auge, Gesicht’; s. ὄπωπα m. weiteren Anknüpfungen. II-1154